Schlanker Materialfluss
Philipp Dickmann (Hrsg.)
Schlanker Materialfluss mit Lean Production, Kanban und Innovationen 3. Auflage
Herausgeber Philipp Dickmann Grafing b. München Deutschland
ISBN 978-3-662-44868-7 ISBN 978-3-662-44869-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-44869-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007, 2009, 2015 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa-tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Berlin Heidelberg ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Geleitwort
Pánta rhei – alles ist im Fluss. Dieser dem griechischen Philosophen Heraklit (ca. 540–480 v. Chr.) zugeschriebene Ausspruch meint nicht originär den Materialfluss sondern die Tatsache, dass sich alles stets in Veränderung befindet. Dennoch und gerade darum sollte man ihn im Hinblick auf den von Philipp Dickmann herausgegebenen „Schlanken Materialfluss“ aufgreifen. Im Wissen, dass betriebliche Prozesse Veränderungen unterworfen sein werden, wollen wir diese aktiv gestalten. Material soll durch die Produktion fließen. Ein Aufstauen (Lagern) soll nur dort und in dem Umfang erfolgen, wo dies gewollt ist, weil es vom Prozess gefordert oder notwendig erscheint, um unangenehmere Folgen durch einen Abriss des Flusses zu vermeiden. Dabei plädieren die Autoren für einfache, schnelle und praxisnahe Vorgehensweisen. Wenn erforderlich, dann ist Automatisierung einfach (und kein Selbstzweck). Geforderte Flexibilität wird erreicht, indem der Mensch seine Kreativität einbringt, systematisch handelt, sich nicht mit Erreichtem zufrieden gibt, wo immer möglich auf IT und Spezialistentum verzichtet. Wer jetzt denkt, es ginge um praxisferne Theorie, irrt. Aufgegriffen und unter den unterschiedlichsten Aspekten immer wieder neu ins Blickfeld gerückt werden die Gedanken des Toyota Produktion Systems, die Idee Kaizen, die seit einem halben Jahrhundert die Industrie verändern. Und immer wieder werden Anwendungen aus der Automobilindustrie herangezogen. Sie war, ist und bleibt seit über 100 Jahren Vorreiter für die jeweils zukunftsfähige Organisation von Produktionsprozessen und des zugehörigen inner- und zwischenbetrieblichen Materialflusses. Ihn schlank zu halten oder auch erst neu zu gestalten ist ihr Ziel. Dazu kürzt sie Durchlaufzeiten, senkt Bestände, spart Kosten und sichert so Wettbewerbsfähigkeit. Wettbewerbsfähigkeit unter Kostengesichtspunkten meint dabei nicht Verlagerung in Niedriglohnländer. Vielmehr stellt sich die Frage, wie ein sinnvolles Zusammenspiel von Mensch, Technik und Organisation so zu gestalten ist, dass Produktion und das in hochindustrialisierten Ländern erreichte Einkommensniveau nicht miteinander konkurrieren. Auch hierzu finden sich Gedankenanstöße. Dies entbindet den Unternehmer nicht von der Aufgabe, seine eigene Vision zu entwickeln. Hat er diese, so findet er zahlreiche Hinweise, wie der kontinuierliche VerbesseV
VI
Geleitwort
rungsprozess durch Einbeziehung der Mitarbeiter zu gestalten ist. Und er sollte erkennen, dass dieses Denken sich nicht auf die Produktion beschränkt. Er muss neu denken, sollte Verantwortung und neue Ansätze glaubhaft vorleben, Verantwortung auf andere übertragen und dezentralisieren, Qualität nicht als Lippenbekenntnis fordern, sondern als Teil der Kundenforderungen sehen und realisieren. Schaut man sich die Beiträge an, so könnte man meinen, Kanban und das Pull-Prinzip seien die Antwort auf alle Probleme des betrieblichen Alltags. Ein solcher Schluss wäre voreilig und wird dem Anliegen von Philipp Dickmann und seinen Mitstreitern nicht gerecht. Sie spannen den Bogen von den Elementen schlanker Produktionssysteme über deren Steuerung hin zur betriebsübergreifenden Supply Chain. Natürlich bildet dabei Kanban einen Schwerpunkt. Doch welches Kanban? Es zeigt sich, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten eine wahre Vielfalt von Lösungen entwickelt hat, um eben den Anwendungsbereich auszudehnen. Es zeigt sich, dass es möglicherweise die einfache reine Lösung nicht gibt. Auch wenn Kanban in seiner Urform den Verzicht auf EDV einschließen mag, so kommen moderne Unternehmen doch ohne IT-Lösungen und informationstechnische Vernetzung und Aufbereitung ihrer Prozesse nicht aus. Genau dies wird hier aufgezeigt. Die reine Lehre mag es in Lehrbüchern geben. Die Praxis sieht anders aus. Die neue Denkweise sollte Grundsätzen folgen. Sie muss jedoch pragmatisch auf die betrieblichen Belange eingehen und sich aus dem Instrumentenkasten so bedienen, dass das Geschehen so einfach wie möglich, so verständlich und transparent wie möglich aber auch informationstechnisch so weit als nötig gestaltet wird. Visualisierung des Geschehens für die Mitarbeiter macht dieses im buchstäblichen Sinne begreifbar und erleichtert so die Umsetzung neuen Denkens in betriebliche Praxis und deren beständige Überprüfung und Verbesserung (durch wen, wenn nicht durch die betroffenen Mitarbeiter!). Auch die Beiträge zeigen in ihren unterschiedlichen Akzentsetzungen, in ihren Beispielen, den Willen, die betriebliche Praxis in den Vordergrund zu stellen. Die von Dickmann auch vorgestellten neuen wissenschaftlichen Ansätze wie etwa die dezentrale Bestandsregelung, das Production Authorization Card Konzept (PAC) oder die Behandlung des Störungsmanagements sind ein Indiz, dass sich gerade auch Wissenschaftler fragen, wo über die aus Japan kommenden Ideen hinaus neue (europäische?) Ansätze gefragt sind, wo vielleicht hybride Lösungen weiter führen als nur theoretisch begründete „reine Lehre“. Der „Schlanke Materialfluss“ wird dem Praktiker Hilfestellung geben. Im Sinne einer Checkliste wird er erkennen, welche Fragestellungen er im alltäglichen Stress sträflich vernachlässigt hat. Er wird die scheinbar auf die Automobilindustrie hin konzipierten Lösungsvorschläge an seine eigenen Belange adaptieren und so zu innovativen Konzepten in völlig anderen Branchen kommen. Studierende mit dem Berufsziel Produktion oder Logistik vor Augen wird er helfen, die ihnen in der Praxis begegnenden Begriffe zu verstehen, das dahinter verborgene Denken zu erkennen, ihre Lehrbücher unter neuem Blickwinkel zu sehen. Sie werden – hoffentlich
Geleitwort
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– erkennen, dass Lösungen nicht in der Schublade liegen sondern aktiv und im Team zu erarbeiten und ständig fortzuentwickeln sind. Es ist eben alles im Fluss (Heraklit). Ilmenau, Oktober 2006
Wolf-Michael Scheid
Vorwort
Problemstellung des Materialflusses in der Praxis Der Praktiker, der mit dem Materialfluss konfrontiert ist, sieht sich heute vielfältigen teils scheinbar widersprüchlichen Anforderungen verschiedener Fachbereiche gegenüber. Um seine Zielvorgaben, etwa kontinuierlich volle Lieferfähigkeit, minimale Bestände und minimale Kosten zu erreichen, muss er verschiedenste Spezialdisziplinen gleichermaßen beherrschen. Es existieren zudem verschiedenste Highend-Ansätze und IT-Lösungen, die aus betriebswirtschaftlicher Perspektive für einen Fachbereich logisch und sinnvoll erscheinen. Im „Tagesgeschäft“ stellen sich diese Sichtweisen oft als aufwendiges Optimieren von isolierten, eindimensionalen Problemstellungen dar. In der betrieblichen Praxis ist der Mitarbeiter zumeist rudimentäreren Problemstellungen ausgesetzt. Diese oft sehr zahreichen und vordergündig einfachen Themen zeichnen sich zudem durch vielfältigste interdisziplinäre Ursachen-Wirkungszusammenhänge aus – der Genetics-Effect. Viele der Rahmenbedingungen, die von außen als fix oder ideal erfüllt vorrausgesetzt werden, sind zudem im Detail extrem dynamisch. Übliche Optimierungsansätze erscheinen dem Praktiker daher unrelevant, angesichts der tatsächlichen Problemstellungen des Alltags: • • • • • •
Planungen, die sich sekündlich gravierend verändern; IT-Daten, die im zweistelligen Prozentbereich Fehler aufweisen; Anlagen, die kurzfristig ausfallen; Ausschussraten, die plötzlich 50 % Kapazität zehren; Änderungen, die noch nicht vollständig eingeflossen, wieder ersetzt werden; Lieferanten, die kaum soweit entwickelt werden, dass eine vernünftige Zusammenarbeit möglich ist, ehe sie von neuen Lieferanten ersetzt werden; • Mängel oder Strategien in der betrieblichen Zusammenarbeit, die einen kostenoptimalen Materialfluss erschweren; • Unexakt ermittelte Prozesskosten – die sich aufgrund von Flexiblität oder Dynamik ständig verändern; • etc.
IX
X
Vorwort
Erfolgreich in der Praxis Besonders beim Thema Materialfluss ist es wesentlich, umfassend und fachübergreifend optimal zu arbeiten. Es gilt allgemein wenige Störungen und geringe Verschwendung zu erreichen und nicht nur in einer Spezialdisziplin das letzte Promill an Optimierung auszureizen. Ist diese Basis erreicht, existieren unzählige Möglichkeiten, Prozesse noch schlanker und gleichzeitig sicherer zu gestalten. Bei verschiedensten Gesprächen im Vorfeld des Buchs war immer wieder festzustellen, dass viele Fehler auch daher rühren, dass es kaum Literatur gibt, die die Vielschichtigkeit der Problemstellung umfassend darstellt. Der Praktiker benötigt eine komplexe Mischung an wesentlichen Grundmethoden und neuen oder speziellen Ansätzen, die umfassend alle notwendigen Themen in einfacher Form transparent machen. Schlanker Materialfluss, Schlanke Produktion und letztlich das Schlanke Unternehmen stellen selbst in den Industriestaaten ein immer noch enormes, sogar volkswirtschaftliches Potential dar, denn hierbei wird tatsächlich eine Optimierung der Wertschöpfung nachhaltig erreicht. Zudem können Fehler bei grundlegenden Ansätzen schnell jegliche Kostenreduzierung kompensieren, etwa durch Personalkosten oder durch einen Lieferantenwechsel. Autentizität – die „Erfinder“ oder „Entwickler“ von herausragenden Methoden stellen Ihre Konzepte selbst vor Aufgrund vieler persönlicher Kontakte und Erfahrungen entstand der Gedanke bei diesem Buch ganz nach dem Konzept von Best Practice jeweils durch international herausragende Spezialisten deren Sichtweise der Dinge selbst darstellen zu lassen. Interessanterweise stieß ich mit meiner Idee, ein interdisziplinäres, stellenweise konträres Buch zu verfassen, auf eine breite Zustimmung. Alle von mir angestrebten Spezialisten sagten tatsächlich zu. So ist es mit einem Quäntchen Glück und sehr viel Aufwand gelungen zahlreiche Verfasser von Primärquellen bzw. Erfinder und Betreiber von internationlanen Bestmarken (Best Practice) zu Wort kommen zu lassen und nicht nur erneut zu rezitieren. Neutrale Plattform für praxisgerechte Innovationen Ein weiteres Konzept war es, in der Praxis nachhaltige Innovationen mit hohem Verbesserungswert aufzuspüren und im Buch, aber auch in der Kongress-Serie „Schlanker Materialfluss“ zusammen mit der Bayern Innovativ GmbH (ein Organ des Wirtschaftsministeriums in Bayern) vorzustellen. Bereits wiederholt wurden erstmals von uns vorgestellte Konzepte später von anderen Verbänden mit Preisen ausgezeichnet. Besonderen Wert legen wir auf die Vermeidung von Cross-Selling, da das Innovationspotential in der interdisziplinären Realität entscheiden sollte. In einer Zeit, in der Auszeichungen zunehmend durch kommerzielle Interessen bestimmt werden, ist dies besonders wichtig. Die dritte Auflage Die dritte Auflage wurde um viele neue, konkret greifbare Anwendungsbeispiele ergänzt, zu denen es noch wenig praxistaugliche Literatur gibt. Vor allem im Bereich Lean und Steuerung werden Lösungen internationaler Bestmarken in den Unternehmen von den langjährig verantwortlichen Umsetzern dargestellt. So ist die Zahl der Co-Autoren mittlerweile auf 80 angestiegen.
Vorwort
XI
Der hohe Praxisgehalt ist der Grund, für das häufige Zitieren des Buches bei Masterarbeiten. An vielen Universitäten und Hochschulen wird das Werk als Grundlektüre verwendet. Dabei gehören Studierende der Logistik, der Betriebswirtschaft, des Wirtschaftsingenieurwesens, des Maschinenbaus und der Informatik zur besonderen Zielgruppe dieses Fachbuchs. Aufgrund der Praxisnähe und der fachübergreifenden Darstellung richtet sich das Buch gleichermaßen an das Management, wie auch an operative Mitarbeiter. Daher dient es bei vielen Unternehmen als Arbeitsbuch für die Praxis. Natürlich ist es eine Ehre, wenn internationale Auszeichnungen für Projekte vergeben werden, die basierend auf Buchbeiträgen oder den Kongress entwickelt wurden. Viel mehr freut uns aber, dass zahlreiche Unternehmen aufgrund der aufgezeigten Möglichkeiten des Schlanken Materialflusses einen Weg aus der Insolvenz finden. Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich für die enorme, spontane Zustimmung, die Begeisterung für das Projekt und die tatkräftige, professionelle und vor allem sehr kooperative Unterstützung bei allen Co-Autoren und deren Unternehmen oder Universitäten bedanken. Ich möchte mich besonders für das Geleitwort und die darüber hinausreichende persönliche Unterstützung bei Prof. Scheid bedanken. Das Projekt wäre sicherlich nicht entstanden ohne die Unterstützung und Anregung der folgenden Universitäten bzw. Institute, bei denen ich mich ebenso herzlich bedanken möchte. • Fakultät für Maschinenbau und Lehrstuhl für Fabrikbetrieb der TU Ilmenau – Prof. Wolf-Michael Scheid • Institut der Wirtschaft Thüringens – Wissenschaftlicher Direktor Prof. Herfried Schneider • Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der TU München – Prof. Michael F. Zäh • Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) der TU München – Prof. Willibald A. Günthner • Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen der Fachschule Rosenheim – Prof. Christoph Maier • Faculty of Science, Agriculture and Engineering der University of Newcastle upon Tyne – Prof. P. M. Braiden Aufgrund des ungewöhnlich interdisziplinären Ansatzes des Buchs war die tatkräftige Unterstützung von außerordentlich vielen Personen zum Gelingen notwendig – etwa mit dem Vermitteln von Kontakten, Anwendungsfällen, Literatur sowie durch konstruktive Kritik und Korrekturen. Mein beonderer Dank gehört auch Ulrike Maatz, die das gesamte Buch der ersten Auflage und die neuen und geänderten Beiträge zur zweiten Auflage sehr kompetent und kritisch lektoriert hat. In der dritten Auflage gilt mein besonderer Dank Renate Perl, Cara Dickmann und Ulrike Reinold, die die neue Ausgabe kritisch lektoriert haben. Weiterhin gilt der Dank meiner Frau Eva Dickmann die nicht nur Co-Autorin ist, sondern auch größere Teile aller drei Auflagen inhaltlich überarbeitet und ergänzt hat. Ihnen allen gebührt mein spezieller Dank.
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Vorwort
Abb. 1 Die Chancen neuer Perspektiven nutzen – herausragende, nachhaltig und im Nachhinein erfolgreiche Ansätze entstehen häufig aus veränderten Blickwinkeln
Im Besonderen möchte ich mich beim Springer-Verlag bedanken und im Speziellen bei Thomas Lehnert für die Begeisterung und die immer konstruktive, tatkräftige Unterstützung, durch die das Projekt erst entstehen und wachsen konnte. Ich konnte mich jederzeit auf die sehr freundliche, konstruktive und professionelle Zusammenarbeit mit Frau Butz vom Springer Verlag verlassen. Dieses Buch steht unter dem Motto: Tatsächlicher nachhaltiger Fortschritt und Erfolg, basierend auf fundierter Substanz und nicht nur auf der Gabe oberflächlich, mittels Präsentation und Rhetorik, zu beeindrucken. In unserer Gesellschaft und in Unternehmen werden Strukturen vielfach mit enormem Aufwand danach ausgerichtet, immer die optimale marketinggerechte Perspektive zu finden, unter der die Schattenseiten der Organisation und der Abläufe nicht zu erkennen sind. Ansätze aus den Bereichen Lean und der Wissenschaft, sowie interdisziplinäre Ansätze können helfen, Perspektiven zu finden, um Prozesse und Kosten tatsächlich und nachhaltig enorm zu optimieren. Ich möchte dieses Buch meinen Kindern Mark, Cara und Lina widmen, die mir stets den Unterschied zwischen dem Wesentlichen und Unwesentlichen vor Augen führen (Abb. 1). München, Juli 2014
Philipp Dickmann
Die Struktur von schlankem Materialfluss mit Lean Production, Kanban und Innovationen
Philipp Dickmann In der Literatur wird Materialfluss überwiegend in Spezialdisziplinen betrachtet, etwa der Steuerungslogik, der Logistiktechnik oder dem Supply Chain Management. Ein charakterisierendes Merkmal des Materialflusses ist jedoch, dass er sich aus vielfältigen Einzelbausteinen zusammensetzt, die alle harmonisch abgestimmt sein müssen. Die maximal erreichbare Effizienz wird nicht durch Höchstleistungen in dem einen oder anderen Spezialthema bestimmt, sondern durch das schwächste Glied im gesamten komplexen Netzwerk. Den Schnittstellen zwischen den betroffenen Fachbereichen in einem Unternehmen kommt hier eine ganz besondere Bedeutung zu: Erst ein harmonischer Einklang ermöglicht hohe Effektivität. Dies setzt umfassendes Verständnis für interdisziplinäre Notwendigkeiten, ein hohes Maß an Abstimmung mit den operativen Prozessen und letztlich einen einvernehmlichen Umgang und den Respekt vor den Problemstellungen des Anderen voraus. Es ist also notwendig, eine umfassende interdisziplinäre Lösung anzustreben, die keine Teilaspekte unberücksichtigt lässt. Alle notwendigen angrenzenden Fachbereiche mit ihren teils kontroversen Thesen und Zielvorstellungen müssen integriert werden. In der Realität der Unternehmen sind nicht selten Zielkonflikte vorhanden, die zu enormen Spannungen und enormer Verschwendung führen (Abb. 2). Moderne Hilfsmittel und Methoden des Maschinenbaus, der Logistik, der Betriebswirtschaftlehre und der Informationstechnik müssen, um im globalen Markt konkurrenzfähig zu sein, gleichermaßen perfekt umgesetzt werden. Akademische Kompetenz muss auf einer anderen Ebene „Hand in Hand“ ergänzt werden durch hochwertige erfahrungsbasierte Methoden und differenziertes praktisches Know-how der realen Umsetzung. Das Toyota Produktionssystem bildet ein zentrales Fundament, auf dem zahlreiche neuere Methoden und Umsetzungen der Lean-Philosophie basieren. Ergänzend gilt es, vielversprechende neue Ansätze und zukunftsweisende Weiterentwicklungen zu integrieren (Abb. 3).
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Die Struktur von schlankem Materialfluss …
Abb. 2 Die interdisziplinären Aufgabenstellungen im Materialfluss: Erst mit interner kontinuierlicher Verbesserung sowie dem Einsatz von Best Practice-Methoden und aktuellen wissenschaftlichen Errungenschaften kann ein optimaler Materialfluss erreicht werden
Abb. 3 Kapitel-Struktur des Buches: Die fünf Elemente des Materialflusses müssen für ein Optimum „verzahnt“ sein
Autorenverzeichnis
Aull, Florian (3.1) Bartholomay, Christian (1.5) Beer, Anja (4.2) Begecarslan, Metin (5.5.5) Behr, Benny (3.9.7) Berlak, Joachim (5.9, 5.10.2, 3.15) Boppert, Julia (1.8) Dickmann, Eva (1.2, 1.18, 2.10, 2.11, 2.12, 2.16, 3.2, 4.7, 4.8, 4.9, 5, 5.1, 5.5, 5.7, 5.14) Dickmann, Philipp (1, 1.1, 1.2, 1.3, 1.10, 1.11, 1.13, 1.17, 1.18, 1.19, 1.20, 1.22, 1.23, 1.24, 1.25, 1.26, 1.27, 1, 28, 1, 29, 2.1, 2.2, 2.3, 2.4, 2.6, 2.9, 2.10, 2.12, 2.13, 2.15, 2.16, 3.3, 3.4.7, 3.7, 3.9, 3.11, .13, 3.13, 4, 4.1, 4.5, 4.7, 4.8, 5.1, 5.5.6, 5.7, 5.16) Dräxler, Klaus (2.17) Ehlers, Jörg-Dieter (5.8) Ellerbrock, Kersten (5.12, 5.13) Fintzen, Daniel (3.11.12) Fischäder, Holm (2.18) Frey, Christian (3.9.6) Gerlach, Andrea (3.9.10) Gerlach, Joachim (3.2) Gerth, Wolf-Michael (4.8, 4.9) Gillinger, Johann (2.14) Graßy, Mario (4.3) Gröbner, Michael (1., 5.3) Harting, Lothar (1.14) Hartmann, Stefan (2.14) Henneberg, Jens (3.6) Herron, Colin (4.5)
Hirsch, Joachim (1.10, 1.11, 2.13, 3.4.7, 3.11) Kapalla, Klaus (3.5) Kemser, Hans-Peter (3.13.1) Kilian, Udo (3.12.13) Kittel, Johannes (3.8) Korovchuk, Tetyana (2.11.13) Kress, Oliver (1.31,) Krippendorf, Steffen (3.12.3) Krzywania, Torsten (3.13.1) Kuhn, Christian (5.11) Kulcsar, Joska (1.24) Kuttler, Robert (3.12) Lang, Thomas (1.3,) Leikep, Sabine (1.21) Leinsle, Fritz (3.9.6) Lindner, Alexander (3.11.14) Lödding, Hermann (2.7) Loipeldinger, Christian (4.4.7) Lutz, Dominic (5.10.2) Mack, Georg (5.2) Manowski, Przemyslaw (3.4.7) Meißner, Markus (5.15) Mertens, Sabine (5.15.5) Michels, Friedhelm (1.7, 1.9, 5.3) Minster, Josef (3.11.15) Möller, Niklas (2.5) Nied, Bernhard (2.17) Pfister, Johannes (1.15) Pippig, Marc (5.10) Reimer, Sebastian (5.4) XV
XVI
Reitz, Andreas (1.12) Rosenhammer, Thomas (5.17) Rücker, Thomas (2.8, 5.6) Rudolf, Henning (5.18) Schedlbauer, Michael (1.8) Scheid, Wolf-Michael (Geleitwort) Schliederer, Christian (2.14) Schmidt, Peter (4.6) Schneider, Herfried M. (2.8, 2.18, 3.11, 5.6) Schürle, Philipp (3, 3.4) Seidl, Florian (4.4) Stellpflug, Franz-Josef (1.30) Süß, Stephan (4.4.6)
Autorenverzeichnis
Takeda, Hitoshi (1.7, 1.9) Thews, Michael (1.16) Vogl, Wolfgang (5.18) von Kamp, Jochen (3.9.8, 3.13.3) Wannenwetsch, Ralph (3.10) Wendlinger, Christine (2.14) Wernado, Andreas (3.4.7) Wiesbeck, Mathey (5.18) Wilbert, Fred (1.6) Wittmann, Claus-Eduard (4.10) Wulz, Johannes (3.14) Zäh, Michael F. (2.5, 3.1, 5.18)
Verzeichnis der Praxisbeispiele
Kapitel
Titel
Firma
1.10
Flabeg Deutschland GmbH
3.9.6
Rüstzeitoptimierung SMED-XL bei hoch komplexen, technisch aufwändigen Rüstabläufen Ganzheitlicher Lean-Ansatz – Produktionssystem in einer flexiblen Automobilproduktion Arbeitsergonomie als Teil effizienter Montageprozesse Patenkonzept Werkeranweisungen – Standards einhalten und Prozessinformation am Arbeitsplatz Logistik-Karte für Abweichung im Visual Management des Shopfloor-Managements Ergebnisse am Beispiel Voith (Matrixhybride Kanban-MRP-Steuerung) Auftragsspitzen durch Kommunikation mit Kunden reduzieren – Staumelder Materialfluss-Kaizen – Fehler- & Störungsanalyse in der Logistik Heijunka-Boards und Individuallösungen elektronisch unterstützter Materialbereitstellung in Auftragsreihenfolge Aufbau von Schwerkraftrollenregalen mit Rohrprofilen und Arbeitsplatzgestaltung im Lean-Workshop Transportzüge und Trains
3.9.7 3.9.8
Routenzug und Supermarkt Roller-Trains und FIFO-Lagersysteme auf Roller
3.9.9 3.8.10 3.11.12
Praxisbeispiel Shooter Routenfahrplan eines Versorgungszugs (Shuttle) Optimierung der Wareneingangs- und Produktionslogistik Praktische Umsetzung eines Wertstromdesign-Projekts
1.20.1 1.20.2 1.20.4 1.20.5 1.24.4 2.10.8 2.14 2.17 3.4.7
3.6.1
3.11.13
BMW AG, Regensburg BMW AG Regensburg Heraeus Noblelight GmbH Schwan-STABILO Schwanhäußer GmbH & Co. KG Siemens AG, Kemnath Voith AG BayernBankett GmbH NBHX Trim GmbH N.N., First-Tier-Automobilzulieferer N.N. GROB-WERKE GmbH & Co. KG Volkswagen AG U-Shin Deutschland Zugangssysteme GmbH N.N Heraeus Noblelight GmbH N.N. ODU GmbH & Co. KG XVII
XVIII
Verzeichnis der Praxisbeispiele
Kapitel
Titel
Firma
3.11.14
Sputnik Engineering AG
3.12.5 3.13.1 3.13.2
Umsetzung einer Fabrik- und Materialflussoptimierung – Ganzheitliche Materialfluss-Restrukturierung mit Neubau eines Produktions- und Logistikgebäudes Die Mobile Fabrik Materialbereitstellung im Automotivbereich Linienarbeitsplatzgestaltung: Linie versus Boxenmontage Lifter-Systeme Arbeitsplatzgestaltung und Kartonsimulation Kartonsimulation einer Produktionshalle
3.13.3
Kartonsimulation einer Linie
4.4.5 4.4.6
Umfassendes C-Teile-Management Elektronisches C-Teile-Management bei Verpackungsmaterial Mit Standardisierung und hoher C-Teile-Management(CTM)-Penetration Logistikkosten senken Flexible Montagesysteme in der Medizintechnik durch effizienten Einsatz von eKanban (Fabrik des Jahres 2011 „Hervorragendes Veränderungsmanagement“) RFID-Kanban-Board oder eKanban-Board Anwendungsbeispiel Werkzeugbau Anwendungsbeispiel Maschinenbau
3.11.15 3.12.3 3.12.4
4.4.7 5.5.5
5.5.6 5.9.1 5.9.2 5.9.3 5.9.4 5.15.5
Individuell entwickelte und adaptierte ManufacturingExecution-Systems (MES ) Manufacturing–Execution-System (MES ) – Umsetzung in der dynamisch-flexiblen Produktion Praxisbericht Maschinen- und Werkzeughersteller – mehr Servicequalität durch den Einsatz einer Visibility & Collaboration-Plattform für Transport- und Auftragsverfolgung entlang der Lieferkette
Schlemmer Group Voith AG N.N. N.N. BMW AG, Regensburg Siemens AG Gerätewerk Erlangen U-Shin Deutschland Zugangssysteme GmbH Krones AG Sorin Group Deutschland GmbH Krones AG Siemens AG Healthcare Sector, Kemnath N.N. Martin GmbH Ziegenhain GmbH (Werkzeugmaschinenfabrik) First-Sensor AG Gaugler & Lutz oHG AMADA GmbH
Inhaltsverzeichnis
1 Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme ������������������������������������ 1 1.1 Lean Production – das Toyota Produktionssystem (TPS) �������������������������� 4 1.1.1 Entwicklung ���������������������������������������������������������������������������������� 5 1.1.2 Der Rollout (Lean-Transformation) in drei Lean-Phasen �������������� 7 1.1.3 Elemente und Regeln des TPS ������������������������������������������������������ 8 1.2 Kanban – Element des Toyota Produktionssystems ���������������������������������� 12 1.2.1 Verfahrensablauf ���������������������������������������������������������������������������� 12 1.2.2 Elemente ���������������������������������������������������������������������������������������� 12 1.2.3 Eigenschaften der Steuerungsmethode ������������������������������������������ 13 1.3 Varianten von Just-in-time und Just-in-sequence �������������������������������������� 16 1.3.1 Die Begriffe und deren Bedeutung ������������������������������������������������ 17 1.3.2 Weitreichende Bedeutung von JIT ������������������������������������������������ 18 1.3.3 Ausprägungen von JIT und JIS in der Praxis �������������������������������� 18 1.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Just-in-time-, Just-in-sequence- und One-piece-flow-Produktionskonzepten ���������������� 21 1.4.1 Just-in-time (JIT) �������������������������������������������������������������������������� 21 1.4.2 Just-in-sequence (JIS) �������������������������������������������������������������������� 23 1.4.3 One-piece-flow (Einzelstückfluss) ������������������������������������������������ 23 1.4.4 Beispiel aus der Praxis ������������������������������������������������������������������ 24 1.5 Kaizen �������������������������������������������������������������������������������������������������������� 25 1.5.1 Der Begriff Kaizen ������������������������������������������������������������������������ 25 1.5.2 Gemba-Kaizen �������������������������������������������������������������������������������� 26 1.5.3 5S-Aktion �������������������������������������������������������������������������������������� 27 1.5.4 Das Kaizen-Management-System �������������������������������������������������� 28 1.6 Flexible Produktion ����������������������������������������������������������������������������������� 28 1.6.1 Problem der Planung ���������������������������������������������������������������������� 29 1.6.2 Flexible Produktion nach dem Lean-Ansatz ermöglicht es, weitestgehend von Planung unabhängig zu werden ���������������������� 29 1.6.3 Lange Produktionsdurchlaufzeiten in PPS ������������������������������������ 30 1.6.4 Die Alternative ������������������������������������������������������������������������������ 31 1.6.5 6R – Das Ziel der flexiblen Produktion ���������������������������������������� 32 XIX
XX
Inhaltsverzeichnis
1.6.6 Festlegung der Fertigungskapazität und Aufbau einer Fertigungslinie ������������������������������������������������������������������������������ 1.6.7 Festlegung der Materialbereitstellung und Aufbau der Materiallogistik ������������������������������������������������������������������������������ 1.6.8 Grundtheoreme betrieblichen Handelns ���������������������������������������� 1.7 Das Synchrone Produktionssystem (SPS) ������������������������������������������������ 1.7.1 Die Elemente des SPS �������������������������������������������������������������������� 1.7.2 Strikte Kundenorientierung ������������������������������������������������������������ 1.7.3 Begriffsfelder des Synchronen Produktionssystems (SPS) ���������� 1.8 ForLog – neue Ansätze zur Adaptivität, Bayerischer Forschungsverbund Supra‑adaptive Logistiksysteme ������������������������������ 1.8.1 FlexLog – Flexibilität und Adaptivität ������������������������������������������ 1.8.2 SysLog – IS-Architekturen supra-adaptiver Logistiksysteme in der Automobilindustrie �������������������������������������������������������������� 1.8.3 PlanLog – Modellierung und Planung adaptiver Fabrikstrukturen ���� 1.8.4 TransLog – Logistikdienstleister-Organisation und Transportnetzwerkstrukturen �������������������������������������������������������� 1.8.5 NutzLog – Vorteilsausgleich-Nutzenverteilung ���������������������������� 1.8.6 MitLog – Mitarbeiterqualifizierung und -mobilität ���������������������� 1.9 Low Cost Intelligent Automation (LCIA) ������������������������������������������������ 1.9.1 Das Prinzip in Hochlohnländern ���������������������������������������������������� 1.9.2 Die flexiblere Lösung �������������������������������������������������������������������� 1.9.3 Umsetzung ������������������������������������������������������������������������������������ 1.9.4 Veränderung der Abläufe �������������������������������������������������������������� 1.9.5 Wachstum des Unternehmens-Know-hows ���������������������������������� 1.10 Fließende Produktion durch Rüstzeitoptimierung – von Rüstzeitoptimierung zu Rüsten in Minuten „Single-Minute Exchange of Die“ (SMED) ������������������������������������������������������������������������ 1.10.1 Methoden der Rüstzeitoptimierung ������������������������������������������������ 1.10.2 Methode von Single-Minute Exchange of Die (SMED) ���������������� 1.10.3 Schritte der Rüstzeitoptimierung nach dem Grundmuster von SMED ������������������������������������������������������������������������������������ 1.11 Rüstzeitoptimierung SMED-XL bei hoch komplexen, technisch aufwändigen Rüstabläufen ������������������������������������������������������������������������ 1.11.1 Sonderfall Rüstzeitoptimierung bei hoch komplexen, technisch aufwändigen Rüstabläufen �������������������������������������������� 1.11.2 Ergänzende Elemente zu SMED ���������������������������������������������������� 1.11.3 Ausgangssituation �������������������������������������������������������������������������� 1.11.4 Vorgehen in Rüstphasen ���������������������������������������������������������������� 1.11.5 Workshop und Projektverlauf �������������������������������������������������������� 1.11.6 Ergebnis ������������������������������������������������������������������������������������������
32 32 34 35 36 36 37 38 40 41 42 44 45 46 47 47 48 48 49 50
50 51 51 52 52 53 53 53 54 56 56
Inhaltsverzeichnis
1.12 Total Productive Management (TPM) ������������������������������������������������������ 1.12.1 Definition ������������������������������������������������������������������������������������ 1.12.2 Das Gesamtsystem TPM �������������������������������������������������������������� 1.12.3 Die 4 Basissäulen des Managementsystems �������������������������������� 1.13 Poka Yoke – Fehlervermeidungsstrategien ������������������������������������������������ 1.13.1 Qualitätsphilosophie, abgeleitet von Poka Yoke �������������������������� 1.13.2 Eigenschaften und Elemente �������������������������������������������������������� 1.13.3 Methoden und Regeln ������������������������������������������������������������������ 1.13.4 Ablauf von Aktivitäten ���������������������������������������������������������������� 1.14 Qualitätsmanagement �������������������������������������������������������������������������������� 1.14.1 Der Qualitätsbegriff im betrieblichen Sinne �������������������������������� 1.14.2 Anwenderbezogene Qualitätsdefinition �������������������������������������� 1.14.3 Abschließende Bemerkungen zum Thema „Qualität“ ���������������� 1.14.4 Pragmatische Ansätze für den schlanken Materialfluss mit Lean Production �������������������������������������������������������������������������� 1.15 Six Sigma �������������������������������������������������������������������������������������������������� 1.15.1 Abgrenzung von Lean, TQM, TPM und Six Sigma �������������������� 1.15.2 Aufwand für die Six Sigma Einführung �������������������������������������� 1.15.3 Das Vorgehen mit DMAIC und DFSS ���������������������������������������� 1.15.4 Sigma Wert und Philosophie �������������������������������������������������������� 1.15.5 RTY (Rolled Throughput Yield) �������������������������������������������������� 1.15.6 Infrastruktur im Unternehmen ���������������������������������������������������� 1.15.7 Methodeneinsatz �������������������������������������������������������������������������� 1.15.8 Softwareeinsatz ���������������������������������������������������������������������������� 1.15.9 Führung und Probleme bei der Einführung �������������������������������� 1.15.10 Aussichten von Six Sigma ���������������������������������������������������������� 1.16 CAQ-Systeme – Computergestütztes Qualitätsmanagement �������������������� 1.16.1 Grundlagen von CAQ-Management �������������������������������������������� 1.16.2 CAQ-Systeme in der Praxis �������������������������������������������������������� 1.17 Prozessorientierung – Ursachen ermitteln, statt Symptome beheben �������� 1.17.1 Prozessorientierung – ein Element des Toyota Produktionssystems (TPS) ���������������������������������������������� 1.17.2 Wachstum der indirekten Bereiche durch Ergebnisorientierung ���� 1.17.3 Prozessoptimierungsstrategien ���������������������������������������������������� 1.18 Differenzierte Prozesskostenrechnung ������������������������������������������������������ 1.18.1 Kostenrechnung �������������������������������������������������������������������������� 1.18.2 Komplexitätsproblem im „IT-Zeitalter“ �������������������������������������� 1.18.3 Prinzip der Standard-Prozesskostenrechnung ���������������������������� 1.18.4 Verifikation nicht konstanter Einflussfaktoren auf die Kostentreiber �������������������������������������������������������������������� 1.18.5 Konsequenzen von unberücksichtigten, nicht konstanten Einflussfaktoren – am Beispiel Großserienteil und Ersatzteil ����
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57 57 58 59 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 72 73 73 73 74 74 74 75 75 75 77 77 77 78 81 82 84 86 88 89 90 90 92 94
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1.18.6 Ablauf einer interdisziplinären, differenzierten Prozesskostenanalyse (IDP) �������������������������������������������������������� 95 1.18.7 Interdisziplinäre Arbeitsablaufstudie als Basis einer differenzierten Prozesskostenrechnung ������������������������������ 95 1.19 Dezentrale und schlanke Strukturen – Gemba Orientierung �������������������� 96 1.19.1 Räumliche Nähe korreliert mit sozialer Nähe ������������������������������ 97 1.19.2 Dezentrale Verantwortungsstrukturen – die Entscheidung zur Verantwortung beim Spezialisten ������������������������������������������ 97 1.19.3 Stufen der Dezentralisierung �������������������������������������������������������� 98 1.19.4 L ean Management ������������������������������������������������������������������������ 100 1.20 Lean-Rollout und Umsetzung �������������������������������������������������������������������� 102 1.20.1 L ean-Unternehmenssystem und Ziele-Kaskade �������������������������� 102 1.20.2 Ganzheitlicher Lean-Ansatz – Produktionssystem in einer flexiblen Automobilproduktion ���������������������������������������������������� 103 1.20.3 Abgestimmte Ziele und Zusatzziele �������������������������������������������� 105 1.20.4 Arbeitsergonomie als Teil effizienter Montageprozesse �������������� 105 1.20.5 Teamstruktur absichern ���������������������������������������������������������������� 107 1.20.6 Patenkonzept �������������������������������������������������������������������������������� 107 1.20.7 Aufräumaktion 6S ������������������������������������������������������������������������ 108 1.20.8 Standards definieren �������������������������������������������������������������������� 109 1.20.9 Werkeranweisungen – Standards einhalten und Prozessinformation am Arbeitsplatz �������������������������������������������� 109 1.20.10 Ausbildungsniveau, Trainingscenter und Jobrotation ������������������� 111 1.20.11 Bandnaher Trainingsplatz ������������������������������������������������������������� 111 1.20.12 Assessment, Layered Audit und Werkerselbstkontrolle ��������������� 112 1.20.13 Shopfloor-Management und Eskalation ��������������������������������������� 112 1.20.14 Kaizen, Prozessverbesserung umsetzen. ��������������������������������������� 112 1.21 Kaizen in den indirekten Bereichen ����������������������������������������������������������� 113 1.21.1 Weniger Fläche, schnellerer Durchlauf und Effizienzsteigerung sind gefragt ��������������������������������������������������� 113 1.21.2 Strukturierte Vorgehensweise ������������������������������������������������������� 114 1.21.3 Visualisierung steigert den Erfolg ������������������������������������������������� 116 1.22 Probleme sind Schätze – Management-Ethik als Folge der Lean Production ����������������������������������������������������������������������������������������� 117 1.22.1 Ethik und Managementziele des Toyota Produktionssystems (TPS) ����������������������������������������������������������� 118 1.22.2 Der Managementkreis – verbesserte Kommunikation und Führung ��������������������������������������������������������������������������������� 119 1.22.3 Probleme sind Schätze – Kooperativer Führungsstil ������������������� 119 1.22.4 Ethik als evolutionäres Erfolgskonzept �������������������������������������� 120 1.22.5 Maßnahmen zum nachhaltigen Managementerfolg �������������������� 121
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1.23 Veränderungen im Unternehmen – Lean sichert die langfristige interdisziplinäre Unternehmensentwicklung �������������������������������������������� 122 1.23.1 Technisches Änderungsmanagement ������������������������������������������ 123 1.23.2 Veränderungsmanagement – Change Management �������������������� 128 1.23.3 Dynamische, ganzheitliche Lean-Veränderungsprozesse ������������ 130 1.23.4 Dynamische Evolution in eine erfolgreiche Zukunft ������������������ 133 1.24 Lean-Balanced-Scorecard & Shopfloor-Management ������������������������������ 137 1.24.1 Ziele und Zusammenhänge von BSC ������������������������������������������ 137 1.24.2 Lean-Balanced-Scorecard (LBSC) ���������������������������������������������� 139 1.24.3 LBSC im Shopfloor-Management ���������������������������������������������� 140 1.24.4 Logistik-Karte für Abweichung im Visual Management des Shopfloor-Managements �������������������������������������������������������� 141 1.25 Produktions- und wertstromgerechte Konstruktion ���������������������������������� 142 1.25.1 Von klassischen ingenieurmäßigen Konstruktionsabläufen zur fundierten Produktentstehung ������������������������������������������������ 143 1.25.2 Wertanalyse – Produkte fundiert nach abgestimmten Zielen definieren und entwickeln ������������������������������������������������ 144 1.25.3 Konstruktionsqualität ������������������������������������������������������������������ 146 1.25.4 Konstruktionsfehler vermeiden mit GD-Cube (GD3) und Design Review Based on Failure Mode (DRBFM) �������������� 147 1.25.5 Standards – die Basis für professionelle Konstruktion �������������� 149 1.25.6 Lieferanteneinbindung in Entwicklung und Konstruktion ���������� 150 1.25.7 Automatisierte Konstruktionssysteme ���������������������������������������� 151 1.25.8 Von der montagegerechten zur wertstromgerechten Konstruktion �������������������������������������������������������������������������������� 152 1.26 Makro- und Mikrosysteme der Logistik – die unterschätzten Einflussparameter der Logistik und der Weg zum schlanken Veränderungsmanagement ������������������������������������������������������������������������ 155 1.26.1 Die Funktion der mikroskopischen Elemente bestimmt nicht selten den Erfolg oder Misserfolg von makroskopischen Ansätzen! �������������������������������������������������������� 156 1.26.2 Der Genetics-Effekt – vom makroskopischen Bild der Restrukturierung von Produktions- und Logistikprozessen zum mikroskopischen Verständnis ���������������������������������������������� 157 1.26.3 Der Bottom-up-Effekt – für das Beispiel Verpackungen ������������ 158 1.26.4 Veränderungsmanagement und Restrukturierung nach einer 6D-hierarchischen Matrix �������������������������������������������������� 159 1.26.5 Die 6D-Architektur der Wirkzusammenhänge bei Restrukturierung und Lenkung ���������������������������������������������� 160 1.27 Kundenorientierung ���������������������������������������������������������������������������������� 161 1.27.1 Kundenorientierung in der Lieferkette ���������������������������������������� 161 1.27.2 Das neue Entscheidungskriterium heißt Flexibilität �������������������� 162
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1.28 Vertriebsqualität – Prognose ���������������������������������������������������������������������� 163 1.28.1 Überproduktion und Kundentakt �������������������������������������������������� 163 1.28.2 Kundenorientierte Unternehmensstrukturen ���������������������������������� 166 1.29 Neue Ansätze zur Vermittlung moderner und schlanker Produktionsmethoden �������������������������������������������������������������������������������� 166 1.30 Flexible Entgeltsysteme ���������������������������������������������������������������������������� 169 1.30.1 Arbeiten in Teams �������������������������������������������������������������������������� 169 1.30.2 Flexibilisierung der Einkommen ���������������������������������������������������� 170 1.30.3 Beispiel für ein leistungsorientiertes Entgelt �������������������������������� 171 1.31 Durchgängige Schulungssysteme – Qualifizieren statt kapitulieren ���������� 172 1.31.1 Konsequente Umsetzung als Erfolgsgarantie �������������������������������� 172 1.31.2 Wesentliche Bestandteile erfolgreicher Trainingsprogramme ������ 173 1.31.3 Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung ���������������������������������������������� 174 1.31.4 Lean-Enterprise-Methoden zur Standortsicherung ������������������������ 175 Literatur �������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 176 2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban ���������������������������������������������������������������������������������� 179 2.1 Störungsanalyse – der Weg zum ruhigen, kontinuierlichen Materialfluss ���� 180 2.1.1 Regeln für einen kontinuierlichen und störungsfreien Materialfluss ���������������������������������������������������������������������������������� 181 2.2 Wertschöpfungsanalyse des Materialflusses – „Das Einfachste ist das Beste“ und Lean Intelligent Logistics (LILO) ������������������������������ 189 2.2.1 Materialfluss am Arbeitsplatz �������������������������������������������������������� 190 2.2.2 Innerbetrieblicher Materialfluss ���������������������������������������������������� 190 2.2.3 Überbetrieblicher Materialfluss ���������������������������������������������������� 191 2.2.4 „Das Einfachste ist das Beste“ ������������������������������������������������������ 192 2.2.5 Lean Intelligent Logistics (LILO) �������������������������������������������������� 193 2.3 Grundlegende Steuerungsverfahren ���������������������������������������������������������� 196 2.3.1 Bedarfsorientierte Verfahren ���������������������������������������������������������� 198 2.3.2 Bestandsorientierte Verfahren �������������������������������������������������������� 199 2.3.3 Prognosebasierte Verfahren ������������������������������������������������������������ 200 2.3.4 Belastungsorientierte Verfahren ���������������������������������������������������� 202 2.3.5 Generalisierte oder funktionale Steuerungen �������������������������������� 203 2.4 Die Kanban-Steuerung ������������������������������������������������������������������������������ 203 2.4.1 Kanban – der Allrounder �������������������������������������������������������������� 204 2.4.2 Die Steuerung und ihre Eigenschaften ������������������������������������������ 204 2.4.3 Varianten der Steuerungsmethode �������������������������������������������������� 206 2.4.4 Varianten der Steuerungsebene ������������������������������������������������������ 207 2.4.5 Varianten aufgrund der Karten ������������������������������������������������������ 208 2.5 Dimensionierung von Kanban-Regelkreisen �������������������������������������������� 209 2.5.1 Berechnung des Umlaufbestandes ������������������������������������������������ 210
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2.5.2 Berechnung des Sicherheitsbestandes �������������������������������������������� 212 2.5.3 Beispiel für die Dimensionierung eines Kanban-Regelkreises ���� 214 2.6 Steuerungsverfahren mit Karten ���������������������������������������������������������������� 216 2.6.1 Bestandsorientierte Verfahren �������������������������������������������������������� 217 2.6.2 Prognosebasierte Verfahren ������������������������������������������������������������ 217 2.6.3 Belastungsorientierte Verfahren ���������������������������������������������������� 218 2.6.4 Funktionsbasierte flexible Steuerung �������������������������������������������� 219 2.7 Dezentrale Bestandsorientierte Fertigungsregelung (DBF) ���������������������� 219 2.7.1 Funktionsweise ������������������������������������������������������������������������������ 220 2.7.2 Anwendungsgebiete ���������������������������������������������������������������������� 221 2.7.3 Erweiterungen �������������������������������������������������������������������������������� 221 2.7.4 Alternative Verfahren �������������������������������������������������������������������� 221 2.8 Das Production Authorization Card (PAC)-Konzept – ein Metakonzept zur Materialflusssteuerung ������������������������������������������������������������������������ 221 2.9 Hybride Steuerungskonzepte �������������������������������������������������������������������� 225 2.9.1 Hybride operative Steuerungs-Algorithmen ���������������������������������� 226 2.9.2 Hybride Steuerungen in der Simulation zur Ermittlung des optimalen Algorithmus und zur dynamischen Dimensionierung ���� 228 2.9.3 Hybride Steuerungen nach einer erweiterten Definition der Materialflusssteuerung �������������������������������������������� 228 2.10 Matrixhybride Materialflusssteuerung ������������������������������������������������������ 232 2.10.1 Matrixhybride Steuerung (MHS) – das Chaos der Steuerungsinformationen nutzen und beherrschen ������������������������ 232 2.10.2 Dezentrale Entscheidungskompetenz �������������������������������������������� 233 2.10.3 Hybride Dimensionierung der Regelkreise ������������������������������������ 233 2.10.4 Matrixhybride Kanban-MRP-Steuerung �������������������������������������� 233 2.10.5 Reduzierung von Störgrößen durch Abgleich �������������������������������� 235 2.10.6 Reduzierung der Kanban-Puffer ohne Risiko �������������������������������� 236 2.10.7 Ausweitung der Kanban-Penetration bei komplexen Produktionsprozessen und Produkten �������������������������������������������� 236 2.10.8 Ergebnisse am Beispiel Voith �������������������������������������������������������� 238 2.11 Heterogene Materialflusssysteme �������������������������������������������������������������� 238 2.11.1 Direkte steuerungsselektive Kriterien �������������������������������������������� 240 2.11.2 Indirekte Steuerungskriterien �������������������������������������������������������� 244 2.12 Steuerungsmanagement ���������������������������������������������������������������������������� 245 2.12.1 Steuerung der Herstellprozesse – eine Managementaufgabe �������� 246 2.12.2 Integration hybrider interdisziplinärer Informationen beim Steuerungsmanagement �������������������������������������������������������� 248 2.12.3 Iterative Managementstruktur �������������������������������������������������������� 251 2.13 Iteratives Planungsmanagement & Planungsrundenmanagement, Materialfluss-Kaizen sowie Materialfluss- und Informationsfluss-Design ���� 252
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2.13.1 Fallstricke in der Kunden-Lieferanten-Kommunikation ������������ 253 2.13.2 Iterativen Planungsmanagements mit dem Kunden – Workshops zur Optimierung der Bedarfsplanung ������������������������ 254 2.13.3 Materialfluss-Kaizen – schlank durch operative Störungsreduzierung und Mitarbeiterkompetenz ������������������������ 255 2.13.4 Materialfluss- und Informationsfluss-Design ������������������������������ 255 2.13.5 Glätten und Nivellieren ���������������������������������������������������������������� 256 2.13.6 Iteratives Planungsrundenmanagement – Planungsszenarien und Fehler systematisch bewerten und einen ruhigen abgestimmten Materialfluss erzeugen ������������������������������������������ 257 2.13.7 6S im Materialfluss – die Ordnungs- und Sauberkeitsmethode des Toyota Produktionssystems �������������������������������������������������� 257 2.13.8 Schlussgedanke und Ergebnisse des Projekts ������������������������������ 258 2.14 Auftragsspitzen durch Kommunikation mit Kunden reduzieren – Staumelder ���������������������������������������������������������������������������� 258 2.14.1 Bedarfscharakteristik und Engpassphasen ���������������������������������� 259 2.14.2 Spielregeln in den Stauzeiten ������������������������������������������������������ 259 2.14.3 Zeitenanalyse der Stauzeiten während der Ausgabezeit �������������� 259 2.14.4 Aushang der Stauzeiten (Stauampel) ������������������������������������������ 260 2.14.5 Einsatz eines „Staumelders“ �������������������������������������������������������� 260 2.14.6 Ergebnis �������������������������������������������������������������������������������������� 260 2.15 Logistikcontrolling im schlanken Materialfluss mit der Valuecycle Analyze (VCA) ������������������������������������������������������������������������ 261 2.15.1 Intransparenz der Kostenstrukturen �������������������������������������������� 262 2.15.2 Dynamische contra statische Bestände ���������������������������������������� 263 2.15.3 Die neuen Differenztypen im schlanken System ������������������������ 264 2.15.4 Valuecycle Analyze (VCA) ���������������������������������������������������������� 265 2.16 Valuecycle Optimizing (VCO) ������������������������������������������������������������������ 268 2.16.1 Dimensionierung von Kanban und Just-in-time Steuerungen ���� 269 2.16.2 Methoden des TPS, Wertschöpfungsanalyse und zeitwirtschaftliche Methoden übertragen auf den Kanban-Kreis ������������������������������������������������������������������������������ 270 2.16.3 Die Umlaufzeit als Basis der Betrachtung ���������������������������������� 271 2.16.4 Die Methode des Valuecycle Optimizing und Materialfluss-Kaizen �������������������������������������������������������������������� 272 2.16.5 Projektablauf �������������������������������������������������������������������������������� 273 2.16.6 Kanban-Controlling �������������������������������������������������������������������� 274 2.16.7 Anwendungsfälle �������������������������������������������������������������������������� 275 2.17 Materialfluss-Kaizen – Fehler- & Störungsanalyse in der Logistik ���������� 276 2.17.1 Umfassender Ansatz zur Störungsreduzierung ���������������������������� 276 2.17.2 Problemlösungsmethode Ishikawa-8D ���������������������������������������� 276 2.18 Störparameter im Materialfluss und in Produktionssystemen ������������������ 278 Literatur �������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 281
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3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen ������������������������������������������������ 285 3.1 Kanban - der Weg ist das Ziel �������������������������������������������������������������������� 288 3.2 Projektmanagement zur Einführung von Kanban-Steuerungen ���������������� 291 3.2.1 Prinzipien zur Einführung von Kanban-Steuerungen �������������������� 291 3.2.2 Voraussetzungen zur Einführung von Kanban-Steuerung ������������ 292 3.2.3 Zusammensetzung des Projektteams und Aufgaben ���������������������� 293 3.2.4 Projektplan ������������������������������������������������������������������������������������ 294 3.2.5 Definition von Prozessen nach der Implementierung �������������������� 296 3.2.6 Kanban-Karten ������������������������������������������������������������������������������ 297 3.3 Anforderungen an einen „Schlanken Materialfluss“ mit Kanban – Kanban-Auswahl ���������������������������������������������������������������� 308 3.3.1 Kanban-Auswahl bzw. Eignung ���������������������������������������������������� 308 3.3.2 Kanban-Dimensionierung – dezentrale Kanban-Feinsteuerung ���� 310 3.3.3 Übergeordnete Rahmenbedingungen und Methoden des „Schlanken Materialflusses“ ���������������������������������������������������������� 310 3.3.4 Kanban-Penetration ���������������������������������������������������������������������� 312 3.3.5 Bestandsicherung – Kanban kann helfen, aber nicht alles kompensieren ������������������������������������������������������������������������ 313 3.3.6 Stückgenauer Materialstrom versus Kanban �������������������������������� 313 3.3.7 Materialfreie, Null-Bestands- und „Null-Platz“-Produktion �������� 314 3.4 Produktionsnivellierung – mit Heijunka Produktion und Logistik stabilisieren �������������������������������������������������������������������������� 315 3.4.1 Die Problemstellung von Produktionsnivellierung mit Heijunka ���� 315 3.4.2 Ziele der Produktionsnivellierung �������������������������������������������������� 316 3.4.3 Notwendigkeit verkleinerter Losgrößen ���������������������������������������� 316 3.4.4 Heijunka als Steuerungsprinzip ���������������������������������������������������� 318 3.4.5 Visualisierung von Produktionsaufträgen mit Heijunka-Tafeln ���� 319 3.4.6 Die Güte der Produktionsnivellierung ������������������������������������������ 320 3.4.7 Heijunka-Boards und Individuallösungen elektronisch unterstützter Materialbereitstellung in Auftragsreihenfolge ���������� 323 3.5 Effizienter Materialfluss mit der richtigen Regaltechnik – Dynamik im Lager ������������������������������������������������������������������������������������ 327 3.5.1 Regalsysteme – So kommt Bewegung ins Lager �������������������������� 327 3.5.2 Paletten-Durchlaufsysteme – Kein Problem mit schweren Lasten ���������������������������������������������������������������������������� 330 3.5.3 Stückgut-Durchlaufsysteme – Kartonagen und Stückgutgebinde ins Rollen bringen �������������������������������������� 331 3.5.4 Lagertuning – eine kostengünstige Lösung ���������������������������������� 331 3.5.5 Höchste Flexibilität – Spaß am Lagern ������������������������������������������ 332 3.5.6 Bis zu 50 % Raumgewinn �������������������������������������������������������������� 332 3.6 Flexible, ergonomische Arbeitsplatzgestaltung – Steigerung der Effizienz am Beispiel der manuellen Produktionssysteme (MPS) ������������ 333
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3.6.1 Veränderung – die einzige Konstante �������������������������������������������� 333 3.6.2 Die Qualität manueller Produktionssysteme ���������������������������������� 333 3.6.3 Vermeidung von Verschwendung �������������������������������������������������� 334 3.6.4 Standard neu definiert �������������������������������������������������������������������� 335 3.6.5 Erweitertes Produktportfolio für komplette Linien ������������������������ 335 3.6.6 Wunschkonfiguration – verblüffend einfach ���������������������������������� 335 3.6.7 Einsparung von Planungs- und Konstruktionsaufwand ���������������� 336 3.6.8 Voraussetzung ist Lean-Production ������������������������������������������������ 337 3.6.9 Aufbau von Schwerkraftrollenregalen mit Rohrprofilen und Arbeitsplatzgestaltung im Lean-Workshop ������������������������������������ 338 3.7 Verpackung – Moleküle des Materialflusses ��������������������������������������������� 340 3.7.1 Kernaufgaben der Verpackung ������������������������������������������������������ 341 3.7.2 Betriebswirtschaftliche Risiken ���������������������������������������������������� 341 3.7.3 Lean-based Layouting – Verschwendung in Gebinde, Lager und Transport ���������������������������������������������������������������������� 342 3.7.4 Einflussgrößen für den Materialfluss �������������������������������������������� 344 3.7.5 Prozessvergleiche von Verpackungsvarianten ������������������������������ 345 3.7.6 Kostenabschätzung ������������������������������������������������������������������������ 346 3.8 Integration eines Fahrerlosen Transportsystems (FTS) in der Intralogistik �������������������������������������������������������������������������������������� 348 3.8.1 Fahrerlose Transportsysteme �������������������������������������������������������� 348 3.8.2 Nutzen und Grenzen bei der Anwendung �������������������������������������� 349 3.8.3 Projektablauf einer FTS-Einführung ���������������������������������������������� 351 3.9 Materialtransporte – Taxi versus Train ������������������������������������������������������ 357 3.9.1 Taxi-Versorgung ���������������������������������������������������������������������������� 357 3.9.2 Zugsysteme (Milchwagen, Milkrun-, Bus-, Train-Konzept, Shuttlesysteme) für Nachschub-Kanban oder Auftragskommissionierung ���������������������������������������������������� 358 3.9.3 Direktbereitstellung (Ship-to-line) ������������������������������������������������ 360 3.9.4 Zugsysteme versus Null-Produktionslager-Konzepte �������������������� 362 3.9.5 Praxis der Materialbereitstellung �������������������������������������������������� 363 3.9.6 Transportzüge und Trains �������������������������������������������������������������� 364 3.9.7 Routenzug und Supermarkt ������������������������������������������������������������ 366 3.9.8 Roller-Trains und FIFO-Lagersysteme auf Roller ������������������������ 371 3.9.9 Praxisbeispiel Shooter �������������������������������������������������������������������� 375 3.9.10 Routenfahrplan eines Versorgungszugs (Shuttle) �������������������������� 376 3.10 Materialstamm-, Materialfluss- und Wertstromanalysen �������������������������� 378 3.10.1 Variantenentwicklung und Auswirkungen auf die Produktion ������ 378 3.10.2 Wertstromanalyse �������������������������������������������������������������������������� 379 3.10.3 Systembasierte Datenanalyse �������������������������������������������������������� 380
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3.11 Materialfluss- und Wertstromanalyse sowie Wertstromdesign und andere Darstellungen der Materialströme ������������������������������������������ 385 3.11.1 Entwicklung der verschiedenen Verfahren der Materialflussanalyse �������������������������������������������������������������������� 386 3.11.2 Materialfluss-Analyse – die Einzelmethoden: ���������������������������� 386 3.11.3 Visualisierung des Wertstromdesigns ������������������������������������������ 391 3.11.4 Die Standardform der Darstellung des Wertstromdesigns ���������� 391 3.11.5 Komplexitätsgrenzen ������������������������������������������������������������������� 393 3.11.6 Wertstrom anhand von einzelnen, punktuellen Produkten oder als Baukasten ������������������������������������������������������������������������ 393 3.11.7 Einsparungs- und Optimierungspotenzial sowie Grenzen ���������� 393 3.11.8 Wertstromdesign als dynamisches Controllingtool ���������������������� 395 3.11.9 Kennzahlen und Begriffe eines Fließprozesses bzw. von Wertstromdesign �������������������������������������������������������������������� 395 3.11.10 Softwareprodukte und Simulationsmethoden ������������������������������ 398 3.11.11 Zusammenfassung ������������������������������������������������������������������������ 398 3.11.12 Optimierung der Wareneingangs- und Produktionslogistik �������� 399 3.11.13 Praktische Umsetzung eines Wertstromdesign-Projekts �������������� 402 3.11.14 Umsetzung einer Fabrik- und Materialflussoptimierung – Ganzheitliche Materialflussrestrukturierung mit Neubau eines Produktions- und Logistikgebäudes ���������������������� 408 3.11.15 Die Mobile Fabrik ������������������������������������������������������������������������ 414 3.12 Moderne Fabrikplanung – Materialfluss- und Arbeitsplatzdesign ������������ 417 3.12.1 Moderne Werkzeuge in der Fabrikplanung ���������������������������������� 418 3.12.2 Integrative Planung und Wandlungsfähigkeit ������������������������������ 421 3.12.3 Materialbereitstellung im Automotivbereich ������������������������������ 422 3.12.4 Linienarbeitsplatzgestaltung: Linie versus Boxenmontage �������� 426 3.12.5 Lifter-Systeme ������������������������������������������������������������������������������ 429 3.13 Kartonsimulation (Cardboard Engineering) ���������������������������������������������� 432 3.13.1 Arbeitsplatzgestaltung und Kartonsimulation ������������������������������ 434 3.13.2 Kartonsimulation einer Linie ������������������������������������������������������ 435 3.14 Virtual Reality und Augmented Reality in der Materialflussplanung �������� 436 3.14.1 Technologie ���������������������������������������������������������������������������������� 436 3.14.2 Nutzen und Anwendungen ���������������������������������������������������������� 436 3.15 Fabrik- und Materialflusssimulation direkt aus einem ERP/PPS-System heraus – einfacher ist mehr! ����������������������������������������� 438 Literatur �������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 442 4 Supply Chain Management (SCM) mit Kanban �������������������������������������������� 445 4.1 Einführung eines Supply Chain Management (SCM) Systems mit speziellen Anforderungen beim Lieferanten-Kanban ������������������������ 448
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4.1.1 Umsetzung einer schlanken SCM-Lösung mit Kanban ���������������� 449 4.1.2 Ziele der Lieferantenkooperation �������������������������������������������������� 451 4.1.3 Lieferanten-Kanban – Konkrete Umsetzungsvorgaben ���������������� 452 4.1.4 Operative Supply Chain-Steuerung und Dispositionskonzepte mit matrixhybriden Steuerungen �������������������������������������������������� 453 4.1.5 Abstimmung und Schulung ���������������������������������������������������������� 455 4.1.6 Projektabwicklung mit Lean Lieferantenmanagement ���������������� 455 4.1.7 Lieferantenbewertung und -klassifizierung ������������������������������������ 456 4.1.8 Strategie der Lieferantenfokussierung ������������������������������������������ 457 4.2 C-Teile-Management – Ursprung, Chancen, Risiken und Ansatzpunkte ���� 459 4.2.1 Potenziale und Ziele ���������������������������������������������������������������������� 459 4.2.2 Charakteristika von C-Teilen �������������������������������������������������������� 460 4.2.3 Das Kaufhauskonzept als Ursprung ���������������������������������������������� 461 4.2.4 Varianten der Beschaffung ������������������������������������������������������������ 461 4.2.5 Schritte zur Einführung und zum Betrieb �������������������������������������� 462 4.2.6 Grenzen des Systems �������������������������������������������������������������������� 463 4.2.7 Resümee ���������������������������������������������������������������������������������������� 464 4.3 C-Teile-Management – optimale Prozesse ������������������������������������������������ 464 4.3.1 Prozessvereinfachungen ���������������������������������������������������������������� 465 4.3.2 Produkt- und Prozessqualität �������������������������������������������������������� 465 4.3.3 Zuverlässigkeit ������������������������������������������������������������������������������ 467 4.3.4 Kontinuierliche Verbesserung �������������������������������������������������������� 469 4.4 Die Erweiterung des C-Teile-Managements ���������������������������������������������� 470 4.4.1 Welche Teile eignen sich für ein C-Teile-Management in der Produktion? �������������������������������������������������������������������������� 470 4.4.2 Welche Teile sind geeignet für ein C-Teile-Management in der Betriebsinstandhaltung? ������������������������������������������������������ 471 4.4.3 Was sind die Stärken und Schwächen der möglichen Dienstleister für C-Teile-Management? ���������������������������������������� 471 4.4.4 Was übernimmt ein C-Teile-Dienstleister? ������������������������������������ 473 4.4.5 Wo sind die Grenzen des C-Teile-Managements? ������������������������ 475 4.4.6 Elektronisches C-Teile-Management bei Verpackungsmaterial ���� 476 4.4.7 Mit Standardisierung und hoher C-Teile-Management-(CTM)Penetration Logistikkosten senken ������������������������������������������������ 479 4.5 Lieferantenmanagement und -optimierung ������������������������������������������������ 482 4.5.1 Konzepte zur hochvolumigen Einkaufspreisreduzierung �������������� 483 4.5.2 Qualitätsmanagement-orientierte Konzepte zur Lieferantenoptimierung ���������������������������������������������������������������� 487 4.5.3 Lean-Lieferantenmanagement – Lean-Philosophie-orientierte Lieferanten- und Kostenoptimierung �������������������������������������������� 488 4.5.4 Lieferantenentwicklung am Beispiel Nissan �������������������������������� 490
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4.5.5 Umsetzung einer Lieferantenoptimierung mit Lean-Philosophie ���� 491 4.6 Kooperationsmanagement – Netzwerke ���������������������������������������������������� 494 4.6.1 Was sind Netzwerke? �������������������������������������������������������������������� 495 4.6.2 Netzwerke – die nächste Evolutionsstufe der klassischen Managementmethoden zur Prozessoptimierung? �������������������������� 495 4.6.3 Kooperationsmanagement �������������������������������������������������������������� 497 4.6.4 Erfolgsfaktoren des Kooperationsmanagements ���������������������������� 498 4.6.5 Kanban – ein wesentliches ordnungspolitisches Element fertigungsorientierter Kooperationsformen �������������������� 498 4.6.6 Win-Win-Situation ������������������������������������������������������������������������ 499 4.7 Intensiv-Lieferantenentwicklung �������������������������������������������������������������� 500 4.7.1 Unterschätzte Auswirkungen von Krisenlieferanten �������������������� 500 4.7.2 Lieferantenprobleme bei Konzernen ���������������������������������������������� 501 4.7.3 Lieferantenprobleme bei klein- und mittelständischen Unternehmen ���������������������������������������������������������������������������������� 502 4.7.4 Provokation eines Lieferantenmarktes durch Auslastungsorientierung und Verzögern von Investitionen ���������� 502 4.7.5 „Feuerlöschen“ als Normalzustand ������������������������������������������������ 503 4.7.6 Wege aus dem Krisenmanagement ������������������������������������������������ 504 4.7.7 Process Due Diligence – die Intensiv-Lieferantenentwicklung ���� 506 4.8 Outsourcing und Lieferantenwechsel �������������������������������������������������������� 508 4.8.1 Outsourcing ������������������������������������������������������������������������������������ 509 4.8.2 Insourcing �������������������������������������������������������������������������������������� 509 4.8.3 Lieferantenwechsel ������������������������������������������������������������������������ 510 4.8.4 Kostenrechnung ����������������������������������������������������������������������������� 511 4.8.5 Kernkompetenzanalyse (KKA) ������������������������������������������������������ 512 4.8.6 Make-or-buy-Analyse (MoB) mit Risikofaktoren ������������������������ 513 4.8.7 Chancen und Risiken – abwägen und optimieren �������������������������� 514 4.9 Logistik-Outsourcing – Checkliste ������������������������������������������������������������ 514 4.9.1 Logistik-Outsourcing �������������������������������������������������������������������� 515 4.9.2 Checkliste für Logistik-Outsourcing ���������������������������������������������� 515 4.9.3 Beispiel einer Vorgehensweise bei Logistik-Outsourcing ������������ 517 4.10 Transport-Logistik im Rahmen des Supply Chain Management �������������� 517 4.10.1 Die Auswahl des Logistikpartners ������������������������������������������������ 518 4.10.2 Das Optimierungspotenzial ������������������������������������������������������������ 519 4.10.3 Die Schnittstellen mit anderen SCM-Bereichen ���������������������������� 519 4.10.4 Fazit ������������������������������������������������������������������������������������������������ 520 Literatur �������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 520 5 EDV-Unterstützung in der Produktion und im Materialfluss ���������������������� 523 5.1 Reduzierung von Fehlerraten in IT-Systemen und im Materialfluss �������� 530
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5.1.1 Unternehmensstrukturelle und soziologische Auswirkungen moderner IT-Systeme �������������������������������������������� 5.1.2 Störgrößen im modernen Materialfluss und in MRP-Systemen ���� 5.1.3 Verbesserung der Datenqualität ���������������������������������������������������� 5.2 EDV-Unterstützung moderner Produktionsabläufe am Beispiel von Kanban unter Betrachtung konsistenter Daten ���������������������������������� 5.2.1 Schlanker Materialfluss mit Kanban und MRP am Beispiel des „Fertigproduzierens“ einer Montage im Kundentakt �������������� 5.2.2 Absatz- und Materialbedarfsplanung mit EDV ������������������������������ 5.2.3 Konsistente Daten mit EDV ���������������������������������������������������������� 5.2.4 Datenpflege ������������������������������������������������������������������������������������ 5.2.5 Innovationen umsetzen ������������������������������������������������������������������ 5.3 IT in der Produktion ���������������������������������������������������������������������������������� 5.3.1 Das Prinzip von Datenbanksystemen, Reporting- oder Analysefunktionen ������������������������������������������������������������������������ 5.3.2 Produktionsprozesse lassen sich schlecht als geschlossenes System abbilden ���������������������������������������������������������������������������� 5.3.3 Verschwendung zu eliminieren sollte im Focus stehen ���������������� 5.3.4 Sinnvoller Einsatz von IT �������������������������������������������������������������� 5.3.5 Synchrone IT ���������������������������������������������������������������������������������� 5.4 Kaizen in der IT ���������������������������������������������������������������������������������������� 5.4.1 Der Mensch steht über der Technik ���������������������������������������������� 5.4.2 Den Stein ins Rollen bringen mit der 5-S-Kampagne ������������������ 5.4.3 Die nächsten Schritte �������������������������������������������������������������������� 5.5 Elektronische Kanban-Systeme (eKanban) ���������������������������������������������� 5.5.1 eKanban als Visualisierung der Bestellbestandssteuerung ������������ 5.5.2 eKanban basierend auf einem WarehouseManagement-System (WMS) �������������������������������������������������������� 5.5.3 Varianten des Auftragsstarts ���������������������������������������������������������� 5.5.4 Einführung von eKanban-Steuerungen ������������������������������������������ 5.5.5 Flexible Montagesysteme in der Medizintechnik durch effizienten Einsatz von eKanban ���������������������������������������� 5.5.6 RFID-Kanban-Board oder eKanban-Board ���������������������������������� 5.6 Simulationsbasierte Optimierung der operativen Produktionsplanung und Lagerhaltung in heterogenen Produktionssystemen �������������������������� 5.7 Kanban Dimensionierungs-Systeme (KDS) ���������������������������������������������� 5.7.1 Komplexität der Dimensionierung ������������������������������������������������ 5.7.2 Statische Dimensionierung – Standardlösungen ���������������������������� 5.7.3 Dimensionierung mittels hybrider Steuerungsinformationen �������� 5.7.4 Iterative Prozessoptimierung �������������������������������������������������������� 5.7.5 Dynamische Auswahl der Steuerungsmethode – am Beispiel MRP und Kanban ������������������������������������������������������������
531 533 538 541 541 543 543 545 545 546 546 547 547 548 548 548 549 550 551 551 551 552 553 556 558 561 563 566 566 568 568 569 569
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5.7.6 Dynamische Dimensionierung entlang der Zeitachse �������������������� 571 5.7.7 Simulationsbasierte Kanban-Dimensionierung ���������������������������� 573 5.8 Mikro-MRP-Systeme �������������������������������������������������������������������������������� 574 5.9 Schlanke Software steuert Geschäftsprozesse und Materialflüsse im Mittelstand ������������������������������������������������������������������������������������������������ 578 5.9.1 Anwendungsbeispiel Werkzeugbau ���������������������������������������������� 580 5.9.2 Anwendungsbeispiel Maschinenbau ���������������������������������������������� 581 5.10 Manufacturing-Execution-System (MES) ������������������������������������������������ 582 5.10.1 Individuell entwickelte und adaptierte MES ���������������������������������� 582 5.10.2 MES-Umsetzung in der dynamisch-flexiblen Produktion ������������ 590 5.11 Produktionsoptimierung mit SAP am Beispiel Kanban ���������������������������� 598 5.11.1 Erweiterung der Kanban-Philosophie durch Integriertes eKanban ���������������������������������������������������������������������� 598 5.11.2 Adaptives Prozessmodell als Grundlage für eKanban ������������������ 599 5.11.3 Erweiterte Kanban-Prozesse unterstützen die Philosophie ������������ 599 5.11.4 Kollaborative Prozesse um Kanban ���������������������������������������������� 600 5.11.5 eKanban mit SAP – Aktuelle Trends und Zusammenfassung ������ 600 5.12 Visualisierte Informationstechnologie ������������������������������������������������������ 601 5.12.1 Der Mensch und seine Sinne ���������������������������������������������������������� 602 5.12.2 Schnelleres Lernen durch systematische Führung ������������������������ 602 5.12.3 Besser und produktiver durch systematische Führung ������������������ 603 5.12.4 Der Quantensprung in der Produktion ������������������������������������������ 604 5.13 Papierlose Fertigung, visualisierte Montageführung und Qualitätssicherung ������������������������������������������������������������������������������ 606 5.13.1 Ziele bildgeführter IT im Produktionsbereich ������������������������������ 606 5.13.2 Elektronische Verteilung von visualisierten Arbeitsanweisungen an Montage- und Qualitätskontrollstationen ���������������������������������� 606 5.13.3 Interaktive Fertigungsprozesse ������������������������������������������������������ 607 5.13.4 Papierlose Fabrik �������������������������������������������������������������������������� 608 5.13.5 Frühwarnportale – Aktion anstatt Reaktion oder Statistiken �������� 609 5.13.6 Die Zukunftsvision in der Informationstechnologie ����������������������� 611 5.14 Production Synchronized Software (PSS) ������������������������������������������������� 611 5.14.1 Optimaler Prozess und Standard-MRP-Systeme �������������������������� 612 5.14.2 Unabgestimmte IT-Landschaften verhindern effiziente Prozesse ���� 613 5.14.3 Eigenschaften effizienter individueller PSS-Tools ������������������������ 614 5.14.4 Anwendungsgebiete von PSS �������������������������������������������������������� 616 5.15 IT gestützte Lieferkettenverfolgung ���������������������������������������������������������� 616 5.15.1 Kundenlogistik, Zollabwicklung und Warenverfolgung mit einer Online-Plattform entlang der Lieferkette ���������������������� 616 5.15.2 Integrierte Zollabwicklung beschleunigt den Warenfluss �������������� 617 5.15.3 Sanktionslisten-Screening und Exportkontrolle: Sicher handeln in unsicheren Zeiten ���������������������������������������������� 619
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5.15.4 Automatisiertes Transport- und Frachtkostenmanagement (Transport & Freight Management) �������������������������������������������� 620 5.15.5 Praxisbericht Maschinen- und Werkzeughersteller – mehr Servicequalität durch den Einsatz einer Visibility & Collaboration-Plattform für Transport- und Auftragsverfolgung entlang der Lieferkette �������������������������������� 621 5.16 Navigation in der Intralogistik ������������������������������������������������������������������ 622 5.17 Identifizieren mit automatischer Identifikation (Auto-ID) – Radio Frequency Identification (RFID) und/oder Barcode ���������������������� 624 5.17.1 Auto-ID – Welche Technologien gibt es? ������������������������������������ 624 5.17.2 Gegenüberstellung der verschiedenen Technologien ������������������ 624 5.17.3 Barcode versus RFID ������������������������������������������������������������������ 625 5.17.4 Eigenschaften von Transpondern ������������������������������������������������ 626 5.17.5 Einsatzbeispiele verschiedener Frequenztypen ���������������������������� 626 5.17.6 Ersetzt RFID den Barcode – Wo sind die Grenzen? �������������������� 627 5.17.7 Verwendete Auto-ID-Standards �������������������������������������������������� 628 5.18 Neue Ansätze ergonomischer Kommunikationstechnologien zu MRP-Systemen ������������������������������������������������������������������������������������ 629 5.18.1 Techniken zur Identifikation im Montageprozess ������������������������ 630 5.18.2 Methoden und Systeme zur Erstellung von Montageanweisungen ���������������������������������������������������������� 633 5.18.3 Visualisierung/Ausgabe von Montageanweisungen �������������������� 634 5.18.4 Pick-to-vision-Systeme ���������������������������������������������������������������� 635 Literatur �������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 638 Sachverzeichnis ������������������������������������������������������������������������������������������������������ 641
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Abkürzung Beschreibung AAZ Arbeitsablauf-Zeitanalyse AR Ausschussrate 0-BK Null-Bestands-Konzept 1PF One-piece-flow AES Automated Export System ANOVA analysis of variance APQP Vorausschauende Qualitätsplanung APS Advanced Planning and Scheduling AR Augmented Reality ASIP Alliance Supplier Improvement Activity ATO Assemble-to-order BA Business-Administration BDE Betriebsdaten-Erfassungs-Systeme BI Business Intelligence BOA Belastungsorientierte Auftragsfreigabe BSC Balanced-Scorecards B-to-B Business-to-business BZ Bearbeitungszeit CAD Computer Aided Design CAQ Computer Aided Quality Management CBP Constraint Based Planning CCG Centrale für Coorganisation CDS Crossdocking-Sequenzieren CEO Chief Executive Officer, dt. Geschäftsführer CIM Computer Integrated Manufacturing CONWIP CONstant Work-In-Process COPQ Cost of poor quality CPS cyber-physischen Systeme CPFR Collaborative Planning Forecasting Replenishment CTM C-Teile-Management XXXV
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CTQ Critical-to-Quality, Qualitätskritische Faktoren DB Datenbankapplikation DBF Dezentrale Bestandsorientierte Fertigungsregelung DFSS Design for Six Sigma DFÜ Datenfernübertragung DIN Deutsches Institut für Normung DLZ Durchlaufzeit DMAIC Define, Measure, Analyze, Improve, Control DOE Design of Experiments DPMO Defects per million Opportunities DRBFM Design Review Based on Failure Mode EAN European Article Number EDI Electronic Data Interchange EDV Elektronische Datenverarbeitung EHB Elektrohängebahn EOP End of Production EPC Elektronischer Produktcode EPEI Every part every intervall EREA Enterprise Resource Execution and Administration ERP Enterprise Resource Planning ESD electrostatic discharge F&E Forschung und Entwicklung FCFS First-Come-First-Serve-Regel FDLZ Fertigungsdurchlaufzeit FIFO First-in-first-out FILO First-in-last-out-Logiken FMEA Failure Mode and Effects Analysis, B77dt. Fehlermöglichkeit- und Einfluss analyse fml Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik FPY First Passed Yield FT Fördertechnik FTF Fahrerloses Transportfahrzeug FTO Finish-to-order FTS Fahrerloses Transportsystem FZK Fortschrittszahlenkonzept GBZ Gesamt-Bearbeitungszeit GD3 GD-Cube Geff Gesamtanlageneffektivität GLT Großladungsträger GS1 Normierungsorganisation Global Standards One: Global Standards for Business HF High-frequency
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HGB Handelsgesetzbuch HHS horizontale hybride Steuerungen HKZ Hochleistungskathodenzerstäubungsanlage HV Hochtriebretarder i.O.-Teile Gutteile IC Integrated Circuit IDEAS Identify, Design, Evaluate, Assess, Scale up IDP interdisziplinären, differenzierten Prozesskostenanalyse (IDP) IDOC Invent, Develop, Optimize, Control IP Incremental Planning IPK In-Process-Kanban-Karten IWB Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften ISBN International Standard Book Number ISI Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung ISO Internationale Organisation für Normung ISSN International Standard Serial Number IT Informationstechnologie JIS Just-in-sequence JIT Just-in-time KDS Kanban-Dimensionierungs-System KEZ Kundenerwartungszeit KKA Kernkompetenzanalyse KLT Kleinladungsträger KLZ Kundenlieferzeit KMS Kaizen-Management-System KMU Klein- und mittelständische Unternehmen KPI Key Performance Indicator KOA Japanisches Unternehmen KT Kundentakt KVP dt. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess KZZ Kanban-Zykluszeit LAN Local Area Network LBSC Lean-Balanced-Scorecard LCA Life Cycle Studien LCIA Low Cost Intelligent Automation LDL Logistik-Dienstleistern LF Low-frequency LILO Lean Intelligent Logistics LMH Ladehilfsmittel LF Low- frequency LVS Lagerverwaltungssystem MDP Markov Decision Process
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MES Manufacturing Execution System MHD Mindesthaltbarkeitsdatum MHS Matrixhybride Steuerung MIT Massachusetts Institute of Technology MMOG Materials Management Operations Guide MNK Materialnummernneutrales Kanban MoB Make-or-buy MPS Manuelle Produktionssysteme MRP Material Requirements Planning MRPII Production Resource Planning MSA Messsystemanalyse MTBF Meantime-between-failure MTM Methods-Time Measurement MTO Make-to-order MTS Make-to-stock MTTR Meantime-to-repair MUC Multi-User-Center MV Maschinenverfügbarkeit n.i.O nicht in Ordnung NAR Nacharbeitsrate NVE Nummer der Versandeinheit OCR Optical Character Recognition ODETTE Organisation for Data Exchange by Tele Transmission in Europe Overall Equipment Effectiveness oder Gesamtanlageneffektivität OEE OEM Original Equipment Manufacturer (Originalausrüstungshersteller) OPF One-piece-flow OPT Optimized Production Technology OTIF On-time-in-full PA Production Authorization PAC Production Authorization Card Konzept PC Personal Computer PDAC Plan-Do-Act-Challenge PDCA plan-do-check-act PDS Paletten-Durchlaufsysteme PICOS Purchased Input Concept Optimisation with Suppliers PICS Production Information and Control System PLZ Postleitzahl POLCA Paired-Cell Overlapping Loops of Cards with Authorization PM Prozessmenge PPA Produktionsplanung am Arbeitsplatz PPS Produktionsplanungs- und Steuerungssystem PSS Production Synchronized Software
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ptS Pick-to-Sequence PV Personalverfügbarkeit PZ Prozesszeit QDA Qualitäts-Daten-Analyse QFD Quality Function Deployment QKL Qualität, Kosten, Lieferservice QM Qualitätsmanagement REFA REichsausschuss Für Arbeitszeitermittlung RFID Radio Frequency Identification RtS Receive-to-Sequence RTY Rolled Throughput Yield, dt. Prozessausbeute RZ Rüstzeit SC Supply Chain SCE Supply Chain Execution SCM Supply Chain Management SCP Supply Chain Planning SDS Stückgut-Durchlaufsysteme SDT Supplier Development Team SIPOC Prozessabgrenzung SMED Single-Minute Exchange of Die SNP Standard number of parts SOP Start of Production SP Simultanous Planning SPC statistische Prozessregelung SPS Synchrones Produktionssystem Std Stunde STL Ship-to-line StS Ship-to-Sequence SWR Sekundärwasserretarder TCI Total Cost Investigation TCO Total Cost of Ownership TE Transpondereinheit TPM Total Productive Maintenance TPS Toyota Produktionssystem TQC Total Quality Control TQM Total Quality Management TQS Total Quality Systems TRIZ Theory of Inventive Problem Solving, dt. Theorie der innovativen Problemlösung TZ Taktzeit UHF Ultra-high-frequency UTC Universal Product Code VA Verfügbare Arbeitszeit
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VCA VCO VDA VDHS VHS VLVS VMI VOC VR VSA WAN WBZ WIP WMRC WMS WQ WWW WZ ZZ
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Valuecycle Analyze Valuecycle Optimizing Verband der Automobilindustrie Vertikal dezentrale hybride Steuerungen vertikale hybride Steuerungen Vertikal linear verknüpfte Steuerungen Vendor Managed Inventory Voice of Customer, dt. Kundenstimme Virtual Reality Valuestream Analyze Wide Area Network Wiederbeschaffungszeit Work-in-process World Market Research Center Warehouse-Management-System Wertstromquotient World Wide Web Wertschöpfungszeit Zykluszeit
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Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme Philipp Dickmann, Eva Dickmann, Thomas Lang, Michael Gröbner, Christian Bartholomay, Fred Wilbert, Hitoshi Takeda, Friedhelm Michels, Julia Boppert, Michael Schedlbauer, Joachim Hirsch, Andreas Reitz, Lothar Harting, Johannes Pfister, Michael Thews, Hans-Peter Kemser, Torsten Krzywania, Andrea Gerlach, Thomas Hildenbrand, Jana-Sofia Brickel, Sabine Leikep, Joska Kulcsar, Saskia Priebe, Franz-Josef Stellpflug und Oliver Kress Philipp Dickmann Meilensteine der modernen Produktion mit Lean Production, Total Quality Management, Six Sigma, Supply Chain Management, Lean Management und Lean Enterprise können zu effizienteren Abläufen führen. In der betrieblichen Praxis existiert jedoch eine Vielzahl von Zielkonflikten basierend auf Richtlinien von Material Requirements Planning(MRP), Controlling- und anderen Systemen. Nur wenige Spezialisten in größeren Unternehmen sind im Stande, die Komplexität über die Grenzen eines Fachgebiets hinaus im Detail zu verstehen. Fachübergreifendes Verständnis scheitert an der Komplexität der
P. Dickmann () · E. Dickmann lepros GmbH, Grafing b. München, Deutschland E-Mail:
[email protected] T. Lang · J. Hirsch · J. Kulcsar Dorfprozelten, Deutschland M. Gröbner · F. Wilbert Leonardo Group GmbH, München, Deutschland C. Bartholomay · A. Reitz KAIZEN® Institute Deutschland, Bad Homburg vor der Höhe, Deutschland H. Takeda Bochum Innenstadt, Deutschland F. Michels SPS Management Consultants Deutschland GmbH, Bochum Innenstadt, Deutschland © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 P. Dickmann (Hrsg.), Schlanker Materialfluss, DOI 10.1007/978-3-662-44869-4_1
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Gesamtproblematik. Entscheidungen verschiedenster Fachbereiche begrenzen die maximal erreichbare Effizienz des Materialflusses. Logistik und Materialfluss werden daher in vielen Unternehmen als unabdingbare Kernkompetenz verstanden. Um eine schlanke Produktion, einen optimalen Materialfluss und somit minimale Produktkosten zu erreichen, sind folglich vielfältige andere Fachthemen als Voraussetzungen zu beherrschen. Erst dann ist es in der Produktionslogistik möglich, im Vergleich zu einem Top-Benchmark erfolgreich zu sein. Um im täglichen Konkurrenzkampf „die Nase auch morgen noch vorne zu haben“ ist es nötig, über den Preis hinaus auch noch völlig andere Problemstellungen zu beherrschen. Babylon-Syndrom Die Kompetenz, interdisziplinäre Problemstellungen zu beherrschen, wird zunehmend ein Thema, das den Wettbewerb und das Überleben für ein Unternehmen entscheidet. Im letzten Jahrzehnt fand eine enorme Spezialisierung und damit Verflachung des interdisziplinären Verständnisses, vor allem in Konzernen, aber auch in der Ausbildung, statt. Trotz des Trends zur Reduzierung der Produktionstiefe und der Outsourcingwellen nimmt das Aufsplittern der Zuständigkeitsbereiche weiter zu. Dies vereinfacht den Umgang mit Detailproblemen. Gruppenabgegrenztes Denken nimmt zu, unter anderem erkenntlich an der J. Boppert · M. Schedlbauer Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml), Technische Universität München, München, Deutschland L. Harting Gemba Holding GmbH, Kümmersbruck, Deutschland J. Pfister InterQuality Service AG, Augsburg, Deutschland M. Thews Berlin, Deutschland H.-P. Kemser · T. Krzywania BMW AG, Regensburg, Regensburg, Deutschland A. Gerlach Heraeus Noblelight GmbH – Division UV Prozesstechnik, Hanau, Deutschland T. Hildenbrand · J.-S. Brickel Schwan-STABILO Schwanhäußer GmbH & Co. KG, Weißenburg, Deutschland S. Leikep Friolzheim, Deutschland S. Priebe Siemens AG, Kemnath, Deutschland F.-J. Stellpflug Unna, Deutschland O. Kress ROI Management Consulting AG, München, Deutschland
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steigenden Anzahl der Abteilungsgrenzen. Das Gesamtoptimum wird schwerer erkennbar, messbar und beherrschbar. Das Erreichen von optimalen Kennzahlen in einem Bereich bewirkt immer häufiger, dass Kennzahlen in anderen Bereichen deutlich schlechter werden. Das Gesamtergebnis wird trotz der Aktivitäten verschlechtert. Die Korrelation von Maßnahmen und Auswirkungen werden ebenfalls durch stärkere Verteilung der Kompetenz erschwert. Gründe sind die höhere Spezialisierung, der zeitliche Versatz (zwischen Ursache und Wirkung) und die in der Summe für Standard-Controlling-Ansätze kaum mehr durchschaubaren Verflechtungen. Nachhaltigkeitsökonomie und Unternehmensethik Im Zeitalter des Shareholder-Value, also der einseitigen Ausrichtung von Unternehmen auf Nachfrageentwicklungen von potenziell interessierten Investoren sowie daraus abgeleiteten Strategien, scheinen andere Kriterien nur zu untergeordneten Rahmenbedingungen zu degradieren. In vielen Geschäftsfeldern ist der Erfolg maßgeblich von einem intakten Umfeld innerhalb und außerhalb des Unternehmens abhängig. Auf Vertrauen basierende Kooperation, die Strategie der Nachhaltigkeitsökonomie (Ökonomie, die sich an nachhaltigen, langfristigen Erträgen orientiert) und eine anspruchsvoll gelebte Unternehmensethik sind Wegbereiter für den Erfolg, für die es keine Alternative gibt. Netzwerk und Infrastruktur Bewertungen und Analysen in Unternehmen richten sich zu 99 % auf die eigenen Belange. Im Moment wächst das Bewusstsein in den Unternehmen, dass ein großer Teil des Erfolgs eines Unternehmens nicht alleine auf der eigenen Leistung basiert. Entscheidend sind ebenso das Netzwerk und die Rahmenbedingungen der Infrastruktur, in dem das Unternehmen arbeitet. Soziologisch betrachtet ist das eigentliche Unternehmen nur ein kleiner Bestandteil eines Energons (vgl. Kap. 1.22 Probleme sind Schätze). Bestimmend ist daher im Wesentlichen nicht mehr die Leistung und Effizienz des eigentlichen Unternehmens selbst, sondern die Qualität des Zusammenspiels des gesamten Komplexes. Softfacts Kultur, Verhalten, Erziehung, Ethik, Erfahrung, Verbundenheit mit einem Unternehmen etc., sind nicht unmittelbar in Zahlen greifbare Werte. Sie sind typischerweise nicht direkt in IT zu erfassen oder abgreifbar und können vom Controlling in ihrer Auswirkung nicht bewertet werden. Hardfacts bestimmen überproportional stark die Entscheidungen in Unternehmen. Sie stellen in konkreten, einfachen Kostenwerten fundiert die Basis zielorientierter Führungsmethoden dar. Viele in Kostenstrukturen nicht erkennbare, aber entscheidende Zusammenhänge sind mit Softfacts einfach bewertbar und können optimiert werden. Sie haben daher gleichermaßen (wie Hardfacts) durchschlagenden Einfluss auf Unternehmensstrukturen, Abläufe, Kosten und letztlich die Rendite. In den Rahmenbedingungen stecken die Schätze Struktur, Entscheidungen und Ethik eines Unternehmens werden durch Rahmenbedingungen vorbestimmt, analog der „theory of constraints“ [Gold 90]. Rahmenbedingungen
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sind entscheidende Einflussfaktoren, die als gegebene unveränderliche Größen angesehen werden und über deren Wirkung daher fast immer kein Bewusstsein herrscht. So kann die Änderung einer Bedingung, welche die „Seele“ des Unternehmens trifft, einen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung des Unternehmens haben. Die Optimierung der Rahmenbedingungen der Entlohnung steht beispielsweise derzeit stark im Fokus des Interesses der Unternehmen, während andere Aspekte mit vergleichbar großen Potenzialen weniger Beachtung finden. Maßnahmen auf dem Weg zu einem schlanken Unternehmen erbringen langfristig sicherlich höhere Potenziale und einschneidende Verbesserungen. Sie sind jedoch nicht so einfach in der Umsetzung, nicht kurzfristig umsetzbar und verursachen wesentlich höheren Aufwand. Weder IT noch optimale Steuerungsmethoden, Mitarbeiter oder Lieferanten können schlechte Rahmenbedingungen letztlich jedoch kompensieren. Rahmenbedingungen können einerseits Schätze beinhalten oder aber letztlich eine Bürde sein, die das Unternehmen „in weniger sonnigen Zeiten“ in die Katastrophe führt! Flexibilität und Verbesserungsgeschwindigkeit Einen guten Preis zu erreichen, gilt landläufig als bestimmendes K.O.-Kriterium. In der Konkurrenzsituation ist immer häufiger alleine damit aber keine Abgrenzung oder fundierte Entscheidung mehr zu rechtfertigen. In globalen Märkten, in denen sich Lieferanten nur mehr um Nuancen unterscheiden, sind nachhaltige Kostenreduzierungen kaum mehr mit machtbasierten oder psychologischen Verhandlungstaktiken zu realisieren. Entscheidend sind zunehmend die Flexibilität und die Geschwindigkeit, mit denen eine Verbesserung erzielt wird. Die maximal erreichbaren Leistungen des Materialflusses und der Produktion werden in erster Linie durch die Erfüllung dieser Rahmenbedingungen im Unternehmen bestimmt. Daher wird in der Folge sehr umfassend auf Methoden und Anforderungen eingegangen, welche die Voraussetzungen für einen modernen und schlanken Materialfluss darstellen.
1.1 Lean Production – das Toyota Produktionssystem (TPS) Philipp Dickmann Es gibt heute kaum ein namhaftes produzierendes Unternehmen, das hohem Konkurrenzdruck ausgesetzt ist und dabei noch völlig ohne an die schlanke Produktion angelehnte Methoden auskommt. Die als „Lean Production“ oder das „Toyota Productionssystem“ (TPS) nach Hr. Taiichi Ohno [Ohno 78] bekannt gewordenen Methoden stellen eine elementare Basis für effizienten, konkurrenzfähigen und modernen Materialfluss dar. Sie finden erfolgreich Anwendung im Sondermaschinenbau, der Baubranche, der Medizintechnik, im Handwerk, der Biochemie oder im Großserienherstellprozess und sind gleichermaßen erfolgreich in Hochlohn- wie auch in Niedriglohnländern zu finden. Die einfachen Prozesse,
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die auf eine direkt erkennbare und dadurch sehr schnelle Verbesserung zielen, führen zu einem teils rapiden Ansteigen der Wirtschaftlichkeit, auch wenn es das typische Merkmal dieser Methode ist, primär Abläufe und Prozesse mit einfachen Methoden zu optimieren und dadurch nur „nebenbei“ betriebswirtschaftliche Kennzahlen zu verbessern. Warum steht die Methode derzeit wieder derart im Blickpunkt? Die Methode der schnellen, nachhaltigen und ganzheitlichen Optimierung wurde für Toyota zu dieser Zeit notwendig, um im internationalen Konkurrenzkampf die USA und Europa einzuholen und nach Möglichkeit zu überholen. Heute ist die Situation vieler Unternehmen vor allem auch in Europa damit vergleichbar. Aufgrund der politischen Veränderung in Osteuropa und China, sowie der neuen Möglichkeiten im Internet, konkurrieren selbst kleine Unternehmen heute immer mehr auf dem Weltmarkt. Darin liegt ein enormes Potenzial für die Unternehmen, aber auch ein Zwang zur Wirtschaftlichkeit, die heute in vielen Bereichen allein nicht mehr ausreichend ist. Nicht primär der Unterschied in der Startposition, sondern die Schnelligkeit, Prozesse bei höchster Flexibilität zu optimieren, entscheidet vielfach in diesem Wettkampf – und genau hierin liegt die Stärke dieser umfassenden Systematik.
1.1.1 Entwicklung Das Genie von Newton, Kepler, Galileo oder Einstein definiert sich durch die Leistung, komplexe Zusammenhänge in einem ungewohnten Blickwinkel und in einer simplen Logik zu komprimieren. Alle ihre Gleichungen zeichnen sich durch eine für ihre Entstehungszeit verblüffende Differenziertheit aus. Oft wurde die Tragweite in ihrer visionären Differenziation erst sehr viel später aufgrund neuer Methoden und Konzepte verständlich. Das Toyota Produktionssystem (TPS) wurde lange Zeit als simples, auf den Erfahrungsaustausch unter Anwendern zielendes „Praktikerwerk“ verstanden. Das Buch erläutert sich selbst in der Problemstellung der japanischen Wirtschaftskrise nach dem zweiten Weltkrieg bis in die 1960er-Jahre. Wesentliche Probleme waren hierbei die schlechte Absatzmöglichkeit, da die Qualität und die Effizienz im Vergleich zur Konkurrenz in den USA und Europa ungenügend waren. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Japan in vielerlei Hinsicht von den USA beeinflusst. Das Ford-Produktionssystem [Ford 26] setzte zu diesem Zeitpunkt den Maßstab und wurde bei Toyota gleichsam extrahiert und neu synthetisiert. Aber auch andere Unternehmen wurden bereist und brauchbare Methoden systematisch involviert. Das Prädikat „Made in Germany“ galt unter anderem als Gütesiegel oder Zielmarke, an das sich Toyota annähern wollte. Im Vergleich zu amerikanischen oder europäischen Ansätzen wurden auch traditionell asiatische und speziell japanische Denkprinzipien in die Methode mit einbezogen. Arbeit muss wiederholbar und einfach sein. Die unerhört detaillierte, pragmatische Systematik im Vorgehen beim TPS entspricht einem rituellen Muster, umgesetzt auf die Abläufe in der Produktion. Aber auch viele der in Japan stark etablierten Thesen des Konfuzianismus wurden höchst synergiereich in-
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volviert, wie etwa der Selbstanspruch, „Fehler sind eine persönliche Schande“, oder die konsequente Einhaltung von Standards und Regeln. Wesentliche Leitsätze wie die Grundthese von „Best Practice“ wurden formuliert: • Lerne von den Besten. Daraus leitet sich das Best Practice-Konzept ab. • Verbessere diese Methoden mit einer gleichermaßen einfachen wie schnellen Methode. Toyota hat hier einen neuen Maßstab gesetzt. Über mehrere Jahrzehnte hinweg wurde das Toyota Produktionssystem in verschiedenen Stufen entwickelt und umgesetzt. Die Dichte und der Reifegrad der neuen Vorgehensweisen sind aus diesem Grund bestechend. Es werden vielfältige, sehr differenzierte aber stellenweise auf den ersten Blick trivial wirkende Maßnahmen und Zusammenhänge dargestellt. Erst bei der kritischen Auseinandersetzung wird einem bewusst, dass es sich um ein sehr durchdachtes, ausgefeiltes, vor allem sehr interdisziplinäres und umfassendes Zielportfolio handelt. Wissenschaftlich wirkt vieles überbestimmt, wegen der enormen Differenzierung in interdisziplinären Forderungen von extrem weit reichenden Einflüssen. Tatsächlich wurden einzelne Bausteine oder Methoden wie Kanban wissenschaftlich lange Zeit als simples, banales System verstanden, etwa in Konkurrenz zu den modernen komplexen IT-basierten Algorithmen. Sie passten nicht in die favorisierte Blickrichtung des Zeitgeistes der Forschung. Im Streben, immer kleinere, differenziertere Optimallösungen hochspeziell zu entwickeln, wirkte dieser umfassende, einfache „Rundumschlag“ nicht opportun. Einige der Vorgaben der Methoden wurden im Laufe der Zeit weiter entwickelt. Viele der neuen Ansätze, wie etwa das Nullbestandskonzept als Weiterführung von Just-in-time oder Kanban, zeigten aber enorme Nachteile. Trotz einer deutlich veränderten technologischen und informellen Arbeitsumgebung bleibt heute festzustellen, dass die originalen Definitionen noch immer anspruchsvolle Zielvorgaben vorlegen, um im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Das TPS stellt einen in seiner Breite nach wie vor kaum vollständig umgesetzten interdisziplinären Baukasten dar. Die Verbreitung ist heute hoch, doch werden fast immer nur kleine Bausteine etabliert und damit enorme Potenziale verschenkt. Der Konkurrenzvorteil von Lean Production Aufgrund des Absatzerfolgs der japanischen Automobilindustrie wurde dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA im Jahr 1985 der Forschungsauftrag „Untersuchung von 90 Montagewerken in 17 Ländern“ erteilt. Das Ergebnis der Studie wurde im Jahr 1990 veröffentlicht. Es zeigte erstmals das Ausmaß der Überlegenheit der japanischen Fertigungstechnologie durch den Einfluss von Lean Production auf (vgl. Tab. 1.1 [Woma 90]). Bei der Interpretation der Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass die Variantenvielfalt der europäischen Premium-Hersteller nur eingeschränkt berücksichtigt ist. Trotzdem ist der deutliche Konkurrenzvorteil heute unbestritten.
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Tab. 1.1 Der Konkurrenzvorteil von Lean Production. [Woma 90] Durchschnittswerte der Automobilhersteller in Japan Konstruktionsaufwand für ein neues Kfz [100.000 Std] Entwicklungsdauer für ein neues KFZ [Monate] Rückkehr zur Normalproduktion [Monate] Produktivität [Montagestunden/Kfz] Qualität [Montagefehler pro 100 Kfz] Lagerbestand [Tage Lagerreichweite für 8 exemplarische Teile]
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Nordamerika absolut %/Japan 3,1 182
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1.1.2 Der Rollout (Lean-Transformation) in drei Lean-Phasen Der Aufbau des TPS wird von Taiichi Ohno von 1945 bis 1975 systematisch in drei Phasen beschrieben (Abb. 1.1). 1. Lean-Phase: Es beginnt mit der fast ausschließlich verbreiteten ersten Phase, in der der Produktionsmitarbeiter oder die -anlage im Mittelpunkt steht. Mindestens 90 % der Methodenlehre des TPS, welche in deutschen Unternehmen gebräuchlich ist, beschränken sich nur auf diese wenigen ersten und damit unvollständigen bzw. unausgewogenen Elemente. 2. Lean-Phase: In der zweiten Phase wird das Konzept mehr und mehr auf alle Bereiche im Unternehmen ausgeweitet. Vor allem der Materialfluss nimmt einen maßgeblichen Anteil ein. In den Unternehmen Europas sind in der Regel nur Bruchstücke der diffizilen Methoden dieser Phase zu finden. 3. Lean-Phase: In der dritten Lean-Phase wird die Methode um ein – für Deutschland ungewöhnliches – auf Kooperation ausgelegtes Lieferantenmanagement mit extremer Bindung ergänzt. Das Resultat ist mehr als ganzheitliches Unternehmenskonzept, weniger als Produktionssystem zu bezeichnen, daher auch der passendere Begriff des Toyota-Systems. Spätestens wenn mit einer Restrukturierung die Grenzen der Produktion überschritten werden, sind interdisziplinär abgestimmte Methoden unverzichtbar. Durch die neuen Möglichkeiten der IT, die Globalisierung und die zunehmende Flexibilisierung ist diese Adaption eines Lean-Systems an die individuelle Unternehmenssituation ein entscheidender Faktor. Die-
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Abb. 1.1 Die drei Lean-Phasen eines Lean-Rollouts bzw. einer Lean-Transformation. Parallel wächst kontinuierlich das Verständnis der Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge bzw. -Abläufe mit der Folge eines fortschreitenden Philosophiewandels des Unternehmens. [Dick 13b, Dick 13c]
se neuen Elemente führen jedoch zu einer höheren Komplexität. Voraussetzung für die Umsetzung ist ein interdisziplinäres Verständnis in den Details. Aufgrund der hohen Spezialisierung ist diese fachübergreifende Kompetenz in Unternehmen, Hochschulen und Personalprofilen oft nicht verfügbar. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist die Praxiserfahrung von internationalen Bestmarken hilfreich, da gängige Standard-Lean-Kompetenzen (d. h. Produktion und Kampagne) mit Lean-Logistik (darunter ist mehr als Lagerequipment und Kanban zu verstehen), Steuerungsmethode, Lean-Lieferantenkooperation und einem Strategiewandel im Unternehmen verbunden sind.
1.1.3 Elemente und Regeln des TPS TPS beinhaltet eine enorme Vielfalt an Vorgehensweisen, an dieser Stelle können daher nur einige wesentliche Themen mit Bezug zum Buch vorgestellt werden: • Verschwendung vermeiden: Um einen Fortschritt zu erreichen wird nach Problemen und Verschwendung gesucht. Ignorieren von Problemen fördert negative Entwicklun-
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gen. Erst das bewusste systematische Suchen mit der konkreten Absicht, die Prozesse zu verbessern, bringt den Fortschritt. (vgl. 1.17 Prozessorientierung). Im TPS oder Kanban wird daher nach einer einfachen überschaubaren Liste von Verschwendungsarten gesucht. • Überproduktion vermeiden: Die Überproduktion ist eine der wesentlichen Verschwendungsarten. • 5W-Ursachenanalyse: Fünf Mal wird mit der Frage „Warum?“ bei der Fehleranalyse der tiefere Hintergrund analysiert. Diese simple Methode führt sehr schnell zu den Wurzeln eines Problems und auf dessen Ansätze zur Lösung, daher entsprechen die „5W“ einem how-to-do. • Poka Yoke oder auch Boka Yoke: Dieser Begriff wird vielfach als vollständige Kontrolle oder auch 100 % Kontrolle interpretiert. Fehler zu selektieren ist in jedem Fall günstiger, als die vielfältigen Auswirkungen von Fehlern zu beheben. Grundsätzlich unterscheidet man im TPS das „Tun“, also das physische Arbeiten und das eigentliche „Arbeiten“, bei dem der Selbstanspruch zur Verbesserung hinzukommt. Charakterisierend ist zudem die Forderung nach konsequenter Fehlervermeidung durch einfachste Prüfprozesse, die präventiv stattfinden. (vgl. 1.13 Poka Yoke) • Andon: Andon ist zunächst die Linienstoppampel, also eine Ampel, die den Status der Produktionslinie anzeigt und direkt darüber hängt. Die Signalfarben entsprechen der Straßenverkehrsampel. Sie erlaubt visuelle Kontrolle und die Online-Steuerung des Produktionsprozesses. Wenn der Werker eine Abnormität erkennt, kann er mit dem gelben Signal Hilfe holen. Hat er ein gravierendes Problem erkannt, muss er die rote Ampel auslösen und damit die Linie stilllegen. Die Werker übernehmen mit dieser Pflicht die Verantwortung für die Produktion. Ihre Philosophie lautet: Der Produktionsmitarbeiter ist so nah am Ort des Geschehens, dass er die Vorgänge am besten beurteilen kann. • Autonomation: Autonomation ist Automation mit einem menschlichen Touch. Autonomation soll die Linie oder die Produktion allgemein vor Schäden bewahren, indem die Anlage bei allen Störungen oder abnormen Situationen automatisch auf Stopp geht. • Baton Passing Room: Um bei einer Fließfertigung einen gleichmäßigen Fluss zu erreichen, ist es wesentlich, einen Pufferraum zu schaffen, an dem Werker, die im Hintertreffen sind, aufholen können. • „Do not make isolated islands“: Werker sollen im Team arbeiten, da sie so als Ganzes höhere Flexibilität und Leistung erzielen. Die moderne Ergonomie bestätigt, dass die Gesamteffizienz des Einzelnen in der Gruppe deutlich höher ist als bei isolierten Einzelarbeitsplätzen. Ergänzend kommt es zum Kapazitätsausgleich in der Gruppe, wodurch sich der Mittelwert verbessert. • Mehrmaschinenbedienung: Mehrere Maschinen werden in einem Rhythmus nacheinander bedient. Dies setzt voraus, dass die Maschinentakte dies zulassen. Die Arbeitszeit des Werkers wird effizienter genutzt, da Verschwendung durch Wartezeiten eliminiert wird. Eine Sonderform ist die Gruppenarbeit mit Mehrmaschinenbedienung. Trotz ungünstiger Austaktung kann damit eine höhere Effizienz erreicht werden. • Kaizen: Diese Methode zur kontinuierlichen Verbesserung wurde zunächst für direkte Produktionsprozesse entwickelt. Sie wird heute für nahezu alle Arbeitsprozesse ange-
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Abb. 1.2 Anteil der eingebundenen Belegschaft bei Lean-Projekten (Umfrage: Fakten zu Lean – 2007 [Lepr 07]: Herausragendes Merkmal der ursprünglichen Umsetzung in Japan ist die langfristige und vor allem vollständige Einbindung aller Mitarbeiter des Unternehmens in Kampagnen, d. h. von der gesamten operativen Belegschaft über alle indirekten Bereiche bis hin zur vollständigen Führungsebene
wandt, auch in völlig anderen Bereichen und Branchen (vgl. 1.5 Kaizen). Es existieren starke Überschneidungen zu Poka Yoke. • Die Kraft der individuellen Fertigkeiten und des Teamworks: Eine der wesentlichen Säulen, auf die TPS baut, ist die möglichst umfassende Nutzung der Innovationskraft und Kompetenz der Belegschaft. Der operative Spezialist soll nicht nur arbeiten, sondern auch sein Know-how soll entscheiden. Hieraus leiten sich gravierende Anforderungen an das Management ab (vgl. 1.22 Probleme sind Schätze). • Vom Belegschaftsschutz über den Schutz des Einzelnen zur Reduzierung der Anzahl der Werker: Nach dem traditionellen Verständnis von TPS sind Mitarbeiter ein „Teil der Familie“, daher ist jeder Einzelne vor den Auswirkungen von Einsparungen zu bewahren. Durch offensiven Umgang mit Flexibilisierung der Qualifikation wird zunächst ein universellerer Einsatz der Werker ermöglicht und eine höhere interdisziplinäre Kompetenz erreicht, zudem steigt dadurch die Effizienz. Im TPS ist es gelebte Realität, dass der Schutz der Mitarbeiter zu höherer Effizienz und Flexibilisierung führt, was ein klarer Gegensatz zu vielen modernen Managementthesen ist. T. Ohno betont an verschiedenen Stellen den Wert des Teamworks für die Leistung, dies ist nachhaltig nur auf Basis dauerhaft vertrauensvoller Verbindungen und Sicherheit für jeden Einzelnen zu gewährleisten (Abb. 1.2). • Produktionsfluss und Arbeitsfluss (Work Flow): TPS gibt verschiedene Elemente vor, um einen harmonischen Fluss zu erreichen und dabei strikt auf die hohe Dichte an Wertschöpfung zu achten.
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• Just-in-time: Just-in-time (JIT) umfasst zunächst, dass das Material zur richtigen Zeit in der geforderten Menge am notwendigen Ort bereitgestellt wird. Dadurch wird Verschwendung durch Wartezeiten, unnötige Puffer und damit Ineffizienz vermieden (vgl. 1.4 Just-in-time). Im weiteren Sinne beinhaltet es aber auch bedingungslose Kundenorientierung, Neuausrichtung der Produktionsabläufe, Produktionsvorrichtungen (vgl. 1.9 Low Cost Intelligent Automation) sowie angepasste Managementeigenschaften. • Kanban: Der japanische Begriff Kanban heißt Karte oder Label, umfasst im TPS jedoch auch das Kanban-Steuerungskonzept (vgl. 1.2 Kanban; 2.4 Die Kanban-Steuerung). • Supermarkt-Prinzip und Lieferanten-Kanban: Kanban wird, bezogen auf Lieferanten-Kanban, mit dem Supermarkt-Prinzip dargestellt. Im Supermarkt wird nach dem Pull-Vorgehen durch jeden Verbrauch ein neuer Bedarf beim Lieferanten angestoßen. (vgl. 4.1 Lieferanten-Kanban) • Produktionsglättung (Production Leveling, Produktionsnivellierung, Heijunka): Hiermit ist zum einen der Ausgleich der Arbeitsinhalte mit dem Ziel einer Fließfertigung gemeint, also die Abbildung eines gleichmäßigen Taktes. Andererseits umfasst dies die Anpassung und das Modellieren der Arbeitsinhalte, um möglichst wenig Verschwendung zu erreichen. Letztlich beinhaltet die Produktionsglättung aber auch die Pufferbildung und das Vermeiden des Peitscheneffektes (vgl. Kap. 2.1 Ruhiger kontinuierlicher Materialfluss), mit dem Ziel, einen kontinuierlichen Materialfluss und JIT-orientierte Prozesse zu erreichen (Abb. 1.3). 6RQVWLJH 9HUEHVVHUXQJVUDG $XWRPDWLRQ :RUNIORZ $QGRQ 6XSHUPDUNW /LHIHUDQWHQ.DQEDQ +HLMXQND -XVWLQWLPH 3RND
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Abb. 1.3 Lean-Projekte mit wenigen Lean-Elementen: Umfassende Umsetzungen sind selten. Dies lässt sich an der ungleichen Penetration der einzelnen Elemente gut erkennen [Lepr 07]. Der große Vorteil des TPS kommt nur zur Geltung, wenn alle Elemente implementiert werden. Bei einer nur punktuellen Umsetzung werden nur begrenzte Verbesserungen erreicht. Da diese Umfrage vornehmlich im Lean-orientierten Logistik-Umfeld durchgeführt wurde, entspricht die ermittelte Kanban-Penetration nicht dem repräsentativen Durchschnitt der Unternehmen in Deutschland
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1.2 Kanban – Element des Toyota Produktionssystems Eva Dickmann, Philipp Dickmann Kanban bedeutet wörtlich Aufkleber, Label oder Behälterbeschriftung und steht für eine einfache, fast triviale Steuerungsmethode, die im TPS [Ohno 78] entwickelt wurde. Die Methode, mit Behältern zu steuern, ist eine der ältesten Steuerungsmethoden überhaupt. In vielen Bereichen des täglichen Lebens setzten wir sie in Ansätzen um. Dieser Umstand alleine ist sicherlich nicht verantwortlich für den Siegeszug, den diese Steuerungsmethode seit der ersten Einführung bei Toyota hatte. Auch erklärt dies nicht, warum Kanban derzeit stark an Penetration zunimmt, trotz Konkurrenz durch ausgereifte Algorithmen in der IT. Kanban umfasst nicht nur eine Steuerungsmethode, sondern gibt sehr klare und strenge Verfahrensregeln vor. Mit der gleichen strengen Akribie und Liebe wie in der weltweit bekannten Teezeremonie werden in Japan für andere Kulturen banale Abläufe auch im Arbeitsleben zur Perfektion fortgeführt. Typisch für diesen Ritus sind die klare Definition exakter Plätze und das Einhalten eines genauen Ablaufs („Der perfekte Prozess ist das Ziel“, buddhistische These). Dieser wesentliche Erfolgsfaktor wird im westlichen Kulturkreis weitläufig unterschätzt. Die Selbstverantwortung und das Erleben der Perfektion obliegen dem Einzelnen. Im Fall von Kanban betrifft dies den Umgang mit Behältern durch den Mitarbeiter. Im Folgenden sollen der Verfahrensablauf, Elemente und charakterisierende Eigenschaften der Steuerungsmethode erläutert werden.
1.2.1 Verfahrensablauf Die Basiselemente der Kanban-Steuerung sind physische Gebinde bzw. Behälter, oder die Label darauf. Das Material in einem Behälter wird verbraucht, bis dieser leer ist. Der Behälter oder auch nur die Kanban-Karte wandert danach an die Nachschubquelle bzw. zum internen oder externen Lieferanten zurück, wo er erneut befüllt wird. Nach dem Befüllen wird das Material wieder zum Verbraucher oder Kunden geschickt. Dieser Vorgang ist extrem einfach und besitzt daher wenig mögliche Störgrößen. Der Ablauf ist visuell und erreicht durch seine Transparenz eine enorme Prozesssicherheit. Der Kreis, den der Behälter beschreibt, wird auch als Kanban-Kreis bezeichnet. Das Material bewegt sich aufgrund eines physischen Verbrauchs. Der Nachschub wird gleichsam vom Kunden gezogen, woraus sich der englische Begriff des Pull-Prinzips ableitet. Eine weitere implementierte Verfahrensregel ist die Begrenzung des dynamischen maximalen Lagervolumens. Die Summe der in Umlauf befindlichen Karten im Kreis definiert und begrenzt die maximale Kapitalbindung in Form von Lagerbeständen oder Aufträgen.
1.2.2 Elemente • Der Kanban-Kreis: Der Kanban-Kreis umfasst eine Kunden-Lieferantenverbindung, also den Abschnitt entlang der Wertschöpfungskette mit allen Teilprozessen, die das Material physisch durchläuft und den vollständigen Informationsfluss.
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• Kanban-Karten: Kanban-Karten entsprechen der Abstraktion des realen Gebindes. Karten und Gebinde müssen jedoch nicht immer physisch miteinander verbunden sein. Der Rückweg des Leerguts kann dadurch vom Informationsfluss entkoppelt werden. Ist es nicht möglich, die Behälter zurückzuführen, können damit Zeiten eingespart und Kosten reduziert werden. So wird durch Einwegbehälter in Kombination mit Karten eine unnötige Aufblähung der Kanban-Dimensionierung vermieden und dadurch werden lange Transportwege für die Behälter eingespart. Der Aufwand zum Erstellen der Papiere wird zudem reduziert, da die Karten im Kreis laufen. • Kanban-Tafel: Karten werden auf der Tafel z. B. in Fächer gesteckt oder mittels Magnettaschen festgeheftet, sodass das Sammeln von Karten über Felder visualisiert wird. Sie visualisiert das Sammeln von Karten, bis ein Auftrag gestartet werden kann. Die Kanban-Plantafel ermöglicht die Abbildung der wirtschaftlichen Losgröße durch eine Freigaberegel. Durch die Verwendung eines Freigabebereichs kann zudem eine Nivellierung von Kapazitäten und eine dezentrale Feinsteuerung umgesetzt werden. (vgl. Kap. 3.4 Produktionsnivellierung; vgl. Kap. 5.5 eKanban) • Regelkarten: Auf Regelkarten werden alle Abweichungen vom Standard vermerkt. Kein realer Materialfluss ist identisch zu einem anderen. So muss für eine optimale Konfiguration erst der optimale Ablauf selektiert werden. Dieses Tool hilft, den Prozess systematisch, effizient und zielorientiert umzusetzen. Störgrößen, Sonderbedarfe und Sonderfreigaben werden dokumentiert und können zu einer Veränderung des Standards führen. Ohne die Regelkarten würde sehr viel Effizienz durch „blinden“ Gehorsam vernichtet. • Prioritätsfindung im Arbeitssystem: Das Kanban-System hat grundsätzlich eine dezentrale Entscheidungshoheit. Der Werker entscheidet dezentral und selbstverantwortlich aufgrund des Erreichens der Sammelmenge. Sollte es zu einer Überschneidung verschiedener Bedarfe kommen, muss der Werker nach Kriterien wie etwa niedrigem Lagerbestand oder niedriger Bestandsreichweite selbst priorisieren (vgl. Kap. 2.12 Steuerungsmanagement).
1.2.3 Eigenschaften der Steuerungsmethode • Visualisierung – ergonomisch effizientes Arbeiten: Die Bestandsverfolgung und die Kontrolle der Reichweite erfolgen durch statisch und visuelle Bestandswahrnehmung. Die Abbildung des dynamischen Materialflusses ist dabei unübertroffen direkt und ergonomisch. Die Qualität dieser Form der Bestandsverfolgung mittels realer Lagerplätze, d. h. ob ein Lagerplatz vorhanden oder leer ist, ist selbst durch hoch entwickelte EDV-Systeme nicht zu übertreffen. Der Start erfolgt eventbezogen: Der Behälter war leer und führt dadurch zu einer unmittelbaren Handlung des Betroffenen. Der Anstoß zum Nachschub erfolgt visuell und aktiv durch den Arbeiter. Ein klarer Vorteil ist das Nutzen physischer Informationen, im Gegensatz zur abstrakten EDV-Eingabe. Fehlerpotenziale durch die Übertragung und Abstraktion werden vermieden.
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• Steuern ohne EDV: Kanban stammt aus einer Zeit, in der kaum EDV für die Produktion verwendet wurde und kommt daher grundsätzlich auch ohne EDV aus. Die „Kostenfalle“ EDV kann gänzlich vermieden werden. Es sind weder Hard- noch Software-Anschaffungen notwendig, noch sind aufwändige und fehleranfällige Datenkonvertierungen in andere Systeme nötig. Risiken durch Versorgungsunterbrechungen, Fehler aufgrund von MRP-Fehlern oder Störungen durch das Rechnersystem können umgangen werden. In Bereichen, in denen keine EDV vorhanden oder sinnvoll ist, wird damit eine komfortable Materialflusssteuerung erreicht, etwa bei Kleinstunternehmen, bei denen der Aufwand für EDV in keiner Relation zu den Werten des Materialstroms steht. Dies kann zudem bei geringer Mitarbeiterqualifikation, bei Sprachbarrieren oder in Regionen, in welchen die Strom- oder IT-Versorgung einen Risikofaktor darstellt, vorteilhaft sein. Aufgrund der notwendigen Material- und Lohnbuchung ist bei mittelständischen bis großen Unternehmen in Industriestaaten eine Steuerung ohne EDV heute selten geworden. Auch Supply Chain Managementvorgaben zwingen zum Einsatz von EDV, wie etwa in der Automobilbranche. Eine Anbindung von Kanban an EDV ist heute durch sehr individuelle EDV-Tools möglich und für Standards teils auch sehr kostengünstig. Zur Dimensionierung, Ablaufunterstützung und Anbindung an Firmen-IT kann aus einer Palette bestehender, unterschiedlicher Standard-Tools ausgewählt werden. • Einfache, selbstregelnde Dimensionierung: Dem Mitarbeiter steht im Kanban-Kreis eine definierte Anzahl an Behältern bzw. Kanban-Karten zur Verfügung. Bei steigender Bedarfsmenge oder -häufigkeit erhöht sich die Geschwindigkeit des Flusses im Kreis. Das System kann dadurch gewisse Bedarfsspitzen und Bedarfsreduzierungen selbstständig ausgleichen. Bei zu starkem Anstieg sinkt der Endproduktpuffer, bis das System schließlich abreißt. Um dies zu verhindern muss daher, sobald der Nachschub knapp wird, die Anzahl der Behälter im Kanban-Kreis oder auch die Kapazität erhöht werden. • Dezentrale Steuerung – Verantwortung vor Ort: Der operative Mitarbeiter steuert den Nachschub selbstständig vor Ort, nur geleitet durch die Karten oder die Freigabe des Auftragsstarts auf der Kanban-Tafel. Er hat grundsätzlich keine anderen Kriterien zu beachten und kann ohne weitere Freigaben selbstständig entscheiden und handeln. In vielen Anwendungsfällen wird die Entscheidung an einen Meister oder Gruppenleiter delegiert, z. B. aufgrund von Interessenkonflikten mit Entlohnungssystemen oder fehlerträchtigen MRP-Applikationen. • Hohe Lieferfähigkeit: Bei Kanban ist immer ein Mindestpuffer von Endprodukten in jeder Produktionsstufe vorhanden. Der Kunde kann immer sofort mit Lagerware zufrieden gestellt werden, auch bei kurzfristigem Bedarf. Ein Höchstmaß an Lieferfähigkeit und Servicegrad wird dadurch sichergestellt. Der definierte Puffer stellt auf allen Ebenen mittelfristig eine optimale Strategie zur Prävention von Versorgungsengpässen dar. Nebenbei werden durch kleine Puffer Bedarfsspitzen geglättet und infolgedessen eine hohe Effizienz und maximale Auslastung erreicht. Investitionen in Zusatzkapazität für Bedarfsspitzen können eingespart werden (Abb. 1.4).
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Abb. 1.4 Durchschnittliche Höhe der Lieferfähigkeit: Die Lean-Umfrage [Lepr 07] zeigt hohe Verbesserungspotenziale in Bezug auf die Lieferfähigkeit. Etwa ein Viertel der befragten Unternehmen gaben eine Lieferfähigkeit unter 80 % an. Eine geringe Lieferfähigkeit bedeutet einen Verlust von Umsatz und Rendite. Kanban und Just-in-time als isolierte Elemente des TPS sind zum Erreichen einer hohen Lieferfähigkeit meist zu wenig
• Kundenorientierung: Durch das Holprinzip (Pull-Prinzip) wird der Produktionsprozess nach den Bedürfnissen des Kunden ausgerichtet. Über den Kundenauftrag hinaus wird nichts produziert. Ein weiterer Aspekt ist die strikte Abbildung des Kundenbedarfs in der Ausbringung. Der Kundentakt sollte in möglichst kleinen Intervallen abgebildet werden, um Verschwendung zu vermeiden. • Produktorientierung: Im Rahmen einer Kanban-Einführung sollten die Materialflusswege produktspezifisch nach dem Fließprinzip optimiert werden, was eine enorme Steigerung der Effizienz zur Folge hat. Es werden Wege optimiert und Puffer abgebaut. Durch Visualisierung und kurze Distanzen wird der Informationsfluss deutlich verbessert. • Vermeidung von Verschwendung: Durch die Produktion nach Verbrauch werden Bestände und Durchlaufzeiten (DLZ) reduziert, da sich das Produktionsangebot an der aktuellen Nachfrage orientiert. Es wird ausschließlich der Kundenverbrauch nachproduziert. Verschwendung durch Überproduktion, etwa aufgrund nicht eingetroffener Planungen, wie in Material Requirements Planning (MRP), wird verhindert.
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• Wenig störungsanfällig: Aufgrund realer, dezentraler und visueller Bestände sind die Abläufe sehr einfach und sicher. Verglichen mit den Störgrößen und der Anzahl der Einflussfaktoren in EDV-Daten, treten bei Kanban kaum Störungen auf. Wenig Komplexität führt zu extrem sicheren Prozessen. Aufträge werden ohne Störungen begonnen und fertig gestellt, sie werden „fertig produziert“. • Standardisierung von einfachen, wiederkehrenden Prozessen: Ein wesentliches Element von Kanban ist der Verbesserungszyklus. Aufgrund z. B. der Informationen der Regelkarten werden kontinuierlich Verbesserungen geplant, umgesetzt, verifiziert und dokumentiert. Wenn ein neuer, besserer Prozess dokumentiert ist, wird er zum neuen gültigen Standard. Das strikte Einhalten der kontinuierlichen Verbesserung mit Standards ist charakteristisch für das TPS und auch für Kanban.
1.3 Varianten von Just-in-time und Just-in-sequence Thomas Lang, Philipp Dickmann Ein wesentliches Werkzeug, das bei Lean im Materialfluss und speziell im Bereich der Logistik verwendet wird, ist Just-in-time (JIT) und Just-in-sequence (JIS). Flexibilität wird dabei durch extrem flexible Prozesse in der Lieferkette angestrebt, die ohne Störungen ablaufen. Als Konsequenz kann hoch flexibel und gleichzeitig mit minimalen Puffern gearbeitet werden. Im Laufe der Jahre entstanden zahlreiche abgeleitete, weniger extreme Ansätze, die im Wettbewerb bei Weitem nicht die Leistung (geringe Kosten bei gleichzeitiger Flexibilität auf der Lieferkette) erreichen. Flexibilität wird nach JIT nicht durch „Einfrieren“ eines Plans („Planungsstabilität“) oder Reduzierung von Versorgungsrisiken durch Krisenmanagement erreicht. Ein Großteil der schlechten Publicity, welche mit JIT einhergeht, leitet sich von unpassenden Anwendungen oder in Bezug auf die Logistik- und Produktionsmethoden unwirtschaftlich kleiner Losgrößen ab. Das charakteristische an JIT (im Sinne der japanischen Automobilindustrie) ist, dass • • • • •
mit möglichst kleinen Losgrößen, möglichst kleinen Sicherheiten bzw. Puffern, jedoch ohne Krisenmanagement, mit maximaler Flexibilität gegenüber dem Kunden und dabei mit im Vergleich kleineren Prozesskosten
gearbeitet wird.
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1.3.1 Die Begriffe und deren Bedeutung JIT wird seit Jahrzehnten wissenschaftlich mit „zum richtigen Zeitpunkt“ übersetzt. JIT – Just-in-time 1. Das richtige Produkt 2. Zur richtigen Zeit 3. Am richtigen Ort 4. In der richtigen Menge
JIS – Just-in-sequence 1. Das richtige Produkt 2. Zur richtigen Zeit 3. Am richtigen Ort 4. In der richtigen Menge 5. In der richtigen Reihenfolge
x-Mal „zum richtigen…“ Dazu können diverse andere Eigenschaften ergänzt werden. Heute sind in der Literatur Definitionen mit mehr als 10 Punkten, die eingehalten werden sollten, zu finden. Letztlich werden dadurch jedoch lediglich immer noch mehr Symptome aufgezählt, aber keine Ursachen beschrieben bzw. keine konstruktive Arbeitsmethode erreicht. Sequenz & Perlenkette Generell unterscheidet sich JIT zu JIS nur dadurch, dass das Material zusätzlich in der Auftragsreihenfolge bereitgestellt wird. Es wird also nicht gleiches Material in Gebinden, sondern verschiedenes Material (Abb. 1.5) • wird stückgenau, • in der richtigen Reihenfolge (teils: die der Auftrag vorgibt), • innerhalb eines Gebindes und in Gebinden hintereinander bereitgestellt. JIT muss als Voraussetzung bereits stabil funktionieren, erst dann kann eine längere Sequenzkette stabil ablaufen. Die Perlenkette ist ein einfacherer Sequenzansatz, bei dem während mehrerer Tage oder auch im Verlauf von mehr als einer Woche rollierend die Auftrags- bzw. Produktionsreihenfolge fixiert ( = „eingefroren“) wird. Die Metapher einer langen Kette mit verschiedenen Einzelteilen, die in der Kette fixiert sind, umschreibt dies sehr treffend (Abb. 1.6).
Abb. 1.5 Vergleich der Belieferung JIT und JIS: Bei JIT wird das komplette Los bzw. Gebinde mit einer einheitlichen Materialnummer bereitgestellt. Bei JIS werden die Behälter in einer Reihenfolge und in den Behältern die verschiedenen Materialien ebenfalls in Auftragsabfolge hintereinander bereitgestellt
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Abb. 1.6 Behältergenaues „JIT“ – abgeleitete Sonderform, bei der in Auftragsreihenfolge behältergenau Material geliefert wird. Nachteil dieser Variante ist der Logistikaufwand, der durch die Anbruchgebinde entsteht. Die Herausforderung und der Aufwand bestehen darin, dass die angebrochenen Behälter ohne First-in-first-out zu verletzen zurückgelagert und beim nächsten Bedarf wieder an die Linie geliefert werden müssen
1.3.2 Weitreichende Bedeutung von JIT Um in der richtigen Auftragsreihenfolge liefern zu können, ist JIT unabdingbar. Die Bedeutung von JIT reicht in der Intention der japanischen Automobilindustrie viel weiter, als nur bis zur Pünktlichkeit. Pünktlichkeit ist letztlich nur ein Symptom bzw. das Ergebnis der Arbeit. Lean zielt generell immer darauf ab, Ursachen zu optimieren. Waren zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen bedeutet, dass der Materialfluss störungsfrei arbeiten muss – und zwar über alle Produktions- und Lieferstufen. Das eigentliche Kernthema besteht folglich darin, Flexibilität in allen Ebenen ohne Mehrkosten aufzubauen und gleichzeitig vielfältige Störungen und störende Effekte abzustellen. „Die ursächliche Bedeutung von Just-in-time ist daher das systematische Reduzieren der Störungen auf der Lieferkette, also eine störungsfreie Lieferkette (Undisturbed Supply Chain UD-SC) [Dick 13a].“ JIT = Störungsfreie Lieferkette
Dies wird erreicht durch: 1. systematische Reduzierung der Störungen und Störeffekte 2. systematische Flexibilisierung aller Prozesse der Lieferkette
1.3.3 Ausprägungen von JIT und JIS in der Praxis Kommissionieren in Sequenz Die „üblichen“ JIS-Prozesse werden zumeist über JIS-Kommissionierung erzielt. Hier sind zwei Varianten zu unterscheiden:
1 Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme
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+5/%/
9HUVDQGSXIIHU [$7
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Abb. 1.7 Ablauf von Kommissionierung in Sequenz: Hier wird konventionell produziert, nur die Versorgung an den Verbrauchsort beim Kunden erfolgt durch in Sequenz kommissionierter Ware. [LanT 13]
• Pick-to-Sequence (ptS): variantenneutrale Fertigung und sequenzgerechte Kommissionierung beim Kunden etwa den Original-equipment-manufacturer (OEM), also den Automobilhersteller (Abb. 1.7). • Ship-/Receive-to-Sequence (StS/RtS): variantenneutrale Fertigung und sequenzgerechte Kommissionierung beim Lieferanten bzw. einem externen Dienstleister (Crossdocking-Sequenzieren (CDS)) . • Sonderform – Sequenzieren bzw. Kommissionierung durch ein Distributionszentrum – Crossdocking-Sequenzieren (CDS): Crossdocking ist das Kommissionieren ganzer Behälter oder das Sequenzieren durch einen Spediteur, Logistikdienstleister oder in einem Distributionszentrum. Hierbei wird bei einem Netz aus Kunden und Lieferanten eine Streckenreduzierung erreicht. Dies kann mit einem Train-System der Speditionslogistik kombiniert werden. Ursprünglich war die „bestandsfreie“ Kommissionierung beim Dienstleister das Ziel. Im Automotivesektor wird das Konzept zum weitgehenden Outsourcing von Lagerhaltung und Kommissionierung bzw. Sequenzierung beim Kunden angewandt. Eine mehrtägige Materialmenge des Lieferanten wird beim Dienstleister eingelagert und dort bedarfsgenau nach einer Feinplanung kommissioniert bzw. sequenziert. Da die Distributionszentren in unmittelbarer Nachbarschaft der Produktionswerke stehen, ist eine extrem kurzfristige Belieferung in kurzen Zeitfenstern beim Kunden gesichert (vgl. Kap. 3.9.7 Praxisbeispiel: Routenzug und Supermarkt). Produktion in Sequenz Der extremste und effizienteste JIT-Prozess bedeutet, in Auftragsreihenfolge zu produzieren. Man spricht hier von „Produce-to-Sequence“ (PtS – Vorsicht diese Abkürzung
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P. Dickmann et al.
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9HUVDQGSXIIHU PD[$7
6XSHUPDUNW 6HTXHQ] PRQWDJH
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6HTXHQ]VWURP Abb. 1.8 Ablauf von Produce-to-Sequence: Der Hauptvorteil liegt in der deutlich höheren Flexibilität gegenüber Veränderungen und letztlich in der geringeren Kapitalbindung. Hierfür ist ein hoch entwickeltes JIT im Sinne von störungsfreien und flexiblen Prozessen nötig [LanT 13]
ist verwechselbar mit Pick-to-Sequence und wird deshalb in der Folge nicht verwendet), was Variantenfertigung beim Lieferanten in der Sequenzreihenfolge des Kunden bedeutet (Abb. 1.8). Tatsächlich war Produce-to-Sequence einer der entscheidenden Hebel, der logistisch für den Wettbewerbssprung der japanischen Automobilindustrie verantwortlich war. In der Praxis, vor allem in Europa und Nordamerika, ist diese Methode allerdings eher die große Ausnahme. Bei Belieferungen durch globale Lieferanten mit den typischen langen Transportzeiten, etwa von Seefracht, ist Produce-to-Sequence in der Regel nicht sinnvoll, da extreme Fixierungen der Auftragsreihenfolge nötig wären. Vorteile von Produce-to-Sequence: • • • • •
Reduziertes Handling Flächenreduktion wenig Kapitalbindung Flexibilität bei technischen Änderungen – Losgröße „1“ Stabiler Prozess, durch Reduzierung der Prozessschritte
JIS und noch extremer Produce-to-Sequence sollte generell immer unter der Voraussetzung von JIT verstanden werden. Um einen wirklich stabilen und vor allem auch effizienten Prozess zu erhalten, muss im Vorfeld eine störungsarme, im Idealfall störungsfreie Produktion erarbeitet werden. Da eine störungsfreie Produktion tatsächlich immer nur relativ möglich ist und dies auch nur mit spezieller Methodik und zeitlichem Aufwand erreicht werden kann, ist dies ein sehr anspruchsvolles Ziel. Mit der Zeit entstanden daher viel einfachere Interpretationen, die zwar nicht den Effizienzgrad, aber eine ähnliche Wirkung aufweisen. Typische Beispiele sind
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• die Sequenz ohne extrem kurze Vorläufe der Fixierung der Auftragsreihenfolge (Perlenkette) oder • das Produzieren in Losen mit nachfolgender Kommissionierung in Sequenzreihenfolge. Im Verständnis des Toyota-Systems ist die Produktion in Sequenz das eigentliche JIS und stellt die „Königsklasse“ der Varianten-Produktion dar.
1.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Just-in-time-, Just-insequence- und One-piece-flow-Produktionskonzepten Michael Gröbner Ein integraler Bestandteil der schlanken Produktion sind die dort zu verwendenden Fertigungskonzepte, bzw. deren Verzahnungen. Der folgende Absatz beschreibt die Grundlagen dieser Konzepte sowohl in der Produktion als auch in der Logistik. Eine Anwendung dieser Konzepte ist weder auf den deutschen Raum noch auf eine bestimmte Industrie oder bestimmten Markt beschränkt. Die Bedeutung der Konzepte von Just-in-time, Justin-sequence und One-piece-flow gewinnen im Zuge der Lean-Einführung in deutschen Unternehmen immer mehr an Bedeutung, gerade im Standortwettbewerb mit Ost-Europa und China. Nur mit schlanken, kundenorientierten und kostenoptimierten Strukturen ist das langfristige „Mitspielen“ auf höchstem Niveau im internationalen Markt möglich. Unternehmen, die diese Konzepte insbesondere in der Fertigung bereits eingeführt haben, zeichnen sich durch höhere Lagerumschlagszahlen (Inventory Turnover Rates > > 10), höchst flexible Fertigungen und niedrige Kosten aus.
1.4.1 Just-in-time (JIT) Just-in-time ist eine Philosophie in der Materiallogistik, die ursprünglich von Toyota zur Zeit des ersten Ölschocks in Japan entwickelt wurde, durch den anhaltenden Erfolg des TPS wurde JIT auch in der westlichen Welt bekannt [Ohno 78]. Nach allgemein gültiger Definition heißt JIT: Das Material zur richtigen Zeit, in der richtigen Qualität, in der richtigen Menge und am richtigen Ort bereitzustellen. Teil der Philosophie ist es jedoch, die Produktionsflüsse ganzheitlich zu optimieren, nicht nur einzelne Funktionen wie z. B. die Logistik. In der Literatur wird das JIT-Prinzip differenziert betrachtet, einmal wird es im Logistikbereich mit dem Supermarktprinzip verglichen. Nach einer genauen Begriffsdefinition ist das JIT-Prinzip aber nicht auf den Logistik-Bereich beschränkt, sondern schließt die Fertigung im Fließprinzip ausdrücklich mit ein, hierbei wird dann ohne Materialpuffer oder Supermarkt und direkt nach Kundenbedarf gearbeitet.
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P. Dickmann et al.
JIT-Logistik In der Logistik wird JIT vielfach mit JIT-Anlieferung gleichgesetzt, d. h. hier wird das Produkt im JIT-Prinzip dem Kunden angeliefert, teilweise bis ans Montageband, wie in der Automobilindustrie üblich. Wenn der Zulieferer sich geografisch nahe am Kunden befindet (z. B. in Industrieparks), können die Zulieferer stärker in den Montageprozess eingebunden werden und die Anlieferdistanz ist logistisch einfacher handhabbar. Eine Einbindung des Lieferanten in das MRP- oder ERP-System mit Abrufvorausschau ist mittlerweile Standard in der Automobilindustrie. Die Anlieferzeit und Reihenfolge wird dadurch dem Lieferanten im Voraus mitgeteilt. Typischerweise hält der Lieferant die Bauteile vor, um diese dann zeitgerecht anliefern zu können, dadurch reduziert sich die Lagerhaltung der JIT-Materialien beim Kunden dramatisch. Je nach Ausprägung und Qualität der Lieferanten wird wenig bis gar kein Puffer vorgehalten. Dies beinhaltet beim Verbraucher ein großes Einsparungspotenzial, wenn von einem Materialkostenanteil am Produkt von bis zu 60 % oder mehr ausgegangen wird. Auf Lieferantenseite werden die Vorgaben des Kunden häufig durch so genannte Fertigwarensupermärkte erfüllt, aus denen der Kunde dann „herauszieht“ bzw. abruft. Aufgrund der hohen Kapitalbindung der Fertigware ist diese Art der JIT-Anlieferung für den Lieferanten nicht kostenoptimiert. Ebenso steigt bei nicht ortsnahen JIT-Anlieferungen (z. B. aus Osteuropa) das LKW-Aufkommen und mehr Lagervolumen wird auf die Straße verlagert. JIT-Produktion Die Produktion im JIT-Prinzip ist ein Kernstück der JIT-Philosophie, aber im Gegensatz zur JIT-Logistik noch nicht so weit verbreitet, da eine JIT-Produktion einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel in vielen Unternehmen erfordert. Angefangen von der Umstellung von Push auf Pull (vom Drück- auf das Zieh-Prinzip), einer Ausrichtung am Kundenbedarf, d. h. der Kundenbedarf triggert den Fertigungsstart, Fertigung im Kundentakt, bis zur Umstellung auf Fließfertigung im Unternehmen, mit kleineren Losen. In fluktuierenden Märkten ist die Fertigung bei latenter Überkapazität ebenso notwendig. Im JIT-Produktionsprinzip wird das Produkt ohne Stopp direkt in den nächsten Arbeitstakt weitergegeben, die Durchlaufzeit wird reduziert und die Ware „in Arbeit“ wird minimiert. Bei einer direkten Weitergabe in den nächsten Arbeitstakt erfordert dies die Fertigungslinien so perfekt auszubalancieren, dass jeder Takt den exakt gleichen Arbeitsinhalt hat, damit Just-in-time, also mit automatischer Weitergabe ohne Stopp, Material weitergegeben werden kann. Dies gestaltet sich bei Montagelinien, bei unverketteten Anlagen und Zuführprozessen als Herausforderung. Dies gilt besonders bei einem hohen Fertigungsmix, da die Arbeitsinhalte pro Produkt teilweise stark unterschiedlich sind und die Auslastung der Arbeitsplätze und Linien gewährleistet sein muss. Extreme Ansätze wie das Nullbestandsprinzip in der Fertigung führten ebenfalls zu unausgereiften Lösungen. Unterschiedliche Arbeitsinhalte werden in machen Fertigungskonzepten durch produktbezogene Maschinenzellen ausbalanciert, dort „schlagen“ aber Produktschwankungen dann voll auf die Auslastung durch (Kein Kundenbedarf – Keine Fertigung). In den meisten Fertigungsprozessen und bei unflexiblen Maschinenprozessen, z. B. mit hohen Grundrüstzeitanteilen
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oder Takt- oder Arbeitsinhaltsunterschieden ist ein reines JIT-Prinzip oftmals nicht möglich. Dann muss über einen Zwischenpuffer (In-Process-Kanban-Karten) oder Supermarkt gefertigt werden.
1.4.2 Just-in-sequence (JIS) Just-in-sequence ist ein Begriff aus der Logistik und ist mit sequenzgerechter Anlieferung gleichzusetzen, also die richtige Menge, zum richtigen Zeitpunkt und in richtiger Qualität. JIS wird vor allem in der Automobilindustrie benutzt, z. B. Anlieferung von Sitzen exakt in der Reihenfolge, wie diese verbaut werden. z. B. zuerst Sitz 101, dann Sitz 102, dann Sitz 104. Dadurch entfällt beim Kunden der Aufwand das Material sequenzgerecht bereitzustellen. Der Lieferant benötigt aber die dementsprechenden Informationen, um die Vorarbeit und die Bestückung des LKWs in der richtigen Reihenfolge leisten zu können. Zur Ansteuerung von Lieferanten werden hier häufig Sequencing-Systeme verwendet, bei denen der Lieferant „direkt“ am Band des Kunden „angedockt“ ist. Hier soll nicht nur bedarfs- und zeitgerecht, sondern auch in der richtigen Reihenfolge gefertigt bzw. geliefert werden. In der Fertigung wird diese Methodik häufig über Hejunka-Boards, SequencingBoards und In-Process-Kanban-Karten (IPK, z. B. mit FIFO-Bahnen) gewährleistet. Die folgerichtige Abarbeitung des Kundenbedarfs steht hier an oberster Stelle.
1.4.3 One-piece-flow (Einzelstückfluss) Der One-piece-flow ist die Grundlage des Fließprinzips. Bei diesem Prinzip wird ein Werkstück nach der Bearbeitung sofort an den nächsten Prozess/Arbeitstakt weitergegeben, um dort bearbeitet zu werden. Das bedeutet, dass vor einem Prozessschritt maximal ein Werkstück (Losgröße eins) bereit liegt. Es gibt, anders als bei der losweisen Fertigung‚ keine Puffer- oder Materialberge zwischen den Prozessschritten. Die Konsequenz ist, dass, wenn der nachgelagerte Prozessschritt still steht, der vorgelagerte Prozessschritt nicht weiter produzieren darf. Dadurch wird die Problemlösung fokussiert. Durch Onepiece-flow wird das Pull-Prinzip unterstützt und es ist Grundlage der JIT-Fertigung [Like 03]. Es ermöglicht minimale Durchlaufzeiten (optimaler Cashflow, da wenig Material in der Fertigungspipeline) durch die Verkleinerung der Lose, maximale Flexibilität und schnelles, effektives Reagieren auf Probleme (optimale Qualität), signifikante Platzreduzierungen und Flexibilisierung der Fertigung durch effizienteres Arbeiten bzw. Einsetzen der Ressourcen. Voraussetzung für die Realisierung sind schnelle Rüstzeiten, flexible Mitarbeiter, und prozessorientierte, auf Takt basierende Fertigungsstrukturen. Oftmals wird der One-piece-flow auch mit dem Prinzip einer starren Verkettung gleichgesetzt, d. h. dem Verbinden von zwei oder mehreren Fertigungs- bzw. Verarbeitungseinrichtungen. Dies ist jedoch nicht zwingend nötig, bedeutender ist die homogene Austaktung der Linie, d. h. das Ausbalancieren der Arbeitsinhalte pro Arbeitstakt und -platz. Mit dem Ausgleichen
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von kleinen Unterschieden in den Arbeitstakten durch In-Process-Kanban-Karten (IPK) [Leon 02] oder Arbeitspuffer kann die One-piece-flow-Fertigung auch bei hohem Produktmix gewährleistet werden. Je höher der Mix auf einer Linie, desto größer werden die Erfolge durch die Einführung von One-piece-flow sein, da die Reduzierung der DLZ und der Kapitalbindung sich auf mehrere Produkte auswirkt. Die Flexibilität des Lieferprozesses (intern und extern) ist maßgebend für die Kopplung bzw. Entkopplung von Prozessen [Leon 02]. Die Praxis hat gezeigt, dass, außer bei starr verketteten Anlagen, ein reines JITPrinzip in der Fertigung kaum realisiert werden kann. Die verbreitetste Anwendung sind der Supermarkt (bei niedriger Kapitalbindung oder langen Rüstzeiten in der Vorfertigung) und die IPK-Lösung. Bei der Supermarktlösung wird JIS nach Kundenbedarf aus dem Supermarkt gezogen, aber meistens nicht JIS-nachgefertigt. Die größeren Fertigungslose und die Fertigungsreihenfolge werden damit vom Lieferprozess entkoppelt. Die Kopplung der Prozesse über einen IPK ist aus Gründen der Kapitalbindung und der damit verbunden Reduzierung der Durchlaufzeit (One-piece-flow) durch den Gesamtprozess zu bevorzugen. Unternehmen, die One-piece-flow einführen wollen, sollten in einzelnen Fertigungslinien beginnen und dann nacheinander die gesamte Produktion durch den Einstückfluss verbinden, damit im Unternehmen eine oder mehrere One-piece-flow-Linien entstehen. Erst danach sollte man auf eine JIT-Anlieferung umstellen, da man sonst die Lieferanten durch die Steuerungsrelevanten Schwankungen leicht überlasten kann. Unternehmen, die die Lieferkette von innen nach außen (beginnend in der eigenen Fertigung) optimieren, können mit Einsparungspotenzialen im hohen zweistelligen Prozentbereich rechen. Einsparungen oder Verbesserungen sind zu verzeichnen bei: • • • •
Kapitalbindung: Reduzierung der Materialbestände bis zu 70 % Durchlaufzeit: Reduzierung bis zu 75 % Produktivitätssteigerungen: Steigerung um bis zu 25 % Qualitätskosten: Senkung um bis zu 70 %
Dies sind Erfahrungswerte aus der Praxis, abhängig vom jeweiligen Ist-Stand des Unternehmens.
1.4.4 Beispiel aus der Praxis Auszug aus dem Artikel: One-piece-flow in Gotteszell’ [Fröh 04] „Wir haben One-piece-flow in unserer Fertigung in Gotteszell inzwischen erfolgreich eingeführt. BARTEC Supply Chain Manager Andreas Reschke hat das Projekt von Anfang an aktiv gestaltet und begleitet. Reschke ist mit den ersten Ergebnissen sehr zufrieden. (…) Wir konnten die Durchlaufzeit in den betroffenen Bereichen um über 60 % reduzieren, die Umlaufbestände in der gesamten Fertigung sind um 23 % gesunken“, so Reschke, „weiteres Potenzial steckt in den Fertigungsbereichen, die wir noch nicht umgestellt haben.“
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1.5 Kaizen Christian Bartholomay Differenzierte Kundenwünsche sind die Herausforderung der heutigen Zeit. Ein Unternehmen muss sich in punkto Flexibilität, Schnelligkeit und Kosten gegenüber den Mitbewerbern deutlich abheben, um am Markt erfolgreich zu sein. Doch wie ist es zu schaffen, die Nase stets vorn zu haben? Immer mehr Unternehmen setzen im Hinblick auf die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit auf Kaizen. Den besten Beweis, dass es funktioniert, liefert Toyota. Dort ist der Einsatz von Kaizen-Methoden das Herzstück des Produktionssystems. Der Automobilhersteller schreibt seit Jahrzehnten schwarze Zahlen, ist am Markt erfolgreich mit innovativen Produkten und schneidet in der Pannenstatistik sehr gut ab, was auf eine hohe Qualität schließen lässt.
1.5.1 Der Begriff Kaizen [Imai 02] Der Begriff Kaizen stammt aus Japan. „Kai“‛ steht für „Veränderung“, „Zen“‛ für „zum Besseren“. Ziel ist dabei, aus guten Produkten und guten Unternehmen noch bessere Produkte bzw. Unternehmen zu machen. Kaizen bedeutet ständige Verbesserung unter Einbeziehung aller Mitarbeiter. Das heißt, Geschäftsleitung, Führungskräfte und Werker bzw. Sachbearbeiter machen mit. Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz der KaizenMethoden ist, dass das Management die Ziele klar und verständlich formuliert, sodass sie von allen Menschen am „Ort des Geschehens“ (jap. Gemba) verstanden werden. Dann gilt es, die Mitarbeiter zu trainieren und zu motivieren, damit gemeinsam auf die Ziele hingearbeitet wird. Kaizen ist jedermanns Angelegenheit und setzt eine prozessorientierte Denkweise voraus. Laut Masaaki Imai, der den Begriff geprägt hat und mehrere Bücher über Kaizen veröffentlichte, soll kein Tag ohne irgendeine Verbesserung im Unternehmen vergehen. Der Grundsatz von Kaizen lautet: Gehe an Gemba (Ort des Geschehens), achte auf Gembutsu (die realen Dinge), suche nach Muda (Verluste, Verschwendung), mache Kaizen (ständige Verbesserungen). Wichtig ist, dass beim Entdecken von Verschwendung und Problemen niemand angeklagt oder bestraft wird. Vielmehr sind Probleme als „Schätze“ zu sehen. Das Entdecken dieser Schätze und die Beseitigung der Problemursachen bergen riesige Einsparpotenziale. Doch der Fokus liegt nicht nur auf der Kosteneinsparung. Schnelligkeit, Flexibilität und Steigerung der Qualität sind die entscheidenden Faktoren, die zur Kundenzufriedenheit beitragen. Kaizen ermöglicht das Erreichen dieser Ziele. Und so ganz nebenbei verbessern sich die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter. Denn der Einsatz von Kaizen bringt einen Wandel der Unternehmenskultur mit sich. Mehr Eigeninitiative von Seiten der Mitarbeiter wird gefordert und gefördert. Der Handlungsspielraum des Einzelnen weitet sich aus und die
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Kommunikation wird verbessert. Weniger Stress und mehr Freiraum für Kreativität sind die Folge. Damit Kaizen funktioniert, ist es wichtig, dass das entsprechende Know-how vermittelt wird. Sinnvoll sind Qualifizierungsmaßnahmen in den unterschiedlichen Ebenen. Prozessbegleiter, Kaizen-Praktiker und Kaizen-Coaches sorgen dafür, dass der Kaizen-Prozess in Bewegung bleibt. Sie geben das Methodenwissen an die Mitarbeiter weiter. Der Kaizen-Manager als Bindeglied zwischen Gemba und Management koordiniert die Aktivitäten und erstellt in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern und Management eine Roadmap, in der die Vorgehensweise festgelegt wird.
1.5.2 Gemba-Kaizen [Imai 97] Gemba-Kaizen steht für den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung am Ort des Geschehens. Grundlage für Gemba-Kaizen ist das Aufspüren und Eliminieren von Verschwendung (jap. Muda) im Herstellungsprozess (Abb. 1.9). Der Blick für die Wertschöpfung ist in vielen Unternehmen verloren gegangen. Es fehlt den Menschen die Fähigkeit, Verschwendung in allen Bereichen – sowohl in der Produktion als auch in Administration und Service – zu erkennen. Generell ist beim Management und den mittleren Führungskräften der Wille da, sich mehr vor Ort (an Gemba) um die Erhöhung des Wertschöpfungsanteils zu kümmern. Oft kann dieser Vorsatz nicht umgesetzt werden, da die fehlende Effizienz in der Administration dies verhindert, zum Beispiel durch endlose Sitzungen, E-Mail-Flut, umständliche Prozesse etc. So werden die Führungskräfte zwangsläufig zu „Schreibtischtätern“, anstatt an Gemba die „realen Dinge“ ( Gembutsu) zu betrachten. Hier setzt Gemba-Kaizen an. Im Rahmen so genannter „Go-and-see-Workshops“ werden die realen Dinge vor Ort betrachtet und mittels „Zahlen, Daten, Fakten“ ( Gemjitsu) dargestellt. Die Mitarbeiter werden motiviert, ihre Ideen und ihre Kreativität einzubringen. Dies ist die Grundlage für signifikante Verbesserungen und ergebniswirksame Kosteneinsparungen. Im Rahmen der kontinuierlichen Verbesserung mit Kaizen-Methoden werden Lowcost-Lösungen angestrebt, bei denen die Ideen mit geringem Aufwand kreativ mit eigenen Ressourcen umgesetzt werden. Kaizen bzw. Gemba-Kaizen führt zum Erfolg, wenn das
Abb. 1.9 Das Kaizen-Prinzip
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Abb. 1.10 Kaizen-Management-System (KMS) für dauerhaften Erfolg und ständige Weiterentwicklung
Management den Rahmen schafft, um diese Ideen und Maßnahmen ohne große Genehmigungsverfahren pragmatisch zu realisieren. Die schnelle, erfolgreiche und unbürokratische Umsetzung ist ein Indikator für die Fähigkeit des Managements mittels Gemba-Kaizen die Produktionskosten zu senken, gleichzeitig die Qualität zu verbessern und die Durchlaufzeiten zu verkürzen. Durch geeignete Maßnahmen können Unternehmensstandorte gesichert werden. Die Tools und Methoden von Kaizen sind vielfältig und werden bedarfsorientiert eingesetzt. Der IST-Zustand lässt sich am besten anhand einer Analyse mit dem Kaizen-Management-System (Abb. 1.10) ermitteln. Daraus lassen sich die geeigneten Maßnahmen ableiten.
1.5.3 5S-Aktion Meistens beginnt man mit einer 5S-Aktion, um eine gute Ausgangsbasis für weitere Verbesserungen zu schaffen. Hier werden alte Tugenden wie Ordnung, Sauberkeit und Selbstdisziplin wieder aktiviert. Die eingesetzten Methoden sind einfach, die Wirkung ist groß. Die fünf „S“ stehen für folgende aus Japan stammenden Begriffe: • Seiri (Sortiere aus): Im ersten Schritt Seiri, geht es um das Aussortieren nicht mehr benötigter Gegenstände, entweder in den Müll, ins Archiv oder zum Recycling/Wiederverwendung
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• Seiso (Sauber halten): Arbeitsplatz säubern und nur benötigte Dinge einräumen • Seiton (Systematische Ordnung): Arbeitsmittel ergonomisch anordnen, nämlich genau da, wo sie benötigt werden • Seiketsu (Standardisierung): Anordnungen zum Standard machen, beispielsweise mithilfe von Shadowboards oder Markierungen, damit jeder erkennt, wo der richtige Platz für Werkzeuge, Geräte etc. ist • Shitsuke (Selbstdisziplin und ständige Verbesserung): Alle Punkte einhalten und ständig verbessern; Standards von Zeit zu Zeit überprüfen, ob sie noch Sinn machen Wichtig zur Darstellung der Ziele, Erfolge und Schwachpunkte ist die Visualisierung. Möglichst einheitlich sollten die Standards im ganzen Unternehmen visuell dargestellt werden. Das kann durch farbige Markierungen, Tafeln und Fotografien geschehen.
1.5.4 Das Kaizen-Management-System Das Kaizen-Management-System ist ein Instrument, um den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung zielgerichtet zu implementieren und aufrecht zu erhalten. Spezielle Methoden zur Analyse des IST-Zustandes ermöglichen die Gestaltung einer Roadmap und die Auswahl der passenden Methoden. Im Mittelpunkt steht der Mensch. Deshalb ist es wichtig, dass alle Mitarbeiter einbezogen und in den Methoden geschult werden. Dem Management kommt dabei eine Vorbildfunktion zu. Mit Kaizen lassen sich selten „Quick Wins“ erzielen. Dafür wird sich die Situation nachhaltig verbessern. Kaizen ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Viele kleine Schritte bringen mittel- bis langfristig große Erfolge. KAIZEN ® und GEMBAKAIZEN ® sind eingetragene Schutzmarken des KAIZEN ® Institute (Abb. 1.10).
1.6 Flexible Produktion Fred Wilbert Flexibler Materialfluss und flexible Produktion sind vor allem durch kurze Durchlaufzeiten charakterisiert. Dieser Zusammenhang wird jedoch durch den strikten Fokus auf Verbesserungen in der Planung vielfach nicht wahrgenommen. Im Gegenteil, durch zunehmend komplexe Abläufe in und mit Produktions-Planungs-Systemen (PPS) wird ein immer höherer Abstraktionsgrad erreicht und dies bedingt immer mehr Informationstechnologie-Einsatz. Die oberste Zielgröße auf dem Weg zur flexiblen Produktion muss die Reduzierung der Durchlaufzeit sein. Dies kann durch die Festlegung der Fertigungskapazität, dem Aufbau einer Fertigungslinie, die Festlegung der Materialbereitstellung und mit dem Aufbau einer fließenden Materiallogistik erreicht werden. Eine entscheidende Rolle spielen bei der Reorganisation die Grundtheoreme des betrieblichen Handelns: Das Pareto-Prinzip, die Gaußsche Normalverteilung, die Spieltheorie und die Fuzzy Logic.
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1.6.1 Problem der Planung Wesentliche Gründe, die zur Planung zwingen: • Die Fertigungsdurchlaufzeit (FDLZ) ist länger als die Kundenerwartungszeit. Dieser Urkonflikt wird durch entsprechende Bevorratungsgrenzen bei Fertigware oder Halbfertigfabrikaten gelöst. Die Höhe der Bevorratung hängt signifikant mit der Höhe des Zeitunterschiedes zwischen FDLZ und Kundenerwartungszeit ab. • Disposition von Kaufteilen oder Baugruppen mit langer Lieferzeit oder knapper Verfügbarkeit gegenüber der Kundenerwartungszeit oder stark dynamisch schwankender Nachfrage. • Hohe Automations- oder Anlagenverwendung mit niedriger Flexibilität und damit verbundenem notwendigem hohen Nutzungsgrad. • Prozessunsicherheit oder generell dynamische Prozesse und Kuppelproduktionen. Planung bringt Probleme mit sich: • Die Zukunft ist nicht vorhersehbar, auf Prognosen basierte Planung ist in der Praxis per Definition fehlerbehaftet. Aufgrund fehlerhafter Planung bedeuten zu früh oder zu spät hergestellte Produkte Verschwendung von Ressourcen. • Genaue Beschreibungen von Planungsszenarien scheitern an der Komplexität, schneller Veränderung und Unvorhersehbarkeit der Einflussfaktoren. • Mangelnde Akzeptanz der Anwender, da diese die Planungsalgorithmen nicht mehr verstehen. • Hohe Kosten für Hardware, Software, in- und externer Dienstleistung, die moderne Planungssysteme benötigen.
1.6.2 Flexible Produktion nach dem Lean-Ansatz ermöglicht es, weitestgehend von Planung unabhängig zu werden Wesentlicher Aspekt ist das Verhältnis zwischen Fertigungsdurchlaufzeit oder Lieferzeit und der Kundenerwartungszeit (KEZ). Die FDLZ beschreibt den Zeitraum, den der Betrieb benötigt, um ein Produkt herzustellen. Korrekterweise erweitert man die FDLZ um die Zeit, die für die Abwicklung der administrativen Prozesse (Auftragsabwicklung, Versand etc.) benötigt werden zur Kundenlieferzeit (KLZ). Bereits hier steckt ein Kernkonflikt bei der Installation der Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme (vgl. Kap. 5 EDV-Unterstützung in der Produktion und im Materialfluss). PPS haben die Aufgabe, mit gegebenen Liefer- und Kundenerwartungszeiten umzugehen und entsprechende Bevorratungsgrenzen an Fertigware oder Halbfertigfabrikaten anzulegen. Die Aufgabe der Installation besteht im Normalfall nicht in der Entschärfung des Konfliktes zwischen KLZ und KEZ, sondern im planerischen Umgang damit. Hierin liegt der wichtigste Unterschied,
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wenn ohne Planung ausgekommen werden soll. Das Ziel muss es sein, diesen Konflikt zu beseitigen oder zumindest soweit zu reduzieren, dass nur kürzere Zeiträume planerisch überbrückt werden müssen. Diese Aufgabenstellung wird weder vom Softwarelieferanten, noch vom Implementierungsdienstleister verstanden. Verglichen mit klaren, straffen Organisationsprozessen wird durch hohe Komplexität immer mehr Informationstechnologie (IT) und damit Infrastruktur und Dienstleistung notwendig. Die Ausbildung des Softwareingenieurs umfasst weder den Bereich der Fertigungstechnik noch der Materiallogistik. Die Fragestellung schneller, schlanker Prozesse im Produktionsablauf ergibt sich daher nicht auf den ersten Blick. Es ist einfacher, bestehende Prozesse in die Funktionalität der PPS zu manifestieren oder noch aufwendiger an die Funktionalität der Software anzupassen, als zu verbessern und damit die Komplexität der Implementierung zu reduzieren. Das Verhältnis zwischen Wertschöpfung und Durchlaufzeit ist mehr als gering. Was jeder unnötige Tag Fertigungsdurchlaufzeit im Sinne der Kapitalbindung kostet, kann sich jeder bei der Betrachtung des Work-in-process (WIP) selbst ausrechnen.
1.6.3 Lange Produktionsdurchlaufzeiten in PPS Wie setzt sich die Fertigungsdurchlaufzeit im PPS zusammen? Auftragsannahme: Um eine relativ schnelle Auftragsbestätigung zu erreichen, bedarf es der Abklärung von Materialverfügbarkeit und Produktionskapazität. Ist Beschaffung nötig, sind erhebliche Unsicherheiten vorprogrammiert. Nach der Klärung und der Freigabe zur Produktion fällt der Auftrag in ein „schwarzes Loch“. Er wird bis zur Unkenntlichkeit „verstümmelt“ und abstrahiert, über verschiedene funktionale Abteilungsstrukturen und mehrstufigen Stücklisten, mit Start, Ende und Übergangszeiten versehen, verteilt und damit vermischt, vermengt mit Plan- und Kundenaufträgen zu anonymisierten Standardlosgrößen berechnet. Das ist alles hochkomplex und damit nur noch mit Software zu durchschauen. Nach unzähligen Abteilungen, Bearbeitungen, Ein- und Auslagerungen wird der Auftrag irgendwann als „fertig“ gemeldet und dann durch eine sehr leistungsfähige Logistik schnell zum Kunden ausgeliefert. Trägt man diesen Ablauf aus Zeit und Reaktionsschnelligkeit in einer Kurve auf, entsteht ein sog. Badewannenprofil (Abb. 1.11). An dieser Stelle unterstellt man den PPS-Anbietern nicht, dass sie nicht auch diese Probleme erkennen – allein die Mittel zur Beseitigung erscheinen typisch. Nicht eine Vereinfachung und Verknüpfung der Prozesse sind angesagt, nein, mehr Steuerung und Kontrolle. Leitstände als Instrument und Betriebsdaten-Erfassungs-Systeme (BDE) zur Rückmeldung des notwendigen Datenmaterials sind die Antwort. Auch dies ist wieder ein erweiterter Versuch, die Komplexität und Dynamik des betrieblichen Geschehens zu beherrschen, anstatt die Komplexität durch geeignete organisatorische Maßnahmen abzusenken (Tab. 1.2).
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Abb. 1.11 Fertigungsdurchlaufzeit – ein enormes wirtschaftliches Potenzial ist hier versteckt Tab. 1.2 Durchlaufzeit zu Arbeitszeit Arbeitsinhalte Durchlaufzeiten Bedienfeld Gebäudetechnik Wälzlager Gabelstapler Steuerzentrale Leiterplatten bestückt Kompressor
22 Tage 42 Tage 32 Tage 35 Tage 25 Tage 44 Tage
Arbeitszeit 19 min 7,2 h 6,8 h 2,2 h 42 min 4,3 h
1.6.4 Die Alternative Der Fertigungsablauf sollte konsequent nach dem Prozess der Produkterstellung ausgerichtet werden. Die Komplexität der Fertigung spiegelt sich nicht in der mehrstufigen Stückliste, sondern in der Ressourcenstruktur und deren (Prozess-) Verknüpfung in der Produktion wieder. Durch die logische und physische Verkettung (Wegfall der funktionalen Trennung) der Wertschöpfung entfallen Übergangs- und Wartezeiten, die das eigentliche Potenzial zur Verminderung der Durchlaufzeit darstellen und nicht eine Fokussierung auf Bearbeitungszeiten, wie von Maschinenlieferanten und REFA oder MTM-Technikern alter Schule gerne forciert wird (Tab. 1.2). Die zweite Voraussetzung ist die Bereitstellung der Materialien, die zur Herstellung der Produkte benötigt werden. Hier ergibt sich wieder
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das klassische Planungsproblem – welche Materialien in welchen Mengen? Das gleiche Problem ergibt sich auch in der Bereitstellung der Fertigungskapazität – wie viele Ressourcen für wie viel Absatz? Also doch Planung, jedoch unter anderen Gesichtspunkten.
1.6.5 6R – Das Ziel der flexiblen Produktion • • • • • •
Das richtige Produkt In der richtigen Menge Am richtigen Ort Zur richtigen Zeit In der richtigen Qualität Zum richtigen Preis
1.6.6 Festlegung der Fertigungskapazität und Aufbau einer Fertigungslinie Das Ziel ist eine Fertigungslinie, die in der Lage ist, jedes notwendige Produkt zu jeder Zeit, innerhalb des definierten Bedarfs, herzustellen. Hierzu wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen: Die Grundlagen sind eine mittel- und langfristige Planung zur Ermittlung der Fertigungskapazität und eine kurzfristige Planung zur Bereitstellung des Materials. Analyse des Fertigungsprozesses im Fluss – Prozesssynchronisation oder in Verbindung mit Informationsflüssen als „Wertstromdesign“: Wie werden die Produkte hergestellt, in welcher Reihenfolge laufen die Prozesse ab, wie sind diese miteinander verknüpft? Das Ergebnis ist eine Baumstruktur der Prozesse, die bereits erste Hinweise auf die Bildung von Produktfamilien (Segmentierung) gibt. • Feststellung der Prozesszeiten für die einzelnen Arbeitsschritte • Kalkulation der Anzahl der Ressourcen durch Festlegung des Bedarfs, der zur Verfügung stehenden Zeit und der notwendigen Zeit zur Produkterstellung • Verteilung und Ausbalancierung der Arbeitsinhalte im Fluss mit dem Ziel einer möglichen kontinuierlichen Leistungserbringung
1.6.7 Festlegung der Materialbereitstellung und Aufbau der Materiallogistik Das Ziel ist eine Materialbereitstellung, die in der Lage ist, den flexiblen Fertigungsprozess zu erreichen, also jedes Produkt an jedem Tag mit dem entsprechend notwendigen Material zu versorgen. Hierzu wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen (Abb. 1.12):
1 Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme
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Abb. 1.12 Prozessverknüpfung statt funktionaler Trennung
1. Auflösen der Stückliste in seine Komponenten mit dem Ziel einer flachen Stückliste 2. Berechnung der notwendigen, in Kanban-Technik bereitgestellten Materialmengen auf Basis durchschnittlichen Bedarfs und Wiederbeschaffungszeit 3. Definition des Materialflusses vom Lieferanten bis an die Fertigungslinie 4. Definition der Entkopplungspunkte zwischen Lieferung und Verbrauch; Werden Prozesse nicht im Fluss gekoppelt, z. B. durch Anbindung vorgelagerter, spanabhebender Fertigung, entstehen sogenannte „Supermärkte“. Die Schwachstellen liegen an der gleichen Stelle: Die zur Kalkulation der Linie und der Kanban-Karten verwendete Bedarfszahl ist nichts anderes als Planung, mit derselben Unsicherheit belegt, die bereits die Planungssysteme in Schwierigkeit bringen. In diesem Fall basiert der Planungswert auf einem groben Jahreswert, heruntergebrochen auf einen durchschnittlichen Tageswert. Bei vielen Produkten auf einer Fertigungslinie, ergibt sich das Phänomen der sich „ausgleichenden Unschärfen“ (statistischer Ausgleichseffekt). Es ist unmöglich, den Bedarf für ein einzelnes Produkt genau vorherzusagen. Die Voraussage für eine Gruppe von Produkten erreicht aber eine Gesamtunschärfe, in der sich die
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Nachfrage nach einzelnen Produkten gut erfüllen lässt (Fuzzy Logic). Voraussetzung ist, dass die Nachfrage nach einem Produkt die berechnete Tagesrate des Produkt-Mix nicht übersteigt. Analog gilt dies für die Bereitstellung des Materials. Der Bedarf an Komponenten kann aus einer Kanban-Reichweite abgedeckt werden. Probleme bereiten Bedarfsschwankungen, die weit außerhalb der kalkulierten Kanban-Mengen liegen, oder saisonale Gesamtschwankungen aller Produkte. Ziel: Produkte können innerhalb der Fertigungskapazität und der Kanban-Reichweite produziert werden, kurzfristig selbst außerhalb der durchschnittlich kalkulierten Tageswerte. Fällt die FDLZ unter die Kundenerwartungszeit, entfällt die Notwendigkeit zur Planung, im gleichen Verhältnis gehen die Bestände von Work-in-process (WIP) und Fertigware zurück. Durch die Verkürzung der FDLZ senkt sich der Planungshorizont – die Eintrittswahrscheinlichkeit erhöht sich.
1.6.8 Grundtheoreme betrieblichen Handelns Pareto Pareto (Ökonom, 1848 bis 1923) stellte das nach ihm benannte Pareto-Prinzip oder auch die „80/20-Regel“ auf. D. h. 20 % der Produkte stellen 80 % des Umsatzvolumens eines Unternehmens dar. 20 % der Produkte können zu 80 % ohne Probleme in dynamische, bedarfsgesteuerte Fertigungsstrukturen abgebildet werden. Bei den restlichen Produkten handelt es sich entweder um Exoten oder Fertigungsprozesse, die nicht ohne weiteres in Fluss gebracht werden können. Exoten werden separat gefertigt und auch klassisch geplant. Komplexe, heterogene Prozesse können durch „Supermärkte“ entkoppelt werden. Die dabei entstehenden Teilprozesse unterliegen wieder den gleichen Prinzipien. Materialien verhalten sich ähnlich. 20 % der Teile werden 80 % des notwendigen Wertes reflektieren. Davon werden sich 80 % in verbrauchsgesteuerten Kanban-Prozessen bereitstellen lassen, mit dem Ergebnis niedriger Kapitalbindung. Die restlichen 20 % bedürfen einer klassischen Planung mit niedrigstem administrativem Aufwand. Es erscheint heute so, dass sich 80 % der einschlägigen Forschungs- und Beratungsunternehmen mehr mit der Verbesserung von Planungskonzepten als mit der Straffung von betrieblichen Prozessen auseinandersetzen. Man adressiert damit einen Gesamtmarkt, wovon 20 % durchaus profitieren und die restlichen 80 % eher unnötig mit überdimensionierten Planungssystemen belastet werden. Gauß Gauß (Mathematiker, 1777 bis 1855) hat die nach ihm benannte „Gaußsche Normalverteilung“ aufgestellt. Eine Reihe der notwendigen Maßnahmen bereitet gar keine bis wenige Probleme. Ein Teil der Aufgaben bedarf größerer Vorbereitung und Abstimmung, ein anderer Teil der Aufgaben erscheint unlösbar und ein letzter Teil wird es sein. Man sollte die Anstrengung auf die schwierigen Bereiche konzentrieren und den Rest betrieblicher Routine, der Intelligenz der Mitarbeiter, selbst steuernden Regelkreisen sowie einer klaren und schlanken Struktur überlassen.
1 Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme
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Spieltheorie Neumann und Morgenstern entwickelten die soziologische Verhaltensanalyse der „Spieltheorie“ [Neum 44]. Teilnehmer, genauso wie Spieler, verfolgen am Markt ihre eigenen Interessen. Als Erfolg versprechender setzen sich kooperative Verhaltensweisen durch, das Win-Win-Konzept. Die Ursache liegt darin, dass sie letztendlich alle am Prozess der Werterstellung profitieren lassen. Übertragen heißt das: Verstärkung der Abstimmung mit Lieferanten zum Zwecke der flexiblen, schnellen und langfristigen Einbindung der Materiallogistik ist zielführend, sowie die Abstimmung mit Kunden und der Entwicklung über Produkte, die sich leichter und schlanker produzieren lassen. Letztlich ist noch Abstimmung mit den Mitarbeitern über kontinuierliche Verbesserung, flexible Qualifikation, Organisation und Arbeitszeitmodelle anzustreben. Fuzzy Logic und ungenaue Planung Nach Lotfi Zadeh (1965) können logische und richtige Entscheidungsergebnisse auch unter unscharfen Eingangsinformationen erzielt werden, d. h. man kann nicht alle Probleme beschreiben, geschweige denn durch Planung lösen, aber trotzdem richtige Entscheidungen treffen. Betriebe sollten sich auf 20 % der Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter, die ihnen 80 % ihrer Wertschöpfung bringen, konzentrieren, oder umgekehrt die mittelund langfristige Zusammenarbeit mit 20 % überdenken, die ihnen 80 % des Ärgers verursachen. Man löst 80 % der Anforderungen durch schlanke Prozesse und flexible Organisation. Die restlichen 20 % der Aufgaben werden 80 % der Aufmerksamkeit benötigen.
1.7 Das Synchrone Produktionssystem (SPS) Hitoshi Takeda, Friedhelm Michels Das Synchrone Produktionssystem (SPS) von Hitoshi Takeda [Take 03] setzt die Just-intime-Philosophie für das ganze Unternehmen um. Die Herstellung kleiner Lose, verbunden mit einer intimen Prozesskenntnis (Autonomatisierung), ermöglicht es auch Unternehmen in Hochlohnländern, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Der Aufbau eines echten One-piece-flow im Kundentakt, Entwicklung sehr kurzer Rüstprozesse (2–3 Minuten in der mechanischen Bearbeitung, wenige Sekunden in der Montage), Einführung von „Low Cost Intelligent Automation“-Vorrichtungen (LCIA-Vorrichtungen) sind Voraussetzung. Das präzise Management der Prozesse in kleinen Teams ist die einzig mögliche Managementstruktur, die dies ermöglicht. Das SPS wurde Ende der 1980er-Jahre als eine Ausformung des Toyota Produktionssystems von einer Reihe von Verbesserungsmanagern von Toyota-Zulieferern ausgearbeitet. Sie hatten das TPS von den Entwicklern und Umsetzern dieser Systematik selbst gelernt, waren jedoch gleichzeitig auch als Lehrende in ihren Unternehmen und bei ihren Zulieferern tätig. Ihnen ging es daher um eine Strukturierung des Zusammenhangs zwi-
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schen den grundlegenden Ideen des TPS und den Prinzipien (Tools), die bei der Implementierung angewendet wurden (Abb. 1.13).
1.7.1 Die Elemente des SPS Inzwischen sind die Umsetzungsprinzipien (6S, Verschwendungseliminierung, Onepiece-flow, Produktion in Kundentakt, Nivellierte Produktion, TPM, hoch entwickelte Fein- und Feinstlogistik, Kanban usw.) auf verschiedenen Wegen in viele deutsche Unternehmen eingedrungen. Die grundlegenden Ideen werden jedoch häufig noch nicht richtig verstanden. Unter den wirtschaftlichen Bedingungen der 1950er-bis 1970er-Jahre (Nachfrage>Angebot) hatte sich die Produktion gemäß den Prinzipien von Taylor und dem daraus aufbauenden Ford-Produktionssystem entwickelt (Abb. 1.13). Die Herstellung der Produkte wurde als ein maschineller Prozess betrachtet, wobei es darauf ankam, die „Maschine“ störungsfrei am Laufen zu halten. Die gängige betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise sämtlicher unternehmerischer Prozesse baut ebenfalls auf diesem Maschinenbild auf. Die wesentlichen Begriffe des „Ford-Produktionssystems“ sind: siehe Abb. 1.13.
1.7.2 Strikte Kundenorientierung Das SPS entstand unter anderen wirtschaftlichen Bedingungen (Angebot > Nachfrage). Hier gilt es, sehr genau den Bedürfnissen der Kunden nachzukommen, um Alte an sich zu binden und Neue zu gewinnen. Die alte Betrachtungsweise der Produktion weicht hier einem neuen Paradigma, das Unternehmen wird als ein organisches System angesehen, in dem es darum geht, dass die einzelnen Unternehmensteile ihre Informationen und Materialien immer abhängig von der aktuellen Situation erhalten. Ähnlich wie in den meisten organischen Systemen beruht das Funktionieren nicht auf einer zentralen Steuerung aller Prozesse, sondern auf dem selbstständigen Handeln und dem Informationsaustausch zwischen einzelnen Teams, wobei die Funktion des Gesamtsystems im Mittelpunkt steht. Entscheidend ist die schnelle Reaktion auf Störungen und die Bemühungen um grundlegende Abstellung der Ursachen. Dies ist kein Nebengeschäft, sondern eines der Hauptgeschäfte der Teams. Nur so ist eine kundenorientierte (kleinste Lose, schnelle Durchlaufzeiten), „qualitätsvolle“ (< 100 ppm interne Qualität) und kostengünstige Produktion bei geringsten Beständen möglich. Hochautomatisierung spielt in diesem System eine untergeordnete Rolle, die Nutzung und das effiziente Management des Know-hows der Mitarbeiter stehen im Mittelpunkt. Nur durch die dadurch entstehende intime Prozesskenntnis kann eine effiziente, hoch gewinnträchtige Produktion unter den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen gelingen.
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GEWINN
Rationalisierungsmaßnahmen durch das Management
Mensch Maschine Material
Standards werden durch das Management entwickelt, Isolation der Mitarbeiter, Mitarbeiter als Ausführende einfacher Tätigkeiten schnell, teuer, Instandhaltung durch Fachabteilung Entkopplung der Prozesse durch hohe Bestände
- hoher Nutzungsgrad - wirtschaftliche Losgrößen - starke Arbeitsteilung - funktionale Trennung
- Prüfen am Ende der Prozeßkette - Nacharbeit
Zentrale Steuerung / Planung
Abb. 1.13 Das Ford Produktionssystem. [Yagy 06]
1.7.3 Begriffsfelder des Synchronen Produktionssystems (SPS) Die konkrete Implementierung in bestehende Unternehmensstrukturen ist keine leichte Aufgabe. Es gilt zunächst, auf der Ebene der Unternehmensleitung eine UnternehmensVision zu entwickeln: „Wir wollen ein Unternehmen sein, das in der Lage ist, kleinste Losgrößen (resp. größte Typenvielfalt) in kürzester Zeit fehlerfrei herzustellen“. Gleichzeitig muss auf dem Shopfloor die Fähigkeit zu schnellen und nachhaltigen Veränderungen entwickelt werden. Welche Tools und welche Methoden eingesetzt werden, ist für den Erfolg nicht so entscheidend. Sicher sind U-Linien, One-piece-flow und Produktion im Kundentakt wertvolle Leitbegriffe, es sind aber auch andere Umsetzungsweisen möglich. Der wichtigste Gesichtspunkt ist die Fähigkeit, verschwendungsarm und fehlerfrei zu produzieren. Die Erfahrung von Experten, die sich sehr lange mit der Implementierung des SPS (bzw. TPS) beschäftigen, ist hier nicht zu ersetzen. Der Fokus auf eine immer schnellere Durchlaufzeit des Materials und auf ein System der unmittelbaren Fehlermeldung mit anschließendem Fehlermanagement (Qualitätserzeugung im Prozess) sind in der Regel brauchbare Ausrichtungen des Verbesserungsprozesses. Im hergebrachten Denken erscheinen eine Reihe von Maßnahmen (extreme Verkürzung von Rüstzeiten, Umlagerung indirekter Tätigkeiten in die Produktionsteams usw.) nicht nachvollziehbar, da sie
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P. Dickmann et al.
Vermeidung von Verschwendung (MUDA) Visuelles Management
Mensch
Maschine Material
Standardisierte Arbeit Mehrfachqualifizierung Andon Kanban
Just-in-time - Fließfertigung - Produktion in Taktzeit - Pull-System
KAIZEN
Werksziele, Abteilungsziele, Linienziele (Herunterbrechen der Ziele)
Kundennähe Wettbewerbsfähigkeit Gewinn, schnelle Reaktionsfähigkeit Durch verbesserte Produktionsprozesse: hohe Qualität, kurze Durchlaufzeit
Autonomation - Qualität im Prozess - LCIA - Flexible Arbeitsaufteilung
Nivellierte Produktion
Abb. 1.14 Das Synchrone Produktionssystem. [Yagy 06]
mit den BA-Analyseinstrumenten nicht gerechnet werden können. Der Grund liegt darin, dass sich Business-Administration (BA, dt. Betriebswirtschaft) meist mit kurzen Zeiträumen und kleinsten Strukturen beschäftigen. Warum dies so ist, hat viele Ursachen. Eine Wesentliche ist darin zu sehen, dass die Auswahl der Beschreibungsgrößen bei den Instrumenten der BA sich zu sehr an den BA-Theorien orientiert. Diese Theorien gehen in den meisten Fällen davon aus, dass sich der Unternehmensprozess wie ein geschlossenes System vollständig beschreiben lässt. Ein Unternehmen ist jedoch eher als ein offenes System zu verstehen. Daher müssen auf BA-Ebene neue Beschreibungsansätze (u. U. auch stark deskriptive) entwickelt werden (Abb. 1.14).
1.8 ForLog – neue Ansätze zur Adaptivität, Bayerischer Forschungsverbund Supra‑adaptive Logistiksysteme Julia Boppert, Michael Schedlbauer Die Verkürzung der Produktlebenszyklen vor dem Hintergrund hohen Innovationsdrucks, der Trend zur Produktion individualisierter Güter und die daran gekoppelte hohe Variantenvielfalt bergen für die Unternehmen der Automobilbranche große Herausforderungen hinsichtlich der schnellen und effizienten Anpassung ihrer logistischen Prozesse und
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Abb. 1.15 Bestandteile der Supra-Adaptivität
Systeme. Die Entwicklung und Implementierung zukunftssicherer Logistiksysteme wird dabei immer mehr zu einem entscheidenden Wettbewerbs- und Erfolgsfaktor für Unternehmen in der sich „globalisierenden“ Wirtschaft. Dabei ist der Stand wissenschaftlicher Forschung und praktischer Nutzung im Bereich der modernen Logistik bis heute weit weniger entwickelt als in vielen anderen Hochtechnologiefeldern. Somit ergibt sich die Chance, die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens durch exzellente Logistik aktiv zu stärken. Vor diesem Hintergrund verfolgte der Bayerische Forschungsverbund ForLog im Rahmen seiner dreijährigen Aktivitäten das Ziel der Supra-Adaptivität als Vision für zukünftige Wertschöpfungsketten (Abb. 1.15): Unter Supra-Adaptivität wird die Fähigkeit eines Systems verstanden, sich mit minimalem Aufwand und zudem unternehmensübergreifend an Veränderungen anzupassen. Realisiert werden kann dies durch eine gezielte Kombination von Wandlungsfähigkeit, Vernetzungsfähigkeit und Mobilität im physischen wie vor allem auch im informatorischen und strukturellen Sinne. Zur Erreichung dieses Ziels haben sieben Lehrstühle der Universitäten München, Regensburg und Nürnberg sowie über 30 Industriepartner gemeinsam Konzepte, Methoden und Bausteine erarbeitet, die im hochvolatilen Umfeld der Automobilindustrie Adaptivität bei überbetrieblichen Anpassungen wie auch innerbetrieblichen Umstrukturierungen ermöglichen. Die Struktur des Verbundes spiegelt dabei die sechs identifizierten Hauptaktionsfelder der Supra-Adaptivität wider, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen (Abb. 1.16):
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P. Dickmann et al.
Abb. 1.16 Struktur und Themenfelder des Verbundes
1.8.1 FlexLog – Flexibilität und Adaptivität Hybride Wettbewerbsstrategien wie „Mass Customisation“ zur besseren Ausrichtung auf die Markterfordernisse stellen hohe Anforderungen an die Flexibilisierung aller in der automobilen Supply Chain involvierten Strukturen, Prozesse und Ressourcen. Da Flexibilität jedoch kein kostenloses Gut ist, gilt es besonders in Zeiten eines sich verschärfenden Wettbewerbs, diesen zentralen Erfolgsfaktor optimal zu steuern. Ziel von FlexLog war es daher, den Flexibilitätsbegriff vor dem Hintergrund des automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes eingehend zu erfassen, zu strukturieren und zu operationalisieren. Ein besonderer Schwerpunkt lag in der Erforschung der unterschiedlichen Ursachen für Flexibilitätsbedarfe (Anpassungsauslöser), um darauf aufbauend den optimalen Flexibilitätsgrad einer Supply Chain sowohl auf einer hoch aggregierten, strategischen Ebene als auch im operativen Tagesgeschäft bestimmen zu können. Im Rahmen einer empirischen Studie wurde daher zunächst untersucht, wo die Haupttreiber und -ursachen für Flexibilitätsbedarfe liegen und daraufhin wichtige Eckpfeiler für operatives sowie strategisches Flexibilitätsmanagement entwickelt. Bei ersterem stand die Schaffung eines umfassenden Mess- und Bewertungssystems im Vordergrund, das in den neu geschaffenen Flexibilitätsmanagementprozess integriert wurde (Abb. 1.17). Im Gegensatz zu der damit unterstützten Optimierung der operativen Flexibilität einer Supply Chain, kommt einer strategischen Flexibilitätssteuerung die Aufgabe zu, unnötige Flexibilitätsbedarfe bereits im Vorfeld einzudämmen und somit Kosteneinsparpotenziale zu realisieren. In diesem Zusammenhang wurde der konzeptionell an ein Revenue Management System angelehnte FMNA-Ansatz (Flexibilitätskostenorientiertes Management von Neufahrzeugbestellungen in der Automobilindustrie) geschaffen, der eine Segmentierung der Endkunden (Fahrzeugkäufer) nach unterschiedlichen Lieferzeiten und gewünschter Änderungsflexibilität vornimmt. Die Kombination der verschiedenen Ausprägungen
1 Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme
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Abb. 1.17 Flexibilitätsmanagementprozess
mit einer prognostizierten, unterschiedlichen Zahlungsbereitschaft der Kunden bildet die Grundlage für eine Differenzierung bisher noch gleich behandelter Built-to-Order-Aufträge. Durch die damit mögliche, gezielte Beeinflussung der nachfrageseitig induzierten Flexibilitätsbedarfe kann eine verstärkte Fertigungssegmentierung durchgeführt und damit eine Verringerung des Planungsaufwandes sowie eine Glättung der Produktion erreicht werden. Die Zulieferer könnten in diesem Sinne von einer verbesserten Prognosequalität profitieren, da sich beispielsweise die Aufträge der Kunden mit längeren geduldeten Lieferzeiten und ohne Wunsch nach Änderungsflexibilität bereits langfristig einplanen lassen.
1.8.2 SysLog – IS-Architekturen supra-adaptiver Logistiksysteme in der Automobilindustrie Die Architektur der Informationssysteme (im Folgenden: IS) der automobilwirtschaftlichen Logistiksysteme gilt als einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren rascher Anpassungsfähigkeit. Ausgangspunkt der Forschungsumfänge des Teilprojekts SysLog zur Ermittlung geeigneter IS-Architekturen in supra-adaptiven Logistiksystemen bildete die Beschreibung realer Anpassungssituationen sowie derzeit und zukünftig zu erwartender Anpassungsstrategien in den informationstechnischen Abläufen. Nach deren eingehender Analyse ließen sich daraus die resultierenden Anforderungen an zukünftige IS-Architekturen bestimmen. Daneben wurden die wesentlichen architektonischen Komponenten logistischer Informationssysteme einer näheren Betrachtung unterzogen sowie eine Typologisierung realer IS-Architekturen in vier idealtypische Ausprägungen durchgeführt.
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P. Dickmann et al.
Diese umfangreichen Vorarbeiten erlaubten die Entwicklung von Normstrategien zur Gestaltung von IS-Architekturen und somit situative Handlungsempfehlungen, die in Abhängigkeit der jeweiligen Anpassungssituation einen geeigneten Architekturtyp zur Verfügung stellen. Dies ermöglicht eine effiziente Unterstützung der IS-Architekturplanung und daraus folgend eine verbesserte Anpassung der Informationssysteme an die unternehmensspezifischen Bedarfe. Für die Anpassungsaufgabe „Mittelfristige Kapazitätsplanung“, die gerade für Zulieferer von Bedeutung ist, wurde darauf aufbauend beispielhaft eine geeignete Anwendungsarchitektur ausgewählt, die auf der im Rahmen des Forschungsprojekts definierten Klasse „Enterprise Service Oriented Architecture“ basiert.
1.8.3 PlanLog – Modellierung und Planung adaptiver Fabrikstrukturen Das Teilprojekt PlanLog beschäftigte sich mit der durchgängigen, wertschöpfungskettenweiten Standardisierung der Logistikplanung zur Gewährleistung von Adaptivität bereits im Planungsprozess unter gleichzeitiger Sicherstellung notwendiger Flexibilität. Kernaufgabe war dabei die Erarbeitung eines Planungskonzeptes, das unter Verwendung von Bausteinen die zur Erreichung des gewünschten Planungsziels notwendigen Planungsschritte in modularer Form beschreibt und entsprechende Werkzeuge zur Verfügung stellt. Der Planungsbaustein beinhaltet dabei klar definierte Arbeitsumfänge, die sich thematisch nach Aufgabe und Ergebnis eindeutig von einander abgrenzen lassen. Jeder Baustein ist hierzu in standardisierter Form aufgebaut und kann mit anderen Bausteinen zu einer aufgabenindividuellen Planungskette kombiniert werden (Abb. 1.18). Die Planungsbausteine lassen sich so einzeln pflegen, optimieren und wieder verwenden und gewährleisten in ihrer aufgabenspezifischen Verknüpfung die supra-adaptive Antwort auf die zu bearbeitenden Fragestellungen. Die Evaluierung der darauf begründeten bausteinbasierten Planungsumgebung geschah an Hand eines hierzu erstellten Softwaretools. Im Rahmen des Datenmanagements wurden sog. Prozess- sowie Technikmodule entwickelt, die eine Beschreibung des Planungsgegenstands auf Basis modularer Objekte ermöglichen und somit logistische „Stammdaten“ in standardisierter Form und in sinnvollen Aggregationsebenen archivieren, pflegen und insbesondere auch wieder finden lassen. In einer Befragung der beteiligten Unternehmen kristallisierte sich zudem das Thema Wissensmanagement in der Logistikplanung als relevantes Untersuchungsfeld heraus. So finden lediglich 7 % der Befragten in ihrem Unternehmen umgehend alle für ihre Tätigkeit relevanten Informationen. Hinsichtlich Suchanfragen in den zur Verfügung stehenden ITSystemen weisen 46 % der Teilnehmer darauf hin, dass sie häufig auf veraltete Dokumente und Informationen stoßen. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurden zur Unterstützung der adaptiven Logistikplanung geeignete Konzepte erarbeitet, die spezifisch für das Kommunikationsumfeld des Planers eine verbesserte Sammlung, Aufarbeitung und Bereitstellung von Expertenwissen zur Verfügung stellen.
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Abb. 1.18 Bestandteile des adaptiven Planungskonzepts
Besonderes Augenmerk lag zudem auf der Integration von Tools der Digitalen Fabrik, respektive Virtual Reality (VR)und Augmented Reality (AR), die es den Anforderungen einer bausteinbasierten Planung entsprechend zu adaptieren galt, um in Zukunft eine deutlich schnellere und qualitativ hochwertigere Planungsdurchführung auf Basis verbesserter, intuitiver Mensch-Maschine-Kommunikation zu ermöglichen. Dabei wurde unter anderem ein VR-basierter Kommissionier-Demonstrator konzipiert, der erstmals eine realistische Absicherung von Planungsständen durch die Integration des Menschen mithilfe eines Laufbands und eines Datenhandschuhs in virtuelle Kommissioniersysteme ermöglicht. Zur Evaluierung des Demonstrators wurde ein umfassendes Probandenprogramm angestoßen, um die Vor- und Nachteile der VR in der Planung sowie auch die Integration und das Verständnis der Mitarbeiter in der virtuellen Welt überprüfen zu können. Besonders bemerkenswert ist hierbei, dass die Mitarbeiter nach einer kurzen Anlernzeit sehr gut in der virtuellen Lagerumgebung agieren konnten und sehr große Motivation zur Erfüllung der an sie gestellten Aufgaben zeigten. Auch die erwarteten Bedenken hinsichtlich einer erhöhten kognitiven Belastung konnten mit der Versuchsreihe völlig ausgeschlossen werden.
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P. Dickmann et al.
1.8.4 TransLog – Logistikdienstleister-Organisation und Transportnetzwerkstrukturen Eine ganzheitliche Sichtweise der Wertschöpfungskette „Automobilindustrie“ setzt auch die nahtlose Integration von Logistik-Dienstleistern (LDL) voraus, die durch Outsourcing logistischer Leistungen erfolgt. Um diesbezüglich die entsprechenden Bedarfe und Anforderungen bei den jeweiligen Beteiligten der Wertschöpfungskette aufzudecken, wurden in einer qualitativen Erhebung Expertengespräche bei Unternehmen der Automobilindustrie und LDL durchgeführt. Die Gegenüberstellung und die zusätzliche Analyse von Outsourcing-Projekten ergaben einen vierphasigen Outsourcing-Prozess, auf dessen Basis unterschiedlichste Lösungsansätze entwickelt wurden. In der Phase der Entscheidungsfindung wurden ein Outsourcingleitfaden sowie Entscheidungsregeln erstellt, die für die Auswahl eines geeigneten Dienstleistertyps und den Grad an Outsourcing von richtungsweisender Bedeutung sind (Abb. 1.19). Für die Phase der Ausschreibung, die für die Definition der Schnittstellen entscheidend ist, wurde ein Ausschreibungsleitfaden entwickelt, der die Sichten der Logistikdienstleister wie auch der Verlader integriert. In der Phase der Realisierung wurden konkrete Umsetzungsvorschläge hinsichtlich Ressourcenmix und geografischer Positionierung gegeben. Der Schwerpunkt lag dabei auf den Themen Ramp-Up von Dienstleistungen und Multi-User-Center (MUC) als innovative Lösung eines zentralen Logistikknotens für Akteure mehrerer Wertschöpfungsstufen mit kombinierten Prozessen und Ressourcen. Der große Vorteil des MUC liegt zum einen in der Schaffung von Synergieeffekten für logistische Leistungsumfänge, zum anderen in der einfacheren Realisierung logistischer Innovationen durch eine Bündelung gemeinsamer Tätigkeiten. Die operative Phase des von TransLog entwickelten Outsourcingprozesses stellt geeignete Hilfsmittel für den Alltagsbetrieb – darunter Behältermanagement, durchsatzabhän-
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Abb. 1.19 Phasen und Arbeitsthemen im Outsourcingprozess
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gige Verrechnung und Ladungssicherung – bereit und bietet damit konkrete Antworten auf spezifische Fragestellungen der gesamten Logistikdienstleistungsbranche.
1.8.5 NutzLog – Vorteilsausgleich-Nutzenverteilung Die ganzheitliche Optimierung der Supply Chain erfordert intelligente Logistiksysteme. Diese Systeme ziehen allerdings einen erheblichen Investitionsaufwand mit sich, dem sich vielfältige, aber bislang nur ansatzweise quantifizierbare Nutzenpotenziale in der Kette gegenüberstellen lassen. Bei vielen dieser logistischen Investitionen herrscht a priori große Unsicherheit bezüglich des zu erwartenden Nutzenbeitrags. NutzLog zeigte im Laufe der Projektzeit auf, wie Transparenz über den logistischen Nutzen in Wertschöpfungsnetzwerken die Zusammenarbeit fördern kann und untersuchte den Vorteilsausgleich auf Basis der Nutzenverteilung. Die Frage der Identifikation und Quantifizierung von Nutzen stellte ein zentrales Thema dar. Im ersten Schritt wurde hierzu ein einheitliches Prozessmodell hergeleitet, das die logistischen Prozesse in Unternehmenskooperationen aufeinander abstimmt und beschreibt. Der betrachtete Objektbereich wurde auf die Akteure OEM, 1st-Tier und Logistikdienstleister beschränkt. Zur Ableitung der im nächsten Schritt erforderlichen Einflussgrößen, Kenngrößen und Kennzahlen wurden mögliche Veränderungen bei Einführung eines logistischen Konzeptes wie Vendor Managed Inventory (VMI) oder des Auftragsreihenfolgekonzepts identifiziert und Wirkungszusammenhänge analysiert. Darauf aufbauend erfolgte für jedes logistische Konzept unter der ausdrücklichen Berücksichtigung der akteursindividuellen Spezifika die Entwicklung eines Ziel-/Messkatalog als Grundlage der zu erreichenden Nutzenquantifizierung. Die in einer Vielzahl von Workshops erarbeiteten Kennzahlen zur Beschreibung der Konzepteffekte konnten spezifisch von den Beteiligten hinsichtlich ihrer Wirkungsrichtung und -intensität beurteilt und dem Ort des Wirkens (Prozesssequenz) zugeordnet werden. Neben der Berücksichtigung direkt und unmittelbar quantifizierbarer Bestimmungsgrößen der Nutzenwirksamkeit der einzelnen Konzepte integrierte das Projekt auch nicht direkt quantifizierbare „Softfacts“ bei der Entwicklung eines Nutzenverteilungsmodells. Ferner konnte ein verbindliches und praxisorientiertes Kostengerüst zur Aufnahme und Analyse der Kostensituation geschaffen werden. Dieses bildet die Kategorien Steuerungs- und Systemkosten, Bestands-, Lager-, Transport-, Handling- und Verpackungskosten sowie sonstige Kosten ab. Mithilfe eines ganzheitlichen Modells erfolgte die Zusammenführung der Einzelergebnisse, das die Ableitung eines Algorithmus zur Analyse der Nutzenverteilung in Logistikprojekten erlaubte. Die Überführung in ein Software-Tool unterstützt in geeigneter Form die kettenweite Verteilung des entstandenen Nutzens. Dies ebnet den Weg für einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Kooperationsbereitschaft von Unternehmen innerhalb einer Supply Chain. Die objektive Beurteilung der Nutzenverteilung hilft, Vorbehalte gegenüber unternehmensübergreifender Transparenz abzubauen und bildet so die Grundlage einer fairen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit, bei der die Erreichung des Systemoptimums der gesamten Wertschöpfungskette im Vordergrund steht.
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1.8.6 MitLog – Mitarbeiterqualifizierung und -mobilität Der Fokus von MitLog lag auf dem Faktor Mensch im Produktions- und Logistikprozess mit der Zielsetzung, dem Mitarbeiter den Umgang mit den hohen Anforderungen supraadaptiver Logistiksysteme zu ermöglichen. Die Verfügbarkeit von Expertenwissen muss dazu in demselben Maße Flexibilität aufweisen wie die betrachteten Logistiksysteme. Dieses kann über Mitarbeitermobilität einerseits sowie Informationsmobilität andererseits bewerkstelligt werden. Auf Basis theoretischer Untersuchungen und Recherchen sowie unter Rückgriff auf das Praxiswissen der Industriepartner wurden dementsprechend Referenzszenarien für die Entwicklung der Konzepte und Demonstratoren definiert. Neben der Erarbeitung von Arbeitsorganisationsformen zum flexiblen werks- und unternehmensübergreifenden Mitarbeitereinsatz wurde vor allem ein Tool zur arbeitsorganisatorischen Personaleinsatzplanung entwickelt, das Methodenunterstützung bei Mitarbeiterbedarfsschwankungen in der Logistik bietet und damit die geforderte Mitarbeitermobilität und -flexibilität unterstützt. Je nach Planbarkeit und Dauer eines konkreten Mitarbeiterbedarfs sind hier geeignete Methoden hinterlegt sowie mit Vor- und Nachteilen erläutert. Auch eine Anpassung auf unternehmensspezifische Besonderheiten (z. B. die Vermeidung von Leiharbeit) ist jederzeit möglich (Abb. 1.20).
Abb. 1.20 Anforderungen und Lösungsansätze für Mitarbeitereinsatz im supra-adaptiven Umfeld
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Im Bereich der Schulung und Weiterbildung entstanden einerseits ein Demonstrator einer virtuellen Lernumgebung zur Jobrotation im Bereich der manuellen Serienmontage und zum anderen ein Virtual Reality-Demonstrator zur menschintegrierten Simulation von Kommissionierprozessen. Darüber hinaus wurden für die Kommissionierung mit gleichzeitiger Qualitätssicherung Demonstratoren für eine bedarfsgerechte, Augmented Reality unterstützte Informationsbereitstellung entwickelt, die u. a. einen verbesserten Einsatz der Mitarbeiter in Anlaufsituationen oder stark schwankenden Logistikumgebungen ermöglicht. Durch die intuitive Handhabung und die große Transparenz des Systems können auch unerfahrene Mitarbeiter mit geringstem Aufwand in das logistische Arbeitsumfeld integriert werden und sind sehr schnell in der Lage, auch komplexe Tätigkeiten sicher und fehlerfrei durchzuführen. Das Konzept zur netzwerkweiten Kommunikation von Fehlern ergänzt die Demonstratoren für eine durchgängige Qualitätssicherung und -steigerung entlang der Wertschöpfungskette.
1.9 Low Cost Intelligent Automation (LCIA) Hitoshi Takeda, Friedhelm Michels Bei Low Cost Intelligent Automation (LCIA) handelt es sich um eine Form der Automation, die sehr wenig Investition bedarf. Die Investitionskosten liegen nur bei ca. 10–20 % im Vergleich zu einer ähnlich leistungsfähigen Automatisierungsinvestition. Die Automation wird im eigenen Unternehmen konstruiert und gebaut. In der Tat handelt es sich meist um Vorrichtungen, die das Können eines Heimwerkers nicht überschreiten. Im Gegensatz zu vielen hochtechnischen Automationen weisen sie einen guten bis sehr guten Visualisierungsgrad auf. Sie beinhalten eine Prüfung, die einerseits bei Störungen die Linie sofort anhalten lässt und andererseits die Weitergabe von fehlerbehafteten Teilen zu 100 % unterbindet. Diese Intelligenz bildet den Hintergrund des Worts intelligent in Low Cost Intelligent Automation. Im Übrigen findet sich hier das Autonomatisierungsprinzip des Synchronen Produktionssystems von Hitoshi Takeda [Take 03] wieder.
1.9.1 Das Prinzip in Hochlohnländern Die Prinzipien des LCIA sind in Produktionssystemen entwickelt worden, bei denen der Kunde im Mittelpunkt steht. Die Schnelligkeit, mit der jeder noch so außergewöhnliche Wunsch bedient werden kann, ohne die Kosten für den Kunden übermäßig zu erhöhen, ist für Unternehmen an den „westlichen Hochlohn-Standorten“ die wesentliche Überlebensstrategie. In ein solches Umfeld passen keine hohen Investitionen, die sich nur bei großen Stückzahlen bzw. langen Laufzeiten rentieren. Nur die notwendige qualita-
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tive Spitzentechnologie wird eingekauft, der Rest wird als LCIA-Lösungen selbst gebaut. Dies gilt sowohl für die mechanische Bearbeitung und Montagebereiche als auch die Logistik, wobei die beiden letzten Bereiche die Hauptanwendungsgebiete für LCIA darstellen.
1.9.2 Die flexiblere Lösung Selbstgebaute Montage- und Logistikeinrichtungen haben den Vorteil, dass sie sehr schnell neuen Gegebenheiten angepasst werden können. Es gibt sicherlich auch Bereiche, in denen LCIA-Lösungen sehr aufwändig sind bzw. die Produktqualität beeinträchtigen, hier muss auf die Lösungen von Branchenexperten zurückgegriffen werden. Nach den Erfahrungen der Unternehmen, die sich intensiv mit LCIA beschäftigen, liegen die Grenzen zu diesen Bereichen viel weiter entfernt, als man zunächst dachte. In welche Betrachtungsweise eines Unternehmens LCIA passt, zeigt Abb. 1.21.
1.9.3 Umsetzung Die erfolgreiche Umsetzung preiswerter LCIA-Lösungen erfordert jedoch ein Produktionsumfeld, das einen stetigen rhythmischen Materialfluss aufweist, und in dem die Prozesse bereits gut synchronisiert sind. Bei der Umsetzung von LCIA-Lösungen ist zu beachten, dass zunächst die Tätigkeiten von Mitarbeitern zu verbessern sind, bevor man in die Vorrichtungen, Anlagen und Ma-
Betrachtung des Gesamtsystems
Nutzung spezifischer menschlicher Fähigkeiten
Intelligente Einfachautomatisierung (LCIA)
Umfassende Automatisierung durch Computereinsatz (CIM)
Einfachautomatisierung
High-TechAutomatisierung
Punktuelle Einzelbetrachtung
Abb. 1.21 Positionierung von LCIA. [Take 04]
Fokussierung auf Maschinentechnik
1 Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme
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schinen eingreift. Auch ist eine deutliche Trennung maschineller und menschlicher Tätigkeit eine wichtige Voraussetzung.
1.9.4 Veränderung der Abläufe Ein zentraler Punkt ist die Reihenfolge der LCIA-Automatisierungen. Das Verhältnis von Aufwand zu Erfolg ist für verschiedene Tätigkeiten sehr unterschiedlich, d. h. es gibt relativ preiswerte und relativ teure LCIA-Lösungen. Man sollte daher zunächst die preiswerteren Lösungen realisieren. Dies sei am Bespiel eines Montageprozesses dargestellt. Weiter unten findet man Schemata für LCIA-Projekte in der mechanischen Fertigung und der Logistik (Abb. 1.22). Bei Bearbeitungs- und Logistikprozessen ergeben sich folgende Reihenfolgen:
Mechanisches Bearbeiten 1 (3) Werkstück festspannen 2 (5) Vorschub
5 (8) Werkstück auswerfen
1
(4) Gebindebildung (Packen)
2
(8) Transport (2) Transport aus dem Lager (6) Transport zum Beladen
3 (10) Transport beim Entladen
6 (10) Transport
(12) Transport beim Einlagern
7 (4) Maschine starten
8 (9) Kontrolle
(1) Entnehmen aus dem Lager 4 (9) Entladen
9 (1) Werkstück annehmen 10 (2) Werkstück einsetzen
Reihenfolge bei Low-Cost Automatisierung
Transporte
3 (6) Maschine stoppen 4 (7) Zurückfahren in Ausgangsposition
Arbeitsschrittfolge
Einführungsschritt
Arbeitsschrittfolge Einführungsschritt
Reihenfolge bei Low-Cost Automatisierung
(3) Satzbildung 5
(5) Ordnen in Beladereihenfolge (7) Beladen
6 (11) Trennen zum Einlagern 7 (13) Einlagern
Abb. 1.22 Reihenfolgen von Low Cost Intelligent Automation. [Take 04]
50
P. Dickmann et al.
Ein Montageprozess läuft normalerweise in der folgenden Reihenfolge ab: 1) Werkstück annehmen, 2) Anbauteil auswählen, 3) Anbauteil greifen, 4) Positionierung, 5) Werkzeug greifen, 6) Montage, 7) Werkzeug ablegen, 8) Kontrolle, 9) Werkstück entnehmen und weitergeben. Mit den LCIA-Lösungen fängt man jedoch zunächst bei den folgenden Vorgängen an: 9) Werkstück entnehmen und weitergeben, 7) Werkzeug ablegen und 3) Anbauteil greifen. Erst danach implementiert man LCIA-Lösungen für die Prozesse, 5) Werkzeug greifen, 1) Werkstück annehmen und 2) Anbauteil auswählen. Das Positionieren 4), die Montage 6) und die Kontrolle, 8) würden erst auf einem sehr hohen LCIA-Niveau ebenfalls automatisiert.
1.9.5 Wachstum des Unternehmens-Know-hows Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist, dass der intensive Einsatz von LCIA-Vorrichtungen ein spezielles Unternehmens-Know-how schafft, das • einerseits ermöglicht, den spezifischen Bedürfnissen der eigenen Produktwelt entsprechende Bearbeitungs-, Montage- und auch Logistikvorrichtungen zu schaffen. Die intensive Beschäftigung mit den Prozessen wird automatisch dazu führen, dass von Anfang an der Anteil der Verschwendung vergleichsweise gering ist. • andererseits den Verbesserungsprozess sehr viel zugänglicher macht. Insbesondere das Schaffen und Verbessern von Standards ist in einem LCIA-Umfeld erheblich leichter. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der intimen Prozesskenntnis, die durch den Selbstbau größerer Teile der Betriebsmittel entsteht.
1.10 Fließende Produktion durch Rüstzeitoptimierung – von Rüstzeitoptimierung zu Rüsten in Minuten „Single-Minute Exchange of Die“ (SMED) Joachim Hirsch, Philipp Dickmann Flexibilität ist eine der wesentlichen Zielgrößen, welche die Wettbewerbsfähigkeit bei immer vergleichbareren und in den Kosten ähnlichen Lieferanten bestimmt. Dies setzt die Fähigkeit voraus, in kleinen Losen, jedoch ohne höhere Rüstkosten zu produzieren. Dennoch ist Rüstzeitoptimierung, also die Reduzierung von Rüstzeiten, in der betrieblichen Praxis meist ein halbherzig verfolgtes Thema, dem häufig viel zu wenig Aufwand und Professionalität geschenkt wird. Nicht selten bleibt es sogar komplett unbeachtet.
1 Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme
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1.10.1 Methoden der Rüstzeitoptimierung Generell beruht Rüstzeitoptimierung zunächst auf einem Prozessmapping und dem Eliminieren von Einzelschritten, mit dem Ziel, die Gesamtstillstandszeit der Anlage zu reduzieren. Dies sind Methoden, die wissenschaftlich auf der Wertschöpfungsanalyse bzw. den REFA-Methoden (Abkürzung für Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung, ursprünglich 1924 Reichsausschuß für Arbeitszeitermittlung REFA) basieren. Von Dr. Shigeo Shingo, der Qualitätsleiter von Toyota und Mitbegründer des Toyota-Systems war, wurde der Begriff des „Single-Minute Exchange of Die (SMED)“, d. h. des „Rüstens-in-Minuten“ geprägt. Er umschreibt den eigentlichen Prozessoptimierungsablauf der Methode, um Rüstzeiten extrem zu reduzieren. So ist bei Fließprozessen das noch weiterführende Konzept von kontinuierlichem Rüsten ohne Zeitverlust bekannt oder Rüsten nur in Bruchteilen von Sekunden. Fast immer wird SMED mit überschaubaren Anlagen und Rüstzeiten, die im Minuten- oder maximal im Stundenbereich liegen, assoziiert. Im folgenden Beispiel handelte es sich um eine hochkomplexe, sehr große, verfahrenstechnische Anlage mit einem Alter von mehr als 10 Jahren, die je nach Rüstfall bis zu mehreren Tagen Rüstzeit benötigte. In diesem Fall war eine sehr viel differenziertere Methode nötig [HirJ 12]. Von einem internen Projektleiter wurde, nur mit unterstützendem Coaching und geringen Investitionen für kleine Verbesserungen des Equipments, eine Reduzierung der Rüstzeiten um mehrere Schichten erreicht.
1.10.2 Methode von Single-Minute Exchange of Die (SMED) Der klassische Ablauf erfolgt in Rüstzeit-Workshops nach Dr. Shigeo Shingo. Die Rüstzeitoptimierung nach diesem Konzept beruht dabei auf einem klassischen Gemba-Kaizen-Workshop (vgl. Kap. 1.5.2 Gemba-Kaizen), deren Methode heute Standard in nahezu jedem mittleren und größeren Unternehmen in Deutschland ist. Zunächst wird eine Grundreinigung mit Fehleranalyse und anschließender Entwicklung von Verbesserungsansätzen erarbeitet. Entscheidend und das eigentlich Neue an SMED im Vergleich zum klassischen, ingenieurmäßigen Vorgehen in Europa ist, dass dabei vorwiegend mit den operativen Mitarbeitern getestet wird. Anschließend werden Standards definiert, die in der Folge nach Wochen und Monaten in weiterführenden Workshops zyklisch fortgesetzt optimiert werden. Die Eignung der Methode besonders für alte Anlagen ergibt sich daraus, dass typischerweise • • • •
klassische, viele kleine, clevere und daher sehr günstige Verbesserungen (Low-cost-intelligent-improvements)
umgesetzt werden. Die Aufwand-Nutzen-Relation ist selbst bei abgeschriebenen alten Anlagen als sehr günstig zu beurteilen.
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P. Dickmann et al.
1.10.3 Schritte der Rüstzeitoptimierung nach dem Grundmuster von SMED 1. Trennung von internen und externen Rüstvorgängen (Organisation); 2. Überführung von internen in externe Rüstvorgänge zur Parallelisierung von Rüstvorgängen; 3. Optimierung, Standardisierung und Vereinfachung vonvinternen und externen Rüstvorgängen; 4. Beseitigung von Justierungsvorgängen; 5. Wiederholung der Schritte, „bis die Rüstzeiten im Minutenbereich liegen – SMED“. Ein wesentlicher Schritt ist das Verwandeln von internem Rüsten in externes Rüsten. Hier wird der Aufwand in die Vor- bzw. Nachbereitung verlagert. Externe Rüstvorgänge haben den großen Vorteil, dass sie parallel zur laufenden Produktion vorbereitet werden können. Die Stillstandszeit der Anlage wird dadurch stark verkürzt, auch wenn die Rüstzeiten der Rüster de facto noch erhalten bleiben. Ein weiterer klassischer Schritt besteht im Beseitigen von Justierleistungen. Dies wird durch Austausch von kompletten fertig justierten Rüstsätzen erreicht. Der notwendige Abgleich und die Nachkorrektur von Einstellungen wird durch standardisierte Vorgaben bzw. Voreinstellungen von verbindlichen Referenzbedingungen ersetzt. Die Prozessbewertungen, das Definieren von Standards und von Voreinstellungen, ist letztlich auch wieder ein Überführen von internem in externes Rüsten. Aus der Praxis
1.11 Rüstzeitoptimierung SMED-XL bei hoch komplexen, technisch aufwändigen Rüstabläufen Joachim Hirsch, Philipp Dickmann Mit Rüstzeitoptimierung wird vor allem die Automobilindustrie assoziiert, welche gezwungen ist, in minimalen Losgrößen (bis hin zur Sequenz) zu produzieren und dafür „gefühlt“ bereit ist, durchaus extreme Aufwände in Kauf zu nehmen. Selbst derartige Branchen mit enormem Kostendruck, bergen oftmals noch große Potenziale. Besonders hohe Einsparungsmöglichkeiten bieten aber vor allem Großanlagen mit technisch komplexen Rüstvorgängen. Mit Rüstzeitreduzierung wird Verschwendung eliminiert und die Anlageneffektivität erhöht. Dies erlaubt kostenneutral in kleineren Losen zu produzieren. Teilweise werden erhebliche Personal- und Anlagenkosten direkt eingespart. Im folgenden Projektbeispiel bei der Flabeg Deutschland GmbH in Furth im Wald wurde dies in eindrucksvoller Weise erreicht [HirJ 12]. Es konnte eine Rüstzeitreduzierung bei einer Anlage erzielt werden, die nach gängiger Vorstellung durch die simplen Methoden der Rüstzeitoptimierung (basierend auf dem TPS) kaum für möglich gehalten wurde. Üblicherweise wird bei einer derartigen Dimension angenommen, dass aufwändige und teure Umbauten der Anlage nötig sind.
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1.11.1 Sonderfall Rüstzeitoptimierung bei hoch komplexen, technisch aufwändigen Rüstabläufen Bei Rüstabläufen im Bereich von Tagen ist eine wesentlich umfassendere Methodik nötig, als die klassischen fünf SMED-Schritte nach dem TPS. Je länger die Rüstvorgänge sind, desto höher ist das vorhandene wirtschaftliche Potenzial. Theoretische Kompetenz in Rüstzeitoptimierung ist zwar in vielen Unternehmen vorhanden, praktische Erfahrung mit umfassenden Anwendungen ist aber leider nur selten zu finden. Um diese umfassenderen Methoden darzustellen, soll dieser Praxisbeitrag eines Rüstprozesses bei einer sehr großen und komplexen Anlage mit im Extremfall mehrtägigem Rüsten dargestellt werden.
1.11.2 Ergänzende Elemente zu SMED Die Analyse zur Optimierung kann und sollte speziell in einem derartigen Fall noch viele weitere Aspekte umfassen, wie: • • • • • • • • •
Wegfall unnötiger Arbeitsschritte Verminderung von Suchprozessen Einsparung von Wegen Ergonomie der Werkzeuge Optimieren von Datenschnittstellen Optimieren von Datenfehlern Technologische Verbesserung der Rüstabläufe Integration von Wartung und vorbeugender Instandhaltung Prüfungen und Kontrollen zur Prozessstabilität und Reduzierung der Ausfallwahrscheinlichkeit • Bereitstellung sowie Lagerung des Instandhaltungsmaterials und der Werkzeuge
Letztlich sollte Rüstzeitoptimierung als Schritt zur Steigerung der Prozessfähigkeit bzw. Qualitätsverbesserung der Anlagen verstanden werden. Sie geht damit nahtlos in die systematische Instandhaltung über. Dies führt in eine zum Teil auch geänderte Anlagenkonzeptionierung, welche in anderen Kaufkriterien mündet. Die einfachen fünf Punkte nach Dr. Shigeo sind also gleichsam nur ein erster kleiner Schritt.
1.11.3 Ausgangssituation Bei diesem Projekt wurde eine Hochleistungskathodenzerstäubungsanlage (HKZ) zum Beschichten von Glas überarbeitet. Die Anlage wurde als Sonderfertigungsanlage nicht für den Serienbetrieb konzipiert und war über zahn Jahre alt. Sie war im Einzelnen durch folgende Merkmale gekennzeichnet [HirJ 12] (Abb. 1.23):
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P. Dickmann et al.
Abb. 1.23 Ist-Analyse – klassische Fotos des Zustandes vor der Rüstzeitoptimierung: Rüstwagen und Materialbereitstellung sind typische Beispiele, bei denen bereits beim ersten Beobachten auffällt, dass hier „Schätze“ zu heben sind [HirJ 12]
• • • • • • • • •
Prototyp-Anlage Keine Rüstoptimierung bei Konstruktion berücksichtigt Extrem aufwändige Vorgänge Nicht optimale Ausbildung aller Anlagenmitarbeiter Schlechte Abstimmung mit zuarbeitenden Abteilungen Schlechte Ergonomie Geringer Vorbereitungsgrad vor dem Rüsten Unvollständige Werkzeuge und Materialien Dauer des kompletten Rüstvorgangs: 16 bis 36 Stunden
1.11.4 Vorgehen in Rüstphasen Nach dem Standardkonzept wird zuerst ein Prozessmapping der Rüstabläufe erzeugt. Bei den üblichen Anwendungen ist dies meist auf einem DIN-A4-Blatt unterzubringen. Während des mehrtägigen Mega-Rüstprozesses waren sehr viel umfassendere Erhebungen über einige Schichten notwendig, die in verschiedene Phasen unterteilt wurden. Bei derart komplexen und umfassenden Rüstprozessen sind folgende Schritte nötig: Erstellung der Ist-Analyse mit Erfassung • aller Prozess- und Einzeltätigkeiten, • der erforderlichen Vorgangszeiten, • wichtiger Prozessparameter.
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Abb. 1.24 Die Umsetzungsschritte beim Rüsten nach dem Deming-Verbesserungsrad – hier bezogen auf die konkreten Schritte beim Rüstprozess. Bei einem Rüstprozess mit mehreren Personen, über mehrere Schichten, bei dem Maschinenzeiten berücksichtigt werden müssen, sind neben einer umfassenden Ist-Analyse auch die Sollkonzepte und die Umsetzungsschritte sehr detailliert zu planen
Identifikation von Verbesserungspotenzialen durch kritische Beantwortung folgender Fragestellungen: • • • •
5S – Wo kann Verbesserung von Ordnung und Sauberkeit den Ablauf unterstützten? Verschwendung – Wo lassen sich Verschwendungsarten vermeiden? SMED – Wie können Prozesse optimiert, entfernt oder parallelisiert werden? Qualität – Wo wird geringe Qualität oder nicht optimale Instandhaltung beim Rüsten betrieben? • Ausrüstung – Wo fehlt möglicherweise Ausrüstung? Erprobung und Evaluation von Verbesserungsansätzen in Bezug auf • • • • •
Werkzeuge Materialien Reihenfolge Wege Regeln
Implementierung neuer Standards nach erfolgreichem Test Standards werden in einfacher Form schriftlich festgehalten, bis beim nächsten Workshop die weiteren Schritte ausprobiert und getestet werden. Durch diese Prozessverbesserung (die dem Deming-circle entspricht) wird der KaizenAblauf erzeugt (Abb. 1.24). Wichtig ist, die Veränderungen systematisch zu dokumentieren und die Einhaltung des Standards zu kontrollieren. Viele Berater betonen deutlich, dass dabei der Workshop entscheidend ist. Workshops sind tatsächlich hilfreich. In der Praxis wird dies – etwa in der Produktion von Nissan – nicht zwangsläufig formalisiert angewandt. Ausschlaggebend sind vielmehr die Höhe der eingesetzten Kapazität, die Kooperationsbereitschaft (der Team-Geist) und die Einbeziehung aller relevanten Personen (Kompetenzen – sowohl Werker als auch Indirekte). Überspitzt formuliert sind stigmatisierte „Kaffeekränzchen“ mit einem hohen Projektmanagementanteil und zeitraubenden Visualisierungen nicht zwingend nötig (entsprechen nicht dem Verständnis von TPS), meist nicht effizient und vor allem wirtschaftlich nicht sinnvoll. Entscheidend ist, dass in
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japanischen Unternehmen die Kapazität, welche pro Monat für operatives Umsetzen von Prozessverbesserung aufgewandt wird, viel höher liegt und zudem sehr viel weniger Zeit in Endlosdiskussionsschleifen, Präsentationen und Überzeugungsarbeit (um überhaupt eine Lösung in Erwägung zu ziehen) vergeudet wird.
1.11.5 Workshop und Projektverlauf Der betroffene Rüstprozess tritt bei einer Anlage auf, die ursprünglich nicht für einen Serienbetrieb entwickelt wurde. Mit einer Rüstzeit von mehreren Tagen dauerte die Ist-Analyse deutlich länger als bei gängigen Rüstzeitoptimierungen. Die Streuung der Arbeitsinhalte war sehr breit und zudem war die technische Komplexität auch sehr hoch. Die Folge war, dass der Kreis der nötigen Teilnehmer für die Rüstzeitoptimierung entsprechend groß und der typische Verbesserungszyklus mit 1–2 Rüstzeitverbesserungszyklen innerhalb eines üblichen 3–5 Tages-Workshops nicht abbildbar waren. Es war kapazitiv nicht möglich, Teammitglieder und Projektleiter über einige Wochen überwiegend an dem Thema arbeiten zu lassen. Das vorrangige Ziel der Beteiligten war die Bewältigung der täglichen Kundenanforderungen angesichts der Engpassanlage. „Da die finanziellen Mittel äußerst beschränkt waren, wurde nur mit einem internen Projektleiter und einem lepros Best Practice Coach gearbeitet. Durch das Coaching wurde eine sehr nachhaltige Implementierung der Methode im Lean-Team erreicht. Anteilig waren weniger Beratertage nötig, als bei typischen Beraterprojekten. Durch den erfahrenen Coach konnten sehr viele Zusammenhänge erkannt, Perspektiven zur Verbesserung identifiziert, so manche Entscheidung schneller getroffen und vor allem Stolperfallen sehr effizient umgangen werden. In einer Mischung aus Workshop und Projektarbeit wurde über zwei bis drei Monate eine erste Verbesserung des mehrschichtigen Rüstprozesses „quasi nebenbei“ entwickelt und umgesetzt (Abb. 1.25). Für die Lean-Ansätze entstanden somit nur sehr geringe Kosten [HirJ 12]“, so Projektleiter Joachim Hirsch.
1.11.6 Ergebnis Aufgrund der ursprünglich enormen Stillstandszeiten, verursacht durch wöchentliches und mehrschichtiges Rüsten, wurden durch das Projekt die notwendigen Kapazitäten erreicht. Ein Anlagenneukauf oder eine teure technische Optimierung wurden umgangen. Da mehrschichtiges Rüsten einige Mitarbeiter bindet, wurden zudem Personalkapazität und Kosten eingespart. Mit dem Projekt wurde die Prozessfähigkeit der Anlage sowie teilweise die Instandhaltung optimiert, sodass zusätzlich die Leistung gesteigert werden konnte. Auf das Kosten-Leistungs-Ergebnis des Projekts, welches „nur nebenbei“ und mit überschaubarer Unterstützung eines Coaches umgesetzt wurde, kann das Team wirklich sehr stolz sein.
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Abb. 1.25 Die typische Darstellung der Prozessschritte des Rüstens und deren Zeiten in einem Gantt-Diagramm. In diesem Fall wurden nur die übergeordneten Bausteine dargestellt. Alle Einzelzeitelemente wurden analog separat untergliedert. Diese plakative Visualisierung ermöglicht es, Verbesserungsschritte sehr einfach zu erklären. Die Größe der tatsächlichen Verbesserung, hängt weniger von der Visualisierung, als von der Methode der zur Verfügung stehenden Zeit und der Erfahrung der Leiter bzw. der Teammitglieder ab. Fachkompetenz, Softfacts und Teamgeist sind neben Kreativität die wesentlichen Erfolgsfaktoren [HirJ 12]
1.12 Total Productive Management (TPM) Andreas Reitz Wer sich mit Lean Production beschäftigt, der stößt irgendwann zwangsläufig auf den Begriff TPM. Vom ursprünglichen Tool für die optimierte Instandhaltung hat sich TPM zum umfassenden Managementansatz, zu einem ganzheitlichen Produktionssystem entwickelt (TPM®). Ziel ist die Jagd nach Verlusten und Verschwendung in allen Bereichen. Der Methodenmix von TPM ist vielfältig, sodass Problemlösungen in den unterschiedlichsten Branchen und Unternehmensgrößen, in Produktion und Administration damit zu bewältigen sind. Der wichtigste Erfolgsfaktor ist die Einbeziehung der Menschen. Nur wenn Mitarbeiter die Möglichkeit zur Qualifizierung und ein Mitspracherecht bekommen, werden sie ihr ganzes Wissen und Können zum Wohle des Unternehmens einsetzen. Wer dieses Potenzial nicht nutzt, wird auf Dauer im internationalen Wettbewerb nicht mehr existieren können.
1.12.1 Definition TPM steht im Original des JIPM (Japanese Institute for Plant Maintenance) für „Total Productive Maintenance“. Das Ziel von TPM ist jedoch viel weiter gefasst als das englische
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Wort „maintenance“ es darstellt. Von der grundsätzlichen Idee her ist TPM ein Programm, das die Erhaltung und Verbesserung der Produktivität aller Prozesse mit dem Ziel „NullAusfälle“, „Null-Qualitätsdefekte“, „Null-Unfälle“ hat. Heute wird TPM international als Total Productive Management definiert.
1.12.2 Das Gesamtsystem TPM Der komplette Umfang des Managementsystems TPM beinhaltet 8 unterschiedliche Bausteine oder Säulen, die jeweils Ansätze und Werkzeuge zur Eliminierung sämtlicher Prozessverluste darstellen (Abb. 1.26). Unternehmensziele und TPM-Ziele TPM hat das Ziel, Unternehmen fit für den Wettbewerb zu machen. In der Regel lassen sich die Unternehmensziele mit den TPM-Zielen in Kongruenz bringen. Die entscheidende Frage bei der Einführung von TPM in einem Unternehmen ist demnach: „Was wollen oder müssen Sie erreichen, um Ihr Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen?“. TPM ist ein Programm, das Unternehmen nachweislich mittel- bis langfristig in eine erfolgreiche Zukunft führt und den Anforderungen des globalen Marktes trotzen lässt. Organisation des TPM-Managementsystems Viele Unternehmen beginnen bei der Einführung von TPM mit dem Aufbau einer zweiten, parallelen Organisation neben der klassischen Werksorganisation. Es muss jedoch gelin-
Abb. 1.26 Die 8 Säulen von TPM. (Quelle: KAIZEN Teaching AG)
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gen, alle Mitarbeiter des Unternehmens einzubinden und mit den jeweiligen Aufgaben im TPM-Prozess zu beauftragen. Die Führungsebene hat dabei die Aufgabe, Ziele zu definieren und ihre Mitarbeiter insoweit zu fördern, dass diese Ziele erreicht werden können. Durch die Führungsebene werden die Zielkontrollen durchgeführt, um den nachhaltigen Erfolg der Verbesserungsaktivitäten sicherzustellen. Den Mitarbeitern müssen dabei entsprechende Freiräume und Ressourcen, Ausbildung und Informationen gegeben werden, um erfolgreich an der Zielsetzung arbeiten zu können. Einführung der 8 Säulen von TPM Es ist nicht zwingend erforderlich, alle 8 Säulen zur gleichen Zeit einzuführen. Es macht teilweise auch nur bedingt Sinn, auf der gesamten Breite zu starten. Es sollte jedoch das Ziel sein, zumindest mit den ersten 4 Säulen zu starten. Diese stellen einen in sich geschlossenen und sinnvollen ersten Schritt bei der Implementierung dar. Die Implementierung eines solchen umfassenden Systems bedarf einer gründlichen Vorbereitung. Dazu gehören die klassischen Projektmanagementmethoden wie Zeit- und Ressourcenpläne für die jeweiligen Bereiche des Unternehmens und die einzuführenden Methoden. Ausgebildete Mitarbeiter im Unternehmen sind dafür zwangsläufig notwendig. Erfahrungsgemäß ist bei der Einführung des Systems eine externe Unterstützung hilfreich und kann Anlauffehler und damit -kosten drastisch reduzieren. Aufgrund der Komplexität des ganzheitlichen Managementsystems werden nachfolgend die ersten vier Säulen des Systems detaillierter beschrieben.
1.12.3 Die 4 Basissäulen des Managementsystems Kobetsu-Kaizen – Eliminierung bzw. Minimierung der 16 Verluste Die Säule Kobetsu-Kaizen oder „Individuelle Verbesserungen“ ist die wichtigste Säule im TPM-System. Da 0-Fehler-Prozesse angestrebt werden, müssen alle Fehler und damit Verluste zunächst erfasst und visualisiert werden. Durch eine strukturierte Vorgehensweise wird die Erfassung der 16 Verluste in den Prozessen, aufgegliedert in 3 Hauptkategorien, sichergestellt. Die 3 Hauptkategorien der Verluste lauten: • 8 Hauptverluste der Maschine • 5 Verluste der menschlichen Arbeit • 3 Verluste des Prozesses Durch Priorisierung der Verluste wird die nachhaltige Verbesserung der Unternehmenskennzahlen durch interdisziplinäre Verbesserungsteams erst ermöglicht. In Abhängigkeit der Unternehmensstruktur und Produkte/Prozesse werden entsprechende interdisziplinäre Teams gebildet. Diese arbeiten teilautonom an den jeweiligen Themen zur kontinuierlichen Verbesserung mit entsprechenden Werkzeugen. Die Hauptverluste der Maschine Die Hauptverluste beziehen sich auf die Verluste, die an den Anlagen entstehen. Diese werden mittels der Kennzahl „OEE“ ermittelt und bewertet. Die Abkürzung „OEE“ steht
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für die englische Bezeichnung „Overall Equipment Effectiveness“ und bedeutet übersetzt „Gesamtanlageneffektivität“ oder kurz „Geff“. Diese Kennzahl spiegelt die Effektivität und die Verluste der jeweiligen Anlage wider. Aus den Verlusten lassen sich die individuellen potenziellen Verbesserungen gezielt ableiten. Der OEE weist somit die erzielten Erfolge auf der Basis der Anlageneffektivität aus. Hinter den 8 Hauptverlusten verbergen sich folgende Verluste: • • • • • • • •
Ungeplante Anlagenstillstände (> 10 min) Rüstzeiten und Justieren Werkzeugwechsel Anfahren Kurzstillstände (≤ 10 min) Geschwindigkeitsverluste Qualitätsdefekte Shutdown (Herunterfahren)
Orientiert an den strukturierten Verlusten der Kernansatzpunkte lassen sich individuelle Verbesserungen gezielt ableiten. Kaizen-Gruppen werden interdisziplinär zusammengestellt und als Projektgruppen zur nachhaltigen Verbesserung der Kennzahlen eingesetzt. Dabei werden in Abhängigkeit der Problemstellung und Größe bzw. Bedeutung des Problems unterschiedliche Werkzeuge eingesetzt. • Die Problemlösungsstory nach dem PDCA (plan-do-check-act)-Prinzip ist ein bewährtes Werkzeug zur Lösung kleinerer/mittlerer Probleme in Kleingruppen (3–5 Teilnehmer). Dabei wird in vier Phasen (Problemdarstellung, Ursachenanalyse, Problemlösung und Lösungsüberprüfung) strukturiert und nachhaltig die Problemlösung erarbeitet. • Das Kaizen-Board wird für die Lösung mittlerer bis großer Probleme eingesetzt. Dabei werden interdisziplinäre Verbesserungsteams in einer 12-Schritte-Methode strukturiert zur Problemlösung geführt. Diese Form der Problemlösung wird in der Regel als mittel- bzw. langfristiges Verbesserungsprojekt geführt. Autonome Instandhaltung Die „Autonome Instandhaltung“ zielt auf die verbesserte Kooperation zwischen Produktion und klassischer Instandhaltung. Durch die stufenweise Einführung werden die Produktionsmitarbeiter zu einfachen Instandhaltungsaktivitäten durch die Instandhaltungsmitarbeiter trainiert. Durch die Entlastung von Routineaufgaben und die Reduzierung von ungeplanten Anlagenstillständen erhält die Instandhaltung freie Kapazitäten zur weiteren Verbesserung der Anlageneffektivität (Abb. 1.27). Das Ziel der Stufen 1–3 der „Autonomen Instandhaltung“ ist es, die Anlagenbediener in die Lage zu versetzen, mittels ihrer fünf Sinne Abweichungen von den gesetzten Standards durch einfache Tätigkeiten wie Reinigung, Schmierung und Inspektion zu identi-
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Abb. 1.27 Säule 2 – Autonome Instandhaltung. (Quelle: KAIZEN Teaching AG)
fizieren und die Instandhaltung rechtzeitig zu informieren. In den Stufen 4 und 5 wird den Anlagebedienern strukturiert Fachwissen vermittelt, damit sie darüber hinaus kleine Wartungsarbeiten durchführen können. In den Stufen 6 und 7 werden Standards definiert, die das Anlagenumfeld sowie den Produktionsablauf der Anlage verbessern und deren Einhaltung durch konstante Anwendung und Weiterentwicklung sicherstellen. Geplante Instandhaltung Mittels der gewonnenen Zeitfenster, die bei der Umsetzung der Autonomen Instandhaltung erreicht werden, wird die Instandhaltung in die Lage versetzt, ihre eigenen KaizenAktivitäten auszuweisen. Die Instandhaltungsmitarbeiter werden als Trainer in der Autonomen Instandhaltung primär ab Stufe 4 eingesetzt. Weiterhin arbeiten sie in Projektteams in Kobetsu-Kaizen, Anlaufüberwachung oder Qualitätsinstandhaltung mit und verbessern u. a. die Lebensdauer von Bauteilen und Aggregaten durch ihre eigenen Kaizen-Akti vitäten. Die Säule „Geplante Instandhaltung“ hat das Ziel, eine 100 %ige Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen zu gewährleisten. Sie bedient sich dazu u. a. eines strukturierten Programms (7 Stufen) und Kennzahlen wie „MTBF“ und „MTTR“ (Abb. 1.28). In den Stufen 1–3 wird eine auf Kennzahlen beruhende Basis zur Identifikation von Schwachstellen gelegt. Anschließend wird mit den in Kobetsu-Kaizen beschriebenen Werkzeugen an der Schwachstellenbeseitigung und Optimierung der Instandhaltungseffizienz begonnen. Die Erfahrungen werden in die Standards übernommen. Mit den Stufen 4–6 wird durch die Verbesserung der Standards sowie durch kontinuierliche Kaizen-Maßnahmen eine Verbesserung der Instandhaltungseffizienz verfolgt. Die Stufe 7 befasst sich mit der kontinuierlichen Anwendung und Verbesserung des Systems.
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Abb. 1.28 Säule 3 – Geplante Instandhaltung. (Quelle: KAIZEN Teaching AG)
Kennzahlen MTBF und MTTR • Die Abkürzung MTBF steht für „Meantime-between-failure“ und bedeutet „durchschnittliche Zeit(-spanne) zwischen zwei Ausfällen“. • Die Abkürzung MTTR steht für „Meantime-to-repair“ und bedeutet „durchschnittliche Zeit(-dauer) zur Reparatur“. Diese beiden Kennzahlen sowie weitere Kennzahlen, wie z. B. Instandhaltungs-, Personal- und Materialkosten stellen eine wichtige Basis für die Kaizen-Maßnahmen der Instandhaltung, im Rahmen der Säule „Geplante Instandhaltung“, dar. Anhand dieser Kennzahlen wird es möglich, die Bedeutung der Instandhaltung und ihren Beitrag zur Verbesserung der Produktionseffektivität darzustellen. Durch Einsatz der strukturierten Problemlösungswerkzeuge werden die individuellen Probleme an den Produktionsanlagen (Schwachstellen, Ersatzteilbedarf, Schmiermittelverbrauch usw.) gelöst. Schulung und Training Die Säule „Schulung und Training“ dient der zielorientierten Qualifizierung aller Mitarbeiter des Unternehmens. In Abhängigkeit von den Anforderungen des Prozesses und den Funktionen des Mitarbeiters in der Organisation werden individuelle Qualifizierungspläne erstellt und in einer Qualifikationsmatrix visualisiert. Die internen Trainer/Prozessbegleiter erstellen in Zusammenarbeit mit den Führungsverantwortlichen der entsprechenden Säule eigene Schulungsmaterialien zu den diversen Methoden und Werkzeugen. Die Qualifizierungen reichen von mehrtägigen Seminaren über Praxis-Workshops bis hin zu themenbezogenen Kurzschulungen (One-Point-Lessons) und auch externen Schulungen (Abb. 1.29).
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Abb. 1.29 Säule 4 – Schulung und Training. (Quelle: KAIZEN Teaching AG)
1.13 Poka Yoke – Fehlervermeidungsstrategien Philipp Dickmann Poka Yoke oder auch Boka Yoke ist eine der tragenden Säulen des TPS. Der japanische Begriff setzt sich zusammen aus dem Begriff „Poka“, was für ein „Versehen“ oder einen „unbeabsichtigten Fehler“ steht, und dem Bergriff „Yoke“, was „vermeiden“ oder „vermindern“ bedeutet. Der Begriff Poka Yoke bedeutet Fehlervermeidung, worin auch der wesentliche Sinn dieses Konzepts liegt. Fehler und Störungen im Ablauf stellen die wesentlichen Hürden auf dem Weg zu einer effizienten Produktion und einem effizienten Materialfluss dar. Nicht nur die wenigen, auf den ersten Blick erkenntlichen Störungen, sondern auch die vielfältigen kleineren Störungen sind verantwortlich dafür, dass das Ziel der 100 % Lieferfähigkeit, höchster Flexibilität und kurzer Durchlaufzeiten bei minimalen Lagerbeständen nicht erreicht wird. Im Zusammenspiel mit der 5W-Methode, Kaizen und Fehlerquelleninspektion (Source Inspection, [Möll 97]) kann Poka Yoke als führendes Qualitätsmanagement-Tool interpretiert und in Projekten gemeinsam angewandt werden. Im TPS wurde damit sehr früh die Null-Fehler-Strategie angestrebt und erreicht. Es wird nicht nur die klassische 100 % Prüfung praktiziert, sondern führend die Fehlervermeidung angestrebt – „nicht gut prüfen, sondern es gleich richtig machen“. Charakteristisch sind einfache Vorrichtungen oder Ablaufsicherungen, die ähnlich wie in Kaizen-Projekten, zu sehr geringen Kosten möglichst mit den operativen Mitarbeitern umgesetzt werden (z. B. der Entwurf eines Werkstückträgers zur Absicherung der Orientierung der Teile beim Einlegen, Abb. 1.30).
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Abb. 1.30 Einfache Poka Yoke Vorrichtung: Werkstückträger. Die Vorrichtung verhindert, dass das Werkstück falsch in den Werkstückträger eingelegt wird
1.13.1 Qualitätsphilosophie, abgeleitet von Poka Yoke Poka Yoke zielt darauf ab, anomale Zustände zu erkennen, zu vermeiden und sofort durch unmittelbares Eingreifen abzustellen. Kein fehlerhaftes Produkt soll den Prozess verlassen [Ohno 78]. Fehler lassen sich nie vollständig ausschließen, haben jedoch enormen negativen Einfluss auf die Effizienz der Prozesse und im Speziellen auf den Materialfluss. Es gilt also, Fehler so früh wie möglich zu erkennen und auszuschalten, um in der Folge eine Vervielfältigung der negativen Auswirkungen zu vermeiden. Poka Yoke gibt sich dabei nicht mit 99 % Gutteilen und Prozessen zufrieden, da dadurch immer noch eine eminente Fehlerrate bei Endprodukten entsteht, die für den Kunden unbefriedigend ist. Die Null-Fehler-Strategie ist das führende Ziel. Das Ausmaß von Fehlern wird unterschätzt. Bei einem Produkt, das aus ca. 100 Einzelteilen besteht und sich auf 10 Produktionsstufen abbildet, entstehen bei 99 % Fehlerfreiheit je Ebene und Komponente, in der Summe immer noch zehn Fehler je ausgeliefertes Endprodukt. Vor allem durch kostenorientierte, wertanalytische Ansätze werden nicht selten präventive, hochwertige, prozessfähige Arbeitsschritte durch weniger „fähige“ Prozesse ersetzt. In der Folge werden überproportional hohe Kosten für Nachbesserungen auf allen Ebenen notwendig, anstatt durch geringfügig höhere Investitionen oder Kaufpreise eine bessere Qualität von Anfang an zu gewährleisten. Bei Motorola in USA wurden 1997 fünf bis zwanzig Prozent der jährlichen Erträge dafür ausgegeben, minderwertige Qualität nachzubessern, das bedeutet 800.000 bis 900.000 € pro Jahr [Herr 00]. Um derartige komplexe Folgekosten exakt zu erfassen und die Prioritäten in einer zielorientierten Managementstruktur erkenntlich zu machen, ist ein enormer Aufwand nötig. Es ist zu vermuten, dass viele der sekundären Störungen, die auf den Materialfluss wirken, unberücksichtigt bleiben müssen. Aufgrund der hohen Komplexität ist die Zuordnung von Folgeerscheinungen, wie „aufgeblähte“ Durchlaufzeiten und Lagerbestände kaum möglich. Daher ist das Verständnis für die Proportionen der Qualitätskosten nicht umfassend etabliert. Viele Unternehmen – und Manager – finden zu einem oder mehreren der folgenden Glaubenssätze Zuflucht: • • • •
Irren ist menschlich. Übermäßige Qualität kostet zu viel und dauert zu lange. Die Zahlen des letzten Jahres zu wiederholen ist gut genug. Kleine Fehler sind entschuldbar.
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• Wir sind immer noch besser als unsere Mitbewerber. • „Dass wir unseren Weg aus der Qualitätsnot gerade noch rechtzeitig freigekämpft haben, ist Ehrensache; es hat sogar Spaß gemacht.“ [Galv 91] Letztlich führt diese Ideologie dazu, dass enorme Aufwendungen für die Beweisführung der katastrophalen Auswirkungen von Qualitätsproblemen nötig sind. Erst wenn durch die exakte und aufwändige Präsentation die Zusammenhänge transparent sind, wird mit operativen Maßnahmen begonnen. Poka Yoke vermittelt einen anderen Ansatz – „mach’s gleich richtig“ [Möll 97] (Abb. 1.31).
1.13.2 Eigenschaften und Elemente Die 100 % Prüfung ist eine der Maßnahmen, um die Null-Fehler-Strategie umzusetzen. Es wird angestrebt, die Prüfung als Nebeneffekt umzusetzen, also ohne die Taktzeit zu beeinflussen und möglichst ohne oder nur mit sehr geringem zusätzlichen Aufwand für den Operativen. In der klassischen Anwendung werden dafür einfache Vorrichtungen verwendet, die vom Konzept ähnlich der Lean Automation aufgebaut sind. Ähnlich wie bei Kaizen-Projekten sollten diese im Idealfall von den Mitarbeitern selbst entwickelt und gebaut werden. Das garantiert eine hohe Identifikation mit dem Arbeitsplatz, höchste Effizienz und bindet die Kompetenz der Mitarbeiter optimal ein. Das Ausnutzen von visuellen Kennzeichen, etwa Farbmarkierungen, die nur sichtbar sind, wenn ein Fehler vorhanden ist (Abb. 1.31), sind ein typisches Merkmal dieser einfachen Vorrichtungen. Poka Yoke lässt sich auf alle Bereiche anwenden in denen es auf eine geringe Fehlerrate ankommt. Im Vergleich zu anderen Methoden lässt es sich zudem mit sehr geringen Kosten umsetzen. Die Methode kommt mit einfachen Hilfsmitteln aus und erzeugt nur vergleichsweise wenig Aufwand für das Erzeugen und Aufbereiten von Zahlen, Daten und Fakten. In Relation zu Qualitätsmanagement- oder Six Sigma-Methoden liegt der Schwerpunkt von Poka
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Abb. 1.31 Einfache Poka Yoke-Vorrichtung – Tableau mit Farbmarkierungen: Alles hat seinen Platz – dieses Poka Yoke-Konzept ist sehr weit verbreitet. Doppelhandling und Suchen wird eliminiert, kurze Greifwege ermöglicht. Andere Ablagen werden dadurch abgeschafft. Tableaus werden zum Beispiel für Operationsbesteck verwendet: Am Ende der Operation müssen alle „Werkzeuge“ vorhanden sein
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Yoke weit weniger auf der Ermittlung, Feststellung und Quantifizierung der Auswirkungen oder der Präsentation der Ergebnisse, sondern konzentriert sich auf die differenzierte, einfache Abstellung und Prävention von Fehlern auf der operativen Ebene.
1.13.3 Methoden und Regeln Konkrete Arbeitsvorgaben, nach denen Poka Yoke Tools angestoßen oder eingesetzt werden sollen (angelehnt an [Ohno 78, Möll 97]): 1. Fehlerhaftes Material soll nicht in das Werkzeug passen. Einlegen von fehlerhaften Teilen sollte damit verhindert werden. Dies kann durch geometrische Passungen, z. B. mittels Stiften, Hebeln, Werkzeugformen oder Sensoren gewährleistet werden. 2. Bei Abweichungen des Materials, bei falschem oder fehlendem Material, sollte die Maschine oder Anlage nicht starten können. 3. Wenn ein Fehler in einer Arbeitsfolge auftritt, soll die Maschine den mechanischen Prozess nicht weiterführen können. 4. Wenn ein Prozess vergessen wurde, sollen automatisch Korrekturen stattfinden. Die Bearbeitung soll nicht unterbrochen werden. Abweichungen oder vergessene Arbeitsfolgen können über einfache Zähler leicht ermittelt werden. Abweichungen von der Reihenfolge können beispielsweise auch bei teilmanuellen Prozessen, etwa beim Schrauben, durch eine vorgegebene Reihenfolge der Werkzeuge sichergestellt werden. 5. Wenn trotzdem ein Prozess vergessen wurde, soll der nächste Prozess nicht starten und die Maschine bzw. Anlage zwangsgeführt alle Folgeprozesse abschalten. 6. Abweichungen der vorhergehenden Prozesse werden nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ in den späteren Prozessen noch einmal überprüft, um fehlerhafte Produkte sicher zu stoppen. 7. Bei untergeordneten Abweichungen kann es zielführend sein, die Anlage nicht zu stoppen, sondern nur ein Signal auszugeben. Traditionell werden optische Signale in Form von Lichtern, Zeigern, Anzeigen an Bildschirmen etc. verwendet. Akustische Signale können zu unnötigen psychischen Belastungen führen und werden zunehmend seltener verwendet. Eine moderne Form der Informationsausgabe sind SMS-Nachrichten, Mails oder Signale in verknüpften Softwareprodukten (vgl. Kap. 5.14 Production Synchronized Software). 8. Vorrichtungen müssen die Selbstprüfung unterstützen. Verwechslungen sind mit Visualisierungen oder Checklisten weniger wahrscheinlich, z. B. wenn Werkzeuge oder Vorrichtungen an markierten Plätzen auf Tablaren liegen. Dieses Konzept kann auch durch optische Signale umgesetzt werden, die bei fehlerfreier Handhabung unsichtbar sind. Poka Yoke-Einrichtungen schließen die Fehlerursachen aus. Durch sehr einfache, in einem kontinuierlichen Prozess entwickelte und in Stufen optimierte Hilfsmittel kann eine effiziente Fehlervermeidung entstehen. Diese Methode ist sehr kostengünstig, wodurch eine
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hohe Dichte an einfachen Fehlervermeidungseinrichtungen möglich wird. Bei Toyota waren dadurch 1992 durchschnittlich 12 Poka Yoke-Vorrichtungen an jeder Maschine installiert [Shin 92]. Die Effizienz nimmt dabei mit der Erfahrung und der Zeit der Optimierung zu. Poka Yoke fordert eine kontinuierliche nachhaltige Strategie, um mittel- bis langfristig den vollen Effekt nutzen zu können.
1.13.4 Ablauf von Aktivitäten Grundsätzlich ähneln Poka Yoke-Projekte dem Ablauf von Kaizen. Sie werden von Teams vor Ort mit den betroffenen Mitarbeitern durchgeführt. Es sollte alles möglichst pragmatisch und mit geringen organisatorischen Hilfsmitteln stattfinden. Die Dokumentation hält nur die wesentlichen Resultate fest. Der Umfang einer Seite sollte dabei nicht überschritten werden, gegebenenfalls kann alles auch handschriftlich auf einem Formblatt festgehalten werden. Alles hat seinen Platz mit 5A: Grundlegend sollte vor der Fehleranalyse eine 5A-Aktion (Ordnungs- und Sauberkeitsaktion) durchgeführt werden. Viele Fehler treten nicht mehr auf bzw. ihre Ursachen sind besser nachvollziehbar, wenn alles an seinem Platz ist und Verschmutzungen beseitigt sind. Systematisch angediente Werkzeuge werden z. B. weniger leicht verwechselt. Verschmutzte oder „ölverschmierte“ Farbcodes werden schlechter erkannt. An mit Bodenmarkierungen gekennzeichneten Stellplätzen kann das Material in höherer Dichte bereitgestellt werden. Ein Vertauschen von Material wird durch klare Platzzuordnungen verhindert. Die regelmäßige Kontrolle der Beschriftungen, der Vollständigkeit der Behälter sowie des Zustands und der Ordnung der Kanban-Karten verhindert Engpässe und die Verwechslung von Materialien. TPS verwendet hier die Systematik der 5A Kampagne – im japanischen Original werden diese Aktionen 5S genannt (vgl. Kap. 1.5 Kaizen). Zahlen-Daten-Fakten schaffen: Zunächst müssen Fehler, Häufigkeit, Auswirkungen und Wert des Schadens ermittelt werden. Auswerten und Bewerten nach Pareto: Wesentlich ist das Sortieren und Gruppieren der Fehler nach Häufigkeit und Kosten, wobei eine einfache Visualisierung genügt. 5W-Ursachenanalyse: Das mehrfache Hinterfragen jedes Fehlertyps führt zu den Ursachen des Fehlersymptoms und deckt damit die Einflusskette auf. Zur verbesserten Übersicht sind Ursache-Wirkung-Diagramme (bzw. Fischgrät- bzw. Ishikawa-Diagramme, vgl. Abb. 3.22) ideal. Bei diesen Diagrammen werden alle Störgrößen, die auf den horizontal gezeichneten Materialfluss Einfluss nehmen, wie Äste von oben und unten aufgetragen. Am Ende entsteht eine „verästelte“ Struktur, in der alle komplexen Zusammenhänge übersichtlich erkennbar sind.
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6W-Projektablauf [Ohno 78]: Die folgenden sechs Fragen definieren den Ablauf des Projekts: • • • • • •
Wer tut was? Was ist das Ziel? Wo liegen die Grenzen? Wann findet was statt? Warum benötigen wir diese Verbesserung? Wie lösen wir das Problem?
Anwendungen in anderen Bereichen Bei der Fehleranalyse ist in vielen Fällen die Fehlerursache nicht im Produktionsumfeld zu suchen. Daher werden sehr schnell auch andere Bereiche mit in die Projekte eingebunden. Industrial Engineering, Logistik, Design und Lieferanten sind typische erste Anlaufstellen. Vor allem die Konstruktion verursacht naturgemäß einen beträchtlichen Anteil an den späteren Fehlern. Hier haben sich daher systematische Methoden und Fehlervermeidungsstrategien in Form der Fehlermöglichkeit- und Einflussanalyse (FMEA) in verschiedenen Ausprägungen etabliert. Im Lieferantenmanagement wurde Poka Yoke sowohl von den japanischen Automobilisten, als auch von den „Big Three“ (die drei größten und bedeutendsten Unternehmen der US-amerikanischen Automobil-Industrie: Ford, General Motors und Chrysler) in den USA empfohlen und gefordert. Das Konzept findet sich heute sowohl bei Dienstleistungen, der Büroorganisation oder auch in Bereichen, die nicht mehr mit der Herstellung in Verbindung stehen [Möll 97], z. B. chirurgische Instrumente, die in Vertiefungen von Tabletts aufbewahrt werden, um die Vollständigkeit nach der Operation sicher und schnell überprüfen zu können. Verträge werden im Vier-Augen-Prinzip gelesen, um sicher zu stellen, dass alle Aspekte erkannt wurden. Neuer sind Anwendungen in der EDV, in denen Kaizen (vgl. Kap. 5.4 Kaizen in der IT) oder Poka Yoke (vgl. Kap. 5.14 Production Synchronised Software) zur Sicherstellung von Anwendertauglichkeit, Ergonomie, Ablauflogik, Eingabequalität oder Datenkonsistenz verwendet werden.
1.14 Qualitätsmanagement Lothar Harting Nur qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen können den schlanken Materialfluss sicherstellen. Eine hohe Qualität sichert die Gewissheit, keine Einbußen durch und in den begleitenden Methoden zu erhalten. Wie definiert sich aber die Qualität? Eine unzureichende Qualitätsausführung verursacht Fehlerkosten in Höhe von 6–10 % des Umsatzes. Ein Qualitätssystem kann Einsparungen in Höhe von 3 % und mehr erreichen. Wenn ich die Qualität ignoriere, habe ich keine Grundlage für eine qualitativ hochwertige Ausführung von begleitenden Tools. Allein die Annahme, die mich zum Einsatz einer Methode wie Kanban verleitet, kann qualitativ so schlecht sein, dass die Methode selbst nur scheinbar geeignet ist und in Wahrheit mehr schadet als nützt.
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1.14.1 Der Qualitätsbegriff im betrieblichen Sinne Im betrieblichen Kontext wird „Qualität“ in der Regel mit „Überwachung“ oder „Planung“ gleichgesetzt. Das ist eine negative Auffassung von „Qualität“, die der Tatsache nicht Rechnung trägt, dass Qualität von unermesslicher Bedeutung für das Unternehmen ist. Qualität gehört gegenwärtig zu einem der wichtigsten Marktfaktoren in der Strategie eines jeden Unternehmens. Qualität findet sich in allen Bereichen eines Schlanken Materialflusses. Trotz unterschiedlicher Qualitätsauffassungen erhält der Begriff „Qualität“ im Rahmen von objektiven Kriterien genauere Konturen, die anhand von festgelegten, präzisen, nachvollziehbaren Maßstäben beurteilt werden. Der Taylorismus: Der Mensch als Fehlerquelle In seinem Buch „Grundlagen der wissenschaftlichen Betriebsführung“ plädierte der nordamerikanische Ingenieur Frederick Winslow Taylor (1856–1915) dafür, planende und ausführende Aufgaben des Produktionsprozesses streng voneinander zu unterscheiden. Dieser Schritt ermöglichte eine strenge Kontrolle, z. B. Ablehnung fehlerhafter Produkte innerhalb der betrieblichen Prozesse. Der Mensch galt nach tayloristischen Konzepten der Qualitätssicherung als Fehlerquelle. Der Fordismus: Die Geburt der Qualitätssicherung Eine radikale Anwendung Taylors Prinzipien der Kostenreduzierung wurden von dem nordamerikanischen Industriellen Henry Ford (1863–1947) im Rahmen der Automobilherstellung in die Praxis umgesetzt: das Fließbandsystem in Verbindung mit der lückenlosen Austauschbarkeit der Bauteile. Dieses System, bekannt als „Fordismus“, bestand darin, die Gesamtproduktion in leicht erlernbare Schritte zu zergliedern, die jeder ungelernte Montagearbeiter ausführen konnte. Es ermöglichte nicht nur, die Produktion zu beschleunigen, sondern auch die Qualität der Ware vor ihrer Anfertigung zu kontrollieren. Qualität wurde als vollständige Anpassung des Produktes an intern festgelegten Kriterien verstanden. Die Geburt des QM-Systems bzw. des Total Quality Systems (TQM) • In den 50er-Jahren wurden in den USA aufgrund von Qualitätsforderungen des Verteidigungsministeriums und der elektronischen Luft- und Raumfahrtindustrie Verfahren entwickelt, die das Vertrauen (reliability) der Kunden in die gelieferten Produkte steigen lassen sollten. Der Begriff des modernen Qualitätsmanagements (QM) hat daher seinen Ursprung in den Anforderungen der nordamerikanischen Militär-, Luft- und Raumfahrtindustrie. • In den 60er-Jahren wurde der Faktor Mensch in den Mittelpunkt gestellt. Entsprechende Managementkonzepte wie z B. das nordamerikanische Null-Fehler-Programm (Feigenbaum) und die japanische Kaizen-Methode ( Ishikawa: Ursache-Wirkungs-Diagramm, vgl. Kap. 2.17 Materialfluss-Kaizen) wurden erstellt. Die neuen Qualitätsansätze betonten die Bedeutung der Einstellung und des Verhaltens der Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens, die in Richtung Qualitätsbewusstsein beeinflusst werden mussten.
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Abb. 1.32 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
• Ab Ende der 80er-Jahre trugen der verschärfte internationale Wettbewerb und die zunehmenden Kundenanforderungen dazu bei, Qualität, Zuverlässigkeit, Innovationsgeist und Flexibilität zum Leitmotiv der Unternehmensführung werden zu lassen (Abb. 1.32). • In den 90er-Jahren wurde das Konzept des Qualitätsmanagements u. a. von japanischen und nordamerikanischen Autoren in Richtung eines umfassenderen Verständnisses von Management weiter entwickelt. Hier ging es prinzipiell darum, alle Bereiche des Unternehmens mitwirkend ins Managementsystem zur Gewährleistung höchster Kundenzufriedenheit zu integrieren. Dieses Konzept wurde umfassendes Qualitätsmanagement genannt (Total Quality Management/TQM) (Abb. 1.32).
1.14.2 Anwenderbezogene Qualitätsdefinition Die Qualität eines Produktes wird nach einer anwenderbezogenen Definition subjektiv vom Kunden bzw. Anwender bestimmt. Sie hängt davon ab, ob die Produkteigenschaften aus der Sicht des Kunden seinen Anforderungen entsprechen. J. M. Juran spricht in diesem Sinne von Qualität als Gebrauchstauglichkeit (fitness-for-use) eines Produktes. Prozess- bzw. herstellungsbezogene Qualitätsdefinition Die Qualität eines Produktes nach einer prozessorientierten Definition hängt von der Übereinstimmung des Produktes mit im Voraus festgelegten Qualitätsanweisungen bzw. Qualitätskriterien ab. Die Betonung liegt in einer genauen Überwachung und Kontrolle der Arbeitsabläufe sowie der Arbeitsverfahren. Außer Betrachtung bleiben die von außen an das Produkt gerichteten Anforderungen. Diese Qualitätsdefinition wurde von Ph. Crosby (1986) als Anpassung an Anforderungen ( Conformance to requirements) geprägt. Je-
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der Mitarbeiter des Unternehmens trägt in seiner spezifischen Funktion Mitverantwortung dafür, dass die Produktqualität stimmt. Produktbezogene Qualitätsdefinition Eine produktbezogene Qualitätsdefinition (Norm DIN EN ISO 9000) lässt sich nicht vom Begriff der Qualitätssicherung trennen. Qualität ist in diesem Sinne die Übereinstimmung des Produktes mit intern und extern festgelegten Anforderungen. Es ist zu unterscheiden zwischen den von der Unternehmungsleitung gestellten Anspruchsanforderungen und dem Produktionsergebnis. Zwei wichtige Kriterien eines Unternehmens, dessen Ziel ist es, Produkte höchster Qualität zu liefern, sind erstens die Kundenorientierung und zweitens die Produktorientierung. Alle beiden Kriterien führen zu der Einsicht, dass Qualität und Vermeidung von Fehlern untrennbar sind. Abschließend sollen fünf Gründe genannt werden, die die Anstrengung eines Unternehmens zwecks der Erreichung von Produktqualität rechtfertigen: • • • • •
Reduzierung der Produktionskosten Verringerung der Produktionszeit Steigerung der Produktion Verringerung der Durchlaufzeiten Steigerung der Marktchancen
Qualität als gesellschaftliche „Norm“ kann aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Aus unternehmerischer Perspektive jedoch erfährt der Qualitätsbegriff im Rahmen von technischen, gesetzlichen und kundenspezifischen Forderungen feste Konturen, die „Qualität“ messbar, nachvollziehbar und damit greifbar werden lassen. Im betrieblichen Kontext (objektiv) bedeutet „Qualität“ die Anpassung des Produktes an festgelegte Maßstäbe, die sich an Kundenanforderungen orientieren. Die älteste bekannte „Qualitätsnorm“ ist der berühmte Codex Hammurabi (2150 v. Chr.), der mit drakonischen Strafen für die Baumeister drohte, die baufällige Gebäude bauten. Die Fehler sollten bereits bei der Entstehung beseitigt werden. Ab den 60er-Jahren wurden Methoden zur Qualitätssicherung entwickelt, die den Menschen in den Mittelpunkt des produktiven Prozesses stellten, wie das nordamerikanische Null-Fehler-Programm und die japanische Kaizen-Methode (kontinuierliche Verbesserung). Beide Konzepte beruhten auf der Weiterbildung und der Zufriedenheit der Mitarbeiter sowie auf externen Kundenanforderungen.
1.14.3 Abschließende Bemerkungen zum Thema „Qualität“ Beruhend auf Ishikawa teilt Ortlieb (1993) die Entwicklungsgeschichte des betrieblichen Qualitätswesens in drei sukzessive Phasen ein, die folgendermaßen dargestellt werden: • Kontroll-orientierte qualitätssichernde Phase: Die qualitätssichernden Maßnahmen beschränkten sich in dieser Phase auf die Prüfung des Endproduktes (Taylor).
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• Kontrollprozess-orientierte qualitätssichernde Phase: In dieser Phase wurden die qualitätssichernden Maßnahmen von der Prüfung des Endproduktes auf die stattfindenden Prozesse verlagert. Die Anwendung von statistischen Methoden und die Entwicklung eines Qualitätsbewusstseins seitens der Mitarbeiter wurden unterstützt (Ford). • Total Quality Control: Die Ansätze der totalen Qualitätskontrolle (TQC) gehen davon aus, dass Produktqualität mit unterschiedlichen Einflussfaktoren zusammenhängt und über die Prüfung der Produktbeschaffenheit hinausgeht. Es handelt sich um ganzheitliche Konzepte, die die Führungsebenen, alle Fachabteilungen und die gesamte Belegschaft als qualitätssichernde Faktoren begreifen und mit einbeziehen.
1.14.4 Pragmatische Ansätze für den schlanken Materialfluss mit Lean Production Die Entscheidung für den Einsatz einer geeigneten Methode im Unternehmen findet unter anderem im Qualitätszirkel statt. Dieser Personenkreis ist interdisziplinär mit allen Prozessbeteiligten besetzt. Die Informationen beruhen auf Qualitätskennzahlen, statistischen Erkenntnissen sowie Bewertungen der Maschinen- und Prozessfähigkeiten. Reklamationsauswertungen werden den weiteren Qualitätskennzahlen sowie den Lieferanten und deren Qualitätsfähigkeitsbewertungen gegenübergestellt. Die ausgewerteten Qualitätsreports, wie der 8-D Report oder auch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheitsmessungen werden in den Entscheidungsbaum eingebunden. Alle diese Qualitätsdaten, aktuell und nachweisbar, sollten die Begründung sein für das Konzept bzgl. der Verwendung geeigneter Methoden für einen schlanken Materialfluss.
1.15 Six Sigma Johannes Pfister Six Sigma ist eine ausgezeichnete Ergänzung zu Lean. Es ist das zurzeit effektivste Vorgehen, um Geschäftsprozesse zu optimieren, da der nachhaltige Erfolg kurzfristig erreicht wird. Der finanzielle Nutzen zeigt sich bereits innerhalb des ersten Jahres durch einen beachtlichen Ertrag neben der Abdeckung des Einführungsaufwandes und einer Erhöhung der Kundenzufriedenheit. Unternehmen können mit einer Investition in Six Sigma mehr Kapitalrendite erwirtschaften als mit den meisten anderen Investitionen. Dies gilt sowohl für Produktionsbetriebe als auch Dienstleistungsunternehmen, ob groß oder klein. Viele Unternehmen erkennen nicht das wahre Ausmaß ihrer Kosten der „Nicht-Qualität“ oder wollen es auch nicht erkennen. Den kommunizierten Milliardenerfolg von GE, Motorola und Allied Signal werden viele Unternehmen wahrscheinlich nicht erreichen. Viele Unternehmen akzeptieren 50 % höhere Kosten für Nicht-Qualität.
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Six Sigma erhöht die Chance in den regionalen und in den globalen Märkten eine Rolle zu spielen.
1.15.1 Abgrenzung von Lean, TQM, TPM und Six Sigma Der schnelle und große finanzielle Nutzen ist auch der Unterschied zu Initiativen wie TQM (Total Quality Management), deren Amortisierung erst mittelfristig erfolgt. Six Sigma ist eine hervorragende Ergänzung zu Lean und zeigt seine Stärken durch die rasche Fokussierung auf kritische Faktoren für die Verbesserung von Geschäftsprozessen. Während sich TPM (Total Productive Maintenance) auf die umfassende Verfügbarkeit von Betriebsmitteln konzentriert, JIT auf die optimale Verfügbarkeit von Teilen und Materialien, 5S auf die Ordnung und Sauberkeit im Arbeitsumfeld und QC viele kleine Probleme am Arbeitsplatz bearbeitet, optimiert Six Sigma den ausgewählten Prozess. Bei all diesen Vorgehensweisen geht es um die Reduzierung von „Muda“ (Verschwendung).
1.15.2 Aufwand für die Six Sigma Einführung Der Erfolg und die hohen Einsparungspotenziale von Six Sigma basieren auf harter, disziplinierter Arbeit, Wissen und Erfahrung sowie einer größeren Startinvestition. Bei Six Sigma wird viel gemessen. Zahlen, Daten und Fakten werden qualitativ und quantitativ analysiert, die Ursachen für Abweichungen herausgefiltert und beseitigt. Die Einführungskosten bei einem mittelständischen Betrieb liegen für Training, Software und kalkulatorischen Zeitverlust im ersten Jahr bei 100.000 bis 200.000 €, je nach Intensität des Vorgehens. Aus unserer Erfahrung war der erwirtschaftete Ertrag bei allen Firmen, die eine konsequente Umsetzung realisiert haben, erheblich höher als die Kosten.
1.15.3 Das Vorgehen mit DMAIC und DFSS Wir unterscheiden bei Six Sigma zwei Vorgehensweisen. Der standardisierte DMAIC Prozess (Define, Measure, Analyze, Improve, Control) hat das Ziel, bestehende Prozesse und Produkte, die nicht den Spezifikationen oder dem Soll entsprechen, innerhalb der Projektlaufzeit von 3–5 Monaten wesentlich zu verbessern. Dabei werden die kritischen Einflussfaktoren in Bezug auf das geplante Prozessergebnis identifiziert, analysiert und optimiert. Im Gegensatz dazu nutzen wir das DFSS-Vorgehen (Design for Six Sigma) um neue Produkte und Prozesse unter Berücksichtigung aller Faktoren für ein hohes SigmaNiveau (vgl. Kap. 1.15.4, Sigma Wert) zu entwickeln Die Projektphasen bei DFSS sind nicht standardisiert. Es gibt einige Varianten, die sich inhaltlich ähnlich sind, z. B. Sigma Breakthrough Technologies IDOC (Invent, Develop, Optimize, Control) oder Scripps IDEAS (Identify, Design, Evaluate, Assess, Scale up).
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Tab. 1.3 Sigma Werte und ihre Bedeutung. (Quelle: Six Sigma, Mikel Harry, Random House 2000) Sigma 2 3 4 5 6 DPMO COPQ RTY DPMO Defects hput Yield
308517 66807 6210 233 25–40 % 15–25 % 5–15 % 50 % + 93,3 % 99,4 % 99,97 % 69,1 % per million Opportunities, COPQ = Cost of poor quality, RTY =
3,4 1–5 % 99,99966 % Rolled Throug-
1.15.4 Sigma Wert und Philosophie Der Sigma Wert 6-Sigma ist der statistische Wert für 3,4 Defekte pro eine Million Einheiten. Sigma Werte ermöglichen als standardisierte Messwert den Vergleich unterschiedlicher Prozesse (Abb. 1.3). Ein höherer Wert zeugt von einem leistungsfähigeren Prozess mit weniger Streuung. Die Prozessgüte schwankt erheblich in unserer Volkswirtschaft. In risikogefährdeten Branchen wie Gesundheit, Aerospace und Automobil werden 5–6 Sigma erreicht, bei mittelständischen Zulieferern ein Niveau von 3–4 Sigma und im Dienstleistungsbereich oder bei kostengünstigen Konsumgütern oft nur 1–2 Sigma. Das Niveau beschreibt die Fehlerhäufigkeit, die Qualitätskosten und die Erfolgsquote bzw. Prozessausbeute (RTY; Tab. 1.3). Der Kern bei Six Sigma ist, die Streuung der Prozesse zu verringern und die Präzision oder Treffsicherheit auf das geplante Ziel zu erhöhen. Hier möchte ich insbesondere auf die Folgekosten der Nicht-Qualität hinweisen. Bei einer Umfrage in einem mittelständischen Unternehmen gaben alle 35 Führungskräfte an, mehr als 50 % ihrer Zeit mit Feuerwehr-Aktionen zu verbringen, d. h. Zeit für Sitzungen und Aktivitäten, die sich mit Abweichungen von der Planung oder den Spezifikationen beschäftigen. Ein sinnvoller Einsatz dieser „verschwendeten“ Zeit der Führung hätte den Unternehmensertrag bereits mehr als verdoppelt.
1.15.5 RTY (Rolled Throughput Yield) Ein äußerst wichtiger und oft vernachlässigter Effekt ist der sogenannte Rolled Throughput Yield. Die meisten Unternehmen geben ihr Qualitätsniveau als Prozentsatz der Reklamationen und Garantiefälle an. Der Wert bewegt sich dann im Bereich von z. B. 1,5 % Reklamationen oder 98,5 % Qualität. Damit sind sie mehr oder weniger zufrieden. Ist das eine gute Größe? Diese 98,5 % werden durch viele Kontrollen, Nacharbeit und nach Abzug von mehreren Prozent Ausschuss in der Wertschöpfungskette erreicht. Der „wahre“ Wert der Güte bei einer komplexen Prozesskette über 10–30 Bearbeitungsstufen und Prozessschritten liegt bei diesen Unternehmen oft nur bei einem RTY von 85–95 %. Die Höhe der Kosten für diese „Nicht-Qualität“ wird auf 35–40 % geschätzt.
1.15.6 Infrastruktur im Unternehmen Six Sigma verlangt für alle Projekte eine klare Verbindung zu Kundenanforderungen, Unternehmenszielen und -strategie und weist eine dezidierte Struktur für die Definition
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und Umsetzung von Projekten auf. Die treibenden Kräfte hierfür sind ausgebildete Change Manager, die einen großen Teil ihrer Zeit damit verbringen, Prozesse und Vorgehensweisen grundsätzlich zu ändern um die Ziele zu erreichen. Die Champions bereiten auf Führungsebene das Feld vor, indem potenzielle Konflikte und Barrieren bearbeitet werden. Master Black Belts und Black Belts erreichen durch effektive und effiziente Projektarbeit und durch den Einsatz von ausgereiften Analysemethoden die Projektziele und werden durch Green Belts und Yellow Belts bei dieser Arbeit unterstützt. Die Wortverbindung zu den Kampfsportarten zeugt von der Disziplin und Konsequenz, mit der gearbeitet werden soll. Als weitere wichtige Unterstützung wird Software für die Prozessanalyse, statistische Analyse sowie Simulation genutzt, dies erleichtert und beschleunigt das Verständnis für die Ursachen enorm.
1.15.7 Methodeneinsatz Six Sigma nutzt bekannte Methoden in einer konzertierten Vorgehensweise. Der gemeinsame Six Sigma-Sprachgebrauch und das Verständnis über die Inhalte der Methoden bei allen Mitwirkenden im Unternehmen und auch bei Lieferanten und Kunden erspart viel Zeit. Nach der Lernphase bei den ersten Projekten erreicht das eingespielte Team Ergebnisse oft in wenigen Tagen, wofür früher Wochen oder Monate vergangen sind (Tab. 1.4). Da Ergebnispräsentationen von Six Sigma-Projekten in Unternehmen oft in standardisierter Form dargestellt werden, wird auch hier wertvolle Zeit bei der Führung eingespart.
1.15.8 Softwareeinsatz Im Rahmen von Six Sigma verwenden wir drei Arten von Software. Für die Projektdokumentation und -präsentation wird im Regelfall auf Standardsoftware wie MS-Office mit Powerpoint, Excel und Word zurückgegriffen. Die statistische Analyse nutzt MINITAB, Statistika und DesignExpert. Für die Prozessanalyse und -verbesserung werden Programme wie igrafx, SigmaFLOW, Add-Ins zu Visio und spezifische Anwendungen für z. B. die FMEA oder QFD verwendet.
1.15.9 Führung und Probleme bei der Einführung Bei der Einführung von Six Sigma gibt es wie bei anderen Initiativen viele Stolpersteine. Aus unserer Erfahrung sind drei wichtige Erfolgsfaktoren im Mittelstand oft zu wenig berücksichtigt. Dies sind die zeitliche Verfügbarkeit der Green und Black Belts, das aktive Mitwirken der Führung (vgl. Kap. 1.23.2 Veränderungsmanagement) und die permanente Weiterbildung und Mitarbeiterentwicklung. Idealerweise arbeiten die Black Belts in Vollzeit an den Projekten und die Green Belts je nach Komplexität und Projektumfang zu 20–50 % der Arbeitszeit. In der Realität sind diese Zeiten oft nicht eingeplant und die
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Tab. 1.4 Six Sigma Phasen mit ihren Aktivitäten und den eingesetzten Methoden und Werkzeugen Phase Aktivität und Ergebnis Beispiele für Werkzeuge Define
Definieren von Problem, Ziel, Projektvorgehen, Einflussfaktoren und geplanten Aktivitäten
Measure
Messen und Verifizieren des bestehenden Systems
Analyze
Analysieren und Verstehen des Systems und der Ursachen für die Abweichung zum Soll-Zustand
Improve
Das System verbessern
Control
Das verbesserte System steuern und überwachen
SIPOC (Prozessabgrenzung) VOC (Stimme des Kunden) Y = f (x, …), Variablen sammeln Ursachen-Wirkungs-Matrix CTQs (kritische Faktoren) Projektplan, Projekt Charter Stakeholderanalyse Messplan Messsystemanalyse (MSA) Datenerfassung Datendarstellung Prozessanalyse Valuestream Maps Hypothesentests, ANOVA Korrelation Regressionsanalyse Multivariate Analyse FMEA DOE Kreativitätswerkzeuge DOE (Design of Experiments) TRIZ (Theorie der innovativen Problemlösung) Simulationen Prototypen Poka-Yoke QFD (Quality Function Deployment) Toleranzanalysen Zuverlässigkeitsprüfungen SPC, Controlcharts Prozessfähigkeit Prozessdokumentation Reviews Projektabschluss
Projekte kommen in Verzug. Die Führungskräfte oder Champions nehmen ihre Aufgabe oft nicht ernst genug. Entscheidungen für die Projektauswahl sind nicht gut vorbereitet, Konflikte zwischen Abteilungen werden nicht frühzeitig angesprochen oder sogar absichtlich übergangen. Die Motivation der Projektmitglieder durch die Führung in Form von Interesse, Präsenz und Kommunikation lässt zu wünschen übrig. Der letzte entscheidende Faktor ist die nachhaltige Entwicklung der Unternehmenskultur und der Mitarbeiter. Dies darf neben den kurzfristigen Erfolgen von Six Sigma nicht vergessen werden.
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1.15.10 Aussichten von Six Sigma Es wird sich zeigen, ob sich der positive Trend von Six Sigma, DFSS und TRIZ („Theory of Inventive Problem Solving“, dt. die „Theorie des erfinderischen Problemlösens“) in den kommenden Jahren noch weiter entwickelt. Das Maß der Bedeutung dieser Methoden und ihrer Inhalte wird jedoch noch zunehmen. Unternehmen, die nicht gezielt mit diesen Methoden in einem integrierten Managementsystem arbeiten, werden keine realistische Wettbewerbschance gegenüber den systematischen Anwendern haben. Integration von Six Sigma und TRIZ ist ein sehr aktuelles Thema. Insbesondere die Einbindung von TRIZ in der Define und Improve Phase und DFSS kann den Erfolg nochmals beschleunigen. Ein Lehrer von mir, Dr. Edward Deming, hat einen wichtigen Satz formuliert, der alles aussagt: „You don´t have to do it, survival is not compulsory!“
1.16 CAQ-Systeme – Computergestütztes Qualitätsmanagement Michael Thews CAQ (von engl. Computer Aided Quality Management) steht für computergestütztes Qualitätsmanagement und stellt für ein Unternehmen eine unverzichtbare Hilfe bei der Umsetzung von Qualitätsmanagementmethoden wie TQM und Six Sigma dar. CAQ-Systeme erfassen, analysieren, dokumentieren und archivieren qualitätsrelevante Daten zu Prozessen der industriellen Fertigung und ermöglichen die computergestützte Durchführung von Tätigkeiten, Verfahren und Methoden des Qualitätsmanagements (Qualitätsplanung, Qualitätslenkung, Qualitätsprüfung und Qualitätsmanagementdarlegung).
1.16.1 Grundlagen von CAQ-Management Die Analyse, Dokumentation und Archivierung qualitätsrelevanter Daten ist für Unternehmen zur Minimierung der Risiken nach dem Produkthaftungsgesetz von sehr großer Bedeutung. Die Verknüpfung von Qualitätsdaten mit der Reklamationsbearbeitung und der FMEA (Fehlermöglichkeit- und Einflussanalyse) als Konstruktionsunterstützung kann zudem zu einer deutlichen Kostenreduzierung führen. CAQ ist eine entscheidende Hilfe und strategisches Werkzeug bei der Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems nach Qualitätsnormen wie DIN ISO 9000 f.f. und ISO/TS 16949. CAQ-Systeme nutzen statistische Methoden zur Ermittlung von Kennzahlen, welche dem frühzeitigen Erkennen und Lokalisieren von möglichen Abweichungen dienen. Dadurch können Entscheidungen schneller und effizienter durchgeführt werden. Der Einsatz von CAQ ermöglicht somit präventive Fehlervermeidung, Verringerung von Ausschuss, Nacharbeit und Reklamationen, ein besseres Prozessverständnis, eine sichere Dokumentlenkung etc. Durch die Transparenz aller Vorgänge und die rasche Behebung von Fehlern mittels umfangreicher Auswertefunktionen werden die Qualität der Produkte
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Tab. 1.5 Typische Module eines CAQ-Systems Q-Planung Q-Lenkung Q-Prüfung APQP (Vorausschauende Qualitätsplanung) FMEA (Fehlermöglichkeit- und Einflussanalyse) Control Plan Prüfplanung
QM-Darlegung
Reklamationsmanagement
Wareneingangskontrolle
QM-Systemdoku mentation
Dokumentenmanagement
Warenausgangskontrolle
Prozesslandschaft
Prüfmittelmanagement SPC (statistische Prozessregelung) LieferantenmanageLIMS ment (Laborinformationsmanagementsystem) Maßnahmenmanagement KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess)
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und die Kenntnis über die Produkt- und Prozessqualität verbessert. Dies bildet wiederum die Grundlage für Maßnahmen zur Prozessoptimierung und eröffnet damit Potenziale zur Kosteneinsparung. Mit einem CAQ-System wird dem Management ein Instrument an die Hand gegeben, welches jederzeit umfassende Informationen über die gesamte Qualitätslage im Unternehmen bietet. Im Gegensatz zu den 90er-Jahren, als ein CAQ-System lediglich ein nützliches Hilfsmittel war, ist es heutzutage eine Notwendigkeit, da das zur effektiven Prozesslenkung notwendige Datenmaterial zu umfangreich ist und ohne Computereinsatz nicht zu verarbeiten wäre. Man kann sogar soweit gehen und sagen, dass erst durch CAQ die Schaffung und Erhaltung von Qualität innerhalb einer komplexen industriellen Fertigung rationell und somit kostengünstig möglich ist. Die Anforderungen, die an ein Unternehmen bezüglich der Qualitätssicherung und der Archivierung von Qualitätsdaten gestellt werden, sind heute sehr umfangreich. Als Beispiel sei hier exemplarisch die Chargenrückverfolgung genannt, d. h. die lückenlose Dokumentation und Rückverfolgbarkeit der Herstellungshistorie eines Teiles, der eingesetzten Prüfmittel sowie der verarbeiteten Materialien und deren Verwendung. Ohne den Einsatz von CAQ wäre die spätere Chargenrückverfolgung im Reklamations- bzw. Produkthaftungsfall nur mit sehr hohem personellem und damit kostenintensivem Aufwand möglich (Tab. 1.5).
1.16.2 CAQ-Systeme in der Praxis Die überwiegende Mehrheit der Industrieunternehmen setzt heute CAQ-Systeme zur Schaffung, Erhaltung und kontinuierlichen Verbesserung von Qualität ein. In der Vergangenheit wurden häufig selbst entwickelte Programme eingesetzt, während der Trend heute eindeutig zum Einsatz von Standardsoftware geht, also zu modularen Computerprogrammen, welche von spezialisierten CAQ-Systemhäusern angeboten werden. Der Vorteil
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einer Standardsoftware liegt in der permanenten Weiterentwicklung und Pflege durch die professionellen Entwickler eines Systemhauses – auch und gerade in Hinsicht auf die stetig steigenden Anforderungen der Qualitätsnormen. Eigenentwicklungen sind in der Regel deutlich teurer und weniger flexibel, da sie nur für ein einziges anwendendes Unternehmen entwickelt werden und damit hochindividuelle Insellösungen darstellen. Standardsoftwarelösungen verfügen zudem über Schnittstellen zu übergeordneten ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning) wie SAP R/3 und ermöglichen den Austausch von Stammdaten und Prüfaufträgen sowie die automatisierte Rückmeldung von Prüfergebnissen und Verwendungsentscheiden. Der Automobilhersteller BMW nutzt beispielsweise in seinen Produktionswerken in München, Dingolfing, Augsburg und Leipzig die Standardsoftware QDA (QualitätsDaten-Analyse), das CAQ-System des Lübecker CAQ-Systemhauses ddw, für die Fertigung seiner Fahrzeuge. BMW entschied sich für QDA, da es sich nahtlos in vorhandene Prozesse und IT-Infrastrukturen integrieren lässt und über eine leicht zu erlernende intuitive Benutzeroberfläche verfügt. Ein besonderes Merkmal des Systems ist die integrierte Skript-Programmiersprache QDA-Skript, welche die Anpassung der Standardsoftware an die individuellen Anforderungen eines Unternehmens gestattet. Ziel des CAQ-Einsatzes bei BMW war es, beim Anlauf einer neuen Baureihe die Produktionsprozesse so schnell wie möglich „in den Griff“ zu bekommen, da ein späteres Korrigieren während der Serienproduktion mit sehr hohen Kosten verbunden ist. Während der Serienproduktion ist das CAQ-System wiederum zentrales Planungs- und Kontrollinstrument zur Überwachung der Stabilität und Reproduzierbarkeit der Produktionsprozesse (Prozessfähigkeit). Maßgebliche Entscheidungsgrundlage für den Einsatz eines CAQ-Systems bei BMW war die Erkenntnis, dass die abteilungs- und werksübergreifende Nutzung eines einheitlichen Systems zur Erfassung und Auswertung von Qualitätsdaten in der Fertigung administrative und manuelle Aufwendungen deutlich reduziert und damit Zeit und Kosten gesenkt werden. Je früher die systematische Erfassung und Auswertung von Qualitätsdaten erfolgt, desto mehr Kosten können eingespart werden. Daher nutzt BMW das CAQSystem QDA bereits zu Beginn der Prototypenphase, um ausgehend von CAD-Konstruktionszeichnungen (Computer Aided Design) Prüfpläne zur einheitlichen messtechnischen Erfassung von Funktionsmaßen (Bauteilmaße, welche das fehlerfreie Funktionieren einer Baugruppe sicherstellen) zu generieren. Die systematische Planung sichert eine Vergleichbarkeit der Messergebnisse in allen Phasen der Produktion (Prototyp, Nullserie, Serienproduktion). Die Qualität der Messdaten ist somit unabhängig vom Einfluss des jeweiligen Prüfers, da immer an den gleichen Positionen des Bauteiles, mit dem passenden Messmittel, auf die gleiche Art und Weise gemessen wird. Anhand der Toleranzen für jedes Produktmerkmal (z. B. Durchmesser, Länge, Radius etc.), welche im CAQ-System gespeichert sind, entscheidet die Software unmittelbar nach der Messung, ob die Spezifikation eingehalten wurde. Der Prüfer sieht auf dem Computerbildschirm eine Konstruktionszeichnung bzw. ein Foto des zu messenden Merkmals zur Orientierung und kann während der Messung den Messwert in Form einer Balkengrafik oder Regelkarte beobachten. Tritt eine Toleranzverletzung auf, wird der Prüfer vom CAQ-System mittels eines
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optischen und akustischen Signals alarmiert und zur Eingabe des Problems, der Ursache und einer Korrekturmaßnahme aufgefordert. Bei kritischen Fehlern kann parallel auch der zuständige Bereichsleiter per E-Mail informiert werden. Die durchgängige Nutzung des gleichen Systems in Forschung & Entwicklung, Konstruktion, Qualitätssicherung, Betriebsmittelbau, Arbeitsvorbereitung, Produktion, Audit etc. beschleunigt zudem die Kommunikation und damit das zügige Lokalisieren und Beseitigen von Fehlerquellen. Beispielsweise können Prüfergebnisse aus der Montage mit den Daten aus dem Bereich des Rohbaus verglichen werden. Da beide Fertigungsbereiche das CAQ-System nutzen, können mithilfe der Software dann sehr einfach alle relevanten Messdaten zusammengeführt, visualisiert und gemeinsam ausgewertet werden. Durch die systematische Messung und Analyse von Qualitätsdaten innerhalb derselben CAQ-Datenbank kann BMW Abweichungen bereichsübergreifend lokalisieren und neue Problemkreise identifizieren, was vor der Nutzung von CAQ nur mit großem manuellem Aufwand möglich war. Aufgrund der schnelleren Identifikation der Problemkreise werden neben den Nacharbeitskosten auch später anfallende Qualitätskosten deutlich verringert. Korrekturmaßnahmen werden im CAQ-System mit Status und Termin erfasst, per E-Mail versandt und die Abarbeitung bis zur Erfolgsmeldung verfolgt. Die Auswertungen der Messdaten aus den unterschiedlichen Fertigungsbereichen werden mithilfe von QDA automatisch im Intranet veröffentlich und dort allen betroffenen Abteilungen zur Verfügung gestellt. Die Darstellung im Intranet wird unmittelbar nach der Erfassung der Messdaten aktualisiert. Dabei ist es unerheblich, ob die Messdaten z. B. von einem Messschieber, einer 3D-Koordinatenmessmaschine oder einer Messvorrichtung stammen. Das beschriebene CAQ-System besitzt im Gegensatz zu MRP- oder ERP-Systemen, wie SAP R/3 frei konfigurierbare offene Schnittstellen zu Messsystemen jeglicher Art und hoch optimierte Echtzeit-Qualitätsanalysen, welche ein schnelles Eingreifen schon während der Produktion zum Zweck der Prozessregelung ermöglichen. Somit dient das CAQ-System allen Bereichen der Fertigung als einheitliches Kommunikationsmedium und Werkzeug zur Prozessoptimierung. In Zukunft werden große Unternehmen ihre CAQ-Systeme standortübergreifend vernetzten, um Qualitätsdaten vergleichen zu können und bei der Entwicklung neuer Produkte durch Nutzung der so entstehenden Wissensdatenbanken Fehler bereits in der Konstruktionsphase vermeiden zu können. Lieferanten und Kunden werden über das Internet integriert und so z. B. das Projekt-, Lieferanten- und Reklamationsmanagement deutlich beschleunigt. Festzuhalten bleibt, dass der Einsatz eines CAQ-Systems viele Vorteile bietet. Durch die Transparenz aller Vorgänge und die rasche Behebung von Fehlern durch die umfangreichen Auswertefunktionen wird die Qualität der Produkte nachhaltig verbessert. Eine Folge der Qualitätsoptimierung ist eine einhergehende Kostenreduzierung. Deutlich wird auch, dass die Qualitätsverbesserung am Anfang des Prozesses stehen muss, was durch den Einsatz eines CAQ-Systems unterstützt wird. Ein modernes und zukunftsorientiertes Unternehmen kann und sollte auf den Einsatz eines CAQ-Systems nicht verzichten (Abb. 1.33).
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Abb. 1.33 Visualisierung von Messdaten im BMW-Intranet mit dem CAQ-System QDA. (Quelle: ddw GmbH)
1.17 Prozessorientierung – Ursachen ermitteln, statt Symptome beheben Philipp Dickmann Materialfluss ist maßgeblich bestimmt von Kosten- und Qualitätsentscheidungen. Ein mangelhafter Qualitätsstandard, sowie mangelnde Qualität der Prozesse verhindern einen hochwertigen konkurrenzfähigen Materialfluss bzw. Produktion. Ein wesentlicher Bau-
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stein des TPS ist die Prozessorientierung, die im Gegensatz zu den aus den USA zu uns gekommenen Konzepten der einseitigen Ergebnisorientierung steht. Prozessorientierung basiert auf Prävention anstatt auf der zum Teil einseitig, kurzfristig und stark kostenorientierten Methode der Ergebnisorientierung. Sie betrachtet jede einzelne Disziplin oder jeden Bereich für sich, mit einer Reduzierung der Ergebnisse auf einfache Kennzahlen. Das Resultat ist eine auf die eigenen Gruppen bezogene Interessenlage mit der Folge einseitig abteilungs- oder bereichsorientierter Problemlösungen. Interdisziplinäre Problemstellungen benötigen jedoch übergreifende Lösungskompetenz und Verantwortung. Einseitige Zielorientierung fördert zudem die Entstehung von reaktiven, also nachträglich wirkenden Maßnahmen und führt dadurch indirekt zur Zunahme der Gemeinkosten in den Unternehmen. Die Kennzahlen erlauben vielfach keinen eindeutigen Rückschluss auf die Qualität der zugrunde liegenden Prozesse, deren Verbesserung zur Optimierung der Kosten führt. Standards, Verbesserungsrad, Poka Yoke oder Kaizen sind sehr effiziente Mittel, Prozesse zu optimieren. Zielorientierte Methoden sind unter anderem die Basis jeglichen ingenieurmäßigen Projektmanagements, müssen aber ausgewogen eingesetzt werden. Mit einer Mischung aus Ziel- und Prozessorientierung lassen sich die Vorteile beider Ansätze sinnvoll ergänzen.
1.17.1 Prozessorientierung – ein Element des Toyota Produktionssystems (TPS) T. C. Ohno setzt im TPS auf die Logik, dass mit Prozessoptimierung beiläufig eine Preisoptimierung erreicht wird. Betriebswirtschaftlich betrachtet führt nur das permanente Streben nach Kostenreduzierung zwangsläufig zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit. Dabei werden die Kosten bei komplexen Vorgängen nicht umfassend, sondern nur sehr vereinfacht und kurzfristig zeitbezogen zugeordnet. Das Grundprinzip der Prozessorientierung ist die grundsätzliche Fehlervermeidung, während Ergebnisorientierung möglichst schnell auf Fehler reagieren will. Fehler müssen nach ihrem Auftreten möglichst schnell erkannt, dokumentiert, berichtet, Abstellmaßnahmen definiert, entschieden und letztlich behoben werden. Prozessorientierung verifiziert im Vorfeld Abläufe und praxisnahe Fakten (z. B. Softfacts, wie ein distanziertes Verhalten eines Lieferanten) und reagiert dezentral und selbstständig, bevor es zu einem Problem kommt. Einseitige unausgeglichene Zielorientierung führt zu einem enormen Zuwachs an vielfältigen indirekten Tätigkeiten und Komplexität. Der Ansatz, möglichst alles systematisch messen, kontrollieren und zentral steuern zu wollen, führt zu einer nur scheinbaren Sicherheit. Die Unterschiede werden deutlich, vergleicht man die Philosophie der „Deutschen Wertarbeit“ mit modernen komplexen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Prozessorientierung kann Zielorientierung nicht ersetzen, aber perfekt ergänzen. Zielorientiertes Management am Beispiel Einkauf Der zielorientierte Manager geht davon aus, dass er unmittelbar Ziele vorgibt und deren Erreichen kontrolliert. Der Weg der Zielerreichung ist dabei nicht wesentlich. Der Fokus
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liegt auf exakt messbaren und objektiven Kennzahlen, möglichst in Geldwerten. Diese Methode ist der betriebswirtschaftlichen Philosophie entsprungen und in nahezu jedem Controlling-Tool, MRP- oder ERP-System implementiert. Unbewusst wird vielfach in Kauf genommen, dass diese „Hardfacts“ nur scheinbar fundiert sind. Physikalische Fehlerraten im Hintergrund, die keine oder nur sehr grobe Aussagewerte erlauben, werden selten hinterfragt. Ein typisches Beispiel für Defizite in zielorientierten Managements bietet das weit verbreitete Verständnis einer klassischen Lieferantenanbindung. Eine hohe technische Anforderung wird zu einem geringen Preis in einem verbindlichen Rahmen definiert, im Glauben, damit ein optimales Ergebnis zu erreichen – ein Trugschluss. Zielorientierte Methoden bewirken eine frühzeitige Fixierung von Rahmenbedingung, z. B. Preis, Umfang etc., die dann später eingehalten werden müssen. Das Risiko liegt beim Lieferanten und betrifft den Kunden im üblichen Verständnis eigentlich nicht. Dies hat zur Folge, dass der Lieferant Sicherheiten einbauen muss, damit er keine Kostenunterdeckung zu befürchten hat. In Verhandlungen strebt der Kunde an, diese Sicherheiten zu eliminieren. Letztlich sind die Sicherheiten aufgrund der Prognose des Preises und der Unwägbarkeiten als „Überlebensstrategie“ aber tatsächlich notwendig und gerechtfertigt. Prozessorientiertes Management am Beispiel Einkauf Die prozessorientierte Managementmethode argumentiert hier völlig anders. Sie geht davon aus, dass bei optimalen Prozessen automatisch optimale Ergebnisse erzielt werden. Der Fokus wird auf eine detaillierte Zusammenarbeit gelegt, bei der die Prozesse in Kooperation umfassend optimiert werden. Dabei werden in vielen Fällen Softfacts zur Bewertung herangezogen. Softfacts, wie die Motivation des Lieferanten, sind bestimmende Faktoren, die weniger leicht quantifizierbar und nicht mit einfachen, aus der EDV ermittelbaren Werten darstellbar sind. Dies wird vielfach als Nachteil empfunden, denn gerade bei der Ermittlung der Softfacts ist eine hohe Nähe zur operativen Tätigkeit unabdingbar. Dies fordert eine deutlich höhere interdisziplinäre, mit Softfacts behaftete Persönlichkeitsstruktur der Mitarbeiter. Zu den Softfacts gehören unter anderem kulturelle Identität, Werte, Ethik, Umgangsformen, Erziehung und Verhalten. Die kompetente und realitätsnahe Auseinandersetzung mit wertschöpfungsnahen Prozessen führt zu einer schnellen und unkomplizierten Ermittlung der Zusammenhänge. Vorhandene Eindrücke und Erfahrungen können abgefragt und klassifiziert werden. Am Beispiel Einkauf sieht man: Der Prozess wird detaillierter und interdisziplinärer bezogen auf die tatsächlichen Bedürfnisse des Kunden analysiert und optimiert. Unnötige Nebenleistungen, die bei der Differenzierung der Prozesse erkannt wurden, werden eliminiert. Es entsteht eine tatsächliche Kosteneinsparung in den Prozessen, jedoch nicht in den benötigten Leistungen, da diese detaillierter hinterfragt und Risiko dadurch abgesichert wird. Ein anderer Aspekt ist die Übernahme einer Teilverantwortung durch den Kunden, die im ersten Schritt den Nachteil der Verbindlichkeit nach sich zieht. Sie ermöglicht die Einsparung von kalkulierten Sicherheiten seitens des Lieferanten und erspart dadurch dem Kunden Kosten. Da die Kostenfindung erst nach diesen detaillierten Analysen stattfindet, entfällt ein weiteres Risiko für den Lieferanten. Auch hierdurch werden bessere Konditionen möglich. In der Summe wird die Entscheidung auf Prozessebene mit mehr Aufwand besser abgesichert und klarer kom-
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muniziert. In Relation zu zielorientierten Methoden entstehen daher klare Kostenvorteile mit weniger Risiken für den Kunden. Mit seiner Auswirkung auf die Qualität und Kosten der Zulieferer war dieser grundlegend andere Ansatz maßgeblich für den Erfolg des TPS verantwortlich. Qualitätskostenentwicklung als Folge der Managementmethoden Ein hervorragendes Beispiel für das Prinzip der Prozessorientierung, ist das Prädikat „Deutsche Wertarbeit“. Es beinhaltet den Anspruch, hochwertige Prozesse und damit Produkte zu erzeugen. Dieser Strategie verdankt die deutsche Wirtschaft selbst heute noch einen gehörigen Anteil ihres Erfolgs. In der Nachkriegszeit war dieses Konzept einer der Mitverursacher des Wirtschaftswunders. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Philosophie hinter dem Begriff „Deutsche Wertarbeit“ vor allem von auf Shareholder Value-Philosophie basierenden und anderen kurzfristig gewinnorientierten Philosophien verdrängt. Unter der Aussicht auf stetig hohe Renditen bzw. hohe Kurse, wird den Eigentümern vielfach das Risiko von „Soft-Kapital“ nicht bewusst. Unter „Soft-Kapital“ sind Investitionen zu verstehen, die für zukünftige Renditen entscheidend sind, aber in der Bilanz oder bei Kostenbetrachtungen nicht explizit zugeordnet werden. Ein Beispiel ist eine hohe Prozessqualität, die durch jahrelanges Training oder Weiterentwicklung von Anlagen entsteht, also langjährige Investitionen voraussetzt. Eine negative Folge der Ergebnisorientierung tritt etwa bei nicht abgestimmter Reduzierung von Einkaufspreisen auf. Nicht selten führen solche „Einsparungen“ zur Verschlechterung der Qualität, in den Prozessen, beim Lieferanten und beim Kunden. Später müssen Fehlteile und Schäden durch nachgeschaltete zusätzliche Prozesse aufgefangen werden. Um ein gleiches Qualitätsniveau zu erreichen, ist ein sehr viel höherer Aufwand nötig. Die indirekten Kosten zur Sicherung einer annähernd gleichbleibenden Qualität nehmen zeitlich versetzt und an einer Vielzahl von Positionen zu. Hinzu kommt, dass durch Prüfungen prinzipiell nur teilweise fehlerhafte Teile gefunden werden können, während ein Prozess mit hoher Prozessfähigkeit kontinuierlich hohe Qualität gewährleistet. Um der Spirale der Gemeinkosten zu entkommen, empfiehlt sich das Konzept der dezentralen, prozessorientierten und präventiven Fehlervermeidung (vgl. Kap. 1.13 Poka Yoke). Die Erfolgskontrollen werden umfassend zeitnah am Ort der Herstellung sichergestellt. In der Summe ist in prozessorientierten Systemen sehr wenig Aufwand zum Sicherstellen der Qualität notwendig, in Relation zu den vielfältigen, vor allem indirekten Zusatztätigkeiten bei zielorientiertem Vorgehen.
1.17.2 Wachstum der indirekten Bereiche durch Ergebnisorientierung Die Notwendigkeit eines umfassenden Verständnisses für die Zwänge der operativen Mitarbeiter und die Nähe zum Herstellort ist Teil des Selbstverständnisses, das bei klein- und mittelständischen Unternehmen vorherrscht. In der Managementstrategie in Konzernstrukturen besitzt dieses Gedankengut untergeordnete Priorität. Vor allem im Kontext der Ausrichtung an zielorientierten Managementstrategien erscheinen diese Softfacts kaum
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konkurrenzfähig. Anstelle dessen werden zur Verdeutlichung aller Zahlen und Fakten vielfältige zusätzliche Strukturen geschaffen, deren Aufgabe in der Analyse und Visualisierung der Realität liegt. Daten zu erfassen und zu präsentieren nimmt in Unternehmen einen immer größeren Stellenwert und Zeitanteil ein. Distanz zur produktiven Ebene – Gemba-Orientierung Der zunehmende Einsatz von IT und die Steigerung der Komplexität der Organisationsstrukturen sind nicht allein in der Kommunikationsgesellschaft begründet. Selektionsdruck und die zunehmend große Distanz des Managements, also der Entscheidungsebene, zur produktiven Ebene sind weitere Hauptursachen. Interdisziplinäres Verständnis nimmt ab Durch die starke Spezialisierung und eine zunehmende Arbeitsteiligkeit nehmen das interdisziplinäre Verständnis und das Wissen um die realen operativen Produktionsprozesse im gesamten Unternehmen zwangsweise ab. Der Gemeinkostenblock, welcher zur Erfassung, Analyse der Entwicklung und Visualisierung der Ergebnisse in Unternehmen nötig ist, nimmt durch die steigende Komplexität der Firmenstruktur drastisch zu. Die Darstellung des Zustands eines Systems durch ausgewählte Zahlen zeigt immer nur eine Momentaufnahme der dahinter verborgenen Vorgänge und Prozesse. Eine Veränderung der Kennzahlen führt, aufgrund der fehlenden Kenntnisse der detaillierten Einflussgrößen und ihrer Eigenschaften tendenziell zu Fehlentscheidungen. Eine Verringerung der Distanz der „Entscheider“ zur direkten Wertschöpfung führt zu einer Erhöhung der Transparenz der wertschöpfungsnahen Vorgänge im Unternehmen. Mit einer gleichzeitigen intensiven Vermittlung fundierter interdisziplinärer Kompetenz kann nachhaltig eine Reduzierung des Folgeaufwands erreicht werden, während nebenbei die Qualität der Entscheidungen zunimmt. Unentbehrlichkeits-Strategien Ein anderes Resultat der einseitigen Zielorientierung oder des Kostendrucks sind Ausweichstrategien, mit denen sich Mitarbeiter in bürokratischen Strukturen unentbehrlich machen. Fehlende Transparenz wird als K.O.-Kriterium geschaffen. Komplexität wird gleichsam als „Schutzschild“ gegen Ergebnisorientierung und oberflächlichen Kostendruck verwendet. So werden z. B. durch hohe Automation Spezialisten unersetzbar. Es werden komplexe Strukturen und Abläufe geschaffen, die nur durch sehr lange Erfahrung handhabbar sind. Umfangreiche EDV-Lösungen, die sich nicht an optimalen einfachen Prozessen orientieren, sondern vorhandene Probleme nur abbilden, können ebenfalls als Ausweichstrategie angewendet werden. Wertanalyse, Outsourcing oder Preisorientierung, die unausgewogen angewandt werden, verursachen indirekt Strukturen und Investitionen, die zu einer enormen Dogmatisierung von komplexen Abläufen führen. Eine Erhöhung des Anteils nicht wertschöpfender Prozesse ist die Folge. Eine sich selbst beschleunigende Spirale des Wachstums an indirekten Strukturen wird in Gang gesetzt. Prozessorientierung kann hier eindeutig helfen, diese negative Entwicklung einseitiger Ziel- und Kostenorientierung zu kompensieren.
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Abb. 1.34 Das Deming Verbesserungsrad mit dem PDAC-Zyklus (Plan-Do-Act-Challenge)
1.17.3 Prozessoptimierungsstrategien Kaizen und Poka Yoke bieten ein umfassendes Portfolio an Maßnahmen, die zur kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen führen. In den Projekten wird hierzu das Verbesserungsrad (oder auch „Shewhart cycle“ bzw. Deming-Kreis [Demi 47]) der ständigen Verbesserung angewandt (Abb. 1.34). Mit Standards Innovationen kanalisieren Ein Leitmotiv von Lean Production ist die Strategie, mit kontinuierlich verbesserten Standards zu arbeiten. Der Standard wird im Deming-Kreis als „Keil“ symbolisiert, der verhindert, dass es wieder bergab geht. Im Kreislauf werden Standards definiert und Verbesserungen angestrebt, aus welchen nach Verifikation wieder neue Standards werden. Viele Menschen empfinden Standards, also Regeln oder Spielregeln, als beengend und altmodisch. Aus der Spieltheorie [Neum 44] wissen wir aber, dass nur dann der maximale Erfolg in einem System erzielt werden kann, wenn sich alle an die abgestimmten Spielregeln halten. Worin liegen die Schwierigkeiten der Menschen, vorwiegend in der modernen westlichen Welt, sich Regeln unterzuordnen? Standards oder Regeln bremsen unsere Neigung, ständig neue Dinge zu erfinden und uns unstetig zu verhalten. Sie werden als kontraproduktiv für Kreativität oder Innovationsfähigkeit gewertet. Ein anderer Aspekt der Regeln liegt in der Fremdbestimmung; man muss sich Normen unterordnen. Japan hingegen ist kulturell stark vom Konfuzianismus geprägt. Diese Ethik betont sehr stark die Notwendigkeit, sich an Regeln zu halten. Standards mögen als trivial, antiquiert oder formalistisch wirken, aber sie ermöglichen in großem Umfang, Ideen und Innovationen gerichtet zu kanalisieren (Abb. 1.35).
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Abb. 1.35 „Alle Mitarbeiter schieben, aber es bewegt sich nichts“
5W-Ursachenanalyse Bei Fehleranalyse mit der 5W-Methode wird jedes Problem fünf Mal mit der Frage „Warum?“ hinterfragt. 5W zielt vor allem auf das Beheben aller sichtbaren und verborgenen Ursachen. Es werden die tatsächlichen Ursachen ermittelt und nachhaltig abgestellt. Symptome zu retuschieren ist ohne Zweifel eine der größten und verbreitetsten Verschwendungsarten in modernen Unternehmen, da immense Kapazitäten und Gelder dafür aufgewendet werden. Die Methode der 5W nimmt die zentrale Rolle in der prozessorientierten Managementmethode ein. Sie ist vergleichbar mit der zentralen Frage nach der Zielerreichung bei zielorientierten Managementsystemen. Einfach und praxisorientiert TPS ist in einer Zeit entstanden, in der kaum aufwändige Präsentationen in Unternehmen üblich waren. Charakteristisch für TPS ist daher die Forderung, Verbesserungsideen nicht unnötig kompliziert zu diskutieren, bürokratisch zu präsentieren und wissenschaftlich endlos zu analysieren, sondern sie schlicht und einfach möglichst schnell und praxisnah zu testen. Folgender Leitsatz ist für wesentliche Eigenschaften prozessorientierter Methoden charakteristisch: Die Methode führt sehr schnell und pragmatisch zu vielen kleinen Verbesserungen und verursacht geringe Kosten. Tatsächlich ist diese Forderung in modernen, stark untergliederten Unternehmensstrukturen politisch nur schwer umsetzbar. Bottom-up-Prozess der Prozessoptimierung nutzen Es gilt, Kreativität und Innovationen in allen Ebenen anzuregen, zu verifizieren, zu koordinieren und umzusetzen, um das Unternehmen voranzubringen. Zielorientierte Managementmethoden sind Top-down orientiert. Oberstes Ziel ist, die vorgegebenen Ziele möglichst termingerecht umzusetzen. TPS als prozessorientierte Methode zeichnet sich durch das Verstehen der Ideen als Bottom-up-Recht, und nicht als „Top-down-Statussymbol“. Eine sehr viel größere Zahl an Innovationen wird deshalb umgesetzt und die Ent-
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wicklungsgeschwindigkeit nimmt enorm zu. TPS regt hier einen Bottom-up-Prozess an, bei dem vor allem die operativen und auf der produktionsnahen Ebene beschäftigten Mitarbeiter animiert werden, sich einzubringen. Die Effizienz und damit der „Hebel“ dieser Methode wird in der Wirtschaft enorm unterschätzt und bagatellisiert. T. C. Ohno verwendet gerne den Vergleich mit einem Sportteam: Eine Mannschaft, die nur automatisierte Spielzüge auf Kommando ausführt, wird kaum in Konkurrenz zu Mannschaften bestehen können, bei denen die Spieler Ideen gemeinsam im Team umsetzen.
1.18 Differenzierte Prozesskostenrechnung Philipp Dickmann, Eva Dickmann Mit der enormen Zunahme der Arbeitsteiligkeit und der Verschiebung der Arbeitsinhalte in indirekte Tätigkeiten hat sich der Kostenschwerpunkt von der Kostenstellenrechnung in die Gemeinkostenrechnung verschoben (Abb. 1.36). Mit klassischen Methoden der Kostenrechnung wird nur wenig Transparenz in den heute sehr hohen Gemeinkostenblock gebracht. Wie bei einem Eisberg ist nur der kleinste Teil offen sichtbar (Abb. 1.37). Trotzdem ist die Kostenrechnung die Basis für Preisfindung, Investitions-, Personal- und Einsparungsentscheidungen sowie für Outsourcing. Der Materialfluss und dessen Entwicklung sind extrem von der richtigen Analyse sowie Zuordnung zu den Kostenträgern abhängig. Die Kostenrechnung definiert, in welcher Kategorie ein Unternehmen tendenziell schneller bereit ist zu investieren, etwa in Personal, Fläche oder Automation. Kostenrechnung bestimmt unmittelbar die Rahmenbedingungen und operativen logistischen Entscheidungen des Materialflusses. Die verwendeten Kostensätze je Unternehmen, etwa
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Abb. 1.36 Verteilung direkter zu indirekter Kosten in mittelständischen Unternehmen oder Konzernen: Durch komplexe Anforderungen sind sehr große Unternehmensgebilde (Konzerne) entstanden. Die klassische Aufteilung (wie heute im Mittelstand) indirekter zu direkter Mitarbeiter hat sich stark in Richtung der indirekten Bereiche verschoben. Dieser große Gemeinkostenblock erfordert eine exakte Kostenbetrachtung, ansonsten besteht die Gefahr von Fehlentscheidungen. Die differenzierte Prozesskostenrechnung ermöglicht eine exaktere Verteilung der Gemeinkosten
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Abb. 1.37 Das Eisberg-Phänomen: Der Großteil des Eisbergs ist nicht sofort sichtbar – ähnlich verhält es sich mit den Gemeinkosten. Sie sind selten vollständig sichtbar oder zuordenbar und bilden daher ein sehr hohes Risiko
für Lagerbestand oder Störungen im Materialfluss, unterscheiden sich eminent und sind nicht immer mit unterschiedlichen Technologie- oder Personalkosten erklärbar. In vielen Unternehmen werden die Potenziale moderner Methoden der Materialflussoptimierung aufgrund fehlender Transparenz der Kosten nicht erkannt. Nicht selten profitieren beispielsweise Strategien mit großen Losgrößen von unvollständigen Kostenzuordnungen. Die richtige Verteilung der Kosten in komplexen Unternehmensstrukturen ist kompliziert und daher fehleranfällig. Stellenweise werden sogar trotz Prozesskostenrechnung Kosten falsch zugewiesen. Ein Beispiel hierfür sind variable Einflussgrößen. Langsamdreher (sich langsam umschlagende Materialien) wie Ersatzteile, werden im Verhältnis zu Serienprodukten viel zu gering bewertet, mit der Folge einer falschen Ausrichtung der Unternehmensstrategien. Nur umfassende Arbeitsablaufstudien, wie Zeitstudien auf Basis einer Zeiterfassungssoftware, Wertstromanalysen oder der Methode der Valuecycle Analyse oder Optimierung [Lepr 03], führen zu fundierten interdisziplinären Informationen. Erst mithilfe solcher detaillierter Daten ist eine differenzierte Prozesskostenrechnung möglich.
1.18.1 Kostenrechnung Kostenrechnung entspringt der klassischen Buchhaltung und dient dem Zweck der systematischen Kostenplanung und Kostenkontrolle. Sie muss zudem den gesetzlichen Regelungen einer ordentlichen Buchführung genügen. Alle Geldströme und allgemeinen Werteströme müssen eindeutig nachvollziehbar dargestellt sein und ohne Fehlmengen reproduzierbar sein. Dieses Ziel ist aufgrund der physikalischen Fehlerrechnung als Annäherung zu verstehen. Es soll eine tatsächlich verbesserte Entwicklung des Unternehmens
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in der Zukunft erreicht werden. Das Controlling nutzt die Konten der Buchführung für Analysen, wobei die Daten vielfach zweckentfremdet werden, da sie unter vollständig anderen Gesichtspunkten entstanden und daher nur bedingt geeignet sind.
1.18.2 Komplexitätsproblem im „IT-Zeitalter“ Durch den Einsatz von Informationstechnologie (IT) ist es möglich geworden, „fehlerfreiere“ Daten zu erhalten, da Eingabe-, Rechen- sowie Übertragungsfehler vermieden werden können. Diese Entwicklung ermöglichte komplexe Kostenstrukturen mit einer riesigen Anzahl an Buchungen und Kostenstellen bei gleichzeitiger Reduzierung der Personalkosten in der operativen Buchhaltung. In modernen Konzernen führte dies zu einer extremen Detaillierung der Strukturen von Kostenstellen und Kostenträgern, andererseits aber auch zu wachsender Komplexität. Aufgrund der physikalischen Fehlerfortpflanzung und der zunehmenden interdisziplinären Komplexität nimmt die Fehlerhäufigkeit zu. Zur Verifikation von Fehlern ist umfangreiches Wissen der Betriebswirtschaftslehre, der Produktion, des Einkaufs und der IT notwendig. Verschiedenste Bedeutungen gleich gearteter Daten in MRP-Systemen führen zu Missverständnissen. Ein Beispiel hierfür sind die vielfältigen Preisangaben zu einem Produkt, wie sie heute in komfortablen MRP-Systemen üblich sind. Hohe Datenmengen und Komplexität, fehlende Transparenz und die vielfältigen Möglichkeiten der Manipulation sollten grundsätzlich einen sehr kritischen Umgang mit EDV-Systemen in Bezug auf Kosten zur Folge haben. Die Systeme werden jedoch in vielen Fällen als „Blackbox“ akzeptiert, und wegen der fehlenden Detailkenntnis entfällt zudem die Kontrolle der Schlüssigkeit der Daten. Die Kontrollaufgaben werden konzentriert auf Spezialisten, z. B. in Buchprüfung, Controlling, EDV oder beim Softwarehersteller. In der Summe sind vor allem in komplexen Konzernen nur sehr wenige Spezialisten vorhanden, welche die komplexen Daten auf Plausibilität überprüfen und Fehler finden können.
1.18.3 Prinzip der Standard-Prozesskostenrechnung Eine neue und moderne Variante der Plankostenrechnung ist die Zielkostenrechnung, die in Standard-Einzelkostenrechnung und die Prozesskostenrechnung gegliedert ist (Abb. 1.38). Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Kostenstrukturen sind dies notwendige Ergänzungen zur Voll- und Grenzkostenrechnung. Das wesentliche Merkmal dieser Konzepte liegt in der Abkehr von der kostenstellenbezogenen Betrachtungsweise zu einer stärker aktivitäts- oder arbeitsprozessbezogenen Sichtweise der direkten und indirekten Bereiche. Der wesentliche Unterschied zur sehr ähnlichen Einzelkostenrechnung ist die Berücksichtigung der leistungsbezogenen Einzelkosten. Die prozessbezogene Betrach-
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Kostenträgerrechnung Einzelkosten
Gemeinkosten
Grenzkostenrechnung
Fixe Kosten
Zeitplankostenrechnung
StandardEinzelkostenrechnung
Vollplankostenrechnung
Variable Kosten
StandardProzesskostenrechnung
Zielkostenrechnung Abb. 1.38 Übersicht der Kostenrechnungsmethoden. [Schie 03]
tungsweise erlaubt die Integration diffuser indirekter Kosten aus allen Bereichen. Verschiedenste variable und fixe Kosten werden als Teilprozesse in den Kostenstellen auf einen Prozess oder eine Tätigkeit bezogen und differenziert zugeordnet. Der Gemeinkostenblock im Unternehmen wird dadurch transparent und eine exakte Verteilung der Gemeinkostenzuschläge möglich. Zunächst sollen die Kostentreiber, die Haupteinflussfaktoren ausfindig gemacht werden, die für die Kostenentstehung verantwortlich sind [Schie 03]. Die Kostentreiber sind die bestimmenden Einflussgrößen dieser Rechenmethode, da ihre Maßgröße, d. h. ihre Häufigkeit oder Höhe, über das Maß der Zuschläge bestimmt. So ist z. B. die Anzahl der Wareneingangsprüfungen ein typischer Kostentreiber. Die Gemeinkosten werden dadurch nicht wie mit einer „Gießkanne“ auf alle Produkte aufgeteilt. Die Verteilung erfolgt vielmehr abhängig von Zeiten, den Einzelkostenzeitfaktoren oder der Häufigkeit der Vorgänge, beispielsweise aufgrund einer Arbeitsablaufstudie. Es werden u. a. die Gemeinkosten von Logistik, Einkauf, IT, Konstruktion, Qualität etc. differenziert verteilt. Der konkrete Ablauf ist einfach, so werden z. B. die Kosten für die Wareneingangsprüfung je nach Anzahl der Wareneingänge linear mit einem Faktor multipliziert und die Belastung je Produkt errechnet. Die Verrechnung der Zuschläge erfolgt für jeden einzelnen Prozess. Es entsteht ein klareres Bild über die Entstehung der Aufwendungen und damit der Kosten als in der üblichen Zuschlagskalkulation. In der operativen Arbeitsweise werden Hauptprozesse als Kostensammler definiert, auf welche die zugehörigen Kosten, z. B. Buchungsanzahl, zugeordnet werden können.
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1.18.4 Verifikation nicht konstanter Einflussfaktoren auf die Kostentreiber Die Vernachlässigung der Diversität der Einflussparameter kann jedoch zu einer fehlerhaften Klassifizierung der Kostentreiber führen. Die Verifikation der Einflussfaktoren im betrachteten Prozess darf nicht ohne die Ermittlung der Streuung erfolgen. Zeiten, Stückzahlen oder Häufigkeit müssen, bezogen auf die betroffenen Typen oder Produktfamilien, untersucht werden, da in der Praxis die Aufwendungen (und damit Kosten) für Prozesse sehr unterschiedlich sind (Abb. 1.39). Bei der Standardprozesskostenrechnung werden beispielsweise die Wareneingangsprüfungskosten typischerweise auf jeden Prozess jedes Produkts mit den gleichen Kosten aufgeschlagen. Entscheidend für den Aufwand ist jedoch, ob es sich um Erstmuster, aufwändige Muster für einen exotischen Kunden, einen Test, ein Produkt der Massenfertigung mit einer nur einfachen Überprüfung der Materialnummer oder im Extremfall um ein Produkt ohne Prüfung handelt. Grundsätzlich müssen die Aufwendungen differenziert und wesentliche Materialfamilien bzw. Prozessgruppen unterschieden werden. So werden in der Realität z. B. Serienprodukte im Vergleich zu langsam umschlagenden Ersatzteilen (Langsamdreher) extrem überhöht mit Gemein$XIZDQGIUGHQ:DUHQHLQJDQJXQG%HUHLWVWHOOXQJHLQHV/DQJVDPGUHKHUV]%6RQGHUHUVDW]WHLO :DUHQ DQQDKPH
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Abb. 1.39 Aufwand für Wareneingang und Bereitstellung am Arbeitsplatz bei Langsam- und Schnelldrehern [Lepr 01]: Typischerweise werden alle Wareneingänge gleichermaßen mit Kosten belastet. Dabei ist bei Langsamdrehern (z. B. bei Ersatzteile) bzw. Schnelldrehern (Serienteile) eine unterschiedliche Anzahl an Prozessschritten nötig. Tatsächlich kann der Aufwand (gerechtfertigte Kosten) bei Schnelldrehern je Teil um den Faktor der Bedarfsdifferenz (Bedarf Schnelldreher – Bedarf Langsamdreher, z. B. mehrere Tausend) geringer sein. Serienprozesse werden daher in der Standard-Prozesskostenrechnung überproportional belastet. Langsamdreher werden subventioniert
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Tab. 1.6 Vergleich eines typischen Aufwands bei Langsam- und Schnelldrehern (exemplarisches Beispiel) Schnelldreher (z. B. Großserienteile) Langsamdreher (z. B. Ersatzteile) Einkauf
Rahmenverträge oder ein Kontrakt Annuale Preisveränderung
Disposition
Weitgehend automatisiert oder optimierter Aufwand Nur ein Abruf nötig
Die Produktionsbedingungen bzw. Kosten müssen wiederholt ausgehandelt werden. Gegebenenfalls neuen Lieferanten akquirieren Langfristige Planung mit hohem Abstimmungsaufwand für die Bestellung Hoher Aufwand für Terminierung, Überwachung und Anpassung
kosten belastet. Sie werden proportional zur Anzahl der Lose mit Standardprozesskosten für Disposition, Einkauf, Qualität, Buchungen, Inventar, Warenbewegungen etc. belastet. Serienteile schlagen sich um den Faktor 100–1000 schneller um als Ersatzteile, d. h. die Kosten werden ebenfalls 100–1000 Mal häufiger auf diese Gruppen umgelegt. Dieser Effekt trifft in gleicher Weise für die Zuschlagskalkulation zu. Tatsächlich ist der Prozessaufwand je Auftrag bei Schnelldrehern (Materialien, die sich schnell umschlagen) überproportional geringer (Tab. 1.6). Die falsche Kostenzuordnung führt zu einer erheblichen Subventionierung von Langsamdrehern durch Schnelldreher. Die Auswirkung des Zeitversatzes zwischen Kostenursache und -wirkung wird ebenfalls häufig unterschätzt. Die Komplexität ist am Beispiel eines Lieferantenwechsels, zu einem billigeren Lieferanten mit schlechteren Qualitätsmerkmalen, einfach nachzuvollziehen. Die tatsächlichen Folgekosten sind aufgrund der diffusen Kostenverteilung und des Zeitversatzes (Monate bis Jahre) kaum vollständig zu ermitteln bzw. bei einer Validierung nicht vollständig den Ursachen zuordenbar. An dieser Stelle können nur einige der möglichen Folgekosten aufgelistet werden, die über die typischen einkaufs- und logistikrelevanten Kosten hinausgehen (vgl. Kap. 4.8.3 Lieferantenwechsel): • • • • • • • •
Zusätzliche präventive Aufwendungen zur Qualitätssicherung Qualitätsmängel in den Prozessen der nachfolgenden Produktionsstufen Höhere Anforderungen an Anlagen Fehlervermeidungsmaßnahmen entlang der Lieferkette Aufwendungen für Veränderungen in der IT Verschlechterung der Fertigproduktqualität Krisenmanagement bei Kunden und Lieferanten Intensivere Lieferantenbetreuung
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1.18.5 Konsequenzen von unberücksichtigten, nicht konstanten Einflussfaktoren – am Beispiel Großserienteil und Ersatzteil Die nachlässige Betrachtung von Kostentreibern kann zu weitreichenden, strategischen Fehlentscheidungen führen und Auswirkungen auf das Produktspektrum sowie auf die Produktions-, Beschaffungs- und Vertriebsstrategien eines Unternehmens haben: Großserienteil: • • • •
Sie müssen zu teuer verkauft werden, um vermeintlich wirtschaftlich zu sein. Im Preiskampf können dadurch Marktanteile verloren gehen. Produkte laufen aus wirtschaftlichen Gründen vorschnell aus. Kurze Entwicklungszeiten werden notwendig, da sich Kosten sonst nicht mehr umschlagen lassen. • Die Stundensätze sind scheinbar hoch. Im Benchmark schneiden Produktionsstandorte schlecht ab. • Outsourcing, Einstellung der Produktion oder der Schnelldreher ist die Konsequenz. Ersatzteil: • Ersatzteile werden in der Regel mit höheren Renditen geplant. Bei einem minimal um den Faktor 10–100 höheren Gemeinkostenzuschlag und Stundensatz würde die Grenze der Wirtschaftlichkeit deutlich anders liegen. Die meisten Ersatzteile wären damit nicht rentabel. • Auch Qualitätsprobleme werden ungerechtfertigt positiv als „Motor“ für Ersatzteilrenditen interpretiert. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass Qualitätsprobleme immer zu unzufriedenen Kunden und mittelfristig zu sinkendem Absatz führen. • Die Kosten für unwirtschaftliche Ersatzteile würden höhere Aufwendungen für die Verbesserung der Qualität in den Prozessen rechtfertigen. Unrentable Ersatzteile müssten vom Markt genommen werden. • Die Entwicklung technisch flexiblerer Ersatzteillösungen wäre eine zwingende wirtschaftliche Notwendigkeit.
Diese Fehlentwicklungen treffen in gleicher Weise auf andere Kostenrechnungstypen zu. Sie werden nicht erkannt, da sich die Summe der Quersubventionierungen ausgleicht. Viele Elemente moderner, schlanker Produktionsmethoden des TPS werden vielfach ähnlich benachteiligt, z. B. kleine Losgrößen oder kurze Durchlaufzeiten.
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1.18.6 Ablauf einer interdisziplinären, differenzierten Prozesskostenanalyse (IDP) (basierend [Schie 03, Diet 05]) • Identifikation der Aktivitätsstrukturen und Ermittlung der Hauptprozesse • Durchführung einer Arbeitsablaufstudie • Ermittlung des Zeit- und Mengengerüsts für die Hauptprozesse, um alle Gemeinkosten zu finden, die für einen Teilprozess zu berücksichtigen sind • Verifikation der Konstanz der Einflussfaktoren und interdisziplinäre Differenzierung der Teilprozesse • Bewertung der Zeit- und Mengengerüste sowie Ermittlung der Prozesskostensätze • Multiplikation der Prozesskostensätze zu Hauptprozesskostensätzen
1.18.7 Interdisziplinäre Arbeitsablaufstudie als Basis einer differenzierten Prozesskostenrechnung Ein Mangel an Exaktheit bei der Durchführung der Arbeitsablaufstudien und pauschalisiert zugeordneten Abläufen, hat eine ungenügende Zuordnung von Zeiten und damit Kosten zur Folge. In Kleinunternehmen ist dies aufgrund der einfacheren Vorgänge, der weniger spezialisierten Anforderungen und der Notwendigkeit eines höheren interdisziplinären Verständnisses der Ausführenden wenig wahrscheinlich. Bei einer Umstellung der Kostenrechnung eines Konzerns ist eine sehr umfassende interdisziplinäre Arbeitsablaufstudie unbedingt anzuraten. Gängige Methoden sind: • Arbeitsablaufstudie mit Industrial Engineering: Das Industrial Engineering besitzt ein detailliertes Wissen über die direkten Produktionsabläufe. Es hat aber in den meisten Unternehmen kaum Informationen über nicht direkt an der Produktion beteiligte operative Abläufe, wie den Wareneingang sowie über indirekte Bereiche, wie IT oder Konstruktion. • Zeiterfassungssoftware [DicE 04]: Eine fundierte, aber aufwändige Variante ist die langfristige Zeitstudie mit einer Zeiterfassungssoftware. Die Mitarbeiter müssen alle nicht direkt der Produktionszeit zuordenbaren Zeiten verschiedenen Konten zuweisen. Die Auswahl der Konten, auf welche die Zeiten verteilt werden, ist entscheidend für die Akzeptanz und die spätere Aussagequalität. Diese abstrahierte Methode erreicht eine sehr genaue Aufgliederung und führt oft zu unerwarteten Ergebnissen (z. B. Neuausrichtung der Produktstrategien, In- oder Outsourcing). Trotz des hohen Aufwands für die Entwicklung der Software sowie die Betreuungs- und Erfassungskosten, führen die darauf basierenden Unternehmensentscheidungen zu hohen Kosteneinsparungen und Gewinnen.
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• Valuestream Analyse (VSA): Bei der Wertstromanalyse werden die Wertströme detailliert erfasst und ausgewertet. Die Methode wird gerne über externe, spezialisierte Dienstleister umgesetzt. Die Ergebnisse sind sehr genau, sofern die Verifikation der Prozesse durch die kooperative Einbindung der betroffenen Bereiche und Ebenen erfolgreich umgesetzt wurde. • Valuecycle Analyze und Optimizing Prozesskostenanalyse: Eine wenig aufwändige und schnelle Methode ist die Ermittlung der Prozesskosten nach einem Konzept ähnlich der Valuecycle Optimizing (vgl. Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing). Wesentlicher Unterschied zu den zuvor beschriebenen Methoden ist die Ermittlung der Arbeitsabläufe, der zugehörigen Zeiten oder Häufigkeiten durch ein Team aller beteiligten Bereiche in einem Bottom-up-Prozess. Nebenbei werden diverse Rahmenbedingungen festgelegt, die eine kontinuierliche Verbesserung und ein größeres Verständnis für die interdisziplinären Abläufe bei den Beteiligten bewirken. Dies erlaubt eine fundierte Verifikation der Einflussgrößen und eine Interpretation der UrsachenWirkungs-Logik.
1.19 Dezentrale und schlanke Strukturen – Gemba Orientierung Philipp Dickmann Koichi Mukaiyama, der Firmenchef von KOA, einem großen japanischen Elektronikhersteller, wird anlässlich einer bevorstehenden Pleite mit folgendem bemerkenswerten Satz zitiert [Koji 95]: „Die Ursache ist nicht der Yen – ich selbst habe den Betrieb nicht richtig geführt. Obwohl ich der Hersteller bin, habe ich nicht ein einziges Mal die Lage vor Ort sondiert.“ Das japanische Wort Gemba bedeutet Arbeitsplatz und wird im TPS für den Ort der Wertschöpfung verwendet. Gemba-Orientierung ist eine wesentliche Zielsetzung des TPS, woraus sich folgende Teilaspekte ableiten lassen: • Die Verantwortung sollte an den Ort der Herstellung verlagert werden, dies wird umgesetzt mittels Dezentralisierung und Jobenrichment. Macht und Verantwortung gehen an die Mitarbeiter der operativen Produktion über, da hier die Wertschöpfung geschieht. • Durch räumliche und soziale Nähe sollen alle indirekten Bereiche vor Ort präsent sein, um eine bessere Kommunikation zu erzeugen. • Schlanke Managementstrukturen ergeben sich aus dezentralen Strukturen und sorgen für effizientere direkte Kommunikation und richtige Entscheidungen. • Der Aufbau der Leitungsfunktionen, Linien und Projekte, sind Informationsstrukturen, die geschaffen wurden, um räumliche Distanz zur Gemba zu überwinden – also „um zu wissen, was der Nachbar macht“. In gewachsenen Konzernstrukturen bei GlobalPlayern sind die indirekten Bereiche administrativ stark untergliedert und überwiegend räumlich getrennt.
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Das TPS und die zweite Welle der Lean Production geben Hinweise, wie weit man mit der „Verschlankung“ bei den produktionsnahen oder auch indirekten Bereichen gehen kann. Eine weiterführende Untergliederung in kleine, selbstständige Unternehmen, kann weitere Vorteile bringen. In Japan geht man erfolgreich sogar noch einen Schritt weiter, indem man bei solchen kleineren Einheiten sogar indirekte Tätigkeiten, etwa den Einkauf, den Werkern überträgt.
1.19.1 Räumliche Nähe korreliert mit sozialer Nähe Kommunikation wird als selbstverständliche, einfache Nebensache empfunden. Alle Menschen leiden aber permanent, vielfach unbewusst unter Kommunikationsproblemen, auch in den Unternehmen. Missverständnisse sind uns bewusste Kommunikationsprobleme und gleichzeitig ein Grund dafür. Es existiert eine Vielzahl an Gründen für Kommunikationsprobleme: Zu große Informationsvorsprünge, Aversionen, Vorurteile, falsche Reportingwege, Ignoranz, Tabuthemen, lange Informationsketten, sozialer Hintergrund, kulturelle Unterschiede, Gruppenbildung und Gruppenabgrenzung, Ausbildungsniveau, Neurosen, Manipulation etc. Sie alle sind unsere ständigen Begleiter im Alltag und in der Arbeit. Ihr Gewicht ist in Unternehmen kaum bezifferbar und sie führen unbestritten zu einer verheerenden Verschwendung. Für Führungskräfte ist die neutrale, sachliche und konstruktive Kommunikation ein hehres und leider zuweilen auch theoretisches Ziel. Eine wesentliche Einflussgröße, die den Informationsfluss stört, ist die zu große soziale Distanz. Die effizienteste Kommunikation erfolgt direkt und ohne Kommunikationsmittel. Räumliche Distanz bringt noch andere Nachteile mit sich: Hohe Kosten für nötige Kommunikationsmittel und Transporte, Problematik der Zeitverschiebung, sehr geringe nutzbare Zeit für Kommunikation, kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren, um nur einige zu nennen.
1.19.2 Dezentrale Verantwortungsstrukturen – die Entscheidung zur Verantwortung beim Spezialisten Durch eine zentral verwaltete Führung und Verantwortung sollten Ziele optimal erreicht werden. Dies ist die grundsätzliche Annahme von zentralistischen Ansätzen, dessen Prinzip die Umsetzung der Produktionsmethode nach Taylor und Ford ermöglichte. Die Methode sollte bewirken, dass mit ungelernten Mitarbeitern technisch anspruchsvolle Aufgaben erledigt werden können, daher mussten Entscheidungshoheiten zentralisiert werden. Aus diesen Zwängen entstanden Arbeitsplätze und Aufgabengebiete, die nur beschränkt Inhalte operativ (angelernte Tätigkeiten) abarbeiteten. Inhaltlich hat dies zur Folge, dass bei zentralistischen Strukturen Fehler und Störgrößen wesentlich schlechter geregelt werden können. Auf der emotionalen Ebene führt der Entzug von Verantwortung dazu, dass die Motivation und die Identifikation mit der Arbeit verloren gehen. Eines der Grundprinzipien des TPS und von Kanban ist die Dezentralisierung der Verantwortung. Der
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Mitarbeiter, der täglich die Wertschöpfung ausführt, ist der Spezialist für die Prozesse, die zugehörigen Probleme und die Optimierung. Hieraus entsteht der Gedanke der GembaOrientierung. Diese Philosophie umschreibt den Werker, der die Wertschöpfung als Kunde aller anderen Bereiche erbringt, da sie ihm alle „zuarbeiten“. Dies gilt für alle indirekten Bereiche, aber auch für Führungsebenen, die sich letztlich als „Zuarbeiter“ für die operative wertschöpfende Arbeit definieren. Um bei dem Beispiel von Ohno [Ohno 78] aus dem Sport zu bleiben: Die Spieler schießen die Tore; der Trainer, der Masseur und das Management können nur unterstützen. Hieraus leitet sich die dezentrale Verantwortungsstruktur ab, d. h. der Spezialist sollte mit möglichst hoher Kompetenz ausgestattet sein, zum einen, um Änderungen schneller und sicherer zu gestalten, zum anderen, um die individuelle Kompetenz aller Mitarbeiter mit einzubinden. Dies ist eine Voraussetzung ohne die TPS nur eine leere, wenig effektive Hülle bleibt.
1.19.3 Stufen der Dezentralisierung Dezentralisierung der produktionsnahen Bereiche – an und in die Produktion Im klassischen TPS wurden Instandhaltung, Produktionsplanung, Betriebsmittelplanung, Konstruktion und Logistik direkt in der räumlichen Nähe der Produktion angeordnet. D.h., die Mitarbeiter sollen sich vorzugsweise direkt, auch optisch in unmittelbarer Sicht- und Hörweite aufhalten und am Ort des Geschehens, möglichst nah an der „harten“ Realität arbeiten. Die betreffenden Bereiche können direkt kommunizieren, ihre Bedürfnisse besser verstehen und folglich erfüllen. Vor allem zu Beginn entsprechender Veränderungen entstehen deutlich stärkere Konflikte, da diese indirekten Bereiche nun unmittelbar dem Druck des Kunden (dem Werker und den Problemen der Produktion) ausgesetzt sind. Aufgrund des Leidensdrucks entsteht eine steile Lernkurve, die zu einer markanten Verbesserung der Effizienz im mittelfristigen Bereich führt. Die „zweite Welle der Lean Produktion“ [Koji 95] – Dezentralisierung aller indirekten Bereiche in die Produktion Nachdem die räumliche Anordnung der produktionsnahen Bereiche sehr erfolgreich war, wollte man dieselben Vorteile auch bei anderen indirekten Bereichen erzielen. Die konsequente Weiterführung der Gemba-Orientierung hat zur Folge, dass z. B. Einkauf, Vertrieb, Konstruktion und Geschäftsführung auch in räumlicher Nähe platziert werden. In der realen Umsetzung sind derartige Veränderungen sehr heikel und strategisch nicht kurzfristig realisierbar. Solche Veränderungen stoßen auf vielerlei Probleme und Gegenwehr: • • • • •
Gewachsene Strukturen müssen aufbrechen. Gewohnte Arbeitsweisen und Aufgabengebiete verändern sich. Angst vor direktem Feedback und Kritik muss überwunden werden. Macht- und Blockade-Strategien müssen durchbrochen werden. Persönliche Gründe und Hoheitsansprüche müssen hinterfragt und überwunden werden.
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• Notwendige soziale Veränderungen sind einzuleiten. • Gegebenenfalls sind Umzüge nötig. • Gehaltsveränderungen sind zu regeln, produktionsnahe Bereiche sind häufig niedriger gruppiert. • Statusverlust ist auszugleichen, da weniger planerische, sondern mehr operative Elemente abzudecken sind. • Der Verlust von Mitarbeitern ist nicht immer vermeidbar. Für die erfolgreiche umfassende Umsetzung solcher Projekte ist entweder ein starker Leidensdruck oder ein durchsetzungsstarkes kooperatives Management nötig. In der Realität werden derartige Projekte vielfach nicht vollständig umgesetzt. Änderung der Firmenstrukturen – am Beispiel „Der umgekehrte Warenfluss“ [Koji 95] Ein weiterführender Schritt ist die endproduktbezogene Bildung von Workshops und Units (weitgehend selbstständig agierende Produktionseinheiten). Dieser beinhaltet die Änderung der werkstattbezogenen Produktion zur produktbezogenen Linienproduktion. Leider wird vielfach nur die Organisation geändert, die wesentlichen Vorteile einer auch räumlichen Neugestaltung werden unterbewertet, d. h. es werden häufig die Kosten und das Risiko für einen Umbau oder Neubau gescheut. Bei dem Beispiel des Elektronikherstellers KOA [Koji 95] wurde ein Abriss und ein Neubau so lange hinausgeschoben, bis der Konkurs bevorstand. Mit Valuestream-, Arbeitsplatzoptimierungs- und Simulationsmethoden (vgl. Kap. 3.10 Materialstamm-, Materialfluss- und Wertstromanalysen; ff.) lassen sich solche Investitionen wesentlich exakter absichern und sind mit deutlich weniger Risiko behaftet. Integration produktionsnaher indirekter Bereiche in Units oder Produktion Die Umgestaltung von Produktionsstrukturen zielt darauf ab produktbezogene, überschaubare und kostenverantwortliche Einheiten zu bilden. Sie werden selbstständig und unabhängig von Managern oder Unitleitern geführt. Neben der Kostenstellenverantwortung kann auch die Verantwortung für indirekte Bereiche, wie Logistik, Einkauf, Instandhaltung und Qualität, dem Unitleiter zugeordnet werden. Separierung eines Produktbereichs zum selbstständigen Unternehmen Die Abtrennung eines Bereichs ist ein gravierender Einschnitt in die Gesamtstruktur eines Unternehmens oder Konzerns. Die klassische Konzernleitungsstruktur mit Hierarchieästen, angelehnt an universitäre Fachbereiche wie Einkauf, Produktion oder Technik, müssen in produktbezogene Bereiche aufgebrochen werden. Diese Bereiche erhalten im Idealfall nicht nur die Hoheit über alle produktionsnahen Fachgebiete, sondern auch alle anderen, für die Geschäftsführung eines Produktionsunternehmens relevanten Gewerke wie Controlling, Buchhaltung, Einkauf, Vertrieb, Entwicklung, Technik. Die Extremform ist dabei die Abspaltung einer Unternehmenstochter, mit allen selbstständigen Funktionen. Bei einer unvollständigen, nur organisatorischen Umsetzung, kann zwar eine exaktere Zu-
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ordnung allgemeiner Kosten bzw. Prozesskosten vorgenommen werden, sehr viele Potenziale werden jedoch verschenkt. Nicht selten bleiben die gleichen Mitarbeiter am gleichen Arbeitsplatz, sogar unter der gleichen Personalverantwortung und personell der Struktur einer Zentralfunktion zugeordnet. Die Zuordnung zum Geschäftsbereich oder dem Tochterunternehmen erfolgt in diesem Fall nur formal über Umlagen.
1.19.4 Lean Management Die Separierung eines Produktbereichs zu einem selbstständigen Unternehmen, kombiniert mit einer Restrukturierung nach der Methode des Lean Managements, ist der halbherzigen Umsetzung eines unter der gleichen Personalstruktur aufgebauten Produktionsunternehmens weit überlegen. Ziel der Verbesserung ist nicht die Einsparung von Personal, sondern die Ablaufoptimierung. Aufgrund feinerer Abstimmung und Zusammenführung vieler Spezialisten werden Schnittstellen und Kommunikation verbessert. Flachere Hierarchiestrukturen bringen mehr Flexibilität, beschleunigen Entscheidungen, vermeiden u. a. Verschwendung. Gängige Strukturen reichen von vier und mehr Managementebenen unter dem Geschäftsführer (CEO) bis zu schlanken Strukturen mit nur einer direkt agierenden Managementebene, direkt unter dem CEO. An der Durchlaufzeit zur Umsetzung von im Etat geplanten Investitionen werden die Unterschiede deutlich. Bei umfangreichen Konzernstrukturen benötigen derartige Vorgänge nicht selten mehrere Wochen oder gar Monate, wogegen bei flachen Strukturen in der Regel nur einige Tage notwendig sind. Dies spiegelt nicht nur eine höhere Reaktionsfähigkeit wider, sondern auch den deutlich geringeren Aufwand. Eine der Hauptursachen liegt im vereinfachten Delegieren der Kostenverantwortlichkeit. Die Abläufe werden aber auch durch den Wegfall vieler Abteilungsgrenzen und Hoheitsgebiete deutlich erleichtert. Integration von schlankem Management, Separierung in selbstständigen Geschäftsbereichen und Jobenrichment Entstanden ist dieser Ansatz als Reaktion auf zunehmende Erhöhung der Produktivität und der daraus resultierenden Freikapazität qualifizierter, operativer Mitarbeiter. Diese Kapazitäten wurden sinnvoll für weitere Verbesserungen und somit in die Zukunftsabsicherung investiert. Hierarchieebenen wurden aufgelöst und Tätigkeiten indirekter Bereiche auf operative Produktionsmitarbeiter übertragen (Abb. 1.40). Bei Toyota wurden klassische Kaizen-Instandhaltungsarbeiten und Qualitätsarbeiten weitgehend von den Werkern übernommen. Werker, Konstrukteure und Entwickler arbeiteten in Projektteams eng zusammen. Das betraf auch die gleichberechtigte Entwicklung von Neuprodukten. In den Teams wurde die produktionsgerechte und vor allem herstellkostenoptimierte Konstruktion und Entwicklung vorbildlich erreicht. Sehr unkonventionell ist das Beispiel von KOA [Koji 95], wo in Workshops, also von den produktiven Mitarbeitern, die Disposition, der Einkauf und die Verwaltung selbstständig verantwortlich ausgeführt wurden. So konnte „erheblich indirektes Personal der Fabrik und der
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Hauptfirma eingespart werden“. Bei Nissan werden zu den Einkaufsteams auch KaizenSpezialisten aus der Produktion integriert. In all diesen Fällen wird nach der Restrukturierung praxisgerechter und effizienter gearbeitet. Ein typisches Merkmal vieler gängiger Restrukturierungen ist das Beibehalten der strategisch oder hierarchisch steuernden Funktionen auf Führungsebene. Bei der Integration des Einkaufs, des Controllings, der Buchhaltung oder von anderen betriebswirtschaftlichen Fachbereichen in die Produktionshoheit, wird die klassische Gewaltenteilung und Kontrollhoheit der wirtschaftlichen Leitung eines Unternehmens durchbrochen. Solche gravierenden Umstrukturierungen sind riskant. Wie man an dem Beispiel des japanischen Großkonzerns erkennen kann, ist dies aber im entsprechenden Umfeld äußerst erfolgreich umsetzbar. Die vielfältigen Vorteile von Zentralfunktionen sind durch die Vorteile einer kleinen, überschaubaren Firmenstruktur mehr als nur kompensiert worden. Die hierarchischen Strukturen zu verändern, ist in Europa keine gängige Strategie in Konzernen. Bei den Spitzenunternehmen der Automobilindustrie oder Elektronikindustrie in Japan wird großer Wert auf online verfügbare Kennzahlen bezüglich der umfassenden Produktivität und dem realen Umsatz pro Stunde und pro Einheit gelegt. Diese erlauben eine sehr schnelle Reaktion, falls eine Änderung nicht den gewünschten Erfolg erbringt. Vermutlich kommt daher die bemerkenswerte Experimentierfreudigkeit, da bei einem Test jederzeit online die aktuelle Veränderung beobachtet wird und gegebenenfalls wieder gegengelenkt werden kann. In Europa werden hingegen wesentlich häufiger leicht zu erstellende Simulationsmodelle verwandt, um alternative Modelle von Abläufen auszutesten.
Abb. 1.40 Ebenen der Dezentralisierung und des schlanken Managements
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1.20 Lean-Rollout und Umsetzung Philipp Dickmann Wie führt man ein umfassendes Lean-Konzept in allen Bereichen eines Unternehmens ein? Das Toyota Produktionssystem (TPS) [Ohno 93] gibt dies als umfassendes „Kochrezept“ vor. Tatsächlich finden immer mehr der dort beschriebenen Methoden den Weg in die Unternehmen. Allerdings werden nach wie vor fast ausschließlich Methoden verwendet, die auf die Produktion bezogen sind. Die Anwendung ist oft oberflächlich und letztlich selten länger stabil, vor allem weil interdisziplinäre Querindikationen ignoriert werden. Die Reihenfolge der Einführung ist in sich logisch und sinnvoll aufbauend. Wenn Themen parallel laufen oder in der Reihenfolge geändert werden, hat dies mehr Aufwand bei der Abstimmung und Umsetzung zur Folge. Diese innere Reihenfolge und die Tatsache, dass bei einer fundierten Einführung über die Phase zwei hinaus nahezu alle Mitarbeiter eingebunden bzw. nahezu alle Prozesse in einem Unternehmen interdisziplinär umgestaltet werden müssen, verdeutlicht, warum leider ab einer gewissen Unternehmensgröße immer Jahre zur vollständigen Umsetzung nötig sind. Die gängige Vorstellung, dass in einem 3–6 monatigen Projekt, dem generealstabsmäßigen Putzen unter dem Titel 6S, Shopfloor-Management, ein paar Kanban-Behältern, ein paar neuen Regalen und einem neuen Train ein Wettbewerbsvorsprung entsteht, geht an der Realität vorbei.
1.20.1 Lean-Unternehmenssystem und Ziele-Kaskade Lean sollte die Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens stärken und daher ist es entscheidend, die individuellen Ziele abzubilden. Von diesen Unternehmenszielen wird die Ziele-Kaskade nach unten heruntergebrochen. All dies ist bei TPS weitgehend von der gängigen wissenschaftlichen Methodenlehre abgeleitet. • Schritt 1: Wo wollen wir hin? Beim TPS wird hier die Metapher der Kompassnadel (Hoshin Kanri) verwendet. Wichtig ist es auch, die sich ändernden Anforderungen der Zukunft ergänzend zu berücksichtigen (vgl. Kap. 1.23.4 Dynamische Evolution). • Schritt 2: Ziele-Kaskade: Es werden Ziele von oben nach unten je Bereich/Ebene bis zum Einzelnen heruntergebrochen. Häufig werden hier Kriterien wie Qualität, Kosten, Lieferservice (QKL) als Überschrift verwendet. • Charakteristik der Ziele bei Lean: Wesentliches Merkmal von Lean-Systemen ist es, nicht die Symptome, sondern die Ursachen zu analysieren bzw. zu messen. Weiterhin ist Gemba-Orientierung (vgl. Kap. 1.19 Dezentrale schlanke Strukturen) selbst in den Zielen des Managements ausgeprägt. Die Ziele müssen konkret greifbar und für den Bereich geeignet sein. Ein Werker an einem Band hat beispielsweise keine Zuordnung zu Kosten. Er kann aber eine Menge an Ausschussteilen, Bewegungen, Fehlteilen, etc. klar zuordnen.
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Aus der Praxis
1.20.2 Ganzheitlicher Lean-Ansatz – Produktionssystem in einer flexiblen Automobilproduktion Hans-Peter Kemser, Torsten Krzywania Das BMW-Werk Regensburg ist das variantenreichste im BMW-Konzern. Im Bereich Montage, dem letzten Prozessabschnitt der Kernfertigung, wird aus der lackierten Karosserie in rund 570 Arbeitsschritten (Takten) ein fertiger BMW. Etwa 20.000 Komponenten müssen insgesamt in ein Fahrzeug eingebaut werden. Rund 5000 von 9000 Mitarbeitern sind in diesem Bereich beschäftigt [Kems 11]. Für den Erfolg dieses Werks ist ein fundierter und umfassender strategischer Ansatz entscheidend. Es sind verschiedene, aufeinander abgestimmte Ziele zu integrieren, welche individuell zur Unternehmenssituation bestimmt werden müssen. „Man muss es schaffen, die Mitarbeiter mitzunehmen, das ist entscheidend!“ [Kems 13]. Andererseits ist es entscheidend, alle relevanten, durchaus komplexen Ziele (Abb. 1.41) in die Produktionsphilosophie zu integrieren. Lean muss durch individuell bedeutsame Themen (z. B. Ergonomie und Qualität) ergänzt werden. Als nächsten Schritt muss diese Philosophie griffig auf die konkrete Arbeitswelt übertragen werden (Abb. 1.42 und 1.43).
Abb. 1.41 Zielbild Werk Regensburg. (Quelle: BMW AG, Regensburg [Kems 11])
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Abb. 1.42 Das das flexible Produktionssystem WPS bei BMW in einer flexiblen Automobilproduktion. (Quelle: BMW AG, Regensburg [Kems 11])
Abb. 1.43 Detaillierte ausgewogene Ziele. (Quelle: BMW AG, Regensburg)
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1.20.3 Abgestimmte Ziele und Zusatzziele Es sollten nicht zu viele und vor allem nicht konkurrierende Ziele vorgegeben werden. Extreme Kooperation und dadurch reibungslose hocheffiziente Abläufe sind charakteristisch für eine Lean-Umsetzung. Harmonisierung mit Balanced-Scorecard (vgl. Kap. 1.24 Lean Balanced Scorecard und Shopfloor-Management) ist hier zu empfehlen. Durch das Ziel die individuelle Unternehmenssituation zukünftig erfolgreich zu gestalten, entsteht der Zwang individuelle andere Themen zu Lean ergänzt und ausgewogen zu verknüpfen. Das können Themen wie Arbeitsergonomie, IT, Design, Qualität, Innovationsstärke, wissenschaftliche Methoden der Simulation sein. Aus der Praxis
1.20.4 Arbeitsergonomie als Teil effizienter Montageprozesse Hans-Peter Kemser, Torsten Krzywania In den folgenden Beispielen wird die teils schwierige Montagesituation sichtbar (Abb. 1.44). Dies kann leicht zu einseitigen Belastungen des Körpers führen. Jeder Arbeitsplatz wird anhand des Formblatts (Abb. 1.45) nach Belastungen untersucht und auf dieser Grundlage einer Risikoeinschätzung unterzogen. Arbeitsplätze, die ein hohes Risiko von körperlichen Schädigungen aufweisen, werden systematisch überarbeitet (Abb. 1.46). Ergänzend werden am Band Gymnastikkurse oder teilweise auch Massagen angeboten (Abb. 1.47). Diese Ansätze können helfen, gesundheitliche Schäden der Mitarbeiter zu vermeiden, Ausfälle und Unterbrechungen sowie Störungen der Produktion zu reduzieren und letztlich Kosten für Ausfallzeiten zu sparen.
Abb. 1.44 Effizienz durch Ergonomie in der Automobilproduktion – Wege zur Lösung. (Quelle: BMW AG Regensburg [Krzy 11])
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Abb. 1.45 Effizienz durch Ergonomie in der Automobilproduktion – Systematische ergonomische Arbeitsplatzgestaltung und Qualifizierung „gesundheitsgerechtes Arbeiten“. (Quelle: BMW AG, Regensburg [Krzy 11])
Abb. 1.46 Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung – Montagetätigkeiten über Kopf sind sehr belastend. Durch diverse Workshops konnten erhebliche Reduzierungen der Belastungen erreicht werden. (Quelle: BMW AG, Regensburg [Krzy 11])
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Abb. 1.47 Individualisierte Übungen, zugeschnitten auf die persönlichen ergonomischen Schwachstellen der Mitarbeiter, können neben einem Angebot an parallel stattfindenden Gymnastikübungen helfen, Belastungen des Körpers extrem zu reduzieren. (Quelle: BMW AG, Regensburg. [Krzy 11])
1.20.5 Teamstruktur absichern Es wird ein Teamleiter mit Stellvertreter definiert, der für 6–12 Personen je Gruppe (Operative, Abteilungsleiter, Bereichsleiter) verantwortlich ist. Je Teilbereich oder je Fläche (z. B. Anlage, Linie, etc.) wird zudem ein Verantwortlicher (Pate) definiert – auch in der Logistik (vgl. Kap. 1.19.2 Dezentrale Verantwortungsstrukturen).
Aus der Praxis
1.20.6 Patenkonzept Andrea Gerlach Die Division Ultraviolet von Heraeus Noblelight ist der Spezialist für maßgeschneiderte UV-Lösungen. Die UV-Systeme, UV-LED Module und UV-Lampen sind exakt auf die Anlage und den Prozess abgestimmt. Damit werden industrielle Prozesse leistungsfähiger und effizienter. Dies spart Energie-, Wartungs- sowie Betriebskosten und steigert die Qualität. Da Sonder- oder Kleinserien produziert werden, ist der Produktionsbereich in Hanau verhältnismäßig klein und wenig automatisiert. Lean Methoden sind auch bei kleinen Produktionsbereichen genauso wirkungsvoll einsetzbar wie bei großen und daher sind hier einige Methoden erfolgreich im Einsatz. Um die Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit im jeweiligen Bereich zu gewährleisten, wurden Patenschaftsschilder angelegt und mit Foto ausgehängt. Auf den Patenschaftsschildern ist genau benannt, wer für die oben genannten Punkte verantwortlich ist (Abb. 1.48).
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Abb. 1.48 Beispiel eines Aushangs einer Patenschaft. (Quelle: Heraeus Noblelight, GmbH)
1.20.7 Aufräumaktion 6S Die Aufräumaktion ist ein Standardschritt (vgl. Kap. 1.5 Kaizen). 6S ist die Voraussetzung für Standardisierung und gleichsam für den Verbesserungsprozess von Kaizen. Immer neue Kategorien des Aufräumens zu ergänzen (6S, 7S, etc.) ist hier nicht substanziell. Wichtig wäre eine hohe Dichte an Aktionen pro Woche und die Exaktheit der Ausführung. Es geht allerdings nicht darum, täglich eine Putzfirma zu beschäftigen. Intention ist vielmehr, für alle Aspekte der Arbeit sehr gute Standards zu erarbeiten. Die übliche Methodenlehre von 6S- oder Lean-Office kann bestenfalls als rudimentärer Start verstanden werden, im Vergleich zu dem Standard von weltweiten Spitzenunternehmen.
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1.20.8 Standards definieren Der Leitsatz hierfür ist bei Nissan oder Toyota: Standards sollten einfach, schnell und ohne Aufwand erzeugt, dokumentiert und vor allem verstanden werden. Es geht nicht um eine Maximierung der Dokumentation, sondern um die Fixierung des Nötigen. Hier muss zudem zwischen Ausbildung und Werkeranweisung unterschieden werden. Viele Unternehmen dokumentieren in Werkeranweisungen 90 % der Inhalte, die ein Mitarbeiter für diese Arbeit in der Ausbildung erlernt und bis zum nötigen Effizienzgrad trainiert hat. Aus der Praxis
1.20.9 Werkeranweisungen – Standards einhalten und Prozessinformation am Arbeitsplatz Thomas Hildenbrand, Jana-Sofia Brickel Bei Schwan-STABILO in Weißenburg werden pro Jahr 330 Mio. Stifte und 65 Mio. BOSSMarker hergestellt und an den Handel verschickt. Schwan-STABILO ist damit Weltmarktführer im Bereich der Marker. Im Werk Weißenburg arbeiten ca. 450 Mitarbeiter. Davon sind 25 Menschen mit Behinderung tätig. Eine hohe Fertigungstiefe, das Konzept des Durchproduzierens (vgl. Kap. 2.1 Störungsanalyse – der Weg zum ruhigen, kontinuierlichen Materialfluss) und sinnvolle Pufferkonzepte führen zu einer hohen Flexibilität und sind im harten Wettbewerb ein klarer Vorteil. Für die Stifte werden Kunststoffspritzgussteile hergestellt. Über eine Lagerstufe, bei den Rennern mit Kanban-Puffer, werden sie in Vollautomation oder für Sonderserien in einer manuellen U-Montagelinie montiert und anschließend endverpackt. An den manuellen Arbeitsplätzen wurden sehr piktogrammorientierte Visualisierungen für die Werkeranweisungen der Montage- oder Verpackungsprozesse entwickelt. Da zum Teil ganze Gruppen behinderter Menschen tätig sind, wurde großer Wert auf optimale Informationsübertragung gelegt und die Anweisung im „Ü-EI“-Konzept erfolgreich umgesetzt (Abb. 1.49 und 1.50). Das kleine Format (13 × 10 cm) der Vorgangsbeschreibung ist auch für Mitarbeiter ohne Einschränkungen besser geeignet, als die üblichen, mehrseitigen DIN A4-Unterlagen. Bei vielen Unternehmen sind hier in Langtexten auf etlichen Seiten wissenschaftliche Abhandlungen zu finden, die aber nicht intuitiv verständlich sind.
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Abb. 1.49 Werkeranweisungen: Die kleinen, fast ausschließlich als Piktogramm ausgeführten Werkeranweisungen wurden von den Mitarbeitern als „Ü-Ei-Anweisung“ bezeichnet. Die Methode wurde ursächlich zur optimaleren Absicherung der Arbeitsprozesse für Menschen mit Behinderung entwickelt. (Quelle: Schwan-STABILO Schwanhäußer GmbH & Co. KG)
Abb. 1.50 Das Beispiel an der Stiftmontagelinie zeigt, wie die kleinen bunten Werkeranweisungen in der U-Linie angebracht sind. (Quelle: Schwan-STABILO Schwanhäußer GmbH & Co. KG)
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1.20.10 Ausbildungsniveau, Trainingscenter und Jobrotation Lean-Production basiert auf einem ausgeprägten Teamgeist, Disziplin, Höflichkeit, Augenhöhe und auch auf einem sehr hohen Ausbildungsniveau. Jedes dieser Attribute ist unverzichtbar, wenn die Vorteile eines Lean-Systems genutzt werden sollen. Das Ausbildungsniveau der Lehrausbildung der Innungen in Europa und vor allem im deutschsprachigen Raum ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. So wurde bei Toyota sehr früh versucht, auch Ausbildungskonzepte zu etablieren. Dies war über Jahre hinweg ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Zudem wurden das Training und die kontinuierliche Verbesserung exakter Abläufe extrem weit entwickelt. Bei manuellen Abläufen erinnern das Training und der spätere Bewegungsablauf ansatzweise an den Schattenkampf im Karate. Die Methode wird davon abgeleitet auch als Kata bezeichnet. Aus der Praxis
1.20.11 Bandnaher Trainingsplatz Hans-Peter Kemser, Torsten Krzywania Um einen hohen Leistungsgrad und möglichst fehlerfreie Prozesse zu erreichen, werden Mitarbeiter in bandnahen Trainingsplätzen trainiert. Um eine hohe Ausbringung zu erreichen, ist es in der Automobil-Linienfertigung entscheidend, dass jeder Mitarbeiter ein Taktfenster einhält. Ein Taktzeitfenster bestimmt die Zeit, die für einen Arbeitsschritt bei einer Variante nicht überschritten werden darf. Dies ist speziell bei neuen Mitarbeitern oder wenn Mitarbeiter einen neuen Arbeitsplatz erlernen kaum ohne Training an einem Trainingsplatz möglich. Diese Plätze können auch für Kaizen-Workshops verwendet werden (Abb. 1.51).
Abb. 1.51 Mitarbeitertrainingsplätze. ( Quelle: BMW AG Regensburg)
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1.20.12 Assessment, Layered Audit und Werkerselbstkontrolle • Nachdem Standards definiert sind, müssen die Mitarbeiter ihre Arbeit selbst kritisch wahrnehmen und ständig überprüfen – Werkerselbstkontrolle. • Zudem muss die Routine auch regelmäßig von den Vorgesetzten geprüft werden. Dies erfolgt im Assessment bzw. Coaching, teils auch als Kata bezeichnet. • Schließlich wird das Layered Audit-Konzept umgesetzt, in dem nach Flächen mit rotierenden Auditoren aus allen Bereichen des Unternehmens Überprüfungen vorgenommen werden. Standards werden hierbei überprüft, bei komplexen Systemen erfolgt dies mit rotierenden Fragen. Das Rotieren der Auditoren trägt auch einen interdisziplinären Lerneffekt in sich.
1.20.13 Shopfloor-Management und Eskalation Die erarbeiteten Ziele werden geschult, trainiert, die Einhaltung überwacht und die Ergebnisse werden berichtet ( vgl. Kap. 1.24 Lean Balanced Scorecard und Shopfloor-Management). Neben der sehr charakteristischen Reportingstruktur sind aber auch die Eskalationen entscheidend. Klare, unzweifelhafte Strukturen, Abläufe und Verantwortung sind das Ziel.
1.20.14 Kaizen, Prozessverbesserung umsetzen. Dieses Thema ist mittlerweile etwas aus dem Fokus geraten. In der Praxis ist dies aber der Motor, der den Wettbewerbsvorteil erzeugt. Eine fundierte Vorgehensweise mit 5S, 5W und 3M ist eine grundlegend wichtige Basis (Tab. 1.7). Theoretische Formalien bis hin zu psychologischen Tricks sollten tabu sein. Entscheidend ist es vielmehr, „so schnell, einfach und pragmatisch wie möglich so viel Verbesserung wie möglich zum Laufen zu bringen“. „Eine hohe Dynamik in der UnternehmensTab. 1.7 3M Verschwendungsarten (auch 3-Mu) nach [Imai 97] Verschwendung (Muda) Überlastung ( Muri) Mitarbeiter Methode Zeit Möglichkeit Vorrichtung und Werkzeug Material Produktionsvolumen Umlauf Platz Art zu denken
Mitarbeiter Methode Zeit Möglichkeit Vorrichtung und Werkzeug Material Produktionsvolumen Umlauf Platz Art zu denken
Unausgeglichenheit ( Mura) Mitarbeiter Methode Zeit Möglichkeit Vorrichtung und Werkzeug Material Produktionsvolumen Umlauf Platz Art zu denken
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verbesserung entsteht durch die hohe Frequenz der Aktionen“ [Dick 13b]. Ob jede Woche oder nur einmal pro Halbjahr pro Arbeitsplatz ein Kaizen-Verbesserungsprozess abgeschlossen wird, führt zu einem entscheidenden Unterschied im Wettbewerb. Kaizen ist ein Praktiker-Tool das ideal von etwa einem Meister umgesetzt werden kann. Im Kern geht es dabei um das „Doing“ allerdings unter Berücksichtigung der vielfältigsten interdisziplinären Praxisdetails. Extremste Details der theoretischen Methodenlehre oder Strategien aus der „Helikopterperspektive“ sind hier nur untergeordnet relevant und bei Weitem nicht ausreichend.
1.21 Kaizen in den indirekten Bereichen Sabine Leikep Jahrelang wurde in den Produktionsbereichen mit Kaizen-Methoden die Effizienz gesteigert. Produktionsabläufe wurden optimiert, überflüssige Bestände abgebaut und die Wertschöpfung erhöht. Kundenreklamationen beziehen sich heute überwiegend auf Fehler in der Organisation und im Handling. Nicht eingehaltene Liefertermine, falsch gelieferte Teile oder mangelhafte Beratung verärgern die Kunden. Solche Fehler erfordern kostenaufwändige Nacharbeiten, die den Verbesserungen in der Produktion entgegenwirken. Deshalb ist es unerlässlich, die Prinzipien von Lean Production und kontinuierlicher Verbesserung auch in Büro und Service anzuwenden. Nur so kann die Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden. Lange Durchlauf- und Wartezeiten werden von den Kunden nicht mehr akzeptiert. Der Anspruch an die Mitarbeiter ist, dass sie eigenverantwortlich arbeiten, das Wichtige vom Unwichtigen trennen und sich von Überflüssigem befreien. Ballast abwerfen, die Ablage übersichtlich gestalten und einheitliche Standards schaffen, das sind die ersten Schritte zur Effizienz in Verwaltung und Service. Diese Basics sind sehr wichtig, um eine gute Ausgangsbasis für den Verbesserungsprozess zu schaffen. Doch das wahre Potenzial zur Erhöhung der Wertschöpfung und der Vermeidung von Verschwendung liegt in der Optimierung der Abläufe.
1.21.1 Weniger Fläche, schnellerer Durchlauf und Effizienzsteigerung sind gefragt Je mehr Papier sich auf einem Schreibtisch ansammelt desto höher sind die Durchlaufzeiten. Große Ansammlungen von Ordnern, Aktenbergen und allerlei Krimskrams in den Schreibtischen, Schränken und Regalen erhöhen die Suchzeiten. Oft werden Kuriositäten angesammelt wie Werbegeschenke, alte Kaffeemaschinen, defekte Bürogeräte, alte Akten, massenhaft Kugelschreiber etc. Als Folge wird viel Bürofläche benötigt. Die Bestände an Büromaterial sind nicht übersichtlich geordnet – zu große Lagerbestände oder plötzliche Materialknappheit sind an der Tagesordnung. Der Verwaltungsbereich wächst und wächst. Im Extremfall entstehen sogar neue, überdimensionierte Bürogebäude.
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1.21.2 Strukturierte Vorgehensweise Die sechs Level des effizienten Service-Management mit Kaizen ermöglichen eine strukturierte Vorgehensweise für den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung: • Das Erschaffen einer guten Ausgangssituation durch Selbstorganisation ist Ziel des ersten Levels. • Im Level zwei wird die Verbesserung der Zusammenarbeit durch Standardisierung angestrebt. • Level drei bringt Einsparungen durch Verbesserung der Arbeitsprozesse. • Ziel im Level vier ist das Erhalten des guten Zustandes durch weitere Optimierungen im Team. • Volle Verantwortung und flexibles Arbeiten im Team heißt das Motto für Fortgeschrittene im fünften Level. • Das höchste Ziel ist die Prozessbeherrschung, welche im Level sechs als „Best in Class“ definiert wird. Die Reihenfolge der Level muss nicht zwingend eingehalten werden. Es ist durchaus ein Einstieg im Level 2 oder 3 möglich. Oft macht es aber wirklich Sinn, zur Einführung von Kaizen mit einer, 5A-Aktion zu beginnen. Die fünf A stehen für: • • • • •
Aussortieren unnötiger Dinge Aufräumen Arbeitsplatz sauber halten Anordnungen zur Regel machen Alle Punkte ständig einhalten und verbessern
Der erste Schritt ist eine Sensibilisierung der Mitarbeiter. Sie müssen lernen, Verschwendung (japanisch Muda) zu erkennen und zu eliminieren. Workshops zum Thema 5A bringen oft erstaunliche Ergebnisse. So wurden beispielsweise in einer Abteilung mit 20 Mitarbeitern bei einer Aufräumaktion an nur einem Tag zwei Tonnen Papier entsorgt. 600 Ordner und Büromöbel im Wert von ca. 13.000. € wurden freigesetzt und stehen wieder für andere Abteilungen zur Verfügung. Etwa 15 % der bisherigen Bürofläche kann nun anderweitig genutzt werden. Erstaunen und Betroffenheit sind die ersten Reaktionen, wenn ein Berater oder Prozessbegleiter im Rahmen eines 5A-Workshops an die Schreibtische geht, Schubladen öffnet und riesige Mengen an Kugelschreibern, brachliegendem Büromaterial und andere Dinge zutage fördert. Nach dem ersten Schock setzt dann zumeist eifrige Betriebsamkeit ein. Überflüssiges wird entweder dem internen Recycling zugeführt oder in bereit stehenden Müllcontainern entsorgt. Ordner verschwinden meterweise aus den Regalen und plötzlich ist ein ganzer Aktenschrank überflüssig. „Raus damit“, heißt die Devise. Das klingt zunächst banal und hört sich an, als sei das ein Kinderspiel. Dennoch empfiehlt es sich, für den Anfang einen externen Berater zu engagieren, der die Ak-
Abb. 1.52 Die sechs Level des effizienten Service-Managements mit Kaizen. (Quelle KAIZEN Teaching AG)
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tion koordiniert und die Mitarbeiter motiviert. Denn wenn man sich vor Augen führt, dass eines Tages der Abteilungsleiter seine Mitarbeiter versammelt und zur großen Aussortier- und Aufräumaktion aufruft, wird schnell klar, dass dies in der Praxis meistens nicht funktioniert. Erstens zählt der Prophet nichts im eigenen Lande und zweitens lässt das Tagesgeschäft oft keinen Raum für umfangreiche Aktionen. Ein speziell dafür angesetzter Workshop, zur Not auch mal am Wochenende, schafft den nötigen Freiraum. Wichtig sind dabei die Information und die Motivation der Mitarbeiter. Deshalb erfolgt zunächst eine Schulung und die Mitarbeiter werden für die Problematik sensibilisiert. Dann geht es direkt an Gemba. Jetzt heißt es „Ärmel hochkrempeln und körperlich arbeiten“. Jeder macht mit, auch der oberste Chef. In Ameisenmanier werden überflüssige Dinge aus den Büros geschafft. Im zweiten Schritt wird neu geordnet. Oft entstehen ganz neue Bürolandschaften. Ein derartiger Workshop hat eine „Kick-off-Funktion“‛ und wird in großen Unternehmen genutzt, um den Kaizen-Prozess nach dem 6-Level-Model ins Rollen zu bringen (Abb. 1.52). Unternehmenseigene, in den Kaizen-Methoden trainierte Mitarbeiter fungieren als Multiplikatoren. Sie übertragen den Kaizen-Gedanken auf andere Abteilungen und bringen die Verbesserungsprozesse ins Rollen. Die Zahlen für Einsparungen an Material und Fläche sind beeindruckend. Doch wenn die Basis durch die Aufräumaktion geschaffen wurde, erschließt sich erst das eigentliche Einsparungspotenzial. Prozesse werden optimiert, Durchlaufzeiten verkürzt, unnötige Wege und lange Zugriffszeiten vermindert. Ein Kanban-System verbessert die Verfügbarkeit von Büro- und Verbrauchsmaterialien. Wertstromdesign und Prozessmapping sind im dritten Level des effizienten Service-Managements angesagt. Wichtig ist, dass der Kaizen-Prozess ständig fortgeführt wird. Dabei helfen Standards und die regelmäßige Überprüfung, ob diese auch eingehalten werden.
1.21.3 Visualisierung steigert den Erfolg Visuelles Management ist sehr wichtig, um den Verbesserungsprozess zu unterstützen. Markierungen zeigen, wo die Dinge ihren Platz haben. So wird das Aufräumen erleichtert und Suchzeiten werden vermieden. Vorher-Nachher-Fotos und Grafiken dokumentieren die Fortschritte und sind ein wichtiger Motivationsfaktor. Gleichzeitig können grafische Darstellungen der Ziele und ihrer Entwicklung eine Signalwirkung haben. Wenn sich zum Beispiel die Zahl der Kundenreklamationen erhöht, dann sollte sofort der Ursache auf den Grund gegangen werden. Sinnvoll ist die Einrichtung von Teamtafeln, die der Information von Mitarbeitern und Führungskräften dienen. Eine Qualifikationsmatrix zeigt, welche(r) Mitarbeiter(in) welche Qualifikationen hat, z. B. EDV-Kenntnisse. So sieht man sofort, wer hat Basiswissen, gutes Anwenderwissen oder Expertenwissen. So werden die Menschen entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt oder für Weiterbildungsmaßnahmen vorgesehen. Gefragt sind flexible Mitarbeiter, die gut organisiert arbeiten und den Blick für das Wesentliche bewahren. Wenn die Abläufe gut organisiert sind, dann können Überlegungen hinsichtlich eines neuen Raumkonzepts gemacht werden. Da in großen Organisationen nie alle Mitarbeiter gleichzeitig im Hause sind, liegt ständig eine gewisse Anzahl von Schreibtischen brach. Das Bürokonzept der Zukunft sieht personenunabhän-
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gige Arbeitsplätze vor. Eine gute Mischung aus Einzelbüros, Gruppenarbeitsplätzen und Besprechungsecken wird je nach Bedarf von den Mitarbeitern genutzt. Individuelle Bürocontainer enthalten die für die Arbeit notwendigen Unterlagen. Das Büromaterial wird auf ein Minimum reduziert und in einem Shadowboard übersichtlich aufbewahrt. Nach Arbeitsende parken die Mitarbeiter ihren Bürocontainer an zentraler Stelle. Am nächsten Tag suchen sie sich einen passenden Arbeitsplatz aus und haben im Rollcontainer alles dabei, was sie benötigen. Durch diese Arbeitsweise werden Hierarchien aufgelöst und die Kommunikation und somit der Informationsfluss gefördert.
1.22 Probleme sind Schätze – Management-Ethik als Folge der Lean Production Philipp Dickmann Materialfluss- oder Produktionssysteme werden maßgeblich in ihrem Leistungsgrad durch Entscheidungen begrenzt, die auf den jeweiligen Managementphilosophien basieren. Durch umfassende Lean Production-Methoden ist ein enormer Effizienzgewinn möglich. Wenn lediglich isolierte Elemente umgesetzt werden, etwa Kanban, oder wesentliche Anforderungen des TPS z. B. an die Ethik nicht implementiert werden, wird nur ein Bruchteil des Fortschritts erreicht. Auch durch perfektionierte Steuerungsalgorithmen, Arbeitsmethoden oder vollautomatisierte IT können Begrenzungen, die durch strategische Rahmenbedingungen definiert sind, nicht kompensiert werden. Das TPS gibt hierzu sehr einfache Regeln vor, die jedoch Änderungen der gelebten Managementphilosophie notwendig machen. Die Inhalte der Managementhandbücher deutscher Unternehmen unterscheiden sich zu diesen Vorgaben des TPS kaum. Die Philosophien der Shareholder Value führen jedoch in Bezug auf die Grundthesen des TPS zu Konflikten. TPS fordert einen kooperativen Managementstil, um einen starken Bottom-up-Prozess zu erzeugen, der die Potenziale der Belegschaft zur Effizienzerhöhung nutzbar macht. T. C. Ohno verwendet den Vergleich: „Das beste Team gewinnt!“ [Ohno 78]. Teamgeist, Vorbildfunktion und das Einhalten von Regeln rückt in den Vordergrund. Womack und Jones [Woma 05] gehen in der Anforderung soweit, dass der CEO persönlich die Maßnahmen zur Verbesserung anführen muss. „An diesem Punkt scheitern die meisten amerikanischen Unternehmen gleich am Anfang (…) Die CEO wollen die Verbesserung delegieren, teils weil sie Angst davor haben in die (…) Abteilungen (…) zu gehen und bei der Verbesserung Hand an zu legen (…) Sie machen weiter mit ihrer alten Art des Managements – den Zahlen“. Welche konkreten Mittel stehen zur Verfügung, um ein an der Nachhaltigkeit orientiertes Unternehmen mit einer weltweit konkurrenzfähigen Effizienz auch in den indirekten Bereichen zu erreichen?
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1.22.1 Ethik und Managementziele des Toyota Produktionssystems (TPS) In TPS und moderner Lean Production [Suza 89, Ohno 78] werden Zielsetzungen an Ethik und Unternehmenskultur detailliert beschrieben. Es lassen sich bei einigen der bereits erwähnten Elemente konkrete Forderungen oder Vorgaben bezogen auf Ethik oder Managementziele ableiten: • „Probleme sind Schätze“: Kritikfähigkeit und ein positiver Umgang mit Hinweisen, die auf Probleme aufmerksam machen, führen zu einem starken Bottom-up-Prozess der Verbesserung. • Bandstopp: Dies beschreibt das Recht und die Pflicht des Werkers, in Problemfällen die „Reißleine“ zu ziehen, bevor es zum Eklat kommt. Der Bandstopp ist dabei nicht als „Schande“ zu verstehen, sondern als herausragende „Verantwortung“ für das Team und das Management. • 5W-Ursachenanalyse : Diese grundlegende Methode der Problembehandlung fordert, in allen Bereichen eines Unternehmens fundiert Ursachen zu ermitteln, statt Symptome zu beheben. • Prozessorientierung: Optimale Prozesse haben minimale Kosten zur Folge. Im Vergleich zur Zielorientierung wird viel Aufwand durch Prävention erspart, weniger Bürokratie ist notwendig und es werden nicht oder schwer messbare „Softfacts“ mitoptimiert. • Gemba-Orientierung: Die Problemstellung der operativen Wertschöpfungsprozesse hat oberste Priorität. Gemba-Orientierung fordert schlanke Strukturen mit großer sozialer und räumlicher Nähe zum internen oder externen Kunden. • Kaizen: Kaizen ist die Methode der ständigen Verbesserung im TPS. Wesentliche Elemente bezogen auf die Ethik und Management sind das Arbeiten mit Standards, die Forderung nach Kontinuität und Selbstdisziplin sowie das Prinzip der einfachen Umsetzung, statt aufwändiger bürokratischer und theoretischer Methoden. • Teamorientierung: Konstruktiver Mannschaftsgeist ist gefordert, anstelle von „Ellenbogen“-Philosophien, hierarchischen und bürokratischen „Machtspielen“. • Autonomation: Eine menschliche Arbeitswelt für die Mitarbeiter schaffen; dies beinhaltet die goldene Regel der Ethik oder Fairness: „Fordere von niemanden etwas, was Du nicht selbst bereit bist zu tun.“ • Poka Yoke: Gute Qualität zu produzieren ist ein Selbstanspruch, nicht nur bei operativen Prozessen. Zudem sollten Prozesse optimiert werden, anstelle nachträglicher Qualität durch Selektion oder Prüfung zu erreichen. • Gelenkte Selbstbestimmung: „Wenn eine Führungsperson/ein Manager Zukunftspläne entwickelt und Mitarbeiter so führt, dass sie sich für ihre Arbeit verantwortlich fühlen und darauf stolz sind, wird er damit dem Unternehmen so viel Leistungsfähigkeit verschaffen, wie es kein traditioneller Managementstil je erreichen kann.“ [Suza 89] • Kanban-Dezentralisierung: Ein wesentliches Merkmal von Kanban ist die Dezentralisierung der Produktionssteuerung auf den operativen Werker. Macht und Verantwor-
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tung wandert an den Werker. „Der Spieler muss vor Ort entscheiden können, das kann nicht der Trainer auf der Bank.“ Die Management- und Führungsansätze, die das TPS fordert, klingen teils trivial, die reale Umsetzung ist aber höchst anspruchsvoll. Sie ähneln den grundlegenden Prinzipien und dem Selbstverständnis, wie es im Handwerk in Europa etabliert ist. Hierin liegt ein deutlicher Konflikt zu den in der Realität weit verbreiteten bürokratischen Systemen. Die Lean-Elemente können nicht in Einklang gebracht werden mit machtbasierten hierarchischen Führungsmethoden. Vorgesetzte sind in dieser Situation gezwungen, mehr fachlich kompetente Führungs- bzw. Managementmethoden einzusetzen.
1.22.2 Der Managementkreis – verbesserte Kommunikation und Führung Das TPS kommt zu ähnlichen Vorgaben wie wissenschaftliche Publikationen der Personalführung und Ergonomie in Bezug auf reales Management. Das wissenschaftlich etablierte und fundierte Tool zur Führung ist der Managementkreis oder Deming-Kreis [Demi 47]: „Ziele setzen – Planung – Entscheidung – Durchführung – Kontrolle“. Die Methode wurde sehr umfassend ergonomisch untersucht und wissenschaftlich belegt. Um fundiert zu arbeiten, müssen die grundlegenden Ansätze jedoch detailliert untergliedert werden: So müssen Ziele präzise, zeitbezogen, zielbezogen sowie möglichst quantifizierbar sein. Sie müssen eine Ober- und Untergrenze besitzen, mit anderen Zielen in der Organisation integriert und abgestimmt werden, die Erfüllung muss realistisch beurteilbar sowie erstrebenswert sein. Diese Vorgehensweise des Managementkreises ist im täglichen Leben geläufig und allgegenwärtig. Es werden aber permanent pragmatische Vereinfachungen vorgenommen, wobei das Risiko durch Vereinfachung in Kauf genommen wird. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass Abweichung von dieser formalen Vorgehensweise einen Großteil der Fehler und unproduktiven Konflikte in Unternehmen verursachen. Konsequentes Führen umfasst konsequentes Abarbeiten des Managementkreises mit einem wirkungsvollen Führungsstil.
1.22.3 Probleme sind Schätze – Kooperativer Führungsstil Es lässt sich zwischen einem imperativen (autoritären) und einem kooperativen Führungsstil unterscheiden. Der imperative Führungsstil verwendet einen mit Autorität anordnenden und manipulativ überredenden Umgang. Der kooperative Stil überzeugt primär kooperativ und lässt andere bei der Entscheidung partizipieren. Am Beispiel der operativen Qualitätsoptimierung oder im Rahmen von Kaizen-Projekten wird schnell deutlich, dass die repressive Form der Zusammenarbeit mit einem gehorchenden, fremdbestimmten Mitarbeiter wenig effizient ist. Wesentlich ergebnisorientierter ist die emanzipative Form der Zusammenarbeit. Der Mitarbeiter stimmt innengesteuert zu oder bestimmt selbst mit.
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Das kooperative Führungsprinzip wurde durch das Harzberger Modell bekannt: Typische Merkmale sind dabei der eindeutig begrenzte Aufgabenbereich, in den die Führung nicht eingreifen darf. Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung müssen übereinstimmen. Der Mitarbeiter trägt Handlungsverantwortung, der Manager die Führungsverantwortung. Die theoretischen Grundregeln des Harzberger Modells wurden durch praxisnahe, einfache Leitsätze erweitert. Für die Aufgaben wird nur eine Richtlinie übergeben, die aber Alternativen zulässt. Neben der Handlungsverantwortung, wird auch die Führungs- und die Entscheidungsverantwortung übertragen. Das Management kontrolliert das Ergebnis und nicht die einzelnen Tätigkeiten. Für die verbesserte Abstimmung bei überschneidenden Aufgaben muss der Leiter koordinieren und auch die Detailarbeiten kontrollieren. Ein wesentlicher Nachteil des kooperativen Führungsstils ist die Tatsache, dass der Vorgesetzte wesentlich mehr Zeit für Information und aufgrund des Mitspracherechts der Mitarbeiter bessere Kritikfähigkeit benötigt. Andererseits entlastet sich der Vorgesetzte in vielen Punkten durch die Arbeitsweise der Mitarbeiter, wie etwa durch Selbstkontrolle, Selbstständigkeit, eigenes Mitdenken. Zudem wird sowohl der Vorgesetzte, als auch das Unternehmen durch das Interesse der Mitarbeiter an Verbesserungen der Arbeit belohnt.
1.22.4 Ethik als evolutionäres Erfolgskonzept Unter soziologischer oder entwicklungsbiologischer Sicht entsprechend der Energontheorie von H. Hass [Hass 70] lässt sich Ethik als evolutionäre Erfolgsstrategie interpretieren. Energone, also die eigentlichen Lebewesen, aber auch Lebensformen entsprechende Gebilde wie etwa Staaten, Firmen oder allgemein Gruppenstrukturen, verhalten sich nicht grundsätzlich ethisch, sondern wägen ab und entscheiden sich für die Strategie, die im jeweiligen Fall subjektiv erfolgversprechender erscheint. Ethisches oder kooperatives Verhalten, wie Fairness oder das Eingestehen von Fehlern, erbringt nachweislich den größeren Vorteil. Er resultiert aber erst mittelfristig und nicht unmittelbar für den Einzelnen, sondern primär die Gesamtgruppe. Nach der Spieltheorie [Neum 44] gilt: Wenn die Mehrzahl einer Gruppe bezüglich der „Spielregel“ kooperiert, profitieren alle gleichermaßen davon. Betriebswirtschaftlich sagt die Spieltheorie aus, dass die maximale Leistung nur erzielt werden kann, wenn sich alle kooperativ verhalten und die Spielregeln beachten. Konflikte, egoistisches Verhalten und Konkurrenz reduzieren das Ergebnis. Verschiedene Effekte wie zielorientiertes und dadurch unkooperatives Verhalten (Kooperationsprobleme), behindern die Erreichung des Gesamtoptimums [Axel 86]. Um bei dem Beispiel von T. C. Ohno zu bleiben: Wenn eine Sportmannschaft mit internen Kämpfen beschäftigt ist, kann sie nicht erfolgreich sein. Entscheidend für die Entwicklung und damit den Erfolg, sind zudem die vorgegebenen Kriterien, nach denen sich Varianten bevorzugt entwickeln können. Die oberste Priorität jedes Managements sollte folglich sein, mittels eines kooperativen Führungsstils möglichst ethisches Verhalten in einem Unternehmen zu erzeugen. Durch diese Zielerreichung wird die maximale Leistung des Unternehmens möglich. Aus diesem Grund sind derartige Leitsätze meist auch in Managementhandbüchern klar
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definiert. Nach der Energontheorie lassen sich nicht nur Unternehmen, sondern auch ihr gesamtes Netz an Zulieferern als ein Energon verstehen. Um den Maximalerfolg bei einer Lieferantenbeziehung zu erzielen, gelten soziologisch dieselben Grundregeln wie bei der Spieltheorie.
1.22.5 Maßnahmen zum nachhaltigen Managementerfolg Die Zielvorgaben des Managements bestimmen die Entwicklung jedes Unternehmens. Maßnahmen zum nachhaltigen Unternehmenserfolg müssen folglich mit ziel- und prozessorientierten Vorgaben des Managements beginnen. Soziologisch betrachtet gilt es, die Vorgaben des Managements so zu setzen, dass unsere betriebswirtschaftlichen Energone positive Entwicklungen mittel- bis langfristig bevorzugen. Um ein ganzheitlich schlankes Unternehmen, eine Lean Enterprise, erfolgreich umzusetzen, sind folgende Zielvorgaben für das Management notwendig: • Persönliches Anführen der „Lean-Bewegung“: Der Umsetzungserfolg von LeanMethoden ist maßgeblich von dem persönlichen durchgängigen Vorantreiben der Prozesse durch die Unternehmensführung bestimmt [Woma 05]. Für die Entwicklung hin zu einer Lean Enterprise sind einschneidende und strukturelle Änderungen notwendig, die mehr als der bloßen Entscheidung der obersten Führungsebene bedürfen. Aber auch einzelne Elemente der Lean-Kampagne, wie etwa der offene und offensive Umgang mit Verbesserungsvorschlägen, benötigen Moderation und sollten top-down intensiv begleitet werden. Das persönliche Vorantreiben ist ein entscheidender Erfolgsfaktor, um eine umfassende, tief greifende und nachhaltige Veränderung zu bewirken. • Managementverträge stoßen nachhaltige Entwicklungen im ganzen Unternehmen an: Zielvorgaben und Entlohnung, die eine ausgeglichene Mischung aus kurz-, mittel- und langfristigen Komponenten enthalten, verhindern erfolgreich die Nachteile einseitig kurzfristiger Kostenorientierung. Beständig positive Entscheidungen werden langfristig belohnt, kurzfristige Vorteile, die langfristig Nachteile erbringen, werden somit unattraktiv. Sinnvoll sind hierfür Entlohnungskonzepte, die Zielvorgaben bezüglich ausgewogener Zeithorizonte bewerten. Führungskräfte erhalten zu Beginn ihrer Tätigkeit weniger Tantiemen, mittel- bis langfristig steigen die Zuschläge aufgrund verlässlicher, erfolgreicher Leistungen in den entsprechenden Zeithorizonten. Die Entlohnung deckt sich nun besser mit der über Jahre ansteigenden ergonomischen Effizienzkurve des Mitarbeiters und bildet somit die tatsächliche Leistung real im Gehalt ab. Das Konzept ermöglicht eine durchgängige Nachhaltigkeitsökonomie und verhindert häufige Stellenwechsel. • Interdisziplinäre Qualifikation: Es ist im Interesse des Unternehmens, dass das Management für neue Aufgaben eine umfassende, interdisziplinäre und fundierte Vorbereitung erhält. Ausschließlich durch derartige Kompetenz eines Vorgesetzten ist ein kooperativer Führungsstil möglich.
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• Interhierarchische Ausbildung: Bei japanischen Unternehmen durchlaufen Manager über einige Jahre ein Trainerprogramm, in dem sie diverse, auch operative Aufgaben durchlaufen. Es ist üblich, auch direkt in der Produktion mitzuarbeiten. Auf diese Weise wird ein fundiertes Verständnis für die Problemstellung der Wertschöpfung erzielt. Führungskräfte erreichen durch diese Maßnahmen ein besseres „Standing“ und deutlich höhere Akzeptanz auf verschiedenen hierarchischen Ebenen. • Gelebte Vorbildfunktion und ethisches Selbstverständnis erzeugen Engagement auch in schwierigen Phasen: Vorgesetzte müssen sich der höheren Anforderung an ihre Vorbildfunktion und Ethik bewusst sein. Ethisches Verhalten umschließt auch und im Besonderen die sich selbst zugestandenen Rechte. Der große Nutzen von authentischem und nachahmenswertem Verhalten, ergänzt durch kooperativen Führungsstil, wird vor allem in kritischen Situationen sichtbar. Mit Vertrauen wird es möglich, mit einer engagierten Belegschaft schwierige Situationen zu meistern, auch wenn es alle „schmerzt“. • Kooperation erleichtert Veränderung: „Wachstumsschmerzen sind nötig“ [Suza 89]. Entwicklung und Fortschritt fordern immer Konfliktsituationen, weshalb in vielen Fällen eine durchgängige positive Veränderung erst bei Leidensdruck zustande kommt. Veränderungen beinhalten auch Risiken und brauchen daher „Zeit zum Reifen“. Kooperativer Führungsstil ermöglicht im Besonderen die Diskussion von anstehenden Veränderungen. Diese offene Kommunikation erlaubt enorme substanzielle Verbesserungssprünge und ist daher ein Meilenstein zur Lean Enterprise.
1.23 Veränderungen im Unternehmen – Lean sichert die langfristige interdisziplinäre Unternehmensentwicklung Philipp Dickmann Durch die wachsende Globalisierung nimmt der Wettbewerbsdruck branchenunabhängig zu. Die Fähigkeit, dem Kunden passende oder maßgeschneiderte Produkte zu liefern, ist entscheidend. Dabei sind es nicht die technischen Unterschiede, sondern die Faktoren Schnelligkeit und Flexibilität des Lieferanten sowie die Fähigkeit, die Variantenvielfalt abzubilden, die die Kaufentscheidung bestimmen. Der Grundsatz der Evolution von Charles Robert Darwin [Darw 59] gilt gleichermaßen für die Wirtschaftswissenschaften: Wer sich am besten anpassen kann, gewinnt im Wettbewerb. Der Materialfluss eines Unternehmens ist das Element, auf das sich Veränderungen aller Art auswirken. Einzelentscheidungen, Entscheidungsrunden, kontinuierliche Verbesserung, technisches Änderungsmanagement, Veränderungsprojekte (Change Management), dynamische Veränderungen die sich durch ein umfassendes Lean Production Konzept ergeben und strategische Unternehmensplanungen – alle diese vielfältigen Prozesse nehmen entscheidenden Einfluss auf die Unternehmensentwicklung. Die Ergebnisse dieser gleichzeitig und dynamisch wirkenden Änderungsprozesse haben einen starken Einfluss auf den Materialfluss und alle damit konfrontierten Fachbereiche. Innovationen oder strategische
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Projekte werden dadurch oft unbemerkt beschnitten oder erst wirklich zum Erfolg. Die schnelle Folge der Veränderungen wird nur unzureichend – als Momentaufnahme – in betriebswirtschaftlichen Unternehmensplanungen oder strategischen Projekten abgebildet. Das Vorgehen für technische Änderungen oder kontinuierliche Verbesserungskonzepte (z. B. Kaizen) ist ähnlich. Technisches Änderungsmanagement leitet sich jedoch aus konstruktiven Abläufen und Qualitätsmanagement ab und ist mathematisch basiert. Kaizen entstand aus dem praktischen Optimieren (durch Ausprobieren) von Produktionsprozessen und ist eine einfache, praxisnahe Methode mit geringer Datenerhebung und Dokumentation. Die Umsetzung großer Veränderungsprojekte – wie das Streben nach einem schlanken Unternehmen – erfordert grundlegende, umfassende Restrukturierungen. In das Veränderungsmanagement (Change Management) sollte die gesamte Belegschaft eingebunden werden. Viele gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen auftretende Veränderungen sind eine Herausforderung, deren Dimension erst bei einer retrospektiven Betrachtung erkannt wird. Der Begriff Lean Production wurde von Womack, Jones und Roos 1990 [Woma 90] kreiert, um den großen Wettbewerbsvorteil zu beschreiben, der sich durch die sichere, effiziente und schnelle Umsetzung dieser dynamischen Aufgabenstellung in der japanischen Automobilindustrie entwickelt hatte. Durch eine langfristig angelegte Lean Production Kampagne – mit allen Lean Elementen – kann eine gerichtete, interdisziplinär abgestimmte und maximal schnelle Anpassung an Veränderungen der Kunden- und Marktanforderungen in allen Produktionsstufen und Abteilungen erreicht werden.
1.23.1 Technisches Änderungsmanagement Änderungsmanagement umfasst die Abläufe und Funktionen, die zum Ziel haben, Veränderungen an Produkten oder Prozessen systematisch, kontrolliert und dokumentiert zu planen und umzusetzen. Wesentlich ist dabei die systematische Methode, mit der eine Verbesserung nach dem Deming-Kreis (vgl. Kap. 1.17.3 Prozessoptimierungsstrategien) erzeugt wird. Eine klare Dokumentation des Vorgehens dient als fundierte Grundlage für weitere Verbesserungen. Basierend auf einer Änderungsanforderung erfolgt (nach betriebswirtschaftlichen Kriterien) durch Abgleich zu anderen Änderungsvorgängen oder zu laufenden Entwicklungsprojekten eine Überprüfung der Notwendigkeit bzw. des Nutzens. Die Prüfung durchläuft alle relevanten Fachbereiche und endet in der Freigabe. Die Umsetzung erfolgt zum Zieltermin. Wichtige Fragen, die dabei geklärt werden müssen, sind: • • • •
Kann die Änderung durch Verwendung eines Standards erreicht werden? Ist die Änderung technisch ausgereift und führt sie zu einem sicheren Fortschritt? Bei kurzfristigen Maßnahmen ist abzuklären, ob eine endgültige Lösung möglich ist. Ist der Aufwand im Vergleich zum Nutzen wirtschaftlich tragbar?
Das Änderungsmanagement umfasst den ganzen Produktlebenszyklus, vom Erfinden des Produkts (der Invention), dem Anlaufmanagement vor dem Produktionsstart (Start of
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Production = SOP) über viele Einzeländerungen bis hin zum Ersatzteilmanagement und letztlich dem Ende der Produktion (End of Production = EOP). Die Planung der Änderungen, um in der Degenerationsphase betriebswirtschaftlich effizient zu bleiben, wird häufig vernachlässigt, was zu einem passivem Auslaufmanagement führt. Der Aufwand für eine Änderung und deren Dokumentation ist hauptsächlich von ihrer Bedeutung und Komplexität abhängig. So ist für kleinere Änderungen meist eine vereinfachte Freigabe und Dokumentation üblich. Mögliche Ursachen für Änderungen sind: • • • • • • • • •
Lieferantenwechsel Änderung der Lieferantenspezifikation Kosteneinsparungen Qualitätsmängel Technische Verbesserungen Interaktionen durch andere Änderungen oder Produktan- und -ausläufe Kundenwünsche oder -anforderungen Innovationen am Markt Produktionsanforderungen
Änderungen in der Praxis Änderungen werden durch einen speziellen Anlass initiiert. Ihre Umsetzung unterliegt daher fast immer Termindruck. Daraus leiten sich drei typische Fehler ab: • Unausgereifte Änderungen, die schnell neue Änderungen nach sich ziehen • Mangelnde Abstimmung von Änderungen, sodass Überschneidungen mit anderen Aktivitäten übersehen werden • Unvollständige Dokumentation der Änderungen, wodurch bei späteren Recherchen die Basis oder die genaue Aktivität nicht mehr nachvollziehbar ist Diese drei Fehler führen in der Praxis häufig zu Nachbesserungsschleifen. Ausgelöst durch internen oder externen Druck • • • • •
sinkt dadurch die Effizienz im Vorgehen; steigt die Zeit, bis Probleme tatsächlich gelöst werden; steigt die Personalkapazität; ist das Arbeitsklima von Krisenmanagement gekennzeichnet leidet die Kundenzufriedenheit.
Probleme beim technischen Änderungsmanagement oder eine sehr hohe Änderungshäufigkeit können den Effekt von Kaizen oder Kanban leicht zunichte machen. Eine kritische aber offene Kontrolle der Änderung durch ein Team ist daher entscheidend. Die folgende Checkliste für die Problemlösung beim Änderungsmanagement ist an die Vorgehensweise von Kaizen angelehnt (vgl. 1.25.4 Konstruktionsfehler vermeiden mit GD-Cube und Design Review based on Failure Mode) [Scho 05]:
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• • • • • • •
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Was hat sich geändert? Welche Funktionen sind durch Änderungen betroffen? Was sind die potenziellen Probleme bezüglich der Änderung? Welche Ursachen für die Probleme sind zu befürchten? Von welchem System gehen die Ursachen aus? Welche Auswirkungen hat das Problem auf das System oder den Kunden? Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um sicherzustellen, dass die möglichen Probleme nicht auftreten?
Wieviel Dynamik ist sinnvoll? Änderungshäufigkeit, Variantenvielfalt und die Qualität der Änderungen sind Größen, die sich maßgeblich auf den Materialfluss und damit auf die Kostenstrukturen eines Unternehmens auswirken. Simultaneous Engineering führt zu immer kürzeren Entwicklungszyklen (also Time-to-market) und damit zu einem Wettbewerbsvorteil und Einsparungen. Eine schlechte Qualität der Konstruktion bzw. der Umsetzung in der Produktion können jedoch die Vorteile leicht überkompensieren. Vorschnell durchgeführte Änderungen oder Neuentwicklungen mit mehreren Nachbesserungsschleifen nehmen meist mehr Zeit in Anspruch, als eine umfassend durchgeführte Änderung nach dem Poka Yoke-Prinzip („Mach´s gleich richtig“; vgl. Kap. 1.13 Poka Yoke). In der Diskussion wird Änderungshäufigkeit oft fälschlich mit Variantenvielfalt und Flexibilität gleichgestellt. Oberflächlich betrachtet mag eine hohe Änderungshäufigkeit als die Fähigkeit eines Unternehmens, sich den Marktanforderungen anzupassen, positiv bewertet werden. In der Praxis ist es jedoch vielfach ein Indiz für unausgereifte Entwicklungsleistungen und eine wenig zukunftsweisende und an den Kunden angepasste strategische Marktausrichtung. Die Orientierung an Zielgrößen wie Simultaneous Engineering oder Time-to-market ist ohne Zweifel notwendig. Sie darf jedoch keinesfalls zulasten der systematisch fundierten Arbeitsweise gehen. Das bedeutet, Schnelligkeit darf nicht auf Kosten der Qualität erreicht werden. In der Praxis ist dies jedoch häufig der Grund für das Hochschnellen der Änderungshäufigkeit. Änderungshäufigkeit bei Serienteilen Der Einfluss hoher Änderungshäufigkeit ist bei Serienteilen (Schnelldreher) weitaus folgenträchtiger als bei (Langsamdrehern). Dies wird durch die fließenden Bestände der kontinuierlichen Nachschubkette verursacht. Bei jeder Änderung müssen über zahlreiche Produktions- und Lieferantenstufen Materialien abgestimmt aus- und anlaufen. Bei größeren Fertigungslosgrößen oder langen Transportstrecken können davon sehr große Materialmengen betroffen sein (bei Global-Sourcing unter Umständen mehr als eine Jahresmenge). Entsprechend sollte der Kennwert „Änderungshäufigkeit“ auf die Summe der Serienteile eines Produktes verwendet werden. Anzahl Anderung en im Jahr pro Produkt äufigkeit = Anderungsh Summe der Serienteile
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Abb. 1.53 Änderungshäufigkeit, Änderungsaufwand und Änderungskosten – die Daten wurden in einem Praxisbeispiel ermittelt und lassen sich auf andere Unternehmen übertragen. Bei geringen Änderungsmengen und -häufigkeiten steigt der Aufwand linear an. Ab einer – unternehmensspezifischen – Grenze (hier ca. 0,66 Änderungen pro Jahr), nimmt der Aufwand exponentiell zu, da weitere Bereiche des Unternehmens durch den Änderungsaufwand behindert werden
In der Praxis ist aber, z. B. durch unausgereifte Produkte, eine Häufigkeit von zwei bis fünf Änderungen pro Jahr keine Seltenheit. Allein durch die physische Trägheit eines Serienmaterials muss unter Umständen Material für eine Reichweite von mehreren Wochen oder Monaten umgearbeitet oder verschrottet werden. Im Sinne von T. C. Ohno ist dies ein hohes Maß an Verschwendung. Hier bietet sich ein hohes Verbesserungspotenzial im Änderungsablauf und der Effizienz. Änderungskosten Eine deutliche Vereinfachung und Kostenersparnis kann durch Produktionsprozesse mit möglichst kurzen Durchlaufzeiten erreicht werden, wie typischerweise mit Lean Production. Dies wird vor allem aufgrund der in der Regel sehr viel geringeren Durchlaufzeiten und kleineren Losgrößen erreicht. Eine einfache Faustregel besagt: Eine um 50 % kleinere Losgröße, deren mehrfache Abbildung in Aufträgen und der proportional kleinere Lagerbestand ergibt bei einer Änderung im Durchschnitt um mindestens 80 % weniger betroffene Materialbestände (Abb. 1.53). Mit den Änderungskosten wird vornehmlich der direkte operative Aufwand für die technische Erstellung einer Änderung betrachtet. Die veranschlagten Sätze, die pro Änderung kalkuliert werden, schwanken daher im Bereich mehrerer hundert bis hin zu mehreren tausend Euro. Dabei werden jedoch in der Regel nur die Aufwendungen für Entwicklung und Konstruktion, bzw. die tatsächlichen, zeitnah anfallenden Nacharbeits- oder Verschrottungskosten berücksichtigt. Die Kosten bzw. Aufwendungen werden fast immer unterschätzt. Ein großer Teil der Kosten tritt nicht unmittelbar und produktnah auf, sondern zeitversetzt oder in diversen Fachbereichen, wo sie in der Regel in Gemeinkostentöp-
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fen „verschwinden“. Kosten, die den Lieferanten entstehen, können dem Kunden nur zu einem geringen Teil sofort berechnet werden. Vielmehr führen sie langfristig zu erhöhten Kaufteilpreisen. Beispiele für die Vielzahl der Folgeaufwendungen von Änderungen sind: • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Konstruktions- und Zeichenaufwand Technisch mechanische Prüfungen Zusätzliche Freigaberunden für Änderungen von Stücklisten, Materialstamm etc. Aufwand zur Änderungsverfolgung Dokumentation der Ersatzteilhaltung intern und extern Änderungsprüfung und Umsetzung beim Lieferanten Angebotsanfrage durch den Einkauf Kostenermittlung durch den Lieferanten Angebotsprüfung durch den Einkauf Genehmigung der Kosten in einer Entscheidungsrunde Einschleusung der neuen Teile in den Montageprozess Auslauf des alten und Anlauf des neuen Materials Änderungen der Arbeitspläne oder Arbeitsunterlagen Schulung oder Unterweisung von Mitarbeitern Aufwand für Materialdisposition Anlegen der Lagerplätze entlang der Materialflusskette (IT und Physis) Aussteuerung und gegebenenfalls Nacharbeit oder Verschrottung von Material Fehlerbereinigung in Fertigungsaufträgen durch die Planung Bereinigung von Inventurdifferenzen Aufwand für die Kontrolle der Serialisierung übergeordneter Baugruppen Bestandsbereinigung der alten und neuen Materialien Kosten für Überbestände und Zusatzkapazitäten zur Erzeugung von Sondermengen oder aufgrund Termindruck • Werkzeugkosten • Nacharbeit oder Verschrottung von Material beim Lieferanten • Stornierungskosten, Nacharbeit und oder Verschrottung von Kaufteilen beim Lieferanten
Lean Änderungsmanagement – Änderungen mit Standards absichern Der Deming-Kreis beschreibt das prinzipielle Vorgehen bei Änderungen. Das Risiko besteht darin, dass die Verbesserung nicht fortwährend in der Dynamik der operativen Arbeit erhalten bleibt oder generell nicht nachhaltig ist. Für anhaltende Verbesserungen sind umfassendere substantielle Maßnahmen nötig. Dabei stellt sich die Frage, welche Änderungshäufigkeit sinnvoll ist. Generell sind die japanischen Automobilisten hier sehr restriktiv. Sie beschränken die Variantenvielfalt und die Fristen zum Einschleusen von Änderungen sehr konsequent. Dieses Vorgehen führt zu einem beruhigten Änderungsmanagement und wenigen Störungen im Produktionsprozess entlang der Supply Chain. Andererseits wer-
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den die Losgrößen und die Durchlaufzeiten im Herstellprozess minimiert, daher wirken sich die Änderungen weniger kritisch aus. Standards zu verwenden • erhöht die Effizienz (Synergien werden genutzt), • spart Kapazitäten für unnötige Entwicklungen ein und • vermeidet Fehler durch den Einsatz bestehender, ausgetesteter Lösungen. Folgende Maßnahmen können auf diesem Weg weiter helfen: • • • • • • • •
5S- im Änderungsmanagement Einhalten des Deming-Kreises Umfassender Zwang zu Standards Kontinuierliche Maßnahmen zur Reduzierung der Teilevielfalt Fundierte Änderungsvorklärung Interdisziplinäre Teams zur Abstimmung Änderungscontrolling GD3 (vgl. Kap. 1.25.4 Konstruktionsfehler vermeiden mit GD-Cube und Design Review based on Failures Mode)
1.23.2 Veränderungsmanagement – Change Management Während sich das Änderungsmanagement mit der Verfolgung von Änderungen an Produkten befasst, bezieht sich das Veränderungsmanagement auf die Umsetzung bereichsübergreifender und weitreichender Änderungen von Strategien, Strukturen, Systemen, Prozessen oder Verhaltensweisen. Der Ursprung des Change Management liegt in der Hawthorne Studie 1924–1932 [Roet 24], bei der die Kriterien zur Leistungssteigerung grundlegend untersucht wurden. Durch die Studie wurde bekannt, dass der Umgang mit den Mitarbeitern und die Informationspolitik den Leistungsgrad stärker beeinflussen als die Arbeitsbedingungen. Typische Ziele des Change Managements sind komplexe Problemstellungen und wesentliche Rahmenbedingungen wie • • • • • • •
Globalisierung, Dynamik in Segmenten, demographische Entwicklung, technologische Entwicklung, Wertewandel, ökologische Herausforderung und zukünftige Kunden und Marktanforderungen.
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Diese Ziele werden durch einen systematischen Wandel der Prozesse umfassend realisiert. Nach der „Pioniertheorie“ von Kurt Lewin [Lewi 47] lassen sich beim Veränderungsmanagement drei Phasen unterscheiden: • Auftauphase (unfreezing): Aufgrund einer zunehmenden Differenz zwischen Erwartungen und Realität wächst ein Leidensdruck, der dazu führt, alte Verhaltens- und Ablaufmuster in Frage zu stellen. Im Unternehmen entsteht Verständnis für die Notwendigkeit von Veränderungen und die Bereitschaft, sie anzunehmen. Die nach Veränderung strebenden Kräfte müssen in dieser Phase unterstützt werden, um das Bewusstsein für die Veränderung auszuweiten. Der Begriff „unfreezing“ ist hier eine Metapher für das Auftauen der bestehenden festen (gefrorenen) Zustände. Dabei ist es wesentlich, die Argumentationsketten intensiv zu durchdenken und zu vermitteln. Gleichzeitig geht es darum, die Argumente, Probleme und Lösungsansätze anderer mit zu integrieren. • Bewegungsphase (moving): In der Bewegungsphase werden neue Konzepte generiert, neue Verhaltensweisen getestet. Dabei wird das Problem in Teilaspekten gelöst. In vielen Fällen hat sich gezeigt, dass Vorbehalte gegen Neues auf unberücksichtigte Aspekte zurückzuführen sind. In dieser Phase ist es wesentlich, sensibel und kooperativ auf Argumente einzugehen. Nur auf diese Weise können tatsächlich tragfähige, zukunftsträchtige Konzepte entstehen. Pläne, die Nachteile ignorieren, sind nicht im Interesse des Unternehmens und lösen Widerstand oder Gleichgültigkeit aus. Um Leitlinien kritisch hinterfragen und modellieren zu können, ist allerdings fast immer die persönliche direkte Kommunikation mit dem obersten Management notwendig. Die bestehenden Abläufe und Standards (Status-quo) werden verlassen und es findet eine Bewegung statt, die zu einem neuen Gleichgewicht führt. Natürlich werden nicht alle Mitarbeiter bereit sein, sich neuen Ideen unterzuordnen. Dabei sollte hinterfragt werden, ob ein für den Unternehmenserfolg relevanter Grund oder persönliche Motive hinter einer ablehnenden Haltung stecken. • Einfrierphase (refreezing): Nach dem Deming-Kreis wird das Ergebnis (die Implementierung) zum neuen Standard. Der neue Status stellt den vorläufigen Abschluss des Veränderungsprozesses dar und wird „eingefroren“. Nach dem Episodenschema von Lewin benötigen Veränderungen im Anschluss eine Phase der Konsolidierung oder auch Stabilisierung, um eine nachhaltige Integration in das Gesamtsystem zu erreichen. In der Praxis besteht die Gefahr, mittelfristig in alte Verhaltensmuster, Standards und Gewohnheiten zurückzufallen. Die Mitarbeiter müssen sich an die neuen Bedingungen gewöhnen und das Vertrauen gewinnen, dass die neuen Abläufe auch in schwierigen Situationen sicher funktionieren. Organisatorische Rahmenbedingungen Üblicherweise werden derartige Projekte von Change Agents umgesetzt. Diese „Umsetzungsverantwortlichen“ (die deutsche Übersetzung von Change Agents wird dem ursprünglichen Begriff leider nicht vollständig gerecht) werden in relevanten Disziplinen
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wie Konfliktmanagement, Projektmanagement, Coaching oder Kommunikationstechniken geschult und sind ausschließlich für die Führung des Veränderungsmanagements zuständig. Sie setzen, unterstützt durch Veränderungsteams (Changeteams), die Ziele um. Bei allen wirklich erfolgreichen Lean-Umsetzungen, z. B. bei Toyota in Japan oder bei Porsche in Deutschland, wurde die Kampagne auch operativ von einer hochrangigen Leitfigur persönlich angeführt, also einer Person, die analog der Anforderungen des Change Managements agieren konnte. Dieses Selbstverständnis des Managements wurde von T. C. Ohno als grundlegende Forderung im TPS aufgestellt und prägt die Unternehmensethik von Toyota noch heute. Die systematische Einführung durch Change Agents, also die operative Begleitung von großen Kampagnen durch einen hochrangigen Manager, ist heute in Europa leider selten. Vor allem in Konzernen wird die Umsetzung kleiner Teilaufgaben, z. B. einzelne Lean-Elemente, an das untere und mittlere Management oder an Externe delegiert. Damit verschenkt das Top-Management die Chance des direkten Kontakts zur Basis (Wertschöpfungsprozess) und damit zu kritischen Meinungen. Die Möglichkeit einer individuellen Lösung mit einem Konsens durch ein umfassendes, interdisziplinäres und interhierarchisches Verständnis wird damit nicht genutzt. Fehler im Change Management Bei Änderungsprozessen oder Veränderungsprozessen im Unternehmen kommt es u. a. zu folgenden Diskrepanzen: • Die Umsetzung ist aufgrund einer oberflächlichen, unsystematischen oder unprofessionellen Vorgehensweise nicht konsequent genug. • Die Informations- bzw. Kommunikationspflege ist unzureichend. • Die Zeit- und Zielvorgaben sind falsch, z. B. aufgrund des zu großen Abstands zu den „Operativen“. • Änderungsprozesse werden nicht übernommen, da Mitarbeiter in alte Gewohnheiten zurückfallen. • Das Management lebt die Veränderung nicht vor. • Softfacts, z. B. Ängste der Mitarbeiter, werden außer Acht gelassen. • Bei Widerständen oder Problemen wird zu schnell aufgegeben.
1.23.3 Dynamische, ganzheitliche Lean-Veränderungsprozesse Die umfassende Umsetzung der vielfältigen dynamischen Änderungen im Unternehmen bietet höhere Potenziale als statische Innovationsschübe Betriebswirtschaftlich werden Unternehmensveränderungen (z. B. eine neue Produktionslinie) in Geschäfts- oder Projektplänen mit einer stufenweisen Verbesserung geplant (Abb. 1.54). Kontinuierliche dynamische Veränderungen, wie sie z. B. Kaizen erzielt, sind aus dieser Perspektive nicht anvisiert, da sie in Europa üblicherweise als wirtschaftlich
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Abb. 1.54 Theoretischer und realer Projektfortschritt bei stufenweise geplanten Verbesserungsprojekten. Entwicklungsprojekte erreichen i. d. R die Ziele (Milestones). Spätestens nach dem Ende des Projekts und mit der Reduzierung des Betreuungsaufwands reduziert sich die Leistung oft erheblich – eine Degeneration tritt ein
irrelevant angesehen werden. In der Praxis muss man jedoch feststellen, dass spätestens nach Beendigung der intensiven Projektbetreuungsphase ein gravierender Degenerationsprozess einsetzt (Abb. 1.55). Interessanterweise wird der Stellenwert von Lean-Potenzialen bei Unternehmen wie Toyota deutlich anders eingeschätzt. Woher kommt diese Diskrepanz? Zunächst lässt sich feststellen, dass Best Practice-Umsetzungen im Bereich Lean in Japan mittelfristig ähnlich hohe wirtschaftliche Potenziale erbracht haben wie Innovationssprünge oder strategische Projekte. Die Ursache liegt darin, dass Lean-Ansätze die Degeneration verhindern. Der kontinuierliche pragmatische Optimierungsaufwand führt in kleinen Schritten zu einer Steigerung der im Projekt erreichten Leistungen (Abb. 1.54). Lean wird nur punktuell genutzt In Europa werden diese Konzepte zwar als positiv eingeschätzt, ihr wirtschaftliches Potenzial jedoch als gering eingestuft. Entsprechend werden Projekte als fachabteilungsinterne Themen im Unternehmen angesehen. In der Lean-Studie „Fakten zu Lean“ der lepros GmbH im Jahr 2007 [Lepr 07] (unter Beteiligung von ca. 150 Unternehmen aus Maschinenbau, Elektrotechnik und Automobilzulieferindustrie) wurde festgestellt, dass meist nur bekannte Lean-Elemente punktuell umgesetzt werden, z. B. Kanban in der Logistik und Beschaffung oder Kaizen in der Produktion und Verwaltung (Abb. 1.3). Diesem Vorgehen steht der Hinweis von T. C. Ohno [Ohno 78] entgegen, dass erst das Zusammenspiel der vielfältigen Einzelelemente der Schlüssel zur Optimierung und der
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Abb. 1.55 Hohe Verbesserungs-Potenziale mit Lean: Projekte, die intensiv und umfassend von Lean-Maßnahmen begleitet werden, verhindern nicht nur Degeneration, sondern erreichen mittelfristig beträchtliche Fortschritte. Bei Best Practice-Umsetzungen sind die Potenziale sehr hoch und können eine ebenso hohe Relevanz wie Innovationen oder strategische Projekte erlangen
wirklich großen Potenziale ist. Auch bei der Auswahl der Treiber der Kampagne (bzw. Beratern) sollte darauf geachtet werden, ob eine ganzheitliche Lean-Kompetenz und nachweisliche Erfahrung in Best Practice vorhanden ist. Lean wird nicht nachhaltig genug als Kampagne umgesetzt Lean-Umsetzungen müssen langfristig und nachhaltig verfolgt werden, um ähnlich große Potenziale zu erreichen, wie sie zum Teil bei den japanischen Automobilisten erreicht wurden. Zu Projektbeginn entsteht der Fortschritt durch einzelne herausragende Ereignisse – „Leuchttürme“. Beim Übergang in eine langfristige Lean-Kampagne verwandelt sich die Veränderung in sehr viele kleine, weniger plakative Fortschritte. Der Gesamtfortschritt nimmt stetig zu, aber der Marketingeffekt ab. Nach dem Motto „neue Besen kehren gut “ werden jetzt andere Optimierungsphilosophien mit neuen Potenzialen oder einer guten Marketingstrategie gesucht. Damit wird der Lean-Kampagne Kapazität entzogen oder sie wird sogar ganz verdrängt, bevor sie eine vollständige Ausbaustufe erreicht hat. Vergleichbar mit einer Autobahn, die nur in Teilstücken ausgebaut ist, erreicht Lean Production auch erst nach Verbindung aller „Teilstücke“ das Niveau des TPS. Tatsächlich wird Lean in Europa überwiegend als Projekt interpretiert und die Projekte werden nur maximal 2–3 Jahre konsequent fokussiert.
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Ganzheitliche Ziele mit Lean schnell umsetzen Die durchgängige, abgestimmte Umsetzung von Lean-Konzepten ist ohne Zweifel einer der wesentlichen Schlüssel für ein Unternehmen, um flexibel und erfolgreich auf Veränderungen am Markt zu reagieren. In der Zusammenarbeit geht es darum, maximale Synergien und dadurch maximale Effizienz zu erzeugen. Dies muss jedoch im Kontext einer dynamischen Veränderung gesehen werden. Statische Projektstrukturen müssen durch dynamische Aktualisierungen an die veränderten Bedingungen angepasst werden. Nur dadurch kann die Dynamik der Veränderung erfolgreich beherrscht werden. Verbesserungsverfahren, die hochexakte, betriebswirtschaftlich fassbare Ergebnisse erreichen, sind aufgrund des beträchtlichen zeitlichen Aufwands der für ihre Berechnung und die Analyse benötigt wird vielfach zu langsam, um Veränderungen schnell ausnützen zu können. Lean-Ansätze mit ihren pragmatischen und Gemba-nahen Methoden ermöglichen mit minimalem formalem und theoretischem Aufwand eine sehr viel schnellere, zeitnahe Verbesserung. Die Einzelelemente der Lean Production zeigen erst unter zeitlich dynamischen Aspekten ihr extrem komplexes und gleichzeitig abgestimmtes Zusammenspiel (Interaktion). Sie erlauben Entscheidungen und Veränderungen nach klaren Richtlinien, mit systematischer Prüfung und mit minimalem bürokratischen Aufwand auf der geringst möglichen hierarchischen Ebene umzusetzen. Um den Erfolg namhafter LeanUnternehmen zu erreichen, ist eine umfassende, nachhaltige Umsetzung und zudem eine maßgebliche Orientierung der Unternehmensphilosophie an Lean notwendig.
1.23.4 Dynamische Evolution in eine erfolgreiche Zukunft Dynamische zukunftsorientierte Ausrichtung des Energons „Unternehmen“ Die reale Dynamik führt zu kontinuierlichen Änderungen in verschiedenen Dimensionen eines Unternehmens. Für die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens ist es entscheidend, wie gut Veränderungen interdisziplinär und interaktiv beherrscht werden. Zukunft ist generell nicht planbar. Für Teilaspekte können sich schon abzeichnende Veränderungen sicherer vorhergesagt, berechnet oder interpoliert werden. Üblicherweise existiert in Unternehmen eine Langfristplanung, in der Produkte, Absatz, Umsatz, Renditen und die Marktpositionierung prognostiziert werden. In der Regel basieren diese Prognosen auf den klassischen Berechnungen des Vertriebs und des Marketings. Daraus resultierend werden einzelne Projektschritte für die Entwicklung, die Herstellung, das Marketing bzw. die Vertriebskonzepte neuer Produkte definiert. Diese Planung ist die Basis für die Vertriebsstrategien und die Geschäftsplanung. Auf der Basis dieser Prognosen werden – top-down – Planzahlen für ein Produkt berechnet und an die „Umsetzungsbereiche“ Produktion und Logistik weitergegeben. Aufgrund von Trends am Markt oder von Aktivitäten in Beschaffung, Einkauf oder Wertanalyse werden auch Alternativen wie Outsourcing oder Insourcing in Betracht gezogen. Letztlich ist diese Vorgehensweise jedoch nur punktuelles Interpolieren an bestehenden Systemen bzw. Abläufen. Basierend auf bestehenden physischen Zwängen, wie Anlagenpark oder Gebäuden, werden „Anbauten“ (Veränderungen) vorgenommen. Dabei orien-
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Abb. 1.56 Strategische Unternehmensplanung – „Anbau“ oder „Umbau“ von Unternehmen versus Ausrichtung am Optimum: Die Nachteile des stetigen „Anbauens“ an bestehende Systeme und die Notwendigkeit, vorausschauend zu planen (wie ideale Prozesse aussehen müssen) wird beim Vergleich dieser zwei Grundrisse deutlich
tiert man sich nicht an einer abstrahierten idealen Gesamtlösung, sondern schafft nur punktuelle Verbesserungen. Dieses Vorgehen ist gut vergleichbar mit den „Anbauten“ an einem bestehenden zu engen Haus (Abb. 1.56). Die Notwendigkeit einer langfristig geplanten strategischen Unternehmensausrichtung verdeutlicht Abb. 1.56. In diesem Layoutvergleich werden gewachsene Strukturen mit einem Neukonzept verglichen. Wie bei einem Haus erfüllt das „Anstückeln“ das Ziel, mehr Raum zu erhalten. Die Anordnung der Räume bzw. der Prozesse ist jedoch suboptimal. Hätte man das Haus (bzw. im übertragenen Sinn eine Fertigungslinie) komplett neu gebaut, wären die Räume (bzw. Anlagen) anders angeordnet. Ein Anbau erbringt bei punktueller und zeitlicher Betrachtung eine Verbesserung. Da die Prozesse bei dieser Lösung nur suboptimal sind, ist diese Vorgehensweise insgesamt betrachtet nicht effizient und verschwendet Geld. Nachteile eines organisch gewachsenen Grundriss eines Unternehmensgebäudes sind • • • •
weite Wege, ungünstige Flächennutzbarkeit, viel Fläche für Gänge und viele Durchgangsräume.
Bei einem systematisch geplanten Grundriss eines Unternehmensgebäudes ergeben sich • • • •
kurze Wege, hohe Flächennutzbarkeit, kaum Gänge und ein zentraler Treffpunkt.
Wirtschaftswissenschaftlich betrachtet muss das dynamische interaktive Unternehmen seine Entwicklung systematisch und vorausschauend planen und gestalten, um auch zu-
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Abb. 1.57 Biologische Entwicklungsprozesse in Unternehmen: Die Planung eines Unternehmens muss sich systematisch und ideal an zukünftigen Rahmenbedingungen orientieren, entsprechend biologischer Entwicklungsprozesse. Die Regeln des Lebens lassen sich auf Unternehmen übertragen – dieses Verständnis kann zum entscheidenden Vorteil in der Zukunft führen
künftig erfolgreich zu sein. Nach der Evolutionslehre der Wirtschaftszusammenhänge von H. Hass (Übertrag der Evolutionslehre von Charles Robert Darwin [Darw 59]) gilt, dass sich das Unternehmen durchsetzt, das sich am besten an Veränderungen anpassen kann. Nicht der Stärkste setzt sich durch, sondern der Anpassungsfähigste. Die frühzeitige Planung eines optimal angepassten Unternehmens ist daher die vielversprechendste Strategie, um sich auf veränderte Marktsituationen optimal vorzubereiten (Abb. 1.57). Vorgehen zu einer zukunftsorientierten Ausrichtung eines Unternehmens Durch eine einfache, aber umfassende Systematik können zukünftige Anforderungen an ein Unternehmen fundiert ermittelt werden. • Erster Schritt: Die gesamte Aufgabenstellung wird in einzelne Elemente zerlegt. • Zweiter Schritt: Für jedes Einzelelement ist eine konkretere und detailliertere Prognose möglich. Die Summe der Einzelaussagen ergibt eine sehr viel genauere Zukunftsprognose. Es entsteht ein komplexes interdisziplinäres Anforderungsprofil für die Zukunft. Basierend auf dieser Aussage werden bewusst abstrakte Lösungsansätze für die betroffenen Fachbereiche des Unternehmens entworfen. Die Abstraktion ist vielfach eine große Herausforderung, da fast immer dominante etablierte Konzepte, die Abstraktion zu beschränken drohen. Der Abstraktionsgrad ist jedoch entscheidend, um zu einer idealisierten Lösung zu gelangen. • Dritter Schritt: Es werden konkrete Maßnahmen für ein auf die Zukunft ausgerichtetes Unternehmen konstruiert. Ihre Umsetzbarkeit wird geprüft. Dann werden Projekte zum Erreichen dieser Idealbedingungen umgesetzt.
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4-Phasen-Modell, um ein Unternehmen optimal auf die Zukunft auszurichten Bezogen auf ein Zukunftsintervall von drei, zehn oder mehr Jahren werden die zu erwartenden Veränderungen des Unternehmensumfelds systematisch in Bezug auf • • • •
Produkt, Preis, Kunde, Markt
hinterfragt: 1. Neue Spielregeln festgelegen: Wie entwickeln sich die oben genannten Kriterien und welche neuen Spielregeln gewinnen an Relevanz? 2. Anforderungen anpassen: Welche Konsequenzen haben die Veränderungen auf Abläufe im Unternehmen? Welche konkreten Anforderungsprofile werden zukünftig relevant? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das Unternehmen, und in welchem Bereich? 3. Optimale Lösungen finden: Losgelöst von den bestehenden Abläufen und Rahmenbedingungen werden neue Ideallösungen für die Fachbereiche und Details der Aufgabenstellungen gesucht. Welche Maßnahmen oder Strukturen sind nötig, um ein ideal agierendes Unternehmen zu erreichen? 4. Entscheidung und Umsetzung: Welche Maßnahmen können und müssen ergriffen werden, um das bestehende Unternehmen zu verändern? Basierend auf den neuen Konzepten wird die Machbarkeit überprüft und letztlich die Umsetzungsentscheidung getroffen. Im Anschluss werden die konkreten Projekte gestartet und realisiert. Umsetzungsregeln: Der ganzheitliche Verbesserungsprozess sollte in einem Syntegrations-Workshop [Beer 94] gestartet werden. Hierdurch wird eine hohe Abstraktion erreicht. Der Erfolg eines derartigen Projekts hängt maßgeblich von einer bewussten Abstraktion ab. Die Gefahr, dass wesentliche Risiken übersehen oder Lösungen nicht erkannt werden, ist groß. Alternativen oder neue Ansätze dürfen nicht als Kritik an bestehenden Abläufen oder Personen gewertet werden, sondern als Verbesserungspotenzial. Die Entscheidungsfindung sollte sich am Vorteil des Unternehmens und nicht an Einzelinteressen orientieren. Dabei sollten wichtige konträre Argumente keinesfalls tabuisiert werden. Bei der Entscheidung und bei der Umsetzung sollte fair agiert werden. Da die Umsetzung von Veränderungen oft mehrere Jahre dauert, werden meist nicht alle Punkte umgesetzt. Der Erfolg hängt jedoch von einer möglichst vollständigen Umsetzung ab.
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1.24 Lean-Balanced-Scorecard & Shopfloor-Management Management komplexer Lean-Strukturen mithilfe von Scorecards und ShopfloorManagement umsetzen Joska Kulcsar, Philipp Dickmann Unausgewogene Ziele ohne ganzheitlichen Ansatz führen bei Unternehmen zu konträren untergeordneten Zielen und damit zu Konflikten, die häufig großen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Die traditionelle Unternehmenssicht und darauf basierende Entscheidungen beruhen weitgehend auf finanziellen Kennzahlen. Einerseits stellt das eine eingeschränkte Betrachtungsweise dar. Andererseits werden nur späte Auswirkungen (Kosten) bewertet und damit Reaktionszeit vergeudet. Ein typisches Beispiel sind unausgewogene Einkaufsziele mit Preisreduzierungen und einhergehenden Leistungsreduzierungen. Interdisziplinär ausgewogene (balanced), mit den wirtschaftlichen Plänen des Unternehmens abgestimmte Ziele sind die Voraussetzung für jede nachhaltige und erfolgreiche Unternehmensentwicklung. Sie bieten für alle Fachbereiche greifbare, umfassende Vorgaben und dienen der sinnvollen Leistungsbeurteilung. Balanced-Scorecards (BSC) sind heute Standard in der Zielfindung und führen zu individuell auf das Unternehmen zugeschnittenen Vorgaben. Die umfassende Sichtweise von BSC ermöglicht konkretere Maßnahmen zur Ausrichtung der Organisationsstruktur an den vorgegebenen Zielen. Balanced-Scorecard entstand 1990 durch eine Studie des Nolan Norton Institute [Kap 92] in den USA und steht für ausgewogene Karten oder Berichtsbögen. Die Methode dient als Führungsinstrument zur Ausrichtung der Organisation an strategischen Zielen in unterschiedlichen Perspektiven (Finanzen, Kunden, Prozesse, Mitarbeiter, vgl. Abb. 1.58). Dabei versucht BSC das Erreichen von strategischen Zielen messbar und über die Ableitung von Maßnahmen umsetzbar zu machen. Zunehmend werden neue Ziele wie Flexibilität, hohe Lieferfähigkeit, Lieferanteneinbindung und Effizienz für Unternehmen entscheidend. Diese sind gezwungen, Ziele zu verfolgen, die zu schlanken, aktiven Prozessen führen. Ein neuer Ansatz besteht darin, genau hier die Vernetzung mit Lean zu suchen. Lean wird dabei als Element der Unternehmensperspektive in das Unternehmenscontrolling integriert. Seit einigen Jahren setzt sich durch Shopfloor-Management von Produktionsunternehmen immer stärker eine operative Abarbeitung des Controllings durch. Dabei werden die Meetings am Ort des Geschehens abgehalten. Sie beginnen mit den Arbeitsplätzen, werden über die Produktionsbereiche fortgeführt und geben am ManagementBoard die Grundlage für die täglichen, operativen Entscheidungen im Unternehmen.
1.24.1 Ziele und Zusammenhänge von BSC 1. Zunächst werden ca. vier übergeordnete Zielekarten aus dem Managementteam definiert, die in Workshops (Brainstorming) von interdisziplinären Teams mit Unterzielen untermauert werden. Dies erfolgt mit Karten oder je mit einer Tabelle.
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2. In der Folge werden die interdisziplinären Zusammenhänge und Einflussgrößen vollständig hinterfragt. Wichtig ist dabei, die Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge im Workshop aufzuschlüsseln und nicht (in der Regel von vielen Einflussgrößen beeinflusste) Symptome zu definieren. Bei der Methode ist es also entscheidend, auf detaillierter Prozesskompetenz aufzubauen. Im Umkehrschluss wird das Managementteam einem Lernprozess unterzogen, da die verschiedensten interdisziplinären Zusammenhänge vermittelt werden. 3. Die Ziele sollten, nachdem die Ziele-Kaskade vollständig ist, nun mit • den Unternehmenszielen (KPI = Key Performance Indicator), • den zukünftigen Markt- und • den Kundenanforderungen verglichen werden. (vgl. Kap. 1.27 Kundenorientierung) Hier wird die Frage gestellt: Wie sollte das Unternehmen ideal aufgestellt sein und welche Ziele leiten sich daraus ab? Wie wirkt sich das auf welche der Unterziele aus? In der Regel werden sich dann noch ergänzende Ziele oder andere Priorisierungen ergeben. Die Einzelziele können danach noch gewichtet oder auch zurückgestellt werden (vgl. teils nach [Kapl 92]). 4. Im vierten Schritt werden nun Kennzahlen, Messgrößen und Indikatoren gesucht, um damit Ziele fixieren zu können. Dabei werden primär quantifizierbare Größen definiert. Es kann auch mit punktuellen Datenerhebungen oder Softfacts gearbeitet werden. So sollten unerwünschte Querindikationen möglichst „greifbar“, quantifizierbar, messbar und vergleichbar für die operativen Mitarbeiter sein. Dadurch kann Fehlentwicklungen auf der untersten Ebene schnell entgegengewirkt werden (Abb. 1.58). BSC beschreibt damit ein Konzept zur Messung, Dokumentation und Steuerung der Aktivitäten eines Unternehmens im Hinblick auf seine Vision und Strategie. Es wird über die Kennzahlen zu den Funktionen und Attributen der betrachteten Objekte möglich, die Entwicklung der Geschäftsvision zu verfolgen. Auf diese Weise ermöglicht die BSC dem Management, nicht nur die finanziellen Aspekte zu betrachten, sondern auch strukturelle Frühindikatoren für den Geschäftserfolg zu steuern. Die Verfolgung von Ursachen XQWHUJHRUGQHWH
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Abb. 1.58 Typische Visualisierung von BSC
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ermöglicht das Gegenlenken von Fehlentwicklungen, lange bevor Auswirkungen auf der obersten Controllingebene bzw. in den Kosten erkennbar werden. Vorteile von BSC BSC hilft die Prioritäten in der Führung einer Firma zu finden, abzustimmen und dabei alle Fachbereiche einzubinden. In einem gemeinsamen Entscheidungsprozess werden die Fragen beantwortet: Was ist für das Unternehmen das Wichtigste? Welche Prioritäten sind in welcher Reihenfolge wichtig? Die Belegschaft ist eingebunden und entscheidet mit, was zu einer hohen Akzeptanz führt. Interdisziplinäre und interhierarchische Strukturen werden berücksichtigt. Es wird angestrebt, kein wichtiges Problem zu übersehen und damit Risiken zu vermeiden. Es geht darum, gemeinsam, systematisch und vollständig zu erarbeiten, wohin das Unternehmen sich in der Zukunft entwickeln muss.
1.24.2 Lean-Balanced-Scorecard (LBSC) Wie für Lean-Konzepte typisch, steht die Kompetenz und die dezentral unmittelbare Entscheidung der Mitarbeiter im Mittelpunkt. Das Management nutzt diese Daten nicht primär zur Steuerung, sondern zur Diskussion und anschließend zur Definition neuer bzw. zur Anpassung bestehender Leitlinien. Die Ziele der Mitarbeiter, Lean-Ziele, übergeordnete Prioritäten sowie Ziele der Organisation sollten den Weg in die Scorecard finden und übergeordnete KPI werden. Beispiele zum Ablauf oder für das Vorgehen 1. Team aus den verschiedenen Fachbereichen bilden 2. Zielefindung klassisch: • Aufkleber mit „wichtigen“ Zielen • Wirkzusammenhänge in anderen Fachbereichen analysieren und gewichten 3. Ergänzen der Ziele um Lean-Ansätze 4. Festlegung des Management-Prozesses 5. Entwicklung (Deployment) der Lean-Production-Scorecard 6. Datenbasis Scorecards, die IT-Anbindung der Ziele 7. Routinen und Masterplan mit Shopfloor-Management aufsetzen 8. In monatlichen Reviews Ergebnisse abstimmen 9. Von der Site-Scorecard zur persönlichen Scorecard – Übertragung auf den einzelnen Mitarbeiter
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Wichtige Themenfelder Beispiele eines typischen Automobilzulieferers (Die Reihenfolge der folgenden Punkte gibt die Prioritäten wieder.): 1. Arbeitssicherheit: die physische und psychische Unversehrtheit des Menschen steht über allem 2. Qualität 3. Flexibilität 4. Produktivität 5. Kosten/Einnahmen/Rendite
1.24.3 LBSC im Shopfloor-Management In einer Lean-Struktur werden die Kennzahlen im Shopfloor-Management integriert. Shopfloor-Management sind Meetings und Aushangstrukturen, die vor Ort in der Produktion stattfinden. Die Meetings und Aushänge werden im täglichen Zyklus bzw. in folgender Reihenfolge umgesetzt: 1. in den Einheiten je Team (Anlagen, Linien, Wareneingang, etc.) 2. übergeordnet je Bereich (z. B. Abteilungen, Produktionshallen, Logistik, Qualität, etc.) 3. an einem Managementboard zentral mit allen, etwa kaufmännischen Informationen (Controlling, Finanz, Einkauf, Vertrieb) Täglich finden Meetings hierarchisch von unten nach oben (Bottom-up) statt. Meetings werden in der operativen Einheit, danach in den Fachbereichen und am Ende beim Management abgehalten. Es werden jeweils aktuelle Kennwerte diskutiert und konkrete Entscheidungen getroffen. Aktuell werden lediglich Standard-Boards verwendet (Abb. 1.59). Standards sind jedoch nicht ausreichend. Mit den Meetings sollten individuell relevante Strategien und Ziele erreicht werden. Daher ist es entscheidend, auch individuelle Kennzahlen zu entwickeln. Die Meetings finden an Stehtischen statt und dauern nicht länger als 15 Minuten. Von den Anlagenvisualisierungen kommend, setzten sich immer mehr Onlinevisualisierungen gegen händisch eingetragene Kennzahlen durch. Manuell eingetragene Kennzahlen haben den Vorteil, dass die Verantwortlichen beim Eintragen gezwungen sind, über die Kennwerte und Gründe vorab konkret nachzudenken. Die Gefahr dieser Methode ist sicherlich, dass eine immense Zahl an Kennzahlen entsteht. Hier kann entweder über Reportintervalle gegengesteuert werden. Alternativ können aber auch gewisse Kennzahlen nur bei Überschreitung von Grenzen besprochen werden. Die in Deutschland etablierten Standards im Shopfloor-Management sind fast ausschließlich auf Produktionsabläufe zugeschnitten. Daher werden die typischen Abläufe selten den Anforderungen des Materialflusses gerecht bzw. können sogar deutlich negativen Einfluss auf den Materialfluss haben. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken wäre, gesonderte Meetings als Matrixstruktur für Planung, Fertigungssteuerung, Fehlteilkoordination etc. zu ergänzen.
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Abb. 1.59 Visual Management und Shopfloor-Management
Aus der Praxis
1.24.4 Logistik-Karte für Abweichung im Visual Management des Shopfloor-Managements Saskia Priebe Siemens Healthcare in Kemnath, Deutschland, plant, entwickelt und fertigt mit rund 1200 Mitarbeitern auf einer Gesamtfläche von 39.000 Quadratmetern Komponenten für Computer-tomografie, Angiografie und Radiografie, Teile für Systeme zur In-vitro-Diagnostik sowie Komponenten für High-End-Systeme im Katheterlabor. Diese innovativen Bildgebungsverfahren unter anderem für Röntgen- oder Ultraschallaufnahmen sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. Seit der Gründung des Standortes 1962 erfolgte eine kontinuierliche Weiterentwicklung von einer klassischen Mechanikfertigung hin zu einem Kompetenzzentrum für hoch integrierte mechatronische Komponenten. Im Rahmen des Shopfloor-Managements wird auch der Logistikablauf abgebildet. Für Abweichungen werden Karten verwendet, die zur Abarbeitung etwa bei Differenzen dienen (Abb. 1.60 und 1.61).
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Abb. 1.60 Logistikkärtchen für Abweichungen
Abb. 1.61 Shopfloor-Management in dem herausragenden Fabrikdesign am Standort
1.25 Produktions- und wertstromgerechte Konstruktion Philipp Dickmann Durchschnittlich definiert die Konstruktion 80–90 % des Wertes eines Produkts. Diese Tatsache sollte bei der Abwägung der notwendigen Konstruktionsqualität bedacht werden. Die größten Einsparungen im Materialfluss oder bei Lieferantenprojekten sind daher auf konstruktive Änderungen zurückzuführen. Warum ist das so? Neben den funktionsrelevanten Eigenschaften werden für den Materialfluss entscheidende Funktionen und Maßgaben von der Konstruktion bestimmt: Haltbarkeit, Qualitätsanforderungen, Herstellverfahren, abgebildete Baugruppen und Endprodukte, Verpackungen, Transportwege, Umweltkriterien und auch die Rückverfolgung von Fehlern. Die Bewältigung dieser verantwortungsvollen Aufgabe stellt eine große He-
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rausforderung für die Konstruktion dar. Wo bisher im wesentlichen technische Lösungen definiert wurden, müssen heute Herstellbelange (produktionsgerechtes Produktdesign) die Anforderungen der gesamten Lieferkette (supply-chain-gerechtes Produktdesign) und auch Gesichtspunkte der Kostenoptimierung auf der gesamten Supply Chain (wertstromgerechtes Produktdesign) erfüllt werden. Nur dann können die Kunden schnell, mit hoher Qualität und zu minimalen Kosten bedient werden. Geschwindigkeit, Flexibilität und individuelle Kriterien entscheiden den Wettbewerb. Zielstellungen wie Time-to-market oder Simultaneous Engineering rücken daher zunehmend in den Fokus. Veränderungen gehen jedoch nicht selten zulasten von Konstruktionsqualität. Die Folge sind Störungen auf der Supply Chain und Krisenmanagement (vgl. Kap. 2.1 Ruhiger, kontinuierlicher Materialfluss). Der Absicherung und Verbesserung der Konstruktionsqualität durch ingenieurmäßige Arbeitsweise, Kaizen, Poka Yoke, GD-Cube (GD3) und Design Review Based on Failure Mode (DRBFM) kommt daher eine entscheidende Rolle auch im Materialfluss zu. Parallel muss es gelingen, simultan die Interessen aller an der Supply Chain, den Herstellungsprozessen und Entwicklungsprozessen beteiligten Bereiche und Unternehmen optimal zu integrieren. Erst daraus leitet sich ein wertstromgerechtes Produkt ab, das Synergien von Anfang an optimal nutzt.
1.25.1 Von klassischen ingenieurmäßigen Konstruktionsabläufen zur fundierten Produktentstehung Die klassische ingenieurmäßige Konstruktionsarbeit zeichnet sich durch einfache, strukturierte und fehlerresistente Arbeitsweise aus. Aufbauend auf einer groben Basiskonstruktion werden die genauen technischen Ausführungen von Detailkonstrukteuren erstellt, von Baugruppenkonstrukteuren geprüft und abschließend vom Konstruktionsleiter verifiziert. Mit diesem „Sechs-Augen-Prinzip“ sollen Konstruktionsmängel im Vorfeld vermieden bzw. so früh wie möglich erkannt werden. Dieses Fehlervermeidungsprinzip wird auf jeder Zeichnung dokumentiert, von einem Zeichner gezeichnet und einer leitenden Person freigegeben bzw. geprüft. Diese Methode, Fehler präventiv zu vermeiden ist dem in Japan, auch in der Entwicklung und der Konstruktion, angewandten Prinzip von Poka Yoke – „Mach es gleich richtig“ (vgl. Kap. 1.13 Poka Yoke) sehr ähnlich. Die Professionalität, mit der Konstruktion betrieben wird, bestimmt später Produkteigenschaften wie Lebensdauer, Anfälligkeit gegen Störungen, Zuverlässigkeit, Einsatzmöglichkeit bei anspruchsvollen Umgebungsbedingungen (z. B. hohe oder niedrige Temperaturen, Feuchtigkeit, korrosive Medien, Stäube) oder den Bedienungskomfort. Eine hohe Qualität hat jedoch ihren Preis. Die Faustregel besagt, dass mehr als 80 % der Herstellkosten durch konstruktive Vorgaben entstehen. Gleichzeitig wird der Verkaufspreis maßgeblich durch diese Leistungsmerkmale definiert (Abb. 1.62).
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Abb. 1.62 Preis-Leistungs-Abhängigkeit: Eine höhere Leistung zahlt sich überproportional aus. Hochwertigere Produkteigenschaften benötigen zusätzliche Aufwendungen in Konstruktion sowie Produktion und verursachen dadurch höhere Kosten. Entsprechen diese Eigenschaften den Kundenwünschen (z. B. längere Lebenserwartung), lassen sich bessere Preise am Markt erzielen (Premium-Markenstrategie)
1.25.2 Wertanalyse – Produkte fundiert nach abgestimmten Zielen definieren und entwickeln In den meisten Unternehmen wird die Arbeit der Führungskräfte davon dominiert, Einsparungspotenziale zu suchen, um die Produkte kostengünstiger zu produzieren. Im Zuge dieser Einsparungen wird häufig eine Reduzierung der Leistung akzeptiert, in einem meist schleichenden unbewussten Prozess. Hochwertige Produkteigenschaften und der Kundennutzen gehen verloren. Damit verändert sich ihre Markteinnischung vom Premium-Marktsegment hin zu den stark umkämpften globalen Billig-Marktsegmenten. Der Leistungsumfang, den die Konstruktion zu erfüllen hat, sollte sich am Kundenwunsch orientieren und mit wertanalytischen Methoden bestimmt werden. Die Wertanalyse (Value Analyze) ermöglicht eine sachliche Auseinandersetzung bezüglich der Ziele (Abb. 1.63) • Preis, • Leistung und • tatsächliche Kundenanforderungen. Bei der Umsetzung von Einsparmaßnahmen ohne Wertanalyse kämpfen häufig zwei gegensätzliche, hier überzeichnete Charaktere im Unternehmen gegeneinander:
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Abb. 1.63 Wertanalyse bestimmt den maximalen Nutzwert eines Produktes. Durch die klare Abgrenzung der Kosten je Leistungsmerkmal (Funktion) wird es möglich ohne Risiko Kosten zu senken
• Der „technikverliebte“ Konstrukteur, der nicht auf die Kosten achtet: Dabei besteht die Gefahr, dass Produkte entstehen, die zu teuer sind, weil sie Funktionen bieten, die der Kunde nicht benötigt. • Der an kurzfristiger Renditeerhöhung orientierte Buchhalter oder Einkäufer, der zugunsten radikaler Preisreduzierungen den nachhaltigen Kundennutzen einschränkt. Hier werden marktmachtbasierte Methoden mit negativen Folgen für das Unternehmen genutzt, was in der Folge zu Qualitäts- und Lieferproblemen, Kostenerhöhungen und geringer Kundenzufriedenheit führt (vgl. Kap. 4.5.1 Konzepte zur hochvolumigen Einkaufspreisreduzierung). Wertanalyse ist ein interdisziplinäres Tool, das mit sachlichen Argumenten und Leistungen ein Optimum sucht, das beide Seiten zufrieden stellt. Bei der Bestimmung des Nutzwertes eines Produktes (Abb. 1.63) werden die Kosten in Relation zum Nutzen der einzelnen Funktionen ermittelt. Alles wird klassifiziert, quantifiziert, priorisiert und gegebenenfalls „nicht wirklich Nötiges“ weggelassen. Durch das Verzichten auf (unwesentliche) Nebenfunktionen wird eine Kostenreduzierung ohne relevante Einschränkung des Kundennutzens erreicht. Zudem werden Möglichkeiten gesucht (Brainstorming), mit denen die Funktionen alternativ erfüllt werden können. Durch hohen Abstraktionsgrad ist es möglich, bisher unübliche oder neue Ansätze zu finden. Dadurch sind Quantensprünge in Preis und Leistung möglich. Neue Leistungsmerkmale, die dem Kunden einen deutlich verbesserten Nutzen erbringen, können zu einem Alleinstellungsmerkmal und einem höheren Preis führen. Vorteile dieser Methode: Entscheidungen werden nach sachlichen Kriterien getroffen. Durch die systematische, bewusste Leistungsreduzierung und Einsparung verringert sich das Risiko das Produkt „am Markt vorbei“ zu entwickeln (Abb. 1.64).
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1.25.3 Konstruktionsqualität Neben dem Ziel der Optimierung des Nutzwertes zielt eine hohe Qualität der Konstruktion darauf ab, teure Nachbesserungen zu vermeiden. Mängel, die nachgebessert werden müssen sind aufwändig, kostspielig und führen zu einer schlechten Bewertung des Produkts sowie des Herstellers. Hinzu kommt, dass sich im Produktlebenszyklus die Kosten für Änderungen exponentiell erhöhen, je später damit begonnen wird bzw. je weiter der Status des Produkts (z. B. Serienproduktion) fortgeschritten ist. Dies zeigt die Parabel der Kostenentwicklung für die Bereinigung eines Entwicklungsfehlers sehr anschaulich (Abb. 1.64). Je früher Fehler erkannt und behoben werden, desto geringer sind die Änderungskosten. Erkennt man Fehler spät, z. B. erst nach der Einführung eines Produktes, steigen die Kosten überproportional an. Wenn unreife Produkte in Serie gehen, fallen in den verschiedensten Bereichen Störungen und Kosten an. Im Folgenden werden die Konsequenzen dargestellt, die bei einer kleinen internen Störung (z. B. aufgrund eines konstruktiven Fehlers in einem einfachen Montageprozess) auftreten:
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• Es entstehen Zusatzzeiten durch Montageprobleme, -unterbrechungen und Ausfallzeiten. • Aufträge werden unterbrochen bzw. die Auftragsreihenfolge anderer Aufträge gestört. • Liefertermine werden verschoben.
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Abb. 1.64 Kostenentwicklung für die Bereinigung eines Entwicklungsfehlers. Die Kostenentwicklung steigt exponentiell, und die Möglichkeit, Kosten zu beeinflussen sinkt mit dem Fortschritt des Entwicklungsprozesses (vgl. Abb. 4.30)
1 Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme
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• Nacharbeitsaufträge müssen gestartet, ausgeführt und weiterverarbeitet werden. • Vor und während der Störung treten höhere Ausschussraten auch bei anderen Produkten auf. • Demontage und erneute Montage von übergeordneten Baugruppen wird nötig. • Zusatzprüfungen fallen mehrfach an. • Durch Demontage, Verschrottung oder Teilverschrottung entsteht ein ungeplanter Verbrauch von Neumaterial. • Die Fehlerrate in den Endprodukten erhöht sich aufgrund des Fehlerschlupfes (Faustformel 10 %). • Lieferverzug verursacht Unzufriedenheit bei den Kunden, mit der Folge von Kulanzerhöhung oder Entzug von Folgeaufträgen. • Mindestens eine weitere Änderung ist zur endgültigen Problembeseitigung notwendig. Da auch andere Bauteile betroffen sind, sind viele Änderungen die Folge. Eine Störung, bei der vielfältige Lieferantenstufen betroffen sind, kann diese Liste schnell auf das 4- bis 8-fache wachsen. Ein zusätzliches Risiko besteht bei späten Änderungen durch den Termindruck, der „Aktionismus“ auslöst. Dann entstehen leicht Fehler, die wiederum im Schneeballeffekt zu Sonderaktionen, Folgeproblemen, Mängeln am Produkt, Reklamationen und Kosten führen. All diese Folgen sind nur schwer fassbar und zuzuordnen (vgl. Abb. 4.30).
1.25.4 K onstruktionsfehler vermeiden mit GD-Cube (GD3) und Design Review Based on Failure Mode (DRBFM) Der individuelle Zuschnitt der Produkte auf die Anforderungen der Kunden birgt aufgrund der Änderungen an Materialien und Prozessen ein hohes Fehlerrisiko. Das Basis-Konzept GD-CUBE (GD3) ist bei Toyota aus der Erkenntnis heraus entstanden, dass in der Änderung von Konstruktionen das höchste Fehlerpotenzial enthalten und der entscheidende Hebel für Produktkosten zu finden ist [Scho 05]. Das zeigt auch das Absinken der Prozessqualität nach Änderungen oder Neuanläufen eines Produktes. Oft sind Monate oder gar Jahre nötig, bis der reibungslose und kostenoptimale Ablauf wieder hergestellt ist. Der Konstruktionsprozess verläuft Top-down von der Planung bis zum Kunden (Abb. 1.65). In jeder Stufe werden Anforderungen und Rahmenbedingungen vorgegeben und nach unten weitergereicht. Die untergeordnete Stelle hat diese Vorgaben zu übernehmen. Aufgrund des Trends zur Spezialisierung, der Zentralisierung, der räumlichen Trennung, der Vielzahl der eingebundenen Lieferanten und Zunahme der Komponenten wird es für die Entwicklung immer schwieriger zu einer optimalen Lösung für alle Belange zu kommen. Sinnvoller ist ein Entwicklungsprozess, der von Anfang an in einem Win-Win-Konzept die Anforderungen oder Ideen aller Beteiligten integriert. Ein strukturiertes Informations-
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Abb. 1.65 Top-down-Verlauf des Konstruktionsprozesses (angelehnt an [Niss 97], vgl. [Scho 05]). Durch hierarchische und weitgehend entkoppelte Entwicklungsschritte (vor allem bei dezentralen, größeren Unternehmen), nehmen Rahmenbedingungen, die eine Optimallösung verhindern, über die gesamte Produktentstehung bis zur Kundennutzung stetig zu. Dieser Trend wirkt einer systematischen, interdisziplinären Abstimmung von Beginn an entgegen
konzept, das Kunden-, Produktions-, Lieferanten-, Konstruktions- und Test-Anforderungen optimal einbindet, fehlt in den gängigen Top-down Philosophien jedoch meistens. GD3 (GD-Cube), nach Tatsuhiko Yoshimura [Nogu 03] ist der Ansatz des TPS, Fehler in interdisziplinären Teams präventiv zu verhindern und zu beheben. Er wird mit drei systematischen Leitsätzen fixiert: 1. Gute Konstruktion (Good-design): Gute Konstruktion nicht verändern 2. Gute Diskussion (Good-discussion): Kreativ, offen, interdisziplinär und unpolitisch alle Risiken aufdecken. 3. Gute Analyse (Good-dissection): Alle Änderungen kritisch in aller Tiefe hinterfragen Das Prinzip von GD3 oder Mizenboushi wurde von Tatsuhiko Yoshimura selbst in die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA = Failure Mode and Effects Analysis) integriert. So entstand „Design Review Based on Failure Mode“ (DRBFM). Die üblichen FMEA-Ansätze sind immer auf bestimmte Perspektiven bzw. Fachbereiche (wie Produktion oder Konstruktion etc.) fokussiert, wobei die Grenzen bewusst vernachlässigte Grauzonen sind. Der Versuch, den einfachen japanischen Ansatz in die komplexe Denkweise der amerikanischen oder europäischen Automobilindustrie und damit in FMEA zu übernehmen, war jedoch mit Hindernissen verbunden. DRBFM agiert interdisziplinär und integriert Elemente verschiedener Kreativitätsmethoden. Diesem Aspekt und der Absi-
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cherung der Entwicklung steht die Kernforderung von GD3, unnötige Formalien zu vernachlässigen, im Weg. Der Ablauf von Design Review Based on Failure Mode ist: 1. Erstellung einer vollständigen Anforderungsanalyse des Produkts 2. Lösungssuche in einem interdisziplinären Team (vgl. Kap. 4.5 Lieferantenmanagement und Lieferantenoptimierung) 3. Orientierung an den Zielen von GD3: • Team und Kreativität steht im Vordergrund. • Richte die Aufmerksamkeit im Besonderen auf Schnittstellen. • Verwende bevorzugt bewährte und robuste Lösungen. • Poka Yoke: Suche nach „Knospen“ von Problemen. • Kaizen: Suche nach konkreten praktischen Lösungen. 4. Schrittweise Ableitung der Konstruktion aus der Anforderungsanalyse
1.25.5 Standards – die Basis für professionelle Konstruktion Die allgemeine Leitlinie für Konstrukteure lautet: Norm-, Gleich- und Vorzugsteilelisten bzw. bestehende und ausgetestete Konstruktionen sollten an erster Stelle verwendet werden. Wenn Sonderteile oder Sonderkonstruktionen verwendet werden, müssen diese zuerst speziell überprüft, überdacht, finanziell kontrolliert und dann freigegeben werden. Dieser formale Aufwand wird bewusst in Kauf genommen, um • die Menge an Neukonstruktionen einzugrenzen; • eine Reduzierung des Aufwands und eine Erhöhung der Konstruktionsgeschwindigkeit durch das Verwenden von Standards zu erreichen; • das Fehlerrisiko durch die Nutzung von bewährten Standards zu reduzieren (z. B. das Verwenden langjährig bewährter Verbindungspaarungen vermeidet Fehler in Zeichnungen, Dimensionierung von Passungen und Kräften, Werkstoffpaarungen); • die Fehler durch Kontrollen so früh wie möglich aufzuspüren; • die Kosten für Neukonstruktion, Validierung, Tests, Nachbesserungsschleifen etc. zu reduzieren; • erheblich günstigere Standardteile anstelle hochspezieller Sonderteile (z. B. mit kleinem Einkaufsvolumen) einzukaufen. Eine konsequent und professionell umgesetzte Einführung von Standards sollte u. a. folgende Schritte beinhalten: • Die systematische Sortimentsbereinigung in Einzelbaugruppen. • Die Erhöhung des Anteils an Norm- und Standardteilen bzw. Gleichteilen. • Die „Filetierung“ intelligenter, standardisierter Montage- bzw. Ersatzteilsätze anstelle umfangreicher Einzelteillisten. Bei dieser Vorgehensweise wird in Kauf genommen,
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dass in den Sätzen auch C-Teile enthalten sind, die für den einzelnen Anwendungsfall nicht notwendig sind. Alternativ können auch Minimalsätze erzeugt werden, bei denen einzelne zusätzliche werthaltige Teile ergänzend geliefert oder verbaut werden. • Standards werden im CAD-System hinterlegt. Abweichungen der Standards, z. B. bei Standardlieferanten, werden über Freigaben abgewickelt. • Durch eine hohe Penetration von C-Teile-Management entsteht ein hoher Versorgungsgrad und hohe Flexibilität. Die Erhöhung des Anteils an Norm- und Standardteilen bzw. der Gleichteile hat zahlreiche positive Auswirkungen auf die Herstellprozesse, den Materialfluss und die Kosten: • • • • • • • • • • •
Reduzierung der Teilevielfalt; Abnahme von sonder- und projektspezifischen Teilen; Losgrößenvorteil in der Beschaffung; billigere Standardteile anstelle von teuren Spezialkomponenten; Verkürzung der Wiederbeschaffungszeit; Vereinfachung der Lagerwirtschaft; Steigerung der Flexibilität in der Produktion; geringere Sicherheitsbestände; hohe Verfügbarkeit, da Standardteile vorrätig sind; geringerer Aufwand für Krisenmanagement; Versorgungsaufwand reduziert sich in Logistik, Beschaffung und Produktion.
1.25.6 Lieferanteneinbindung in Entwicklung und Konstruktion Um eine enge Lieferanteneinbindung zu erreichen, sind zunächst einige grundlegende Schritte notwendig. Basierend auf einem hohen Standard der Komponenten wird eine Lieferantenfokussierung (vgl. Kap. 4.1.8 Lieferantenfokussierung) durchgeführt. Dadurch wird eine deutlich engere und verbindlichere Zusammenarbeit mit dem Lieferanten in Bezug auf den Entwicklungs- und Konstruktionsprozess möglich. Üblicherweise finden dazu regelmäßige Besuche (z. B. wöchentlich) von Konstrukteuren des Lieferanten in der Entwicklungs- bzw. Konstruktionsabteilung des Kunden statt. Bei großen Unternehmen mit vielen Komponenten kann der Entwickler des Lieferanten auch vor Ort beim Kunden in das Team eingebunden sein. So entstehen wesentliche Vorteile: • Entwicklungszeiten können deutlich reduziert werden. • Die Problemstellung und die Potenziale des Lieferanten werden von Anfang an inte griert. • Durch den Wegfall bzw. die Reduzierung der Kommunikationsgrenzen nehmen Fehler und Risiken ab und die Zusammenarbeit wird intensiver.
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• Lieferanten, die zuerst nur Einzelteile liefern, können auf die Anlieferung von Baugruppen umgestellt werden. Ein Systemlieferantenkonzept entsteht – der Lieferant trägt nun die Verantwortung für komplexe Baugruppen. Gerade bei Neuentwicklungen und speziellen Anforderungen sollte der Lieferant von Anfang an integriert werden, da dann der Nutzen am höchsten ist.
1.25.7 Automatisierte Konstruktionssysteme Der Arbeitsbereich der Konstruktion hat sich durch die Informationstechnologie stark verändert. Während die Arbeit mit Norm-, Standard-, Vorzugs- und Katalogteilen in den CAD-Systemen üblich ist, geht der Trend noch weiter hin zur Automatisierung von Konstruktionsprozessen. Die automatisierte Konstruktion komplexer Baugruppen setzt wenige leistungsbeschreibende Kennzahlen voraus. Ein Best Practice-Beispiel für eine derartige Umsetzung wurde schon im Jahr 1995 bei Kettner & Krones (München/Rosenheim) im Sondermaschinenbau realisiert. Dort wurde ein Baukasten mit extrem hoher Teile- und Baugruppenvielfalt und extremer kundenspezifischer Adaption umgesetzt. Sehr ausgedehnte („mehrere Fußballfelder große“), komplexe und vollautomatische Verpackungsanlagen wurden durch automatisierte Konstruktion abgewickelt. Zur Auslegung mussten die Einzelbausteine angeordnet und die benötigten Eigenschaften eingegeben werden. Das System errechnete dann die nötigen Stücklisten und Montagezeichnungen automatisch. Rahmenbedingungen und Vorteile Um mit automatisierten Konstruktionssystemen effizient arbeiten zu können, müssen als Basis sehr strikte Baukästen und Standards entwickelt werden. Sie machen ein konsequentes DIN- und Normteile-Management möglich. Dadurch entsteht ein hoher einmaliger Aufwand, der sich durch die folgenden Vorteile kompensiert: • Der Konstruktionsaufwand sowie die Entwicklungs- und Konstruktionszeiten reduzieren sich. Bei immer komplexer und größer werdenden Projekten kann das nur durch Baukästen und – besser noch – durch automatisierte Konstruktion ermöglicht werden. Gegenüber dem Wettbewerb kann damit eine mehr als 50 % kürzere Time-to-market den entscheidenden Vorteil bringen. • Eine deutlich höhere Projektzahl kann mit gleicher Belegschaft abgewickelt werden. • Sofern für Produkte hohe Vorfinanzierungssummen nötig sind, kann der Finanzierungszeitraum durch das Senken der Entwicklungszeit deutlich reduziert werden. Damit wird das Insolvenzrisiko, das bei hohem Cashflow sehr großer Projekte entsteht, erheblich verringert.
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Mit dem „Siegeszug“ der CAD-Systeme wurden oft klassische Freigaberoutinen und die Anforderungen an die Qualifikation der Konstrukteure reduziert. Dadurch fließen wichtige interdisziplinäre Faktoren nicht mehr mit in den Konstruktionsprozess ein. Die Aufgabe der Konstruktion, die technisch, aber auch wirtschaftlich optimale Lösung zu finden und klar zu dokumentieren, wurde durch die IT erleichtert, da die Systeme sehr viele integrierte Standards besitzen. Wirtschaftliche, einkaufsstrategische oder logistische Dimensionen werden jedoch in der Regel nicht unterstützt.
1.25.8 Von der montagegerechten zur wertstromgerechten Konstruktion Durch die Intensivierung des Wettbewerbs muss die Konstruktion zahlreiche Ziele und Zwänge erfüllen. Sieben Elemente sind für eine erfolgreiche Konstruktionsabteilung von Bedeutung: 1. Klassische Ziele der Konstruktion: Entwicklung und Konstruktion zielen zu allererst auf eine technisch funktionstüchtige Lösung ab. Geringer Aufwand und günstige Kosten (z. B. Personalkosten) in möglichst kurzer Zeit stehen dabei im Vordergrund. 2. Nutzwertoptimale Konstruktion (Wertanalyse): Durch die abstrahierte systematische Vorgehensweise der Wertanalyse werden systematisch neue Produktkonzepte entwickelt. Kostenaspekte werden dabei gleichberechtigt berücksichtigt. 3. Qualitätsgerechte Konstruktion: Die Qualitätskontrolle muss vor allem bei Neuentwicklungen mit wesentlichen Prüfungen, Checks und Freigaben im Entwicklungsprozess eingreifen. Um sicherzustellen, dass keine Konstruktionsmängel bei serienreifen Produkten auftreten, werden von den Qualitätsmanagement-Systemen vielfältige Prüfungen gefordert (z. B. FMEA, Herstellbarkeitsprüfungen und Freigabegrenzen für die Entwicklung). Damit werden auch in Zukunft Folgeschäden und Kosten vermieden. Nach ISO 9001 gliedert sich die „Produktrealisierung“ und im Speziellen die „Entwicklung“ in folgende Punkte: • • • • • • •
Entwicklungsplanung Entwicklungseingaben Entwicklungsergebnisse Entwicklungsbewertung Entwicklungsverifizierung Entwicklungsvalidierung Änderungsmanagement bei Entwicklungen
Diese Aspekte dienen hauptsächlich dazu, die Fehlerquote unter einer, durch eine Risikoabschätzung ermittelte, wirtschaftlich noch akzeptablen Schadensgrenze zu halten. Auch die Kundenbelange werden dabei berücksichtigt. In den Unternehmen werden die Qualitätsanforderungen sehr unterschiedlich betrachtet. Die Kompromissbereitschaft sollte jedoch nicht auf „Bauchwerten“ beruhen, sondern differenziert bewertet und vollständig umgesetzt werden (Abb. 1.66).
Abb. 1.66 Abhängigkeit des wirtschaftlichen Risikos von der Stückzahl: Der potenzielle Schaden bzw. die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Qualitätssicherung nehmen proportional mit dem Schadensrisiko und der Stückzahl zu. Mit Zunahme der Rendite sinken beide
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Notwendigkeit zur Qualitatsabsicherung ≡ Schadenspotential = potenzielles Schadensrisiko * produzierte St uckzahl im Feld Rendite Vor allem bei der Entwicklung eines Unternehmens, von hochpreisigen Einzelprodukten über Kleinserien hin zu wenig werthaltigen Serien oder Massenprodukten, sind vielfältige Veränderungen in der Strategie notwendig. Bei einschneidenden Veränderungen dieser Art sollte eine Absicherungsstrategie gegen Schäden eine zentrale Rolle einnehmen. 4. Produktionsgerechte Konstruktion: Die Herstellbarkeit der Produkte ist entscheidend für deren Erfolg. Die Qualitätsmaßnahmen prüfen diese Voraussetzung zwar punktuell, sie sind jedoch nur eine „Notbremse“ für Versäumnisse in der Konstruktion. Zudem führen sie zu keiner operativen Lösung, die Ergebnisse der Konstruktion herstellprozessgerecht, nachhaltig und kontinuierlich zu gestalten. Durch die zunehmende räumliche Trennung zwischen Produktion und Konstruktion ist das Wissen über die Anforderungen der Produktion keineswegs standardmäßig vorhanden. Vielmehr muss ein systematischer Abgleich angestoßen werden, der sicherstellt, dass neue oder geänderte Produkte wie geplant produzierbar oder funktional sind. Der Begriff der Gemba-Orientierung (T. C. Ohno) bietet dazu eine einfache und effiziente Lösung. Die Konstruktion als Dienstleister (Servicelieferant) muss seinem internen Kunden, der Produktion, räumlich nahe sein. Das kann durch regelmäßige Termine vor Ort oder durch räumliche oder auch organisatorische Angliederung an die Produktion gewährleistet werden (vgl. Kap. 1.19 Dezentrale schlanke Strukturen).
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5. Entwicklungspartnerschaften – produktionsgerechte Konstruktion auf der Supply Chain: Die interne Wertschöpfung in der Industrie, vor allem bei größeren Unternehmen oder Konzernen, ist mittlerweile auf unter 40 % gesunken. Damit steigt die Notwendigkeit, die Lieferanten intensiv in den Produktentstehungsprozess einzubinden. Es reicht nicht mehr nur aus, den eigenen Herstellprozess optimal zu gestalten. Entscheidend für den Erfolg von Entwicklungspartnerschaften ist ein durchgängiger und langfristig angelegter gemeinsamer Entwicklungsprozess. Punktuelle Treffen reichen dazu nicht aus, vielmehr ist eine gleichberechtigte und nachhaltige Lieferantenbindung nötig. Derartige Konzepte müssen vertraglich in mehrjährig laufenden Lieferantenvereinbarungen fixiert sein und sollten Teil einer umfassenden Lieferantenentwicklungsstrategie sein (vgl. Kap. 4.5 Lieferantenmanagement und Lieferantenoptimierung). 6. Wertstromgerechte Konstruktion: Lange Jahre stand die Spezialisierung der Entwicklung und Konstruktion im Fokus. Dies war nötig, um in der rasanten Entwicklung der vielen Spezialdisziplinen nicht den Anschluss zu verlieren, d. h. dauerhafte Kompetenz zu erreichen. Durch die immer stärkere Untergliederung entstanden sehr viele Schnittstellenprobleme und ein zunehmend geringes Verständnis für die Notwendigkeiten anderer Fachbereiche bzw. beteiligten Unternehmen (vgl. Kap. 1 BabylonSyndrom). Vor allem in größeren Unternehmen und bei komplexen Produkten oder Herstellprozessen werden große Potenziale verschenkt. Nicht die Spitzenleistung in einem Einzelgewerk beschreibt die Gesamtleistung gegenüber dem Kunden, sondern die gesamte Prozesskette – wobei z. B. auch die Entwicklung, die Verpackung (vgl. Kap. 3.7 Verpackung) und letztlich auch der Nutzen des Produktes beim Kunden betrachtet werden muss. In logischer Konsequenz treten mittlerweile immer häufiger Kleinunternehmen mit durchgängig interdisziplinären Lösungen im Wettbewerb sehr erfolgreich auf. Unter diesen Aspekten wird klar, dass Entwicklung und Konstruktion vor allem in größeren Unternehmen den gesamten Wertschöpfungsprozess und Wertefluss abbilden müssen. Sogar über Unternehmensgrenzen hinaus sollten die Anforderungsprofile aller Beteiligten kontinuierlich berücksichtigt werden (Abb. 1.67). Bei der Verfolgung der Vorgaben sollte vor allem auf Kontinuität geachtet werden. 7. An Anforderungsveränderungen orientierte Konstruktion (Zukunftsorientierung): Zunehmend werden bei der Produktplanung, basierend auf Kunden- oder Marktanalysen, Produkte oder Produkteigenschaften in der mittel- bis langfristigen Zukunft prognostiziert. Dadurch wird es für Entwicklung und Konstruktion (mit gewissen Unschärfen) möglich, ein Produkt zu entwerfen, das z. B. dem Markt in fünf oder zehn Jahren optimal entspricht. Die Veränderung der anderen Einflussgrößen der Wertschöpfung, wird bei diesem meist vom Marketing- oder Vertrieb veranlassten Vorgehen vernachlässigt. Um eine zukunftsorientierte Ausrichtung eines Unternehmens mit der Methode der dynamischen Evolution zu erreichen (vgl. Kap. 1.23.4 Dynamische Evolution), kann für alle am Wertstrom beteiligten Bereiche und Unternehmen eine differenzierte und interdisziplinäre Prognose der Rahmenbedingungen ermittelt werden. Hierdurch wird es möglich, zukunftsweisende optimale Konzepte aufzustellen.
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155
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Abb. 1.67 Elemente einer modernen Konstruktion: Aufgrund der steigenden Anforderungen bei der Produktentwicklung sollten alle Elemente abgedeckt werden, von der klassischen, über die produktions- und wertstromgerechte Konstruktion bis hin zu einer an den Anforderungsveränderungen orientierten Entwicklung
1.26 Makro- und Mikrosysteme der Logistik – die unterschätzten Einflussparameter der Logistik und der Weg zum schlanken Veränderungsmanagement Philipp Dickmann Restrukturierungsprojekte und Optimierungen von Herstellprozessen basieren auf gängigen universitären und kaufmännischen Perspektiven, die naturgemäß vereinfachte Abbildungen der Realität sind. Wiendahl [Wien 02] leitet hier ein Top-down-Konzept ab. Regeln und Anforderungen werden von oben nach unten aus einer Produktionsnetzplanung über vier bis fünf hierarchische Stufen zu konkreten Arbeitsplätzen oder Anlagen-Konzepten heruntergebrochen. Dieses Leitbild ist pragmatisch und geeignet, um Restrukturierungen aufzusetzen. Es hat wesentlich die Arbeitsweise der Restrukturierung von Unternehmen geprägt. Unbestritten muss festgestellt werden, dass in der Praxis nur ein sehr kleiner Teil der Restrukturierungen, die bei Unternehmen umgesetzt werden, als erfolgreich bezeichnet werden können. Tatsächlich ist in vielen Fällen eher eine Schädigung der Unternehmen festzustellen, was Veranlassung sein sollte, das Modell in der heute gängigen hierarchischen Ausprägung infrage zu stellen. In der Unternehmenspraxis lässt sich feststellen, dass es ergänzend zu dieser top-down wirkenden Reaktionsspirale auch vielfältigste Bottom-up-Effekte gibt. Hierfür sind kleine, oft als untergeordnet bewertete, aber variantenreiche Themen wie Verpackungen, Labels, Buchungen, etc. verantwortlich. Über eine Kette aus Wirkzusammenhängen haben diese Elemente unerwartet deutliche Auswirkungen. Daraus abgeleitet, müsste das gängige Bild der fünf Hierarchiestufen der Produktionsplanung um eine Ebe-
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ne an Mikroelementen ergänzt werden. Hinzu kommt ein weiterer Bottom-up-Effekt in der Planung. Somit sind beide Effekte gleichrangig zu betrachten. Planung, Restrukturierung, die monetäre und die universitäre Perspektive müssten vielfältige Detail-Methoden ebenfalls berücksichtigen. Die Kompetenz und die Perspektive derer, die diese Themen in Unternehmen abbilden, müssten den Hebel der kleinsten Details in der Praxis gleichberechtigt werten („Was ist wirklich wichtig?“) und sich eine Vielzahl an bisher als unwesentlich eingestuften Kompetenzen aneignen.
1.26.1 Die Funktion der mikroskopischen Elemente bestimmt nicht selten den Erfolg oder Misserfolg von makroskopischen Ansätzen! Unterschätzte Parameter im Materialfluss sind [Dick 11] • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
dezentrale Automatismen, die präventive Störgrößen verhindern, intelligente Standards für Produkte und Prozesse, geeignete und kostenoptimale Verpackungsstandards, systematisch sichergestellte Flexibilität der Herstellprozesse, Sicherheit und Systematik an Freikapazitäten und Puffer, Maximierung der dezentralen Entscheidungskompetenz, eine kontinuierliche Minimierung der Komplexität der Prozesse. für einen schlanken Materialfluss kontinuierlich optimierte Verpackungen, effizientes und intelligentes Logistikequipment – für alle operativen Ebenen, zu den Kundenanforderungen konforme Produktions- und Materialflussmethoden, sinnvolle Automationsziele, inklusive der Option von Lean Intelligent Logistics (LILO), risiko- und prozesskostenoptimale Transportabläufe – intern und extern, Maximierung der Lieferantenleistung (Flexibilität, Lieferzuverlässigkeit, Servicegrad, etc.), Ergonomie der Abläufe und Arbeitsplätze im Materialfluss, sicheres und effizientes Labeling und Auto-ID, intelligente, zeitnahe Buchungen, mit Plausibilitätsprüfungen und hoher Datensicherheit, zur operativen Arbeit passende IT-Lösungen, verschwendungsarmes, praxisorientiertes Fixieren von Standards, Assessment, Layered Audit und Reporting, hohe Ausbildungsstandards, hoher Effizienzgrad und hohe Flexibilität der Mitarbeiter, systematische, interdisziplinäre Einbindung in Entwicklung, Serienstart & Änderungen (GD3, vgl. Kap. 1.25.4 Konstruktionsfehler vermeiden mit GD-Cube).
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Große Projekte scheitern vielfach, weil diese trivial wirkenden, extrem vielfältigen Parameter ein KO-Kriterium sind.
1.26.2 Der Genetics-Effekt – vom makroskopischen Bild der Restrukturierung von Produktions- und Logistikprozessen zum mikroskopischen Verständnis Die klassische logistische Perspektive (Makrologistik) bildet (statische) Systeme langfristig sehr gut ab. Sich ständig verändernde Problemstellungen werden jedoch maßgeblich von Mikrobausteinen der Logistik oder Produktion bestimmt. Makroskopische Komponenten bestimmen im Unternehmen oder in der Forschung die Wahrnehmung und die Ausrichtung der Arbeit auf der Planungsebene. Die untergeordneten Details werden als triviale Aufgabenstellungen der Operativen und nicht als entscheidend angesehen. Um Verständnis für die gravierende Auswirkung der mikroskopischen Effekte zu erreichen, ist der Vergleich der Wirkungsweise mit der Genetik in der Biologie bzw. Medizin geeignet (Abb. 1.68). Im Vergleich zur Genetik wird die Wirkungsweise der Mikrobausteine verständlich, denn auch dort ist die Auswirkung der extrem kleinen Gene beträchtlich – der GeneticsEffekt: 1. Änderungen an winzigen Stellen der DNA-Stränge führen im Entwicklungs- und Reproduktionsprozess eines komplexen Organismus zu gravierenden Unterschieden! 2. Um dies zu verstehen oder etwas zu verändern sind auch in der Genetik sehr große Massen an genetischen Informationen in Abhängigkeit zueinander zu berücksichtigen. Es ist sehr komplettes Verständnis nötig, die Codes und deren Wirkung vollständig zu entschlüsseln. Abb. 1.68 Der GeneticsEffekt [Dick 09]: Kleine Veränderungen in den Genen durch Reproduktion können deutliche Auswirkungen auf das Verhalten und den ganzen Organismus haben bzw. einen völlig anderen Organismus erzeugen
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Durch diesen Vergleich wird das Potenzial der Mikroelemente für Planung und Restrukturierung in Produktion und Logistik erkennbar. Es wird deutlich, dass diese Effekte nicht aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt werden dürfen.
1.26.3 Der Bottom-up-Effekt – für das Beispiel Verpackungen Änderungen von Verpackungen können das Optimum einer Arbeitsplatzgestaltung, der Verkettung von Arbeitsplätzen, einer Fabrikplanung und letztendlich sogar der Arbeitsteiligkeit eines Produktionsnetzes umstürzen. Eine als banal gewertete Ursache hat folglich ungeahnt dramatische Konsequenzen. Lean-Methodik nutzt und lenkt in vielfältigster Weise Mikroelemente [Dick 09] (Abb. 1.69). Die universitär oder kaufmännisch angestrebte „Vogelperspektive“ des Managements versucht die Realität möglichst zu vereinfachen. Details sollen dabei so weit als möglich ausgeschlossen werden. In Projektumsetzungen funktionieren die so erarbeiteten Lösungen jedoch häufig nicht. Ablehnung von Veränderungen durch den Mitarbeiter ist dabei
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Abb. 1.69 Der Bottom-up-Effekt: [Dick 09] am Beispiel der Spirale der Veränderungen, der durch Verpackungen hervorgerufen wird. Letztlich kann dadurch leicht die Effizienz von Arbeitsteiligkeit, Produktionslayouts und damit ganzen Produktionsnetzen vollständig verändert werden
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Abb. 1.70 Die neue Perspektive gleichberechtigter Einflussgrößen – Top-down- und Bottom-upEffekte sind bei Veränderungen gleichberechtigt zu berücksichtigen
ein gängiger Grund. Wesentlich dominanter wirken sich die Bottom-up-Effekte aus. Diese sollten bei Restrukturierungen als gleichberechtigt zu der Top-down-Methode verstanden werden (Abb. 1.70).
1.26.4 V eränderungsmanagement und Restrukturierung nach einer 6D-hierarchischen Matrix Veränderungsmanagement wird heute sehr stark auf psychologische Aspekte reduziert. Es scheint nur mit psychologischer „Methodik“ möglich, bei Restrukturierungen schnell den „Widerstand der Belegschaft zu brechen“ – wie dies tatsächlich oft formuliert wird. Die Perspektive der Mikroelemente lässt viele der Widerstände bei Veränderungen unter einem anderen Licht erscheinen. Bei dieser Betrachtung wird deutlich, dass Mitarbeiter versuchen, negative Indikationen, die aus der Vogelperspektive nicht erkannt werden, zu verhindern. Bei großen Restrukturierungen dürften nicht alle Probleme und Widerstände einfach ausgegrenzt werden, sondern müssten im Sinne von Lean als „Schätze“ aufgenommen und in eine komplexe Lösung integriert werden. Was spricht gegen dieses Vorgehen? 1. Im klassischen Zeithorizont von Restrukturierungen (3 bis 6 Monate) kann dies zum KO-Kriterium werden. 2. Dies widerspricht dem Leitsatz: Umsetzungen bzw. Projekte müssen klein und überschaubar bleiben. 3. Die Verantwortlichen müssen extrem breite, persönliche Erfahrung haben – theoretische Methodenlehre und zudem über Jahre in Spitzenunternehmen gereifte operative Kompetenzen in verschiedensten Fachbereichen.
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Welche Vorteile sind damit verbunden? 1. Konzepte, bei denen Mikroelemente berücksichtigt werden, erzeugen ein extrem hohes Maß an Akzeptanz bei der Belegschaft. 2. Die Umsetzungsgeschwindigkeit ist zwar am Anfang geringer. Weil Hindernisse frühzeitig erkannt werden ist sie jedoch insgesamt schneller. 3. Ein positiver Nutzen für das Gesamtunternehmen wird grundsätzlich nachhaltig erreicht. Dies ist bei der Mehrheit der Projekte in Unternehmen heute leider nicht der Fall.
1.26.5 Die 6D-Architektur der Wirkzusammenhänge bei Restrukturierung und Lenkung Um diese Vorteile nutzen zu können, muss die 5D-Architektur von Produktions- und Logistik-Restrukturierungen und -Lenkung [Wien 02] durch ein 6D-Modell ersetzt und ein Bottom-up-Effekt eingefügt werden. Der Bottom-up-Effekt macht eine Ergänzung des hierarchischen Konzepts nach Wiendahl notwendig (Abb. 1.71). Das Konzept und die Notwendigkeiten für die praktische Umsetzung von Restrukturierungen bzw. Lenkung werden dadurch jedoch sehr viel komplexer. Diese 6D-Architektur bildet dann aber wichtige Zusammenhänge der Realität des Unternehmens mit ab. In vielen Fällen wird so das Scheitern oder der Erfolg von Restrukturierungen sehr einfach erklärbar [Dick 09].
6\VWHP KLHUDUFKLH
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Abb. 1.71 Die 6D-Architektur der Wirkzusammenhänge bei Restrukturierung und Lenkung. [Dick 09]
1 Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme
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1.27 Kundenorientierung Philipp Dickmann Einer der stärksten Trends der letzten Jahrzehnte ist, neben der Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Kunden und Lieferanten, die fortschreitende Kundenorientierung in Unternehmen. Logistisch bedeutet dies die Anpassung der Anlagen und Belegschaft an die spezifischen Anforderungen der Märkte. Neben dem Preis ist heute die Flexibilität der Produktion vermutlich das entscheidende Merkmal, das in dem immer enger werdenden Weltmarkt über den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens entscheidet. Ein Schlüssel, der hier maßgeblich wirkt, ist die Qualität der Prognosen. Es wird dabei ein an den realen Bedarf des Kunden angepasster Produktionsablauf angestrebt, ohne Verschwendung durch Überproduktion zu erzielen. Flexible, synchrone oder „atmende“ Produktion ist dabei die „Zauberformel“, welche es erlaubt, mit minimalen Puffern selbst kurzfristige Bedarfsspitzen des Kunden abzudecken. Diese vor einigen Jahren noch undenkbaren oder als nicht konkurrenzfähig eingestuften Konzepte sind heute im globalen Markt, auch in Hochlohnländern, erfolgreich im Einsatz. Auf diesem Weg sind gravierende Veränderungen der Produktions- und Logistikkonzepte notwendig, und mit dem Projektfortschritt werden noch viel umfassendere Maßnahmen als sinnvoll erkannt. Der Kunde verursacht zu einem gewissen Anteil Lieferprobleme auch mit durch die Steuerungs-, Informationsund Verbindlichkeitsstrategie, nach welcher er verfährt. Kundenorientierung ist daher ein Kommunikationsprozess.
1.27.1 Kundenorientierung in der Lieferkette Im modernen Produktionsumfeld ist die Fähigkeit, die tatsächlichen Bedürfnisse des Kunden abzubilden, ein entscheidendes Kriterium. Die Absatzmärkte haben sich vom Verkäufer- zum Käufermarkt entwickelt, und die Produktionsbedingungen müssen sich diesem Faktum anpassen [Ehle 96]. Hierzu gehört der Preis, aber auch die notwendige Lieferfähigkeit mit einer möglichst geringen Abruf- oder Wiederbeschaffungszeit. Der Servicegrad des Lieferanten ist sowohl von der internen Struktur, dem kooperativem Umgang gegenüber dem Kunden und hauptsächlich von den produktionstechnischen, logistischen und einkaufsrelevanten Grundlagen des Produktionsablaufs abhängig. In vielen Fällen sind im internationalen Preiskampf die Preisunterschiede bzw. die tatsächlich durch Verhandlung erzielbare Reduzierung des Einkaufspreises nur sehr gering. Größere nachhaltige Preisreduzierungen werden vor allem durch einen Lieferantenwechsel zu einem Unternehmen mit effizienteren Strukturen erreicht. Kleinere Unternehmen haben hier beispielsweise Vorteile, aufgrund ihrer geringeren Gemeinkostensätze. Bei einem Lieferantenwechsel können jedoch Logistikkonditionen, wie Änderungen der Transportstrecke, der Verpackung, höhere Lagerreichweiten, Veränderung der Losgrößen, höhere Durch-
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laufzeiten und Qualitätskosten, den einfachen kaufmännischen Vorteil ohne weiteres kompensieren. Professionelles Management der Flexibilität stellt folglich ein sehr zentrales Thema in der modernen Produktion und im Materialfluss dar.
1.27.2 Das neue Entscheidungskriterium heißt Flexibilität „Konventionelle Organisationsstrukturen sind überfordert: Sie verursachen bei stärkerer Kundenorientierung höhere Kosten und stellen damit den Unternehmensbestand in Frage“ [Ehle 96]. Produktlebenszyklen oder Änderungszyklen werden stetig kürzer, auch wenn das stellenweise technisch und betriebswirtschaftlich nicht immer sinnvoll ist. Der Kunde will möglichst keine Verbindlichkeit eingehen. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen man durch die Erhöhung der Maschinenlaufzeiten einen Kostenvorteil erzielen konnte und der Kunde für eine kleine Preisreduzierung eine Abnahmeverpflichtung von Halbjahresmengen gerne in Kauf genommen hat. Im „Lieferantenzirkus“ etablieren sich zunehmend auch in Hochlohnländern Firmen, die mit Methoden wie Low Cost Intelligent Automation (LCIA) im One-piece-flow (OPF oder 1PF) Teile herstellen und JIS anliefern. Diese Anbieter unterbieten dabei ganz nebenbei im Preis auch Billiganbieter auf dem Weltmarkt und dies bei Produkten, die vielerorts als in Europa nicht mehr konkurrenzfähig produzierbar gelten. Maschinen, die eine hohe Amortisationszeit benötigen, sind von Nachteil, da sie die Flexibilität lähmen und das Produkt mit hohen Gemeinkosten belegen (vgl. Kap. 1.9 LCIA). Technisch hoch entwickelte Anlagen mit langer Amortisationszeit sind nur dann sinnvoll, wenn die Eigenschaften des Produktes nur durch diese Anlage erreicht werden können. One-piece-flow mit minimalen Kosten zu erreichen, benötigt eine fundierte und langfristig geplante Umsetzung. In vielen Firmen sind schon bestehende Anlagen (zu hohen Investitionssummen) vorhanden, die sich erst noch amortisieren müssen. Umstrukturierungen, welche die Voraussetzungen für tatsächliches JIT sind, können daher häufig erst langfristig sukzessiv erfolgen. Es stellt sich die Frage, welchem minimalen Takt die Anlagen genügen müssen, um für den Kunden das Risiko zu reduzieren bzw. den Kundenbedarf optimal abzubilden (Abb. 1.72). Folgende Faktoren sind entscheidend, um den Kundentakt optimal zu erfüllen: • • • • • •
Transportwege, Lagerreichweiten, Lagerkosten und Sortierkosten Änderungshäufigkeit Realer Kundentakt Prognosegüte und Prognoseverbindlichkeit des Kunden Durchlaufzeit, Rüstzeiten des eigenen Produkts Pufferreichweiten auf der Materialkette
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1.28 Vertriebsqualität – Prognose Philipp Dickmann Die realen, z. B. saisonalen, Bedarfsveränderungen müssen sehr exakt ermittelt werden. Entscheidend ist, die vom Markt geforderte Flexibilität zu erreichen, jedoch werden Strategien, die versuchen, diese Forderungen zu umgehen, immer seltener akzeptiert. Eine Ausnahme sind Billiganbieter, die mit enormen Preisvorteilen „locken“, sodass der Kunde in machen Fällen sein Anforderungsprofil anpasst. Die Bedarfszahlen des Kunden unterliegen verschiedenen Einflüssen. Planungen, Rechenfehler von MRP-Systemen, kalendarische Effekte, Bedarfskumulationen, Sicherheiten, etc. täuschen der realen Produktionswelt des Lieferanten Schwankungen vor, die tatsächlich in der Produktion des Kunden nicht auftreten. Dieser Effekt nimmt über die Anzahl der Produktionsstufen enorm zu und wird Peitscheneffekt genannt (vgl. Kap. 2.1. Ruhiger kontinuierlicher Materialfluss). Um einen kontinuierlichen, ungestörten Produktionsfluss zu realisieren, können die Schwankungen z. B. mit kleinen Puffern gedämpft bzw. entkoppelt werden. Es ist deshalb notwendig, sich über verschiedene Kundenebenen hinweg, mit möglichst vielen Informationen über die Entwicklung des realen Verbrauchs zu versorgen. Diese müssen dann mit dem tatsächlichen Profil abgeglichen werden. Im kooperativen Gespräch mit dem Kunden sollte zudem die Prognosegüte immer wieder kritisch hinterfragt werden, mit dem Hinweis, dass diese Daten die Basis für die maximal mögliche Lieferqualität bilden.
1.28.1 Überproduktion und Kundentakt Die Bedarfszahlen je Variante, bezogen auf einen Zeitraum und auf eine Produktionseinheit werden als Kundentakt bezeichnet. Hierunter versteht man den Mix und die Stückzahlen, die der Kunde in einer Zeiteinheit benötigt. Die Produktionssteuerung sollte bestrebt sein, diese Schlagzahlen möglichst exakt abzubilden. Überproduktion ist die Menge an Produkten, die produziert wird, obwohl der Kunde sie zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht braucht. Sie lässt sich je nach Zeithorizont, in dem der Kundentakt abgebildet wird, an den dynamischen Puffern erkennen. Die Überproduktion ist eine der drei wesentlichen Verschwendungsarten nach TPS (siehe Tab. 1.7), die es zu eliminieren gilt. Die Messgrößen für die Überproduktion sind zum einen die Puffer und zum anderen die Zeiteinheiten in denen der Kundentakt abgebildet wird (Abb. 1.72). Die Zeithorizonte, die unter wirtschaftlichen Konditionen möglich sind, haben sich in den letzten Jahren von Halbjahren hin zu einem Kundentakt von einem Tag oder sogar zu stückgenauer Lieferung (One-piece-flow) entwickelt. Die Mehrheit der Unternehmen in Europa hält diese Werte heute noch für unglaubhaft, bezeichnet sie sogar als unfundiert oder als reine Marketingaussagen. Trotzdem ist nicht zu ignorieren, dass in verschiedensten Branchen, wie im
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Abb. 1.72 Vergleich von konstantem Produktionstakt und „atmender Produktion“: Ein konstanter Produktionstakt (oben) basiert auf kapazitätsorientierten Philosophien. Die Produktionskapazität ist starr, Kundenschwankungen werden mit Puffern abgebildet. Analog zu einer Pipeline mit konstantem Durchmesser wird ein konstanter Fluss erzeugt. In der atmenden Produktion (unten) wird der Kundentakt in Kapazität abbildet. Von jedem Produkt wird die nötige Tagesmenge oder auch das Every part every intervall (EPEI, in diesem Fall EPEI = 1) produziert (vgl. Kap. 3.4.4 Heijunka als Steuerungsprinzip), d. h. der Kundenbedarf tagesgenau abgebildet. Dies ist vergleichbar mit einem elastischen „Gartenschlauch“, der sich flexibel Kundenbedürfnissen anpassen kann
mehrstufigen Fertigungssektor, in komplexen Montagen oder Gießereien dieser Level zu international konkurrenzfähigen Konditionen umgesetzt wird. Folgende Probleme müssen zunächst behoben werden, um die Überproduktion zu reduzieren (Abb. 1.73): • Schlechte kurzfristige Prognosedaten bzw. Kundendaten • Hohe oder stark schwankende Durchlauf- oder Produktionszeiten
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Abb. 1.73 Vergleich von entkoppelter Produktion und Produktion im Kundentakt: Bei der vom Kundentakt entkoppelten Produktion werden die unterschiedlichen Varianten z. B. im Wochentakt (oben) hergestellt. Der Puffer im Lager pro Variante muss so groß sein, dass der Bedarf des Kunden so lange gedeckt ist, bis sie wieder nachproduziert wird. Bei der Produktion im Kundentakt (unten) wird von jeder Variante nur die vom Kunden benötigte Tagesmenge (im Tagestakt) produziert. Die Puffermenge (Verschwendung) wird hier um den Faktor 3 reduziert (3 Varianten). Verschwendung kann durch zeitnahes Abbilden des Kundentakts vermieden werden. Tagesgenau entspricht nach dem Kennzahl Every-Part-Every-Interval (EPEI) 1, wochengenau 5
• • • • •
Kapazitätsprobleme im Produktionsablauf Hohe Anzahl an Maschinenstörungen Qualitätsprobleme Zulieferengpässe Hohe Rüstzeiten und Produktionsfreigabezeiten
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• Große Losgrößen • Störungen und kurzfristige Sonderaktionen • etc.
1.28.2 Kundenorientierte Unternehmensstrukturen Um eine hohe Kundenorientierung zu erreichen sind vor allem klein- und mittelständische Unternehmen prädestiniert. Die klassisch arbeitsteiligen Strukturen der Konzerne haben sich aufgrund der enormen Hierarchieebenen, Arbeitsteiligkeit in Fachabteilungen und letztlich durch die soziale und räumliche Distanz in Bezug auf Informationsfluss, Kommunikation sowie Entscheidungsfähigkeit als vergleichsweise träge erwiesen. Eine Restrukturierung mit Dezentralisierung, striktem Splitting in eine Matrix-Struktur und einer möglichst räumlich dezentralisierten, kundenbezogenen Struktur stellt ein sehr effektvolles Werkzeug dar, um auch bei größeren Unternehmen ähnlich gute Abläufe zu erreichen.
1.29 Neue Ansätze zur Vermittlung moderner und schlanker Produktionsmethoden Philipp Dickmann Produktivität, optimale Prozesse oder schlanker Materialfluss spielen für Unternehmen im Wettbewerb eine entscheidende Rolle. Doch wie kommen diese Kompetenzen in die Unternehmen? Die klassische Mitarbeiterschulung ist hier sicherlich ein gängiger Weg, jedoch bieten wenige Großkonzerne in Europa in ihren Standard-Schulungskatalogen Seminare in Kaizen, Poka Yoke oder Kanban an. Der Einsatz von Unternehmensberatern ist ein anderer, häufig angewandter Ansatz. Die Konzepte der Lean Produktion beispielsweise benötigen Jahre des konsequenten Vorantreibens, um annähernd den vollen Erfolg nutzen zu können. Berater werden jedoch vielfach beschränkt für mittelfristige Projektzeiträume eingesetzt. Ein kontinuierlicher Wechsel der Beratungsunternehmen ist zudem gängig, womit immer neue, möglichst große Potenziale ausgeschöpft werden sollen. Eine nachhaltige Projektumsetzung ist damit in vielen Fällen kaum zu erreichen und die Penetration der Systeme endet lange vor dem Erreichen der möglichen Effizienz. Es existieren aber auch andere Möglichkeiten diese Themen zu vermitteln bzw. sich anzueignen. Das Wissen gelangt etwa durch Jungakademiker in die Unternehmen. Erfahrungsberichte oder wissenschaftliche Fachbücher sind eine weitere gängige Methode. Ein ungewöhnlicher Ansatz sind Bücher, die die Themen satirisch oder in Romanform vermitteln. In Japan ist Fernsehen eine sehr verbreitete Quelle, um hoch entwickelte Lean-Beispiele zu übermitteln. Verschiedene Veranstalter bieten eine in den letzten Jahren enorm gewachsene Anzahl an Seminaren an, wobei einige ungewöhnlich effiziente Ansätze hervorzuheben
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sind. Für die Vermittlung der komplexen Wirkungsweise von JIT oder Lean-Philosophien sind vergleichende Simulationsspiele der Abläufe in der Produktion ein hervorragendes Tool. Ein weiterer Ansatz, der besseres Verständnis für die Details der Problemstellungen vermittelt, sind Seminare, die in der realen Umgebung, in der Gemba, stattfinden. Hochschulen Viele Hochschulen und Universitäten stellen ihren Studenten heute, auch in dem Themenbereich der schlanken Produktion, eine hochkarätige Ausbildung zur Verfügung. Die Studenten bekommen in Vorlesungen und in Seminaren Inhalte vermittelt, die Beratungsunternehmen an anderer Stelle gleichzeitig als top-aktuelles Know-how in Seminaren anbieten. Ein gutes Beispiel ist das Produktions-Planungs- und Steuerungs-Praktikum (PPSPraktikum) des Instituts für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der Technischen Universität München [Zäh 04]. Begleitend zur Vorlesung wird hochwertiges Know-how zum Thema PPS und Kanban vermittelt und in einem Training mit realem Hintergrund eingeübt. Die Studenten simulieren wesentliche Problemsituationen, bezogen auf eine reale Produktion der Produktgruppe Retarder, der Voith Turbo AG. Die Übungssituation wird abschließend mit der Realität der Produktion mit den tatsächlichen Lösungen abgeglichen. Ergänzend werden in einem Spiel die detaillierten Vorteile von schlanker Produktion und Kanban vom Institut für Produktionstechnik (ifp) vermittelt. Bücher Die Inhalte der schlanken Produktion werden in zahllosen Fachbüchern vorgestellt. Ungewöhnlicher ist der Ansatz, die Thematik etwa in Romanform anzubieten, wie in „Das Ziel – Höchstleistung in der Fertigung“ von Eliyahu M. Goldratt und Jeff Cox [Gold 84]. Die beiden renommierten Autoren beschreiben die Geschichte eines Fabrikleiters, dem im Kampf um den Fortbestand seines Unternehmens die Methoden der schlanken Produktion zur Rettung wurden. Das Buch hat damit den klassischen Weg beschrieben, wie viele Unternehmen zu diesem Thema finden. Ein weiteres ungewöhnliches Beispiel ist das Buch „Der Weg – Effizienz im Büro mit Kaizen – Methoden“ von Sabine Leikep und Klaus Bieber [Leik 04]. In der Rolle des Beobachters erlebt der Leser in Romanform die alltäglichen Unzulänglichkeiten des Bürolebens. Ganz nebenbei wird ihm eine höchst wirksame, von Kaizen abgeleitete Methode zur Steigerung der Effizienz im Büroumfeld vermittelt. In vielen Unternehmen wird im direkten Produktionsbereich ein sehr hoher Aufwand zur Effizienzsteigerung betrieben, in indirekten Bereichen wird dieses Potenzial vielfach noch vernachlässigt. Das Konzept des „Lean Office“ trägt der Tatsache Rechnung, dass in den indirekten Bereichen heute der Großteil der Personalkosten und damit der Optimierungspotenziale insgesamt zu finden sind. Der Hauptdarsteller, ein Gruppenleiter im Vertrieb eines Automobilzulieferers, schafft es mit verschiedensten Elementen des Kaizen „Papierschluchten, Suchzeiten, hohe Durchlaufzeiten, Engpässe und Doppelarbeiten dramatisch zu reduzieren“. Er findet nicht nur „Schätze“ und erhöht die Effizienz, sondern initiiert auch noch mehr Spaß an der Arbeit.
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Fernsehen In Japan ist es in größeren Unternehmen weit verbreitet, den Mitarbeitern in „Pausenräumen“ mittels Fernseher neue Entwicklungen des Unternehmens, aber auch allgemeine Neuheiten im Produktionsbereich zu vermitteln. In Europa ist dies nur selten üblich. So ist es in Japan auch gängig zur Prime Time, also den Haupteinschaltzeiten des Fernsehens, über spezielle Themen aus dem Bereich Lean in einer an Gemba-orientierten Form zu berichten. Spiele Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte nach der Studie zur Lean Production ein Planspiel zur Vermittlung der Vorteile des Lean Production Systems. Im Spiel wird jeweils ein konventioneller Ablauf eines Herstellprozesses und vergleichend die Abläufe eines schlanken Prozesses durchgespielt. Varianten dieses Spiels sind heute in nahezu jedem größeren Unternehmen als Standard vorzufinden. Vor allem produktionsfremde Fachbereiche oder zentrale Funktionen, die auch räumlich weit von der täglichen Wertschöpfung entfernt sind, können so sehr einfach und spielerisch an das Zusammenspiel der Gesamtthematik herangeführt werden. Hierbei werden die Wirkungsweisen als Gesamtsystem unter idealen Bedingungen mit einem unflexiblen System verglichen. Die Wirkungsweise und Grenzen der verschiedenen Einzelelemente sind dabei nicht differenziert erkennbar. Die lepros GmbH hat seit ca. 2005 Jahren eine Vielzahl an Spielen entwickelt, mit denen die Vor- und Nachteile, die Grenzen und Probleme vieler Einzelelemente etwa für JIT, Kanban, Materialfluss-Kaizen, Lean-Materialflussgestaltung, Lean-Logistik, Bandstopp, Kaizen, Standardized Work, Trainingscenter und Balancing erlernt werden können. Training und Seminare in realer Umgebung Die ursprüngliche Methode der Vermittlung der „Schlanken Produktion“ ist das gemeinsame Umsetzen („doing“) im eigenen Unternehmen mit einem Coach. Der Austausch von verschiedenen Unternehmen oder auch das Einbinden von Lieferanten zu gemeinsamen Workshops, also das gegenseitige Besuchen und Benchmarking, ist etwa für Nissan oder Toyota sehr charakteristisch. Hierbei geht es um den sachlich fundierten Austausch unter Spezialisten, nicht um die heute ständig zunehmenden „Werbeveranstaltungen“ in Demoaufbauten oder in Unternehmen. Komplexe, interdisziplinäre Details, z. B. von Logistikabläufen oder die Kopplung interner und externer Lieferketten, werden wesentlich leichter nachvollziehbar. Im realen Produktionsumfeld werden mit einer ungewöhnlichen Umsetzungstiefe die vollständigen Produktionsabläufe von Wertstromdesign, eKanban, Einzelstückfertigung, Anbindung von Vorfertigung und Lieferanten, Supermarktprinzipien, Materialbereitstellung, Heijunka-Steuerung und Kennzahlensysteme im realen Produktionsumfeld, also der Gemba, wirklich „erlebt“. Mitarbeiter Zeitschriften Im Siemens Gerätewerk in Erlangen wurden bereits sehr früh nach der Publikation der Studie zur Lean-Production Lean-Themen wie Kaizen umfassend verfolgt. Zur Vermitt-
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lung der Lean-Methoden werden hier seit einigen Jahren kurze, einfach und verständlich formulierte sowie praxisnahe Beiträge in der Unternehmenszeitschrift abgedruckt. Die häufig auf konkrete Projekte bezogene didaktische Vermittlung ist hier vorbildlich gelungen, was sich in der Nachfrage bzw. im Interesse der Mitarbeiter wiederspiegelt.
1.30 Flexible Entgeltsysteme Franz-Josef Stellpflug In vielen Abschnitten des Buches werden Möglichkeiten erfolgreicher Organisationsformen beleuchtet und erklärt. Im Mittelpunkt der unterschiedlichen Organisationen steht als wesentliches Element die Technik, doch die besondere und wichtigste Ressource für den Erfolg ist der MITARBEITER. Es ist daher von besonderer Bedeutung, den Mitarbeiter in den Aufbau, die Umsetzung und die Weiterentwicklung von Veränderungsprozessen einzubeziehen. Die Einführung von flexiblen Entgeltsystemen erfordert, wie bei allen Veränderungsprozessen, Einbezug der Mitarbeiter und/oder deren Vertreter. Eine entsprechende Projektorganisation, die die gesetzlichen und tariflichen Vorgaben berücksichtigt, beschreibt in einer Betriebsvereinbarung die entsprechenden Regelungen. Dies ist nötig, um den Veränderungsprozess auch in Entgeltfragen beeinflussen und dynamisch gestalten zu können. Es gilt daher für Unternehmen und Mitarbeiter, die Chance aufzugreifen, bei Veränderungsprozessen auch die begleitende Entgeltstruktur zu hinterfragen, als sich an antiquierte Entlohnungsformen zu klammern. Eine an den Unternehmenszielen ausgerichtete, durchgängige, transparente Entgeltstruktur schafft Sicherheit und Motivation bei allen Mitarbeitern.
1.30.1 Arbeiten in Teams Untersuchungen haben ergeben, dass in dezentralen Organisationsformen mit horizontaler Kommunikation erheblich bessere Ergebnisse bezüglich Planungsstabilität und Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen im Fertigungsprozess und Arbeitsinhalte in der Fertigung zu erzielen sind als in zentral gesteuerten Fertigungsprozessen [Bull 93]. Dies entspricht im Wesentlichen dem Inhalt von Lean Production. Weiter kann festgestellt werden, dass Firmen, in denen Gruppen- oder Teamarbeit erfolgreich eingeführt wurde Erfolge in Bezug auf: • • • •
Zeit, Qualität, Kosten und Motivation
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erreicht haben. Es sind daher in vielen Produktionssystemen Inhalte zur Gruppen- oder Teamarbeit enthalten. Als Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von schlanken Strukturen bei Teamarbeit haben sich Elemente bewährt, die die Eigenverantwortung der Mitarbeiter stärken. Zu nennen sind hier • • • • • • • •
Konzentration auf Wertschöpfung, Übernahme von Aufgaben aus dem TPM, Mitwirkung bei der Layoutgestaltung (Mirosystem), Integration indirekter Tätigkeiten, Qualifizierung der Mitarbeiter, neue Entlohnungskonzepte, KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) und Stärkung des Produktbewusstseins.
Von diesen Elementen soll auf den Bereich der neuen Entlohnungskonzepte an dieser Stelle näher eingegangen werden.
1.30.2 Flexibilisierung der Einkommen Nach Einschätzung von Arbeitern und Angestellten in der Metall- und Elektroindustrie in Deutschland sind die Hälfte (51 %) der Befragten für ein leistungsbezogenes Entgeltsystem. Diese Einschätzung wurde auf die Frage „Was führt zu einer gerechten Entlohnung?“ gegeben [Demo 02]. Immerhin sind 29 % der Befragten für feste Einkommen und 20 % unentschieden oder sagten „kommt drauf an“. Nach dem „Äquivalenzprinzip“ von Kosiol [Kosi 62] beinhaltet der leistungsgerechte Lohn zwei Komponenten: 1. Das Prinzip der Äquivalenz von Lohn und Anforderungsgrad (Anforderungsgerechtigkeit) 2. Das Prinzip von Äquivalenz von Lohn und Leistungsgrad (Leistungsgerechtigkeit i.e. S.). Zum ersten Punkt ergeben sich aus den meisten Tarifverträgen einheitliche Regelungen wie eine Äquivalenz hergestellt werden kann. Zum zweiten Punkt sind entsprechende Freiheitsgrade in der Gestaltung gegeben. Der auf den reinen Mengenausstoß fokussierte Akkord hat in Arbeitssystemen, die um obige Inhalte angereichert wurden ausgedient. Vielmehr sind Entgelte in Form von Prämien oder Leistungsvereinbarungen eher geeignet, die Prozesse zu honorieren.
1 Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme
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1.30.3 Beispiel für ein leistungsorientiertes Entgelt Am Beispiel eines leistungsorientierten Entgelts eines Unternehmens der Zulieferindustrie wird die Kombination von mehreren Komponenten innerhalb des Leistungsentgelts deutlich (Abb. 1.74 und 1.75): Ausgehend von den Zielen des Unternehmens zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit ist das Element der Produktivität enthalten. Im Sinne der Kunden-Lieferanten-Vereinbarung ist der Baustein Qualität für interne wie externe Prozesse berücksichtigt worden. Als dritte Komponente werden teamspezifische Kenngrößen, wie Reduzierung der Durchlaufzeit, Sicherung der Anlagennutzung durch Einhalten der Wartungszeiten, Ordnung, Sauberkeit und Arbeitssicherheit, Anzahl durchgeführter Verbesserungen im Team, Bereitschaft zur Qualifikation und Flexibilität honoriert.
Abb. 1.74 Entgelt Aufbau
Abb. 1.75 Aufbau leistungsorientiertes Entgelt
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1.31 Durchgängige Schulungssysteme – Qualifizieren statt kapitulieren Oliver Kress Schlanker Materialfluss, Lean Production, Kanban und weitere Schlagworte der schlanken Produktion sind für den einen das tägliche Brot, für den anderen eher abschreckendes Neudeutsch. Der teilweise zögerliche oder besser gesagt verhaltene Umgang mit diesen Methoden liegt oft in der missverständlichen Interpretation dieser Begrifflichkeiten. So werden diese Methoden häufig mit Arbeitsplatzvernichtung und Stellenabbau in Verbindung gebracht. Dies ist allerdings ganz und gar nicht der Fall. Häufig werden Veränderungen erst in der Krise durchgeführt, in der man durch andere Umstände gezwungen ist, Arbeitsstellen abzubauen. Beispiele von schlanken Unternehmen zeigen hier jedoch gegenläufige Entwicklungen, sodass nach der Implementierung von Lean-Manufacturing-Methoden neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. Im Folgenden werden die Möglichkeiten einer Abhilfe solcher Interpretationsdefizite diskutiert. So werden mittels durchgängiger Qualifizierungskonzepte Trainingsbausteine beschrieben, die Verständnis für das Thema Lean in seiner Ganzheit und Komplexität schaffen und die Anwendung in der Praxis sowie den Umsetzungserfolg aufzeigen. Auch wird der Aufbau dieser Qualifizierungsprogramme erläutert und die Notwendigkeit ihrer konsequenten Umsetzung diskutiert.
1.31.1 Konsequente Umsetzung als Erfolgsgarantie Warum gibt es dieses Missverständnis? Zum einen fehlt es an der nötigen Aufklärung der Unternehmer, was sie eigentlich mit diesen Methoden erreichen können und zum anderen an der Kenntnis, welche Verpflichtungen auf sie als Führungskräfte zukommen. Um jedem Mitarbeiter vom Shopfloor bis zum Top Management diese Aufgaben und Verantwortungen zu vermitteln, gilt es entsprechende Qualifizierungsprogramme zu entwickeln. Dabei ist zu beachten, dass die reine Einführung der schlanken Produktionsmethoden nur einen kleinen Teil des Erfolgskonzeptes ausmacht. So stellen diese Methoden schlichtweg eine Notwendigkeit der produktiven Produktion dar. Um die Produktivität eines Unternehmens jedoch langfristig zu sichern, bedarf es der konsequenten Anwendung der LeanEnterprise-Methoden im gesamten Unternehmen sowie deren permanente Weiterentwicklung und Optimierung. Dabei spielt bei der Methodenimplementierung die Unterstützung durch das Management eine tragende Rolle (vgl. Kap. 1.22 Probleme sind Schätze). Man muss allerdings lange suchen, bis man Unternehmen findet, die den Wandel zum schlanken Unternehmen bereits vollzogen haben. Dieser Wandel wird in den meisten Fällen nur halbherzig vollzogen oder an entsprechende Berater delegiert, die das komplexe Knowhow des Lean-Enterprise-Ansatzes nicht vollständig durchdrungen haben. Deshalb werden oftmals in den Unternehmen nur Suboptima erreicht und der halbherzig begonnene Wandlungsprozess zum schlanken Unternehmen endet nicht selten in einem Desaster.
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Durchgängige Schulungskonzepte Abhilfe kann hier eine fundierte Qualifizierung der Mitarbeiter in den Methoden des ganzheitlichen Lean-Enterprise-Ansatzes leisten. Hierfür werden entsprechend des Bedarfs der Zielgruppen im Unternehmen spezielle Qualifizierungsprogramme entwickelt. Der Erfolg dieser Trainingsprogramme liegt in der auf die Zielgruppe abgestimmten Kombination aus Theorie- und Praxiseinheiten. In den Theorieeinheiten werden den Teilnehmern die Methoden vermittelt, die sie im späteren Alltag für die Lean-Transformation benötigen. Gepaart mit dem Praxisprojekt, bei dem die Teilnehmer in der Analyse, Umsetzung und Stabilisierung einer Lean-Implementierung gecoacht werden, ergibt das einen vollen Lernerfolg. Dieses intensive Training eignet sich besonders für Menschen, die im Unternehmen später eine übergreifende Optimierungs- oder Führungsrolle innehaben.
1.31.2 Wesentliche Bestandteile erfolgreicher Trainingsprogramme Doch wie definiert sich ein erfolgreiches Qualifizierungsprogramm? Was erwarten die Teilnehmer? Wie transferiert man spezielles Know-how zielgerichtet, um Komplexität transparent und begreifbar zu machen? Alle diese Fragen gilt es bei der Konzeption von Trainingsprogrammen zu berücksichtigen. 1. A nalyse der Problemstellung und Ermittlung passender Konzepte: Zunächst ist das Verständnis und Interesse der Teilnehmer herauszuarbeiten: Was sind deren Belange, Ängste oder Ideen? Nur wenn man die Zielgruppe genau kennt, kann man ein spezifisches Qualifizierungsprogramm entwickeln. Es bedarf daher neben der allgemeinen Konzeption des Trainingsablaufs auch der speziellen Erarbeitung von Trainingsunterlagen. Hierzu zählen neben adäquaten Schulungsunterlagen auch Filme, Best-Practice-Beispiele aus anderen Firmen oder firmeneigenen Vorzeigebereichen sowie spezielle Simulationsspiele. Unter Simulationen versteht man hier die übertragene Darstellung von Produktionsprozessen in Modellfabriken. Dies kann im einfachsten Fall eine Anordnung von Stationen sein, an denen Papier in unterschiedlichen Formen gefaltet werden muss. 2. „Coachen“ statt Anweisen: Ziel ist es, den Teilnehmer durch die Dramaturgie des Trainingsaufbaus kontinuierlich auf die bevorstehenden Aufgaben vorzubereiten und ihn bei der Umsetzung zu unterstützen. 3. Aufbau interner Kompetenz: Den wesentlichen Vorteil von Qualifizierungsprogrammen findet man in der Weitergabe von Wissen an die Personen, die später diese Prozesse in der Praxis realisieren müssen. Nur durch gezielte Weitergabe dieses Wissens gelingt es, den langfristigen und gezielten Know-how-Aufbau zu sichern. Durch die Befähigung der Personen im Unternehmen schwindet zunehmend auch die Angst vor „neudeutschen“ Begrifflichkeiten. Auch der Wandel von der externen Beratung der Mitarbeiter hin zu der eigenen Identifikation mit diesen Themen beginnt. Nicht selten entsteht ein wahrer Begeisterungsstrom, und im Unternehmen gibt es eine regelrechte Infizierung mit dem „Lean-Virus“.
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4. Einbinden: Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Scheu vor Neuerungen dem Interesse und der Aufgeschlossenheit weicht. Solch einen Wandel kann man am besten erzielen, indem man die Mitarbeiter integriert und sogar noch einen Schritt weiter geht und die Mitarbeiter auch für die Realisierung verantwortlich macht. Solche Bewegungen gehen bis hin zu zum Aufbau interner Verbesserungsorganisationen, die Aufgaben ehemaliger externer Berater oder Trainer selbstständig übernehmen. Diese Entwicklung ist das Idealziel der Qualifizierungsmaßnahmen. So entsteht ein von innen angetriebener Prozess, der vollständig auf die Belange des Unternehmens ausgerichtet wird. 5. Identifikation der Führung: Funktionieren wird dies allerdings nur, wenn auch die Führung des Unternehmens konsequent auf die Implementierung dieser Methoden baut. Hier dürfen keinerlei Zweifel auftreten. Nur die absolute und konsequente Verfolgung der Lean-Gedanken kann den Erfolg des Unternehmens ausmachen. Dass dies der richtige Weg ist, zeigen die Unternehmen, die diesen Weg in aller Konsequenz gegangen sind. Hierzu zählen nicht nur die bekannten japanischen Vorzeigeunternehmen. Auch in Deutschland gibt es durchaus Firmen, die bewiesen haben, dass ihre Mitarbeiter über das Know-how und die Kompetenz für das Implementieren und konsequente Betreiben schlanker Systeme verfügen. Die gezielte und zielgruppenorientierte duale Trainingsmethode hat sie auf ihrem Weg der Transformation begleitet und befähigt.
1.31.3 Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung Hierarchieabhängige Qualifizierungsprogramme Mit der alleinigen Gestaltung und dem Willen zur Realisierung solcher Qualifizierungsmaßnahmen ist der Erfolg aber noch nicht garantiert. Dazu gehört wesentlich mehr. So ist es wichtig, dass entsprechende Qualifizierungsprogramme für die entsprechenden Hierarchieebenen konzipiert werden und in definierter Regelmäßigkeit durchgeführt werden. Diese Regelmäßigkeit ist von Unternehmensgröße, Lean-Realisierungsgrad sowie der Stellenneubesetzung abhängig. So gibt es beispielsweise Unternehmen, die neue Mitarbeiter erst dann in die Verantwortung ihrer neuen Position lassen, wenn diese die für ihre Hierarchieebene angedachte Qualifizierung auch nachweislich durchlaufen haben. Richtiges Verhältnis von Top-Down- zu Bottom-up-Qualifizierungen: Von ebenso großer Bedeutung ist die richtige Mischung des Verhältnisses von Top-Downzu Bottom-up-Qualifizierungen. Eine häufig angewandte Methodik zur Verbreitung der Lean-Kompetenzen im Unternehmen ist die Kaskadenschulung. Mit Hilfe dieser Methode wird versucht dieses Wissen möglichst schnell Top-Down in das Unternehmen zu bringen. Prinzipiell ist gegen diese Vorgehensweise nichts einzuwenden, der Erfolg dagegen oft zu vernachlässigen. Die Gründe hierfür liegen sehr oft in der nur mangelhaften Identifikation der jeweils verantwortlichen Personen mit diesem Thema. Sie sind oft nur unzureichend informiert und delegieren diese Tätigkeit der Informationsweitergabe über die Kaskade meist an Mitarbeiter, die noch weniger informiert sind als sie selbst. Dies führt letztend-
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lich zu einem enormen Informationsverlust entlang der Kaskade und somit zu einer mangelnden Identifikation mit diesem Thema. Im Gegenzug entsteht durch Lean-Workshops und Projekten eine gewisse Gegenbewegung, die das Thema Lean von Bottom-up in das Unternehmen trägt. Besondere Integration des mittleren Managements Dies führt häufig zu entsprechenden Konflikten zwischen dem Shopfloor und dem mittleren Management. Da die Überzeugung auf dem Top-Management-Level und dem Shop floor durchaus vorhanden ist, kommt dem mittleren Management eine zentrale Rolle zu, um den Prozess voranzutreiben. Hier fehlt aber häufig mangels entsprechender Qualifikation die Überzeugung von der Sinnhaftigkeit der Lean-Methode. Man identifiziert diese Methode eher mit Kompetenzverlust und der Abgabe von Managementkompetenzen auf den Shopfloor, was wiederum zu einer eher zögerlichen Unterstützungshaltung gegenüber den Lean-Methoden führt. Aus diesem Grund ist bei den zu konzipierenden Qualifizierungsprogrammen dem mittleren Management eine große Bedeutung beizumessen. Angepasste Implementierungsgeschwindigkeit und Qualifizierungssequenzen Auch die richtige Einschätzung der Umsetzungsgeschwindigkeit darf nicht falsch beurteilt werden. Wer glaubt, dass sich solche Methoden in kürzester Zeit im Unternehmen nachhaltig verankern lassen, irrt gewaltig. Dieser Prozess benötigt Zeit und Geduld, aber auch entsprechenden Nachdruck und Konsequenz in der Umsetzung. Die Implementierung der Methoden ist dabei nicht das einzige Kriterium, das nötig ist, um eine nachhaltige Lean-Kompetenz zu erreichen. Vielmehr ist ein Mind-Set oder auch Mind-Change der Mitarbeiter notwendig, um diesen Erfolg nachhaltig abzusichern. Konzentration auf das Wesentliche Eine zu hohe Erwartung hinsichtlich der Umsetzungsgeschwindigkeit wird manche in ihrem Verhalten ungeduldig werden und immer nach neuen Methoden suchen lassen, um möglichst alles zu machen, was gerade in Mode ist. Diese Vorgehensweise führt allerdings in den meisten Fällen nur zu Verwirrung und Orientierungslosigkeit bei den Mitarbeitern und einem weiteren Umsetzungsstau beim Lean-Vorhaben. Nur eine konsequente, sehr zielgerichtete und der „Change-Geschwindigkeit“ angepasste Umsetzung und Qualifizierung wird den geplanten Erfolg bringen.
1.31.4 Lean-Enterprise-Methoden zur Standortsicherung Der Erfolg lässt keine Zweifel offen. Outsourcing oder Verlagerung der manuellen Tätigkeiten in östliche Länder muss nicht immer der richtige Weg sein. Vielmehr gilt es, sich auf das vorhandene Potenzial der Mitarbeiter zu konzentrieren und mit ihnen gemeinsam den Weg des Wandels zu beschreiten. Aber neben aller Qualifizierung ist die klare Aussage des Managements und dessen Integration in den Wandel- und Qualifizierungsprozess ein wesentlicher Teil des Erfolges und besitzt höchste Priorität.
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Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban Philipp Dickmann, Michael F. Zäh, Niklas Möller, Hermann Lödding, Thomas Rücker, Herfried M. Schneider, Eva Dickmann, Joachim Hirsch, Christian Schliederer, Christine Wendlinger, Stefan Hartmann, Johann Gillinger, Bernhard Nied, Klaus Dräxler und Holm Fischäder
Philipp Dickmann In vielen Unternehmen werden heterogene (verschiedene) Steuerungen in einem abgestimmten Konzept kombiniert. Je nach Anwendungsfall und Rahmenbedingungen werden Kombinationen allgemein bekannter Steuerungen oder Steuerungsvarianten gemischt eingesetzt, um eine optimale Steuerung für unterschiedliche Fälle zu erreichen. Hierbei stehen neben den bekannten und weit verbreiteten Methoden, wie Material Requirements Plan-
P. Dickmann () · E. Dickmann lepros GmbH, Grafing b. München, Deutschland E-Mail:
[email protected] J. Hirsch Dorfprozelten, Deutschland M. F. Zäh · N. Möller Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb), Technische Universität München, München, Deutschland T. Rücker · H. M. Schneider · H. Fischäder Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der, Technische Universität Ilmenau, Ilmenau, Deutschland C. Schliederer · C. Wendlinger · S. Hartmann · J. Gillinger BayernBankett Gastronomie GmbH, München, Deutschland B. Nied · K. Dräxler NBHX Trim GmbH, Heilsbronn, Deutschland H. Lödding Hamburg, Deutschland
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 P. Dickmann (Hrsg.), Schlanker Materialfluss, DOI 10.1007/978-3-662-44869-4_2
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ning (MRP) oder Kanban, auch weniger bekannte oder neue Methoden zur Auswahl, wie die Produktionssteuerung mit dezentraler, bestandsorientierter Fertigungsregelung (DBF). Kanban ist ein simples und effizientes Steuerungskonzept, das in der klassischen Form für spezifische einfache Anwendungsfälle umsetzbar ist. Hochentwickelte Steuerungsalgorithmen können helfen, komplexe Abläufe optimal abzubilden. Mit einer grundlegenden Vereinfachung der Abläufe kann allerdings in vielen Fällen ein wesentlich stärkerer und umfassender Verbesserungseffekt erzielt werden. Die wesentliche Fragestellung sollte folglich lauten: Warum ist der Ablauf nicht mit einer einfachen Steuerung wie Kanban abzubilden? Um die Vorteile des Konzepts auch in untypischen Bereichen anwenden zu können, sind jedoch verschiedene Varianten oder Kanban-ähnliche Steuerungsmethoden entstanden. Darüber hinaus sind in der Praxis hybride Steuerungen im Einsatz, welche so kombiniert werden, dass die Zusammensetzung anspruchsvolle Eigenschaftsbilder noch exakt abbildet. In der Praxis basieren die Steuerungsentscheidungen nur zu einem kleinen Teil auf den eigentlichen Steuerungsalgorithmen, wie sie uns das MRP-System zur Verfügung stellt. Moderne „Steuerungswelten“ schließen alle relevanten Informationsquellen in eine heterogene Entscheidungsmatrix mit ein. Letztlich zählt nicht, ob die Entscheidung auf den Informationen aus dem MRP-System oder auf Softfacts basierend getroffen wurde, sondern nur, ob die Entscheidung erfolgreich war.
2.1 Störungsanalyse – der Weg zum ruhigen, kontinuierlichen Materialfluss Philipp Dickmann „Nicht Effizienz oder Wirtschaftlichkeit entscheidet, wie wir in Unternehmen arbeiten, sondern der Zeitgeist.“ Diese sehr provokante, pauschalisierte und emotionale Behauptung überspitzt die Tatsache, dass Veränderungen in Unternehmen sehr träge umgesetzt werden und sich zu einem großen Teil an gängigen Vorgehensweisen oder Marktstandards orientieren. Die Ursache ist darin zu sehen, dass mit betriebswirtschaftlichen oder mathematischen Mitteln nur aufwändig zu ergründen ist, welche Effekte den Materialfluss positiv oder negativ beeinflussen. Wie jeder Fließprozess, weist auch der Materialfluss enorme Komplexität und interdisziplinäre Zusammenhänge auf. Tatsächlich sind die wesentlichen Regeln oder Rahmenbedingungen im täglichen Leben allgegenwärtig. Ein Perspektivenwechsel, in dem der Materialfluss aus Sicht des Materials betrachtet wird, erleichtert das Verständnis der Zusammenhänge. Viele der Phänomene lassen sich sehr gut mit der Perspektive eines Autofahrers im Straßenverkehr vergleichen. Abläufe und im Speziellen Materialflussstörungen sind hierzu sehr gut übertragbar. Die Wirkungsweise wesentlicher komplexerer Phänomene und Regeln für effizienten Materialfluss sind dadurch einfach verständlich: etwa Staus und longituditionale Schwingungen, das Ziel des ruhigen und kontinuierlichen Flusses etc …
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2.1.1 Regeln für einen kontinuierlichen und störungsfreien Materialfluss Staus und longituditionale Schwingungen (Abb. 2.1) Jedermann sind Stauphänomene aus dem Straßenverkehr vertraut. Im Trichtermodell [Wien 97], bei dem der Engpass die gesamte Geschwindigkeit des Materialflusses bestimmt, ist dies leicht nachvollziehbar. Ebenso kennen wir den Zusammenhang, dass die erreichbare maximale Durchschnittsgeschwindigkeit an der Engpassstelle im Durchschnitt nicht erreicht wird. Vielfältige Effekte oder Störgrößen verursachen longituditionale Schwingungen. Durch Stop-and-go liegt die tatsächliche Geschwindigkeit, vor einer Staustelle unter der Geschwindigkeit, die die Engpassstelle zulassen würde. Verkehrsleitsysteme im Straßenverkehr und Steuerungssysteme in der Produktionssteuerung, etwa mit kapazitätsorientierten Konzepten, verfolgen die gleichen Lösungsansätze. Diese Systeme können helfen, die Krise oder den Stau zu beheben. Grundlegende Lösungen benötigen jedoch, wie beim Materialfluss, andere Ansätze, etwa straßenbauliche Maßnahmen oder Optimierung von Zugriffszeiten von Einsatzkräften etc. Zur Analyse der Probleme werden in beiden Fällen ähnliche Methoden angewandt: Simulation oder statistische Methoden, unterstützt durch physische Tests (vgl. Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing).
Abb. 2.1 Staus und longituditionale Schwingungen: Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist bei einer Geschwindigkeitsregelung deutlich höher als bei ungeregelter Steuerung
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risenmanagement im Tagesgeschäft, Tabu oder Wirtschaftsfaktor? [Dick 08] K Das Managen von kurzfristigen Veränderungen und Störungen nimmt in vielen Unternehmen den größten Teil des Tagesgeschäfts ein. Davon betroffen sind alle Fachabteilungen, die mit dem Materialfluss in Berührung kommen, wobei alle Maßnahmen als unabwendbare Notwendigkeit betrachtet werden. Dennoch handelt es sich um Krisenmanagement, das durch systematische strategische Planung der Flexibilität, dem Einsatz von Lean und Reduzierung der internen und externen Störgrößen weitgehend vermieden werden könnte. Unternehmen schätzten auf Anfrage den Anteil des Krisenmanagements am Tagesgeschäft im Durchschnitt auf 10 % ein. Der Aufwand für das Beheben von Störungen und kurzfristigen Änderungen wurde dagegen mit über 60 % angegeben (Umfrage [Lepr 07]). (Abb. 2.2) Die mangelnde Erkenntnis, dass es sich beim täglichen „Rudern gegen den Strom“ um Krisenmanagement handelt sowie die Tabuisierung des Begriffes verhindern das Einleiten von Verbesserungen. Der Begriff Krisenmanagement ist negativ behaftet und wird oft dazu missbraucht, Machtverhältnisse zu gestalten und abzusichern. Der „Krisenmanager“ kann einerseits als unverzichtbarer „Rettungsanker“ oder andererseits als „unfähiger Manager“ in einer manipulativen Rolle fixiert sein. Bevor sich ein Unternehmen dem Thema „Reduzierung des Krisenmanagements“ stellen kann, ist meist ist ein strategischer Umdenkprozess nötig. uhiger, kontinuierlicher Fluss – Theory of Constraints [Gold 84] R Das Ziel der Materialflussteuerung ist es, einen getakteten Materialfluss ohne Kapazitätsengpässe zu schaffen. Kapazitätsengpässe haben vielfältige, negative Auswirkungen. So kann Krisenmanagement einen Großteil der Kapazität in Unternehmen einnehmen und zu fehlender Transparenz, zunehmender Komplexität und unnötig hohen Kosten führen. Zur Beseitigung stehen präventive Maßnahmen im Vordergrund, wie Spitzen der real benötigten Kapazität zu analysieren, zu hinterfragen und die Kapazität der notwendigen Abb. 2.2 Krisenmanagement in der Beschaffung [Lepr 07]: Über 50 % der Zeit in der Beschaffung der Unternehmen wird mit dem Beheben von Störungen (z. B. Nachtelefonieren von fehlendem Material, kurzfristigen Sonderaktionen) verbracht
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Maschinen, des Lagers und des Personals anpassen. Das Ziel muss ein kostenoptimaler, kontinuierlicher und ruhiger Fluss sein.
L ean Automation – Flexible, einfache Hardware Flexibilität bestimmt zunehmend die Chancen am Markt. Nicht immer ist eine hohe Automation die wirtschaftlich und strategisch günstigste Lösung, auch nicht in Hochlohnländern. Viele hoch automatisierte Anlagen haben sich wegen der zu hohen Komplexität, der entsprechend hohen Fehlerrate oder des hohen Wartungs- oder Änderungsaufwands als „eiserne, unflexible Ungetüme“ erwiesen. Vor allem Anlagen mit hohem Investitionsbedarf fordern auslastungsorientierte Arbeitsweisen. Mit der Forderung nach 100 % Auslastung wird angestrebt, die Amortisationszeit zu verkürzen, um das Investitionsrisiko zu verringern. Ein Mittel dazu ist die Bildung großer Losgrößen, um die Rüstzeiten zu minimieren. Jede Flexibilität geht verloren. Verschwendung durch Überproduktion entsteht Als Alternative wird in der Regel die Verlagerung oder die Beschaffung aus Niedriglohnländern angesehen. Viele Branchen, die scheinbar in Hightech-Produktionsländern nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren können, wandern ab. „Billiglohn“-Produkte bringen andererseits, z. B. in Bezug auf die vom Kunden geforderte Flexibilität, teils hohe Nachteile mit sich. Die Produkte werden meist in großen Losen gefertigt und in großen Gebindemengen, mit extrem langen Transportwegen und -zeiten beschafft. Befinden sich die großen Materialmengen erst einmal in der Lieferkette, sind sie fixiert und damit kaum zu verändern. In der Summe kann dies eine 10- bis 50-fache Reichweite und Wiederbeschaffungszeiten (z. B. von mehr als einem Jahr) verursachen. Änderungen (z. B. Nacharbeiten) oder Sondertransporte (z. B. Luftfracht) können hier sehr leicht die Kostenvorteile überkompensieren. Der Ansatz von Lean Intelligent Automation ermöglicht es lokalen Anbietern, im Wettbewerb mit gleichen oder geringeren Preisen, hoher Qualität, Just-in-sequence (JIS) und hoher Flexibilität bei Bedarfsveränderungen zu bestechen. Ausgehend von der japanischen Automobilindustrie hat sich ein Gegentrend, die Lean Automation (vgl. Kap. 1.9 Low Cost Intelligent Automation) etabliert. Dabei wurde das Konzept von intelligent kombinierten Low Cost-Anlagen mit Rüstzeitoptimierungen (nach dem Toyota Produktionssystem, TPS) und flexibler Produktion weitergetrieben. Große Anlagen werden durch mehrere, billigere und wesentlich flexiblere Anlagen ersetzt. Vorteil dieser Anlagen sind neben der geringen Investition kürzere Amortisation, höhere Flexibilität und die Möglichkeit, den Kundenbedarf in sehr kleinen Losgrößen darstellen zu können. Die Rüstzeit dieser Maschinen ist deutlich kürzer, wodurch sich der Anteil der Nebenkosten in den Herstellkosten verringert. Durch die wesentlich geringere Investition sinkt die Amorti-
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sationszeit, das Risiko der Investition reduziert sich erheblich. Der Maschinen- und Anlagenpark bestimmt nicht mehr maßgeblich die Kosten. Einfachere Anlagen und selbstgebaute Vorrichtungen lassen kurzfristige und kostengünstige Änderungen zu. Unkalkulierbare Bedarfe, wie z. B. beim Serienanlauf neuer Produkte, werden kundengerechter lösbar. Anstelle hoher Investitionen mit hohem Risiko werden vorhandene kleine Anlagen kurzfristig vervielfältigt. Nach einer mittelfristigen Umstrukturierung des Anlagenparks und der Produktionsmethode ist es auch für Hochlohnländer möglich, längst „verloren geglaubte“ Produkte rentabel zu produzieren. Basierend auf diesem Prinzip etabliert sich aktuell eine ähnliche, aus Japan stammende Methode der logistischen Abwicklung (vgl. Kap. 2.2.5 Lean Intelligent Logistics)
Freikapazität Der Preisunterschied zwischen hoch automatisierten Anlagen und einfachen Maschinen ist in der Regel so gravierend, dass für einen Automaten eine größere Zahl an Maschinen beschafft werden kann. Die Folge ist, dass bei gleichem Output ein Teil der Maschinen frei bleibt. Es muss nicht mehr im Voraus produziert werden, um Kapazitätsspitzen abzudecken, da diese Freikapazität die Möglichkeit bietet, dies auszugleichen. Typisches Beispiel sind große Waschmaschinen in der Fertigung, die durch kleine Waschmaschinen für ein Werkstück direkt beim folgenden Produktionsprozess ersetzt wurden. Freikapazitäten von Anlagen werden wirtschaftlich vertretbar und Staus im gesamten Netz des Materialflusses werden reduziert. Die Erfahrung zeigt, dass neben dem kontinuierlicheren Fluss wegen der enormen Einsparung an Investitionen deutlich geringere Produktionskosten erreicht werden können. Snowball-Effekt Störungen und Engpässe führen zu einem Snowball-Effekt. Eine Störung verursacht Ausweichstrategien und damit das Umwerfen von mehreren anderen Produktionsaufträgen. Damit vervielfältigt sich das Problem in einer Kettenreaktion. In der Folge sind die Bedarfstermine der darunter liegenden Produktionsebenen ebenfalls betroffen. Es kommt zu einer erneuten Vervielfältigung der Störung, usw. Kaum ein Steuerungssystem mit automatischen Regelkreisen kann die Fortpflanzung dieser Unzulänglichkeiten aufhalten, die durch manuellen Eingriff oder ungeplante Störungen entstehen. Nur umfassendes manuelles Management kann dies stoppen. Der Snowball-Effekt ist sehr plakativ bei Serienanlaufproblemen zu erkennen. Durch etwa Qualitätsprobleme eines Lieferanten türmen sich einerseits Berge an Material, andererseits kommt es zu enormen Bedarfsspitzen. Der Effekt beeinflusst dabei aber alle anderen angebunden Lieferanten, die eigene Produktion und gegebenenfalls auch den Kunden. (Abb. 2.3)
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Abb. 2.3 Snowball-Effekt: Durch den Snowball-Effekt vervielfältigen sich Störungen in allen Richtungen im Materialfluss und führen in einer Kettenreaktion zu einer Vielzahl neuer Störungen
Flexibilitätsparadoxon Das „Durchlaufzeitsyndrom“ [Kand 99] fordert Algorithmen in ERP-Systemen, die schwankende Durchlaufzeiten abbilden können. Dadurch soll eine Verbesserung bei der Abbildung der Realität erzielt werden. Schwankende Durchlaufzeiten sind nicht die Ursache, sondern die Folge von Engpassmanagement oder anderen Störungen. Es wird dabei letztlich versucht, die Ursache auf der organisatorischen Ebene, durch die exakte Abbildung der Auswirkung, zu beheben. Das Flexibilitätparadoxon setzt an der „Wurzel des Problems“ an. Durch wachsende Durchlaufzeiten steigt die Gefahr, dass Aufträge bei Sonderaktionen oder Störungen nicht fertiggestellt werden können und warten müssen. In der Folge entsteht ein Stau. Die Korrelation zwischen der Durchlaufzeit und der notwendigen Flexibilität ist entscheidend für das Maß der Störungsanfälligkeit des Materialflusses. Flexibilität wird als Puffer auf der Zeit- oder Bestandsachse bzw. Kapazität in Anlagen und Mitarbeitern interpretiert. Mit Zunahme der Flexibilität werden der Snowball-Effekt, das Durchlaufzeitsyndrom und die Problemstellung der minimalen wirtschaftlichen Losgröße gleichermaßen behoben. Da die Zielsetzung von Materialfluss ist, möglichst minimale Puffer vorzuhalten bzw. in der Folge hohe Flexibilität zu erreichen, gilt es, den „Break Even“ der Flexibilität, also das Flexibilitätsparadoxon zu finden und mittelfristig ein Optimum zu erreichen. eitschen- oder Bullwhip-Effekt P Ein weiterer Effekt, der einem kontinuierlichen, ruhigen Materialfluss entgegen wirkt, ist der Peitscheneffekt, engl. Bullwhip-Effekt (s. Abb. (Abb. 2.4) [Forr 61].
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Abb. 2.4 Der Peitscheneffekt (Bullwhip-Effekt) führt zu Stop-and-go bei den Lieferanten
Er wird durch Schwankungen in der Produktionsplanung verursacht und verstärkt, die u. a. folgende Ursachen haben können: • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Bestandsabbau und -aufbau (z. B. am Geschäftsjahresende, durch Urlaubszeiten etc.) Bestandsschwankungen aufgrund konstanter Durchlaufzeiten [Lödd 05] dezentrale Absatzplanung ([Lee 97; Lee 97b]) zentrale Produktionssteuerung Änderungshäufigkeit der Prognose bzw. Planung Abweichungen der Prognose vom erreichten Wert Änderungen von Aufträgen nach Auftragsfreigabe Anzahl der Planungsebenen Losbildung ([Lee 97; Lee 97b]) Preisschwankungen ([Lee 97; Lee 97b]) Überbestellung bei Lieferengpässen ([Lee 97; Lee 97b]) Bestandsschwankungen bei Änderungen Kapazitätsrestriktionen [Lödd 05] physikalische Fehlerbehaftung von ERP-Daten bzw. mangelnde Datenpflege in ERPSystemen hohe Komplexität und Vielfalt an angewandten Parametern in ERP-Systemen Kumulation in ERP (z. B. kalendarische Kumulationen) lange Durchlauf-, Wiederbeschaffungs- oder Transportzeiten, Informationslaufzeit [Lödd 05], fehlende oder zu geringe Puffer (z. B. Null-Bestands-Konzepte),
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• parallele Lieferantensysteme (Quotierung), • mangelndes Qualitätsniveau, • mangelnde Termintreue. Über die Supply Chain nimmt dieser Effekt nach unten zum Lieferanten hin zu und führt dort zu einem immer stärker werdenden Stop-and-go Effekt. Die Ebenen der Dimensionierung, Auslastung und Kapazität erzeugen höhere Kosten. Schwankungen, die z. B. durch Monatsumbrüche ausgelöst werden, nehmen über verschiedene Produktionsstufen zu. Für den Lieferanten ist dies nicht erkennbar, er muss mehr Lagerpuffer aufbauen und eventuell neu investieren, um die Kapazitätsspitzen sicherstellen zu können.
Träge Steuerung Ein anderer Ansatz besteht darin, Trägheit in einem Produktionssystem durch Verlangsamung der Steuerungsgeschwindigkeit im ERP auf den Ebenen der SCM zu erreichen. Wenn, beginnend bei der obersten Ebene, Schwankungen durch zeitliche Verlangsamung der Steuerung ausgeglichen werden, wird der Bullwhip-Effekt weitestgehend kompensiert. Tatsächliche Bedarfsschwankungen müssen über Puffer abgedeckt oder zumindest in der minimalen Dynamik des Systems abbildbar sein. indestbestände anstelle Null-Bestands-Konzepte M Als Weiterentwicklung von Just-in-time (JIT) wurden die ursprünglichen Kanban-Puffer weiter optimiert und damit die Anteile des Lagerbestands noch mehr reduziert. Das Resultat war das Null-Bestands-Konzept (0-BK). Ziel war es, JIT im Kanban-Kreis so exakt zu steuern, dass der Auftrag gerade dann fertig ist, wenn der Kunde beliefert werden muss. Da in der Praxis immer Störparameter vorliegen, führt dies zu Engpässen. Sobald der Kunde kurz warten muss, wird der Snowball-Effekt des Krisenmanagements ausgelöst. In der Folge verschieben sich viele andere Aufträge bzw. werden unterbrochen. Die statischen Lagerbestände werden zuerst reduziert. Wegen der vielen Unterbrechungen in den Produktionsaufträgen nehmen die Durchlaufzeiten der Produktionsaufträge und damit die Bestände überproportional zu. Die Kapitalbindung in den Aufträgen kompensiert die Einsparung durch statische Lagerbestände um ein Vielfaches. Zudem treten die bereits beschriebenen überproportionalen Kosten als Folge des Krisenmanagements auf. Minimale Lagerbestandswerte und minimale Kosten sind nur mit minimal dimensionierten, statischen Lagerbeständen möglich. Dies sind Puffer für Störparameter, die den Break Even der Kapitalbindung absichern. Die Höhe dieser Puffer kann dabei nicht maßgeblich von Steuerungsalgorithmen optimiert werden, sondern ist nur durch die Reduzierung der Störgrößen beeinflussbar. Auch hierfür kann in der realen Anwendung Valuecycle Optimizing (vgl. Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing) eingesetzt werden. Störgrößenanalyse Das TPS leitet uns dazu an, mit der 5W-Methode Probleme mehrfach zu hinterfragen und dann die eigentlichen Ursachen zu beheben, anstatt nur Symptome nachzuregeln. Gerade
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Abb. 2.5 Geringe Flexibilität ist die Hauptursache für Störungen: schwankende und kurzfristige Bedarfe führen zu Unterbrechungen. [Lepr 07]
mit EDV-Systemen wird gerne versucht, systematisch Symptome zu beheben, ohne die Ursachen zu beseitigen (vgl. Kap. 5.1.2 Störgrößen im modernen Materialfluss und in MRP-Systemen). Systematisch lassen sich Störgrößen nur mit einer Analyse und einem in der Regel kontinuierlichen Prozess beseitigen, beides die Kernelemente des Valuecycle Optimizing (Abb. 2.5).
rävention und Qualität statt Krisenmanagement und umständlicher P Abläufe Es ist heute gängige und sinnvolle Praxis, die Qualität der Prozesse aus Kostengründen in Frage zu stellen. Dies führt jedoch zu überproportional höherem Aufwand für Preservice und indirekte Bereiche, die aufgrund fehlender Qualität erst notwendig werden. Qualität zu „ermessen“, zu prüfen, zu selektieren, nachzubessern, zu dokumentieren, mit indirekten Bereichen sicherzustellen, erzeugt wesentlich höhere Kosten, als für den Herstellprozess geplant wurden. Die Folgen dieser Ideologie setzen sich über die Fehlerfortpflanzung bis zum Kunden durch. Qualitätsprobleme gehören im Materialfluss zu den gravierendsten und häufigsten Störgrößen (Abb. 2.6).
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Abb. 2.6 Vergleich der prinzipiellen Entwicklung des Umlaufbestands zwischen klassischer Produktion, Kanban, Null-Bestands-Produktion und hybrider Kanban-Steuerung
2.2 Wertschöpfungsanalyse des Materialflusses – „Das Einfachste ist das Beste“ und Lean Intelligent Logistics (LILO) Philipp Dickmann Die Wertschöpfungsanalyse führt zur Verdichtung der wertschöpfenden Prozesse und damit zur Erhöhung der Effizienz, da Verschwendung eliminiert wird. Der Materialfluss ist nach der klassischen Definition nicht wertschöpfend, das Produkt nimmt nicht an Wert zu. Mit anderen Worten: Der Kunde bezahlt nicht für den Transport einer Komponente. Im ersten Schritt werden Materialbewegungen so weit wie möglich minimiert. Die Veränderung der Prozesse erfolgt in erster Linie mit dem Ziel, Transporte zu vermeiden. Es sollte immer die Optimierung des Materialflusses angestrebt und erst in letzter Instanz Automation angestrebt werden. Automatische Prozesse benötigen besondere Aufmerksamkeit, da in diesem Fall die Verschwendung durch unnötige Bestände und Wege weniger transparent ist. Da es grundsätzlich nicht möglich ist, ohne Materialfluss zu produzieren oder die Ware an den Kunden zu liefern, ist zumindest eine Optimierung der Einzelschritte anzustreben. Grundlegend ist die Vorgehensweise nach Valuecycle Optimizing (VCO) z. B. mit Materialfluss-Kaizen zur systematischen Optimierung des Materialflusses zu empfehlen. Dabei lassen sich drei typische Bereiche des Materialflusses unterscheiden: • Materialfluss am Arbeitsplatz • innerbetrieblicher Materialfluss und • überbetrieblicher Materialfluss.
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Bei der durchgängigen Wertschöpfungsanalyse auf der Supply Chain kristallisieren sich einfache Prozesse heraus, die maximal effizient sind. Eine allgegenwärtige Redewendung in China besagt: 以简为明 (Aussprache: yi jieng we min) – „Das Einfachste ist das Beste“. Dies trifft im Besonderen auf den komplexen Materialfluss zu. Es lassen sich wenige einfache Regeln in der Theorie des „Einfachen Optimums“ ableiten, die zu beachten sind, um einen idealen Materialfluss zu erreichen.
2.2.1 Materialfluss am Arbeitsplatz Grundsätzlich ist Materialfluss am Arbeitsplatz bis auf das Greifen, Zuführen und Positionieren zu vermeiden. Dies gilt im Besonderen für automatische Prozesse. Materialfluss am Arbeitsplatz ist typischer Anwendungsbereich von Gemba-Kaizen und Valuecycle Optimizing, Wertschöpfungsanalyse, Arbeitsplatzgestaltung mit REFA bzw. MTM oder Optimierung mit Simulation. Es werden u. a. folgende Ziele angestrebt: • • • • • • •
Produktion im Kundentakt Austaktung der Arbeitsinhalte Anlagen, die Flexibilität zugestehen Materialbereitstellung oder Kommissionierung entfällt Zwischen- und Zusatzhandling vermeiden Mehrfachgriffe ausnutzen kurzer Greifraum
2.2.2 Innerbetrieblicher Materialfluss Grundsätzlich ist innerbetrieblicher Materialfluss soweit als möglich zu vermeiden, da er keine unumstößliche Notwendigkeit ist. Durch schlanke Konzepte oder räumliche Veränderungen ergeben sich enorme Einsparpotenziale. In der Realität bleiben diese Potenziale sehr häufig ungenutzt. Automation ohne Prozessoptimierung oder Zwischenläger bei Lieferanten oder Spediteuren, führen in der Summe zu einer Verschlechterung der Prozesse. Gründe, die innerbetrieblichen Materialfluss rechtfertigen können sind: • Die kompletten Gebinde des Lieferloses können räumlich nicht am Ort des Verbrauchs untergebracht werden. • Es entstehen zu viele und zu kleine Bereitstellmengen an zu vielen Arbeitsplätzen. • Die Mindestanliefermenge ist zu groß oder die manuelle Bereitstellung, etwa aufgrund großen Volumens, erzeugt zu hohe Handlingskosten. • Zwischenlagerung und Kommissionierung kann sinnvoll sein, bei großer Anlieferentfernung oder sehr großen wirtschaftlichen Losgrößen, z. B. bei niedrigpreisigen Massenartikeln.
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Zur Optimierung des innerbetrieblichen Materialflusses kommen dieselben Methoden zum Einsatz, wie bei der Verbesserung der Flüsse am Arbeitsplatz. Es werden dabei folgende Ziele bevorzugt: • Losgrößen und Verpackung werden mit dem Kundentakt harmonisiert. • Qualitäts- und Wareneingangsprüfung werden in vorgelagerten Prozessen sichergestellt. • Es sollte ausreichend Platz für Sicherheitsbestände und saisonale oder durch Wachstum erzeugte Schwankungen am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. • Unnötig große Lagervolumen oder Handlingsmengen sollten vermieden werden. Nach Möglichkeit wird mit Durchschublager gearbeitet. • Direktbereitstellung (Ship-to-line): Bereitstellung vom Lieferanten erfolgt direkt am Verbrauchsort, d. h. innerbetrieblicher Materialfluss oder zwischengelagerte Bestände sind nicht nötig. • Zwischentransporte, Zwischenlager und Kommissionierung sollten vermieden werden. • Die Wege sollten kurz sein. • Automatische Lager sollten über eine Anbindung an die Zelle bzw. an den Arbeitsplatz und eine Dogging-Station verfügen. • Innerbetrieblicher Materialfluss muss in Zusammenhang mit Materialfluss am Arbeitsplatz betrachtet werden und somit die Ziele des Materialflusses am Arbeitsplatz erfüllen.
2.2.3 Überbetrieblicher Materialfluss Bei Ship-to-line oder Direktbereitstellung im Sinne von JIT existiert maximal ein sehr kleines Lager beim Lieferanten und direkt am Arbeitsplatz des Kunden. Die Lagergrößen sind abhängig von der Transportzeit und dessen Risiko. Bei einer Transportstrecke von wenigen Kilometern vom Lieferanten zum Kunden, ist im Vergleich zu einem Seetransport, z. B. aus China, eine wesentlich kürzere Zeit mit eigenem Lagerbestand zu puffern. Auch das Risiko von Verspätung oder Verlust der Ware ist bei einem nahe gelegenen Lieferanten geringer. Lange Strecken erzeugen hohe Lagerkosten und ein hohes Risiko bei Änderungen oder Qualitätsproblemen. Die Bezeichnung Ship-to-line oder Just-in-time wird gerne für Lösungen missbraucht, die nur kleine Elemente dieser Methoden enthalten. Typische Beispiele hierfür sind Zwischenlager, die räumlich beim Lieferanten, Dienstleister oder dem Spediteur liegen, ihm gehören oder auf die Straße verschoben werden. Tatsächlich werden nur Bruchteile der Einsparung genutzt, die möglich wären. Der überbetriebliche Materialfluss sollte sich an folgenden Zielen orientieren: • Minimale Puffer beim Lieferanten und beim Kunden sichern die Flexibilität und vermeiden Sonderaktionen. • Kurze Wege ermöglichen Flexibilität, kleine Losgrößen, kurze Reaktionszeiten im Krisenfall und damit geringe Lagerbestände. • Kurze Wege ermöglichen geringe Transportkosten für Ware und Umlaufverpackungen.
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• Das Anlieferintervall sollte an den Produktionszyklus und den Kundentakt angepasst sein. • Losgrößen und Verpackungen sollten für den Transport standardisiert werden. • Sammeltransporte sollten mit sinnvollen Gebindegrößen erfolgen. • Überbetrieblicher Materialfluss muss in Zusammenhang mit innerbetrieblichem Materialfluss gesehen werden und somit die Ziele des innerbetrieblichen Materialflusses erfüllen.
2.2.4 „Das Einfachste ist das Beste“ Die Umsetzung der Wertschöpfungsanalyse des Materialflusses, ergänzt durch die Regeln für einen ruhigen kontinuierlichen Materialfluss, führt zu einfachen und gleichzeitig optimalen Prozessen. Den Materialfluss ohne vermeidbare Bewegungen umzusetzen, lässt sich von dem bekannten Prinzip der Minimierung des Buddhismus – „Alles Unnötige weglassen“ – ableiten. Grundprinzipen sind die Direktbereitstellung ohne Qualitätsprüfung und weitgehend dezentrale Steuerungskonzepte, überlagert von direkten strategischen Steuerungs- und Managemententscheidungen. Angestrebt wird ein störungsfreier Materialfluss mit JIT oder JIS ohne eine „Frozen Zone“, also einer fixierten Zeit, in der keine Änderungen oder Verschiebungen mehr zulässig sind. Voraussetzung sind weitestgehend qualitätsfehler- und störungsfreie Prozesse, mit kurzen Durchlaufzeiten. Um optimale Flexibilität, minimales Risiko bei Änderungen oder Qualitätsproblemen, sowie minimales gebundenes Kapital zu erreichen, sind weniger als vier Stunden Lieferzeit vom Produktionsort notwendig. Das Material wird vom Ort der Herstellung an den Ort des Verbrauchs gebracht und in simplen Durchschüben oder Durchschubregalen bereitgestellt. Großvolumige Materialien können ebenfalls im Durchschub verfügbar gemacht werden, benötigen aber ausreichende Flächen. Ausschließlich bei einer hohen Frequenz oder sehr großem Volumen ist eine automatische Bereitstellung in Hochregallager-Systemen oder mit Hängeförderern sinnvoll. Eine weitere Ausnahme bilden sehr variantenreiche Vereinzelungsprozesse, bei denen ein extrem hoher Aufwand für Kommissionierung nötig ist, etwa bei der Ersatzteilbereitstellung. In Hochlohnländern dominiert die Vorstellung, dass nur komplizierte und hochtechnologische Prozesse konkurrenzfähig sind. Dabei handelt es sich jedoch um eine Fehleinschätzung. Mittels hochkomplexer Anlagen und billiger Arbeitskräfte wird versucht, die Kosten zu reduzieren: Die Summe der Lohnkosten bleibt aufgrund der vielen Prozessschritte, die für den komplexen Problemlösungsansatz nötig sind, dennoch hoch (Abb. 2.7). Hinzu kommen die Kosten für hochtechnische Anlagen und zusätzlich die für den Betrieb und die Organisation nötigen Spezialisten. Lean-Ansätze gehen einen anderen Weg. In erster Linie werden Prozesse eingespart und hochtechnische Anlagen entfallen soweit möglich (vgl. Kap. 1.9 LCIA). Für die restlichen, vergleichsweise wenigen Prozesse sind jedoch ebenfalls hochqualifizierte Mitarbeiter nötig. Mit wenigen Einzelprozessen wird dadurch eine weit höhere Effizienz, Flexibilität und geringere Kosten erreicht.
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Abb. 2.7 Reduzierung der Prozesse durch Lean-Methoden: Durch „ausgefeilte“ Lean-Methoden ist es möglich, den Großteil der Prozesse entfallen zu lassen. Im Beispiel, werden 17 Einzelprozesse (oben) durch fünf neue Prozesse (unten) ersetzt, eine Reduzierung von rund 70 % der Prozessschritte. Durch einfache Abläufe wird Verschwendung reduziert und Angriffspunkte für Störgrößen entfallen. Der Ansatz, um aufgeblähte Prozesse „herum“ zu optimieren (etwa mit IT-Lösungen), führt letztlich nur zur Verschleierung der Probleme und nicht dazu, nachhaltig die wirtschaftlichen Potenziale auszuschöpfen
2.2.5 Lean Intelligent Logistics (LILO) Hitoshi Takeda hat mit seinem Konzept der Low Cost Intelligent Automation (vgl. Kap. 1.9 LCIA oder auch Lean Automation, und Kap. 2.1.1 Regeln für eine kontinuierlichen Materialfluss) ein Prinzip entwickelt, das mit mehreren kleinen Anlagen ermöglicht, flexibler, schneller und kostengünstiger zu produzieren als mit großen Maschinen. Diese auf den Produktionsprozess bezogene Vorgehensweise wird in der japanischen Automobilindustrie in ähnlicher Form für Logistikabläufe angewandt. Lean Intelligent Logistics (LILO) (= Lean Logistics oder auch Low Cost Intelligent Logistics) erreicht mit vergleichbaren Ansätzen in der Logistik herausragende Benchmarks. Die 5I-Ziele von LILO sind: • Intelligente Lieferantenanbindungen mit kleinen Losgrößen, hoher Flexibilität und mittels Kanban entkoppelter, „atmender“ Produktion • Intelligente Verpackungskonzepte als Basis für eine minimalistische Logistik • Intelligenter Materialtransport, bei dem so weit als möglich Direktbereitstellung (Ship-to-line) genutzt wird • Intelligente Materialbereitstellung für die effiziente und ergonomische Entnahme des Materials. Gleichzeitig wird der Bereitstellungsaufwand so weit wie möglich eliminiert.
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• Intelligente kostengünstige Logistikanlagentechnik ermöglicht die Minimierung des Investitionsdrucks bei gleichzeitiger FIFO Bereitstellung Die 5I-Konzepte erreichen mit kostengünstigen, sehr gering oder gar nicht automatisierten Lageranlagen und geringer Personalkapazität gleiche Stückzahlen und höhere Leistungsmerkmale. Es müssen jedoch alle 5I-Prinzipien umfassend umgesetzt werden. Vor allem bei kleinen Volumenströmen können Investitionen durch „ausgetüftelte“ minimalistische Lösungen vermieden werden. Durch die Nutzung kleiner, umfassender Low Cost-Lageranlagen kann Folgendes eingespart werden: • • • • •
große Zentrallager automatisierte Kommissionieranlagen bauliche Maßnahmen für Lager Personalaufwand für Materialbereitstellung und Kommissionierung indirektes Personal für hochtechnische Logistikanlagen und MRP-Steuerungen
An drei Bereitstellungslösungen aus der Automobilindustrie werden die Vorteile von LILO exemplarisch dargestellt (siehe auch Abb. 2.8 und 2.9 sowie Tab. 2.1):
Abb. 2.8 Layout-Vergleich der drei Materialflusskonzepte: Automatische Hochregallösung, Pufferlagerkonzept (mit Verlagerung des Zentrallagers) und Lean Intelligent Logistics. (Tab. 2.1)
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Abb. 2.9 Kostenvergleich der drei Materialflusskonzepte: Automatische Hochregallösung, Pufferlagerkonzept und Lean Intelligent Logistics. Bei einer langfristigen Kostenbetrachtung der drei Konzepte zeigt Lean Intelligent Logistics einen 63–85 %igen Kostenvorteil
Tab. 2.1 Vergleich der drei grundlegenden Materialflusskonzepte: Automatische Hochregallösung, Pufferlagerkonzept (mit Verlagerung des Zentrallagers) und Lean Intelligent Logistics am Beispiel der Automobilindustrie – Vergleich der interdisziplinären Kosten über 10 Jahre Laufzeit Pufferlagerkonzept Lean IntelliAutomatische Hochregallösung (mit Verlagerung des gent Logistics (%) Zentrallagers) (%) (%) Investitionssumme 100 % 5 % 0,5 % Erhöhung Kaufteilpreise durch 100 % 2 % 10 % Lieferanten Kapitalbindung Kunde 40 % 10 % 100 % Kapitalbindung Lieferant 10 % 80 % 10 % Kosten für Materialhandling 100 % 14 % 15 % Instandhaltungsaufwand 50 % 13 % 100 % Flächenbedarf Kunde 100 % 80 % 12 % Summe der Kosten in 10 Jahren 100 % 76 % 15 % Incl. Preiserhöhung 78 % 15 % 100 %
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• Automatische Hochregallösung: Umsetzung eines automatischen Hochregallagersystems mit vollautomatischer Kommissionierung (80–90 % der Teile) und einer automatischen Verkettung der Arbeitsplatzinseln. • Pufferlagerkonzept mit Verlagerung des Zentrallagers zum Lieferanten (oder zur Spedition): 80–90 % der Lagerverantwortung wird den Kernlieferanten (Logistikdienstleister) übertragen. Die Lagerung beim Lieferanten erfolgt in einem automatischen Lagersystem (auf den Industrieparkgeländen). Um dennoch eine sichere Versorgung mit den variantenreichen Teilen zu erreichen, werden manuelle Pufferläger bereitgehalten, die mittels Staplerverkehr und manueller Kommissionierung die Produktionsinseln direkt versorgen. Bei der Arbeitsplatzgestaltung gilt der Leitsatz: Im Arbeitsbereich dürfen nur minimale Materialmengen platziert werden (um wertvolle Produktionsfläche einzusparen). Die Folge ist extrem hoher Kommissionieraufwand und Staplerverkehr. • Lean intelligent Logistics: Die getaktete Produktion wird mittels Ship-to-line (teilweise mit JIS) über sehr große Durchschubregale direkt vom LKW aus befüllt. Die Versorgung durch den Lieferanten erfolgt entkoppelt über Mindest-Kanban-Puffer. Die Durchschubregale für Kleinteile werden über einen Materialzug (Train) (vgl. Kap. 3.9 Materialtransporte – Taxi vs. Train) versorgt. Die Stückzahl der ausgebrachten Produkte ist bei allen drei Produktionsstätten in Europa ähnlich, die Löhne sind vergleichbar, ebenso die Energie- und Flächenkosten. Bei diesem Vergleich sollte berücksichtigt werden, dass die Variantenzahl der Einzel- und Fertigteile bei der Variante Lean Intelligent Logistics etwas geringer ist. Im Vergleich unberücksichtigt bleiben u. a. • • • •
die Variantenfähigkeit, die Flexibilität bei Änderungen, das Investitionsrisiko bei Bedarfseinbrüchen, die geringere Störungsfähigkeit.
Bei der Analyse wird erkennbar, dass die in Europa wenig bekannte Variante von Lean Intelligent Logistics (LILO) nicht nur mehr Flexibilität bietet, sondern auch im interdisziplinären Langfristvergleich sehr viel weniger Kosten verursacht. Das Konzept verlangt jedoch eine grundlegende Restrukturierung der Materialflussstrategie und spezifisches Best Practice-Know-how.
2.3 Grundlegende Steuerungsverfahren Philipp Dickmann In einem kurzen Beitrag wie diesem, ist es nicht möglich, erschöpfend alle Steuerungsverfahren wissenschaftlich differenziert vorzustellen. Um detailliertere Informationen
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zu bekommen, muss an dieser Stelle auf weiterführende Fachliteratur verwiesen werden, z. B. „Fertigungsverfahren“ von H. Lödding [Lödd 05] oder „Operative Produktionsplanung und Steuerung“ H. M. Schneider, J. A. Buzacott und T. Rücker [Schn 05]. Mit moderner Produktionssteuerung können heute Anforderungsprofile verschiedenster Märkte optimal erfüllt werden. In der Folge werden die grundlegenden Ansätze für operative Produktionssteuerung mit einigen Beispielen erläutert. In Standard-EDV-Anwendungen werden die Verfahren mit verschiedenen Varianten und Parametrisierungsmöglichkeiten abgebildet. In der betrieblichen Praxis werden sie mit der Ausnahme von Material Requirements Planning (MRP) oder in der Auftragsproduktion nur sehr selten „in Reinkultur“ umgesetzt. Die überwiegend heterogenen Markanforderungen, wie Serienbedingungen mit gleichzeitiger Einzelfertigung, werden in der realen Umsetzung durch Netzwerke unterschiedlicher Steuerungsmethoden auf den verschiedenen Ebenen erreicht. Generell muss bei der Konfiguration einer Steuerung bzw. eines Netzwerkes von Steuerungen versucht werden, den operativen Produktions- und Logistikprozess möglichst exakt abzubilden, um eine optimale Unterstützung der dispositiv tätigen Mitarbeiter mit Informationen zu gewährleisten. Durch die isolierte Einführung eines IT-Systems, das zumeist auf dem MRP-Konzept basiert, lassen sich physische Prozesse jedoch nur geringfügig verbessern. IT bildet die physische Wirklichkeit näherungsweise ab. Dies ist jedoch nur sehr beschränkt reversibel, ähnlich wie der Zuschauer vor dem Fernseher auf die Sendung keinen direkten Einfluss hat. Für das Beheben von Störungen, schlechter Austaktung, Überproduktion, zu geringer Flexibilität etc., sind völlig andere Ansätze notwendig, die zu einer Änderung physischer Abläufe führen. (vgl. Kap. 1.5 Kaizen; Kap. 1.6 Flexible Produktion und Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing). Die Effizienz einer Steuerung hängt neben den Steuerungsmethoden von einer adäquaten Dimensionierung der Parameter und deren Pflegezustand ab. Allein aufgrund der physikalischen Fehlerfortpflanzung gilt: Je komplexer und umfangreicher die Abläufe oder Basisdaten sind, desto unwahrscheinlicher ist eine „fehlerfreie“ Berechnung der Planvorgaben. Dies gilt insbesondere für die auf Basis von IT-Systemen berechneten Steuerungsvorgaben. Diese Rahmenbedingungen können durch richtige Auswahl des oder der jeweils optimalen Steuerungsverfahren nicht kompensiert werden. In der folgenden Übersicht werden kurz wesentliche Steuerungsverfahren nach den für den Anwender maßgeblichen Verfahrensabläufen differenziert. In der Realität schlanker Produktionsprozesse spielt die Differenzierung zwischen Auftragsfreigabe, Auftragsstart und Auftragserstellung eine untergeordnete Rolle. Hier wird vielmehr angestrebt, die Aufträge unmittelbar zu planen, zu erstellen, frei zu geben und zu starten. Nach einer kurzen Produktionszeit wird der Auftrag dann direkt fertig gemeldet (Abb. 2.10, 2.11).
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Abb. 2.10 Die grundlegenden Steuerungsverfahren agieren basierend auf unterschiedlichen Informationen im Materialfluss
Kapazität
Abb. 2.11 Eigenschaftsprofile grundlegender Steuerungsverfahren: Die unterschiedlichen Eigenschaftsprofile der grundlegenden Steuerungsverfahren entstehen aufgrund verschiedener Zeithorizonte
2.3.1 Bedarfsorientierte Verfahren Diese Methoden werden im Rahmen einer Kundenauftragsproduktion angewendet, wie sie beispielsweise im Sondermaschinenbau sowie bei Klein- oder Handwerksunternehmen auftreten. Im Rahmen einer Kundenauftragsproduktion werden individuelle Produkte nach Kundenwunsch hergestellt. Ein Kunde bestellt ein Produkt, wodurch die Beschaf-
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fung und Produktion angestoßen wird. Gemäß des Push-Prinzips werden die Produktionsaufträge durch die Produktionsstufen „geschoben“. Typisches Merkmal ist der zufällige Auftragseingang, wodurch die Auftragsreihenfolge und Auslastung ebenfalls einem beliebigen Verlauf unterliegen. Somit ist keine Optimierung der Inanspruchnahme der Kapazität möglich (Abb. 2.12). Die Folge sind lange Durchlauf- sowie Lieferzeiten und Bestandsengpässe aufgrund unterschiedlicher Auftragsreihenfolgen. Die Methode erlaubt es jedoch, Sonderprodukte, für die keine Prognosen möglich sind, mit einem minimalen Lagerbestand auf hochkomplexe Anlagen in der Losgröße 1 zu produzieren. Diese Methode wird auch als Auftragsproduktion oder „Make-to-order“ bezeichnet: • Auftragsproduktion oder Make-to-order (MTO): Die Bearbeitung erfolgt erst nach dem Eingang des Kundenauftrags. Die Produktion startet, sobald die Produktentwicklung abgeschlossen ist und die benötigten Einzelteile, Rohmaterialien und Zulieferkomponenten vorhanden sind. Sobald eine Bearbeitungsstufe durchlaufen ist, hat der Auftrag die Freigabe für die nächste Stufe. Die Auslieferung erfolgt sofort nach Fertigstellung. • Make-to-stock (MTS): Von der Auftragsproduktion ist die Lagerprodukion abzugrenzen, welche auch als Make-to-stock-Fertigung bezeichnet wird. Aufträge werden direkt aus dem fertigen Lagerbestand beliefert, sofern vor und nach dem Produktionsort ausreichend Lagerbestand vorhanden ist. Jede Lieferung löst einen neuen Produktionsvorgang aus. Dieses Verfahren reduziert die Lieferzeiten für den Kunden um das Vielfache. Aufgrund des zufälligen Auftragsflusses und der in der Realität üblichen, kontinuierlichen Terminveränderungen, neigt dieses Verfahren trotz der Lagerhaltung zu Fehlteilen. Diese Fehlteile führen entweder zu einer schlechten Liefertreue oder zu übermäßigen Lagerbeständen. Die im Rahmen einer MTS-Fertigung anwendbaren Verfahren lassen sich in bestandsorientierte, prognosebasierte und belastungsorientierte Verfahren untergliedern.
2.3.2 Bestandsorientierte Verfahren Bei diesem Verfahren wird eine Bestandsgrenze definiert. Je nach Autor wird diese Grenze auch Mindestbestand, Bestellbestand, Sollbestand oder Base Stock genannt. Der Abgang von Material führt zum Unterschreiten der Bestandsgrenze und löst nach dem PullPrinzip die Beschaffung oder den Produktionsauftrag für die Komponenten aus. Kapazitäten werden bei der Planung nicht berücksichtigt. Der erzeugte Nachschubauftrag besitzt eine feste Bestelllosgröße. Es werden so viele Bestellungen generiert, bis die Summe der Bestände und Bestellungen der Bestandsgrenze entspricht. Bestandsorientierte Verfahren eignen sich für kontinuierliche Bedarfscharakteristika oder für Anwendungen, bei denen eine 100 %ige Lieferfähigkeit mit kurzen Lieferzeiten für den Kunden entscheidend ist. Wegen des permanent vorhandenen Bestands besteht bei gravierenden Bedarfsveränderungen die Gefahr des überhöhten Lagerbestands oder eines Versorgungsengpasses. Das
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Verfahren erlaubt auch keine Kapazitätsanpassung, etwa bei Engpassmaschinen. Folgende bestandsorientierte Verfahren sind in Handel und Produktion sehr weit verbreitet: • Mindestbestands-, Bestellbestands-, Base Stock-, Stop-and-go-Verfahren: Diese Verfahren besitzen nicht die Nachteile der auftragsbezogenen Losgrößenbildung wie bei dezentralen MTS-Systemen, da die Freigaberegel des Base Stock-Systems nur von der Unterschreitung des Lagerbestands gesteuert wird. Die Steuerung ist aber komplexer, da die Produktionseinheit die Auslieferung und den Lagerbestand der Einzel- und Fertigteile überwachen muss. • Bestellrhythmusverfahren: Der Lagerbestand wird gleichmäßig erfasst und in regelmäßigen Intervallen ein Nachfertigungsauftrag in der Höhe der Differenz zum maximalen Lagerbestand generiert. Die Bestelllosgröße ist daher je nach Abruf variabel. • Bestellbestandsverfahren mit variabler Bestelllosgröße: Der Ablauf entspricht dem Bestellbestandsverfahren. Die Losgröße wird wie beim Bestellrhythmusverfahren definiert. • Bestellbestandsverfahren mit reservierten Beständen: Kundenbedarfe und die benötigten Bestände werden zeitabhängig reserviert, um die Verbindlichkeit einer getroffenen Lieferzusage sicherzustellen. Das Material steht dann nur für diese Aufträge zur Verfügung. Hier muss zwischen den verfügbaren und den realen Lagerbeständen unterschieden werden. Das System erzeugt einen Bedarf, sobald der verfügbare Bestand den Bestellbestand erreicht hat. • Bestellbestandsverfahren mit zeitlich definierter Bestandsgrenze – Mindestreichweitenbestellsysteme: Die Bestandsgrenze wird in Form einer minimalen Reichweite definiert. Die Losgröße kann auch als Funktion der Bedarfsreichweite, mit dem Rundungswert der Behälterfüllmenge, definiert werden. Dieses Verfahren gleicht selbstständig mittelfristige Bedarfsschwankungen dynamisch aus. Gleichzeitig kompensiert sie bis zu einem gewissen Grad den großen Nachteil der fixen Bestandsgrenze, die z. B. zu einer Erhöhung der Lagerbestände führen kann. • Ampel-Steuerung: Anstelle der fixen Bestandsgrenze wird hier ein „gelber“ Übergangsbereich, analog der Verkehrsampel, definiert. Im gelben Bereich kann ein Produktionsauftrag oder Nachschubauftrag gestartet werden, muss aber nicht. Dieser Spielraum wird häufig bei dezentralen Anwendungen, z. B. für einen Kapazitätsabgleich, Optimierung von Transportaufträgen, rüstoptimiertes Produzieren oder die Abbildung von Sammelmengen ähnlicher Produkte verwendet. Ein wesentlicher Vorteil dieses Verfahrens ist die gute Visualisierbarkeit und der hohe Grad an dezentral definierbaren Entscheidungen. Das Verfahren ist der Kanban-Steuerung sehr ähnlich. • Kanban (Erläuterung vgl. Kap. 2.4 Die Kanban-Steuerung).
2.3.3 Prognosebasierte Verfahren Primärbedarfe, also Bedarfe vom Kunden und Planungen werden addiert und erzeugen über die Wiederbeschaffungszeiten und die Stücklistenauflösung Planaufträge auf der Se-
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Abb. 2.12 Anzahl der Veränderungen in der Auftragsreihenfolge in den Unternehmen [Lepr 07]: MRP suggeriert sehr hohe Flexibilität, tendiert aber gleichzeitig zu häufigem Umwerfen des Produktionsprogramms. Sonderaktionen binden jedoch hohe Kapazitäten und sind teuer
kundärbedarfsebene. Es handelt sich um ein Push-System, da die Aufträge entlang der Produktionskette geschoben werden. Es wird sowohl im Handel als auch in der Produktion eingesetzt, sofern Bedarfsprognosen vorhanden sind. Der große Vorteil dieses Verfahrens liegt in der Abbildung bekannter zukünftiger Veränderungen in der Steuerung, denn es bindet unterschiedliche Stamm- und Prognosedaten ein. Da das Basisverfahren eine große Komplexität aufweist, ist das Steuerungsverfahren für Störgrößen sehr anfällig. Bei einer Bedarfscharakteristik mit permanenten kurzfristigen Verschiebungen, wie sie typisch für MRP-Systeme sind, müssen die Parameter träge und dämpfend eingestellt werden, um dem Peitscheneffekt (vgl. Kap. 2.1 Ruhiger, kontinuierlicher Materialfluss) entgegen zu wirken. Ansonsten führt dies zu einem zunehmenden Stop-and-go im Produktionsprozess, was Engpässe, Überbestände und letztlich erhöhte Produktionskosten nach sich zieht. Das Verfahren berücksichtigt keine Kapazitäts- und Bestandsobergrenzen. • Materialbedarfsplanung – Material Requirements Planning (MRP) • Fortschrittszahlenkonzept (FZK): Damit werden Fließfertigungssysteme bzw. Transferstraßen in der Automobilindustrie gesteuert. Der Fortschritt wird an Kontrollpunkten innerhalb des Produktionssystems ermittelt. Die Soll-Fortschrittszahl ist die Menge der Produkte, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu produzieren und zu liefern ist und
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wird aus der durchschnittlichen Primärbedarfsplanung bzw. der Sekundärbedarfsebene ermittelt. Die Ist-Fortschrittszahl ist die tatsächliche Produktionsmenge in einem Abschnitt. Dieses Konzept kann auch sehr effizient zum Abgleich der Vertriebs- und Produktionsplanung eingesetzt werden. Beim optimalen Erreichen des Kundentakts existiert keine Differenz, welche als Lenkungstool auf der strategischen Steuerungsebene verwendet wird (vgl. Kap. 2.9 Hybride Steuerungskonzepte und Kap. 1.6 Flexible Produktion).
2.3.4 Belastungsorientierte Verfahren Die maximale Ausbringung einer linearen Produktionsstrecke wird durch den Produktionsprozess mit der geringsten Kapazität bestimmt [Wien 97]. Belastungsorientierte Verfahren versuchen, anhand einer Betrachtung und Steuerung des Bestandes, eine hohe und gleichmäßige Belastung und Auslastung entlang der Materialflusskette zu erreichen. Diese Verfahren entstanden zur Feinsteuerung in Werkstattfertigungsprozessen und werden vorwiegend dort eingesetzt. Dadurch wird versucht, eine maximale Auslastung ohne Engpässe zu erreichen (vgl. Kap. 1.6 Flexible Produktion und Kap. 1.7 Das Synchrone Produktionssystem). Diese Verfahren neigen in ihrer ursprünglichen Form dazu, am Kundenbedarf vorbei zu produzieren oder auch Lagerbestand von Teilen aufzubauen, die nicht benötigt werden. Es wird daher zumeist überlagert, d. h. hybrid, mit anderen Steuerungsverfahren umgesetzt (vgl. Kap. 2.6 Steuerungsverfahren mit Karten; Kap. 2.9 Hybride Steuerungskonzepte und Kap. 2.10 Matrixhybride Materialflusssteuerung). Belastungsorientierte Verfahren erlauben daher die Steuerung eines heterogenen Produktsortiments, etwa bei Kleinstserien oder bei nicht linearen Produktionssystemen. • Local Control: Eine Zelle (Produktionseinheit, z. B. eine Maschine) produziert ein Produkt immer, wenn Teile verfügbar sind, Maschinen und Arbeitskraft zur Verfügung stehen und das Ausgangslager nicht zu voll ist. • Integral Control: Integral Control optimiert den kontinuierlichen Fließprozess im Vergleich zur einfachen Local Control-Steuerung. Die Freigabeentscheidung erfolgt unter Berücksichtigung des gesamten Lagerbestands der Produktionszelle und der nachgelagerten Zelle. Die Freigabemenge sollte möglichst genau dem festgelegten Höchstbestand entsprechen. Die Auftragsbegrenzung kann über die Arbeitsstunden oder den Bestand erfolgen. • Constant Work in Process (CONWIP): CONWIP ist ein Spezialfall von Integral Control und dem Kanban-Verfahren sehr ähnlich. Es ermöglicht das Nutzen der Vorteile der Kanban-Steuerung bei nicht linearen Fertigungssystemen und schwankenden Produktspektren. Die Information bezieht sich nicht auf den Bedarf wie bei Kanban, sondern auf die Freigabe von Fertigungskapazität, wobei der Informationsfluss gegenläufig ist. Ein übergeordnetes, zentrales Planungssystem gibt die zur Fertigung frei
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zu gebenden Fertigungsaufträge (Backlogliste) an den Produktionsabschnitt. Die Abarbeitung erfolgt nach der First-Come-First-Serve-Regel (FCFS-Regel), wobei auch Abweichungen möglich sind. Aufgrund der konstanten Arbeitsinhalte sind weniger Sonderaktionen notwendig. Es ergeben sich annähernd konstante Durchlaufzeiten und eine Erhöhung der Genauigkeit des Planungssystems. • Belastungsorientierte Auftragsfreigabe (BOA) [Wien 91]: Das Prinzip ist dem CONWIP ähnlich. Die Aufträge eines übergeordneten MRP-Systems dienen als Basis des BOA-Konzepts. Daraufhin wird überprüft, ob die Aufträge dringlich sind, bevor eine Bewertung und probeweise Einlastung vorgenommen wird. Die Einlastung der Aufträge erfolgt unter der Annahme, dass die mittlere, gewichtete Durchlaufzeit proportional zum mittleren Bestand ist (Little’s Law, [Litt 61]). • Optimized Production Technology (OPT): Diese Steuerungsmethode beruht auf der Regel „Do not balance capacity; balance the flow“ [Gold 84]. Im Gegensatz zur BOA verfolgt OPT nicht das Ziel, alle Einheiten möglichst gut auszulasten, sondern beschränkt sich auf die optimale Auslastung der Engpass-Kapazitätseinheiten.
2.3.5 Generalisierte oder funktionale Steuerungen Bei dieser Methode können funktional, über die Veränderung von Parametern, verschiedene Steuerungscharakteristika erzielt werden, z. B. Production Authorization Cards (PAC) [Buza 92] (vgl. Kap. 2.8 Das Production Authorization Card-Konzept). Der Ansatz wird bisher vornehmlich für Steuerungsalgorithmen angewandt.
2.4 Die Kanban-Steuerung Philipp Dickmann Kanban stammt aus der Gründerzeit von TPS und ist ein sehr einfaches, bestandsorientiertes Steuerungssystem. Die Steuerung gilt als nur für sehr beschränkte Einsatzgebiete tauglich, da sie in der klassischen Form ungeeignet ist bei hoher Variantenzahl, hoher Änderungshäufigkeit und nicht linearen Materialflüssen. Kanban ist heute weltweit eines der am weitest verbreiteten Steuerungsverfahren. Der Grund für den wachsenden Trend ist in der Reduzierung der Komplexität, der geringen Störungsanfälligkeit, der Dezentralisierung sowie der Einfachheit zu suchen. Durch das visuelle Arbeiten wird eine extreme Kundenorientierung, hohe Flexibilität und Lieferfähigkeit sowie die Beruhigung des Produktionsprogramms erreicht. Gerade die selbstregulierenden Eigenschaften wie die Kontrolle des Umlaufbestands und die Kapazitätskontrolle für einfache Systeme, wurden wohl bisher wissenschaftlich unterschätzt. Im folgenden Kapitel werden mehrere Varianten, bezogen auf den Steuerungstyp, die Steuerungsebene und die Verwendung der Karten, vorgestellt. Es wird die Bandbreite der Anwendungsfälle aufgezeigt, die diese Methode abdeckt.
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2.4.1 Kanban – der Allrounder Kanban ist ein idealer Ansatz zum Erreichen optimaler Lieferqualität. Einer der wesentlichen Nachteile dieser verbrauchsorientierten Steuerungsmethode (Pull-Philosophie) besteht in der tendenziell höheren Lagerbestandsbildung. Zudem existieren dauerhafte Lagerbestände, etwa wenn der Kunde nicht abruft. In der realen Abwicklung von Projekten zur Kanban-Einführung, wird allerdings aufgrund der verschiedenen Projektschritte (z. B. Restrukturierung der Abläufe, Datenbereinigungen, Verschrottungen, etc.), ein deutlich geringeres Lagerbestandsniveau erreicht. Bei vielen Produktionsstufen, hoher Teilevielfalt, kontinuierlichen bzw. starken Schwankungen oder geringem Materialstrom, stößt diese Steuerung in ihrer Grundform schnell an Grenzen, an welchen nicht mehr wirtschaftlich optimal gearbeitet werden kann. Allerdings ist Karten-Kanban an den realen physischen Materialfluss gekoppelt und folglich frei von allen Störgrößen, die in der MRP- und EDV-„Welt“ auftreten. Es existieren aber auch hier Störeinflüsse, wie etwa der Verlust von physischen Karten. MRP-Systeme verwenden Prognosen und erlauben eine hohe Automation. Sie sind jedoch abstrakt und leiden prinzipiell unter vergleichsweise höheren Differenzen zum realen Materialfluss. Bei der Push-Philosophie der MRP-Systeme werden Produktionsaufträge auf Basis von Plandaten angestoßen und durch die Produktion „geschoben“. Aufgrund ihrer Komplexität weisen die Daten eine hohe Fehlerhäufigkeit auf. Die Fülle permanenter Veränderungen führt zum Übersehen relevanter Kriterien und verleitet potenziell zu „blindem Aktionismus“. Bei Störungen oder Schwankungen auf der Zeitachse sind MRP-Systeme in der Praxis anfälliger gegenüber Lieferengpässen und überhöhtem Lageraufbau.
2.4.2 Die Steuerung und ihre Eigenschaften Die Kanban-Steuerung ist eine typische Bestandssteuerung, da abfließender Bestand zum Anstoß einer neuen Produktion führt. Die Gesamtmenge der im Kreislauf befindlichen Karten begrenzt die maximal gestarteten Aufträge. Dies hat eine Kapazitätsbegrenzung bei der betroffenen Produktionseinheit zur Folge. Bei geringer Typenvarianz, erfüllt Kanban die Anforderungen einer kapazitätsorientierten Steuerung. Bei mehr als zehn verschiedenen Typen, die über einen Arbeitsplatz fließen, kann die manuelle Kapazitätskontrolle nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden. Da der Trend der Zunahme der Varianten, Reduzierung der Losgrößen und der Produktlebenszyklen ungebrochen anhält, wird die klassische Variante mancherorts als Auslaufmodell angesehen (vgl. Kap. 2.6 Steuerungsverfahren mit Karten und Kap. 2.9 Hybride Steuerungskonzepte). Die Summe der Kanban-Karten ist die Basis für eine neue Sichtweise der Bestandsführung bei Materialflusssystemen. Charakteristisch ist ein geringer statischer (Lager), aber hoher, dynamischer (Fluss, z. B. Aufträge) Anteil der Bestände. Dieser dynamische Anteil bildet die Basis für einen neuen
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Bestandscontrollingansatz, bei dem die Bestandsklassen nicht vertikal, sondern die Bestände entlang des Kanban-Kreises betrachtet werden (vgl. Kap. 2.15 Logistik-Controlling im schlanken Materialfluss, mit der Valuecycle Analyze und Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing, [Dick 08]). Im folgenden Kapitel werden wesentliche Kanban-Varianten vorgestellt (Abb. 2.13).
Abb. 2.13 Vergleich zwischen Hol- und Bringprinzip: Die Informationsflüsse beim Holprinzip (Pull-Prinzip) sind sehr viel unkomplizierter und kürzer. Sie laufen zudem in einer transparenten Kunden-Lieferanten-Verbindung antiparallel zum Materialfluss ab
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2.4.3 Varianten der Steuerungsmethode Kanban-Varianten ergeben sich entweder aufgrund der Steuerungsmethode, der Steuerungsebene oder der Art der verwendeten Karten.
Ein-Karten-Kanban Dies entspricht der vorangehenden Beschreibung. Wenn umgangssprachlich von Kanban gesprochen wird, ist diese Variante gemeint. Neben dem Standard mit exakten Materialmengen je Gebinde existiert eine Variante mit Mengenbereichen. Dieser kann in Zahlen definiert oder in Füllmenge bzw. optischem Füllstand angegeben werden, etwa zum Befüllen von Schüttgut in Behältern, bei dem keine genaue Stückzahl abgezählt oder gewogen werden muss. Zwei-Karten-Kanban Dabei handelt es sich um eine entkoppelte Variante, bei der der Kunde und der Lieferant eigene Puffer und getrennte Kartenkreise verwalten. So können zum Beispiel bei Lieferanten-Kanban die Informationswege abgesichert und verkürzt werden. Dabei löst die Kunden- oder Informations-Kanban-Karte den Transport aus. Die zweite Karte, die Lieferanten- oder Produktions-Kanban-Karte, stößt die Produktion an. In der praktischen Anwendung des Lieferanten-Kanban verlässt die Kunden-Kanban-Karte das Werk nicht. Sie wandert vom internen Lager über den Verbrauch, evtl. noch in die Disposition und dann in den Wareneingangsbereich. Mit dem Abruf des Disponenten wird beim Lieferanten die Produktions-Kanban-Karte angestoßen. Zudem kann die Variante des Zwei-Karten-Kanbans angewandt werden bei „aufgeblähten“ Kanban-Kreisen, etwa durch Transportzeiten. Die Anzahl der Karten reduziert sich hier drastisch, da der Informationsweg abgekürzt wird. Ein Nebeneffekt der Abkürzung des Wegs der Karte ist das Umgehen einiger potenzieller Störgrößen. Diese Kanban-Variante kann auch als hybrides System (vgl. Kap. 2.9 Hybride Steuerungskonzepte) fungieren, da beide Kreisläufe an den Informationsfluss gekoppelt sind. Fehler werden in Form von Überbeständen oder Staus transparent gemacht. Sicht-Kanban Sicht-Kanban basiert nicht auf Karten sondern auf Stellplätzen, z. B. Bodenplätzen, Regalfächer, Schubladen etc. Der nötige Nachschub wird entweder beim Anbruch des Gebindes oder beim Leeren der Fläche ausgelöst. Fehlmengen sind direkt an der leeren Fläche zu erkennen. Da die Lücke nicht verloren gehen kann und immer visuell erkennbar ist, ist diese Methode die sicherste Nachschubmethode. Diese Anwendung ist sinnvoll bei • geringer Variation, • weitreichender dezentraler Kompetenz, • kurzen Wegen zwischen allen am Kanban-Kreis beteiligten Elementen,
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• ausreichend Lagerfläche am Arbeitsplatz, • geringer Anzahl an Kanban-Karten. Die Kapazitätsgrenze wird in diesem System durch die Größe des Regals bzw. der Stellplätze definiert. Dieses System ist sinnvoll, wenn Behälter in enger räumlicher Nähe kreisen. Dadurch ist der Verlust von Behältern gering und eine Visualisierung der Behälter zur Bildung von Sammelmengen möglich, welche über Boden- oder Höhenmarkierungen erfolgt. Diese Variante ist wegen der optimalen Visualisierung und minimalen Fehlermöglichkeiten (beim Handling der Karten) sehr wenig störungsanfällig und daher sehr sicher. Die Umsetzung ist aber vom Gebindetyp und der Fläche bzw. Regalvariante abhängig.
Materialnummernneutrales Kanban (MNK) Diese zum Standard zunächst sehr ähnliche Variation verwandelt Kanban in eine dezentrale, belastungsorientierte Steuerung, vielfach ohne dass es dem Anwender bewusst wird. Hiervon existieren verschiedene Varianten. Die grundlegende Variante gibt nur eine Stückzahl und gegebenenfalls eine Produktfamilie an. Die Karte erlaubt z. B. die Produktion einer Baugruppe. Welche Materialnummer im Detail produziert werden darf, definiert sich durch ein Sicht-Kanban (z. B. eine Stellfläche) im Versandpuffer der Produktionszelle. Es werden auch andere Kombinationsmöglichkeiten abgebildet bzw. es gibt eine Reihenfolgenregel entsprechend dem Kundentakt. Bei einer zweiten Variante von MNK wird nicht nach der Menge gesteuert, sondern nach Zeiten. So können die Abläufe mit einer belastungsorientierten Produktionssteuerung, deren Materialien stark unterschiedliche Durchlaufzeiten haben, noch exakter auf eine Produktionszelle optimiert werden. Die Reihenfolge muss aber auch in diesem System durch ein anderes, ergänzendes System vorgegeben werden. Diese Variante kann zur Abbildung von CONWIP-Kanban verwendet werden.
2.4.4 Varianten der Steuerungsebene • Materialnachschub: Die vermutlich häufigste Anwendung von Kanban dürfte die Versorgung eines Arbeitplatzpuffers mittels Behälter-Kanban aus einem zentralen Lager sein. Hier wird ein Behälter oder eine Karte zum Anstoß für den Nachschub verwendet. Dieses Verfahren wird häufig zusammen mit einem Lagerverwaltungs-Tool (Warehouse-Management-Tool) verwendet und bildet damit eine eKanban-Lösung. • Auftragssteuerung: Die Kanban-Karten oder Behälter stoßen das Nachproduzieren einer Produktionseinheit an. Dies können mehrere Ebenen der Produktion (Fertigung, Montage oder Verfahrenstechnik) oder ein Beschaffungsanstoß beim Lieferanten sein. Da diese beiden Alternativen steuerungstechnisch nur Varianten darstellen, wird bei folgender Übersicht bewusst auf eine Differenzierung verzichtet (Abb. 2.14).
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Abb. 2.14 Kanban-Varianten im Einsatz: [Lepr 07]. Die häufigste Kanban-Variante ist die Versorgung der Produktion aus einem Lager mittels Kanban. Andere sehr wirkungsvolle Einsatzbereiche (z. B: Lieferanten-Kanban) sind im Vergleich sehr selten
2.4.5 Varianten aufgrund der Karten • Behälter- und Karten-Kanban: Der Unterschied dieser Varianten liegt darin, dass die Kanban-Karten (der Kanban) vom Behälter genommen werden müssen oder nicht. Generell ist Behälter-Kanban das sicherere Verfahren, da Behälter weniger leicht verloren gehen als Karten. Vor allem aus Platzmangel oder Distanzgründen können Behälter jedoch nicht immer sinnvoll eingesetzt werden. • Kreislauf- und Einweg-Karten: Bei klassischen, vorwiegend manuellen Systemen waren zunächst Kreislauf-Karten im Einsatz. Vor allem durch die Verarbeitung von eKanban, im Besonderen bei Zulieferern, sind derzeit vermehrt Einmal- oder EinwegKarten verbreitet. Die Einweg-Beschriftung bringt den Vorteil der Sicherstellung der Kanban-Eigenschaften über eine Identifikationsnummer. Die redundante Beschriftung einer Kanban-Karte am Gebinde entfällt. Es ist nur das Herstellerlabel mit Informationen bezüglich der Charge, des Produktionsorts etc. notwendig. • Kreisläufe mit Barcodes und Transponder-Technologie: Kanban-Karten sind heute in der Regel als Ergänzung mit Barcodes ausgestattet. Sie verweisen auf alle nötigen Informationen (vgl. Kap. 3.2 Kanban-Karten, Kap. 3.4 Produktionsnivellierung und Kap. 5.17 Identifizieren mit RFID und/oder Barcode). • Elektronik-Kanban (eKanban): Die Kanban-Karten oder Behälter werden in digitaler Form mit Software verwaltet. Generell entspricht diese Logik für Produktionsaufträge oder Beschaffungsaufträge dem Ein-Karten-Kanban (vgl. Kap. 5.5 eKanban-Systeme). • Sicht-Kanban: vgl. Kap. 2.4.3 Varianten der Steuerungsmethode.
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2.5 Dimensionierung von Kanban-Regelkreisen Michael F. Zäh, Niklas Möller Ein Kanban-System hat die Aufgabe, zwei Stufen in der Wertschöpfungskette mithilfe gelagerter Bestände zu entkoppeln und gleichzeitig die Produktion, ausgehend von der Nachfrage des Endkunden, auf intelligente und einfache Art zu steuern. Bestände zwischen zwei Prozessen sind notwendig, wenn sich beispielsweise die Losgrößen in der Fertigung und der Montage unterscheiden, zwei Arbeitsstationen aufgrund der Entfernung nicht gekoppelt werden können oder Lieferungen von externen Firmen erfolgen. Ist der vorgehaltene Bestand zu klein, kann es zu Engpässen in der Materialversorgung und zu Produktionsunterbrechungen kommen. Ist der Bestand hingegen zu groß gewählt, fallen unnötige Kosten für das darin gebundene Kapital an. Die Aufgabe der Dimensionierung von Kanban-Regelkreisen ist es, mithilfe mathematischer Modelle den optimalen Bestand zu ermitteln und daraus die Anzahl der Kanban abzuleiten, die zwischen zwei Prozessen zirkulieren müssen. In diesem Kapitel werden Berechnungsmethoden zur Auslegung von Kanban-Regelkreisen vorgestellt und anhand eines einfachen Beispiels erläutert. Die Definition von vorzuhaltendem Bestand, der Behältergröße und der Anzahl der Kanban ist die grundlegende Aufgabe, die auf jeden Fall vor der Einführung eines Kanban-Systems gelöst werden muss. Die Behältergröße ist vor allem von der Teilebeschaffenheit, Geometrie, Empfindlichkeit etc. abhängig. In diesem Kapitel wird daher von einem gegebenen Fassungsvermögen ausgegangen. Die Auswahl von Behältern ist speziell Thema von Kap. 3.7 Verpackung. Die in der Folge erläuterten Ansätze verfeinern die häufig verwendeten Faustformeln, indem Schwankungen im oder von Einflüssen auf den Prozess (z. B. der Nachfrage) explizit berücksichtigt werden. Somit können die hergeleiteten Formeln auch genutzt werden, um bereits bestehende Kanban-Kreise im Hinblick auf ihre Dimensionierung zu überprüfen und ggf. zu optimieren. Der zur Sicherung einer kontinuierlichen Materialversorgung notwendige Bestand im Kanban-Kreislauf setzt sich prinzipiell aus zwei Teilen zusammen: Der Umlaufbestand Bu sorgt dafür, dass die Produktion nicht aufgrund von Teilemangel zum Stillstand kommt. Dabei geht man von einem absolut vorhersehbaren Prozess der Auftragsabwicklung aus, der stets konstant genauso wie geplant abläuft. Da dies jedoch eine unrealistische Annahme ist, wird zusätzlich der Sicherheitsbestand Bs benötigt, um Schwankungen im Prozess, z. B. ein unregelmäßiges Abrufverhalten der Kunden, auszugleichen. Insgesamt erhält man also BMax = BU + BS (2.1) mit: Bmax = maximaler Bestand
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In den nachfolgenden Abschnitten wird gezeigt, wie der Umlaufbestand, der Sicherheitsbestand und daraus die erforderliche Anzahl von Kanban zu bestimmen sind.
2.5.1 Berechnung des Umlaufbestandes Der notwendige Umlaufbestand für ein Material oder Produkt bei einem konstanten Prozess ergibt sich aus der durchschnittlichen Nachfrage µd nach diesem Material oder Produkt und der Zeit, die vergeht, bis eine Kanban-Bestellung am Arbeitsplatz eintrifft: (2.2) BU = µd *Kanban − Zykluszeit mit: ..
µd = durchschnittlicher Bedarf pro Periode [Stu ck] In Abhängigkeit von der Größe der Behälter folgt für die Anzahl der Kanban bU, die auf eine ganze Zahl aufgerundet wird: µ *Kanban − Zykluszeit (2.3) bU = d Kanban − Große Die Kanban-Größe beschreibt die Anzahl der Teile pro Kanban-Behälter, also das Fassungsvermögen der Behälter. Als Kanban-Zykluszeit wird die Zeit bezeichnet, die ein Produktions-Kanban nach dem Lösen vom Behälter benötigt, um wieder an der gleichen Stelle einzutreffen. Wenn die Karte zu dem Zeitpunkt vom Behälter gelöst und in den Kanban-Ausgang gelegt wird, zu dem das erste Teil entnommen wurde, kann die Formel (3) direkt angewandt werden. Sofern die Karte erst gelöst wird, nachdem das letzte Teil entnommen wurde, ist noch ein zusätzlicher Behälter notwendig: µ *Kanban − Zykluszeit (2.3a) bU * = d + 1. Kanban − Große Die Kanban-Zykluszeit (KZZ) setzt sich aus der durchschnittlichen Bearbeitungszeit, Transportzeiten und Wartezeiten zusammen (Abb. 2.15). Ein wichtiger Bestandteil der Wartezeit ist die Zeit, die die Karten auf dem KanbanBoard (od. Kanban-Tafel) verbringen. Sie ist von der im Vorgängerprozess festgelegten Losgröße sowie von Anzahl, Art und Größe weiterer Aufträge, die auf der gleichen Maschine bereits eingelastet sind, abhängig. Auf dem Board werden die leeren Kanban zunächst so lange gesammelt, bis die Kriterien zum Produktionsbeginn erfüllt sind. So
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Abb. 2.15 Momentaufnahme eines Kanban-Zyklus
kann man beispielsweise in Abhängigkeit von der Rüstzeit und einer daraus berechneten optimalen Produktionslosgröße definieren, dass mit der Fertigung oder Montage im Vorgängerprozess erst begonnen wird, wenn mindestens zwei entsprechende Kanban auf dem Board vorhanden sind. Sobald die Produktion dann beginnt, werden die zugehörigen Kanban entfernt. Demzufolge ergibt sich die durchschnittliche Zeit eines Kanban auf dem Kanban-Board zu Losgrobe (2.4) Zeit auf Kanban − Board = µd Ein weiterer Grund, nicht sofort mit der Produktion zu beginnen, kann die gleichmäßige Einlastung verschiedener Aufträge nach Kriterien der Produktionsglättung sein (vgl. Kap. 3.4 Produktionsnivellierung). Sofern die Kanban-Karten nicht sofort elektronisch an den betreffenden Vorgängerprozess übermittelt werden (vgl. Kap. 5.5 Elektronische Kanban-Systeme), muss zur Wartezeit noch die Zeit addiert werden, die bis zur nächsten Abholung der Karten vergeht. In der Praxis ist diese Dauer im Verhältnis zu den übrigen Zeiten jedoch zu vernachlässigen. Eine Ausnahme bilden ggf. externe Kanban-Kreise, bei denen ein Lieferant nur im Abstand mehrerer Tage überprüft, ob neue Karten vorliegen. Sofern solche festen Zeitpunkte zum Sammeln von Kanban existieren, ist es durch ein Verkleinern bzw. Vergrößern der Frequenz möglich, den Kanban-Kreislauf kurzfristig an den erhöhten bzw. verringerten Bedarf anzupassen, ohne die Anzahl von Kanban-Karten zu verändern [Shin 89]. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass der fertigende Prozess auch die erforderliche Kapazität
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besitzt. Der errechnete maximale Umlaufbestand ist nicht mit dem durchschnittlichen Bestand gleichzusetzen. Meist sind einige Behälter leer, da sie z. B. gerade vom verbrauchenden zum produzierenden Prozess transportiert werden oder auf dem Kanban-Board auf die Fertigungsfreigabe und damit die erneute Auffüllung warten (Abb. 2.15). Der Umlaufbestand an Kanban reicht theoretisch aus, um den Kreislauf nicht abreißen zu lassen. Genau in dem Moment, in dem das letzte Teil aus dem letzten Behälter entnommen wird, trifft der erste, erneut gefüllte Behälter wieder ein. Bestimmt man die notwendige Anzahl Kanban alleine auf Basis des benötigten Umlaufbestandes, kann jegliche Schwankung im Prozess dazu führen, dass nicht genügend Material vorhanden ist. Um dies zu verhindern, wird ein Sicherheitsbestand definiert und vorgehalten.
2.5.2 Berechnung des Sicherheitsbestandes Bei der Berechnung des Umlaufbestandes im Kanban-Kreislauf ging man von Werten aus, die man über einen längeren Zeitraum im Durchschnitt erwartet. In der Realität liegen aber keine konstanten Verhältnisse vor: • Die Zykluszeit hängt z. B. von Störungen im Produktionsprozess ab. Ferner können auch eine schwankende Auslastung und in der Folge unterschiedliche Wartezeiten zwischen Freigabe und Beginn der Bearbeitung eine Rolle spielen. Es ist darüber hinaus möglich, dass sich die Rüstzeiten in Abhängigkeit von den Rüstfolgen verändern. • Die Nachfragen in den einzelnen Fertigungs- und Montageprozessen und die Entnahme aus den Kanban-Behältern sind in einer ziehenden Produktion vom Verhalten des Endkunden abhängig. Dieser verlangt aber in der Regel täglich oder wöchentlich eine andere Menge und einen variierenden Produktmix. • Auch wenn ein Prozess mit einem sehr stabilen Qualitätsniveau angestrebt wird, können einzelne Teile in einem Kanban-Behälter fehlerhaft und damit nicht verwendbar sein. Der Sicherheitsbestand dient dazu, den Kanban-Kreislauf gegen solche Schwankungen zu schützen und damit eine Selbstregelung der Materialversorgung in der Produktion zu ermöglichen. Häufig wird zur Bestimmung des Sicherheitsbestandes die sogenannte Toyota-Formel genutzt [Mond 97]. Dabei wird der errechnete Umlaufbestand um einen Sicherheitsfaktor β erhöht.
BS = β *BU
(2.5)
⇒ BMax = BU *(1 + β) (2.6) mit: β = Sicherheitsfaktor
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213
Das praktische Vorgehen besteht darin, zunächst mit einem hohen β zu starten und diesen so lange schrittweise zu reduzieren, bis es zu einem Abriss der Materialversorgung kommt. Insgesamt sind in dieser Formel mögliche Schwankungen nur sehr pauschal berücksichtigt. Eine genauere Analyse ist prinzipiell möglich, in der Praxis jedoch schwierig umzusetzen. Man ist vor allem mit zwei Problemen konfrontiert: 1. Um die notwendigen Sicherheitsbestände quantifizieren zu können, sind Annahmen zu treffen, wie z. B die tägliche Nachfrage um einen Jahresmittelwert schwanken wird. Die genaue Verteilung der einzelnen Werte um dieses Periodenmittel lässt sich mit mathematisch-statistischen Funktionen beschreiben. Um die korrekte Verteilungsannahme zu treffen, ist ein detailliertes Wissen in Statistik ebenso wie umfangreiches Datenmaterial erforderlich. 2. Darüber hinaus müssen konkrete Parameter angegeben werden, die die zukünftige Verteilung der Werte charakterisieren. Zwar ist es relativ einfach, mithilfe der in Excel® integrierten Statistikfunktionen (z. B. MITTELWERT und STABW) aus historischen Messungen die gesuchten Größen zu berechnen. Man ist jedoch immer mit dem Problem konfrontiert, dass sich die Vergangenheitsdaten nicht einfach auf die Zukunft übertragen lassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Kanban-System neu eingeführt wird und sich im Zuge dessen das Verhalten der Produktion ändert. So kann sich eine Zykluszeit, die in einer bestehenden, schiebenden Produktion ermittelt wird, deutlich von derjenigen unterscheiden, die in einem ziehenden Kanban-System realisierbar ist. Dennoch kann eine detaillierte Analyse sinnvoll sein, um die bestehenden Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Unsicherheiten zu erkennen und Anhaltspunkte beispielsweise für die anfängliche Bestimmung des Faktors β zu erhalten. Gegebenenfalls lassen sich Produkte und Materialien identifizieren, die ähnlich starken Schwankungen unterliegen oder die sich überhaupt erst für eine Kanban-Steuerung eignen (vgl. Kap. 2.4 Die Kanban-Steuerung und Kap. 2.11 Heterogene Materialflusssysteme). Für solche Gruppen können dann jeweils eigene β-Faktoren hergeleitet werden. In vielen Fällen sind die Unsicherheiten annähernd normalverteilt, was die Verwendung der folgenden Formel zur Bestimmung des notwendigen Sicherheitsbestandes erlaubt: 2
2
2
2
µ KZZ
BS = z s d * µ KZZ + µd *s KZZ + s Q * µd * µ (2.7) Q I II III
mit: z = Servicefaktor .. µd = durchschnittlicher Periodenbedarf [Stuck ] µ KZZ = durchschnittliche Zykluszeit [Anzahl Perioden ] ..
µQ = durchsschnittliche Anzahl Gutteile pro Los [Stuck ] ..
σ d = Standardabweichung Bedarf [Stuck ] σ KZZ = Standardabweichung Zykluszeit [Anzahl Perioden ] ..
σ Q = Standardabweichung Anzahl Gutteile [Stuck ]
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Die drei gekennzeichneten Terme I, II und III in Gleichung (2.7) lassen sich isoliert betrachten und sichern die Produktion gegen Schwankungen in der Nachfrage durch den nachfolgenden Prozess (I), gegen eine unsichere Zykluszeit (II) und einen sich verändernden Anteil an i. O. produzierten Teilen (III). Die Stärke der Schwankung wird durch die Standardabweichung σ bestimmt. Diese Größe gibt an, wie stark die einzelnen Zeiten oder nachgefragten Teile im Durchschnitt von einem Mittelwert abweichen. Der Faktor z bestimmt sich aus dem Servicegrad (Der Servicegrad wird häufig auch als Lieferfähigkeit bezeichnet) und drückt die Wahrscheinlichkeit aus, dass die Nachfrage nach einem Produkt Pi in einer Periode kleiner ist als die Menge, die von Pi in derselben Periode produziert werden kann, zuzüglich der eventuell vorhandenen Lagerbestände. Je höher die Lieferfähigkeit sein soll, desto größer ist z und somit die Anzahl der Kanban im Kreislauf. Der Wert von z für eine gewünschte Lieferfähigkeit α (z. B. 99 %) kann mit der in Excel® integrierten Funktion NORMINV ermittelt werden. Der Faktor z bezieht sich auf die Standardnormalverteilung, die einen Mittelwert von 0 und eine Standardabweichung von 1 besitzt. Der Befehl lautet somit NORMINV(α;0;1), für eine gewünschte Lieferfähigkeit von 99 % ist somit z = NORMINV(0,99;0;1). Weiterführende Ausführungen zur Bestimmung von Sicherheitsbeständen finden sich unter anderem bei Alicke [Alic 03] oder Tempelmeier [Temp 99].
2.5.3 Beispiel für die Dimensionierung eines Kanban-Regelkreises Der Prozess, für den im Folgenden beispielhaft ein Kanban-Regelkreis dimensioniert wird, besteht aus einer Lackiererei, die eine Montage mit farbigen Kunststoffteilen beliefert. In einen Behälter passen aufgrund der Geometrie 12 Teile. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit (inkl. Rüst- und Trockenzeit) beträgt zwei Tage. Der Transport in die Montage erfolgt in unregelmäßigen Abständen nach Auslastung der zuständigen Logistiker. Die Boardzeit ist von der Losgröße abhängig, die in der Lackiererei 24 Stück beträgt, da dann die Anlage komplett gefüllt ist. Erfahrungsgemäß kann die Dauer, die bis zum Widereintreffen eines Loses vergeht, um bis zu einen Tag nach oben oder unten schwanken, z. B. durch ungünstige Rüstreihenfolge oder Engpässe beim Transport. Aus Qualitätsuntersuchungen ist ferner bekannt, dass pro Los im Schnitt 1 Stück aussortiert werden muss mit einer Schwankung von 0,3. Die Kundenaufträge der letzten Zeit sind ebenfalls bekannt (Abb. 2.16). Zunächst wird der Umlaufbestand mithilfe der Durchschnittswerte berechnet: BU = µd * µ KZZ = µd *( Bearbeitungszeit + Boardzeit ) (2.8) 24 = 13* 2 + = 13*3,85 = 50 13
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Abb. 2.16 Berechnung von Mittelwert und Standardabweichung der Nachfrage
Im nächsten Schritt wird nach (7) der Bestand berechnet, um den Kreislauf gegen die Schwankungen der Nachfrage, der Zykluszeit und der gelieferten Gutmenge zu 99 % (Servicegrad) abzusichern: µ KZZ µQ (2.9) 13*3,85 = 2,33* 3,37 2 *3,85 + 132 *0,332 + 0,32 * = 18,35 23 BS = z * s 2d * mKZZ + m2d * s 2KZZ + s Q2 * md *
Aus der maximalen Abweichung in der Zykluszeit von ± 1 Tag vom Mittel lässt sich näherungsweise die Standardabweichung σKZZ zu 0,33 Tagen bestimmen. Bei einer Normalverteilung liegen 99,9 % aller Werte in einer Entfernung vom Mittelwert, die kleiner oder gleich 3σ ist. Somit beträgt im Beispiel σKZZ in guter Annäherung 1/3 = 0,33. Wenn die Karte vor der Entnahme des ersten Teils vom Behälter gelöst wird, ergibt sich somit für die Anzahl der Kanban-Karten (auf die nächste ganze Zahl aufgerundet): 50 + 18,35 b= (2.10) = 6 12 Sofern die Karte erst nach Entnahme des letzten Teils vom Behälter gelöst wird, ist diese Anzahl noch um eins zu erhöhen. Aus dem Verhältnis von Sicherheitsbestand zu Umlaufbestand lässt sich nach (2.5) der β-Faktor errechnen: 18,35 β= = 0,367 (2.11) 50
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Dieser Faktor kann nun genutzt werden, um für Materialien mit ähnlichen logistischen Eigenschaften die Kanban-Kreisläufe zu dimensionieren. Da sich die Rahmendaten wie Auftragsmengen oder Schwankungen im Lauf der Zeit ändern, sollte sich die Berechnung der notwendigen Bestände in regelmäßigen Abständen wiederholen. Aus den gesammelten Daten lassen sich gezielt Ansatzpunkte identifizieren, um die Kreisläufe zu optimieren und die Menge der bevorrateten Teile zu verringern. Mit den vorgestellten Modellen werden die Kanban-Bestände isoliert zwischen zwei aufeinander folgenden Prozessen berechnet. Wendet man sie auf sehr komplexe Systeme an, führen andere, aufwändigere Berechnungsverfahren oder Simulationen ggf. zu noch besseren Lösungen. Ausführungen dazu finden sich z. B. bei Lackes [Lack 95] oder in Kap. 5.6 Simulationsbasierte Optimierung der operativen Produktionsplanung bzw. in Kap. 5.7 Kanban DimensionierungsSysteme.
2.6 Steuerungsverfahren mit Karten Philipp Dickmann Abweichende Marktanforderungen haben effiziente Anpassungen der Kanban-Steuerung notwendig gemacht. So sind verschiedene Steuerungsverfahren mit Karten entstanden, die nicht der exakten Kanban-Steuerung entsprechen. Derartige kartenbasierte Steuerungen, Kanban-Ausprägungen und Kanban-ähnliche Steuerungen ermöglichen den Unternehmen nun oft den entscheidenden Vorteil im Wettbewerb. In heterogenen Materialflusskonzepten sind die verschiedenen Elemente von Kanban wichtige „Zahnräder“ im „Uhrwerk“ eines optimierten Ablaufs. Verschiedenste Konzepte werden hierzu in den Produktionsstufen, auf Teilebenen, auf der Zeitachse oder hybrid vernetzt angewendet. Generell sind alle gängigen Steuerungen auch ohne Kanban-Karten umsetzbar. So wurden für verschiedenste Anforderungen Steuerungen entwickelt, die dem klassischen Kanban ähneln und die auf Kanban-Elemente (Dezentralisierung, Verwendung physischer Materialträger) zurückgreifen. Für vielfältige Steuerungen werden Karten, also Kanban-Karten, zur Steuerung verwendet. Umgangssprachlich werden die Steuerungen dann vereinfachend als Kanban-Steuerung tituliert. Kanban-ähnliche Steuerungen lassen sich in bestandsorientierte, prognosebasierte, belastungsorientierte und funktionsbasierte Verfahren klassifizieren. In der Folge werden nun mit Karten gesteuerte Varianten der Verfahren, die im Kap. 2.3 Grundlegende Steuerungsverfahren vorgestellt wurden, beschrieben.
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2.6.1 Bestandsorientierte Verfahren • Mindestbestands-, Bestellbestandsverfahren: Dieses, dem klassischen Kanban ähnelnde Verfahren, stellt eine Variante des Bestellbestands-Verfahrens mittels Karten dar. So kann auch hier die gängige Kanban-Tafel verwendet werden. Die Karten entsprechen allerdings nur einem Lagerbestand. Sobald die Grenze des Bestellbestands unterschritten wird, wird die neue Produktion oder Bestellung ausgelöst. Der Unterschied zu Kanban liegt hier in der fehlenden Begrenzung des Maximalbestands durch die Gesamtsumme der Karten. Kanban kann als Sonderform des Bestellbestands-Verfahrens interpretiert werden. • Stop-and-go- bzw. Ampel-Kanban: Die Ampelsteuerung oder „Stop-and-go“Steuerung unterscheidet sich lediglich durch einen gelben Übergangsbereich auf der Kanban-Tafel. Dort kann entsprechend einer Ampel der Produktionsauftrag angestoßen werden. Beide Verfahren sind auch als physischer Stapel visualisierbar, an dem ein Zeiger den Bestellbestand anzeigt. Ansonsten kann bei diesen Methoden die gleiche Methodik und das gleiche Equipment wie bei Kanban verwendet werden. • Minimal Blocking: Verschiedene Autorengruppen [Lödd 05] kommen zu widersprüchlichen Aussagen bezüglich der Effizienz dieses Verfahrens im Vergleich zum klassischen Kanban. Es erlaubt in einer Kette von Fertigungsmaschinen höhere Puffer in den Zwischenschritten, reagiert daher flexibler und mit weniger Ausfallzeiten auf Störungen. Die Methode ist vorteilhaft bei Materialflüssen mit großer Störungshäufigkeit und schlechterer Austaktung bzw. stark unterschiedlichen Durchlaufzeiten. Letztlich ist diese Steuerung in großen Teilen eine Anpassung an schlechte Abläufe. Ein besserer Ansatz ist z. B., diese Produktionsabläufe zunächst mit Kaizen zu optimieren, um dann mit einer konventionellen Kanban-Steuerung, geringeren Lagerbeständen und einer geringeren Störungshäufigkeiten eine höhere Lieferfähigkeit und Flexibilität zu erreichen.
2.6.2 Prognosebasierte Verfahren Kein größeres Unternehmen arbeitet heute ohne ein MRP-System. MRP-Systeme bieten den Vorteil, dass durch die Vernetzung zu nicht produktionsbezogenen Systemen viele Arbeitsschritte in den indirekten Bereichen (beispielsweise die Entlohnung, die Rechnungsstellung oder die Übermittlung der Bedarfe via EDI an den Lieferanten oder den
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Kunden) automatisiert werden können. In der betrieblichen Praxis werden aus praktischen Zwängen und zur Optimierung der Prozesse häufig Elemente der MRP-Systeme nicht verwendet, substituiert, vernetzt oder hybrid betrieben (vgl. Kap. 2.9 Hybride Steuerungskonzepte und Kap. 2.10 Matrixhybride Materialflusssteuerung). Hybride Steuerungen unter Verwendung von MRP- oder Fortschrittszahlen-Systemen sind die häufigsten hybriden Kombinationen. Es stellt sich dabei die Frage, wie die Systeme miteinander verbunden werden. Beispielsweise bietet sich die Kombination mit einer prognosebasierten KanbanDimensionierung (vgl. Kap. 2.10 Matrixhybride Materialflusssteuerung und Kap. 5.7 Kanban Dimensionierungs-Systeme) an. Diese Variante vereint die klassischen Vorteile von Kanban mit den Vorteilen einer prognosebasierten Steuerung wie MRP. Dadurch wird der Nachteil des klassischen (statischen) Kanban-Verfahrens, dynamische Veränderungen nicht abbilden zu können, behoben. Die Kanban-Dimensionierung wird dabei mittels der MRP-Daten kontinuierlich angepasst.
2.6.3 Belastungsorientierte Verfahren Diese Systeme werden überwiegend zur Feinsteuerung, vor allem im Bereich der Teilefertigung, eingesetzt. Interessanterweise hat sich in vielen anderen industriellen Bereichen ein aus der Sicht der Materialnummern neutrales, belastungsorientiertes Kanban etabliert. Kanban mit neutralen Materialnummern (MNK) steht für eine sehr offene und wenig detaillierte Arbeitsweise. Im Vergleich zu den gängigen anderen Steuerungsmethoden werden nur geringe Vorgaben bezüglich der einzustellenden Steuerungsparameter benötigen. Die Kanban-Varianten mit neutralen Materialnummern werden in der Praxis sehr häufig angewendet, sind jedoch überwiegend nicht detailliert wissenschaftlich aufbereitet. Die Vielzahl der belastungsorientierten Steuerungen, die mit Kanban-Karten ausgeführt werden, können an dieser Stelle nur auszugsweise dargestellt werden. • Workload Control [Jend 78]: Die Aufträge kommen von einem hybrid übergeordnetem MRP-System. Aufträge, welche das System überlasten würden, werden zurückgehalten. Nur wenn eine Freigabe aller einzelnen Arbeitssysteme aufgrund des Bestands dies gestattet, wird der Auftrag freigegeben [Lödd 05]. Hierfür wurde von Chang und Yih [Chan 94] eine Variante des Verfahrens mit arbeitssystemspezifischen KanbanKarten beschrieben. Der Auftragsstart wird durch die Anzahl der Karten angestoßen. • Constant Work-in-Process-Kanban (CONWIP-Kanban) [Lödd 05]: Bei dieser Steuerung spricht man von Kanban, jedoch wird anstelle von Stückvorgaben auf Zeitvorgaben zurückgegriffen. Vor allem bei starker Variantenvielfalt ist dies sinnvoll, da trotz der Vielfalt die Anzahl der Arbeitsstunden relativ konstant ist, während die Ausbringung stark variieren kann. Der Name leitet sich daraus ab, dass durch die konstante Anzahl der Kanban-Karten der Arbeitsinhalt im System konstant gehalten werden
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kann, wodurch ein gleichbleibender Werkstattbestand (Constant work in Process) erzielt wird. • Kanban mit belastungsorientierter Auftragsfreigabe (BOA–Kanban) [Lödd 05]: Nach dem Durchlauf der Grobterminierung im übergeordneten MRP-System wird diese Variante zur Feinsteuerung angewandt. Nach der zentralen Produktionsplanung steht, bezogen auf eine definierte Zeitspanne, eine bestimmte Anzahl von Aufträgen zur Feinplanung an. Die Aufträge werden aufgrund frei werdender Kapazität gestartet. Der Einlastungsprozentsatz (EPS) ist der mittlere Bestand an Produktionsaufträgen vor den Arbeitsstationen. Es handelt sich also um die bestimmende Prozentzahl je Arbeitsstation. • Paired-Cell Overlapping Loops of Cards with Authorization (POLCA-Steuerung) [Suri 98]: Bevor dem Auftrag die Freigabe erteilt wird, müssen mehrere Teil-Freigaben erfolgen. Der im MRP vorgegebene Auftragsfreigabezeitpunkt muss überschritten, die Freigabe durch einen dezentralen Kanban-Bestandsregelkreis vorhanden und die zeitbezogene Kapazitäts-Freigabe mit oder ohne Kanban muss gegeben sein. Die Methode wurde für Fertigungsinseln entwickelt, die im Idealfall im One-piece-flow arbeiten.
2.6.4 Funktionsbasierte flexible Steuerung Production Authorisation Card-Kanban (PAC-Kanban) [Buza 92, Lödd 05] Bei diesem etwas kompliziert wirkenden, aber sehr vielversprechenden Konzept werden drei Scheine oder Karten angewandt: Die PA-Karte repräsentiert einen Produktionsauftrag. Der Order Tag (Auftragsschein) informiert über einen gegenwärtigen oder zukünftigen Bedarf. Der Requisition Tag (Materialentnahmeschein) berechtigt zur Lagerentnahme und zum Transport. Dieses Verfahren kann mit der gleichen Steuerungslogik aufgrund der unterschiedlichen Definition der Parameter auf den Karten unterschiedliche Steuerungen abbilden (vgl. Kap. 2.8. Das Production Authorization Card-Konzept).
2.7 Dezentrale Bestandsorientierte Fertigungsregelung (DBF) Hermann Lödding Die Dezentrale Bestandsorientierte Fertigungsregelung (DBF) gehört zur Klasse der Auftragsfreigabeverfahren. D. h. sie bestimmt den Zeitpunkt, zu dem ein Auftrag für die Fertigung freigegeben wird. Das Verfahren setzt ein übergeordnetes Planungsverfahren voraus, das aus einer Kundennachfrage oder einem Verbrauch Aufträge erzeugt, z. B. das MRP II-Verfahren oder die Kanban-Steuerung. Die DBF verknüpft die Arbeitssysteme einer Fertigung mit dezentralen Bestandsregelkreisen (Abb. 2.17). Sie ermöglicht so die dezentrale Steuerung von Beständen und Durchlaufzeiten der Arbeitssysteme. Die DBF unterstützt die folgenden Zielsetzungen:
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Abb. 2.17 Regelkreis der Dezentralen Bestandsorientierten Fertigungsregelung (DBF)
• • • •
Bestandsregelung der Arbeitssysteme und der gesamten Fertigung Dezentralisierung der Fertigungssteuerung Erhöhung der Bestandstransparenz Nivellierung des Auftragszugangs zu den Arbeitssystemen
2.7.1 Funktionsweise Wichtigster Verfahrensparameter ist die Bestandsgrenze. Jedes Arbeitssystem erteilt Aufträgen an Vorgängerarbeitssystemen die Bearbeitungsfreigabe, wenn sein Gesamtbestand kleiner ist als seine Bestandsgrenze. Andernfalls verweigert es die Auftragsfreigabe. Dadurch kann jedes Arbeitssystem seinen Bestand begrenzen. Freigabekriterium ist damit der Bestand der Arbeitssysteme. Berücksichtigt werden zum einen der direkte Bestand am Arbeitssystem und zum anderen der indirekte Bestand an Vorgängerarbeitssystemen. Dieser umfasst diejenigen Aufträge, für die die Bearbeitungsfreigabe bereits erteilt wurde, die jedoch noch nicht am Arbeitssystem eingetroffen sind. Die Mitarbeiter können die Bestandsgrenze umso kleiner wählen, je kleiner und harmonischer die Auftragszeiten sind. Die Höhe der Bestandsgrenze kann methodisch mithilfe von Produktionskennlinien bestimmt werden [Nyhu 02]. In der Praxis bietet es sich bei der Einführung an, die Bestandsgrenzen etwas höher zu setzen und sie dann schrittweise zu reduzieren. Variiert die Reihenfolge, in der die Aufträge die Arbeitssysteme durchlaufen, wird als zusätzliches Freigabekriterium eine Reihenfolgenummer für die Arbeitssysteme vergeben, um zu vermeiden, dass sich Arbeitssysteme gegenseitig blockieren [Lödd 01].
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
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2.7.2 Anwendungsgebiete Die DBF eignet sich grundsätzlich überall dort, wo die Aufgaben der Fertigungssteuerung an die Mitarbeiter der Fertigung delegiert werden sollen. Sie ermöglicht eine effektive Bestandsregelung an allen Arbeitssystemen der Fertigung. Das Verfahren setzt eine umfassende Schulung der Fertigungsmitarbeiter voraus und erzwingt die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern der Fertigung.
2.7.3 Erweiterungen Die DBF wurde um ein spezifisches Verfahren zur Rückstandsregelung ergänzt. Dieses nutzt Verfahrensspezifika, um Entscheidungen über die kurzfristige Nutzung flexibler Kapazitäten zu treffen. Ziel ist die Erhöhung der Termintreue einer Fertigung [Lödd 01, Lödd 02].
2.7.4 Alternative Verfahren In der Literatur werden verschiedene weitere Auftragsfreigabeverfahren beschrieben. Die wichtigsten Formen bzw. Verfahren der Auftragsfreigabe sind: • Bei der weit verbreiteten Auftragsfreigabe nach Termin wird ein Auftrag für die Fertigung freigegeben, sobald der Plan-Starttermin erreicht ist [Lödd 05]. Vorteilhaft ist die einfache Umsetzung. Das Verfahren eignet sich nicht zur Bestandsregelung der Fertigung. Der Bestand kann jedoch über die Plan-Durchlaufzeiten beeinflusst werden. • Bei der sofortigen Auftragserzeugung kann jeder Auftrag bearbeitet werden [Lödd 05]. Damit ist eine Bestandsregelung über die Auftragsfreigabe unmöglich. Sinnvoll eingesetzt werden kann die sofortige Auftragsfreigabe z. B. dann, wenn wenige Varianten über Kanban-Kreisläufe gesteuert werden. • Die Polca-Steuerung ist wie die DBF ein dezentrales Verfahren, das sich insbesondere für einfache Materialflüsse eignet [Suri 98]. • Die Conwip-Steuerung (Constant Work in Process [Hopp 96]), die Engpass-Steuerung [Lödd 05] oder die Belastungsorientierte Auftragsfreigabe [Wien 97] geben den gesamten Auftrag frei. Derartige zentrale Auftragsfreigabeverfahren lassen sich ohne die Beteiligung der Fertigungsmitarbeiter umsetzen.
2.8 Das Production Authorization Card (PAC)-Konzept – ein Metakonzept zur Materialflusssteuerung Thomas Rücker, Herfried M. Schneider Für die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) von mehrstufigen Produktionssystemen, die sich durch die Koexistenz von mehreren Produktionsstufen auszeichnen, deren Orga-
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Abb. 2.18 Aufbau eines PAC-gesteuerten Produktionssystems
nisationsform und Ablaufstruktur sich unterscheidet, eignet sich das Production Authorization Card (PAC) Konzept [Buza 92, Buza 93, Rück 04, Schn 05, Schn 03], da es auf Basis eines generalisierten Modells bei geeigneter Einstellung der Parameter verschiedene Materialflusssteuerungskonzepte, wie MRP, Kanban und Base Stock abbilden und eine „optimale“ Koordination eines Fertigungssystems mit mehreren Subsystemen übernehmen kann. Ein PAC-gesteuertes Produktionssystem (Abb. 2.18) setzt sich aus den zwei Grundelementen Zelle und Lager zusammen, welche über Informations- und Materialflüsse interagieren. Jede Produktionsstufe setzt sich aus einer Zelle oder mehreren parallelen Zellen sowie mehreren Lagern mit den in der jeweiligen Produktionsstufe hergestellten Produkten zusammen. Im Folgenden wird, ohne Beschränkung der Allgemeingültigkeit davon ausgegangen, dass auf einer Produktionsstufe genau ein Produkt hergestellt wird, das in einem Ausgangslager bevorratet wird. Eine Zelle umfasst die Ressourcen zur Herstellung eines abgegrenzten Spektrums von Produkten (Vor-, Zwischen- oder Endprodukte). Beispielsweise kann es sich bei einer Zelle um einen Spritzgussautomaten, mehrere parallele Spritzgussautomaten oder sogar ein komplexes Werkstattfertigungssystem handeln. Jeder Zelle ist eine eigene dezentrale Steuerungsinstanz (Zellenmanagement) zugeordnet, welcher die Reihenfolgeplanung der Produktionsaufträge sowie die Bestellung von Rohmaterialien obliegt.
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
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Jedem in einer Stückliste ausgewiesenen Produkt ist ein Lager zugeordnet, in dem die PAC-Funktionslogik untergebracht ist (Abb. 2.18). Die darin bevorrateten Produkte werden an die downstream gelegene(n) Zelle(n) bzw. (bei Endprodukten oder Ersatzteilen) an die Kunden weitergegeben; die Zellen liefern an das (die) downstream gelegene(n) Lager. Zwischen den Zellen und den Lagern besteht insofern eine m:n-Beziehung, d. h. ein oder mehrere Lager kann (können) ein oder mehrere Produktionssegmente beliefern und vice versa. Die Koordination der Materialflüsse und Auftragsfreigabe basiert auf verschiedenen produktspezifischen Informationsträgern, sogenannten Tags, die sich auf jeweils eine Einheit eines bestimmten Produktes beziehen: • Order Tags werden durch die interne oder externe Verbrauchsstellen (Zellenmanagement oder Kunde) erzeugt und signalisieren einen gegenwärtigen oder zukünftigen Bedarf an einem Produkt. • Requisition Tags werden ebenfalls von der Verbrauchsstelle generiert und lösen einen Transport von einem upstream gelegenen Lager zu dieser aus. • Production Authorization (PA) Cards lassen sich als Produktionsaufträge interpretieren. Sie werden durch die Lager auf Basis der vorliegenden Order Tags generiert und dem Management der vorgelagerten Zelle bzw. dem Zulieferer übergeben. Ihr Vorhandensein autorisiert die Zelle (bzw. den Lieferanten) zur Produktion des entsprechenden Produktes. Weiterhin initiiert die Ankunft einer PA Card die Bestellung der notwendigen Vorprodukte, indem zum Zeitpunkt ihres Eintreffens eine einstufige Stücklistenauflösung vorgenommen wird, die in der sofortigen Erzeugung einer entsprechenden Anzahl Order Tags und der um die Zeitspanne τ(j) verzögerten Generierung von Requisition Tags resultiert. τ(j) kann Null betragen, wodurch eine gleichzeitige Erzeugung von Order und Requisition Tags erfolgt. • Process Tags werden jedem Lager in einer definierten Menge zugeordnet. Durch die Ankunft eines Order Tags wird bei dem Vorhandensein eines Process Tags eine PA Card generiert. Befindet sich kein Process Tag im Lager, so muss ein Order Tag bis zu Ankunft eines Material Tags warten. Die Anzahl der Process Tags beschränkt somit den maximalen Work-in-Process (WIP)-Bestand der PA Cards eines Produktes im vorgelagerten Produktionssegment. • Material Tags lassen sich als Begleitscheine interpretieren, welche die aus physischen Produkten bestehenden Fertigungslose eindeutig identifizieren. • Delivery Advice Notes fungieren als Lieferscheine, indem sie von einem Lager zum Zeitpunkt der Lagerentnahme erzeugt werden und zusammen mit der Entnahmemenge an das downstream gelegene Produktionssegment übergeben werden. Bei lagerorientierter Produktion werden die Bedarfsinformationen der Endprodukte übermittelt, indem der Kunde nur Requisition Tags versendet, während die Order Tags basierend auf einer Prognose vor dem Eintreffen der Requisition Tags durch das Produktionsmanagement erzeugt werden. Bei auftragsorientierter Produktion übermittelt der Kunde
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bei der Auftragsvergabe Order Tags und zum vereinbarten Liefertermin Requisition Tags. Im Rahmen des PAC-Konzeptes existieren vier Steuerungsparameter: • z(j): Anzahl der in einem Lager j im initialen bzw. unbelasteten Systemzustand vorhandenen Einheiten des Produktes j (Solllagerbestand) • k(j): Anzahl der einem Lager j zugeordneten Process Tags für das Produkt j • τ(j): Zeitverzögerung zwischen Order Tags und den korrespondierenden Requisition Tags für das Produkt j • r(j): Losgröße des Produktes j Lose können dabei an verschiedenen Stellen erzeugt werden [Schn 05]: • Nach der Generierung von PA Cards • Nach der Generierung von Requisition Tags • Vor der Bearbeitung der Material Tags in einem Produktionssegment Darüber hinaus kann durch die Festlegung von Prioritäten auf die Reihenfolge der Aufträge innerhalb eines Segmentes Einfluss genommen werden. Unter Zugrundelegung dieser Steuerungsparameter kann für jedes Produkt bzw. jede Produktionsstufe eine individuelle Steuerungspolitik festgelegt werden. In Tab. 2.2 sind die Parametereinstellungen für einige elementare Steuerungspolitiken dargestellt. Unter Zugrundelegung des PAC-Konzepts können die meisten konventionellen Politiken zur Materialflusssteuerung (Base stock, Kanban, MRP, Make-to-order, Conwip sowie die weniger bekannten Politiken Integral Control sowie Local Control) abgebildet werden. Darüber hinaus können mithilfe des PAC-Konzepts neue, bislang unbekannte Steuerungspolitiken entwickelt werden, welche die vorteilhaften Eigenschaften mehrerer konventioneller Politiken miteinander verbinden. Damit ist das PAC-Konzept in der Lage, eine optimale, an die jeweilige Fertigungssituation und -organisation angepasste Koordination und Steuerung eines mehrere Produktionsstufen umfassenden Produktionssystems zu gewährleisten. Das PAC-Konzept kann sowohl bei kundenauftragsanonymer als auch bei kundenauftragsorientierter Produktion eingesetzt werden und eignet sich damit zur Darstellung aller Typen der Programmbildung: • Make-to-stock (MTS): Es erfolgt eine Bevorratung der kundenauftragsanonym vorgefertigten und standardisierten Endprodukte, welche das gesamte Produktionssystem Tab. 2.2 PAC-Parametereinstellungen für verschiedene elementare Steuerungspolitiken
MRP Kanban Base Stock Conwip
z(j)
k(j)
τ(j)
r(j)
≥ 0 > 0 > 0 > 0
= ∞ = z(j) = ∞ = ∞
> 0 = 0 = 0 = 0
1 1 1 1
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durchlaufen haben. Wenn ein Kunde eine Bestellung aufgibt, dann erwartet er, dass das Produkt bereits im Lager vorrätig ist und unverzüglich ausgeliefert wird. • Assemble-to-order (ATO) bzw. Finish-to-order (FTO): Die standardisierten Zwischenprodukte werden kundenauftragsanonym auf Lager gefertigt. Die Montage (bzw. Fertigstellung) der (teilweise standardisierten) Endprodukte geschieht jedoch erst nach Aufgabe einer Bestellung durch den Kunden. • Make-to-order (MTO): Die (teil-)standardisierten Erzeugnisse des Unternehmens müssen nach Ankunft eines Kundenauftrags das gesamte Produktionssystem durchlaufen. Lediglich im Eingangslager erfolgt eine Bevorratung der Vorprodukte.
2.9 Hybride Steuerungskonzepte Philipp Dickmann Hybride Steuerungskonzepte bestehen aus unterschiedlichen, parallel angelegten Steuerungsverfahren. Sie werden eingesetzt, um ihre Schwächen gegenseitig zu kompensieren und die Summe ihrer Vorteile auszunutzen. Es lassen sich vier verschiedene hybride Ansätze unterscheiden: vertikal, horizontal, funktional und die Matrix. Zudem kann die hybride Logik, neben der operativen Steuerung, auch zur Ermittlung des optimalen Algorithmus und zur dynamischen Dimensionierung angewandt werden. In der modernen heterogenen „Materialflusswelt“ fließen neben den eigentlichen Steuerungs-Algorithmen auch andere Ebenen mit Steuerungsinformationen in die Steuerungsentscheidung ein. So ist die matrixhybride Steuerung (MHS) unter dieser erweiterten Definition in der betrieblichen Umgebung heute schon lange Standard. Da die Sichtweise bisher disziplinär eingeschränkt ist, werden die Komplexität, die Möglichkeiten, aber auch die Probleme von MHS nicht erkannt. Bei einem hybriden Ansatz werden zwei oder mehrere Materialsteuerungsmethoden eigenständig etabliert. Auf den ersten Blick erscheint dies nicht sinnvoll, da dadurch eine erhöhte Komplexität und ein Mehraufwand für Pflege und Eingaben entstehen. Redundanz ist eine gängige Methode, um die nötige Stabilität gegen Störungen zu erreichen. In der Biologie oder auch in der Technik werden kritische Komponenten doppelt ausgelegt, um auch im Extremfall die Funktion sicher zu stellen. Dieses Prinzip kann auch auf die Steuerungsmethode übertragen werden. Die Komponenten von hybriden Steuerungen sind aber nicht nur redundant, sondern auch verschieden. Dadurch können die Schwächen des einen Systems durch die Stärken des anderen ausgeglichen werden. Häufig anzutreffende Kombinationen sind z. B. Grobsteuerungen mittels MRP, die durch eine Feinsteuerung aus Kanban oder belastungsorientierter Steuerung untergliedert sind. Diese Kombination und der Einsatz dynamischer Kanban-Varianten ermöglicht die Kanban-Penetration auch bei komplexen Produktionsabläufen, variantenreichen Produkten oder dynamischen Bedarfen auszuweiten und die Vorteile von Kanban umfassender zu nutzen (über 80 % des Teileflusses bei mehr als 10 Produktionsstufen wurde bereits
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realisiert (Abb. 2.23 Kanban-Penetration in der Industrie und vgl. Kap. 2.10.7 Ausweitung der Kanban-Penetration bei komplexen Produktionsprozessen und Produkten).
2.9.1 Hybride operative Steuerungs-Algorithmen (Abb. 2.19) Die gängige Definition von hybrider Steuerung ist die Kombination von Steuerungsverfahren, welche die Entscheidung und Freigaben für den Auftragsstart definieren. Die Systeme können dabei sowohl in EDV als auch mittels physischer Karten bzw. Behälter abgebildet sein. Letztlich wird die Kopplung verschiedener operativer Steuerungs-Algorithmen angestrebt, um damit einen für die jeweilige Anwendung optimalen Algorithmus zu erzielen. Es sind vertikale (VHS) oder horizontale (HHS) hybride Steuerungen [Gera 05] zu unterscheiden. Zur Auswahl der geeigneten Steuerungs-Algorithmen sind die Kriterien von Lödding zu empfehlen [Lödd 05].
ertikale hybride Steuerung (VHS) V Vertikal dezentrale hybride Steuerungen (VDHS) [Gera 05]: Ein Glied der Kette wird dezentral redundant mit einem anderen Steuerungsverfahren gesteuert. Die gängigste Variante ist eine Mischung der Steuerungen innerhalb der Ebenen der Materialkette. Eine gemischte Anwendung z. B. von Kanban (bestandsorientiert) auf der Ebene des Kundenverbrauchs zur Absicherung der 100 % Lieferfähigkeit, mit einer MRP Steuerung (progno-
Abb. 2.19 Übersicht der hybriden Steuerungs-Algorithmen
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sebasiert) auf den darunter oder darüber liegenden Ebenen, ist sehr häufig in Unternehmen anzutreffen. Ein typisches Beispiel hierfür ist Synchro MRP [Hall 86]. Die Firma Yamaha wollte damit die Vorteile von Kanban in der Fertigung mit dem der Fortschrittszahlensteuerung in MRP kombinieren. Die Steuerungsregel ist sehr einfach: Es dürfen solange Aufträge eröffnet werden, bis die Schlagzahl aus dem Tagesprogramm erreicht wird. Ein anderer häufiger Ansatz ist die Kombination von belastungs- mit bestands- (z. B. Kanban) oder auch prognosebasierten (z. B. MRP) Verfahren. Die belastungsorientierten Steuerungsverfahren wurden maßgeblich zum Zweck der Feinsteuerung von Fertigungsprozessen, im Regelfall mit einem übergeordneten Steuerungsverfahren, entwickelt und können daher grundsätzlich als VHS interpretiert werden (vgl. Kap. 2.3 Grundlegende Steuerungsverfahren). Darüber hinaus wurden noch komplexere Steuerungs-Algorithmen wie z. B. hybrides Kanban-CONWIP [Bovi 97] entwickelt. Hier werden zwei Bestandsregelungen für jede einzelne Arbeitsfolge verknüpft. Der Auftrag darf nur gestartet werden, wenn eine Kanban-Karte vom Fertigwarenkorb und vom vorhergehenden Prozessschritt vorliegt. Bei Workload-Control [Jend 78] kommen die Aufträge von einem hierarchisch hybrid übergeordneten MRP-System in die bestandsorientierte Produktionseinheit. Aufträge, welche das System überlasten würden, werden zurückgehalten. Nur wenn die Freigabe aller einzelnen Arbeitssysteme aufgrund des Bestands gestattet wird, kann der Auftrag freigegeben werden. Auch die dezentrale bestandsorientierte Fertigungsregelung (DBF) [Lödd 05] (vgl Kap. 2.7 Dezentrale Bestandsorientierte Fertigungsregelung) kann als hybride Steuerung interpretiert werden, da hier verschiedene Steuerungselemente zusammengeführt werden. Vertikal linear verknüpfte Steuerungen (VLVS) werden vielfach auch als hybrid interpretiert, da einzelne Glieder alternativ wechselnde Steuerungen aufweisen.
Horizontale hybride Steuerung – z. B. horizontal dezentral Hybrid [Hodd 91] Dies umfasst unter MRP mehrere parallele Steuerungsebenen, z. B. unterschiedliche Steuerungsverfahren je Materialfamilien. Ein sehr häufiger Ansatz ist die parallele Steuerung in einer Produktionsstufe mit verschiedenen Konzepten, beispielsweise je nach Station oder Produktfamilie mit Kanban oder MRP. Auch C-Teile-Management ist hierfür ein typisches Beispiel: Für wenig werthaltige C-Teile wird ein inexaktes, aber auch einfaches Kanban eingesetzt, das jedoch 100 % Lieferfähigkeit mit hoher Sicherheit gewährleistet. Die darüber liegenden Ebenen sind beliebig anders gesteuert, häufig mit MRP. Funktionale hybride Steuerung Der Markov Decision Process (MDP) [Hodd 91, Hodd 91b] ist ein sehr flexibles, horizontal hybrides Konzept, das wegen seiner hohen Komplexität vorwiegend für Systementwickler relevant ist, ebenso das funktional hybride interpretierbare PAC-Konzept [Buza 92]. atrixhybride Steuerung (MHS) M Eine Mischung aus vertikalen (VHS) und horizontalen (HHS) Ansätzen ist die matrixhybride Steuerung. Hierbei werden an allen Entscheidungsknoten redundant verschiedene
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Steuerungen in die Entscheidung eingebunden. Diese Methode ist ähnlich flexibel wie die funktionale Steuerung PAC. Das Problem bei der realen Anwendung von hybriden Steuerungen liegt in der Vielzahl der einzubindenden Entscheidungsebenen. Verglichen mit einfachem Kanban kann die Qualität der Steuerung deutlich verbessert werden, da eine große Zahl an Störgrößen sichtbar und dadurch behebbar wird, was eine positive Auswirkung auf die reale Umsetzung hat. Daraus leitet sich jedoch ab, dass nicht zu viele Steuerungssysteme kombiniert werden können. Der Mehraufwand muss in einem sinnvollen Verhältnis zur Verbesserung stehen, wobei zudem die Komplexität beachtet werden muss.
2.9.2 Hybride Steuerungen in der Simulation zur Ermittlung des optimalen Algorithmus und zur dynamischen Dimensionierung Ein anderer Ansatz Steuerungsmethoden hybrid anzuwenden erfolgt in Softwareapplikationen, die vollautomatisch verschiedene Steuerungssysteme vergleichend darstellen und dann den optimalen Algorithmus errechnen. Hierbei erfolgt nur der Auswahlprozess für die Steuerungsmethode hybrid. Die Entscheidung für den Auftragsstart findet abhängig von dem auswählten Konzept statt [Schn 05, Dick 02, Dick 02b]. Die Dimensionierung und die Auswahl des Steuerungsverfahrens finden vergleichend zwischen den Steuerungen statt, die operative Steuerung selbst ist in diesem Fall nicht hybrid.
2.9.3 Hybride Steuerungen nach einer erweiterten Definition der Materialflusssteuerung In der Realität der Unternehmen werden, neben den standardisierten Steuerungslogiken der Steuerungsverfahren, überlagernd ergänzende Informationen zur Entscheidung herangezogen. Um eine maßgeschneiderte Steuerung zu erreichen, die alle firmenspezifischen Problemstellungen optimal löst, werden verschiedene Ansätze parallel verwendet (Abb. 2.20). Das Ergebnis ist eine kumulierte Gesamtcharakteristik, bei der, je nach verwendeter Komponente, eine deutliche Annäherung an eine nötige Steuerungsqualität erreicht wird. Für die reale Anwendung wird durch die Mischung verschiedener Steuerungen eine annähernd immer optimale Steuerungsqualität erzielt.
Kombinationsmöglichkeiten Nach dieser erweiterten, praxisnahen Definition existieren je nach Aufgabenstellung folgende Kombinationsmöglichkeiten für hybride Steuerungen: • Simulationen und Szenerien von Simulationen • Produktionsunterstützende EDV-Systeme mit implementierten Steuerungsinformationen, z. B. MRP (Material Requirement Planning Systems), Ampel-, Bestellpunkt-, Mindestbestandssteuerungen etc.
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
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Abb. 2.20 Optimierung des Erfüllungsgrads durch die hybride Kombination von Steuerungen: Dies gilt bezogen auf ein Eignungskriterium (z. B. Wiederbeschaffungszeit). Zielbereich kann beispielsweise der Planungshorizont sein. Im Kurzfristbereich bringt hier Kanban (Methode A) und im Langfristbereich MRP (Methode B) bessere Ergebnisse
• Hochrechnungen von Abschnitten auf der Zeitachse (Vergangenheitsintervalle, Kundenabrufe, Kundenprognosen, reale Abrufe etc.) • Planwirtschaftliche Steuerungsvorgaben • Warehouse- oder Lagerplatzinformationen • Maschinen- und Arbeitsplaninformationen • Physische Materialflussinformationen (z. B. leere Behälter, Karten etc.) • Auslastungsorientierte Informationen bezogen auf Anlagen oder Personal • Planungsroutinen Prinzipiell sollten möglichst gegensätzliche Materialflussebenen bzw. -ansätze miteinander kombiniert werden. Auf diese Weise werden viele Basisinformationen für die Entscheidung eingebunden und Störgrößen verifizierbar. Unter Berücksichtigung dieser erweiterten Definition des Begriffs der Steuerungsmethode ist die matrixhybride Steuerung im heterogenen realen Materialfluss gängig. In den üblichen betrieblichen Abläufen sind verschiedene Entscheidungsebenen mit klaren Steuerungs-Algorithmen keine Seltenheit. Der Abgleich wird durch zentrale Steuerungstools mit untergeordneten Feinsteuerungstools erreicht. Die Alternative sind auf dezentrale Produktionsbereiche bezogene Steuerungen, zum Abdecken des gesamten Materialflusses. So kann zum Beispiel eine Produktionsplanung mit Kundenprognose, Fortschrittszahlen, MRP und Kanban auf Kundenmontageebene abgeglichen werden. In den darunter liegenden Ebenen wird eine Feinsteuerung mit eventuell kapazitätsbasierten Systemen, Kanban, MRP oder auch C-TeileKanban differenziert.
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reitere und komplexere Zielsetzung B Die Zielsetzung hybrider und matrixhybrider Systeme geht weit über die Ziele und Potenziale einer einzelnen Steuerung hinaus. Es wird nicht nur eine tagesgenaue Abschätzung der Bedarfe wie bei MRP oder die optimale Steuerung der Serienteile durch Kanban erreicht, sondern auch ein ganzheitliches Optimum für den Materialfluss. Das gilt auch für Sonderfälle, etwa bei komplexen Produkten bzw. Produktionsprozessen, hoher Änderungsdynamik, Variantenfertigung oder Ersatzteilen. Folgende Faktoren werden dadurch erfüllt: • Erhöhung der Sicherheit der Steuerung: Nach dem Motto: „Zwei Augen sehen mehr als eines“ (Abb. 2.21) führt die Redundanz der Systeme zu einem Kontrollmechanismus, der eine Verifikation der Steuerungsergebnisse ermöglicht (Abb. 2.22). • Reduzierung der Störgrößen: Gleichzeitig führt die gegenseitige Kontrolle der Steuerungen zu einer Reduzierung der Störgrößen im gesamten Materialfluss (Abb. 2.22). Das Ziel von MHS ist es nicht, so gut wie möglich mit Fehlern zu leben, sondern weniger störungsanfälligere Prozesse zu erzeugen und damit auch im Krisenfall (z. B. bei kurzfristigen Kundenabrufen) eine optimale Logistik zu erzielen. • Reduzierung der Kanban-Puffer und des gesamten Lagerbestandes: Auch eine Reduzierung der Umlaufbestände wird durch die Verifikation der Steuerungsdaten ohne Risiko möglich (vgl. Kap. 2.10.6 Reduzierung der Kanban-Puffer). • Steigerung der Kanban-Durchdringung (Penetration) auf ein Maximum: Eine hohe Kanban-Penetration mit 70–100 % ist mit einfachen Kanban-Varianten nur für einfache Serienprodukte möglich. Mit hybriden Steuerungen wird es möglich, komplexe oder dynamische Produkte mit einer sehr hohen Kanban-Durchdringung abzudecken (Abb. 2.23; vgl. Kap. 2.10.7 Ausweitung der Kanban-Penetration). Abb. 2.21 Sicherheit durch hybride- und matrixhybride Steuerungen: „Zwei Augen sehen mehr als eines“
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Abb. 2.22 Besseres Erkennen von Fehlern und Störungen mit der Kombination mehrerer Steuerungsverfahren: z. B. Hybrides MRP-Kanban
Abb. 2.23 Kanban-Penetration in der Industrie: 53 % der befragten Unternehmen gaben eine Kanban-Penetration von lediglich weniger als 20 % an. Nur 15 % der Unternehmen arbeiten mit einer Penetration von über 40 %. Lediglich 3 % haben eine Kanban-Durchdringung von über 80 %. [Lepr 07]
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• Verbesserung der dezentralen Entscheidungskompetenz: vgl. Kap. 2.10.2 Dezentrale Entscheidungskompetenz. • Optimale und vereinfachte Dimensionierung der Kanban-Regelkreise: vgl. Kap. 2.10.3 Hybride Dimensionierung der Regelkreise.
2.10 Matrixhybride Materialflusssteuerung Philipp Dickmann, Eva Dickmann Um einen optimalen Materialfluss für vielfältigste Produkte und Rahmenbedingungen im zeitlichen Verlauf zu erzeugen, werden in realen Systemen alle zur Verfügung stehenden Informationen zur Steuerung mit eingebunden. Durch die übliche, sehr begrenzte Definition des Begriffs Produktionssteuerung wird kaum erkannt, dass komplexe MaterialflussUmsetzungen heute schon vorhanden sind. Die Ziele, der Nutzen und die Problemstellung der erweiterten Definition von Produktionssteuerung sind wesentlich umfangreicher, als bei dem klassischen Begriff definiert. Wesentlich für den Erfolg oder Misserfolg einer Steuerung ist das frühzeitige Erkennen aller Störungen aus den vorhandenen Informationen. Die Fülle der Informationen sollte möglichst wenig komplex und überschaubar sein. Die systematische Analyse und darauf folgende Synthese erlaubt es dem Unternehmen, maßgeschneiderte Informationen für eine flächendeckend optimale Steuerungs-Mischung zu erhalten. Die Methode ist vergleichbar mit einem Setzkasten, bei dem aus den passenden Bausteinen die optimale Kombination, in diesem Fall ein Eigenschaftsbild, zusammensetzt wird. Im folgenden Beitrag werden die Prinzipien basierend auf den Anforderungen der Implementierung dargestellt und auf ein Praxisbeispiel (vgl. Kap. 2.10.7 Ausweitung der Kanban-Penetration) übertragen [Dick 02, Dick 02b].
2.10.1 Matrixhybride Steuerung (MHS) – das Chaos der Steuerungsinformationen nutzen und beherrschen [Lepr 05b] In realen Materialflusssteuerungs-Systemen werden prinzipiell alle zur Verfügung stehenden Informationen genutzt, die helfen können, Störungen eines optimalen Materialflusses zu verhindern. Mittels Valuecycle Optimizing (vgl. Kap. 2.16 VCO) kann eine Übersicht über die wesentlichen Störgrößen und die nötigen Informationen erzeugt werden. Störungen kann dadurch frühzeitig entgegengewirkt werden. Die systematische Analyse der Störgrößen und des Informationsflusses zeigt bei größeren Unternehmen in der Regel eine gewachsene und daher chaotische Struktur. Verglichen mit einer Liste der Steuerungsziele, werden Lücken und redundante Informationen transparent. Mit dem Aufbau einer fundierten hybriden Matrix-Steuerung wird versucht, die fehlenden Informationen
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in geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen und unnötige identische Informationen zu streichen. Die Steuerung sollte möglichst direkt auf Basisdaten zugreifen, also auf Informationen, die beispielsweise auf physische Bewegungen fixiert sind und möglichst nicht sekundär errechnet werden. Physische und visuelle Informationen sind zur Steuerung sicherer als Daten aus EDV-Systemen, da in EDV-Systemen eine wesentlich größere Zahl an Störparametern unerkannt wirken kann. Letztlich sollten redundante Daten aus den vorhandenen Datenbeständen genommen werden, um die Übersicht zu erleichtern. VCO kann zur Verifikation der noch verbleibenden Störgrößen und deren Visualisierung in der matrixhybriden Steuerung beitragen.
2.10.2 Dezentrale Entscheidungskompetenz Dezentrale Mitarbeiter können, unterstützt durch verschiedene hybride Kennlinien und Steuerungsinformationen, Entscheidungen kompetent und situationsbezogen treffen. Wie später in Kap. 2.10.4 (Matrixhybride Kanban-MRP-Steuerung) erläutert wird, fließen aus verschiedenen Quellen Informationen in die Steuerungsentscheidungen ein, mit deren Hilfe der Mitarbeiter am Standort seine Ergebnisse verifizieren und Entscheidungen sicher treffen kann. Vorteil dieser dezentralen Entscheidungskompetenz ist die Möglichkeit, besser und schneller auf lokale Entwicklungen unter Einbindung von Softfacts reagieren zu können. Ein Beispiel ist die einfachere dynamische Anpassung der Dimensionierung von Regelkreisen.
2.10.3 Hybride Dimensionierung der Regelkreise Zur Dimensionierung des Steuerungsverfahrens und der Entscheidungsfindung, können neben dem aktuellen Trend des Behälterflusses auch Prognosen des MRP-Systems und eine Historie des Verbrauchs integriert werden ([Dick 02, Dick 02b, Dick 02c]). Aus der statischen Dimensionierung von Kanban entsteht ein Dimensionierungsverlauf auf der Zeitachse, bei dem die Entwicklung der Stückzahlen je Materialnummer erkennbar ist (vgl. Kap. 5.7 Kanban Dimensionierungs-Systeme). Zu diesem Element wurde eine hybride Strategie zur Bestell- und Produktionssteuerung festgelegt. Die zentrale Dimensionierung wird parallel, durch die Rückkopplung der realen Fließbewegungen, von dem dezentral verantwortlichen Mitarbeiter verifiziert. Dieses Vorgehen führt zu einem kontinuierlichen Verbesserungseffekt, auch bei der Entwicklung einer Simulation bzw. deren Basisparameter.
2.10.4 Matrixhybride Kanban-MRP-Steuerung Die Verbindung der drei matrixhybriden Ebenen [Lepr 04b]: (Abb. 2.24)
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Abb. 2.24 Die drei Ebenen der matrixhybriden Steuerung am Beispiel Kanban-MRP
• Logik: Die Steuerungsebene MRP wird durch zusätzliche Steuerungsinformationen ergänzt, z. B. Kanban-Karten, die aufgrund des unterschiedlichen Steuerungscharakters einen zusätzlichen Hinweis zum Auftragsstart geben. • Physis: Durch Kanban werden zusätzliche physische Informationen zur Absicherung des Materialflusses nutzbar, etwa visuelle und physische Informationen von Behältern. • Softfacts: Letztlich wird dieses System über die der Schnittstelle Mensch noch durch informelle Informationen ergänzt. Beispiele: Stellt ein Mitarbeiter ein ungewohntes Geräusch an einer Maschine fest, wird er dieses Wissen bei der Steuerung berücksichtigen, indem er eine Wartung einplant. Manchmal ist auch absehbar, dass ein Mitarbeiter krank wird, was zu einem Kapazitätsproblem führen kann. Zentralistischen Steuerungssystemen stehen derartige Informationen nicht zur Verfügung. In dem Beispiel von Voith [Dick 02, Dick 02b] wurde in einem Materialflussnetzwerk mit Verzweigungen und Bypässen, parallel zu MRP, ein klassisches Karten-Kanban über acht Produktionsstufen installiert. Die oberste Ebene dieser Steuerung wurde zudem durch ein Konzept mit Fortschrittszahlen und einer strategischen, interaktiven Routine zum Abgleich der Kunden-, Vertriebs- und Produktionsplanung überlagert. Die Freigabe eines Auftrags oder einer Bestellung erfolgte ereignisorientiert nach menschlichem Ermessen, nicht, wie bei vielen anderen hybriden Systemen, führend durch eines der Steuerungsverfahren. Die Basis für die Priorisierung bilden die Daten aus beiden Steuerungssystemen unter Berücksichtigung zusätzlicher informeller Faktoren, wie aktuelle Störungen. Diese drei Ebenen erschweren eine automatisierte Entscheidung, führen aber bei einer Entscheidung durch den Menschen zu einer deutlich höheren Sicherheit bei der eigentlichen Steuerungsentscheidung. Sie liefern die optimale Antwort auf Fragestellung: Wann muss welches Los in welcher Losgröße gestartet werden um genau rechtzeitig liefern zu können? (Abb. 2.25)
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Abb. 2.25 Reale Hoheit der Steuerungsentscheidung: Im Idealbild der IT oder moderner Managementsysteme führt die IT die realen Abläufe. Aufgrund vielfältiger Störparameter in jeder Ebene, fehlender Elemente in IT-Systemen, teils unzureichender Abbildung der Realität sowie der weit komplexeren und flexibleren Möglichkeiten des Menschen, Informationen mit einzubeziehen, sieht die Realität anders aus. In der betrieblichen Praxis wird die Entscheidungshoheit zunächst vom Menschen ausgeübt, danach kommen physische Zwänge (z. B. Inventurdifferenzen) und dann erst die Informationstechnologie. Zur kompetenten Optimierung von Prozessen müssen und können Störungen nur dort vermieden werden, wo sie entstanden sind. Der Ansatz, mit IT alle Probleme lösen zu wollen, kann letztlich nur sehr beschränkt Einfluss auf übergeordnete Entscheidungsebenen ausüben
2.10.5 Reduzierung von Störgrößen durch Abgleich Die redundante Auslegung der Steuerungsinformation bei matrixhybriden Systemen führt neben der direkten Optimierung der Auftragsparameter zu einer Verbesserung der einzelnen Steuerungssysteme. Die Zwangsverkettung bei der Auftragsfreigabe erzeugt einen hohen Druck, die Störgrößen des Systems in einem kontinuierlichen Prozess zu eliminieren. Die unterschiedlichen Informationsquellen des MHS geben nicht immer die gleichen Zielwerte vor. Aus der Höhe der Abweichung können Rückschlüsse auf Fehler im System gezogen werden. Der darauf folgende Abgleich der Systeme führt zu einer Reduzierung der Störgrößen in den einzelnen Verfahren (Tab. 2.3). In einem kontinuierlichen Verbesserungszyklus werden auf jeder Ebene der Steuerung Störgrößen sichtbar und können systematisch abgestellt werden. Die Überprüfung bindet das breite informelle und interdisziplinäre Wissen (Softfacts) des Mitarbeiters ein. Dadurch entsteht eine fundierte Kenntnis über den Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Die wachsende Erfahrung führt zu einer besseren Einschätzung von kritischen Situationen (vgl. Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing). Der Materialfluss fließt mit hoher Wahrscheinlichkeit kontinuierlich.
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Tab. 2.3 Typische Störgrößen, die mit einem hybriden Steuerungsalgorithmus abgestellt werden können MRP Kanban MRP-Stammdaten sind falsch oder nicht gepflegt MRP-Prognose enthält Fehler Buchungsfehler im MRP Prognosegüte ist schlecht Monats- bzw. Wochenkumulationen führen zu überhöhten Punktbedarfen Soll/Ist-Abweichungen (z. B. Durchlaufzeit) Kalenderfehler bei automatischen Umrechnungen Fehler in der Stücklistenverknüpfung
Inventurdifferenzen Material am falschen Lagerort Fehler im Materialfluss Physisches Vorziehen von Bedarfen Buchungsfehler Fehlende oder veraltete Karten (entspricht falschen Materialmengen) Kanban-Karten kommen zu früh oder zu spät Dimensionierung zu hoch oder zu niedrig
Aufgrund der redundanten Informationen werden Störgrößen erkannt, bevor es zu Problemen kommt. Dieser Ansatz hat mittelfristig eine deutliche Verbesserung der Qualität der Basisdaten zur Folge. Zur klaren Abgrenzung, ab wann eine Eskalation auf höhere Entscheidungsebenen notwendig ist, können klare Eskalationsstufen dienen.
2.10.6 Reduzierung der Kanban-Puffer ohne Risiko Bei der MHS fließen Softfacts in die Entscheidungen (vgl. Kap. 2.10.4) mit ein, die nicht in EDV-Systemen abgebildet werden können. Beim Vergleich der verschiedenen Ergebnisse werden Hintergründe berücksichtigt, gegebenenfalls verifiziert und die Entscheidung abgesichert. Zudem erfolgt durch den Abgleich der Systeme eine Reduzierung der Störgrößen der einzelnen Steuerungsverfahren (vgl. Kap. 2.11 Heterogene Materialflusssysteme). Durch diese Absicherung wird es möglich, die Kanban-Puffer nach und nach zu senken, ohne ein Risiko einzugehen. Bei einer Kombination mit MRP wird beispielsweise ein Anstieg des Bedarfs im IT-System immer rechtzeitig angezeigt. Da Kanban die Prognoseschwankungen des MRP-Systems ausgleicht, folgt gleichzeitig eine Verbesserung der Liefertreue.
2.10.7 Ausweitung der Kanban-Penetration bei komplexen Produktionsprozessen und Produkten Die klassischen einfachen Kanban-Varianten sind vorwiegend für gleichmäßig fließende Serienteile geeignet. Bei Teilen, die mittleren bis starken Schwankungen unterliegen, funktionieren diese Kanban-Varianten nur mit sehr großen Puffern stabil. Ein Manko, das
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
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Abb. 2.26 Eignung der Steuerungsarten Kanban/MRP für das Teilespektrum eines komplexen Produktes: Etwa 20 % der Einzelteile werden gleichmäßig verbraucht und sind ideal mit klassischem Kanban zu steuern. Bei den restlichen Teilen schwankt der Verbrauch. Ein Graubereich entsteht, der weder mit Kanban noch mit MRP sicher und ohne hohen Aufwand gesteuert werden kann
Abb. 2.27 Vergleich der klassischen Kanban- und der hybriden Steuerung für ein komplexes Produkt: Bei klassischem Kanban werden die Teile entweder mit Kanban oder MRP gesteuert. Bei hybridem MRP-Kanban werden nach und nach immer mehr Teile mit Kanban gesteuert. Die Verifikation erfolgt über MRP
gerade bei komplexen, variantenreichen Produkten oder Produkten, die häufigen Änderungen unterliegen, den umfassenden Erfolg von Kanban verhindert. Hier werden nur die gleichmäßig fließenden Teile erfolgreich mit Kanban gesteuert (ca. 20–40 %), der Rest über die prognosebasierte MRP-Steuerung. Die Prognoseungenauigkeit führt weiterhin zu Störungen im Materialfluss und damit zur Einschränkung der Lieferfähigkeit beim größten Teil der Materialnummern (Abb. 2.27). Betrachtet man bei einem gemischten Teilespektrum eines komplexen Produkts die Eignung der Steuerungsarten, findet man einen sehr großen Graubereich an Teilen, der zunächst weder mit MRP noch mit Kanban optimal zu steuern ist (Abb. 2.26). Hybrides Kanban deckt genau diesen Graubereich ab. Nach und nach werden alle Teile, die halbwegs regelmäßig verbraucht werden, der hybriden Steuerung zugeführt. Auf diesem Wege wird eine sehr hohe Kanban-Penetration im gesamten Materialfluss möglich (Abb. 2.27). Am Ende werden nur noch die Teile über MRP gesteuert, die sporadisch gebraucht werden.
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P. Dickmann et al.
Aus der Praxis
2.10.8 Ergebnisse am Beispiel Voith Philipp Dickmann Mit dem Kanban-System der Voith AG im Bereich Retarder (hydrodynamisches Bremssystem für den Nutzfahrzeugbereich) wurden alle Ebenen durchgängig gesteuert: Kunde, Montage, verschiedene Vormontagen, Fertigungsstufen bis hin zum Lieferanten. Nicht nur das Seriengeschäft wurde abgewickelt, sondern auch andere Geschäftsfelder, wie etwa die Ersatzteile. Wegen der Durchgängigkeit der Umsetzung wurde es daher 1999 mit dem Innovationspreis für Logistik vom VDI ausgezeichnet. Aufgrund der Dynamik der Bedarfssituation und der teils mehr als 8 Produktionsstufen wurden zu diesem Zeitpunkt 20–30 % der Materialströme über klassisches Kanban abgewickelt, 80 % konventionell über MRP. Trotz der enormen Spannbreite konnte nach 1999 mit matrixhybridem Kanban eine entscheidende Verbesserung erreicht werden. Drei Jahre später wurde für das komplexe Produkt ein neuer Best Practice geschaffen in dem • ca. 80 % der Stückzahlen aller Aufträge und Ebenen, • ca. 90 % der Materialbereitstellung und • 80 % der Materialmengen der Lieferanten über hybrides MRP-Kanban abgewickelt wurden. Trotz kurzfristiger bis zu 50 %iger Absatzveränderungen und 50 %iger Prognosegenauigkeit wurde eine maximale Liefertreue erreicht und die Kapitalbildung wurde dabei um 50 % reduziert. Durch die Kombination der Systeme konnte die Sicherheit und Stabilität der Materialversorgung stark erhöht werden. Auch auf Kundenanforderungen konnte nun höchst flexibel reagiert werden. Mit reiner MRP-Steuerung oder einer reinen KanbanSteuerung konnte dieser Wert bei weitem nicht erreicht werden. Ein wesentlicher Teil der Einsparung wird jedoch auch durch die Restrukturierung der gesamten Abläufe in Logistik, Produktion, Vertrieb und bei den Lieferanten erzielt (vgl. Kap. 4.1 LieferantenKanban).
2.11 Heterogene Materialflusssysteme Philipp Dickmann, Eva Dickmann In der betrieblichen Praxis setzt sich Materialfluss heute aus vielfältigen hybriden und/ oder parallel ablaufenden Steuerungsverfahren zusammen, wie etwa FortschrittszahlenSystemen, Auftrags-Kanban, C-Teile-Management, JIT, JIS, Steuerung mit automatisierter Bestellschreibung, manuelle Auftragssteuerung, outgesourcte Steuerungssysteme, Gemeinkostenbeschaffung etc. In der klassischen Materialflussmatrix erscheint ein existierender Materialfluss als „kunterbunter Blumenstrauß“, der kaum zweidimensional
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Abb. 2.28 Klassische heterogene Steuerungsmatrix, hier am Beispiel einer Beschaffungsmatrix. [Dick 02c]
darstellbar ist. Die übliche Sichtweise der Materialfluss-, Steuerungs- oder Beschaffungsmatrix stellt dies sehr plakativ dar (Abb. 2.28). Im betrieblichen Ablauf mit kontinuierlichen Veränderungen auf vielfältigen Ebenen ergibt sich, aufgrund kontinuierlicher Entropie ein „Wildwuchs“ an Konzepten, was zu einer Ineffizienz des Materialflusses führt. Durch eine systematische Abstimmung der vielen Konzepte könnten die Zielgrößen Kapitalbindung, Einkaufspreis, Flexibilität und Lieferfähigkeit ein Optimum erreichen. Die klassische Materialflussmatrix, die den Zusammenhang zwischen der Prognostizierbarkeit und dem Wert der Teile visualisiert, ist jedoch nur bedingt zur operativen Arbeit geeignet. Die Kennzahl der Prognose des Materialflusses ist zu abstrakt oder schlecht greifbar und die Kosten des Materials sind kein unbeschränkt geeignetes Kriterium zur Auswahl einer Steuerungsmethode. Welche Kriterien oder Einflussgrößen, im physikalischen Sinne, sind relevant für eine Steuerungsentscheidung? Welche sind aussagefähig für die Darstellung und Kontrolle von Kostenzielen? Die Bedarfshäufigkeit und dessen Charakteristik sind dabei die bestimmenden Elemente zur Entscheidung für eine Steuerungsmethode. Sie umfassen die Prognostizierbarkeit, ebenso wie die Häufigkeit und die Höhe der Bedarfe. Diese sind, aufgrund des Produktlebenszyklus, der Kundencharakteristik und in der Praxis durch den Peitscheneffekt, permanent enormen Veränderungen unterworfen. Wichtige Kriterien sind unter anderem der Grad der Notwendigkeit der vollen Lieferfähigkeit und der minimalen Kapitalbindung oder inwieweit Engpässe fein gesteuert werden müssen. Mit diesen vier Parametern lassen sich die grundlegenden Steuerungsmöglichkeiten, die bedarfs-, bestands- oder auslastungsorientierte sowie prognosebasierte Steuerungen, auch automatisiert unterscheiden. Die reale Entscheidung, ohne ein heterogenes Konzept, wird vielfach aufgrund sekundärer Krite-
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P. Dickmann et al.
Abb. 2.29 Eine reale heterogene Steuerungsmatrix am Beispiel eines mittelständischen Automobilzulieferbetriebs – ein „kunterbunter Blumenstrauß“
rien getroffen, etwa angesichts der Durchlaufzeit (DLZ) bzw. der Wiederbeschaffungszeit (WBZ), der Kapitalbindung oder von Einzelteilpreisen. Bei der Orientierung an sekundären Kriterien besteht die Gefahr, dass mit dem Anwenden einer weniger optimalen Steuerung, die Ursachen für Probleme nicht erkannt und große Verbesserungspotenziale verschenkt werden. Diese Kriterien sind im Rahmen eines Krisenmanagements durchaus relevant. Im Normalfall wird mit einem systematisch richtigen Vorgehen eine Stabilisierung der Abläufe, Reduzierung des Aufwands und Reduzierung der gesamten auf das Produkt zu verrechnenden Kosten erreicht. Daher beinhaltet die Materialflussmatrix eine gewisse Gefahr, die mit einem heterogenen systematischen Konzept vermeidbar wäre (Abb. 2.29).
2.11.1 Direkte steuerungsselektive Kriterien Jedes der Steuerungsgrundkonzepte besitzt einen charakteristischen, optimalen Anwendungsbereich: (Tab. 2.4)
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
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Tab. 2.4 Optimaler Anwendungsbereich von Steuerungsgrundkonzepten Steuerungstyp Optimales Anwendungsgebiet Bedarfsorientierte Steuerung Bestandsorientierte Steuerung Prognosebasierte Steuerung Auslastungsorientierte Steuerung
Unplanbare Bedarfe Hohe Lieferfähigkeit, Bestandsoptimierung Sichere, planbare Bedarfe Kritische Kapazität
Abhängig vom Anwendungsfall wird in einer heterogenen Matrix je nach Anforderungsprofil die optimale Steuerung ausgewählt werden.
Systematische Bedarfscharakteristik Kunden- und Marktanforderungen Anforderungen in unterschiedlichen Märkten definieren unterschiedliche, optimale Beschaffungs- und Steuerungsmethoden. Anhand dieser Basistabelle (Tab. 2.5) wird deutlich, dass für jeden dieser Vertriebstypen verschiedene Steuerungsmethoden geeignet sind. Aber auch innerhalb der Gruppen, z. B. bei Ersatzteilen, können einerseits Materialien mit Seriencharakter und andererseits ähnliche Varianten mit sporadischem Bedarfscharakter vorhanden sein. Die Analyse der Tab. 2.5 Beispiel typischer, idealisierter Kundenanforderungsprofile. [Lepr 05b] Ersatzteile Sonderprodukte Serienprodukte Teilevielfalt Losgrößen und Bedarf Herstelllosgrößen Vorhersehbarkeit der Bedarfe Bedarfscharakteristik
sehr hoch klein
hoch klein bis punktuell groß Endbevorratung groß, klein oder Standardsonst sehr klein teile groß gering gering bis gut
niedrig abhängig von Beschaffungskonzept abhängig von Beschaffungskonzept sehr gut
einmalig, sporadisch bis kontinuierlich
kontinuierlich
Bedarfsgröße
klein
sporadisch, unkontinuierlich bis kontinuierlich klein bis mittel
Wertstromanteil Volumenanteil Lageranteil Lagerumschlag Umsatzanteil Beschaffungsmethode
gering gering mittel bis hoch sehr gering gering einzel- und Rahmenbestellung
10–30 % mittel mittel bis hoch mittel mittel Einzel- und Rahmenbestellung
Kleinserie bis Massenproduktion 20–60 % hoch mittel bis gering sehr hoch sehr hoch Rahmenverträge, Kanban oder automatisierte Beschaffung
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Abb. 2.30 Bedarfscharakteristik im Lebenszyklus: Die optimale Steuerungsmethode verändert sich im Produktlebenszyklus. Mit Zunahme von Änderungen oder Neuanläufen und Verkürzung der Produktlebenszyklen reduziert sich der Anteil der klassischen Kanban-tauglichen Materialnummern drastisch
Kundenanforderungsprofile ist eine der wesentlichen Maßnahmen zur heterogenen Materialflusssteuerung (Abb. 2.30). Anforderungen im Produktlebenszyklus Die optimale Steuerungsmethode ist kein Fixum, vielmehr verändert sie sich während des Verlaufs des Produktlebenszyklus erheblich. Typischerweise beginnt dieser bei der Projektphase, geht in die Serienphase über und endet in der Ersatzteilphase. So gibt es weder für den gesamten Lebenszyklus noch für einen dieser Abschnitte eine Universallösung für die Steuerungsmethode. Es gibt immer nur spezielle, optimale Lösungen für jedes Produkt und jeden seiner „Lebensabschnitte“. Um eine optimale Lösung zu erreichen, muss die Steuerungsmethode dynamisch mit den Rahmenbedingungen abgeglichen und daran angepasst werden. Vorhersehbarkeit der Bedarfe Diesem Kriterium kommt eine Schlüsselrolle bei der Steuerungsauswahl zu. Es ist mit der Prognosegüte rückwirkend automatisiert ermittelbar, sofern eine Prognose vorhanden ist. Aus der Relation der Plandaten zum tatsächlichen Verbrauch kann die tatsächliche Planungsgüte in Abhängigkeit von der Zeit ermittelt werden. Dieses Verfahren ist allerdings nicht gebräuchlich. Öfter wird in der Praxis die Häufigkeit der Bedarfe anstelle deren Vorhersehbarkeit verwendet. Dieser Faktor ist in jedem üblichen MRP-System einfach abgreifbar und kann zur Steuerungsauswahl einfacher genutzt werden. Dabei werden gerne hybride Steuerungen zum Absichern der bestands- oder kapazitätsorientierten Steuerung durch MRP-Systeme oder Fortschrittszahlen-Steuerungen ergänzt. Grundlegend stellt
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sich aber das Problem, dass auch eine gute Prognostizierbarkeit das Risiko birgt, dass die Prognose nicht stimmt. Lieferfähigkeit und geringe Lagerreichweite Diese beiden Kriterien können in bestandsorientierten Steuerungen optimal erreicht werden. Gerade die Kanban-Steuerung erzielt eine besondere Sicherheit und Stabilität. Im Vergleich zu prognosebasierten Steuerungen erreichen bestandsorientierte Steuerungen bei abnehmender Bedarfshäufigkeit eine Zunahme der Lagerreichweite und damit der Kapitalbindung. Dies stellt eine Einschränkung des optimalen Einsatzbereichs dar, d. h. beim gravierenden Abfall der Bedarfe besteht das potenzielle Risiko, Überbestände zu erreichen. Dieser Nachteil kann durch eine hybride Steuerung kompensiert werden. Auslastungsorientierung und Engpasssteuerung Belastungsorientierte Steuerungen sind optimal geeignet, um eingeschränkte Ressourcen optimal auszulasten. Da weder prognosebasierte noch bestandsorientierte Systeme, zumindest bei höherer Variantenvielfalt, eine Kapazitätssteuerung leisten können, sind diese bei zunehmender Variantenzahl und der Notwendigkeit einer vollen Auslastung unzureichend. Fehlende Freikapazität unterstützt generell aber den Peitscheneffekt und erzeugt (vielfach nicht unmittelbar erkennbare) immense Kosten. Das TPS strebt daher ein Mindestmaß an Freikapazität an. Bedarfsspitzen sollen zum einen vermieden werden oder durch höhere Flexibilität der Kapazitäten im Kundentakt produzierbar sein (Abb. 2.31).
Bedarfshäufigkeit
Abb. 2.31 Die optimale Steuerung in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Bedarfe
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P. Dickmann et al.
2.11.2 Indirekte Steuerungskriterien iederbeschaffungszeit (WBZ) und Durchlaufzeit (DLZ) W Lange Transportstrecken, große Durchlaufzeiten und große Losgrößen sind wesentliche Zielgrößen bei der Reduzierung von Verschwendung nach dem TPS. All diese Faktoren beeinflussen die Bedarfshäufigkeit und nehmen daher indirekt auf die Auswahl der optimalen Steuerungsmethode Einfluss (Abb. 2.31, Abb. 2.32 und Abb. 2.33). Zur besseren Veranschaulichung hier ein Beispiel: Durch große Losgrößen wird eine nur sehr sporadische Anlieferung notwendig. Prognosebasierte Steuerungen erreichen durch solche Effekte einen Vorteil. Um z. B. eine hohe Kanban-Penetration wirtschaftlich sinnvoll umsetzen zu können, müssen daher zunächst Anlieferintervalle, Losgrößen, WBZ und DLZ unter wirtschaftlichen Kriterien reduziert werden. Unberücksichtigt bleiben bei dieser Betrachtung, dass lange Durchlaufzeiten hohe Lagerbestände und Kapitalbindung notwendig machen, die Flexibilität reduzieren und das Risiko bei Veränderungen erhöhen. Eine Einbeziehung der DLZ zur Bewertung von Beständen, etwa im Lagergrad, ist als eingeschränkt tauglich anzusehen, da nur die sekundäre Größe betrachtet wird. Der Lagergrad beschreibt die Relation von Lagerreichweite zu WBZ oder DLZ, welche zudem bei stark vom Peitscheneffekt beeinflussten Materialflüssen stark schwankend sind. WBZ und DLZ werden zur Absicherung der Verfügbarkeit in solchen Fällen in der Praxis erhöht, die Lagerreichweite sowie hohe Bestände sind gerechtfertigt und prognosebasierte Systeme erscheinen vorteilhafter. Tatsächlich könnte durch die Einflussnahme auf den Peitscheneffekt mit mehr Flexibilität, höherer Sicherheit und deutlich geringerer DLZ gearbeitet werden.
Lagerreichweite, Umschlagshäufigkeit und Kapitalbindung Lagerreichweite und Umschlagshäufigkeit betrachten den Lagerbestand in Relation zu den Bedarfen und sollen die Bewertung oder Klassifizierung von Beständen ermögliAbb. 2.32 Die optimale Steuerung in Abhängigkeit von der Abruflosgröße. [Dick 02c]
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
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Abb. 2.33 Grafik zur systematischen Auswahl der heterogenen Steuerungsmethoden, abhängig von der realen Transportzeitverteilung eines Unternehmens. (Quelle: lepros GmbH)
chen. Die beiden Größen sind jedoch nur bedingt dazu geeignet, da sie von Prognoseschwankungen abhängig sind bzw. maßgeblich davon beeinflusst werden. Trotzdem werden sie häufig bei der Bewertung der Kapitalbindung herangezogen. Zudem können beide Kriterien in eine Steuerungsentscheidung einfließen. So sind zum Beispiel bei geringen Lagerwerten Steuerungen mit einer geringeren Steuerungsgenauigkeit, d. h. die unnötig erhöhte Bestände erzeugen, akzeptabel. Umgekehrt wird bei hochwertigem Material eine möglichst optimale Steuerung angewandt, womit eine Verringerung der Kapitalbindung erreicht wird. Ein wesentlich höheres Einsparungspotenzial als bei der Kapitalbindung liegt in der Vermeidung des Peitscheneffekts.
Einfluss physischer Materialflusskriterien Verschiedene Details des physischen Ablaufs beeinflussen die Wahl des optimalen Materialflusskonzepts erheblich: • • • •
Größe und Gewicht des Materials Transportstrecke Verpackungslosgrößen Leerguttransportkosten
2.12 Steuerungsmanagement Philipp Dickmann, Eva Dickmann Die Problematik der Materialflusssteuerung wird in der Literatur überwiegend auf die Optimierung der Steuerungsalgorithmen reduziert. Die Ursache liegt vermutlich im Selbstver-
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ständnis der Steuerung, sich als untergeordnete Größe zu unveränderlichen Rahmenbedingungen, wie Kapazität von Personal und Anlagen, räumlichen Anordnungen, technischen Vorrichtungen, Betriebsmitteln etc., zu suchen. Das oberste Ziel der Produktionssteuerung ist es, unter allen Bedingungen ein optimales Ergebnis zu erreichen. Tatsächlich wird damit vielfach bewirkt, dass vorhandene, mittel- bis langfristige Verbesserungspotenziale nicht erkannt werden. Die für die Steuerung verantwortlichen Mitarbeiter verbringen nicht selten einen Großteil ihrer Kapazität damit, den Störungen und damit den Materialflussengpässen vorzubeugen oder sie zu beheben. Sie betreiben Krisenmanagement. Das TPS löst dies durch Dezentralisierung und Gemba-Orientierung der Managementkompetenz. Die Steuerung des Materialflusses und damit des Wertestroms umfasst aber weit mehr Einflussgrößen als in den automatischen Steuerungsalgorithmen von MRP-Systemen enthalten sind. Matrixhybride Steuerungsinformationen aus der Vertriebsplanung, Historienentwicklung, Logistik-, Produktions- und Lieferantenplanung können nur gemeinsam zu einem hochwertigen Ergebnis führen. Letztlich muss die Planung in Einklang mit den Kundenbedarfen stehen und in einem auf der Zeitachse iterativen Managementprozess bis auf die einzelnen Schichten und Arbeitsplätze durchgängig „herunter gebrochen“ werden. Hierzu muss ein ManagementSystem die Durchgängigkeit der Abstimmungen erreichen von Mehrjahres-, Jahres-, Quartals-, Monats-, Wochen-, bis zum Tages- oder Schichthorizont. Ein derart operativ durchgängiges Wertstrommanagement bildet die Voraussetzung, für einen Materialfluss mit maximaler Lieferfähigkeit, minimalen Beständen, höchster Effizienz und maximaler Kapitalrendite.
2.12.1 Steuerung der Herstellprozesse – eine Managementaufgabe Fachabteilungen, die nicht mit dem Materialfluss vertraut sind, wird selten bewusst, dass die Abstimmung der Steuerung eine Managementleistung ist (Abb. 2.35). In den Unternehmen fehlen in der Regel die nötigen Strukturen für diese Managementaufgabe. Das führt dazu, dass in den Bereichen Materialfluss und Produktionssteuerung Krisenmanagement nötig wird. Ursachen werden selten ermittelt, denn Störungen sind so häufig, dass die Situation als normales Tagesgeschäft angesehen wird (vgl. Kap. 2.1.1 Regeln für einen kontinuierlichen und störungsfreien Materialfluss). Die Entwicklung wird deshalb nicht an die Geschäftsführung weitergeleitet und die Entscheidungen zur Problemlösung werden von den operativen Sachbearbeitern alleine getroffen. Damit werden Entscheidungen über hohe Beträge der Verantwortung des Sachbearbeiters im Tagesgeschäft überlassen, obwohl ansonsten selbst kleinste Investitionen von der Geschäftsführung entschieden und unterschrieben werden. Die Summe der Beträge macht sich dabei maßgeblich im Betriebsergebnis bemerkbar (Abb. 2.34). Einerseits wirken sich Störungen im Materialfluss auf die Liefertreue aus. Andererseits ist ein großer Teil der Mitarbeiter in allen vom Materialfluss betroffenen Fachabteilungen
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Stückzahl
Abb. 2.34 Umsatzrendite in Abhängigkeit von der Liefertreue: Bei einer Erhöhung der Liefertreue von weniger als 70 % auf mehr als 90 % wurde eine mehr als 50 %ige Erhöhung der Umsatzrendite erreicht [Hoes 07]. Der Versuch, eine Erhöhung der Liefertreue mit Pufferkonzepten zu erreichen, führt zu sinkender Flexibilität der Herstellprozesse. Durch den Pufferbestand werden Störungen (z. B. Inventurdifferenzen) nicht erkannt, daher ist die Sicherheit nur sehr gering. Bei Schwankungen (z. B. kurzfristigen ungeplanten Abrufen) wird trotzdem keine volle Liefertreue erreicht. Gleichzeitig führen Pufferkonzepte zu hoher Kapitalbindung. Schlanke Produktionssysteme erreichen hingegen deutlich höhere Flexibilität, Liefertreue und eine Reduzierung der Kapitalbindung
Abb. 2.35 Planungen der verschieden Fachbereiche: Sie unterscheiden sich gravierend. Bei differenziertem Abgleich können sehr präzise Abschätzungen entstehen
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(Vertrieb, Einkauf, Disposition, Logistik und Produktion) mit Krisenmanagement beschäftigt. Entscheidungen der verantwortlichen operativen Mitarbeiter haben daher das Potenzial, den aktuellen und zukünftigen Wertestrom und damit die Geschäftsentwicklung gravierend zu beeinflussen. Aufgrund des hohen Gefahrenpotenzials und seiner Auswirkung (im Sinne einer Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA)) sollte diesem Thema mehr strategisches Gewicht verliehen werden. Das geschäftsführende Management sollte die Koordination und Abstimmung bzw. die Kompromisse, die zwischen dem Vertrieb, der Logistik, Einkauf und der Produktion etc. getroffen werden, persönlich überwachen und kritisch hinterfragen [Woma 05]. Damit nützt die Geschäftsführung ihre Chance, Einfluss auf die gesamten Kosten und damit auf die Unternehmensentwicklung nehmen. In klassischen Unternehmensstrukturen ohne Lean wird versucht, dem Problem z. B. mit hoch optimierten Steuerungsalgorithmen zu begegnen. TPS schlägt dagegen zwei völlig andere Ansätze für das Steuerungsmanagement an: • Gemba-Orientierung: Die Geschäftsführung bindet sich in diese Entscheidungen persönlich ein und nimmt persönlich an den Abstimmungsrunden der Entscheidungsträger teil. • Dezentralisierung der Verantwortung: Die Entscheidungsrunden erhalten die Hoheit, über alle relevanten Investitionen, Bereiche und Kosten zu entscheiden. Dies kann z. B. mit Unit-Strukturen realisiert werden. Die Unit-Manager erhalten dann annähernd geschäftsführende Hoheiten.
2.12.2 Integration hybrider interdisziplinärer Informationen beim Steuerungsmanagement Das populäre Verständnis des Begriffs der Steuerung umfasst primär Algorithmen. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein großes Angebot an Informationstechnologieprodukten entwickelt, welches die Optimierung von Steuerung unterstützt. MRP-Systeme bieten tatsächlich eine Fülle sehr hilfreicher Informationen und Visualisierungen, auf die heute kaum mehr verzichtet werden kann. Sie beinhalten aber nur einen kleinen Teil der für die optimale Planung und Entscheidungen relevanten Informationen. Vor allem in Konzernstrukturen arbeiten verschiedene Bereiche wie Vertrieb, Logistik, Produktion und Einkauf nach ihren weitestgehend isoliert entstandenen Planungen. Um eine gemeinsam abgestimmte „Marschroute“ zu finden, die möglichst alle Ziele der angrenzenden Bereiche gleichermaßen erfüllt, ist es notwendig, hybrid alle interdisziplinären Informationen [Lepr 05b] „an einem Tisch“ einfließen zu lassen und dadurch eine fundierte und abgesicherte Steuerungsentscheidung zu fällen.
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Vertriebsplanung Die Vertriebsplanung ist vielfach nur temporär identisch zur MRP-„Bedarfswelt“, die sich aus Kundenbedarfen und automatisch oder manuell erzeugten Planbedarfen zusammensetzt. Planzahlen der Vertriebswelt beinhalten Vorinformationen, Zusagen und Trends vom Kunden und vom Markt als Ganzes. Die Vertriebsplanung spiegelt sich nur näherungsweise und temporär in der Summe der Bedarfe im MRP wieder. Um mittelfristig, z. B. monatlich, optimal planen zu können, ist es in vielen Fällen sinnvoll, wesentliche, abgesicherte aber auch ungesicherte Informationen mit unterschiedlicher Gewichtung zu berücksichtigen. Letztlich sollten die Trends des für den Kunden relevanten Marktes und die Bestandssituation des Kunden zur Erläuterung der Vertriebsplanung mit einfließen. Historienentwicklung Im Maschinenbau und im Automobilzulieferbereich wird vornehmlich mit MRP-Systemen zur Steuerung gearbeitet. MRP verwendet überwiegend Planungen und konkrete Bedarfe als Basis der Steuerung. Es ist aber durchaus lohnenswert, mit hoch entwickelten Algorithmen, wie dies etwa bei Handelswaren üblich ist, die Tendenzen und Informationen aus den Historiendaten mit einzubeziehen, z. B.: • • • • •
Saisonale Schwankungen Saisonale Bedarfsspitzen Zeiträume mit schlechter Prognosegüte vom Kunden Kundenspezifische Prognosegüte Zeiträume, in denen Kunden häufig Bedarfe verschieben
Dies sind Informationen, die helfen, das Verhalten der Kunden und die tatsächliche Planung abzusichern. Wesentlich ist auch die Ermittlung der eigenen Prognose-Einhaltung oder -Güte. In einem iterativen Prozess wird die Qualität der Prognose verbessert, durch kontinuierliches Hinterfragen von Abweichungen, dem Abstellen von Störgrößen und dem realistischeren Einschätzen von Risiken.
Logistikplanung Die Logistiksteuerung und -planung ist abhängig von durchgängigen MRP und Fortschrittszahlensystemen als Basis der Steuerung. Im Gegensatz zu anderen Bereichen sind bei umfangreicheren Produkten die Disponenten kaum mehr in der Lage, ohne solche oder ergänzende Systeme zu arbeiten. Bestands- oder kapazitätsorientierte Systeme ergänzen prognosebasierte Verfahren häufig zur Optimierung spezieller Produktionsbereiche oder Produktfamilien.
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Abb. 2.36 Kleine Losgrößen erreichen durch die feinere „Rasterung“ eine exaktere Annäherung an den Verlauf der Kundenbedarfe. Neben diesen statischen Vorteilen wird auch eine höhere Reaktionsfähigkeit erreicht. Es kann ohne aufwändige teure Sonderaktionen (z. B. Ausfallzeiten zusätzliches Rüsten) kurzfristig auf Verschiebungen reagiert werden
Produktionsplan Die Produktionsplanung weist grundsätzlich Unterscheide zu MRP und Vertriebsplanung auf. Diese Differenz kann Losgrößen, Rundungswerte, Gebindegrößen, Urlaubszeiten, Krankheitswellen, Wartungs- und Umbaumaßnahmen, Schulungsaktivitäten, Maschinenstörungen etc. als Ursache haben. Die Produktionsplanung sollte daher möglichst kleine Lose und kurze Durchlaufzeiten abbilden, um eine genaue Planung zu erreichen. Durch kleine Losgrößen und Puffer kann die Produktion störungsfrei und weitgehend entkoppelt zu den dynamischen Verkaufszahlen und MRP-Daten arbeiten – eine „atmende“ Produktion entsteht (Abb. 2.36). Lieferantenplanungen Der Einfluss der Lieferantenplanung auf den Kunden wird nicht selten unterschätzt. Zulieferer werden über Verbindlichkeiten zu sehr günstigen Konditionen verpflichtet. Durch kostenorientierte und investitionsabsichernde Philosophien werden die Verbindlichkeiten gegenüber den Lieferanten erst sehr kurzfristig fixiert. Die abgestimmten Kapazitätsgrenzen bei den Lieferanten bilden bei Bedarfsspitzen einen Engpass (engl. Bottleneck). Der Kunde wird durch den Lieferanten „gesteuert“. Über alle Lieferanten betrachtet, entstehen aus Sicht des Kunden sehr heterogene und kaum zu überschauende Schnittstellen, wenn keine koordinierten Lieferantenstandards umgesetzt oder eingehalten werden. Die Summe dieser Informationen auf der direkten Informationsträgerebene ermöglicht es, ein optimales und abgestimmtes Planungsergebnis oder Steuerungsmanagement zu erzielen.
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2.12.3 Iterative Managementstruktur Mit Zunahme der Penetration der IT wurde in den letzten Jahren zunehmend angestrebt, möglichst exakt zu planen. Tatsächlich sind verschiedene Informationen aber sehr unterschiedlich in ihrer Qualität und ihrer Planungsgenauigkeit. Die Zunahme der Datenmenge korreliert zudem grundsätzlich nicht mit einer Zunahme der Datenqualität oder der Planungsgüte. Eine höhere Planungsgüte benötigt so wenig Daten wie nötig, die so konsistent wie möglich sein sollten [DicE 04].
Kundenplanungshorizonte In der Bedarfsplanung der Automobilindustrie werden, für den Zeitraum von einigen Wochen, die Bedarfe exakt tagesgenau dem Lieferanten übermittelt. Für zeitlich entfernte Abschnitte werden die Bedarfe auf Wochen und später Monate kumuliert übermittelt. Tatsächlich führen diese genauen Planungen dazu, dass Prognoseschwankungen zunehmen. Die sich kontinuierlich verschiebenden Grenzen der Prognosehorizonte führen zu Bedarfsbündelungen und zu extremen, rein rechnerischen Bedarfsspitzen. Gleichzeitig führt die „Begeisterung“ für elektronische Datenübertragung bei dieser Art der Nutzung, durch immer kürzer werdende Übertragungszyklen, zu einer Explosion der Datenmengen und damit auch der Datenfehlerraten. All diese Faktoren stellen wesentliche Ursachen für einen starken Peitscheneffekt (vgl. Kap. 2.1 Ruhiger, kontinuierlicher Materialfluss) in MRP-Systemen und der Supply Chain dar. Eine einfache Alternative besteht in einer längerfristig kumulierten Planung, etwa monatsgenau und in größeren Übertragungsabständen. Diese grobe Planung muss dann vom Lieferanten, geglättet auf reale Produktionsschlagzahlen, tagesgenau eingeplant werden. Kurzfristige Schwankungen werden z. B. über Kanban gepuffert. Dadurch reduziert sich die Häufigkeit der Übertragung um ca. 80 % und die Anzahl der Daten je Übertragung um in der Regel mehr als 50 %. Der Aufwand zur Überprüfung wird folglich um ca. 90 % reduziert und die Datenqualität steigt. Im selben Maße wird eine Beruhigung der Bedarfsschwankungen erreicht. Durch die Reduzierung der Schwankungen und die verbesserte Prüfung werden tatsächliche Trends klarer erkennbar. Hintergrundschwingungen entfallen weitestgehend. Anstatt viele Daten zu übermitteln, die so eine nur scheinbar hohe Genauigkeit suggerieren, werden sehr wenige, abgesicherte Daten übertragen. Schwankungen werden so einfach und deutlich sichtbar. Im Feinplanungshorizont können die tatsächlichen Bedarfe über definierte Mindestpuffer abgerufen werden. Iterative Planungsebenen bei der Umsetzung Die Steuerung der Herstellprozesse ist eine Managementaufgabe bei der verschiedene, möglichst operative, direkte Informationsträger mit eingebunden werden sollten. Die Zeitachse auf der geplant wird, liegt bei vielen Unternehmen auf der Monatsebene, bis hin zur Jahres- bzw. Mehrjahresplanung. Für einen nüchternen und kurzen Abstimmungsprozess
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sind Routinemeetings üblich. Wesentlich ist weiterhin, dass diese Entscheidungen durch ergänzende Routinen in kleineren Runden, auf das Wochen-, Tages- oder Schichtprogramm herunter gebrochen werden. Die Steuerung und die operativen tages- und schichtgenauen Arbeitsinhalte werden dadurch exakter aufeinander abgestimmt. Dieses iterative Konzept führt zu einem Steuerungsmanagement, bei welchem eine gemeinsame „Linie“ durchgängig umgesetzt wird. Dies bildet eine der wesentlichen Voraussetzungen, um die Feinsteuerung sinnvoll aufsetzen zu können.
2.13 Iteratives Planungsmanagement & Planungsrundenmanagement, Materialfluss-Kaizen sowie Materialfluss- und Informationsfluss-Design omplex abgestimmtes Vorgehen, zum Erreichen eines „Schlanken Materialflusses“ K in der Kunden-Lieferanten-Beziehung Joachim Hirsch, Philipp Dickmann Lean Production wird in Deutschland seit etwa 20 Jahren betrieben, ist jedoch immer noch sehr stark auf den Produktionssektor fokussiert. Im Toyota Produktionssystem, welches treffender als Toyotasystem bezeichnet werden sollte, wird Lean nicht auf die Produktion beschränkt, sondern in allen Unternehmensbereichen umgesetzt. In Europa wird dagegen bei Lean-Projekten oder -Kampagnen nicht das gesamte Unternehmen mit allen Fachbereichen betrachtet. Es ist vielmehr der typisch „deutsche“ Lean-Ansatz, sich einen kleinen Teil (sei es eine Anlage oder eine Linie) auszusuchen und zu versuchen, lediglich für diesen Ausschnitt das optimale Ergebnis herauszuholen. Diese Herangehensweise ist nicht fundiert und bringt langfristig allenfalls eine geringe Verbesserung. In Europa wird Materialfluss als eine Art Randerscheinung bei Lean-Themen verstanden und ebenso nur auf Einzelmethoden wie Kanban oder JIT reduziert. Der erste Schritt, vor allem im Materialfluss, erfordert grundsätzlich eine Analyse des gesamten Materialflusses, um fundiert Entscheidungen darüber treffen zu können, in welcher Reihenfolge notwendige Veränderungen vorgenommen werden. Das Ziel sollte nicht sein, lange über die „300 %ige“ perfektionistische Verbesserung nachzudenken, sondern möglichst sofort Ideen umzusetzen, selbst wenn sie „nur“ 40, 60 oder 80 % an Verbesserung bringen. Somit hält man sich nicht unnötig lange mit feinsten Detaillösungen auf, die im Verhältnis nur einen geringen Nutzen erzielen. Durch Lean im gesamten Materialfluss kann bei Lieferengpässen, die etwa auf Kapazitätsproblemen beruhen, eine Reduzierung bzw. komplettes Lösen des Krisenmanagements nachhaltig erreicht werden. Wie nachfolgend aufgezeigt wird, lässt sich in vielen Fällen eine volle Lieferfähigkeit ohne Investitionen in neue Anlagen sowie ohne zusätzliches Personal und dies bei reduzierter Kapitalbindung verwirklichen. Es muss das Ziel sein, alle vier Faktoren gleichzeitig zu erreichen! Voraussetzung ist der nach-
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haltige Einsatz einer langjährigen, in der Praxis ausgereiften Mischung unterschiedlicher Lean-Methoden in den verschiedensten Fachbereichen und der Aufbau der Kompetenz bei den Mitarbeitern, die vom Materialfluss betroffen sind. Einen flexibleren Materialfluss bei voller Liefertreue (Erhöhung um 20–30 %) zu erreichen, setzt zwar eine gravierende interdisziplinäre Veränderung der Arbeitsweise voraus, kann jedoch ohne hohe Kosten und IT-Aufwendungen erreicht werden. In diesem Artikel wird ein konkretes Beispiel einer solchen Umsetzung dargestellt. Angewandt wurde unter anderem Materialfluss-6S, Materialfluss-Kaizen, Levelling, Materialfluss- und Informationsfluss-Design und Iteratives Planungsrundenmanagement. In diesem Beitrag werden die praktischen Erfahrungen eines konkreten Projekts in der obersten Produktions- und Lieferstufe bei einem SecondTier im Automotivebereich vorgestellt. Da die Logistikprozesse sehr komplex und vor allem interdisziplinär verkettet sind, war eine Laufzeit des Kernprojekts von mehr als sechs Monaten nötig, mit anschließendem weiterführenden Coaching.
2.13.1 Fallstricke in der Kunden-Lieferanten-Kommunikation Tatsächlich ist die Auswirkung von Störeffekten bei den Unternehmen allgegenwärtig. Nicht selten sind bis zu 100 % Bedarfsschwankungen bzw. deren Folgeerscheinungen, wie • • • • • • • •
kurzfristige Bedarfe, unvorhersehbare Änderungen, Kapazitätsengpässe, Lieferengpässe, Überbestände, Sonderaktionen, kurzfristiges Unterbrechen von Aufträgen, usw.
auf den Bullwhip-, Snowball- und ähnliche Effekte zurückzuführen (vgl. Abb. 2.4 Peitscheneffekt). Um u. a. den Peitscheneffekt zu verhindern ist ein ganzes Bündel an abgestimmten Maßnahmen nötig. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Kommunikation bzw. die „Fallstricke“ der Kunden- und Lieferantenkommunikation sowie des internen Materialflusses. Durch verschiedene Einflussfaktoren wie • • • • •
Losgrößenbildung, Mindestbestellmengen, Sicherheiten auch (non-IT), „Pflegefehler“, Transporte,
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• • • •
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Störungen, Buchungsfehler, lange Durchlauf- und Sicherheitszeiten, usw.
schaukeln sich kleine Unregelmäßigkeiten im Bestellverhalten zu immer größeren Up‘sand-down‘s auf. Es entsteht der sogenannte Bullwhip-Effekt (Peitscheneffekt). Je mehr Schritte zwischen dem Endkunden und den eigenen Produktionsstufen nötig sind, desto deutlicher kommt der Bullwhip-Effekt zum Tragen. Im Folgenden werden ein exemplarisches Beispiel sowie die Ergebnisse dieser Methode beschrieben. Aus der Praxis
2.13.2 Iterativen Planungsmanagements mit dem Kunden – Workshops zur Optimierung der Bedarfsplanung Im Vorfeld wurde mittelfristig an der Maximalanlagenkapazität produziert und es war nicht möglich, kurz- bis mittelfristig Rückstände aufzuholen bzw. zu beliefern. Dieser Umstand erforderte eine Fortsetzung der Engpasssteuerung. Im Rahmen eines Bereinigungsworkshops wurde vom achtköpfigen Team in Zusammenarbeit mit einem wichtigen und besonders lieferkritischen Kunden in nur drei Tagen eine deutliche Verbesserung erreicht. Es wurden im Wesentlichen fehlerhafte Bedarfe bereinigt, die Planung und Logistikabläufe in allen kleinsten Details umfassend verändert und verfeinert sowie zudem durch Lean-Ansätze umstrukturiert [HirJ 13].
Ergebnisse des Workshops • • • • • • • • • •
25 % der Bedarfe eines Monatsvolumens im Nahfristbereich sind entfallen. 100 % Lieferfähigkeit des Lieferanten und des Kunden wurde sofort erreicht. Eine langfristige Methode zur Stabilisierung dieses Zustands wurde entwickelt. Weitreichende Lagerbestandsreduzierungen wurden eingeleitet und größtenteils umgesetzt. Der Kunde wurde sehr viel flexibler und gleichzeitig sicherer versorgt. Kurzfristige Bedarfe anderer Kunden, aufgrund priorisierter Aufträge waren dadurch machbar. Das Krisenmanagement beim Kunden und bei den Lieferanten wurde systematisch zukünftig reduziert. Die Bestände bzw. Kapitalbindung wurden mehrfach auf den verschiedenen Ebenen (Rohware, Fertigungsaufträge und Fertigwarenbestände) reduziert. Unnötige Wertschöpfung wurde auch beim Kunden verhindert. Anlagen- und Personalkapazität wären blockiert gewesen, unnötig verbraucht worden oder Zusatzkapazität wäre gebunden worden.
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
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Diese Ergebnisse wurden in einem einzigen ersten Workshop erzielt. In der Folge fanden regelmäßig kleinere weiterführende Veranstaltungen mit diesem Kunden statt, die jeweils erneut zu vergleichbaren weiteren Verbesserungssprüngen führten.
2.13.3 Materialfluss-Kaizen – schlank durch operative Störungsreduzierung und Mitarbeiterkompetenz Zunächst ist es sinnvoll, ein Materialfluss-Kaizen (vgl. Kap. 2.17 Materialfluss-Kaizen) zu starten, um die Probleme zu identifizieren und diese Schritt für Schritt abzustellen. Dabei werden sowohl interne als auch externe Probleme, auf die zunächst kein direkter Einfluss genommen werden kann, identifiziert. Bei den internen Problemen wird der Einfluss der nicht unmittelbar produktiven Bereiche häufig unterschätzt. Materialfluss-Kaizen ist ein dem Gemba-Kaizen verwandter, umfassender Ansatz, der typischerweise nicht in Deutschland vorzufinden ist. Hier kommt im Vergleich ein etwas breiteres Toolkit zum Einsatz. Zum Teil besteht dies aus sehr differenzierten, über Jahrzehnte weiterentwickelte und an den Materialfluss angepasste klassische Methoden des TPS wie 5S (Ordnungs- und Sauberkeits-Ansatz). Dabei werden jedoch die modernen Methoden der Datenverarbeitung (individualisierte Analyse und Visualisierungen in Business Intelligence (BI)-Systemen, Barcoding, intelligente vereinfachte Buchungsmasken, etc.) integriert. Moderne Herstellungs- und Lieferprozesse bilden heute viel komplexere Abläufe, als dies noch vor 50 Jahren möglich gewesen wäre. Sie sind daher untrennbar mit modernen IT-Systemen verknüpft. Materialfluss-Kaizen ist außerordentlich hilfreich, um mittel- bis langfristig eine extreme Störungsfreiheit im Materialfluss zu erreichen: • Störungsfreiheit ermöglicht eine deutliche Reduzierung von Puffern, bei gleichzeitig 100 %iger Lieferfähigkeit. • Das Krisenmanagement reduziert sich. • Einfachere Abläufe sind anwendbar. • Die Mitarbeiter können ohne Störungen arbeiten. • Letztlich werden die Herstell-, Logistik- und Einkaufskosten durch vielfältige Effekte extrem reduziert.
2.13.4 Materialfluss- und Informationsfluss-Design Ein wesentlicher Schritt zum Erreichen des elementaren Ziels, „Ruhe“ in die Fertigung zu bringen und somit Verschwendungen zu vermeiden, ist die Verbesserung der Kommunikation mit dem Kunden. Kurzfristige Bedarfsänderungen und -spitzen erzeugen einen hohen
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Zusatzaufwand und Krisenmanagement, verbunden mit hohen Kosten. Die Abschaffung dieser zum Teil täglichen Probleme birgt ein enormes Potenzial. Entscheidend sind hierfür eindeutige Kommunikationswege mit klar definierten Ansprechpartnern. Sind diese nicht vorhanden, ist der Prozess auf Dauer zum Scheitern verurteilt. Sobald diese minimale Voraussetzung erfüllt ist, müssen gemeinsam verlässliche Regeln bezüglich der Bestellungen festgelegt werden, die alle verbindlich einhalten. Selbstverständlich wird es Situationen geben, in denen durch unvorhersehbare Gründe Probleme entstehen. Dabei wird eine andere Arbeitsweise der Vertriebsmitarbeiter bzw. in der Kundenlogistik (Customer Service) notwendig, um hier der Verantwortung besser gerecht zu werden, die Produktionsplanung und das Supply Chain Management optimal zu unterstützen. IT kann hier unterstützend wirken. Allerdings wird sie alleine nur einen Teil der Verbesserungspotenziale erreichen.
2.13.5 Glätten und Nivellieren Das Hauptaugenmerk liegt darauf, die Bedarfe zu nivellieren und zu glätten – also den Bullwhip-Effekt aktiv zu stoppen. Gleichmäßige Bedarfe sind der Schlüsselfaktor zu einem dauerhaft schlanken und gewinnbringenden Unternehmen. Ziel ist es, dies ohne Lager- oder Kapazitätsvergrößerung zu erreichen (Abb. 2.37).
Abb. 2.37 Glätten der Planzahlen durch systematisches Abarbeiten von Bedarfsspitzen hin zu einer geglätteten Planungssituation. Hier ein Beispiel von vielfältigen Störungen, die zu berücksichtigen sind und die systematisch abgearbeitet werden müssen
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2.13.6 Iteratives Planungsrundenmanagement – Planungsszenarien und Fehler systematisch bewerten und einen ruhigen abgestimmten Materialfluss erzeugen Zunächst sind klare Eskalationsroutinen entscheidend. Falls Ansprechpartner „A“ nicht mehr weiterhelfen kann, wendet man sich an Person „B“. Sind die Standards (Wege und Regeln) festgelegt, kann man sich den eigentlichen Problemen widmen. Ziel ist es, nicht mehr mit seinen Kunden über den Nahfristbereich zu „streiten“, sondern „in Ruhe“ über die Bedarfe mehrere Monate im Voraus zu sprechen. Unregelmäßigkeiten im Mittelfristbereich verursachen meist keinerlei Kosten bei der Änderung, da sie in der Produktionsplanung oder Beschaffung noch nicht fest eingesteuert sind. Hier waren systematische Planungsdaten in Kombination mit veränderten Planungsrunden bzw. Planungskontrollen notwendig. Im weitesten Sinn ist die Arbeitsweise hier ähnlich zu der Abstimmung im GembaWalk. Die verwendeten Daten sind jedoch viel detaillierter und umfassender. Zudem sind sie um die langfristige Perspektive erweitert. Diese Vorgehensweise scheint komplex, ist aber aufgrund der ausgereiften Methodik nach der Umsetzung prinzipiell sehr einfach. Der Ablauf erfordert jedoch eine veränderte Arbeitsweise zwischen diversen Fachbereichen. Die Art der Planung setzt eine deutliche Änderung der Arbeitsweise der Mitarbeiter voraus und ist daher nur im Jahreshorizont real erlernbarer bzw. nachhaltig stabil implementierbar. Ebenso wichtig wie die Probleme mit den Kunden zu lösen, ist es selbstverständlich, die „Materialfluss-Hausaufgaben“ im eigenen Unternehmen zu erledigen. Die Bereinigung der Daten im MRP-System und Optimierung der Steuerung ist hier entscheidend. Ziel ist eine klare durchgängige Planung, aufbauend auf den Kundenbedarfen, vom fertigen Produkt bis zum Rohmaterial im jeweiligen MRP-System.
2.13.7 6S im Materialfluss – die Ordnungs- und Sauberkeitsmethode des Toyota Produktionssystems Es ist empfehlenswert, eine komplette, teils zum klassischen 5S ähnliche Aufräumaktion des Materialflusses umzusetzen, in der auch althergebrachte Methoden hinterfragt und angezweifelt werden dürfen bzw. sogar müssen. • Wird das Material überhaupt noch gebraucht? • Ist der Ort sinnvoll? • Ist die Größe angebracht? Wie wir feststellen konnten, sind ausgereifte, differenzierte und möglichst vollständige Checklisten an Kriterien wichtig. Breite und langjährige Erfahrung von derartigen Umsetzungen bestimmt die Effizienz und den Erfolg am stärksten. Anschließend muss grundlegend aufgeräumt und nicht mehr benötigtes Material rigoros entsorgt werden. Erfahrungsgemäß ist dies (wie bei Gemba-5S-Aktionen) ein oftmals emotionales, aber letztendlich sehr wichtiges Unterfangen. Abschließend wird der vorhandene Platz klar gekennzeichnet und markiert. Damit wird sichergestellt, den Suchaufwand und die Wege so gering wie möglich zu halten.
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2.13.8 Schlussgedanke und Ergebnisse des Projekts Dies ist natürlich nur ein Auszug der wichtigsten Eckpfeiler an Maßnahmen, die umgesetzt werden müssen. Dadurch wird eine vollständige Lieferfähigkeit bei gesunkener Kapitalbindung erreicht, aber vor allem auch eine kurze Reaktionszeit sichergestellt. Es gelingt, mit minimalem Kosteneinsatz, große Schwierigkeiten zu überwinden und Kundenzufriedenheit extrem zu steigern. Die so erreichbare sehr hohe Flexibilität bei ebenso extremer Lieferperformance kann ein wichtiger Vorteil von Zulieferern in Deutschland (Local Sourcing) im Wettbewerb gegenüber Osteuropa oder Asien (Global Sourcing) sein. Erst nachdem diese Voraussetzungen gegeben sind, werden ebenfalls radikale Optimierungen der Produktion oder Logistik an sich wirkungsvoll. Aus der Praxis
2.14 Auftragsspitzen durch Kommunikation mit Kunden reduzieren – Staumelder Christian Schliederer, Christine Wendlinger, Dr. Stefan Hartmann, Johann Gillinger BayernBankett GmbH ist eine Tochter der Bayerischen Landesbank und für die Gastronomie im Hause verantwortlich. Darüber hinaus betreibt sie 16 Gastronomie-Betriebe, einen exklusiven Partyservice sowie ein Hotel in Bad Reichenhall und ein Tagungshaus am Chiemsee. Nahezu alle Speisen werden unter Verwendung frischer Zutaten aus der Region verarbeitet. Auf sogenannte Convenience-Produkte wird weitestgehend verzichtet. Durch den persönlichen Kontakt zu den regionalen Lieferanten werden regelmäßig die Bedingungen vor Ort überprüft, z. B. bei der artgerechten Tierhaltung oder den hygienischen Verhältnissen in den Betrieben. Höchste handwerkliche Kompetenz und langjährige Partnerschaften sind die Basis der Kooperationen mit den Partnern. Es wird ein intensives Lieferantenmanagement mit Local-Sourcing betrieben. Im Gebäude der Bayerischen Landesbank in München werden täglich ca. 3.000 Essen zubereitet. Der Großteil (2.300) der Mahlzeiten wird intern in der BayernLB ausgegeben. Zudem werden täglich bis zu 800 Portionen an verschiedene externe Ausgabestellen geliefert. Weiterhin werden ein kleines Restaurant und ein Restaurant auf Sterneniveau versorgt, die teils vernetzt mit der Großküche arbeiten aber auch abweichende Anforderungen haben. Insgesamt ergeben sich sehr unterschiedliche Bedarfs- und Produktionsabläufe, die anspruchsvoll zu koordinieren sind. Unabdingbar ist das selbstständige Arbeiten der Teams, das Einhalten von Standards und ein permanenter Verbesserungsprozess, der mit hoher Geschwindigkeit stabile, gewinnbringende Veränderungen erreicht. Es wurden verschiedene Instrumente eingesetzt ( Lean-Ablauf, Team-Struktur, Wertstrommanagement, Materialflussanalyse, Kaizen, Balancing, Poka Yoke und Layered Audit, bzw. Assessment), mit denen die Prozessabläufe verbessert werden sollten. Während der Anfangsphase waren die Potenziale bereits ausgesprochen deutlich erkennbar. Die Planbarkeit der Bedarfe ist komplex und die Bedarfscharakteristik der unterschiedlichen Materialstromfälle zum Teil sehr individuell.
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2.14.1 Bedarfscharakteristik und Engpassphasen Eine große Herausforderung bilden sehr hohe Bedarfsspitzen. Wenn sich die Nachfrage mit großem Volumen nach hinten oder nach vorne verschiebt, muss dies bei der Produktion und der Ausgabe entsprechend berücksichtigt werden. Das hohe Qualitätsniveau mit frischen Produkten verlangt jedoch exakte Garpunkte und duldet kein langes Warmhalten. Andererseits ist eine genaue Planung im Hinblick auf Frische und Qualität unabdingbar. Die praktizierte Verwendung von Frisch- und Rohprodukten mit niedriger Vorverarbeitungsstufe ist die Basis einer hohen Wertschöpfung. Dies hat täglich komplexe Herstellprozesse zur Folge, deren Steuerung anspruchsvoll ist. Einerseits kann durch die Flexibilisierung des Finishings (Endfertigung der Speisen) und andererseits durch Lenkung des Kundenverhaltens die Planung erleichtert und die Ergebnisse verbessert werden. Dies alles ist unmittelbar im Interesse eines hochwertigen frischen Produktes. Im folgenden Beispiel wird kurz dargestellt, wie durch Ermittlung und Rückmeldung des Nachfrageverhaltens die Planung und Steuerung des gesamten Prozesses (Produktion und Ausgabe) optimiert werden konnte.
2.14.2 Spielregeln in den Stauzeiten Die Verbrauchscharakteristik zu lenken muss durch einen Unterbau an Maßnahmen zur Optimierung der Prozesse in den Stoßzeiten unterstützt werden. Während bestimmter Stoßzeiten kann es zu Engpässen und Staus an der Essensausgabe kommen.
2.14.3 Zeitenanalyse der Stauzeiten während der Ausgabezeit (Abb. 2.38). KW MO
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Di
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Mi
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Do
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Fr
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Zeiten mit starken Abweichungen:
Abb. 2.38 Formular zur Erfassung des Verbrauchsverlaufs: Während der Essensausgabe wird der Verbrauchsverlauf mit dieser einfachen Tabelle erfasst und ausgewertet
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2.14.4 Aushang der Stauzeiten (Stauampel) (Abb. 2.39).
Abb. 2.39 Staumelder Speisenausgabe: Die Auswertungen ergeben deutliche Spitzenzeiten
2.14.5 Einsatz eines „Staumelders“ An den ärgsten Tagen mit hoher Kundenfrequenz wurde ein „Staumelder“ mit Warnweste eingesetzt, der die Stauampeln als Handzettel verteilte und auf die Stauzeiten aufmerksam machte. Das persönliche Gespräch mit den Kunden, das Hinweisen auf ungünstige Kumulationen und das systematische Anpassen der Arbeitsweise an Spitzenzeiten erwiesen sich als sehr erfolgreich (Abb. 2.40).
2.14.6 Ergebnis Es fand eine Entzerrung der Stauzeiten statt, die Ampel wurde inzwischen mehrfach aktualisiert. Alles in allem eine einfache Methode mit großer Wirkung, die der Produktion und damit den Kunden hilft, Spitzenqualität ohne Wartezeiten zu erreichen.
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261
Abb. 2.40 Der Staumelder bei der Arbeit
2.15 L ogistikcontrolling im schlanken Materialfluss mit der Valuecycle Analyze (VCA) Philipp Dickmann Betriebswirtschaftliche Rechenmodelle für den Herstellprozess sind unter der Prämisse entstanden, dass der Großteil der Werte in Personalkosten für operative Mitarbeiter, Amortisationskosten für Anlagen und dem Kapital für statische Lagerbestände gebunden ist. Moderne Produktionsmethoden haben diese Relationen deutlich verändert. Durch die Erhöhung von Effizienz und Automation in den Industrieländern wurden die Anzahl der direkten Mitarbeiter und deren Kostenanteil weit unter den der indirekten Mitarbeiter gedrückt. Hochtechnologie, Zentralisierung und vermehrter IT-Einsatz haben die Proportionen der Anteile in den indirekten Bereich zudem verschoben. Vornehmlich in Konzernen ist auch absolut ein deutliches Wachstum im Bereich der indirekten Mitarbeiter entstanden. Hochtechnologie hat zur Folge, dass immer größere Investitionssummen notwendig wurden. Hohe Investitionen zwingen zu einer hohen Auslastung bei gleichzeitig langer Amortisationszeit. Die Folgen sind eine geringe Flexibilität und das Arbeiten an
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Störgrößen
Lean Production Lieferfähigkeit der Lieferanten
Schutzschild
Valuecycle Analyse (VCA) & Optimizing (VCO)
Bestände
Eigene Lieferfähigkeit
Sicherheitspuffer in der ganzen Lieferkette
Abb. 2.41 Mit Lean Production, VCA und VCO werden Störgrößen eliminiert und Sicherheitspuffer systematisch minimiert. Dies führt zur Glättung des Materialflusses und zu einer Steigerung der Ausbringung. (Quelle: lepros GmbH)
den Kapazitätsgrenzen. In Netzwerken mit Hochtechnologie aber mit flexiblen günstigeren Lösungen, also mit geringen Investitionen, wird eine erfolgreiche Konkurrenz zu Anbietern in Billiglohnländern möglich, ein Umstand, der zunehmend vom Mittelstand genutzt wird. Die Materialflüsse und der Wertstrom haben sich stark verändert. Immer mehr Unternehmen produzieren und liefern real JIT oder JIS, ohne Mängel mit einer Frozen Zone, zusätzlichen Pufferbeständen und zusätzlichen Kommissioniertätigkeiten zu kaschieren. Schlanke Materialflüsse kommen mit Lagerreichweiten aus, die annähernd der Wiederbeschaffungszeit (WBZ) oder der Durchlaufzeit (DLZ) entsprechen. Der Anteil der invertierbaren, statischen Lagerbestände nimmt im Verhältnis zu den Mengen, die sich in der Entnahme oder im Zugang befinden, immer mehr ab. Fehlende Transparenz, aufgrund neuer, buchhalterisch unterschiedlicher Bestandsführungsvarianten, erschwert zunehmend die tatsächliche Vergleichbarkeit der Materialflüsse. Klassische Inventur kann kaum mehr die nötige Sicherheit für dynamische Bestände erzeugen, zumindest nicht mit vertretbarem Aufwand. Kanban-immanente Verfahrensregeln können, kombiniert mit klassischem Bestandscontrolling, helfen, einen exakteren Bestandswert und einen höheren Aussageinhalt zu erreichen. Subtiles Bestandscontrolling verhilft zu Bestandssicherheit bei sinkenden Puffern und einer höheren Liefertreue (Abb. 2.41).
2.15.1 Intransparenz der Kostenstrukturen Durch die heterogene Materialflussgestaltung teilen sich die Bestände in verschiedene, auch buchhalterisch wirksame Bereiche auf: • Fremdbestand im externen Lager • Fremdbestand physisch im eigenen Lager oder in der Fabrik
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• • • •
263
Bestandsgeführt, aber nicht im Eigentum Nicht bestandsgeführt und nicht im Eigentum Nicht bestandsgeführt, aber im Eigentum Bestandsgeführt aber Gemeinkostenmaterial
Diese Bestandsführungsvarianten decken den Großteil der Teile oder Werte im Materialfluss ab und sind für den Wertstrom, die Buchungen und die Bestandssicherheit relevant. Einige dieser Konzepte wie das C-Teile-Management führen ohne Zweifel zu nachhaltigen Verbesserungen der Wirtschaftlichkeit eines Herstellprozesses, während mit anderen keine Prozessverbesserung zu erreichen ist. Bestände sind für das Controlling, die Buchhaltung und die Steuerung deutlich weniger transparent. Eine Kostenverschiebung verschlechtert die Vergleichbarkeit und das Erkennen von Fehlentwicklungen. Mit der Verlagerung der Kapitalbindung zum Lieferanten wird oft das Ziel der Optimierung betrieblicher Kennzahlen verfolgt. Allerdings verringert sich dadurch die Transparenz der Prozesse und damit verschlechtern sich die Abläufe. Erst eine Betrachtung der Prozesskosten lässt die reale Erhöhung der Gesamtkosten erkennen. Eine Verschiebung der Bestandsführung zum Lieferanten, bei einer gleichzeitigen Kürzung des Zahlungsziels, ist ein geeignetes Beispiel, um die Risiken aufzuzeigen. Solche Konzepte werden stellenweise für Schnelldreher angewandt, also Materialien mit schneller Lagerumschlagszeit. Die Kapitalbindung bei Schnelldrehern ist bei sehr kurzen Reichweiten nur einzelne Tage vorhanden, die Zahlungsziele und Buchungshorizonte betragen jedoch vielfach mehrere Wochen. Nach einem Outsourcing der Bestandsverantwortung werden die Materialien nun entweder beim Wareneingang oder nach ein paar Tagen bei der Lieferung direkt gutgeschrieben. Es liegt zwar eine sofortige Verringerung des gebundenen Kapitals vor, aber die Belastung für die Lieferung erfolgt nun um Wochen früher, aufgrund des anderen Zahlungszeitpunkts. Die Kennzahl der Kapitalbindung wird sofort einmalig verbessert. Die Rendite des eingesetzten Kapitals verschlechtert sich erst wieder mit Zeitverzögerung und darin besteht der eigentliche Nutzen einiger dieser Konzepte. Verglichen mit dem Potenzial einer tatsächlichen Optimierung der Prozesse, können diese Konzepte nicht standhalten. Im Gegenteil, Bestandscontrolling und Materialflussoptimierung verlieren an Transparenz und werden erschwert. Letztlich nimmt die Kapitalbindung in der Lieferkette zu.
2.15.2 Dynamische contra statische Bestände Klassisches Controlling ist auf die buchhalterischen Bestandsklassen fokussiert. Bei einem schlanken Materialfluss befindet sich der Großteil oder der gesamte Lagerbestand nicht mehr im zentralen, abgeschlossenen Lager, sondern an den Arbeitsplätzen, Workin-Process, im unmittelbaren Zugriff der Mitarbeiter der Produktion. Die Bestandsüberwachung mittels Inventurzählung im direkten Eingriff der Produktion ist schwierig abzugrenzen, da der Status bzw. Auftragsbezug nur aufwändig nachzuvollziehen ist. Die Zählung der Stichtagsinventur ist für einen reibungslosen Materialfluss mit minimalen
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Traditioneller Materialfluss Bestand
Bestand
Schlanker Materialfluss
Zeit
Zeit
Statischer Lagerbestand Dynamischer Lagerbestand
Abb. 2.42 Der dynamische Anteil im Materialfluss hat zugenommen, Momentaufnahmen statischer Bestände haben einen immer geringeren Aussagewert
Puffern zu ungenau und zu selten. Der Anteil der statischen Bestände, also des klassischen Lagerbestands, ist in schlanken Materialflüssen nicht mehr in Wochen zu messen, sondern in Tagen oder Stunden (Abb. 2.42). Erst ergänzende Verfahren helfen, die dynamischen Elemente des Materialflusses exakter zu fassen.
2.15.3 Die neuen Differenztypen im schlanken System Theoretisch schließen geringe Pufferbestände Differenzen aus, ohne dass es zum physischen Engpass kommt. Überstände und Unterdeckung sind daher in diesem Fall nicht möglich. Bei genauerer Betrachtung, z. B. mit Simulationsmethoden oder im realen Ablauf, werden aber andere Zusammenhänge deutlich. Differenzen verschieben sich auf der Zeitachse, etwa durch parallele oder nur knapp versetzte Aufträge. Die physische Zuordnung des realen Materials erfolgt bei vielen, nahezu gleichzeitigen Abgängen und häufigen Zugängen nur auf der Zeitachse. Daraus ergeben sich „schwimmende“ Puffer, bei welchen zufließende oder abfließende Mengen den statischen, also invertierbaren Bestand übersteigen. Tatsächlich kommt es nicht zum klassischen Abreißen der Materialversorgung. Die Versorgung wird lediglich knapp. Dadurch entstehen viele Zusatztätigkeiten oder Sonderaktionen: Das Material muss zu dem Verbraucher gebracht werden, der es am nötigsten braucht, oder das Material am Arbeitsplatz muss umverteilt werden, da der Nachschub nicht früh genug eintrifft. Erst bei deutlichen Veränderungen des Bedarfsniveaus oder bei nicht kontinuierlichen Veränderungen kommt es zum tatsächlichen realen Abreißen. Die
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neue Aufgabenstellung besteht darin, derart wenig Pufferbestand exakt zu kontrollieren. Komplexe statistische Bestandscontrolling-Tools oder Spezial-Tools, welche die Plausibilität überwachen, bereinigen nur die Symptome. Bestandsgenauigkeit kann unter diesen Rahmenbedingungen nur nachhaltig sichergestellt werden durch: • • • • • •
Optimierung der Abläufe Reduzierung der Komplexität Sicherstellung und Kontrolle des visuellen Materialflusses Reduzierung der Anzahl der Aufträge, die sich in Arbeit befinden Reduzierung der Auftragslosgrößen und der Losgrößen der Materialbereitstellung Das kontinuierliche Schaffen von Ordnung und Sauberkeit in kurzen Intervallen schaffen, etwa mit 5A-Aktion (5S Aktionen): Physische Abläufe, Lagerplätze, Behälter, Beschriftungen und Regale müssen regelmäßig physisch überprüft und gepflegt werden • Kontinuierliche Verbesserung des gesamten Materialflusses (vgl. Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing)
2.15.4 Valuecycle Analyze (VCA) Valuecycle Analyze [Lepr 03] ist das dynamische Bestandscontrolling mit Kanban-Verfahrensregeln. Unter Ausnutzung der verfahrensimplementierten Regeln von Kanban ist es möglich, einen höheren Aussagewert, bezogen auf dynamische Bestandselemente zu erreichen. Neben der dynamischen Mindestbestandssicherung besitzt Kanban auch die Eigenschaft der Begrenzung des maximalen Umlaufbestands, also in Lagerbestand und Aufträgen gebundenem Bestand. Die Anzahl der Karten oder Behälter bestimmt dynamisch die maximal möglichen Bestände, die sich im Kanban-Kreis befinden. Neben der Bestandsinformation steht bei Kanban auch die Behälterflussinformation zur Verfügung. Die hybride Informationsquelle kann zu einer Verbesserung der Bestandssicherheit ergänzend herangezogen werden. Diese Eigenschaften ermöglichen, zusätzlich zur Bestandsklassenlogik, eine prozessbezogene Kontrolle der Umlaufbestände (Abb. 2.43).
Auftrags-Kanban Beim Auftrags-Kanban setzt sich der Bestand aus Aufträgen, Lagerbeständen oder inaktiven Karten zusammen. Inaktive Karten sind z. B. gerade unterwegs zum Lieferanten und daher nicht bestandswirksam. Mit Bestandsklassen können zwar Bestände festgestellt werden, Aussagen über überhöhte Bestände können jedoch nur beschränkt getroffen werden. Staus oder Kumulationen verändern bei schlanken Materialflüssen die Lagerreichweiten je nach Material dynamisch. Materialien wandern von der Klasse der statischen Lagerbestände in die Klasse der Aufträge. Eine Verzögerung des Buchungsvorgangs kann zu einer Überhöhung führen, während die Summe des in Aufträgen und in Lagerbestand gebundenen Materials keine Überhöhung aufweist. So erlaubt der Mengenwert eines
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Abb. 2.43 Vom Kanban-Kreis über den Materialflusskreis zum Werteumlauf (Valuecycle)
Materials in einer Momentaufnahme keine sinnvolle Aussage, da der Zeitpunkt über die Höhe des Bestands entscheidet. Bestandsklassenkontrollen entsprechen einer zufälligen Momentaufnahme im Verlauf einer sinusähnlichen Kurve. Die Betrachtung des Umlaufbestands, also der Summe aus den in Lagerbestand und Aufträgen gebunden Materialien, kompensiert diesen Effekt. Die Definition und die kontinuierliche Kontrolle des zulässigen Umlaufbestands bei Kanban-Materialien ermöglicht eine höhere Qualität der Aussage als die einfache Bestandsklassenbetrachtung. Beim Bestandscontrolling mit Kanban ist es notwendig, die Dimensionierung der Kreise zu überprüfen und die realen Bestände der Materialien ständig abzugleichen. Diese Controlling-Methode des Umlaufbestands ist analog auf nicht mit Kanban gesteuerte Materialien übertragbar (Abb. 2.44, Abb. 2.45).
Nachschub-Kanban Beim Nachschub- oder Behälter-Kanban erfolgt die Versorgung der Arbeitsplätze mit Material aus einem zentralen Lager oder von einem untergeordneten Lieferanten. Es lassen sich drei Zustände von Behältern oder Karten unterscheiden: volle Gebinde, in Entnahme befindliche Gebinde und leere Gebinde bzw. Karten, die zur Nachbefüllung unterwegs sind. Unter der Voraussetzung der Materialbereitstellung mit First-in-first-out (FIFO) kann vom Mitarbeiter nur immer in einen Behälter je Material eingegriffen werden. FIFO wird beispielsweise mit einem Durchschubregal durch eine physische Zwangsführung er-
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Abb. 2.44 Darstellungsformen des Umlaufbestandes: Die zwei unterschiedlichen Darstellungsformen für den Umlaufbestand im Kanban-Kreis können für jede beliebige andere Steuerungsform angewendet werden. Die Umlaufbestände von Kanban sind in der Abbildung im Kreisdiagramm und im Säulendiagramm visualisiert. Hierdurch wird einfach verständlich, dass die Informationszeit und die Materialflusszeit im Kanban-Kreis mit Beständen zu bewerten ist
reicht. Alle anderen Behälter sind auf Warteposition und können damit als voll angesehen werden. Die Buchung des Lagerbestands in den Arbeitsplatzbestand erfolgt durch die Bereitstellung am Arbeitsplatz. Im Fall einer Bereitstellung von fünf Behältern à 100 Stück Material, wandern damit 500 Stück Material vom klar zuordenbaren Bestand des Lagers in den dynamischen Bestand am Arbeitsplatz – also Work-in-process. Tatsächlich befinden sich aber nur maximal 100 Stück Material, also 20 %, real in der buchhalterischen „Grauzone“. Durch eine Änderung der Buchungsvorgänge oder einer rechnerischen Kompensation, kann die exaktere Bestandsführung erreicht werden. Eine weitere Eigenschaft und wesentliche Stärke des Behälter-Kanban ist die Visualisierung des Sicherheitsbestands. Der operative Mitarbeiter kann lediglich durch das Gefülltsein der Bereitstellflächen am Arbeitsplatz visuell sicherstellen, dass er eine gewisse Zahl an Aufträgen – ohne Materialengpass – sicher abarbeiten kann. Mit flexiblen Markierungen, etwa beim Durchschieben, kann eine Mindestreichweite für alle Materialien, unabhängig vom Volumen, optisch erkennbar gemacht werden. Die Unterschreitung dieser Grenze lässt einen Engpass mit Vorlauf erkennen und – bei richtiger Dimensionierung – mit einer Sonderaktion sicher verhindern. Durch diese Prüfung sind im Gegensatz zu IT-Ansätzen alle Störungen präventiv erkennbar, z. B. auch Inventurdifferenzen, die in EDV-Systemen nicht erkennbar sind. Anstelle eines Stillstands wird nur eine Sonderaktion erzeugt. Dieses Konzept kann auch
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Bestandsziel Auftragsbestand
Zeit
Zeit
Bestand
Bestandsziel Lagerbestand
Umlaufbestand
Auftragsbestand Bestand
Bestand
Lagerbestand
Zeit
Abweichungen vom Bestandsziel Kumuliertes Bestandsziel (Lager + Auftrag) Bestandsziel Umlaufbestand
Abb. 2.45 Der Aussagewert von Lagerbestand oder Auftragsbestand alleine ist in dynamischen Materialflüssen sehr beschränkt. Schon durch kleinere Verzögerungen der Buchungen kann eine einseitige, nur rechnerische Verschiebung in den Beständeklassen entstehen, die sich in der Summe aber kompensiert. Für eine qualifizierte Aussage müssen Überschreitungen von Bestandsgrenzen durch den Umlaufbestand verifiziert werden
in einem Lagerverwaltungs-Tool abgebildet werden, allerdings müssen dann alle Behälter immer richtig gepflegt sein, um stabil zu arbeiten.
2.16 Valuecycle Optimizing (VCO) Philipp Dickmann, Eva Dickmann Der typische Musterfall aus der Praxis: Ein sehr zuverlässiger Lieferant, große Reichweite bei Abruf, keine Qualitätsprobleme, kontinuierlicher Bedarf des Materials, richtige Dimensionierung – und doch kann es zum Engpass kommen. Wie kann in dieser Situation die Lagerreichweite noch weiter reduziert werden, ohne ein höheres Risiko für Lieferengpässe einzugehen? Genau für dieses Spannungsfeld wurde Valuecycle Optimizing (VCO)
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entwickelt. Mit VCO werden reale, individuelle Störparameter ermittelt und umfassend eliminiert. Im Gegensatz zu ungelenkten Ansätzen, die nur indirekt einen positiven Einfluss auf die Reduzierung der Störparameter im Materialfluss haben, wie TQM oder Six Sigma, werden durch den Einsatz von VCO mit geringem bürokratischen Aufwand selektiv und präventiv die verschiedenen Störparameter behandelt. Die Methode basiert einerseits auf theoretischen Ansätzen, wie Streamdesign, Valuecycle Analyze, Wertschöpfungsanalyse, Valuecircle Management und zeitwirtschaftlichen Ansätzen wie REFA (REichsausschuss Für Arbeitszeitermittlung) und MTM (Methods-Time Measurement). Andererseits erfolgt die Ausführung und Umsetzung im Sinne der Methoden des TPS, unter Einbindung von Vorgehensweisen aus Kanban, Kaizen, Poka Yoke und JIT. Die daraus abgeleitete Methode hat sich als sehr effizient und schnell zur Optimierung verschiedener Materialflüsse erwiesen (Abb. 2.46). Wesentlicher Anwendungsschwerpunkt sind Materialflüsse, bei welchen sehr geringe Puffer für Störgrößen möglich, aber eine hohe Lieferfähigkeit notwendig sind. Es wird zudem eine deutliche Beruhigung der Materialflüsse erreicht. Ein weiterer typischer Ansatzpunkt sind Materialflüsse, bei denen sehr hohe Aufwendungen zur Steuerung notwendig sind, etwa nach der Einführung von JIT oder JIS. Sehr effizient kann VCO auch zur Störungsreduzierung bei komplexen, vielfältigen Störparametern sowie bei fachübergreifenden oder externen Ursachen (Spedition, Lieferant, Unterlieferant, Technik, Produktion, Qualität, etc.) angewendet werden (Abb. 2.41).
Abb. 2.46 Die Elemente von Valuecycle Optimizing
2.16.1 Dimensionierung von Kanban und Just-in-time Steuerungen In Europa und Amerika werden Steuerungsverfahren mehrheitlich nur statisch betrachtet. Die Dimensionierung der Kreise ( Kanban) wird dabei als wichtigstes Element angesehen. Kanban wird als Steuerungsalgorithmus verstanden, dessen exakte Dimensionierung durch die IT berechnet wird. Davon weicht die Sicht der japanischen Unternehmen wie Toyota, Nissan und Mitsubishi deutlich ab. Dort wird die Exaktheit des Startwerts als nur untergeordnet angesehen. Vielmehr wird auf die kontinuierliche Verbesserung geach-
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tet. Der Startwert soll lediglich die Lieferfähigkeit zu Beginn sicherstellen und hat somit eine untergeordnete Bedeutung. So schlägt T. C. Ohno [Ohno 93] die Dimensionierung des Kanban-Kreises durch den Kanban-Koordinator vor. Später wird sie mittels Kaizen kontinuierlich manuell reduziert bzw. erhöht und damit dynamisch an die aktuelle Situation angepasst. So wird, trotz minimaler Bestände immer eine 100 %-ige Lieferfähigkeit gewährleistet. Das Gleiche gilt für den JIT-Prozess, der nicht als Alternative, sondern als Partner von Kanban in einer heterogenen Steuerungswelt angesehen wird. Die KaizenTeams binden dazu andere Fachabteilungen und Mitarbeiter der Zulieferunternehmen ein. Dadurch werden Störparameter so weit eliminiert, dass große Sicherheitsbestände überflüssig werden. Erst durch die genaue Kenntnis (auch Softfacts) der realen Störgrößen wird es möglich, ohne Risiko Lieferfähigkeit und Überbestände zu minimieren.
2.16.2 Methoden des TPS, Wertschöpfungsanalyse und zeitwirtschaftliche Methoden übertragen auf den Kanban-Kreis Wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Methoden des TPS ist die Fokussierung auf Gemba, den „Ort des Geschehens“ oder der Wertschöpfung. In der klassischen Definition stehen der Arbeitsplatz und die Tätigkeit des operativen Mitarbeiters dabei im Mittelpunkt aller Betrachtungen. Diese Sichtweise deckt sich mit der Betrachtungsweise der Wertschöpfungsanalyse, die im Regelfall in Zusammenhang zu zeitanalytischen REFAStudien angewendet wird. Poka Yoke- und Kaizen-Methoden zielen, physikalisch betrachtet, darauf ab, Störgrößen, die den Arbeitsablauf des Werkers beeinträchtigen, systematisch abzustellen. Wie bei der Wertschöpfungsanalyse werden alle nicht wertschöpfenden Arbeitsschritte soweit wie möglich vermieden. Das Grundprinzip von VCO ist entstanden, um weitestgehend alle Störgrößen zu eliminieren, die den Kanban-Kreis und damit den Materialfluss beeinträchtigen. Die Perspektive unterscheidet sich (z. B. zu Kaizen), da die Situation, nicht aus dem gängigen Blickwinkel des Werkers oder seiner Tätigkeiten, sondern aus dem des Materials und seiner Bewegung betrachtet wird (Abb. 2.47). Dieser auf den ersten Blick geringfügige Unterschied der Perspektive führt zu grundlegend anderen Potenzialen und Vorgehensweisen als bei den etablierten Methoden. Um diese veränderte Sicht, ihren Nutzen oder ihre Problemstellungen im Projekt leichter nachvollziehen zu können, lässt sich Material im Materialfluss gut mit der Perspektive eines Autofahrers im Verkehr vergleichen. VCO ist aus der Kanban-Philosophie entstanden. Es basiert auf dem Zusammenhang des Kreislaufes von Informations- und Materialfluss im Kunden-Lieferanten-Verhältnis. Die daraus entstandene Vorgehensweise ist ebenso, mit gleichbleibendem Vorteil, für beliebige andere Materialfluss- und Steuerungsmethoden anwendbar. Das Prinzip ist aber im Modell eines Kanban-Kreises am einfachsten verständlich und wird deshalb im Folgenden anhand dieses Beispiels erläutert. Zwei Anwendungen lassen sich unterscheiden, zum einen für den internen und zum anderen für den externen Materialfluss, also zum Kunden oder zum Lieferanten. Für die weitere Erläuterung des Prinzips wird dies allerdings hier vernachlässigt.
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
271
Materialfluss-Kaizen Störgrößen, die den Arbeitsablauf beeinträchtigen, werden
Störgrößen, die den Kanban-Kreis beeinträchtigen, werden abgestellt
Abb. 2.47 Vergleich klassisches Kaizen und Materialfluss-Kaizen: Ein völlig anderer Blickwinkel (nicht auf den produzierenden Mitarbeiter, sondern auf den Materialfluss) erlaubt einen wirkungsvollen Verbesserungsprozess im Materialfluss. Materialfluss-Kaizen ist ein wesentliches Element von Valuecycle Optimizing
2.16.3 Die Umlaufzeit als Basis der Betrachtung Die Umlaufzeit beschreibt im ursprünglichen Sinn die Zeit, die eine Karte für einen Umlauf im Kanban-Kreis benötigt. Sie steht im Mittelpunkt der Betrachtung von VCO, da sie proportional zum Umlaufbestand bzw. zur Kapitalbindung ist. Gebräuchliche Ansätze fixieren sich nicht auf die gesamte Zeit, sondern auf Zeitabschnitte. Die Beschaffungszeit etwa ([Schn 05], S. 164) überdeckt sich in der Regel mit der in ERP-Systemen verwendeten Wiederbeschaffungszeit (WBZ). Die Beschaffungszeit setzt sich aus der Zeit vom Anstoß der Beschaffung bis zum Eintreffen der Ware zusammen. Je nach Anwendungsfall wird die Beschaffungszeit mit verschiedenen Übergabezeitpunkten unterschiedlich interpretiert, z. B. abgehend vom Lieferanten, bei Ablieferung durch die Spedition, Wareneingang, Freigabe, Warenzugang im Lager oder sogar Ankunft am Arbeitsplatz. Daher ist es kaum verwunderlich, dass moderne, komfortable ERP-Systeme verschiedene Typen von WBZ anbieten. Ebenso verhält es sich mit den DLZ bei Hausteilen. Auch bei internen Produktionsaufträgen sind vergleichbare Zeiten in den ERP-Systemen vorhanden. Grundlegend wird die DLZ als Funktion der Losgröße interpretiert. Das bedeutet, sie ist abhängig von der Losgröße und somit keine Konstante. Das TPS interpretiert das Abhängigkeitsverhältnis invers. Die DLZ und adäquat bei Kaufteilen die WBZ zu reduzieren, ist hier die Zielgröße. Die kleinere Losgröße wird dann als eine davon abhängige Größe gesehen. Dieser Philosophie wurde beim Valuecycle Analyze (VCA) gefolgt. Das Ziel von VCA ist es den Kunden-Lieferanten-Prozess mit der geringsten Verschwendung oder, betriebswirtschaftlich formuliert, mit den geringsten Prozesskosten zu finden. Darüber hinaus ist es wesentlich, einen nachhaltigeren und sichereren Ablauf zu erzeugen, denn alle Störungen des reibungsfreien Ablaufes müssten
272
P. Dickmann et al.
durch Puffer abgesichert werden. Dies deckt sich mit der „Theory of Constraints“ [Gold 90]. Trotzdem trifft die Forderung „Harmonisierung und Verstetigung des Materialflusses“ generell auf alle Materialflusstypen zu [Schn 05]. Weiterhin wird mit VCA und VCO dem Peitscheneffekt (vgl. Kap. 2.1 Ruhiger kontinuierlicher Materialfluss) entgegengewirkt. Die Methode bekämpft allgemein Störgrößen an der Keimzelle der Entstehung oder der Auswirkung im Kanban-Kreis.
2.16.4 Die Methode des Valuecycle Optimizing und Materialfluss-Kaizen Es wird angestrebt, alle unnötigen Zeiten im Kanban-Zyklus zu eliminieren und gleichzeitig alle Störgrößen abzusichern. Im Gegensatz zur gängigen Betrachtungsweise in ERPSystemen wird die Zeit für den Informationsfluss als relevante Zeit miteinbezogen, da dies die Zeitspanne beinhaltet, die durch Bestände überbrückt wird. Im Engpassfall beinhaltet die Zeit bis zum Eintreffen neuer Teile auch die Informationszeit. Die Umlaufzeit von Kanban umfasst die gesamte Zeit, vom Anstoß des Bedarfs bis zum Erfüllen des Bedarfs eines Kanban-Kreises. Sie beinhaltet folglich die DLZ oder WBZ inklusive der Zeit des Informationsflusses. Im Kanban-Kreis ist dies einfach nachzuvollziehen. Gemessen wird von dem Zeitpunkt, an dem die Karte den neuen Auftrag auslöst, der Auftrag auf Lager geht, der Lagerbestand verbraucht wird, bis die Karte schließlich wieder zu einem neuen Auftragsstart führt. Die genaue Schnittstelle, also der Übergabepunkt, dem im ERP-System eine sehr differenzierte Bedeutung zukommt, ist im VCA aus der Sichtweise des Kanban-Kreises irrelevant. Wichtig ist bei dieser Betrachtung die Zeit, die für einen vollständigen Umlauf benötigt wird. Diese Zeit spiegelt sich auch in der Anzahl der benötigten Kanban-Karten wieder. Erhöht sich die nötige gesamte Umlaufzeit des Kreises, steigt die dynamische bzw. „atmende“ Kapitalbindung ebenfalls. Bei dieser Methode werden die einzelnen im Kreis auftretenden Zeiten als linearer Zeitstrahl aufgeschlüsselt und dann analysiert. Die Zeitachse ist proportional zur Materialflussachse (gerechnet in Stück). Lagerbestände sind in Reichweiten umzurechnen. Verschwendung kann also als Zeit oder in Lagerreichweite betrachtet werden, da beides proportional zueinander ist. Das Hauptziel des operativen Prozesses im VCO ist es, eine möglichst geringe DLZ im Kanban-Kreis zu erhalten, bei gleichzeitig minimalem Risiko und maximaler Sicherheit. Erreicht wird dies durch eine detaillierte Störgrößenanalyse in jedem Teilprozess. Die dynamischen Puffer und die Detailabläufe des Materialflusses werden exakt ermittelt und mit der 5W-Methode hinterfragt. Störparameter, unnötige Puffer und Wartezeiten werden eliminiert oder reduziert. Durch diese Maßnahmen wird es möglich, mit einem kleineren dynamischen Sicherheitsbestand und gleichzeitig deutlich reduziertem Risiko zu agieren. Der Leitsatz: Alles was den Materialfluss behindert, wird eliminiert (Abb. 2.48).
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
273
Abb. 2.48 Systematische Störgrößeneliminierung im Materialfluss (WEQS: Wareneingangsprüfung)
2.16.5 Projektablauf Das Vorgehen im Projekt ist im Konzept ähnlich zu Kaizen oder Poka Yoke. Es wird ein Bottom-up-Process angestrebt, in dem sich die Teams, mit Unterstützung, selbst die Lösungen überlegen und dann nach Möglichkeit direkt umsetzen. In den Teams sollten Vertreter aller am Kanban-Kreis beteiligten Bereiche vertreten sein. Bei einem Kanban-Kreis mit Lieferantenteilen bedeutet dies, dass z. B. die Mitarbeiter aus Montage, Materialbereitstellung, Wareneingang, Qualitätssicherung, Disposition, Spedition und vom Lieferanten beteiligt werden sollten (Abb. 2.49). Dies gilt natürlich nur, für diejenigen, die am Prozess beteiligt sind.
Projektablauf [Lepr 03]: Ablaufstudie – Verifizieren der Einzelelemente und Zeiten 1. Ermittlung und Visualisierung eines Umlaufkreises 2. Verifizierung der Optimierungspotenziale und der Verschwendungen 3. SOLL-Konzept und Optimierungsansätze umsetzen 4. Definition als neuen Standard
rsachenanalyse nach den 6 Verschwendungsarten [Lepr 03]: U Zuerst wird jeder einzelne Schritt im Kanban-Kreis in einem Prozessdiagramm ermittelt. Im Anschluss werden die jeweiligen Zeiten, die die Prozesse benötigen, in Bezug auf die folgenden Verschwendungsarten analysiert (Abb. 2.49):
1
2
3
Wertschöpfend Interner Transport
Wareneingangsprüfung
Wareneingang
Anlieferung
Abruf
Start Kreislauf
Kanban-Karte kommt in Disposition
P. Dickmann et al.
Material wird verbaut
274
Bedingt Wertschöpfend Nicht Wertschöpfend Ende Kreislauf
4
Zeitstrahl
Abb. 2.49 Visualisierung von Verbesserungspotenzialen durch VCO: Sie werden durch eine Wertschöpfungsanalyse des Nachschubvorgangs erkennbar; in diesem Beispiel sind 85 % der Zeiten nicht wertschöpfend. (Quelle: lepros GmbH)
• • • • • •
Risiken Schwankungen Unnötige Prozesse Sicherheitspuffer Schlechte Qualität Totzeiten.
2.16.6 Kanban-Controlling Das Vorgehen des Kanban-Controlling unterscheidet sich vom üblichen Ablauf des Controllings, da es im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses analog TPS umgesetzt ist. In regelmäßigen Abständen wird hierzu auf der operativen Ebene, unter Einbindung der Verantwortlichen und angrenzender Bereiche, die Situation analysiert, Probleme besprochen und neue Ziele definiert. Mit Zielen sind in diesem Fall jedoch in erster Linie operative physische Maßnahmen gemeint, nicht neue Grenzen für Kennzahlen in der Statistik. Folgende Kennzahlen aus Hard- und Softfacts können hierfür betrachtet werden: • Penetration mit Kanban: Die Penetration muss mit der Kanban-Eignung und mit strategischen Grenzwerten, z. B. unumgänglichen Problemlieferanten, abgeglichen werden. • Reduzierung der Anzahl Kanban-Karten pro Zeit: Die Entwicklung muss im Quervergleich mit der Prognosegüte und der Lieferfähigkeit betrachtet werden. • Entwicklung der Losgrößen, Wiederbeschaffungs- und Durchlaufzeit: Die Beschleunigung des Umlaufbestands sollte im Fokus der kontinuierlichen Arbeit mit Kanban stehen. Die Reduzierung der WBZ und DLZ hat daher höchste Aussagekraft. Es ist aber darauf zu achten, dass die Reduzierung der Losgrößen basierend auf Rüst- oder Transportoptierungen stattfindet.
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
275
• Entwicklung der realen Kapazitäten: Häufig werden die Kapazitäten unter den notwendigen Schwankungsbreiten geplant, dadurch werden immer wieder Störungen erzeugt, die durch Steuerung nicht kompensierbar sind. Um Flexibilität und kontinuierliche wirtschaftliche Abläufe zu erreichen, sind real mögliche und erreichbare Freikapazitäten notwendig, sowohl intern als auch bei Lieferanten. • Entwicklung der realen Umlaufbestände und der Kapitalbindung: Kanban strebt die Optimierung der Umlaufgeschwindigkeit und damit minimale Umlaufbestände an. Die Entwicklung der realen Puffer und Auftragsmengen, d. h. Lager- und Auftragsbestände müssen hierfür kontinuierlich verfolgt werden. • Lieferfähigkeitsentwicklung: Kanban strebt vollständige Lieferfähigkeit an, auch bei „normalen“ Störungen. • Störungshäufigkeit: Durch die Ermittlung der Häufigkeit der Störgrößen werden Hauptverursacher erkennbar und kontinuierlich abstellbar. • Ordnung und Sauberkeit im Materialfluss: Basierend auf kontinuierlichen Ordnungs- und Sauberkeitsaktionen ist die Verfolgung des Levels eine Größe, die direkt positiven Einfluss auf Störparameter nimmt. • Lagergrad: Der Lagergrad beschreibt die Reichweite in Relation zur Wiederbeschaffungs- bzw. Durchlaufzeit. Der Reduzierung des Lagergrads sollte nur als Kontrollfunktion, nicht als Zielgröße gesehen werden und ist nur als Nebenprodukt der Störgrößeneliminierung sinnvoll. • Prognosegüte Vertrieb/Kunde: Die Prognosegüte stellt die Basis der Produktionsund Logistikplanung dar. Zu starke Abweichungen sind durch keine Steuerung kompensierbar. Es ist daher wichtig, Schwankungsbreiten (Puffer und Freikapazitäten) auf den Zeithorizont abzustimmen – durchgängig vom Kunden bis zum Lieferanten.
2.16.7 Anwendungsfälle Die Methode ist speziell nach der Einführung eines neuen Materialflusskonzepts sinnvoll, um eine angestrebte Effizienz des Systems sehr schnell zu erreichen. Sie kann aber ebenso erfolgreich für alle anderen heterogenen, bestehenden Materialflusssysteme angewendet werden. Bei bereits hoch entwickelten Materialflüssen, deren Lieferfähigkeit und Lagerreichweite noch einmal deutlich verbessert werden muss, zeichnet sich VCO durch das große Potenzial in der Risikoeindämmung aus (Abb. 2.49). Das ist vor allem bei Anwendungen wie JIT oder JIS interessant, bei denen es notwendig ist, mehr Flexibilität anzubieten. Eine typische Zielgröße kann die Reduzierung oder Eliminierung einer Frozen Zone sein.
276
P. Dickmann et al.
Aus der Praxis
2.17 Materialfluss-Kaizen – Fehler- & Störungsanalyse in der Logistik Bernhard Nied, Klaus Dräxler Die NBHX Trim GmbH gehört weltweit zu den führenden Automobilzulieferern im Bereich innovativer Oberflächen im Innenraum von Premium-Fahrzeugen. Das Leistungsspektrum reicht von Zierteilen mit Oberflächen aus Holz, Aluminium, Carbon und Lack über Kunststoffspritzguss für Träger und Funktionsteile bis hin zur Veredelung von Oberflächen mit Leder [NBHX 14]. Die NBHX Trim GmbH ist ein Unternehmen der NBHX Trim Group. Die Unternehmen der NBHX Trim Group verfügten im Jahr 2014 über Standorte in Deutschland, der Tschechischen Republik, Rumänien, den USA und der Volksrepublik China.
2.17.1 Umfassender Ansatz zur Störungsreduzierung Um eine hohe Lieferperformance zu erreichen, ist die systematische und konsequente Abarbeitung von Störgrößen eine entscheidende Maßnahme. Daher wurde bei NBHX vor zwei Jahren ein Methodenbaukasten zur Fehleranalyse und Abarbeitung mit statistischer Warenausgangsstichprobenkontrolle ins Leben gerufen. Diese Kontrolle wird für alle Fachbereiche verwendet, auch für Fehler und Störungen der Logistik. Der Baukasten besteht aus 1. 2. 3. 4. 5.
einem Problemlösungsblatt (8D- kombiniert mit Ishikawa-Methode) (Abb. 2.50), einer Auswertung der Fehler (Abb. 2.51), einer kompletten Verfolgung der Umsetzung, Dokumentation (etwa von Schulungsmaßnahmen) und letztlich der Verfolgung über Kennzahlen – Key Performance Indicator (KPI).
2.17.2 Problemlösungsmethode Ishikawa-8D Das achtdimensionale Problemlösungsblatt (8D-Methode) ist eine umfassendere, verbesserte Variante des Deming-Kreises. In der Praxis werden bei 8D häufig aus Zeitmangel Maßnahmen definiert, die leider die keine Nachhaltigkeit erreichen. Ein typisches Beispiel ist die Abstellmaßnahme „Schulung/Unterweisung“. Um bei der NBHX Trim Group nachhaltige Abstellmaßnamen zu erreichen, wird durch das Formular abgefragt, ob nach der Ishikawa-Methode die Ursachenanalyse vorgenommen werden kann. Das Problemlösungsblatt vereint das 8D-Formular und die Ursachen-Wirkungslogik bzw. das -Dia-
277
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
übergreifend
Anzahl Defekte
XXX
Entdeckt am
24.05.2012 - 14.09.2012 Wasti -Prüfung
2
ja
Das Problem ist
Problembeschreibung
Das Problem ist nicht
(n.i.O. Produkt/Prozess)
(Vergleich mit einem i.O. Produkt/Prozess)
Was
genau ist das Problem?
Klammer defekt ,Etiketten fehlen,Schrottteile,Rohteilfehler ect.
Granulat
Wo
tritt das Problem auf?
Arbeitsabläufe N.I.O. übergreifend / menschliches Versagen
Maschine
Wie
zeigt sich das Problem?
fehlerhafte Teile ,Komponenten, und Etiketten fehlen
Wann
tritt das Problem auf?
ständig
Transport
Unterweisung MA N.I.O.
Nachschulung der MA
Pate ist nicht festgelegt
Kontrolle neuer Mitarbeiter fehlt
Maßnahmen zur Beseitigung der identifizierten Ursache(n) Maßnahme
Verantwortung
1
Unterlagen und Untweisungen prüfen - alle Punkte und alle MA
Teamleitung , QS
2
MA nachschulen - Probleme darlegen - Auswirkungen aufzeigen
Teamleitung , QS
3
Paten für neue MA festlegen
Teamleitung , QS
4
Kontrollen der Qualität und Beurteilung der neuen MA in regelmäßigen Abständen durchführen
Teamleitung , QS
Termin
Status
zeitnah zeitnah zeitnah zeitnah
5 6 7 8 9
Warum ist es ein Problem?
Qualität N.I.O. / Kundenzufriedenheit / Falschlieferung
Nr.
Sofortmaßnahmen
Kontrolle neuer Mitarbeiter fehlt
Nr.
Beschreibung
3
Einarbeitung nicht abgeschlossen
5
nein
Maßnahmen
Wiederholfall
ständige neue Mitarbeiter
Verständigungsschwierigkeiten
3
fehlende Einarbeitungsmatrix
Warum? Warum? Warum? Warum? Warum?
Holz / Lack / Spritzguss
Erzeugnis/Bauteil
Entdeckt durch
4a
Ursachenanalyse (5 x Warum)
XXXXXXX
Bereich/ Arbeitsplatz
Methode
2
Unterlagen u. Unterweisung N.I.O.
10
Sofortmaßnahme
Verantwortung
1
Info an QS und Teamleitung ,
Teamleitung / QS
2
Austausch von fehlerhaften Produkten veranlasst
Teamleitung / QS
Termin
Status
3
Mensch
Maschine
Beschreibung Nachweis Wirksamkeit (Dummy-Prüfung, Versuche, Kurzzeitfähigkeit, Kennzahlen, Audit, etc.)
6 Wirksamkeit
Fakten / Teambildung
Werk
Skizze / Photo
Warum? Warum? Warum? Warum? Warum?
Problem: fehlerhafte Produkte in Fertig.- bzw. Lieferware
Mensch
1
.
1
5 x Warum - Übernehmen der wahrscheinlichsten Hauptursache(n) aus dem Ishikawa
4b
Teammitglieder:
Warum? Warum? Warum? Warum? Warum?
Teamleiter:
Problemlösungsblatt
Material
Wirksamkeitsüberprüfung durch Wasti ( 6- 8 Wochen )
7
Fehlende Einarbeitungsmatrix
Fehlverhalten.
regelmäßige Nachschulung der MA
Absicherung
.
Kontrolle durch MA nicht ausreichend !
1
Unterlagen und AA prüfen ,freigeben und aushängen
Teamleitung , QS
2
MA nachschulen - Probleme darlegen - Auswirkungen aufzeigen
Teamleitung , QS
3
Paten für neue MA festlegen
4
Kontrollen der Qualität und Beurteilung der neuen MA in regelmäßigen Abständen durchführen
Termin
Status
zeitnah zeitnah zeitnah
Teamleitung , QS
zeitnah
Teamleitung , QS
5 Übertragung der Lösung auf andere Produkte/Prozesse (Lessons Learned)
8
.
Ursachenanalyse (Ishikawa)
Problem:
nicht sauber Unterwiesen ständig neue Mitarbeiter / zu kleiner Stamm
Vorschlag / Aktivität
Übertragung
Fehlverhalten trotz AA Stress , noch in Einarbeitung
Verantwortung
Absicherung der erfolgreichen Lösung (FMEA, Control Plan, Anweisungen, Schulung, etc.)
Verantwortung
Termin
1 2 Begründung bei nicht Notwendigkeit
fehlende Kontrolle während der Fertigung
Methode
Mitwelt
Massnahme mit Termin und Verantwortlichem
Der Problemlösungsfall ist vom Teamleiter dem Steuerkreis vorzustellen und durch diesen zu bestätigen. Dies dient zugleich zur Entlastung des Teamleiters. Fertiggestellt am
Abschluss
9
Massnahme in Umsetzung
Max Mustermann
Moritz Beispiel
Teamleiter
Massnahme umgesetzt
Steuerkreismitglied
Wirksamkeit der Massnahme nachgewiesen
Abb. 2.50 Problemlösungsblatt Ishikawa-8D kombiniert die 8-dimensionale Problemlösungsmethode (8D) und die Lean-Ursachenanalyse der Fischgrätmethode nach Ishikawa mit 5W
Fehleranzahl: 56 54 52 50 48 46 44 42 40 38 36 34 32 30 28 26 24 22 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Fehlerklassen:
46
5
1
5
2
39
1
3
Mai
Abb. 2.51 Auswertung der logistischen Fehlerbilder nach Merkmalen
278
P. Dickmann et al.
gramm ( Ishikawa). Damit wird die Lean-Methode der Ursachenanalyse „5 x Warum“ (5W) integriert. Dieser Ansatz ist für alle Bereiche und Probleme sinnvoll, auch für Logistikfehler oder Störungen. Der Ishikawa-8D wird in folgenden Schritten abgearbeitet: • • • • • • • • •
D1 Fakten/Teambildung D2 Problembeschreibung D3 Sofortmaßnahmen D4-A Ursachenanalyse ( Ishikawa) D4-B 5 x Warum – Hauptursache(n) aus dem Ishikawa-Ansatz D5 Maßnahme D6 Wirksamkeit D7 Absicherung D8 Übertragung & Abschluss (Abb. 2.50, 2.51)
2.18 Störparameter im Materialfluss und in Produktionssystemen Holm Fischäder, Herfried M. Schneider Logistische und fertigungsbezogene Störungen induzieren Abweichungen bei geplanten Prozessabläufen und -ergebnissen. Unvorhergesehene Einwirkungen auf Produktionssysteme sind in der industriellen Praxis allgegenwärtig. Damit verbunden sind negative Einflüsse auf die strategischen Erfolgsdimensionen Qualität, Zeit und Kosten. Speziell Materialflüsse zwischen logistisch eng gekoppelten Produktionsstufen haben eine höhere Anfälligkeit für Störungen. In getakteten Materialflusssystemen haben Störungen schnell weitläufige Unterbrechungen des Materialflusses zur Folge. In den vergangenen Jahren sind im Rahmen der Bemühungen um eine „Verschlankung“ der Produktionssysteme immer mehr Prozess- und Ressourcenrestriktionen abgebaut und Wertschöpfungsprozesse hinsichtlich kürzerer Durchlaufzeiten umgestaltet worden [Woma 04; Seki 95]. Fallen Systemreserven und Möglichkeiten der Prozessentkopplung (Kapazitäts-, Zeit- und Mengenpuffer) weg, steigt zusätzlich die Störanfälligkeit von Produktionsprozessen. Vor diesem Hintergrund ist das Sicherstellen stabiler Wertschöpfungsprozesse eine Problemstellung des Störungsmanagements. Für die Überwachung der Leistungserstellung in Produktionssystemen existieren (Software-)Lösungen, die auf eine (Echtzeit-Visualisierung von Bedarfs-, Bestands- sowie Kapazitätsinformationen und damit auf eine informatorische Transparenz in mehrstufigen Produktionsprozessen abzielen [Graf 04; Alic 04]. Bislang sind jedoch Konzepte, die im Störfall mehrere Wertschöpfungsstufen übergreifende Störungswirkungen prognostizieren und die Konfiguration von Maßnahmen der Störungsreaktion unterstützen, nicht in geeigneter Weise verfügbar. Störungen in Produktionssystemen sind an das Auftreten von Störgrößen gebundene, zeitlich befristete und zufällige Einwirkungen auf den Prozess der Leistungserstellung. Die
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
279
Felder der Störgrößeneinwirkung intern induziert
extern induziert
Bezugssystem
Fall A Potenzialausstattung des Produktionssystems unterliegt Störeinflüssen (Produktionsfaktoren Betriebsmittel und objektbezogene menschliche Arbeit). Intern induzierte Störgrößen führen zu einer (zeitlich befristeten) Reduzierung des Kapazitätsangebotes.
Fall B versorgungsseitig induziert
Fall C nachfrageseitig induziert
-Lieferantensicht Bereitstellung von Verbrauchsfaktoren ist gestört (Lieferungen in unzureichender Qualität, Lieferung ausgefallen usw.)
-Kundensicht Kurzfristig und unvorhersehbar treten Änderungen der Produktionssystembelastung auf (Modifikation Auftragsumfang und/oder Arbeitsinhalt).
Fall D: Überlagerung der Fallgruppen A bis C Sowohl die Ressourcenausstattung als auch das Produktionsprogramm unterliegen Störeinflüssen.
Abb. 2.52 Störgrößeneinwirkungen auf den Materialfluss
Ursachendimension der Störung beschreibt das Auftreten einer solchen – exogen auf das Bezugssystem oder aber (endogen) aus diesem heraus – unabhängig von anderen Größen und nicht kontrollierbar wirkenden Störgrößen (Abb. 2.52– in Anlehnung an [Fisc 04]). Extern induzierte Störungsursachen sind beispielsweise • verzögerte, falsche oder fehlerhafte Materialbereitstellungen durch den Lieferanten, • kurzfristige Änderung von Auftragsspezifikationen durch den Kunden. Zu Bezugssystem-intern auftretenden Störgrößen zählen • Ausfälle von Betriebs- und Transportmitteln und • Personalausfälle. Störgrößen können Abweichungen geplanter Prozesse hervorrufen. Die Wirkungsdimension stellt auf diese Abweichungen ab und beschreibt beispielsweise den zeitlichen Verzug eines terminierten Fertigungsauftrages. Die durch die Störgröße induzierte Zustandsänderung des betrachteten Produktionssystems ist von bestimmter Dauer. Die Zeitspanne zwischen Beginn und Ende der Störungswirkung wird als manifeste Störungsphase (Abb. 2.53) bezeichnet [Heil 95]. Dieser kann eine sogenannte Latenzphase vorausgehen. Sie umfasst die Zeitspanne zwischen der Einwirkung der Störgröße (Störungsursache) und dem Eintritt der durch sie hervorgerufenen Wirkung auf den Auftragsdurchlauf ([Heil 95]. In einer umfassenden Sichtweise sind drei Ansatzpunkte für die Stabilisierung von Produktionssystemen zu identifizieren und unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkungen zu gestalten [Pati 01, Heil 95]. Präventives Störungsmanagement verfolgt das Ziel, das
280
P. Dickmann et al. Zeitliche Reichweite der Pufferung (Bestände, Überkapazität)
Anpassungsplanung und -umsetzung Meldezeit
Diagnosezeit
Latente Phase
Entstörzeit
Manifeste Phase
Auftritt der Störgröße
Beginn der Störungswirkung
(Störungsursache)
(auf den Auftragsdurchlauf)
Ende der Störungswirkung Zeit
Abb. 2.53 Phasen des Störungsverlaufes
Produktionssystem so zu gestalten, dass potenzielle Ursachen von Störungen eliminiert werden. Die Unsicherheit, mit der ein System konfrontiert ist und damit die praktische Vielfalt an Störungsursachen sind im Regelfall so groß, dass das Auftreten von Störungen in betriebswirtschaftlich sinnvoller Weise nicht vollständig vermieden werden kann. Störungsmanagement muss deshalb auch die Strategien Antizipation und Reaktion umfassen. Antizipatives Störungsmanagement konkretisiert sich in der Planung und Bereitstellung von Systemreserven in Form von Zeit-, Mengen- und Kapazitätspuffern. Reaktives Störungsmanagement umschließt Sanierungsmaßnahmen und impliziert demgegenüber Rückgriffe auf Potenziale dispositiver Art mit dem Ziel der flexiblen Reaktion auf eingetretene oder unmittelbar bevorstehende Störungen. Das Management von Störungen muss integraler Bestandteil von Konzepten der Planung und Steuerung von Materialflüssen sein. Derzeit bestehen konzeptionelle und verfahrensmethodische Defizite. Die Unterstützung störungsbezogener Entscheidungen in dynamischen Planungs- und Realisierungskontexten bedingt ein Modellsystem, welches die Aufteilung von Maßnahmen in zwei Entscheidungsfelder gestattet: • Reaktionen auf Störungen: Auf störungsbedingte und kurzfristig eingetretene Veränderungen von Kapazitätsangebot und/oder -nachfrage kann mit Formen der zeitlichen, intensitätsbezogenen oder quantitativen Anpassung reagiert werden. • Maßnahmen der Störungsabwehr: Durch die Einführung von Systemreserven (z. B. redundante Anlagen, Sicherheitsbestände) kann die Ausbreitung von Störungswirkungen in mehrstufigen Produktionsprozessen reduziert werden. Materialflüsse werden (im Störfall) entkoppelt. Verallgemeinerte Entscheidungsnetzpläne und Markov-Ketten bilden eine geeignete methodische Grundlage für die Darstellung von Systemstrukturen und die Analyse der Verhaltensweise gestörter Produktionssysteme (zu einem entsprechenden Modellierungsansatz vgl. [Fisc 04] S. 147 ff., [Fisc 05] S. 236 ff., zu einem praktischen Beispiel insbesondere [Fisc 05] S. 241 f.). Unterschiedliche Störungsursachen (Störgrößen) ziehen je nach Ausmaß, Einwirkungsort und -dauer im Produktionssystem unterschiedliche Wirkungen
2 Grundlegende Steuerungsverfahren im heterogenen Logistiknetz mit Kanban
281
nach sich. Es interessiert, welche Auswirkungen auf die Materialflüsse im Vergleich zum ungestörten System zu erwarten sind. Prognostizierte Wirkungen von Störungen auf den Auftragsdurchlauf sind die Grundlage für die Konfiguration von Anpassungsmaßnahmen. Das Modellsystem gestattet es, in konkreten Störsituationen echtzeitnah Aussagen zu treffen. Diese Aussagen klären, inwieweit Störungen innerhalb eines Teilbereiches des betrachteten Produktionssystems absorbiert werden können oder mehr als einen Produktionsbereich betreffen und durch welche Maßnahmen das System aus dem gestörten in den Normalzustand überführt werden kann. Die Darstellung und Bewertung von Störungswirkungen, die mehrere Produktionsstufen übergreifen, ist Voraussetzung für deren kostenoptimale Kompensation. Störungen beeinflussen Kostenarten, wie • Bearbeitungskosten und verrechnete Gemeinkosten, • Bestandskosten sowie • Lieferrückstandskosten. Kosten der situationsspezifisch zu ergreifenden Anpassungsmaßnahme und Kosten hervorgerufen durch die Störung selbst werden erfasst. Störungsmanagement zielt auf die Minimierung dieser beiden Kostenkategorien in ihrer Gesamtheit ab [Fisc 05]. Der Modellierungs- und Optimierungsansatz ist Kern eines Entscheidungsunterstützungssystems für ein Störungsmanagement. Als Funktionskomponente eines Koordinationsleitstandes liefert das System situationsgerecht eine Informationsbasis und Handlungsvorschläge zur Kompensation von Störungswirkungen.
Literatur [Alic 03] Alicke, K. (2003). Planung und Betrieb von Logistiknetzwerken. Berlin: Springer. [Alic 04] Alicke, K., Graf, H., & Putzlocher, S. (2004). Unternehmensübergreifendes Supply Chain Management realisiert multi-tier collaboration. In Integriertes Supply Chain Management 2. Aufl. (S. 485–497, 491 ff.). Wiesbaden: Gabler. [Bovi 97] Bonvik, A. M., Couch, C. E., & Gershwin, B. S. (1997). A comparison of production line control mechanisms. International Journal of Production Research, 35(3), 789–804. [Buza 92] Buzacott, J. A., & Shanthikumar, J. G. (1992). A general approach for coordinating production in multiple-cell manufacturing systems. Production and operations management, 1(1), 34–52 (Winter). [Buza 93] Buzacott, J. A., & Shanthikumar, J. G. (1993). Stochastic models of manufacturing systems. Englewood Cliffs: Prentice Hall. [Chan 94] Chang, T. M., & Yih, Y. (1994). Generic Kanban systems for dynamic environments. International Journal of Production Research, 32(4), 889–902. [DicE 04] Dickmann, E. (2004). Production Synchronized Software Projektunterlage, Grafing: lepros GmbH. [Dick 02] Dickmann, P., & Kuttler, R. (2002a). Optimum aus Beständen und Liefertreue mit Kanban erreichen. Logistik für Unternehmen – Teil 1 (9/2002, S. 70–74). Düsseldorf: Springer VDI-Verlag.
282
P. Dickmann et al.
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3
Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen Philipp Dickmann, Philipp Schürle, Michael F. Zäh, F. Aull, Joachim Gerlach, Eva Dickmann, Joachim Hirsch, Przemyslaw Manowski, Andreas Wernado, Klaus Kapalla, Jens Henneberg, Johannes Kittel, Fritz Leinsle, Christian Frey, Benny Behr, Jochen von Kamp, Andrea Gerlach, Ralph Wannenwetsch, Daniel Fintzen, Tetyana Korovchuk, Alexander Lindner, Josef Minster, Robert Kuttler, Udo Kilian, Steffen Krippendorf, Hans-Peter Kemser, Torsten Krzywania, Johannes Wulz und Joachim Berlak Philipp Dickmann Wie bereits im Kapitel 1 „Elemente moderner, schlanker Produktionssysteme“ und Kapitel 2 „Grundlegende Steuerungsverfahren“ beschrieben, basiert das Toyota Produktionssystem (TPS) auf zahlreichen Methoden wie Kanban, Train, Supermarkt, Just-in-time, Just-in-Sequence und Ship-to-line. Manche dieser Methoden (z.B. Kanban) erfreuen sich großer Beliebtheit – ihre Einsatzbreiten sind jedoch isoliert oder nur punktuell, lt. leprosUmfrage „Fakten zu Lean“ [lepr 07]. Um, wie im Fall von Toyota oder Nissan, real einen „Schlanken Materialfluss“ flächendeckend zu erreichen
P. Dickmann () · E. Dickmann lepros GmbH, Grafing b. München, Deutschland E-Mail:
[email protected] P. Schürle Leonardo Group GmbH, München, Deutschland M. F. Zäh · F. Aull Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb), Technische Universität München, München, Deutschland J. Gerlach ORGATEX GmbH & Co. KG, Langenfeld, Deutschland J. Hirsch Dorfprozelten, Deutschland P. Manowski · A. Wernado Assamstadt, Deutschland © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 P. Dickmann (Hrsg.), Schlanker Materialfluss, DOI 10.1007/978-3-662-44869-4_3
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286 K. Kapalla BITO-Lagertechnik Bittmann GmbH, Meisenheim, Deutschland J. Henneberg Bosch-Rexroth, Lohr am Main, Deutschland J. Kittel Frankfurt am Main, Deutschland F. Leinsle · C. Frey GROB-WERKE GmbH & Co. KG, Mindelheim, Deutschland B. Behr Volkswagen Bildungsinstitut GmbH, Zwickau, Deutschland J. von Kamp U-Shin Deutschland Zugangssysteme GmbH, Erdweg, Deutschland A. Gerlach Heraeus Noblelight GmbH, Hanau, Deutschland R. Wannenwetsch · R. Kuttler ifp GmbH, München, Deutschland D. Fintzen Eppendorf Instrumente GmbH, Hamburg, Deutschland T. Korovchuk ODU GmbH & Co. KG, Mühldorf am Inn, Deutschland A. Lindner Sputnik Engineering AG, Biel/Bienne, Schweiz J. Minster Schlemmer GmbH, Poing, Deutschland U. Kilian · S. Krippendorf Voith Turbo GmbH & Co. KG, Garching bei München, Deutschland H.-P. Kemser · T. Krzywania BMW AG, Regensburg, Deutschland J. Wulz Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml), Technische Universität München, München, Deutschland J. Berlak software4production GmbH, München, Deutschland
P. Dickmann et al.
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287
• ist eine kombinierte Umsetzung sehr vieler spezifischer Materialflusselemente und Materialgruppen, • eine Optimierung im gesamten Materialflusssystem - auch außerhalb der klassischen Logistik - sowie • eine jahre- bzw. jahrzehntelange kontinuierliche Arbeit an diesem Thema im Unternehmen nötig (zumindest ab einer gewissen Unternehmensgröße). Eine maßgeschneiderte Logistiksteuerung ist dabei ein wichtiger Stellhebel. Sie setzt eine professionelle Steuerungsauswahl voraus und wird bei hochentwickelten Systemen fast immer hybriden Charakter haben. Kanban und ziehende Steuerungen (pull) haben Nachteile und sind in der Praxis fast nie für alle Materialgruppen sinnvoll. Um „Schlanken Materialfluss“ zu erreichen ist wesentlich mehr nötig, als nur Kanban oder Lean Logistik (die Verwendung von Logistik-Equipment, wie Train oder Supermarkt). Als Voraussetzung muss an folgenden Rahmenbedingungen parallel gearbeitet werden: • • • • • • • • • •
Fabrikplanung und Wertstromdesign, Arbeitsplatzgestaltung und -ergonomie, Logistik-Equipment und -Technologie, einem funktionierenden Lean-System in der Produktion, Kundenbedarfe und Bedarfscharakteristik, Transportlogistikabwicklung, Beschaffungsablauf und Lieferantenmanagement, IT und ERP-Parametrisierung, Arbeitsteiligkeit und Kapazität der Mitarbeiter und gegebenenfalls einer sinnvollen Aufteilung eines Produktionsnetzes.
Neben diesen Hardfacts wird übersehen, dass oft auch Softfacts verändert werden müssen. Voraussetzung für einen „Schlanken Materialfluss“ bei den Verantwortlichen, aber auch im gesamten Unternehmen und der Zulieferkette ist • interdisziplinäre Kompetenz und • weitreichende, langjährige praktische Erfahrungen mit Lean- und Materialflusssystemen.
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3.1 Kanban - der Weg ist das Ziel Philipp Schürle Wenn man aktuell Produktionsbereiche in Deutschland und Europa besucht, fallen im Zusammenhang mit modernen Produktionsmethoden immer öfter die Begriffe Kanban (jap. Karte, Signal) und Pull-Produktion, und dies nicht ohne Stolz, da diese mit dem schillernden Vorbild des Toyota Produktionssystems in Zusammenhang stehen. Tatsächlich ist Kanban ein integraler Bestandteil moderner Produktionssysteme. Blickt man aber im Rahmen von Prozessanalysen hinter die „Fassaden“, d. h. in die tägliche Praxis der Arbeitsprozesse, wird man schnell desillusioniert – die viel gepriesenen klassischen Kanban-Regeln werden im Tagesgeschäft nicht eingehalten. Die Kanban-Regeln sind das Fundament Ein funktionierender Kanban-Betrieb basiert auf den folgenden strengen Grundregeln, welche gegebenenfalls noch weiter detailliert werden können: • Lieferung und Transport von Produkten erfolgt nur zusammen mit dem Kanban (ein Signal als Prozessauslöser, wie beispielsweise eine Karte, auf der Quelle, Senke, Menge, Teilenummer, Barcode, Lieferzeit, Behältertyp, Kartennummer etc. klar definiert sind). Produktion bzw. Transport nur dann auslösen, wenn ein Kanban (= Bestellung) vorliegt. • Die Auslösung eines Kanban-Regelkreises erfolgt nur durch den Verbraucher. • Keine Weitergabe von fehlerhaften Produkten (d. h. es dürfen sich nur „Gutteile“ in den Kanban-Beständen befinden). • Die Anzahl der im Umlauf befindlichen Kanban-Karten darf nicht verändert werden, sondern muss durch einen zentralen Kanban-Manager kontrolliert werden. Kanban sollte noch nicht eingeführt werden, wenn keine weitgehende Einhaltung dieser Regeln im Tagesgeschäft sichergestellt werden kann. Mögliche Gründe für das Nichteinhalten dieser Regeln liegen oft darin, dass die beteiligten Mitarbeiter nicht ausreichend über die Bedeutung dieser Regeln informiert sind und mit den Ursachen des Nichteinhaltens falsch umgehen: Es geht nicht darum, das Nichteinhalten der Kanban-Regeln zu sanktionieren und damit das geschickte Umgehen von Kanban-Regeln zu fördern, sondern – ganz im Gegenteil – dies als Lern- und Verbesserungschance zu verstehen. Durch Kanban werden die real existierenden Probleme in den Arbeitsprozessen sichtbar. Daher ist es empfehlenswert, für jeden Regelkreis die Abweichungen in Form von Regelkarten zu dokumentieren und zeitnah Kaizen-Maßnahmen, die das Ziel haben, Wiederholungsfehler zu vermeiden, durchzuführen. Dies bedeutet eine offene Fehlerkultur, welche durch Führungskräfte und Mitarbeiter praktiziert werden muss. Einfache, verständliche und verbindliche Arbeitsstandards unterstützen dabei. Andere Ursachen liegen darin, dass die selbststeuernden Pull-Regelkreise von zentralen, übergreifenden Planungs- und Steuerungssystemen „torpediert“ werden, z. B. wenn
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
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Aufträge mit einer bestimmten Priorität oder Dringlichkeit zusätzlich angenommen werden und dadurch das geschlossene System stören. Gut funktionierende Kanban-Systeme basieren auf selbststeuernden, in sich geschlossenen Regelkreisen, welche auf je ein Teil oder Produkt auszulegen sind. Die Regelkreise werden bei Entnahmen aus Kanban-Beständen, z. B. bei Anbruch des Behälterloses (aus sogenannten Supermärkten oder FIFO-Puffern), aktiviert und lösen Fertigungs- und Transportaufträge bei den vorgelagerten Prozessen aus, die bei definierten Wiederbeschaffungszyklen die Bestände (= Senken) auch wieder auffüllen. So kann man bei minimalem Steuerungsaufwand und mit standardisierten Beständen und Lagerorten Materialflüsse steuern und Materialverfügbarkeit sicherstellen. Kanban fördert somit eine Beruhigung der Prozesse in Produktion, Steuerung und Logistik. Der Kanban-Betrieb als aktiv betriebener Change-Prozess Die Entwicklung einer firmenspezifischen Anwendungs- und Einführungsstrategie für Kanban und Pull-Systeme muss längerfristig angelegt werden. Nicht allein die Einführung von Kanban ist die eigentliche Herausforderung, sondern die Schaffung, Stabilisierung sowie die kontinuierliche Verbesserung und Pflege der Kanban-Regelkreise. Im Sinne einer dynamischen Weiterentwicklung mit immer kürzeren Durchlaufzeiten der Materialströme ist der Weg mit Kanban das eigentliche Ziel, also der permanente, tägliche Kampf um bekannte und neu entstehende Verschwendungsquellen in der Produktion und Logistik sowie entlang der Wertschöpfungsketten. Kanban ist dabei für die beteiligten Mitarbeiter ein einfaches, visuelles Werkzeug zur Standardisierung der Informationsflüsse, um die Vermeidung (oder zumindest die grundsätzliche Reduzierung) von Verschwendung in den täglichen Arbeitsprozessen umzusetzen. Kanban bedeutet ein Signal und kann die verschiedensten Ausprägungen haben: von der Steuerung der Leerstellen über Mehrbehälter-Kanban mit Kanban-Karten bis hin zu elektronischen Kanban-Lösungen, und dies jeweils – von der Funktion her – als Produktions-, Material-, Transport- oder auch Lieferanten-Kanban. Dabei ist immer die einfachste Form, bei der ein stabiler Kanban-Betrieb sichergestellt werden kann, vorzuziehen. Hierbei sind die Mitarbeiter in den Prozess einzubeziehen. Das wichtigste Merkmal von Kanban-Systemen ist, dass nicht geschätzte, prognostizierte Bedarfsmengen die Produktion auslösen, sondern allein der reale Verbrauch von Produkten und Teilen. Frei nach dem Motto „Ist etwas weg, muss etwas hin.“ wird gemäß dem Ziehprinzip erst dann etwas produziert, wenn interne oder externe Kunden ziehen (= Pull). Dies setzt voraus, dass für aktuell gute und verkäufliche Produkte auch in absehbarer Zukunft und mit hoher Wahrscheinlichkeit noch Kundenabrufe zu erwarten sind. Kanban bringt damit die realen internen und externen Kundenbedarfe in einem standardisierten Rhythmus in die Arbeitsprozesse. Dabei sind in regelmäßigen Zeitabständen die Prämissen bzw. die Kanban-Berechnungsparameter auf Aktualität zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Um dies zu erreichen, ist oft eine Veränderung in Verhalten und in der Einstellung der Mitarbeiter notwendig.
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Der Weg ist das Ziel, das Ziel ist die synchrone Produktion Kanban kann ein verlässlicher Weg in Richtung der Vision einer synchronen Produktion sein. Dies wird in Schritten durch die stetige Reduzierung der Umlaufbestände erreicht, d. h. durch die Reduzierung der Kanban-Karten unter der Voraussetzung flankierender Maßnahmen, sofern die sichere Versorgung der nachfolgenden Prozesse nicht gefährdet wird. Folgende Maßnahmen können dies u. a. unterstützen: • Fertigung in kleinen, tagesbezogenen Losgrößen mithilfe von schnellem Umrüsten, Losgrößenanpassung aller Produktions- und Logistikprozesse gemäß dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen (= SNP oder engl. Standard number of parts) • Losgrößenanpassung aller Produktions- und Logistikprozesse gemäß dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen (= SNP oder engl. Standard number of parts) • Temporär gültige Einmal-Kanban-Karten für spezielle, sporadisch auftretende Auftrags- oder Exotentypen • Synchrone, ausgetaktete Einzelprozesse • Kurze Durchlaufzeiten und dadurch schnellere Reaktionsfähigkeit • Stabile, fehlerfreie Fertigung mit Qualitätskontrollen in den Prozessen (Abb. 3.1) Dies kann nur dann wirkungsvoll erfolgen, wenn die verschiedenen Funktionen wie Produktion, Logistik, Produktentwicklung und Qualität gemeinsam an diesen Optimierungsansätzen arbeiten. Spätestens hier wird deutlich, dass Kanban ein interdisziplinärer Ansatz ist, um die bereichsübergreifende Zusammenarbeit zu verbessern und an der wertstromorientierten Gesamtoptimierung auszurichten.
Abb. 3.1 Gesamtoptimierung geht vor einzelnen Suboptimierungen: Das Unternehmen als System wird nur dann optimiert, wenn alle Funktionen und Aktivitäten eng miteinander verzahnt sind
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
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3.2 Projektmanagement zur Einführung von Kanban-Steuerungen Michael F. Zäh, F. Aull Mit der Einführung eines Produktionssystems nach dem Vorbild des TPS geht typischerweise die Implementierung von Kanban-Steuerungen in der Produktion einher. Wichtige Prinzipien für die Kanban-Steuerung, wie die Kundenorientierung, werden dabei bereits durch das übergeordnete Produktionssystem festgelegt ([Mond 98], [Ohno 93], [Shin 89], [Take 05]). Ergänzend zu den vorhergehenden Kapiteln beschäftigt sich das folgende mit dem Thema Kanban und beginnt mit dem Beitrag „Projektmanagement zur Einführung von Kanban-Steuerungen“. Kennzeichnend und typisch für die Einführung von Kanban-Steuerungen sind die große Anzahl der beteiligten Unternehmensbereiche sowie die Anzahl der eingebundenen Mitarbeiter im Gesamtprojekt. Die Hauptverantwortung und damit auch das Projektcontrolling für eine Einführung liegt beim Management, da nur so eine gleichwertige Zusammenarbeit der beteiligten Abteilungen auf einer Ebene ermöglicht wird und das Management als übergeordnete Instanz entscheidungsbefugt eingreifen kann. Dies setzt ein straffes Projektmanagement voraus, in dem von Beginn an Verantwortlichkeiten, Terminpläne und Inhalte einvernehmlich festgelegt und eingehalten werden. Alle bekannten Methoden und Hilfsmittel aus dem Projektmanagement können und sollten daher bei Einführungsprojekten genutzt werden. Aufgrund der Größe des Projektteams sind bei der Einführung von Kanban-Steuerungen die Schnittstellen zwischen den beteiligten Projektpartnern zu fokussieren. Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf Kanban-spezifische Fragestellungen und verweist im Übrigen auf die existierende Fülle an Projektmanagementbüchern und -artikeln.
3.2.1 Prinzipien zur Einführung von Kanban-Steuerungen Die Einführung von Kanban-Steuerungen baut auf einer Reihe von Prinzipien auf, die im Unternehmen vor der Einführung vorhanden sein müssen [Wild 96]: 1. Ausrichtung an realen Bedarfen: Kanban als „ziehende“ Fertigungssteuerung ist ausschließlich an den realen Kundenabrufen auszurichten und entsprechend auszulegen. 2. Dezentrale Steuerung: Die Auftragseinlastung wird nicht mehr zentral, sondern dezentral durch den Werker vor Ort gesteuert. 3. Vermeidung von Verschwendung: Hauptsächliches Ziel einer Kanban-Steuerung ist die Vermeidung von Verschwendung in Form von Überproduktion, hohen Durchlaufzeiten und hohen Beständen. 4. Methodenmix: Kanban ist nicht für das gesamte Produkt- und Teilespektrum geeignet. Für verschiedene Arten von Teilen können auch verschiedene Steuerungsmethoden geeignet sein (MRP II, etc.). 5. Kontinuierliche Verbesserung: Alle internen Kanban-Regelkreise sind kontinuierlich anzupassen.
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P. Dickmann et al.
3.2.2 Voraussetzungen zur Einführung von Kanban-Steuerung Für eine erfolgreiche Implementierung einer Kanban-Steuerung sind nach Takeda sieben Voraussetzungen in der Produktionsorganisation zu erfüllen [Take 05]: 1. Aufbau einer Fließfertigung: Ein gleichmäßiger Fluss der Teile durch die Produktion mit aufeinander abgestimmten Taktzeiten ist Grundvoraussetzung für die Einführung einer Ziehproduktion. 2. V erkleinerung der Losgrößen/Reduktion der Rüstzeiten: Für eine wirtschaftliche Fertigung in kleinen Losgrößen ist eine Reduktion der Rüstzeiten notwendig. 3. Geglättete Produktion: Der Bestand an Vorprodukten und Produkten errechnet sich aus der benötigten Wiederbeschaffungszeit, dem durchschnittlichen Bedarf und dem Sicherheitsbestand. Je geringer die Schwankungen der nachgelagerten Produktionsstufe ausfallen, desto weniger Sicherheitsbestand wird benötigt. Damit sinkt der Gesamtbestand der vorgelagerten Stufe. Bei einer über alle Wertschöpfungsstufen implementierten Kanban-Steuerung steuert die letzte Stufe alle anderen vorgelagerten Produktionsstufen, sodass nur noch die letzte Stufe als Schrittmacherprozess zu glätten ist. 4. Verkürzung und Vereinheitlichung der Transportzyklen: Die Wiederbeschaffungszeit hat direkte Auswirkung auf die Höhe der Bestände. Eine Reduktion der Durchlaufzeit durch Verkürzung der Transportzyklen führt daher zu sinkenden Beständen. 5. Kontinuierliche Produktion: Voraussetzung für eine Ziehproduktion ist die Produktion im Fluss. Da Voraussetzung für eine Produktion im Fluss kontinuierliche Abrufe der vorgelagerten Stufe sind, muss jede Wertschöpfungsstufe in der Lage sein, kontinuierlich zu produzieren, um den Produktionsfluss nicht zu hemmen. 6. Bestimmung der Adressen: Für die Selbststeuerung der Produktion durch den Werker ist eine einfache und schnell zu erfassende Grundstruktur der Lieferanten-Kunden-Beziehungen notwendig. Eine genaue Definition von Ort, Menge und Termin der Ware ist hierfür Voraussetzung. 7. Konsequentes Behältermanagement: Für einen einfachen und logischen Aufbau der Verkettungsstruktur soll jedem Behälter nur eine Sachnummer zugeordnet werden. Zudem sind die Behälter möglichst klein zu halten, um einen schnellen Überblick über die Anzahl der enthaltenen Teile zu gewinnen. Ergänzende Faktoren Neben diesen Voraussetzungen nach Takeda gibt es weitere Faktoren, die im Idealfall bei der Einführung einer Kanban-Steuerung vorliegen sollten: 8. Hohe Qualität der Vorprodukte und Liefertreue der Lieferanten: Eine schlechte Produktqualität und eine niedrige Liefertreue am Anfang der Wertschöpfungskette ziehen Unregelmäßigkeiten im Produktionsfluss nach sich, sodass die Kanban-Regelkreise auf ein zu hohes Bestandsniveau auszulegen sind. 9. Stückzahl und Wert der Produkte: Für die Einführung von Kanban eignen sich insbesondere Produkte mit hohem Wert und guter Vorhersagegenauigkeit hinsichtlich des Verbrauchs, also AB/XY-Artikel (Tab. 3.1).
293
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen Tab. 3.1 Artikelklassen geeignet für Kanban Artikelwert
A hoch
B mittel
C gering
X niedrig
hoher Artikelwert – niedrige Schwankung
mittlerer Artikelwert – niedrige Schwankung
geringer Artikelwert – niedrige Schwankung
Y mittel
hoher Artikelwert – mittlere Schwankung
mittlerer Artikelwert – mittlere Schwankung
geringer Artikelwert – mittlere Schwankung
Z hoch
hoher Artikelwert – hohe Schwankung
mittlerer Artikelwert – hohe Schwankung
geringer Artikelwert – hohe Schwankung
Abrufschwankungen
Legende:
= Kanbanfähig
Dagegen kann es bei hoher Variantenvielfalt und unregelmäßigen Abrufen bei der Auslegung der Kanban-Kreisläufe zu Problemen kommen.
3.2.3 Zusammensetzung des Projektteams und Aufgaben Sollte die Einführung der Kanban-Steuerung nicht in den Rahmen einer Implementierung eines Produktionssystems eingebettet sein, ist der Zusammenstellung des Projektteams eine noch größere Aufmerksamkeit zu widmen, da die Produktorientierung prozesstechnisch und organisatorisch gemeinhin nicht im Unternehmen vorhanden ist. Das Projektteam zur Einführung setzt sich aus folgenden Unternehmensbereichen zusammen: • Produktion: Fertigung und Montage müssen die wesentlichen Planungsergebnisse des Projektes umsetzen. • Arbeitsvorbereitung: Die Arbeitsvorbereitung stellt sicher, dass die Kapazitäten der einzelnen Arbeitsplätze und der Regelkreise optimal aufeinander abgestimmt sind um die Produktion im Fluss zu gewährleisten. • Qualitätssicherung: Die Organisation und die Prozesse der Qualitätssicherung sind an das Prinzip Kanban anzupassen. • Programmplanung: Die Produktionsprogrammplanung beeinflusst die KanbanSteuerung durch An- und Ausläufe von Produkten und Varianten. • Einkauf: Der Einkauf schließt die Rahmenvereinbarungen über Bedarfsstückzahlen mit den Teilelieferanten und reduziert die Anzahl der Teilelieferanten auf eine überschaubare Zahl. • Disposition/Materialsteuerung: Die zentrale Disposition wird teilweise durch selbststeuernde Materialabrufe oder durch Kanban-unterstützende Systeme geleistet und damit dezentralisiert. • Externe Logistik: Geringere Abrufmengen in höherer Frequenz beim Teilelieferanten erfordern eine veränderte Anbindung an den Lieferanten.
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P. Dickmann et al.
• Lager: Das Lager muss mit Orientierung an Kanban-spezifische Abläufe organisatorisch und technisch (Behälter, Verantwortlichkeiten, Lagermengen, etc.) angepasst werden. • Innerbetrieblicher Transport: Die innerbetriebliche Logistik muss mit der Einführung der Kanban-Steuerung im gleichen Zeittakt Teile anliefern und nicht in selbstkoordinierten Fahrwegen. • Fabrikplanung: Im Rahmen des Projekts müssen das Layout und die Zuordnung von Teilen zu Arbeitsplätzen neu geplant werden. • Rechnungswesen: Das Rechnungswesen bringt in das Projekt die Daten des Ist-Zustandes ein und erhebt Kostendaten nach der Einführung, um die Effekte einer Einführung bewerten zu können. Bereits im Pilotprojekt sollte das Rechnungswesen am Projekt mitarbeiten, da hier einzelne Effekte der Einführung bereits abgeschätzt werden können. Die vollständige und fachlich richtige Zusammensetzung des Projektteams ist die wesentliche Voraussetzung für eine funktionstüchtige Implementierung. Vor diesem Hintergrund sei ein weiteres Mal auf die Bedeutung der aktiven Unterstützung durch das verantwortliche Management hingewiesen, welches die treibende Kraft im Projekt sein sollte. Bei der Auswahl der Projektbeteiligten ist besonders darauf zu achten, dass die Mitarbeiter vor Ort intensiv und gleichberechtigt mit in die Planungen einbezogen werden. Dies ermöglicht die optimale Nutzung des Potenzials an Fachwissen und Fachkompetenz. Dies wirkt sich auch motivationssteigernd aus und schafft die zur Inbetriebnahme von Kanban notwendige Akzeptanz und Identifikation in allen Bereichen (v. a. beim Werker) (Abb. 3.2).
3.2.4 Projektplan Sind die Projektbeteiligten benannt, ist ein Stufenkonzept zur Planung auszuarbeiten. Für jede Phase in diesem Konzept sind dazugehörige Richtlinien und Vorgehensweisen gemeinsam zu erarbeiten. Diese Richtlinien können je nach Projektziel und Produktions-/ Fertigungsstruktur individuell verschieden sein. Ein typischer Projektplan ist in die vier Phasen • • • •
Analyse, Konzeptentwicklung, Schulung und Umsetzung
unterteilt und kann dabei folgendermaßen untergliedert sein (Abb. 3.3): Analyse In der Analysephase wird das Projektteam gebildet, das die Ziele des Projektes festlegt und eine gemeinsame Vorgehensweise mit Projektplan und Verantwortlichkeiten definiert.
295
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
Unternehmensführung Kaufmännische Auftragsabwicklung Einkauf und Beschaffung
Kalkulation
Finanzbuchhaltung
Techn. Auftragsabwicklung Vertrieb
Forschung Arbeits& Entvorbewicklung reitung
PPS Fertigung + Montage
Versand
Materialdisposition
Auftragsabwicklung Interne und externe Logistik
Fabrikplanung
Legende: Lager
A
= projektintegriert
B
= indirekt beteiligt
Abb. 3.2 Beteiligte Unternehmensbereiche bei der Kanban-Einführung
Beispielhafter Prozessablauf Analyse Team bilden
Bereich definieren
Ist-Zustand
Konzeptentwicklung Regelkreis def.
Behälterdef.
Layout / Flächen
Kanbans
IT-Umstellung
Information / Schulung Schulung Team
Information an MA
Schulung MA
Umsetzung Umsetzungsmaßnahmen
Kont. Anpassung
Abb. 3.3 Beispielhafte Prozesskette zur Einführung von Kanban-Steuerungen
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Weiterhin wird der Einführungsbereich definiert und hinsichtlich der Kanban-Fähigkeit seiner Produkte analysiert. Geeignete Produktgruppen und Fabrikbereiche werden festgelegt. Konzeptentwicklung In der Phase der Konzeptentwicklung werden die in der Analysephase identifizierten Produktgruppen hinsichtlich ihres Produktionsablaufes untersucht und Kanban-Regelkreise festgelegt. Es erfolgt die Berechnung der benötigten Kanban-Karten, die Auswahl der benötigten Behälter, die Berechnung des Platzbedarfs und das Entwerfen eines ersten Layouts. Die Kanban-Karten, die Kanban-Tafeln oder -Boxen sowie die Auslastungsübersichten werden definiert. In einem weiteren Schritt werden die notwendigen Änderungen für die IT ermittelt, Teileklassifikationen vorgenommen sowie die neuen Prozessabläufe für die IT festgelegt. Die Einbeziehung der Lieferanten erfolgt im nächsten Schritt mit der Ausarbeitung neuer Lieferkonzepte und -fähigkeiten sowie der Reduktion der Lieferantenzahl auf ein sinnvolles Minimum. Information/Schulung Im Rahmen einer Einführung sind zwei Schulungen durchzuführen, zum Ersten die Schulung für die Projektmitglieder zu Beginn des Projektes und zum Zweiten die Schulung der Mitarbeiter in der Produktion und den weiteren beteiligten Unternehmensbereichen. Die Schulungen werden im Rahmen sogenannter Planspiele abgehalten und führen so spielerisch an die noch unbekannten Abläufe heran. Informationsveranstaltungen bieten sich für die nicht direkt beteiligten Unternehmensbereiche und Mitarbeiter an. Umsetzung Die Umsetzung startet, wenn alle Prozesse und Hilfsmittel geplant bzw. vorhanden und die Mitarbeiter entsprechend geschult sind. Die neuen Prozesse sind zu visualisieren und vor Ort durch das Projektteam zu kontrollieren. Eine erfolgreiche Umsetzung zeichnet sich dadurch aus, dass die Mitarbeiter selbstständig im Rahmen ihrer Einflussmöglichkeiten das geplante System kontinuierlich anpassen. Die genannten Phasen und Schritte sind zwar sequenziell dargestellt, müssen jedoch durchaus iterativ durchgeführt werden, da jeder nachgelagerte Projektschritt auch Auswirkungen auf vorgelagerte Prozessschritte haben kann. So ist z. B. die ideale Auslegung der Puffer und Bestände abhängig vom verfügbaren Platz.
3.2.5 Definition von Prozessen nach der Implementierung Nach der Einführung der Kanban-Steuerung wird das Projekt nicht beendet, sondern tritt in eine neue Phase ein. Dies ist die Phase der kontinuierlichen Anpassung der KanbanKreisläufe. Hierin sind Aufgaben enthalten, wie die Reduzierung der Rüstzeiten, die Qualifizierung der Lieferanten zur termintreuen und qualitativ einwandfreien Lieferung und
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die Akzeptanzerhöhung bei Mitarbeitern und Vorgesetzten. Erfahrungsgemäß kommt es bei Einführungsprojekten von Kanban-Steuerungen zu vorher nicht exakt abschätzbaren Problemen und zu Mehraufwand in der Umsetzungsphase. Daher ist für die Umsetzungsphase mit einem erhöhten Kapazitätsbedarf zu planen. Als günstiger Zeitpunkt zur Umstellung auf eine Kanban-Steuerung bietet sich eine auftragsschwache Phase an, sofern eine solche z. B. durch saisonale Schwankungen abzusehen ist.
3.2.6 Kanban-Karten Joachim Gerlach, Philipp Dickmann Kanban-Karten entsprechen prinzipiell dem Label oder der Beschriftung eines Gebindes. Steuerungstechnisch sind sie eine Visualisierung des Gebindes und stellen die kleinste bewegliche und steuerbare Einheit im Materialfluss dar. Die Visualisierung ermöglicht somit dezentrale Steuerungssysteme. Physische Karten weisen einige Vorteile gegenüber EDV-basierten Steuerungssystemen auf (vgl. Kap. 5.5. Elektronische Kanban-Systeme). Sie sind visuell, frei von EDV-Fehlern und vielen Störgrößen, die etwa in Material Requirements Planning (MRP) auftreten können. Sie erlauben eine dezentrale Steuerung, auch völlig ohne EDV-Anbindung und ohne die dazugehörige Infrastruktur nebst Kosten. Durch die Art und den Einsatz der Karten lassen sich verschiedene Kanban-Varianten unterscheiden. Physische Karten bergen allerdings auch Risiken: Sie können verloren gehen. Es kann auch passieren, dass Details, die auf den ersten Blick unwesentlich erscheinen, auf den Karten weggelassen werden. Solche Fehler können das Scheitern von Kanban-Projekten bedeuten. Enthalten die Karten jedoch alle wesentlichen Steuerungsinhalte, ist das Risiko gering.
3.2.6.1 S teuerungsvarianten, die sich durch den Karten-Typ bzw. das Karten-Handling definieren Behälter- und Karten-Kanban Im Unterschied zu Behälter-Kanban, bei dem die Karte (das Label) immer mit dem Behälter zusammen im Kreis bewegt wird, wird die Karte bei Karten-Kanban streckenweise alleine verschickt. Generell ist Behälter-Kanban das sicherere Verfahren, da Behälter weniger leicht verloren gehen als Karten. Aus Platz- oder aus Distanzgründen können Behälter jedoch nicht immer sinnvoll eingesetzt werden, da bei hoher Behälteranzahl eine komplexe Rückführlogistik entstehen kann. Kreislauf- und Einweg-Karten Bei klassischen manuellen Kanban-Systemen werden Kreislauf-Karten verwendet, Warenbegleitlabels werden redundant mitgeführt. Vor allem beim Einsatz von eKanban in Verbindung mit einem Lagerverwaltungssystem mit intensivem Barcodeeinsatz oder durch Zuliefereranbindung finden vermehrt Einmal- oder Einweg-Karten Anwendung.
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Einweg-Beschriftung ersetzt in vielen Fällen die Warenbegleitlabels. Eine zusätzliche Beschriftung am Gebinde entfällt meist. Es wird manchmal auch nur das Herstellerlabel zur Identifikation verwendet, z. B. mit Informationen zur Charge oder zum Produktionsort. Der Nachteil dieser Steuerung liegt in der fehlenden Visualisierung des Kreislaufs und der Dezentralisierung, sowie in der Abhängigkeit von der elektronischen Datenverarbeitung. Die Stärke von eKanban zeigt sich vor allem bei umfangreichen Kanban-Systemen (z. B. bei mehreren tausend Karten). Bei dieser Größe wird der Handlings- und Buchungsaufwand bei physischen Karten zu aufwändig und fehlerträchtig (vgl. Kap. 5.5. Elektronische Kanban-Systeme). Sonderkarten – beschränkt gültige Karten Sonderkarten sind Karten, die z. B. ein „Haltbarkeitsdatum“ besitzen und nur einmalig oder begrenzt oft verwendet werden. Mit diesen Karten können kurzzeitig benötigte Produkte sicher gesteuert werden. Sie kommen zum Abdecken von Bedarfsspitzen, bei einmaligen Sondermengen oder bei einer Vorholaktion zum Einsatz (z. B. das vorgezogene Produzieren von Teilen, die während einer Betriebsruhe fällig wären). Die Sonderkarten werden temporär eingeschleust und dann wieder entfernt. Damit ist es möglich, auch untypische, unkontinuierliche Materialflüsse mit Kanban abzudecken. Es ist empfehlenswert, diese Karten farblich hervorzuheben. Barcodes und Transpondertechnologie-Kreisläufe Mittlerweile sind nahezu alle Karten redundant mit Barcodes ausgestattet. Dieses Vorgehen ist nicht nur für die Kopplung der Buchungsvorgänge vorteilhaft, zudem ermöglicht es durch Scannen eine schnelle Bestandsaufnahme oder Kontrolle. Transponder bieten vor allem bei internen Abläufen die Möglichkeit, Chargen oder Rückverfolgungsinformationen dezentral direkt am physischen Objekt zu speichern. Diese heute noch teure Variante ist vor allem bei den kreisenden, internen Auftrags-Kanban-Karten vielversprechend (vgl. Kap. 3.4. Produktionsnivellierung und Kap. 5.17 Identifizieren mit RFID). Im Vergleich zu Systemen mit einer zentralen Zuordnung und Verfolgung der Daten in der EDV, kann mit einer dezentralen Datenzuordnung eine einfachere Abwicklung und geringere Fehleranfälligkeit erreicht werden.
3.2.6.2 Sicht-Kanban Bei Sicht-Kanban oder auch Lücken-Kanban erfolgt das Auslösen der Aufträge durch eine Lücke. Diese kann sowohl ein leerer Boden- oder Regalplatz, ein leerer Platz auf der Befüllseite in einem Durchschubregal oder eine Lücke bei einer Pegel- oder AmpelKanban-Anzeige sein. Die leeren Stellflächen können mit Leerbehältern, „leeren“ Karten, Sensoren, Schaltern, Scannern mit Barcode bzw. RFID erfasst werden. Ist eine Lücke vorhanden, wird eine Bestellung ausgelöst. Diese Methode ist die am wenigsten störungsanfällige Nachschubmethode, da die Lücke schnell und sicher visuell erkennbar ist und
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nicht „verloren gehen“ kann. Sie kann zusätzlich mit Karten zum Informationstransport oder mit Detailinformationen kombiniert werden.
3.2.6.3 Informationen auf der Karte • Material und Benennung (gegebenenfalls zugehöriger Baugruppentyp): Die Benennung des Materials ist die wichtigste Information zur klaren Identifikation. Sie sollte daher möglichst ganz oben stehen sowie größer und dicker geschrieben werden als die restliche Information. Bei schlanken Karten, die in schmale Sammelkästen gesteckt werden, ist es zweckmäßig, die Karte auch seitlich mit Materialnummer und Benennung zu versehen. Bei materialnummerneutralem Kanban kann sie entfallen oder nur aus einer Materialfamilie bzw. Baugruppe und deren Benennung bestehen (Abb. 3.4). • Materialmenge und Einheit: Die Karte ist eine Behälterbeschriftung und bezieht sich auf eine klar abgegrenzte Materialmenge. Bei materialnummerneutralem Kanban beziehen sich die Stückzahlen nicht auf ein konkretes Material, sondern eine Materialgruppen (z. B. 10 Gehäuse). Es können beispielsweise bei Schüttgut auch grobe Mengenangaben oder Füllstände verwendet werden (z. B. ca. 2.000 Stück mit Pegelangabe oder Füllhöhe). • Kapazitäten: Ergänzend zur Menge können Bearbeitungs- oder Durchlaufzeiten angegeben werden. Sie ermöglichen die Kapazitätsplanung von Anlagen, Produktions- oder Beschaffungsprozessen und werden bei Kapazitätssteuerungsverfahren (Engpasssteuerungen) angewandt. Heijunka oder manuelle Kapazitätssteuerungen können mit derartigen Karteninformationen einfach umgesetzt werden. • Ziel und Quelle (bzw. Lieferant und Kunde): Diese Informationen sind vergleichbar mit der Adresse und dem Absender eines Briefes. Sie sind wesentlich, damit die Karte sicher ankommt und nicht verloren geht. Es wird der Ort eingetragen, an dem das Material verbraucht (die Karte „geleert“) bzw. hergestellt (die Karte „befüllt“) wird. Bei
Abb. 3.4 Inhalte bzw. Muster einer Kanban-Karte
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Lieferanten-Kanban können auch die Adressdaten des Kunden oder des Lieferanten, Debitoren- und Kreditorennummer sowie die Kontaktdaten eines Ansprechpartners ergänzt werden. Bei dezentralisiertem einfachen Lieferanten-Kanban kann die Karte als Übertragungsmedium zum Lieferanten genutzt werden. Sie wird vom operativen Werker direkt gefaxt oder in ein Faxformblatt (Tasche) eingelegt und mit übertragen. • Laufnummer und Identifikation: Kanban-Karten können bei unsachgemäßer Behandlung (z. B. bei Verlust) zu hohen Differenzen oder zum Lieferverzug führen. Daher stellen sie einen enormen Wert (vielfach mehrere zehntausend Euro Warenwert oder fehlende Lieferfähigkeit) dar. Eine Identifikationsnummer sorgt dafür, dass die Karten einmalig, überprüfbar und ihr Weg nachvollziehbar wird (Beispiel: Karte 1 von 23 vom 2.2.2015 oder Nummer der Transporteinheit/Behälternummer mit Erstellungsdatum). • Behältertyp: Durch die Angabe des Behältertyps, z. B. KLT 6428, ist eine einfache Überprüfung der Verpackung durch den operativen Mitarbeiter möglich. Bei Auslegung neuer Arbeitsplätze kann das neue Lagervolumen aufgrund der Relation der Bedarfsmenge leicht errechnet werden.
3.2.6.4 Hardware der Karten Die physische Beschaffenheit der Karten entscheidet darüber, ob sie funktional einsetzbar sind und der Materialfluss sicher funktioniert. Das Anforderungsprofil an die physischen Karten definiert sich aus folgenden Rahmenbedingungen: • • • • •
Behälterart und Größe Umgebung (Reinraumbedingungen oder stark verschmutzt) Entfernung zwischen Erzeuger und Verbraucher Anzahl der Kanban-Karten Häufigkeit der Änderungen
Kartenformate Die Größe der Kanban-Karte ist abhängig von der Menge der Kanban-Informationen auf der Karte und dem Ladungsträger oder der Verpackung. Es ist darauf zu achten, DIN-Formate zu verwenden, sofern Standardladungsträger (z. B. KLT) zum Einsatz kommen. Die sechs gängigsten Formate sind (Abb. 3.5): • • • • • •
EC-Scheckkarte A7 A6 A5 1 3 DIN 1 4 DIN-VDA Standard 4902
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen Abb. 3.5 Form und Darstellung der Kanban-Karten können sehr unterschiedlich sein [Gerl 05]
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Anbringung von Karte oder Tasche am Behälter Bei der Auswahl der Karten oder Taschen ist darauf zu achten, dass alle Stationen des Kanban-Kreises optimal abgedeckt werden können. Bei ihrer Anbringung müssen die verschiedenen Behälterformen beachtet werden. Poolbehälter sind vornehmlich VDALadungsträger oder Gitterboxen im Leergutaustausch, die keine permanente Anbringung von Etikettenhaltern ermöglichen (Abb. 3.6, 3.7). Sichtlagerkästen, Eurobehälter, Kleinladungsträger (KLT) oder Metallbehälter sind Mehrwegladungsträger, die eine dauerhafte Befestigung der Karten zulassen. Letztendlich darf auch die sichere und übersichtliche Aufbewahrung der Karten an Briefkästen und Sammelpunkten nicht unberücksichtigt bleiben. Die Sammelstellen werden mit fest installierten oder mobilen Briefkästen, Sammelbügeln oder einfachen Fächern ausgestattet (Abb. 3.8).
Abb. 3.6 Beispiele von Gitterboxen oder Metallbehältern. (Quelle: Orgatex)
Abb. 3.7 Karten am Karton. (Quelle: Orgatex)
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Abb. 3.8 Beispiele von Briefkästen bzw. Sammeltafeln. (Quelle: Orgatex)
Kartenmaterial • Einwegkarten aus Papier oder dünnem Karton: Sie werden bei eKanban über weitere Entfernungen eingesetzt. Ihr Vorteil ist der Wegfall der Kartenrückführung. Sie sind allerdings nicht sehr widerstandsfähig. Das Haupteinsatzgebiet von Einwegkarten ist eKanban und Einweg-Kanban. • Laminierte Karte: Sie wird häufig bei den ersten „Gehversuchen“ mit Kanban verwendet. Der Einsatz laminierter Karten eignet sich für widrige Bedingungen im Arbeitsbereich, z. B. Öl, Wasser oder Schmutz, da sie robust und schmutzabweisend sind. In ESD-Bereichen (electrostatic discharge), in denen ein besonderer Schutz gegen elektrische Spannungen notwendig ist, sind spezielle Folien zum Laminieren vonnöten. Die Herstellung laminierter Karten ist aufwändig. Bei umfangreichen Kanban-Installationen sollte dies bedacht werden. • Laserdruckfähige Kunststoffkarte: Ihr typischer Einsatzort ist eine saubere Produktionsumgebung und unter Umständen auch der ESD-Bereich. Karten aus Kunststofffolie sind an sich preiswert und schnell erstellbar, aber teurer als Papierkarten. Wie alle mit dem Laserdrucker bedruckten Materialien ist sie nicht vollständig nutzbar, da gängige Drucker einen minimalen Rand von 0,12 mm lassen. Folien sind bei weitem nicht so stabil wie laminierte Karten, allerdings gibt es mittlerweile Materialien, die sehr abriebfest sind und sich bedingt reinigen lassen. In schwieriger Umgebung können auch Kunststoffetiketten oder nicht zerstörungsfrei ablösbare Etiketten eingesetzt werden. • Kunststoffkarte im Thermotransferdruck: Diese Karten gibt es als schmutzabweisende Hochglanzkarten oder in Farbdruck auf normalem Kunststoff. Allerdings ist diese Drucktechnik teuer. Hüllen oder Taschen • Mehrweghüllen aus PVC: Diese Taschen sind in vielen Varianten und Farben lieferbar und können mit normalem Papier bestückt werden. Mehrweghüllen bieten universelle Befestigungsmöglichkeiten. Sie sind selbstklebend, mit einem Magneten oder Bügeln
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ausgestattet. Der Änderungsaufwand ist sehr gering, da jedes Papier auf jedem beliebigen Drucker bedruckt und in die Tasche gesteckt werden kann. Die Anfangsinvestition für die Hüllen ist zwar höher, da sie jedoch sehr haltbar sind und lange verwendet werden können, ist der Aufwand für den Erhalt der Karten gering. Taschen bieten den Vorteil, dass auch andere begleitende Unterlagen zugeordnet bzw. sicher mittransportiert werden können, z. B. Wareneingangspapiere, Prüflabels, Auftragspapiere, Lieferantenzertifikate oder Seriennummerninformationen. • Magnettaschen: Der Vorteil von Magnettaschen gegenüber normalen Mehrweghüllen ist die einfache Anbringung an ferromagnetischen Ladungsträgern, Kanban-Tafeln, „Briefkästen“ und Regalen. Das Handling dieser Karten ist sehr komfortabel, da sie nicht eingesteckt oder eingefädelt werden müssen, sondern einfach nur anhaften. Für unterschiedliche Behälterformen werden unterschiedliche Arten und Formen der Magnete angeboten. Der Preis ist von der Qualität und der Größe der Magnete abhängig. In Anbetracht der Kosten, die bei Verlust von Karten entstehen, sollte aber unbedingt auf gute Haftung geachtet werden (Abb. 3.9). • Drahtbügeltaschen: Sie sind universell einsetzbar und passen auf alle Ladungsträger, z. B. auch auf Holzrahmen. Bei Produktions-Kanban muss zum Einstecken der Karte in das Kanban-Board der Bügel entfernt werden. Die Hüllen sind jedoch häufig auch mit einem Magneten erhältlich (Abb. 3.10). • Kleinladungsträger-Karten (KLT-Karten): Diese Hüllen passen in die Etikettenschlitze auf beiden Seiten der Euroboxen und KLTs. Die Karten können auch mit dünnen Magneten kombiniert auf Magnettafeln verwendet werden (Abb. 3.11).
Abb. 3.9 Beispiele von Magnettaschen [Gerl 05]
Abb. 3.10 Beispiele von Drahtbügeltaschen [Gerl 05]
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Abb. 3.11 Beispiele von Kleinladungsträgerkarten [Gerl 05]
3.2.6.5 Kanban für Gemeinkostengüter Gemeinkosten-Kanban, „Hausfrauen“-Kanban und Laufkarten für Gemeinkostenbestellung sind gängige Verfahren für Nicht-Produktionsmaterial. Durch diese Kanban-Variante kann mit einfachen optischen Mitteln eine sichere Versorgung aus einem Zentrallager oder von einem Lieferanten gewährleistet werden. Einsatzgebiete Einige typische Anwendungsfälle dieser Kanban-Variante: • Produktion: Ersatzteile (z. B. Antriebe, Verbindungselemente, Lager, Dichtungen) für Maschinen und Anlagen, Werkzeuge, Schmiermittel, Klebstoffe, Lösungsmittel, Reinigungsmittel, medizinisches Zubehör und Verpackungsmaterialien (z. B. Kartonagen, Folien, Füllmaterialien). • Büro: Vordrucke, Werbebroschüren, Geschenkartikel, Kopierpapier, Toner, Büromittelersatzteile (z. B. Maus, Tastaturen, Glühbirnen), Klebstoffe und Blöcke. • Andere Anwendungsbereiche: Handel, Transport und Privatbereich. Verfahrensablauf Wie bei Sicht-Kanban ist ein Mindestbestand am Gebinde, am Bodenplatz oder im Regal markiert. Zusätzliche Karten können vorzugsweise am Lagerplatz angebracht werden. Bei
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Abb. 3.12 Flache Tafeln sind für Schränke im Büro geeignet. Sie sind ein Beispiel für Gemeinkosten-Kanban
Entnahme oder bei Anbruch des Gebindes wird die Karte abgenommen und zum Anstoß des Nachschubs aus einem Zentrallager oder zur Beschaffung weitergegeben (Abb. 3.12). Karten Je nach Anwendung unterscheiden sich die Karten in Angabe und Detaillierung der Quelle. Karten, die eine Bestellung anstoßen, können wie ein Bestellformular ausgestattet sein und direkt verwendet werden, z. B. zum Faxabruf. Für den Abruf werden manuell die Menge und das Datum eingetragen. Bei laminierten Karten, sind die Abrufdaten für den Umlauf abwischbar. Auf der Rückseite der Formulare bzw. Kanban-Karten kann handschriftlich eine Historie dokumentiert werden. Das Fixieren der Karte, etwa mit einem roten Klebeband, sichert die Karte gegen Verlust. Fehlt eine Karte, lässt sich dies leicht erkennen. Hier können auch gängige Plantafeln oder Kanban-Tafeln zum Einsatz kommen.
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Abb. 3.13 Klebebänder zur Markierung von Stellflächen: Klebebänder ermöglichen schnelle Änderungen, sind kostengünstig und können mit Staplern befahren werden. Die Kosten sind gering und das teure Streichen oder ein Kunststoffüberzug wird unnötig. (Quelle: Orgatex)
Sicht-Kanban bei Gemeinkostengütern Oft werden die Materialien in Schränken, Schubladen oder Regalen aufbewahrt. Ampelmarkierungen (rot, gelb und grün) mit farbigem Papier oder Klebebändern lassen optisch einen Pegel erkennen. Bei Bodenplätzen können auch stabile, farbige Klebebänder als Markierungen verwendet werden. Bei häufigen Änderungen oder kommissarischen Plätzen sind sie eine einfache, sichere und kostengünstige Markierung. Solche Bänder sollten widerstandsfähig und ablösbar sein, ohne dass der Boden neu gestrichen oder mit Kunststoff überzogen werden muss (Abb. 3.13). Vereinfachte Bereitstellungskonzepte bieten beispielsweise Durchschubbahnhöfe mit Rollwägen (Abb. 3.14).
Abb. 3.14 Vereinfachte Bereitstellungskonzepte mit Wagen im Durchschubbahnhof. (Quelle: Orgatex)
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3.3 Anforderungen an einen „Schlanken Materialfluss“ mit Kanban – Kanban-Auswahl Dimensionierung, Komplexität beherrschen und die Grenzen von Kanban Philipp Dickmann Kanban ist ein Steuerungssystem, das bei schwankenden Bedarfen durch verbrauchsorientierte Nachlieferung (Pull-Steuerung), Nachproduzieren oder Nachbestellen im Vergleich zu plangesteuerten Systemen (MRP) eine höhere Lieferfähigkeit erreicht. Bis vor dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Fachbuchs wurde generell davon ausgegangen, dass dies um den Preis erhöhter Lagerbestände erreicht wird. Tatsächlich sorgt die maximale Umlaufmenge der Kanban-Karten für eine harte Begrenzung des Umlaufbestands nach oben. Damit wird „hart“ ein „Überschwingen“ des Materialfluss-Systems bei Schwankungen (etwa Bullwhip-Effekt) vermieden. Die Mindestlieferfähigkeit wird mit einem geringen sinnvollen Lagerbestand sichergestellt. Dies wirkt jedoch nur, solange die Bedarfe kontinuierlich fließen und die Dimensionierung passt. Erfolgreiche Kanban-Umsetzungen mit mehreren zehntausend Behältern oder mit mehr als zehn Produktionsstufen in Produktionsnetzen benötigen differenziertere Rahmenbedingungen – die Spielregeln des „Schlanken Materialflusses“. Kanban kann sehr viel leisten, ist aber nur als Zahnrad in einem größeren Konzept zu verstehen. Um in größeren Systemen eine hohe Penetration mit Kanban bzw. einen „Schlanken Materialfluss“ zu erreichen, ist bei weitem mehr als nur die Kanban-Dimensionierung, Kanban-Auswahl oder das Drucken der Karten notwendig. Es ist eine differenzierte Betrachtung aller Kreise und Materialgruppen nötig. Die Masse und Interdisziplinarität der Optimierungsmaßnahmen wird in der Regel bei großen Anwendungen mehr als ein Jahr Entwicklungszeit in Anspruch nehmen. Der folgende Beitrag gibt eine kurze Übersicht über wichtige Maßnahmen, Einflussgrößen und Themen, die sehr häufig zu Fehlinterpretationen führen.
3.3.1 Kanban-Auswahl bzw. Eignung Kanban ist eine Form der Verbrauchssteuerungen (Pull-Steuerungen) und sehr ähnlich zur Min-Max-Pegelsteuerung. Die Methode ist vor allem für die Materialgruppe der wenig werthaltigen Schnell- und Mitteldreher (XC&YC – vgl. Kap. 3.1 Projektmanagement zur Einführung von Kanban) optimal. Sehr häufig wird unter Kanban ausschließlich C-Teile-Management (vgl. Kap. 4.2 CTM) verstanden. CTM umfasst in der Regel ein Logistikoutsourcing von C-Teilen an einen Dienstleister, der mit Kanban die Versorgung von vornehmlich DIN- und Normteilen sicherstellt. Im Bereich der teuren Teile (Wertklasse A und teils auch B) ist Kanban nur abbildbar, wenn eine schnelle Umschlagsgeschwin-
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digkeit und eine geringe Lagerreichweite erreichbar sind. Die Kanban-Auswahl bzw. -Eignung ist prinzipiell einfach über die ABC-YXZ-Zuordnung ermittelbar (vgl. Kap. 3.1 Projektmanagement zur Einführung von Kanban). In der Praxis ist dies nur der Aufhänger, um eine meist kleine Gruppe an Teilen zu definieren, die sofort umgestellt werden können. Zudem wird eine zweite, meist sehr viel größere Gruppe definiert, bei der zuerst mit Methoden des „Schlanken Materialflusses“ (vgl. Kap. 3.3.3 Übergeordnete Rahmenbedingungen und Methoden des „Schlanken Materialflusses“) Verbesserungen umgesetzt werden müssen. Erst danach können diese Materialien wirtschaftlich sinnvoll mit Kanban abgebildet werden. Da bei Schwankungen oder geringer Prognosesicherheit mit Kanban eine höhere Lieferfähigkeit erreicht wird, ist es das Ziel, möglichst viele Materialien mit der Verbrauchssteuerung abzubilden. Wichtig ist kontinuierliches Arbeiten, um Materialien mit geringerem Umlaufbestand in Kanban abbilden zu können. Gleichzeitig muss auch eine größere Sicherheit in der Verfügbarkeit erreicht werden. Letztlich zielt all dies auf eine Maximierung der Penetration mit Verbrauchssteuerung ab. Risiko bei einem hohen Anteil bedarfsgesteuerter Teile (MRP) MRP basiert auf Prognosen und daher auf vielen Parametern. Bei ungünstigen Konstellationen der Parameter kommt es häufiger als bei der Verbrauchssteuerung (z. B. Kanban) zu Über- oder Unterbeständen. In Abb. 3.15 ist der Materialstrom als Fischgrät, etwa eines Montageprozesses mit zwei Kanban- und einer MRP-gesteuerten Komponente, visualisiert. Die Verbrauchssteuerung Kanban erzeugt bestenfalls eine relevante Reduzierung von Verzögerungen der Fertigstellung der Aufträge, also eine höhere Lieferfähigkeit (= JIT-Rate). Die zwei Kanban-gesteuerten Komponenten können jedoch die Engpässe eines über MRP-gesteuerten weiteren Materials nicht kompensieren. .DQEDQ7HLOH
.DQEDQ7HLOH
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hEHUEHVWDQG053 )HKOWHLO 0537HLOH
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Abb. 3.15 Risiko bei einem hohen Anteil bedarfsgesteuerter Teile [Dick 08]
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3.3.2 Kanban-Dimensionierung – dezentrale Kanban-Feinsteuerung Das wesentliche Ziel bei der Dimensionierung ist es, den Ablauf gegen Störgrößen abzusichern. Hierfür werden häufig hochkomplexe Algorithmen verwendet, die vielfältige Rahmenbedingungen berücksichtigen. Standard-Algorithmen sind immer nur Näherungen und können in der Realität auftretende Extremfälle nicht durch Planung völlig vermeiden. Durch Fehler der Einflussparameter werden schnell die Grenzen erreicht. 77
Das Ergebnis wird nicht hochwertiger, nur weil der Algorithmus komplexer ist.
Der Algorithmus in Kap. 2.5 (Dimensionierung von Kanban-Regelkreisen) wurde nach dieser Regel aufgestellt. Er bildet die relevanten Einflussparameter ab, ist aber nicht zu komplex. Ein Algorithmus, der ein oder zwei Karten weniger errechnet, wird im Regelfall riskanter für Abrisse sein. Die Idee, online die Kartenzahl den Bedarfszahlen anzupassen, ist theoretisch ideal. In einem realen physikalischen Fluss, dessen Stabilität von Stellplätzen, Behältern, Routinen, Menschen und visuellem Management bestimmt wird, ist zu viel Dynamik kontraproduktiv. Die nötige Anzahl der Nachdimensionierungen sollte zudem vom physischen, realen Ablauf bestimmt werden. Alternativ können Kanban-Dimensionierungen dezentral durch verantwortliche Mitarbeiter Vorort händisch physikalisch dimensioniert werden. Dies sollte nach klaren Regeln ablaufen und übergeordnet kontrolliert werden.
3.3.3 Übergeordnete Rahmenbedingungen und Methoden des „Schlanken Materialflusses“ Die Qualität des Materialflusses wird nur vordergründig durch die Auswahl eines Algorithmus zur Dimensionierung bestimmt. Er errechnet nur, was die folgenden Rahmenbedingungen bzw. Maßnahmen erlauben: • Materialflusslayout und -ablauf • ERP-Ablauf • Just-in-time (inwieweit bei verschiedenen Störgrößen Mechanismen zur Absicherung des Materialstroms greifen, damit ein störungsfreier Materialfluss (= Just-in-time) erfolgt), • Teamstruktur • Materialfluss-Kaizen • Materialflusslayout optimieren (Wege, Stellflächen, Direktbereitstellung) • Lagerequipment (Supermärkte, Fördertechnik, Transportfahrzeuge, Schwerkraftrollensysteme) • Informationsfluss (ERP, IT & Non-IT)
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• Standardisierungsgrad und Einhaltung der Standards • Hybridisierungsgrad (also inwieweit Absicherungsmechanismen durch hybride Steuerung differenziert je Kreis oder Ablauf entwickelt wurden) • Überprüfungen der Standards durch Layered Audit, Assessment und Reporting • Verpackungen • Steuerungslogik (Hybride Steuerungslogiken) • Train-Systeme • Synergetische Koordination von Kanban- und Nicht-Kanban-Teilen • Routinemäßige Kanban-Auswahl und Dimensionierungskontrolle • Dezentrale Verantwortung zur Nachdimensionierung • Mitarbeiterdisziplin in Bezug auf Standards • Farbcodes für Reichweiten • Störgrößen im System Kanban muss immer in Verbindung mit einem individuellen Materialfluss-System gesehen werden. Die ersten Ansätze des „Schlanken Materialflusses“ wurden bei dem Kanban- und SCM-Projekt bei der Voith AG in München 1999 mit dem Logistik-Innovationspreis des VDI ausgezeichnet und später auch wissenschaftlich bekannt. In einem mehrstufigen Montage- und Fertigungsprozess konnten über 12 Produktionsstufen mit Kanban abgebildet werden. Es waren jedoch mehr als acht Jahre Arbeit nötig, um ca. 95 % des Materialvolumens auf Kanban umzustellen. Der eigentliche Kern der Arbeit war die Umsetzung eines „Schlanken Materialflusses“, der in der Endausbaustufe ermöglichte, neben den Kleinserien auch den Großteil der Retrofit- und Ersatzteile sowie 95 % der Volumenströme von den Lieferanten über Kanban zu steuern [Dick 00]. Diese Problematik gilt generell für komplexere Herstell- und Logistikprojekte bei gemischten Bedarfscharakteristiken. Sollen bei Unternehmen, die bereits einen hochentwickelten Materialfluss haben, beispielsweise • • • •
ca. 30 % Reduzierung der Lagerbestände, eine deutlich höhere Flexibilität bei verbesserter Lieferfähigkeit und eine 40- bis 80 % ige Reduzierung der Differenzen (greifbar als Inventurdifferenzen)
erreicht werden, ist diese nur mit umfassender Methodik des „Schlanken Materialflusses“ möglich. Hybride Steuerungs- und Materialfluss-Lösungen müssen zudem kombiniert umgesetzt werden (vgl. Kap. 2.9 Hybride Steuerungskonzepte), wie • stückgenaue Kommissionierlogiken, • sequenzierte Materialströme (Just-in-sequence, Perlenketten) und • Kanban-, Train- und Supermarktlogiken.
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3.3.4 Kanban-Penetration 77
Hohe Penetration steht im Gegensatz zu einer schnellen Umsetzung eines Kanban-Projektes.
„Schnelle“ Kanban-Umsetzungen mit undifferenzierten Standardmethoden (Motto: „Karten drucken und los geht’s!“) sind ausschließlich in folgenden Fällen realisierbar: • Das Unternehmen hat nur einen einstufigen Produktionsprozess mit wenigen Materialien bzw. Materialstromvarianten. Alle Materialien haben ausschließlich gleichmäßigen Seriencharakter. • Die angestrebte Penetration ist gering, es soll nur ein Serienprodukt oder eine Serienmaterialgruppe umgestellt werden. • Es wird nur die Materialgruppe CX abgebildet. • Es werden deutliche Erhöhungen des Umlaufbestands in Kauf genommen. • Vorsicht ist generell geboten, wenn Konzepte mit 100 % Kanban-Penetration und Umsetzung in wenigen Tagen angeboten werden. Um bei umfangreichen komplexeren Kanban-Projekten eine hohe Kanban-Penetration zu erreichen, sind eine fundierte Prozesskompetenz und das Durchleuchten vielschichtiger Logistik- und Produktionsabläufe bis hin zur Umsetzung des Konzeptes des „Schlanken Materialflusses“ unabdingbar. Da zahlreiche interdisziplinäre Rahmenbedingungen zu verändern sind, kann das Erreichen einer hohen Kanban-Penetration mehr als zwei Jahre Arbeit bedeuten. Merkmale eines umfangreichen komplexeren Kanban-Projekts sind: • • • • •
Projektgrößen mit einer Penetration von mehr als 20 % des Materialstroms; Mehrere hundert Materialnummern oder mehr als ein paar hundert/tausend Behälter; Zum Teil Produkte, die keinen Seriencharakter haben oder sehr werthaltig sind und Materialflüsse, bei denen sehr enge Kapitalbindungsgrenzen vorhanden oder Etwa aus Haltbarkeitsgründen nur sehr geringe Reichweiten möglich sind.
Soll das Ergebnis in solchen Fällen schneller stabil erreicht werden, muss mit einer sehr hohen Projektleiterkapazität in verschiedenen Fachbereichen gerechnet werden. Bei Abwicklung durch Externe besteht dann die Gefahr, dass die Teilprojektleiter ohne ausreichenden Kompetenzübertrag arbeiten und damit eine langfristige Abhängigkeit entsteht. Alternativ werden lediglich Leuchttürme (Umsetzung einfacher kleiner Beispiele) aufgebaut, die aber oft nicht einfach flächendeckend übertragbar sind.
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3.3.5 B estandsicherung – Kanban kann helfen, aber nicht alles kompensieren [Dick 08] Materialfluss ist permanenten Störungen auf allen beliebigen Ebenen, andauernden Bedarfsveränderungen und Verschiebungen der Materialströme (Einlauf- und Auslauf, Neulieferanten, etc.) unterworfen. Das Einführen der Verbrauchsteuerung (Pull-Steuerung) mit Behälterlogik allein (= Kanban) kann die Bestandssicherheit unterstützen. Sie ist näher am physischen Behälterfluss und ermöglicht daher das Erkennen von Abweichungen und Differenzen, lange bevor ein ERP-System dies erlaubt. Kanban alleine garantiert keine 100 % ige Bestandssicherung. Kanban ist zwar ein wichtiger, aber leider nur kleiner Teilprozess im Materialfluss. Die Steuerung kann von einer Vielzahl von Rahmenbedingungen leicht überkompensiert werden. Bestandssicherheit ist zudem nur eine der relevanten Größen. Das übergeordnete Ziel sollte ein störungsfreier Materialfluss (Just-in-time) sein. Für einen stabilen Materialfluss, der ohne Störungen abläuft, sind unter anderem die eingangs genannten Rahmenbedingungen des „Schlanken Materialflusses“ (vgl. Kap. 3.3.3) umzusetzen. In vielen Fällen gibt es noch zahlreiche, darüber hinausgehende, individuelle, sinnvolle Methoden. Kanban kann auch Probleme für die Bestandsicherheit erzeugen, etwa durch • • • •
verlorene Karten, verlorene Behälter, Mengendifferenzen, nicht eingehaltene Nachfüllzyklen.
Zudem sollten zur Beurteilung von Bestandsdifferenzen die logistischen Teilprozesse (vgl. Kap. 1.26 Makro- und Mikrosysteme der Logistik) differenzierter betrachtet werden. Elemente wie Werkerselbstbedienung, stückgenaue Kommissionierung, Disziplin der Mitarbeiter, Schwestern-Patienten sowie Kommissionierablauf sind unabhängige Themen, die sowohl bei Kanban als auch bei „Nicht-Kanban“-Ansätzen (z. B. zugängliches Kleinteilelager) berücksichtigt werden sollten. Für die Bestandssicherung gelten folgende Regeln: • Offen zugängliche Materialentnahmen sind prinzipiell riskanter als geschlossene Entnahmen nur durch Fachpersonal. • Fachpersonal sollte grundsätzlich ein zwingendes Merkmal eines Kanban-Systems sein.
3.3.6 Stückgenauer Materialstrom versus Kanban Stückgenaue Materialströme werden vielfach als die Alternative zu Kanban gesehen. Die IT-Perspektive suggeriert durch Stückgenauigkeit auch Fehlerfreiheit. Es entsteht schon
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aufgrund der häufigen Bewegungen und Buchungen eine sehr hohe Fehlerrate bei alternativer stückgenauer Kommissionierung. Physikalisch ist das aufgrund der statistischen Fehlerrate auch zwingend. Entscheidend ist allerdings, dass Sonderbewegungen wie • • • •
Stornierungen, Zusatzmengen, Ausschussbuchungen und Auftragsänderungen nach den Kommissionierungen
wesentlich fehlerbehafteter sind als normale Kommissionierbewegungen. Letztlich wird durch die kleineren Mengen auch ein viel höherer Aufwand für Transporte, Kommissionierungen und Buchungen erzeugt.
3.3.7 Materialfreie, Null-Bestands- und „Null-Platz“-Produktion Fehlinterpretationen von Lean, die einen effizienten „Schlanken Materialfluss“ mit Kanban verhindern In den 1990er-Jahren führten die Ansätze von Computer Integrated Manufacturing (CIM) in Kombination mit Just-in-time zu irreleitenden Ansätzen, wie etwa dem Nullbestandskonzept [Dick 08]. Hierbei werden Aufträge ohne Puffer – als Sofortmaßnahme „Pegel senken“ angestrebt. Die zu dieser Lean-Methode gehörenden Vorarbeiten der Störungsreduzierung wurden und werden noch unterschlagen. Die Konsequenz übertriebener Bestandsreduzierung ist der Einbruch der Liefertreue und nicht selten ein Einbruch der Rendite. Die Extremform dieses Konzepts sind Null-Bestands-Konzepte. Hier werden auch gerne Fehlinterpretationen von Just-in-time als Argumentationskette angegeben (vgl. Kap. 1.3 JIT/JIS) Theoretische oder von Gemba-Kaizen stammende Zielsetzungen bzw. Fehlinterpretierungen führen häufiger zu obskuren Zielen für logistische Arbeitsplatzgestaltung in der Produktion. Hier werden z. B. auch ohne Betrachtung der Varianz, der Prozess-Stabilität oder der Transportaufwände kleinste Lagerreichweiten als Ziel durchgesetzt. In der folgenden Umräumaktion wird vorübergehend optisch dadurch eine Platzeinsparung erreicht und „es sieht ordentlicher aus!“. Tatsächlich ist die Konsequenz, dass • indirekte Aufwände für Lagerlogistik, Störungsbehandlung und Sondertransporte extrem zunehmen; • die Materialverfügbarkeit sinkt; • die Störungsrate und die Ausfallhäufigkeit steigen; • die real umsetzbare Flexibilität sinkt; • die Gesamtlagerbestände (also die gesamte Kette der Lagerbestände) steigen.
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
315
„Schlanker Materialfluss“ ist etwas hierzu völlig anderes. Hier werden umfassende • Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt; • Störungen extrem reduziert. Im Ergebnis kann auf der gesamten Kette der nötige Lagerbestand extrem reduziert werden. Hierzu ist es aber nötig, all die vielfältigen Einflussparameter individuell zu hinterfragen und dann in aufwändiger Kleinarbeit einen optimalen Prozess zu definieren. Das ist ein sehr viel höherer Aufwand, der beträchtliches operatives Erfahrungswissen aus verschiedenen Fachbereichen voraussetzt. Die Projektlaufzeit ist lang und die Komplexität hoch. Zudem ist es unabdingbar und entscheidend für den Erfolg, interne Mitarbeiter als tatsächliche Prozesstreiber zur Umsetzung zu verwenden.
3.4 P roduktionsnivellierung – mit Heijunka Produktion und Logistik stabilisieren Philipp Schürle Mit der Methodik der Produktionsnivellierung (jap.: Heijunka) werden Produktionsbereiche und deren Logistik geglättet. Die in der Tendenz zunehmende Komplexität durch Produktdiversifizierungen kann dadurch besser beherrscht werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Kanban-Einführung. Die Vorteile von Heijunka liegen in der zeitnahen Visualisierung der Fertigungsaufträge und führen zu einer Beruhigung der Produktionsprozesse. Schwankungen, welche durch interne und externe Einflüsse hervorgerufen werden, werden schrittweise und stabil reduziert und eliminiert. Bei der Einführung und Stabilisierung von Produktionssystemen auf Basis des Pull-Prinzips, bei der gleichzeitigen Anforderung, die Variantenvielfalt in der Serienproduktion zu beherrschen, steht man meist vor der Herausforderung, dass die Produktion in großen Losgrößen hohe Bestände und lange Durchlaufzeiten von Aufträgen erzeugt. Außerdem sorgen sogenannte „Eilaufträge“ für zusätzliche Unruhe in den Prozessen. Die Losgrößen werden dabei oft auf Basis klassischer Formeln (z. B. Andler) nach Parametern wie beispielsweise Rüstkosten und Maschinenstundensätzen berechnet. Kosten durch Verschwendungen wie Überproduktion und Sonderaktionen fließen in der Regel unzureichend in die Gesamtkostenbetrachtung ein.
3.4.1 Die Problemstellung von Produktionsnivellierung mit Heijunka Tagesbezogene Feinplanungen der Planungs- und Steuerungsabteilungen sind oft nach wenigen Stunden bereits „das Papier nicht mehr wert“, auf dem sie erstellt wurden, da die Realität in der Produktion vielen ungeplanten und kurzfristigen Einflüssen ausgesetzt ist,
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auf welche die Planungssysteme oft nicht flexibel genug reagieren können. Rekursionen in den Auftragseinplanungen sind daher an der Tagesordnung. Die eigentlichen Ursachen hierfür werden zu wenig systematisch angegangen (vgl. Kap. 2.1. Ruhiger, kontinuierlicher Materialfluss). Täglich notwendig werdende „Feuerwehraktionen“ in Produktion und Logistik schlagen dann in der gesamten Wertstromkette bis zu den externen Lieferanten durch („Peitscheneffekt“). Diese falsch verstandene, kostenintensive Flexibilität muss durchbrochen werden. Durch eine definierte, längerfristig ausgelegte Flexibilität muss ein regelmäßiges, wiederkehrendes und damit standardisiertes Produktionsprogramm unter Zuhilfenahme der standardisierten Losgrößenbildung geplant und gesteuert werden: Die Produktionsnivellierung und -glättung. Heijunka ermöglicht eine beruhigte Produktion und Logistik bei gegebener Variantenvielfalt. Sie ist ein wichtiges Werkzeug, das die PullProduktion mit Kanban stabilisiert und durch Standards in der Einsteuerung von Aufträgen beruhigt. Daher stellt Heijunka eine wichtige Etappe in Richtung einer schlanken, synchronen Produktion dar.
3.4.2 Ziele der Produktionsnivellierung Die Zielsetzungen der Produktionsnivellierung sind: • In den Wertströmen konstante Material- und Informationsflüsse schaffen (Planbarkeit); • Einen beruhigten Produktionsrhythmus durch Entkopplung der Fertigungsaufträge von den Kundenabrufen sicherstellen (Kundentakt als Basis); • Standardisierte Arbeitsprozesse einrichten, als Voraussetzung für effizientes und stabiles Kaizen oder einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP); • Ein stetiges, planbares Arbeitspensum für Mitarbeiter und Maschinen schaffen; • Transparenz bezüglich Abweichungen vom Soll-Zustand schaffen und Probleme schrittweise mit den Mitarbeitern abarbeiten (Visualisierung und Kaizen bzw. KVP mit den Mitarbeitern); • Bestände entlang der Wertströme minimieren und Durchlaufzeiten stabil verkürzen; • Kundenwirksame Flexibilität bei gleichzeitiger Reduzierung der Gesamtkosten ständig erhöhen.
3.4.3 Notwendigkeit verkleinerter Losgrößen Für die Produktionsnivellierung ist es notwendig, deutlich verkleinerte und standardisierte Lose in der Produktion aufzulegen, um dadurch Überproduktion zu minimieren. Die Produktionsmengen und -varianten werden gleichmäßig auf kleinere Zeiträume verteilt, z. B. die Produktion einer Variante von einmal wöchentlich oder monatlich auf einmal täglich umgestellt. Eine rhythmische, flexible Produktionslogistik setzt die Minimierung
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
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der internen Rüstzeiten voraus. Das ermöglicht die dazu nötige erhöhte Rüsthäufigkeit. Typische Schwankungen der variantenbezogenen Kundennachfrage werden durch die gleichmäßige Verteilung der Produkte in kleinere Losgrößen über einen von den jeweiligen Wiederbeschaffungszeiten abhängigen Zeitraum nivelliert und geglättet. Das zu erreichende Ziel ist eine gleichmäßige und dennoch flexible Produktionsauslastung, auf die sich Produktion und Logistik optimal einstellen können. Durch die Vorhersehbarkeit in der Produktion können Standards im Material- und Informationsfluss eingeführt und ständig verbessert werden. Ein stabiler KVP-Prozess zur schrittweisen Eliminierung von Verschwendungsursachen wird dadurch erst möglich. Je länger der stabile Planungshorizont ausgeprägt ist, desto wirksamer ist die Produktionsnivellierung. Die sich einstellende Beruhigung der Produktion hat spürbar positive Auswirkungen für alle beteiligten Mitarbeiter und Prozesse. In regelmäßigen, am besten täglichen Mitarbeiterbesprechungen mit Logistikplanung, Fertigungssteuerung und Produktion werden Fertigungsaufträge (z. B. mit Kanban-Karten) für die jeweilige Schicht in die Plantafeln (oder HeijunkaTafeln) gesteckt (Abb. 3.16, 3.17). Die Plantafeln enthalten sinnvoller Weise Aufträge für den aktuellen und den Folgetag. Es macht erfahrungsgemäß wenig Sinn, die Aufträge längerfristig, z. B. für die nächsten zehn Folgearbeitstage, zu visualisieren. Sonst wächst die Gefahr, dass alte Gewohnheiten, wie missbräuchliche Bündelung von Aufträgen in großen Losen, praktiziert werden. Definierte Tages-Zeitfenster (z. B. 30 min) auf den Plantafeln unterstützen die Planung der Produktionskapazitäten. Der jeweilige Produktionsverantwortliche entnimmt die Karten für den nächsten Zeitraum und lastet nachfolgend seine Aufträge in die Produktion ein. Prozessnahe Visualisierungen der Plantafeln sorgen für eine hohe, zeitaktuelle Transparenz der Fertigungsaufträge. Zudem sind sie ein wichtiges Instrument zur Einbindung aller beteiligten Mitarbeiter und Funktionen. Damit wird die bereichsübergreifende Zusammenarbeit deutlich intensiviert sowie die Motivation der Mitarbeiter zur Erreichung der Produktionsziele verbessert.
Abb. 3.16 Beispiel einer Kanban-Tafel und einer Produktions-Kanban-Tafel. (Quelle: Orgatex)
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START Karte 1
Teil X 47110
Karte 1
Teil Y 47007
Teil Z 08150
START
SAMMELN
Material
Karte 1
Karte 2
Karte 2
Karte 2
Karte 3
EILT
INFO
Karte 3
Auftragsstart
SAMMEL: Es wird gesammelt bis die wirtschaftliche Losgröße erreicht wird. START: Mit dem Kanban, der in das Startfeld gelangt, ist die vereinbarte Sammelmenge erreicht. Es darf ein neuer Auftrag begonnen werden. EILT: Falls das Feld „EILT“ erreicht wird, muss sofort ein Auftrag gestartet werden.
Abb. 3.17 Funktionsweise der Kanban-Plantafel [Dick 00]
3.4.4 Heijunka als Steuerungsprinzip In einer „idealen“ Fabrik wird nach einem gleichmäßigen Rhythmus produziert, der sich am Kundenbedarf orientiert. Betrachtet man aber die betriebliche Realität, ist der variantenbezogene Bedarf der Kunden oft unregelmäßig und schwer vorhersehbar. Ebenso können die kundenbezogenen Ablieferintervalle unregelmäßig oder sporadisch sein. Daher ist eine Entkopplung von Kundenaufträgen und Produktionsprogramm sinnvoll. Dies wird erreicht indem „ideale“ Kunden simuliert werden, die die Produkte gleichmäßig und in kleinen Mengen abrufen. Die tagesbezogene Feinplanung geschieht also unabhängig von den tatsächlichen, oft unstetig eingehenden Bestellungen der Kunden (Abb. 3.18). In regelmäßigen Abständen ist die Notwendigkeit einer Kapazitätsanpassung zu überprüfen. So kann beispielsweise eine Monatsmenge für eine bestimmte Variante in Tagesmengen aufgeteilt werden. Diese Tagesmenge wird EPEI-Wert (EPEI = every part every intervall) genannt (Abb. 1.72). Das Intervall reduziert sich dadurch von rund 20 Arbeitstagen auf einen Tag und erhöht deutlich die Flexibilität. Kundenabrufe werden also hinsichtlich Menge, Variantenverteilung und Ressourcenaufteilung gleichmäßig in die Produktion eingelastet, d. h. nivelliert. Nivellierungskriterien können sein: • Unterschiedliche Kundentakte im Zeitverlauf • Unterschiedliche Arbeitsinhalte bzw. Zykluszeiten pro Kundenvariante in den Produktionsprozessen • Versorgungsprobleme in der Wertschöpfungskette, z. B. Rohstoffversorgung durch kritische interne und externe Lieferanten
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Menge
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
Nachfragemenge pro Variante
Produktionsmenge pro Variante
Zeiteinheit
Abb. 3.18 Produktionsleveling
Diese Parameter können bei der Definition des täglichen Produktionsmusters Berücksichtigung finden. Dabei kann es durchaus notwendig sein, dass für flexible und kurzfristige Einplanungen freie Zeiträume reserviert werden. Bei Bedarf werden diese eingelastet, z. B. für kurzfristige Mehrbedarfe, bei spezifischen Auftragstypen oder exotischen Varianten. Die Einlastung der simulierten Kundenaufträge geschieht am sogenannten Schrittmacherprozess (engl. Pacemaker). An diesem Prozess wird die letztendliche Kundenvariante definiert und der kundenrelevante Takt bestimmt (z. B. an der Endmontagelinie). Nach dem Schrittmacherprozess sollten alle nachfolgenden Prozesse, unter Sicherstellung von FIFO (= First-in-first-out), synchron bis zur Kundenauslieferung ausgetaktet sein, um die von den Kunden geforderten oder erwarteten Lieferzeiten stabil gewährleisten zu können.
3.4.5 Visualisierung von Produktionsaufträgen mit Heijunka-Tafeln Um den angestrebten Standardisierungs- und Verbesserungsprozess mit den Mitarbeitern aus Planung, Steuerung und Produktion in Gang zu halten, ist eine Visualisierung vor Ort an den Schrittmacherprozessen erforderlich und hilfreich. Die Visualisierung erfolgt durch die Heijunka-Tafeln (Abb. 3.19, 3.20, 3.21). Tägliche Treffen in der Werkstatt stellen sicher, dass die Produktionsziele weitgehend erreicht werden und die Abweichungen von dem an der Heijunka-Tafel dargestellten Produktionsmuster systematisch angegangen werden. Hierbei helfen zusätzlich eingesetzte
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P. Dickmann et al.
Abb. 3.19 Beispiel einer Kanban-Tafel bzw. eines Heijunka-Boards. (Quelle: Orgatex)
Regelkarten pro Tafel, auf denen die Ursachen für Abweichungen und die Wirksamkeit der Verbesserungsmaßnahmen von Beteiligten verzeichnet werden. Ziel ist, das (tägliche) Produktionsmuster einzuhalten und dadurch letztendlich auch die Kanban-Regelkreise – im Sinne der definierten Wiederbeschaffungszeiten – stabil zu gestalten.
3.4.6 Die Güte der Produktionsnivellierung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass durch Nivellierung die Produktion und deren flankierende Prozesse, wie Logistik, vorhersehbarer und beruhigter ablaufen. Dies muss durch Kaizen bzw. KVP unterstützt werden, da es trotz schneller Erfolge auch Rückschläge geben kann. Die Verfolgung von Nivellierungs-Kennzahlen, an denen die Güte der Nivellierung (= Abweichungsgrad vom standardisierten Produktionsprogramm) abgeleitet werden kann, ist daher sinnvoll. Nivellierungs-Kennzahlen können u. a. bestehen aus: • Abweichungs-Prozentsatz, also der Anteil der Abweichungen vom standardisierten Produktionsprogramm (Ziel: Minimierung); • EPEI-Wert für Renner- und Exotenvarianten sowie der Durchschnittswert (Ziel: Minimierung); • Losgrößen (Ziel: Minimierung);
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
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Abb. 3.20 Modular steckbare Kanban-Tafeln. (Quelle: Orgatex)
• Anteil der nivelliert eingesteuerten Varianten in Relation zum Gesamt-Produktionsprogramm (Ziel: 100 %); • Überarbeitungsfrequenz des standardisierten Produktionsprogramms. Aufgrund veränderter interner und externer Rahmenbedingungen entsteht die Notwendigkeit der Anpassung, z. B. durch Änderungen der Kundenabrufe oder Wiederbeschaffungsintervalle (Ziel: Anpassungsfrequenz möglichst hoch, z. B. alle 2 Monate). Um diese Kennzahlen positiv zu beeinflussen, ist es hilfreich, ständig an der Verbesserung der Einflussgrößen zu arbeiten und dadurch die Güte der Nivellierung im Tagesgeschäft zu verbessern (Abb. 3.22). Die Produktionsnivellierung mit Heijunka-Tafeln kann somit einen wichtigen Beitrag in Richtung einer synchronen Produktion mit kontinuierlichen Materialflüssen leisten.
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Abb. 3.21 Kanban-Tafel in Form eines Wagens und ein Durchschub zur Verwaltung von Rüstgruppen (z. B. für Heijunka). (Quelle: Orgatex)
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Abb. 3.22 Einflussgrößen auf die Güte der Nivellierung (Beispiel einer Darstellung als Fischgrätbzw. Ishikawa-Diagramm)
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
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Aus der Praxis
3.4.7 H eijunka-Boards und Individuallösungen elektronisch unterstützter Materialbereitstellung in Auftragsreihenfolge Philipp Dickmann, Joachim Hirsch, Przemyslaw Manowski, Andreas Wernado Die Definition der Auftragsreihenfolge ist ein im wissenschaftlichen Sinn wenig hervorstechendes Thema. In einem dynamischen flexiblen Umfeld sind diese Abläufe komplex und begrenzen weitreichend den Produktions- und Logistikablauf. In den vergangenen 20 Jahren entwickelten verschiedene IT-Anbieter Softwareprodukte zum Thema Plantafeln für Fertigungsfeinplanung, welche heute in der Regel Kernstück von MES-Systemen (vgl. Kap. 5.10 Manufacturing-Execution-System) sind. Die Planung der Auftragsreihenfolge ist von vielfältigen Parametern abhängig und somit „Herzstück“ einer Lean-Umsetzung im Materialfluss. Lean-Philosophien sind in ihrer Entstehungszeit weitgehend ohne IT entstanden. Insofern wurden Plantafelsysteme entwickelt, die als Visualisierungs- und Steuerungsboard direkt dezentral an der Linie die Auftragsverwaltung abbilden. Da in vielen Anwendungsfällen die Materialbelieferung, abhängig von den unterschiedlichen Auftragsvolumen, das größere Problem darstellt, wird dieses Board, das Heijunka-Board, meist in Kombination für Aufträge und zur Materialnachschubsteuerung verwendet. Das System ist zudem bei manuellen, also „Nicht-IT“ abgebildeten Steuerungen als Ergänzung zur Sequenzierung (vgl. Kap. 1.3 Varianten von JIT und JIS) ein wichtiger Baustein. Zusammen mit Kanban ist Heijunka auch ein maßgebliches Werkzeug bzw. eine wichtige Voraussetzung für Train-Systeme“ (vgl. Kap. 3.9 Materialtransporte – Taxi vs. Train). Das manuelle Stecken eines Heijunka-Boards kann bei komplexeren Produktionsabläufen zeit- und fehlerintensiv werden, umso mehr wenn sich die Fertigungsreihenfolge häufig ändert. Daher sind Verbindungen mit IT bzw. zum ERP für diese Fälle sinnvoll. Vor allem im Umfeld hochvarianter Produktionsprozesse ist die Aufgabenstellung der Variantensteuerung mit Heijunka, JIS und Kanban sehr ausgeprägt. Hier sind daher herausragende Lösungen nötig. Heijunka-Ablauf und Heijunka-Stecken Heijunka-Boards sind eine besondere Form der Kanban-Tafel. Die Definition der Auftragsreihenfolge mit Auftrags-Kanban-Karten (z. B. der Baugruppen) ist dabei die klassische Hauptaufgabe des Heijunka-Boards. Häufig werden mit den Karten auch Auftragspapiere gesteckt. Die Variantenabbildung der Aufträge für die Materialbereitstellung (das Stecken von Kanban-Karten von Einzelteilen) ist im Vergleich seltener. Die Tafeln sind
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ein Element der routinemäßigen Abstimmung der Reihenfolgenplanung. Die Variantenbereitstellung ist in einem Lean-System individuell passend mit Kanban und dem TrainVerkehr zu kombinieren. Bei material- und variantenreichen Produktionsprozessen ist die Bereitstellung der Einzelteilmaterialien in der richtigen Menge und Reihenfolge eine komplexe Aufgabe (vgl. Kap. 1.3 Varianten von JIT und JIS). Standard sind Stapel von Varianten-Kanbans, welche in Auftragsreihenfolge zugeordnet werden müssen. Eine Alternative bieten Sammel-Kanbans, bei denen mehrere Materialnummern auf einer Karte variantenzugehörig verzeichnet sind. Kanban- und Heijunka-Boards Lean-Umsetzungen in Japan erinnern den ordnungsliebenden Mitarbeiter oft an unfertige Testversionen von Kanban- und Heijunka-Boards. Da dies dort die Folge der sehr häufigen Optimierung und der daraus resultierenden Dichte an Tests bzw. selbst „gebastelten“ Provisorien ist, sollte dies als Qualitätsmerkmal erkannt werden. Der Markt bietet hochkarätige Fertiglösungen (vgl. Kap. 3.4.5 Visualisierung von Produktionsaufträgen mit Heijunka-Tafeln), die nicht immer optimale Flexibilität und Individualität erlauben. Folglich ist es durchaus empfehlenswert, ein individuelles Board zu entwickeln (Abb. 3.23), etwa wenn
Abb. 3.23 Individuelle Heijunka-Boards – entstanden im Rahmen von Lean-Workshops. Individualität erlaubt passendere und damit bessere Lösungen. Entscheidend ist auch, dass die Mitarbeiter unmittelbar selbst eine funktionierende Lösung mit einfachen Mitteln aufbauen, die im folgenden Workshop einfach verbessert werden kann. Als Startpunkt (um eine Lernkurve zu erreichen) sind manuelle Systeme vor allem in überschaubaren Variantenteilen sinnvoll. Bei dem Projektbeispiel waren verschiedene Kanban-Logiken, Heijunka, elektronische Kommissionierlisten und Train steuerungen zu koordinieren, um von Losgröße 1 bis > 300 Variantenprodukte zu produzieren
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• • • • • •
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eine komplexere Steuerung, verschiedene Karten oder Papierformate, eine hohe Anzahl von Materialnummern, zusätzliche Komplexität oder visuelle Anforderungen
umgesetzt werden müssen. Heijunka-Kommissionierung mit IT unterstützen Kanban- und Variantenmanagement bzw. das Bereitstellen von Variantenteilen in der Auftragsreihenfolge wird in klassischen Lean-Systemen mit Heijunka-Boards gelöst. Die manuelle Selektion von Variantenteilen und das Stecken von einzelnen Kanban-Karten von Einzelteilen ist bei • kleinsten Losen, • hoher Prozessgeschwindigkeit, • hoher Teilevielfalt und -anzahl nicht mehr sinnvoll. Äußerst zeitraubend wirkt sich beispielsweise die kurzfristige Veränderung der Auftragsreihenfolge aus. Natürlich bieten moderne Auftragskommissioniersysteme perfekte Möglichkeiten, den Kommissionierprozess zu unterstützen. Tatsächlich sind diese Systeme allein ohne flankierende Lean-Unterstützung nicht wettbewerbsfähig, um die notwendige Flexibilität und minimale Kosten zu erreichen. Da moderne Materialwirtschaft sehr IT-gebunden ist, können enorme Vereinfachungen und Fehlerabsicherungen durch elektronisch erzeugte Listen oder Buchungen zum Unterstützen der Heijunka-Logik erreicht werden (Abb. 3.24).
Abb. 3.24 Visualisierung eines Bereitstellungsplans, in dem die benötigten Gebinde und deren Reihenfolge optisch erkennbar sind (vgl. Kap. 1.3 Varianten von JIT und JIS). Diese Problemstellungen sind teils so vielfältig wie die Materialien und die Regale. Je größer die Vielfalt der Materialien bis hin zu sequenzierter Produktion, desto individualisierter müssen Lösungen dies abbilden. Aus diesem Grund können individuelle Lösungen für die Kommissionierung erarbeitet werden, in der die Rüstreihenfolge sowie die Behältermengen je Material und je Regal optisch klar dargestellt sind.
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3.5 Effizienter Materialfluss mit der richtigen Regaltechnik – Dynamik im Lager Klaus Kapalla Schlanker Materialfluss beginnt im Lager. Viele Unternehmen setzen dort noch immer auf statische Regaltechnik – und verlieren so an Effizienz, Servicequalität sowie Lieferfähigkeit und verschenken dadurch auch Geld. Besonders Unternehmen, die ihre Kunden und die interne Weiterverarbeitung Just-in-time beliefern, sind auf Geschwindigkeit gerade im Lager angewiesen. Die dynamische Lagerung mit innovativer Regaltechnik schafft hier Abhilfe. In einem modernen Lager ist das Regalsystem nicht nur der Ort für die Lagerung verschiedener Produkte, sondern auch die Basis für eine schnelle Auftragsabwicklung. Weil die Leistung beim Kommissionieren maßgeblich durch die richtige Bereitstellungsform der Artikel in der richtigen Menge bestimmt wird, ist die passende Regaltechnik und Lagergestaltung für Unternehmen heute eine entscheidende wirtschaftliche Größe. Aber es muss nicht immer Automatisierung sein. Meist genügt zur Optimierung des internen Materialflusses ein Durchlaufregalsystem zur manuellen Kommissionierung. Wichtig ist, dass jedes Unternehmen die bestehende Situation im Lager analysiert, die für seinen Bedarf richtige Kommissionier- und Regaltechnik identifiziert, und sich dann für eine passgenaue bedarfsgerechte Lösung entscheidet. Der Break-Even-Point für ein dynamisches Regal liegt bei einer Lagerumschlagsleistung von etwa 20 Mal pro Jahr. Die für die Lagerumgestaltung notwendigen Investitionen sind durch die Rationalisierungseffekte also schnell kompensiert. Dennoch gilt: Es lohnt sich, nicht gleich die große Lösung zu wählen. Wer sich für einen Lagerneubau entscheidet, kann mit aktueller Lager- und Materialflusstechnik planen. Doch nicht immer lohnt der Neubau: Durch so genanntes Tuning bestehender Systeme können Unternehmen den Materialfluss erheblich verbessern. Denn in den Lagerregalen steckt regelrechtes Innovationspotenzial. Wer seine Anforderungen und vorhandenen Systeme genau durchleuchtet, der kann sein Lager mit einem überschaubaren Aufwand günstig an neue Anforderungen anpassen.
3.5.1 Regalsysteme – So kommt Bewegung ins Lager Für unterschiedliche Lageranforderungen gibt es verschiedene Regalsysteme. Das sind zum einen statische Regale: Archivregale, Fachbodenregale, Großfachregale, Kragarmregale, Palettenregale, Weitspannregale und Schwerlastregale (Abb. 3.25). Zum anderen können Unternehmen zwischen unterschiedlichen dynamischen Regalen und einem unterschiedlichen Grad an Automatisierung wählen – verfahrbare Regalanlagen, Stückgut- und Palettendurchlaufregale, automatisch bediente Kleinteil- und Hochregallager. Seltener entnommene Waren (C-Artikel) mit nur einem Stellplatz lagern ideal in statischen Regalen, wogegen Artikel mit mittlerem Umschlag (B-Artikel) und solche mit sehr hoher Entnahmefrequenz (A-Artikel) gut in Stückgut- und Palettendurchlaufregalen aufgehoben sind. Zur regelmäßigen Kommissionierung von Einzelteilen in sehr hohen Stückzahlen bieten sich zudem automatische Lagersysteme an. Bei der Entscheidung für ein effizientes
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Abb. 3.25 Fachbodenregal
Lager greifen Unternehmen oft zur ganz großen Lösung: Automatisierung. Dann wird in ehrgeizigen Projekten versucht, die Bereitstellung von A- und B-Artikeln auf höchstem Niveau (oftmals mit einem sehr hohen Automatisierungsgrad) zu perfektionieren. Der CArtikel-Betrachtung kommt in solchen Fällen häufig nur wenig Bedeutung zu. Die Folge ist, dass durch die Nichteinbeziehung dieser C-Artikel die Auftragsdurchlaufzeiten unvertretbar hoch werden. Die Rationalisierungseffekte sind damit gedämpft und die hohen Kosten für ein automatisches Lager bei weitem nicht gerechtfertigt. Lösungen dieser Art müssen sich kurz- bis mittelfristig amortisieren. Unternehmen tun gut daran, vor einer Investition genau zu prüfen, ob der Umbau richtig dimensioniert ist und eine ausreichende Auslastung der neuen Anlage gewährleistet werden kann. Meist erfüllen bereits dynamische Lager mit manueller Kommissionierung die steigenden Anforderungen an Lagerhaltung und Materialfluss. Clevere Lösungen sind zum Beispiel Stückgut- und Paletten-Durchlaufsysteme oder verfahrbare Regalanlagen. Stückgut- (SDS) und Paletten-Durchlaufsysteme (PDS) beschleunigen die Kommissionierung und verbessern die Lagerbedingungen. Bei diesem Regaltyp befüllen die Mitarbeiter von der einen Seite das Regal mit den entsprechenden Produkten oder Paletten, von der gegenüberliegenden Seite wird kommissioniert. Die Produkte rollen selbsttätig in Kanälen in die Entnahmeposition. Was zuerst eingelagert wird, wird auch zuerst entnommen. Das heißt, Unternehmen können mit Durchlaufregalen wegen der Zwangsführung mit hoher Prozesssicherheit das First-in-first-out-Prinzip einhalten. Paletten-Durchlaufregale eignen sich für Produkte, die
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Abb. 3.26 Optimierung der Kommissionierwege bei Fachbodenregalen im Vergleich zu Durchlaufregalen
Abb. 3.27 Wegzeiteinsparung bei Durchlaufregalen: Sie kann bis zu 40 % gegenüber Fachbodenregalen betragen
in großen Mengen und palettenweise kommissioniert werden. Artikel mit hoher Entnahmefrequenz zur Kommissionierung in kleineren Mengen werden Idealerweise in einem Stückgut-Durchlaufregal aufbewahrt. Im Vergleich zu statischen Regalen verkürzen sich die Wegzeiten um 40 bis 70 % (Abb. 3.26, 3.27). Die Kommissionierer haben direkten Zugriff auf alle gelagerten Produkte und erreichen eine Verkürzung der gesamten Kommissionierzeit um bis zu 40 %. Daneben schlägt ein durch den Wegfall überflüssiger Regal-
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Abb. 3.28 Paletten-Kommissioniergang
gänge zusätzlich bis zu 30 % geringerer Flächenbedarf zu Buche. Letztlich überzeugt die Technik auch durch ihre hohe Bedienungsfreundlichkeit aufgrund einer übersichtlichen Produktanordnung und ergonomisch günstiger Entnahmesituation.
3.5.2 Paletten-Durchlaufsysteme – Kein Problem mit schweren Lasten PDS gibt es in den Varianten mit Rollenleisten und Rollenbahnen. Die Verwendung von Rollenleisten als Förderelement ist bei kurzen Kanälen und leichteren Ladungsträgern interessant. Rollenbahnen mit durchgehenden Stahlrollen sind zum Beispiel bei tiefen Kanälen und schweren Paletten die wirtschaftlichere Lösung. Das Palettendurchlaufsystem basiert auf einem bewährten Palettenregal. Die Durchlaufebenen werden jeweils mit Gefälle in Stützrahmen eingehängt und können stufenlos in Höhe und Neigung verstellt werden. Mittels Schwerkraft rollen die Ladungsträger in die Entnahmeposition, integrierte Bremsrollen sorgen für das rechtzeitige Abbremsen. Rollenbahnen ermöglichen die Einlagerung verschiedener Paletten- oder Behältergrößen innerhalb eines Kanals. Für Unternehmen mit begrenztem Lagerraum und vor allem für solche mit niedrigen Lagerhallen bietet sich das PDS ohne Gefälle an. Mit ihm bleibt das Durchlaufprinzip mit all seinen Vorteilen bestehen, nur kann jetzt die gesamte Hallenhöhe für die Lagerung genutzt werden. Mit der Nutzung von PDS können Unternehmen die Lagerkapazität auf gleichem Raum um bis zu 60 % erweitern. Dank der räumlichen Trennung der Bereiche für Beschickung und Entnahme können die Mitarbeiter sehr produktiv und geordnet arbeiten, weil sie sich im Lager nicht gegenseitig behindern. Außerdem bietet es mehr Sicherheit, weil Gabelstapler und Kommissionierer nicht im gleichen Gang arbeiten. Die langen Kanäle sorgen als große Reserve im Regalsystem dafür, dass keine Leerzeiten entstehen (Abb. 3.28).
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Abb. 3.29 SDS-Entnahmeseite und SDS-Rollenbahnen
3.5.3 Stückgut-Durchlaufsysteme – Kartonagen und Stückgutgebinde ins Rollen bringen Bei Artikeln mit mittlerer Entnahmefrequenz bietet sich der Einsatz von Stückgutdurchlaufregalen an. Wegen der Flexibilität sind hierbei nicht-verschraubte – speziell für den Durchlauf von Kartons, Behältern und sonstigen Stückgutgebinden entwickelte – Systeme vorteilhaft. Die Durchlaufebenen können einfach an die Maße des Lagerguts angepasst werden. Die Verwendung geschlossener Profile bietet größtmögliche Sicherheit. Die einzelnen Durchlaufrahmen und Stützrahmen sind hoch belastbar. So können Unternehmen auch mehrgeschossige Anlagen und Palettenreservelager über den Durchlaufebenen einrichten. Außerdem ist eine Nachrüstung mit papierlosen Kommissioniersystemen (Pick-by-light, Pick-by-voice) und automatisches Nachfüllen mit Regalförderzeugen möglich. BITO stellt alle Komponenten der Durchlauftechnik selbst her. So kann es die Regale an die Anforderungen der Ladungsträger anpassen. Auch kundenspezifische, nicht-standardisierte Behälter, Gitterboxen und Paletten können auf diesem Wege in Durchlaufregalen bereitgestellt werden (Abb. 3.29).
3.5.4 Lagertuning – eine kostengünstige Lösung Für Unternehmen, die ihre bisherige Regaltechnik weiterhin nutzen möchten, ist das sogenannte Lagertuning eine wirtschaftliche Lösung. Denn Lager- und Regalsysteme können schnell und kostengünstig an veränderte Situationen, beispielsweise bei der Nachfrage einzelner Produkte, angepasst oder entsprechend umgerüstet werden. Statische Regale können problemlos und kostengünstig in dynamische Durchlaufregale umgebaut werden. So können Unternehmen mit der bereits vorhandenen Regaltechnik die Zeiten für Kommissionierung und Beschickung stark verkürzen. Dieser hausinterne Umbau verbessert die betrieblichen Abläufe erheblich. Eine optimierte Lagerhaltung verkürzt nicht nur die Durchlaufzeiten, sondern senkt bei vergleichsweise geringem Investment auch die Kosten im Gegensatz zum Neubau. In vielen Fällen steckt noch ungeahntes Potenzial im alten La-
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ger, das bei einer eingehenden Analyse des bestehenden Lagersystems ausgeschöpft werden kann: Angefangen bei einer Artikel-Analyse, mit deren Hilfe sich das Sortiment der aktuellen Nachfragesituation anpassen lässt, über die Umrüstung von statischen Regalen in Durchlaufregalsysteme bis hin zur Optimierung der Arbeitsabläufe des Lagerpersonals.
3.5.5 Höchste Flexibilität – Spaß am Lagern Die BMW-Motorenwerke im englischen Hams Hall setzen auf speziell nach ihren Anforderungen gefertigte Paletten- und Stückgutdurchlaufregale von BITO. Für die Produktion von Motoren für den Mini nutzte BMW in Hams Hall bislang Palettendurchlaufregale mit absenkbaren Palettenplätzen zur Entsorgung der Leerpaletten. Nach Umzug der Produktion nach Brasilien benötigte BMW für die neue Aufgabe – die Produktion von schweren Motoren – eine Erweiterung der Lagertechnik. Dafür installierte BITO 50 Regaleinheiten mit je drei Regalfeldern. In der Bodenebene der Regaleinheiten befinden sich Rollenbahnschienen, in der darüber liegenden Ebene Stückgutdurchlaufrahmen und darüber zwei Überfließebenen für Paletten. In den jeweils drei Kanälen mit Rollenbahnschienen kann BMW problemlos seine Standard-Stellagen einlagern. In ihnen bewahrt der Automobilhersteller Motoren, Abgassysteme und andere schwere Fahrzeugteile auf. Der Transport der Stellagen erfolgt über einen Kettenförderer. Die Stückgutdurchlaufebenen dienen zur Lagerung von Kleinteilen für die Montage. Durch eine besondere Konstruktion und Anordnung der Durchlaufebenen können auf beiden Seiten der Regaleinheiten Kleinteile kommissioniert werden. Dazu wurden in einem der drei Regalfelder unterhalb der Ebenen ausziehbare Tablare zur Vormontage installiert. Die Durchlaufebenen der anderen beiden Felder laufen dagegen zur anderen Seite, auf der die Entnahme der Kleinteile erfolgt. Die statische dritte und vierte Ebene dient als Pufferlager für den Materialnachschub.
3.5.6 Bis zu 50 % Raumgewinn Für Unternehmen, die viele verschiedene Produkte auf begrenztem Raum lagern müssen und Produkte vorrätig haben, deren Umschlagshäufigkeit nicht sehr hoch ist, eignen sich verfahrbare Regalanlagen. Sie bieten die Zugriffsmöglichkeit auf jedes einzelne Lagergut und haben gleichzeitig einen hohen Raumausnutzungsgrad. Im Idealfall bieten solche Anlagen die Verdopplung der Lagerkapazität bei gleicher Fläche im Vergleich zu stationären Anlagen. Verfahrbare Regale lassen sich über Schienen sicher und leichtläufig verfahren. Die Möglichkeit, die Regale bewegen zu können, eröffnet eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Lagerplatz und -kosten einzusparen: Auf Regalgänge kann verzichtet und Transportstrecken können verkürzt werden. Weil nur noch ein Bediengang für alle Regalreihen benötigt wird, beträgt der Flächen- beziehungsweise Raumgewinn bis zu 50 %. Bis zu 75 % mehr Lagerkapazität lassen sich mit einem verfahrbaren System realisieren. Die Regalzeilen werden einfach zusammen geschoben und nur bei Bedarf geöffnet. Wesentlich ist, dass jedes Unternehmen, die für seinen Bedarf richtige Kommissionier- und Regaltech-
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
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nik identifiziert und eine maßgeschneiderte, individuelle Lösung mit ausreichender Flexibilität auch für zukünftige Aufgabenstellungen umsetzt. So kommt Bewegung ins Lager und der entscheidende Schritt hin zum effizienten und schlanken Materialfluss ist getan.
3.6 Flexible, ergonomische Arbeitsplatzgestaltung – Steigerung der Effizienz am Beispiel der manuellen Produktionssysteme (MPS) Jens Henneberg Begriffe moderner Organisationsmodelle wie Lean-Production, JIT, Kanban usw., „geistern“ immer häufiger durch die Hallen industrieller Fertigung. Doch leider bleiben sie oft nur in begrenztem Umfang genutzte Theorien. Ihre Umsetzung in Fertigungs- und Montageprozesse erfordern Produktionssysteme, mit denen sich schlanke und effiziente Abläufe konsequent realisieren lassen. Die neue Produktlinie „Manuelle Produktionssysteme (MPS)“ von Rexroth, selbst streng nach Lean-Production-Aspekten entwickelt, ermöglicht eine einfache sowie schnelle Planung und Realisierung von schlanken Produktionseinrichtungen.
3.6.1 Veränderung – die einzige Konstante Heutzutage ist Veränderung die einzige Konstante in Fertigungs- und Montageprozessen. Die Ursachen sind schnelle Innovationszyklen und unsichere Produktlebenszeiten bei gleichzeitig wachsender Variantenvielfalt. Losgrößen und Gesamtstückzahlen lassen sich kaum noch absehen und somit Automatisierungsmaßnahmen schwierig darstellen. Häufig findet Automation lediglich in Bereichen sogenannter Gleichteile statt, wobei auch hier alles variantenspezifisch von Hand zugeführt, beziehungsweise ergänzt wird. Vor diesem Hintergrund bilden manuelle Produktionssysteme mit einem Höchstmaß an Flexibilität die Basis moderner industrieller Fertigung.
3.6.2 Die Qualität manueller Produktionssysteme Die Qualität manueller Produktionssysteme spiegelt sich nicht allein in Merkmalen wie Vielseitigkeit, Montageaufwand oder etwa der Anzahl an Komponenten wieder. Im Vordergrund stehen vielmehr Möglichkeiten zur Steigerung von Effizienz in Produktionsabläufen oder deren Fokussierung auf Wertschöpfung. Viele Unternehmen versuchen mit modernen Organisationsmodellen wie Kanban (als Hilfsmittel zur Just-in-time-Produktion, Fertigung im Kundentakt, Pull-Prinzip, One-piece-flow und vielem mehr) diese Ziele einer „schlanken Produktion“ ( Lean-Production) zu erreichen. Mit den neuen Modulen für Manuelle Produktionssysteme (MPS) und der Software MPScalc von Rexroth können Arbeitsplätze sowie ganze Fertigungs- und Montagelinien schnell an Arbeitsinhalte angepasst und durch Vermeidung von Verschwendung im Sinne von „Lean“ äußerst effizient gestaltet werden (Abb. 3.30).
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Abb. 3.30 Die Komponenten für Manuelle Produktionssysteme (MPS) umfassen Materialbereitstellung, Arbeitsplätze und Arbeitsplatzausrüstung sowie Verkettung. Der Anwender kann das System zur schlanken Fertigung leicht selbst konfigurieren und erhält alles aus einer Hand
3.6.3 Vermeidung von Verschwendung Die Verschwendungsvermeidung ist das zentrale Anliegen schlanker Produktion. Sie bedeutet, alles zu reduzieren was keine Werte schafft. Dazu zählen Wartezeiten, ineffiziente Prozesse, Fehler oder unnötige Bewegungen genauso wie Überproduktionen, hohe Bestände oder Transporte. Arbeitsprozesse bestehen aus wertschöpfenden Tätigkeiten sowie aus Tätigkeiten, die offensichtliche und verdeckte Verschwendung beinhalten. Das Ziel jeder Fertigungsplanung ist, eine schlanke Produktion zu schaffen, indem unwirtschaftliche Abläufe kontinuierlich minimiert und in Wertschöpfung umgewandelt werden. Das typische Beispiel ist die ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze, von deren Design alle Greifbewegungen und Laufwege direkt abhängen. Standardisierte Lösungen aus dem Katalog sind universell verwendbar, erfordern aber fast immer Kompromisse. Diese wiederum führen zu längeren Laufwegen oder komplizierteren Bewegungsabläufen als notwendig. Das gilt gleichermaßen für alle eingesetzten Arbeitsmittel, seien es Regale, Greifbehälter, Materialwagen oder Verkettungskomponenten. Mit MPS von Rexroth wird der Standard jedoch völlig neu definiert. Das neue manuelle Produktionssystem bietet jedem Anwender seinen eigenen Standard, der es ermöglicht, alle Systemkomponenten in Größe, Form, Aufbau und Anordnung exakt entsprechend den jeweiligen Arbeitsinhalten sowie den Bedürfnissen der Mitarbeiter zu konfigurieren.
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3.6.4 Standard neu definiert MPS basiert auf dem Aluminium-Profilbaukasten und den bewährten manuellen Arbeitssystemen von Rexroth. Die Entwicklung nach streng ergonomischen und logistischen Gesichtspunkten erfolgte unter Einbeziehung jahrzehntelanger Erfahrung, u. a. aus mehr als 200 Boschwerken weltweit. Im Vergleich zu den bisherigen Baukastensystemen besteht MPS nicht aus Einzelkomponenten, sondern aus kompletten Funktionsmodulen in Plug-and-play-Manier. Eigenschaften wie Maße, Beschaffenheit oder Bauweise werden in Parametern definiert und jedes Funktionsmodul beinhaltet alle Einzelkomponenten in Größe, Form und Anzahl entsprechend dieser Parameter. So genügen beispielsweise zur Konfiguration eines Arbeitstisches die Angaben der Maße und die Auswahl von Funktionen, wie etwa Materialebenen oder ESD-Tauglichkeit, und schon ist ein Arbeitstisch, der bestmöglich für die eigene Produktion geeignet ist, fertig.
3.6.5 Erweitertes Produktportfolio für komplette Linien In gleicher Form beinhaltet MPS nicht nur Arbeitsplätze mit Zubehör, sondern darüber hinaus auch Module zur Materialbereitstellung (Regalsysteme, Materialwagen oder Greifbehälter) sowie Komponenten für Materialfluss und Verkettung. Das Regalsystem Lean bietet neben variablen Abmessungen eine große Auswahl verschiedenster Fördermedien, was eine flexible Gestaltung der Materialbereitstellung erlaubt. Es kann sowohl als Supermarktregal als auch zur Bereitstellung von Behältern direkt am Arbeitsplatz genutzt werden. Kerngedanke ist das Kanban-Prinzip zur Vermeidung von zu viel Material im Fertigungsfluss. Hier stehen für die Förderbahnen unter anderem farbige Rollen (rot, gelb, grün) zur Verfügung, sodass Informationen über den Materialbestand durch Ampelfarben im gesamten Prozess unmittelbar sichtbar sind (Abb. 3.31). Alternativ gibt es die Variante XLean, bestehend aus einem Stahlprofil und Rollen mit oder ohne Spurkranz. Der Materialfluss zwischen Arbeitsplätzen sowie in Lager- und Kommissionierbereichen kann mit EcoFlow-Komponenten realisiert werden. Ein Grundprofil genügt zum Aufbau verschiedenster Spurbreiten. Kurven und Weichen erlauben das Anpassen der Förderstrecken an die Anordnung der Arbeitsplätze und den Materialfluss. Mit den Arbeitsplätzen, dem vielfältigen Regalsystem, den EcoFlow-Komponenten und dem umfangreichen Zubehörprogramm von MPS lassen sich komplette Fertigungs- und Montagelinien nach eigenem Standard und Lean-Production-Grundsätzen verwirklichen.
3.6.6 Wunschkonfiguration – verblüffend einfach Lean-Production mit MPS beginnt bereits mit der Software MPScalc zur Planung von Produktionseinrichtungen für die manuelle Fertigung. Sie läuft auf jedem Windows-Rechner und erfordert keine CAD-Software oder -Kenntnisse und ermöglicht, über die Einga-
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Abb. 3.31 Über dieses Supermarktregal erfolgt die Bereitstellung nach dem Kanban-Prinzip über Rollenbahnen. Die Bestandsinformationen werden mit angezeigt
be einiger Wunsch-Parameter, die Konfiguration individuell gestalteter Arbeitsplätze und Materialbereitstellungssysteme. Konstruktionsaufwand von Stunden oder gar Tagen ist in wenigen Minuten erledigt. Die entworfenen Objekte werden am Bildschirm dreidimensional dargestellt und mit jedem eingegebenen Parameter sofort aktualisiert. Umgestaltungen bedürfen lediglich der weiteren Eingabe oder der Änderung entsprechender Parameter. So sind professionelle Auslegungen und Konstruktionen, inklusive automatischer Preiskalkulation sowie Zeichnungserstellung der manuellen Produktionssysteme effizient realisierbar. Zum Ausfertigen der Bestellunterlagen genügt allein ein Knopfdruck. Für die Planung ganzer Fertigungslinien gibt es die Möglichkeit, 3-D-Zeichnungen und Stücklisten in praktisch alle gängigen CAD-Systeme zu übertragen (Abb. 3.32).
3.6.7 Einsparung von Planungs- und Konstruktionsaufwand MPScalc ermöglicht vor allem die Einsparung ineffizienter Prozesse wie Planungs- und Konstruktionsaufwand, aber auch die Vermeidung von Fehlern, da die Software, abhängig von den eingegebenen Parametern, automatisch die entsprechenden Funktions-Module mit allen dazu gehörenden Komponenten auswählt und anpasst. Das einzigartige Planungsinstrument als fundamentaler Bestandteil des MPS trägt erheblich zur Reduzierung von Total Cost of Ownership (TCO) bei. Es gibt dem Anwender ein bisher nicht erreichbares Maß an Flexibilität durch schnelle Reaktionsfähigkeit. Entwicklungszeiten von
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Abb. 3.32 Mit EcoFlow lässt sich der Materialfluss an Arbeitsplätzen, bei der Verkettung sowie im Lager- und Kommissionierbereich einfach realisieren
der Idee bis zur Realisierung werden erheblich verkürzt, Veränderungen in bestehenden Linien oder angepasster stufenweiser Investition, wie etwa bei Stückzahlerweiterungen, sind leicht und schnell durchführbar. Auch Simultaneous engineering schon während der Produktentwicklungsphase ist einfacher.
3.6.8 Voraussetzung ist Lean-Production Als wesentliches Element des neuen manuellen Produktionssystems ist konsequente LeanProduction auch im eigenen Haus eine wesentliche Voraussetzung. Im Mittelpunkt der neu gestalteten Fertigung am Standort Stuttgart steht der Montageablauf im One-piece-flow, die Verringerung der Materialbestände und die Standardisierung des gesamten Ablaufs bis hin zur klaren Trennung zwischen Montage und Logistik, sprich Teilebereitstellung (Abb. 3.33). Damit konnten etwa 30 % der benötigten Flächen und 50 % der Laufwege reduziert werden. Neben erhöhter Mitarbeitermotivation sowie stark verbesserter Transparenz und Flexibilität sind das maßgebliche Faktoren der Preisbildung.
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Abb. 3.33 Praxisbeispiel für die individuelle Teilebreitstellung
Aus der Praxis
3.6.9 Aufbau von Schwerkraftrollenregalen mit Rohrprofilen und Arbeitsplatzgestaltung im Lean-Workshop Philipp Dickmann In den letzten zehn Jahren setzen sich die ursprünglich in Asien sehr beliebten Rohrprofilregale mit veränderten physischen Arbeitsplatzgestaltungsmethoden auch bei uns in Europa stark durch. Dies hat verschiedene Gründe. Unter anderem sind dadurch die an „Ausprobieren in einem Workshop“ orientierten Philosophien von Lean besser abbildbar. Aufbau und Änderung von Arbeitsplätzen im Lean-Workshop Arbeitsplätze sollten an die Rahmenbedingungen angepasst individualisiert gestaltet werden, wobei Werkzeuge, Anlagen, Materialien, IT-Anbindungen, etc. berücksichtigt werden sollten. Die Rohrprofile sind mit einfachstem Werkzeug, wie Säge und Schraubenzieher, bearbeitbar. Sie ermöglichen, nach einem Test mit Karton-Simulation, den konkreten Aufbau im Lean-Workshop. Arbeitsplatz- und Logistikgestaltung im Workshop erreichen durch die Einbindung der verschiedenen Bereiche eine hohe Akzeptanz. Das Ergebnis ist nicht selten ein Kompromiss, darf aber auf keinen Fall die Vorgaben der Ergonomie und der Arbeitssicherheit einschränken.
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Abb. 3.34 Schwerkraftrollensystem. (Quelle: BeeWaTec GmbH)
Rohre versus konventionelle Technik Rohre erlauben eine sehr flexible, 360°-freie Fixierung. Sie haben jedoch den Nachteil, dass häufig mehrere Rohre kombiniert werden müssen (Fachwerk), um eine ausreichende Steifigkeit bzw. Tragfähigkeit zu erreichen (Abb. 3.34). Die Tragfähigkeit und die Haltbarkeit gegen Korrosion sind von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Bereitstellsysteme, Arbeitsplatzgestaltung und Aufbauten auf Wägen In der Regel werden Kombinationen von Bereitstellsystem und Arbeitsplatzgestaltung aufgebaut. Die Lager- und Arbeitsplätze sind nicht wie bei früheren Systemen zwangsweise getrennt. Gleichgültig welches Profil verwendet wird, werden Arbeitsplätze und Regalsysteme nach Lean-Standard in Abschnitten auf Rollen aufgebaut (Abb. 3.34). Dies erlaubt zumindest im leeren Zustand das Verschieben der Regale. Rollenbahnen können zudem mit farbigen Rollen nach dem Prinzip des Pegels markiert werden (etwa rot-gelbgrün) (Abb. 3.35).
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Abb. 3.35 Supermarkt. (Quelle: BeeWaTec GmbH)
3.7 Verpackung – Moleküle des Materialflusses Philipp Dickmann Verändert man bei einem chemischen Molekül nur geringfügig die Anordnung der Atome, so verändern sich die Eigenschaften des gesamten Moleküls deutlich. Ähnlich wirkt sich die Auswahl der Verpackung enorm vielfältig auf den Materialfluss, die Produktion und letztlich die Rendite eines Unternehmens aus. Von modernen Verpackungen werden heute immer komplexere Eigenschaftsbilder erwartet: Nutzbarkeit als Datenträger, Korrosionsschutz, ökologische Verträglichkeit, Beschädigungsschutz, hohe Materialdichte, geringes Gewicht, geringe Kosten, etc. Die Verpackung beispielsweise eines Montageprodukts, bestehend aus 15 Einzelteilen kann, je nach ausgewählter Verpackungsvariante, Kosten in der Spanne eines vier- bis sechsstelligen Betrages pro Jahr verursachen. Das einzelne Verpackungselement ist ein C-Teil, also eine Komponente, die in Relation zum Endprodukt sehr wenig Kosten verursacht. Daher wird ihr nur ein geringer Aufwand in der Kostenermittlung zugebilligt. Einzelne Kostenpositionen für Fixkosten, etwa der Kaufpreis für Umlaufmaterial, werden in der Regel hinterfragt und zugeordnet. Dies trifft aber selten für variable Kosten wie Handling, Reinigung, Leerguttransport, Lagervolumenverlust, Lagerhaltung, Bestandsführung oder Beschaffung zu. In Relation zum Kaufpreis können diese Zusatzkosten jedoch den Preis um den Faktor 2–10 übersteigen. Mit interdisziplinärer Prozesskostenrechnung lassen sich diese Kosten sehr genau erfassen. Wegen des vermeintlich geringen Potenzials, wird dieser Aufwand fälschlich als nicht notwendig eingestuft.
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Ebenso wird der Einfluss der Verpackung auf Lagerung bzw. Lagerdichte nicht zugeordnet, obwohl die Relation vom Lagerplatz zur Materialmenge maßgeblich durch Verpackung definiert wird. Transport, Lagerplatz, Lageranlagen und Lagerzugriffe verursachen enorme Kosten, und trotzdem sind Lagerdichten von unter 50 % nicht selten. Allein bei Hochregal-Lagersystemen mit einem Preis von mehreren Millionen Euro, kann durch Optimierung der Lagerdichte, bzw. aufgrund der Verpackungen, eine zweistellige Erhöhung der Füllmenge erreicht werden. Verpackung bestimmt außerdem die an einem Arbeitsplatz maximal ergonomisch bereitstellbare Materialmenge und damit die Arbeitsteiligkeit im Materialfluss. Letztlich werden das gesamte Produktionslayout und die Effizienz von vielen einzelnen Verpackungsentscheidungen ebenso wesentlich bestimmt, wie die Geometrie von Molekülen die äußere Form, das Aussehen und die Eigenschaften eines Stoffes.
3.7.1 Kernaufgaben der Verpackung Verpackung soll in erster Linie den unversehrten Transport von Material gewährleisten. Verpackung soll aber auch vor Schmutz schützen. Die Spannweite reicht von üblichem Staub über Einwirkungen (wie Späne, Sand, Schnee oder Wasser) bis hin zur Thematik Salzwasserdämpfe bei Seetransport. Auch Feuchtigkeit, die sich beim Abkühlen an Teilen niederschlägt und zu Oxidation, also z. B. zu Rost führt, kann bei hoher Luftfeuchtigkeit, etwa in den Tropen oder bei Seeluft, extreme Dimensionen annehmen. Mit verschiedenen chemischen Substanzen wie Schutzgasen oder hydrophilen Stoffen, also stark Wasser bindenden Substanzen, kann dies verhindert werden. Lebensmittel, medizinische oder kosmetische Güter stellen hohe Anforderungen an die Reinheit. Verpackungen müssen in diesem Fall nicht nur Staubschutz sondern auch Keimfreiheit garantieren, was durch keimtötende Mittel erreicht werden kann. Bei elektronischen oder elektrischen Bauteilen muss Verpackung vor Feuchtigkeit und statischer Aufladung schützen. Kunststoffverpackungen können extrem hohe Ladungen aufbauen, die zur Zerstörung empfindlicher Bauteile führen können. Deshalb werden leitende Partikel, wie etwa Kohle, in den Kunststoff gemischt.
3.7.2 Betriebswirtschaftliche Risiken Im betriebswirtschaftlichen Sinne ist Verpackung nicht wertschöpfend, d. h. der Kunde zahlt für das Produkt. Die Verpackung will er nicht kaufen. Das Marketing sieht die Funktion der Verpackung vollkommen konträr. Wenn die emotionale Wahrnehmung angesprochen wird oder eine leichte Vergleichbarkeit besteht, übt die Verpackung einen wesentlichen Kaufreiz aus. Hochwertige und sehr kostspielige Verpackungen für Kosmetikartikel, etwa Parfüm, sind ein typisches Beispiel. Wenn sie ein Leistungsmerkmal unterstreicht, kann Verpackung auch in industriellen Märkten als Marketinginstrument dienen. Eine stabile, massive Verpackung suggeriert ein hochwertiges Produkt. Falls am Material kein Logo platzierbar ist, transferiert die Verpackung die „Corporate Identity“ des Herstellers. Eine
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andere typische Funktion ist die Ergänzung des Leistungsumfangs eines Produkts durch eine funktionale Verpackung. Eine stabile und tragbare Tasche bzw. ein Koffer für ein elektrisches Werkzeug bedeutet einen Zusatznutzen für den Kunden. Im industriellen Einsatz kann Verpackung auch Werkstückträger oder Tablare, bei automatischer Vereinzelung einer Förderstrecke bzw. Lagerhaltung, ersetzen. Verpackung wird zunehmend auch als Träger für Daten verwendet. So werden Verpackungen mit in Zertifizierungen geforderten Lieferund Rückverfolgungsdaten, mit Zeichen, Barcodes oder Transpondern bedruckt oder ausgestattet. In vielen Fällen sind die Kosten für die Dokumentationsträger, das Aufbringen, das Handling und die eventuell notwendigen Anlagen um ein Vielfaches höher, als die Kosten für den eigentlichen Behälter selbst, z. B. im Fall von Kartons. In der Realität werden die Kosten, die Verpackungen im industriellen Supply Chain Umfeld in der Summe verursachen, nicht als Prozesskosten ermittelt, da sie fälschlich als vernachlässigbar eingeschätzt werden. Unter Berücksichtigung der Kette an Einzelvorgängen verstecken sich aber hinter den vermeintlich kostengünstigen Verpackungen vielfach nicht vernachlässigbare Kosten.
3.7.3 Lean-based Layouting – Verschwendung in Gebinde, Lager und Transport Verpackung definiert nicht nur Kosten, sondern bestimmt auch die maximale Lagerdichte. Lagerdichte ist der Quotient aus dem Teilevolumen und dem Lagervolumen. Die Lagerdichte ist in Abwägung mit anderen Größen (wie Zugriffsgeschwindigkeit, Verpackungs-, Lager- oder Transportkosten) zu bewerten. Lagerdichte in der Verpackung Diese Größe ist ein Maß für die Verschwendung durch den ungenutzten Platz in der Verpackung. Ein Vergleich aus dem Straßenverkehr lässt die Verschwendung in Hinblick auf das Material transparent werden. Die Verschwendung ist unterschiedlich hoch, je nachdem, ob eine Person allein, mit einem Fahrrad, einem Motorrad, einem PKW oder einem Bus unterwegs ist. Die Kosten unterscheiden sich recht anschaulich in Anschaffungs-, Transport- und Lagerflächen- bzw. Handlingskosten. Bei strenger Betrachtungsweise würden hohle Körper einen schlechteren Füllgrad in der Einzelverpackung erreichen als massive Körper. Für eine pragmatische Aussage werden nur die Außenkanten gewertet. Selbst mit dieser Definition sind selten über 80 % Lagerdichte zu erreichen. Lagerdichteentwicklung Nach den ersten Entnahmen aus dem Gebinde reduziert sich die Dichte kontinuierlich auf schließlich 0 % (Abb. 3.36, links). Dieser Effekt kann mit kleineren Gebinden in Standardformaten oder durch dynamische, sich an die Füllmenge anpassende Gebinde reduziert werden, letzteres allerdings nur, wenn dieser Raumgewinn auch in Ladefläche nutzbar gemacht werden kann.
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Abb. 3.36 Die geringe Verpackungs- und Lagerdichte führen zu einer enormen Verschwendung im Lager
Lagerdichte im Lager Am Beispiel Straßenverkehr lassen sich zwei verschiedene Verschwendungstypen gut darstellen. Zum einen ein Parkplatz ohne Markierungen der Stellflächen, dies entspricht einem chaotischen Blocklager. Durch unkoordiniertes Abstellen wird nur eine geringe Dichte erreicht. Andererseits ein Parkplatz, der nur eine fixe Stellplatzgröße aufweist, dies entspricht z. B. einem Hochregal mit einer Gebindegröße. Wenn unterschiedlich große Fahrzeuge bzw. Teile abgestellt werden müssen, führt dies durch die Rasterung zu Verschwendung. Die typische Lagertechnologie orientiert sich an wenigen fixen Standardgebindegrößen (z. B. Paletten oder KLT). Diese werden eingelagert und behalten ihre Größe bei. Es werden beliebig kleinere Gebinde auf den Lagerplätzen eingelagert. Die Lagerplätze besitzen häufig ein physisch fixes Volumen. Eine Palette kann z. B. nur in der passenden oder einer höheren Höhenklasse eingelagert werden. Lagersysteme erlauben dadurch nur eingeschränkt, je nach Dimension, eine optimale Nutzung des Raums. Den Extremfall bilden z. B. Hochregallager mit ganzen Paletten oder Paternoster mit fixen Kleinladungsträgern, die für „Langsamdreher“ verwendet werden. Die „Langsamdreher“ erzeugen kontinuierlich einen hohen Anteil angebrochener Gebinde, was zu Lagerdichten von lediglich 10–30 % führt (Abb. 3.36). Maßnahmen zur Erhöhung der Lagerdichte In Anbetracht der hohen Kosten, die Lager- und Transportflächen verursachen, werden Potenziale zur Kostenreduzierung schnell deutlich. Einsparungen können erreicht werden durch: • Zu- und Entnahme von vollständigen Gebinden: Wenn immer ganze Gebinde fließen, ist der Kleinladungsträger oder die Palette immer vollständig gefüllt. • Kontinuierliche Komprimierung der Lagerdichte im Gebinde: Das regelmäßige Komprimieren unvollständiger Behälter zu Mischbehältern schafft höhere Dichte. • Komprimieren und Anpassen der Lagervolumenanteile: Die Stellplätze werden an die notwendige Mischung der Größen angepasst. • Herabstufen von angebrochenen Gebinden: Gebinde, die tatsächlich in kleinere Klassen passen würden oder die nur fälschlich in eine größere Klasse eingelagert wurden, müssen bereinigt werden.
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• Kontinuierliche Lagerdichteoptimierung mit flexibler Verpackung im größenflexiblen Lager: Größenflexible Verpackungen, z. B. Plastiktüten, passen sich in ihrer Ausdehnung dem Volumen des Inhalts an, verglichen mit Verpackungen mit fixen Außenmaßen, wie Kleinladungsträger. Dieser Vorteil kann zum Erreichen einer kontinuierlichen Optimierung der Lagerdichte genutzt werden. Größenflexible Lagersysteme erlauben das Erreichen einer deutlich höheren Lagerdichte. Eine Optimierung der Dichte in der Höhe kann z. B. mit Liftregalen und Tablaren umgesetzt werden. Nach jeder Kommissionierung wird beim Rücklagern die Höhe aktuell angepasst und optimiert eingelagert. Mit einer einfachen optischen Abtastung können leere Feldflächen erkannt und bei jedem neuen Einlagerungsvorgang als Leerflächen zugeordnet werden. Diese auch manuell durchführbare Logik kann zu einer Optimierung der Lagerdichte um 20–80 % führen. • Valuecycle Optimizing (VCO) (vgl. Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing): Mit dieser Methode wird eine systematische Optimierung der Verpackung unter Berücksichtigung aller Notwendigkeiten (Handling, Standardisierung, Packungsdichte, etc.) der betroffenen Bereiche erreicht. Abgestimmte Behältervolumen und Handlingsgrößen werden ermittelt und umfassend umgesetzt.
3.7.4 Einflussgrößen für den Materialfluss Im täglichen Umgang mit Verpackung sind wir uns selten bewusst, welche enormen Auswirkungen Verpackung auf unser Leben hat. Ähnlich verhält es sich beim Materialfluss, denn viele Einflussgrößen werden von der Verpackungsdimensionierung bestimmt: Handling Die ergonomischen Eigenschaften der Verpackung sind die bestimmende Voraussetzung für das Handling, den Materialfluss und die Effizienz in Produktion und Logistik. Die Form oder das Gewicht der Verpackung entscheiden über das Handling und den notwendigen Zeitbedarf eines Ablaufs. Behältermenge Die Behälterfüllmengen werden nicht bewusst gesteuert. Sie sind vielmehr das Resultat von Kompromissen aus ergonomischen Eigenschaften und Grenzen, Qualitätsanforderungen, vorhandenen Standardbehältern, Zugeständnissen und Möglichkeiten der Lieferanten, Notwendigkeiten des Transports und der Lagermethode, den Kosten, etc. Die Behältermenge definiert aber maßgebliche Stellgrößen des Materialflusses, etwa Transporthäufigkeit, Lagervolumen, Kapitalbindung, Handlingskosten, Dichte und Anzahl von Materialnummern die am Arbeitsplatz bereitgestellt werden können, Notwendigkeit von Kommissioniertätigkeiten, Dimensionierung des Materialflusses (z. B. Anzahl der Kanban-Karten), Lagerungskonzepte, etc. Losgrößen In der betriebswirtschaftlichen Literatur sind vielfältige Algorithmen zu finden, mit welchen die Losgröße bestimmt wird. In der Realität wird zumindest der Rundungswert der
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Losgrößen oft durch die Verpackung vorgegeben. Wenn die Transportkosten alle anderen, die Losgrößen bestimmenden Kosten dominieren, also eine möglichst hohe Packungsdichte nötig wird, bestimmt die Verpackung dominant die Losgröße. Die Dichte der unterschiedlichen Materialnummern am Arbeitsplatz bestimmt die Wege im Layout Je nach Größe der angedienten Gebinde am Arbeitsplatz ist eine unterschiedliche Dichte an verschiedenen Materialien je Arbeitsplatz möglich. Soll etwa aus Gitterboxen oder Holzpaletten herausgearbeitet werden, sind nur sehr wenige Materialnummern je Arbeitsplatz oder -raum möglich. Wird das Material in Kleinladungsträgern, oder noch extremer, in kleinen Behältern mit Eingriff angedient, können auf der gleichen Fläche hunderte Materialnummern stehen. Bei der Optimierung des Handlings am Arbeitsplatz muss auch das Handling für die Bereitstellung und Entsorgung berücksichtigt werden. Transport- und Kommissionierhäufigkeit Die Größe des Gebindes und seine Lagerdichte bestimmen proportional die Transporthäufigkeit und den Vereinzelungs- und Kommissionierungsaufwand. Wesentlich ist hier, ein gemeinsames Optimum zwischen Kommissionieraufwand und Transportaufwand sowie der Greifraumoptimierung am Arbeitsplatz zu erreichen. Schnittstellenprobleme der Bereiche Industrial Engineering, Produktion, Logistik und Supply Chain können zu einseitiger Optimierung und damit in der Summe zu einem Mehraufwand führen. Layout und Materialflussgestaltung Veränderungen der Verpackungs- und Gebindegrößen haben gravierende Folgen für die Arbeitsteiligkeit und das Layout. Optimale Materialdichte und eine hohe Materialreichweite kann durch eine Veränderung der Tiefe der Bereitstellungsregale und damit des Produktionslayouts erreicht werden. Investitionen und Produktkosten Durch diese Auswirkungen der Verpackungen auf die Losgrößen, die Lagerreichweiten, die Lagertechnik, das gesamte Layout, die Arbeitsteiligkeit und letztlich die Anlieferlokalität, werden die Investitionen wie Lager- oder Gebäudeerweiterungen und die Produktkosten stark beeinflusst.
3.7.5 Prozessvergleiche von Verpackungsvarianten Ein Großteil der realen Prozesse um die Verpackung werden nicht fundiert wirtschaftlich hinterfragt und überwacht. Kostenvergleiche werden kaum durchgeführt. Am exemplarischen Vergleich zwischen einem Einwegbehälter, z. B. Standardfaltkarton, und einer Mehrwegverpackung, z. B. Kleinladungsträger (KLT), in gleicher Größe werden im folgenden Abschnitt wesentliche Fakten erläutert.
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Allgemeine Rahmenbedingungen • Sauberkeit: Grundsätzlich sind frisch gereinigte KLT gleichwertig zu Kartonagen. Bei Messungen der realen Staubbelastung zeigen KLT eine deutlich höhere Staubmenge als Kartonagen. Bei Kartonagen entsteht die wesentliche Staubemission durch offene Schnittkanten. KLT weisen aufgrund der statischen Aufladung eine höhere Staubbelastung auf. Für Anwendungen, bei denen es auf Staubfreiheit ankommt, sind antistatische KLT oder staubfreies Handling notwendig. • Ökobilanz: Die Ökobilanz umschreibt die Summe der ökologischen Auswirkungen bei der Verwendung eines Materials. Hier werden der Herstellungsprozess, die Verarbeitung, die Reinigung, der Transport und letztlich die Entsorgung in der Summe bewertet. Im Vergleich zwischen Umlauf- und Einwegverpackungen, z. B. Life Cycle Studien (LCA) [IWIS 03], unterscheidet sich das Ergebnis kaum. Das bedeutet, die Einwegverpackung schneidet in der Ökobilanz gleichwertig zur Mehrwegverpackung ab. Kartons erlauben natürlich eine geringere Nutzungsdauer, sofern die Ware schnell umgeschlagen wird. Die zur Reinigung der KLT notwendigen Chemikalien sowie der Energieverbrauch, z. B. für Rücktransporte des Leerguts, und letztlich die schwierigere Entsorgung von Kunststoff, lassen keine klaren Vorteile pauschal ableiten. • Haltbarkeit – Stabilität – Teileschutz: KLT sind wesentlich stabiler als Kartons, robuster im Handling und haben praktische Griffe. Die Teile sind in den KLT besser gegen Beschädigungen von außen geschützt. Beim Herunterfallen des KLT bleibt dieser in der Regel unbeschädigt, die Teile im Innern können jedoch vom Aufprall beschädigt sein, ohne dass dies von außen zu erkennen ist. Beschädigungen an Kartons sind optisch gut erkennbar und erlauben das frühzeitige Beheben von Schäden.
3.7.6 Kostenabschätzung Bei Verpackungen entstehen Fixkosten, die einmalig anfallen und sich amortisieren können sowie variable Kosten, die kontinuierlich bei jedem Umlauf anfallen. Bei einem Vergleich müssen beide Kostentypen auf Zeitfenster betrachtet werden. Am Beispiel KLT und Karton werden im Folgenden exemplarisch einige wesentliche Gesichtspunkte erläutert. • Fixkosten (z. B. Anschaffungskosten): KLT sind in der Anschaffung ca. um den Faktor 10–50 teurer als Kartonagen. • Variable Kosten (z. B. Hin- und Rücktransport): Einwegbehälter benötigen keinen Rücktransport, das bedeutet einen Einsparungsvorteil von 50 % der Transportkosten. Nur bei einer Direktbelieferung im Pendelverkehr wird dieser Nachteil der Umlaufverpackung vollständig neutralisiert. Allerdings wird in diesem Fall meist nicht die volle Ladungsdichte erreicht. Angesichts der aktuellen Trends, die Anlieferhäufigkeit bei nahen Lieferanten zu erhöhen oder Global-Sourcing, bedeutet dies einen zunehmenden Vorteil zugunsten der Einwegverpackungen.
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• Beschädigungen und Verlust von Behältern im Kreislauf: Der Umlauf von Behältern bedeutet natürlichen Verschleiß und Abnutzung. Auch die Zweckentfremdung oder schlicht das „Verschwinden“ von Behältern darf nicht außer Acht gelassen werden. Vor allem im Lieferantenkreislauf bei Konzernstrukturen sind Umlaufbestände immer einem nicht vernachlässigbaren Schwund unterlegen. • Reinigung: Umlaufbehälter müssen in regelmäßigen Abständen oder oft auch bei jedem Umlauf gereinigt werden, wobei in Relation zur Anschaffung enorme Kosten entstehen können. Zudem sind für die Überbrückung der Reinigung zusätzliche Behälter notwendig. • Umlaufbestand: Da es sich bei Verpackungen um C-Teile handelt, werden im Regelfall bei jeder notwenigen Bewegung, z. B. Rücktransport, zunächst größere Mengen gesammelt. Die Disposition des Leerguts erfolgt in größeren Sprüngen und erfordert daher größere Lagerbestände beim Kunden wie auch beim Lieferanten. Spitzenbedarfe, etwa bei der Überbrückung von Vorholungen von Betriebsruhen, sind zu berücksichtigen. • Entsorgungskosten: Diese Kosten, die vor allem bei Einwegverpackung relevant sind, schließen nicht nur die Kosten für Abfallentsorgung, sondern auch für das Handling, die Stellflächen und die notwendigen Anlagen ein. Bei der Kostenabschätzung sind u. a. folgende zusätzliche Faktoren zu berücksichtigen: • Möglichkeiten einen Pool zu verwenden • Aufwand für Steuerung und Materialfluss der Verpackung • Ergonomie am Arbeitsplatz: Effizienz beim Greifen, hohe Packungsdichte im Regal, Material- bzw. Gewichtsdichte pro Material • Haltbarkeit bei Feuchtigkeit und Nässe • Handlingsaufwand: Transport und das Reinigen z. B. von Beschriftungen • Automatisierbarkeit des Handlings • Lagervolumen: Leergut und Kaufteilepuffer Die Summe der Kosten für Umlaufverpackung kann bei einem Beispiel von KLT, die im Wochentakt zirkulieren, bei 15 Materialnummern und einer Lieferstrecke unter 3.000 km, durchaus einen siebenstelligen Betrag pro Jahr verschlingen. Einwegkartons bleiben bei einem Anlieferintervall von ca. einer Woche bei einem vier- bis fünfstelligen Betrag. Grundsätzlich können Umlaufkonzepte je nach Anwendungsfall durchaus auch wirtschaftlicher sein. An diesem Beispiel sollte vielmehr aufgezeigt werden, dass eine umfassende und fundierte Analyse notwendig ist. Ein Vergleich der Verpackungskonzepte kann beträchtliche Auswirkungen auf die Produktkosten haben. Das unkritische Anwenden von Standardmehrwegbehältern aus ökonomischen und ökologischen Gründen sollte daher kritisch hinterfragt werden.
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Poolbildung bei Verpackungen Einige sehr weit verbreitete Behälter wie Gitterboxen können im Pool getauscht werden. Dabei fällt in der Regel eine Gebühr an‚ die geringer ist als die Transportkosten. Dieses Vorgehen erfordert die Anpassung an wenige Standardgebinde und führt damit überwiegend zu einem schlechten Lagergrad.
3.8 Integration eines Fahrerlosen Transportsystems (FTS) in der Intralogistik Johannes Kittel Eine effiziente und schlanke Materialwirtschaft ist die „Halsschlagader“ einer jeden Produktion. Nur wenn gewährleistet wird, dass alle Zahnräder ineinander greifen, jedes Material am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt verfügbar ist, ist man wettbewerbsfähig und kann seine Kapazitäten und Durchlaufzeiten optimal ausnutzen, um den Kunden den erwünschten Service bieten zu können. Mit den gewachsenen Marktanforderungen durch die boomenden Bereiche des E-Commerce und E-Business müssen auch Industrieunternehmen und Mittelstandbetriebe den „Puls“ ihrer „Halsschlagader“ erhöhen und effizienter wirtschaften. Der Käufermarkt verlangt immer mehr nach individuellen und personalisierten Produkten. Dies bringt in einem produzierenden Unternehmen einerseits eine Erhöhung des Transportvolumens, andererseits eine Senkung der Losgrößen mit sich. Diese Marktsituation kann nur durch ein optimales Lean-Management beherrscht und gesteuert werden. Zeit, Mitarbeiter und Qualität sind somit nur ein Teil der Ressourcen, mit denen heutzutage jongliert werden muss, um eine optimale und nachhaltige Supply Chain zu erreichen und im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können. Eine Unterstützung der schlanken Materialwirtschaft durch Automatisierungen wird unabdingbar. Jeder Betrieb muss sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Technologien ihn in seiner Unternehmensstrategie unterstützen. Wie kann man also sicher gehen, dass das richtige Material zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist? Wie kann man Arbeitsmittel effektiver einsetzen, um die Intralogistik zu optimieren?
3.8.1 Fahrerlose Transportsysteme Die Antwort auf die neuen Herausforderungen kann der Einsatz eines automatisierten Transportsystems sein, auch bekannt als Fahrerloses Transportsystem (FTS). Dieses System kann verschiedenste Transportaufgaben im innerbetrieblichen Materialfluss übernehmen und besteht aus mehreren Teilsystemen, die zur Koordination und Durchführung des Materialtransportes benötigt werden, u. a. aus [VDI 10]:
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Abb. 3.37 Fahrerloses Transportfahrzeug. (Quelle: MLR System GmbH)
• Einem oder mehreren Fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF), welche dem Bedarfsfall individuell angepasst, ausgewählt und mit der passenden Energieversorgung ausgestattet werden sollten (Abb. 3.37); • Einer Leitsteuerung, die die einzelnen Bestandteile des Komplettsystems steuert, die Schlüsselrolle bei der Organisation des Materialflusses einnimmt und mit übergeordneten Lagerverwaltungssystemen (LVS) gekoppelt werden kann; • Einer Navigationseinrichtung zur Standortbestimmung und Lagererfassung, welche maßgeblichen Einfluss auf die Flexibilität und Erweiterbarkeit des FTS hat und in der Planungsphase auf den spezifischen Standort angepasst werden sollte; • Einer Kommunikationseinrichtung zur Datenübertragung, die alle Systembestandteile miteinander verbindet und die Kommunikation mit der Leitsteuerung und den anderen FTF sicherstellt; • Infrastruktur und periphere Einrichtungen, die für eine reibungslose Materialübergabe in der Supply Chain und für die Sicherheit von Mensch, Maschine und Material unverzichtbar sind.
3.8.2 Nutzen und Grenzen bei der Anwendung In Bezug auf die Entscheidung zur Einführung eines FTS-Systems sind einige Vor- und Nachteile abzuwägen. Vergleicht man manuelle Transportvorgänge mit dem Einsatz eines automatisierten Transportsystems, bietet dieses im innerbetrieblichen Transport folgende Vorteile [VDI 97]:
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• Durch die entstehende Ordnung in der innerbetrieblichen Logistik und die geringe Geräuschkulisse bei der Transportdurchführung verbessern sich die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter. • Die festgelegten und eingeplanten Material- und Informationsflüsse steigern die Transparenz und die damit verbundene Produktivität der Transportrelationen. • Der Warenstrom ist für Ablaufplanungen besser kalkulierbar und führt damit zu einer pünktlichen Belieferung innerhalb des Unternehmens und zu einer zeitpunktgenauen Versandbestimmung. • Warenbestände und Zwischenlager mit sogenannten „Angstvorräten“ werden minimiert. • Der Personaleinsatz im Materialtransport wird verringert. Die dadurch entstehenden Kostensenkungen wirken sich vor allem beim Einsatz im Mehrschichtenbetrieb aus. • Aufgrund der vorausschauend eingesetzten Sicherheitseinrichtung können Transportschäden, die durch das Transportmittel verursacht werden, ausgeschlossen werden. Dieser Aspekt bedeutet mehr Sicherheit für die Mitarbeiter und mindert sowohl deren Ausfallwahrscheinlichkeit, als auch die des Transportmittels. • Fehllieferungen von Material im Unternehmen sowie die dabei entstehenden Folgekosten können vermieden werden. • Das Transportsystem zeichnet sich durch seine Verfügbarkeit über 24 Stunden, inkl. eines Batteriewechsels, aus und arbeitet in dieser Zeit mit einer durchgehenden Transportleistung effizient und zuverlässig. • Im Vergleich zur Fördertechnik (FT) werden keine Strecken verbaut bzw. blockiert und der Änderungsaufwand ist sehr viel geringer (Zeit und Kosten). Dezentrale Steuerungsintelligenz können heute sowohl FTS als auch FT aufweisen. Bereits 1996 wurde die Voith AG in München, unter anderem aufgrund des sehr umfassenden FTS-Einsatzes in der Produktion als Firma des Jahres ausgezeichnet. Das FTS konnte sich in der breiten Masse der Logistikanwendungen dennoch nicht durchsetzen und war in den letzten Jahren eher rückläufig. Verantwortlich hierfür sind folgende Nachteile bzw. Probleme mit dieser Technologie: • • • • •
Investitionsaufwand und Amortisation müssen gegeben sein Wartungsanfällige Technik mit kontinuierlichem Pflegeaufwand Batterieladezeiten bei einer für 3- bis Mehrschicht geeigneten Technologie Probleme mit unebenen oder schlechten Fahrstraßen Störungen und Ausfallzeiten insgesamt hoch, wenn auch großteils wegen Stillstandzeiten aufgrund von Bagatellkollisionen oder von Menschen verursachtem Fehlverhalten • Reale Dynamik der sich verändernden Materialströme ist viel größer als oftmals vermutet oder geplant; dadurch waren die früher üblichen Induktionsstreifen-Systeme im Boden für Änderungen viel zu aufwändig. Neue Steuerungsansätze sind mit einem im Vergleich minimalen Aufwand behaftet. • Sehr geringe Geschwindigkeit im Vergleich zur FT
351
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen Tab. 3.2 Vergleich von Materialflusstechniken [Ullr 11] Kriterium Stapler FTS Aufgabenflexibilität Layoutflexibilität Kontinuierliche Leistung Spitzenleistung Verbauter Raum Deckenbelastung Personensicherheit Ordnung und Verlässlichkeit Rund-um-die-Uhr-Betrieb Bewertung durch Schulnotensystem [1 = sehr gut; 5 = mangelhaft]
1 1 2 1 1 1 4 4 4 2,1
2 1 2 3 1 1 1 1 1 1,4
FT
EHB
4 4 1 2 5 2 2 1 1 2,4
3 4 2 3 4 5 2 1 1 2,8
Eignungsmatrix verschiedener Fördertechnikansätze In Tab. 3.2 erkennt man die eigentliche Effizienz des FTS bei einer Gegenüberstellung von verschiedenen fördertechnischen Lösungen (FT, Elektrohängebahn (EHB)) aus der innerbetrieblichen Logistik.
3.8.3 Projektablauf einer FTS-Einführung Bedarfsermittlung Um die Vorteile des FTS ausschöpfen und logistisch, technisch und wirtschaftlich vollständig nutzen zu können, ist eine genaue logistische Analyse und Bedarfsermittlung für ein Integrationsprojekt unabdingbar. Weiterhin muss individuell geklärt werden, welche technische Machbarkeit und Konzeption des FTS in das jeweilige Unternehmen passt und in welchen einzelnen Materialflussschleifen und Transportrelationen im Betrieb der bestmöglichste Einsatzort für das FTS in der Logistikkette liegt. Letztendlich sollte man vor einer Projektrealisierung neben den logistischen und technischen Anforderungen die Rentabilität und Wirtschaftlichkeit überprüfen. Ist eine Investition in eine automatisierte Transporttechnik sinnvoll und wie trägt diese zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens bei? Im Folgenden wird detaillierter auf die einzelnen Planungsschritte eingegangen und deren Bedeutung erläutert. Materialflussanalyse und -optimierung mit Ermittlung des Amortisationspotenzials Zu Beginn der Planung ist es wichtig, den bestehenden Materialfluss im Hinblick auf Menge, Häufigkeit und Ablauf der Logistikkette in einem Unternehmen zu analysieren. Für diesen Vorgang empfiehlt sich eine Materialflussanalyse, welche die einzelnen Produktionsstufen in einem Herstellungsprozess visualisiert und alle Materialbewegungen analysiert und vom externen Materialfluss abgrenzt (vgl. Kap. 3.11 Materialflussanalyse, Abb. 3.38). Primäre Einflussgröße für den Materialfluss in einem Unternehmen ist die Fertigung und die darin verarbeiteten Produkte. Zwischenprodukte und Halbzeuge, die in
352
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P. Dickmann et al.
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Abb. 3.38 Materialfluss im Herstellungsprozess [Kitt 11]
das Fertigprodukt einfließen, werden von ihrem jeweiligen Entstehungsort in der Montage transportiert und dort zusammengefügt. Hier muss neben der Definition von Quelle und Senke einer jeweiligen Transportrelation die Häufigkeit über einen definierten Zeitraum untersucht werden (Abb. 3.39). Weitere Einflussfaktoren wie die Produktanzahl, die Art der Verpackung, das zur Verfügung stehende Transportmittel und die am Transport beteiligten Werker sind zu erfassen. Nur durch eine genaue Auswertung dieser Daten lässt sich aufzeigen, welcher Materialstrom in der Produktion mit einer gleichmäßig hohen und regelmäßigen Relation ausgelastet ist und sich für eine Automatisierung mittels eines FTS eignet. Neben der Häufigkeit und dem Transportvolumen ist es sehr hilfreich, die Strecke bei der Materialstromanalyse zu berücksichtigen. Je unkomplizierter die Strecke und die anzusteuernden Punkte, desto günstiger und stabiler ist eine FTS-Umsetzung erreichbar. Amortisationspotenzial ermitteln Um eine Wertigkeit der analysierten Daten und der bestehenden Warentransporte aufzuzeigen, ist die Ermittlung der Transportkosten notwendig. So kann man Fixkosten auf der Grundlage der bestehenden Transportmittel und variable Kosten in Bezug auf die evaluierten Transportmengen betrachten und erörtern. Da heute der Personalaufwand für manuell betriebene Flurförderfahrzeuge sehr hoch ist, kann man anhand der Materialflussanalyse feststellen, dass alleine ca. 90 % hiervon nur Personalkosten sind, welche bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für den Einsatz eines FTS sprechen. Auswahl des passenden Equipments Nach der Ermittlung des optimalen Einsatzortes des FTS ist die Auswahl des richtigen Equipments entscheidend für die maximale Potenzialauslastung und für die Integration in
353
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen dŽƚĂů͕ǀŽŶ>ĂĐŬŝĞƌďĞƌĞŝĐŚ ŶĂĐŚDŽŶƚĂŐĞďĞƌĞŝĐŚ͕ϵϵ͕ ϳй dŽƚĂů͕ǀŽŶ>ĂĐŬŝĞƌďĞƌĞŝĐŚ ŶĂĐŚtͬ,Z>ͬ^WD͕Ϯϱ͕ Ϯй dŽƚĂů͕ǀŽŶ>ĂĐŬŝĞƌďĞƌĞŝĐŚ ŶĂĐŚsĞƌƐĂŶĚƐĐŚůĞƵƐĞ͕Ϯϳ͕ Ϯй dŽƚĂů͕ǀŽŶ <ƵŶƐƚƐƚŽĪĞƌĞŝĐŚŶĂĐŚt ͬ,Z>ͬ^WD͕ϲϲ͕ϰй dŽƚĂů͕ǀŽŶ <ƵŶƐƚƐƚŽĪĞƌĞŝĐŚŶĂĐŚ sĞƌƐĂŶĚďĞƌĞŝĐŚ͕ϲϬ͕ϰй
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Abb. 3.39 Prozentuale Transportverteilung (Volumen) pro Tag [Kitt 11]
die betriebsinterne Logistik. Hierbei müssen Rahmenbedingungen bezüglich des Systems festgelegt werden. . Bauart des Förderfahrzeugs 1 Diese Rahmenbedingungen beziehen sich zum einen auf die Bauart des FTS und zum anderen auf die Lastaufnahmemöglichkeit des Transportfahrzeuges, die durch die Auswahl des Transporthilfsmittels beeinflusst werden. Bei Letzterer wird zwischen einer passiven Lastaufnahme durch eine Lastübergabestation und einer aktiven Lastaufnahme durch das FTF, wie beispielsweise die Aufnahme einer Palette, unterschieden. Bei der Aufnahme einer Palette durch eine passive Lastübergabe ist dies, sofern nicht schon vorhanden, nur durch eine kostenintensive Zusatz- und Übergabeeinrichtung realisierbar. Bei einer aktiven Lastaufnahme hingegen ist das FTF (ebenso wie ein manuell geführter Gabelstapler) in der Lage das Transportmittel (eine Palette) selbstständig aufzunehmen und abzusetzen. Man unterscheidet zwischen speziell konstruierten Transportfahrzeugen und automatisierten Standardgeräten mit Gabelhub. Der Unterschied liegt in der Bedienerschnittstelle und in den Kosten des Fahrzeuges selbst. Das automatisierte Seriengerät hat den Vorteil, dass es durch eine vordefinierte manuelle Mensch-Maschine-Schnittstelle auch im Ausfall der Automatisierung bedienbar bleibt und somit keine Transportwege blockiert. Neben dem Kostenfaktor, der durch die größere Stückzahl auch für das Seriengerät spricht, sind Service- und Ersatzteilhaltung nicht anders als bei manuellen Flurförderfahrzeugen zu hand-
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haben und können durch geschultes Eigenpersonal instand gehalten werden. Es gibt noch weitere Bauarten der FTF, die jedoch nur in speziellen Anwendungsgebieten und nicht in der Produktion eingesetzt werden. Deshalb wird an dieser Stelle auf diese Sonder-FTF nicht näher eingegangen [Ullr 09]. 2. Navigationseinrichtung Ein weiterer Differenzierungspunkt für die Auswahl des richtigen Systems ist die Navigationseinrichtung des FTS. Sowohl die Infrastruktur als auch die Flexibilität des Systems spielen eine wichtige Rolle. Nachdem früher FTF durch eine physische Leitspur im Boden navigiert wurden und damit ein größerer Eingriff in die Infrastruktur durch das Auffräsen des Hallenbodens oder das Auftragen eines Farbkontrastes notwendig war, werden heutzutage FTF mithilfe von virtuellen Leitspuren mittels Laser, Magneten und Kamera dirigiert. Virtuelle Leitlinien unterscheiden sich von physischen Leitlinien darin, dass der Fahrweg in der Fahrzeugsteuerung virtuell hinterlegt ist und das FTF sich nur anhand von physischen Referenzmarkierungen wie Spiegel (Lasernavigation) oder Magneten (Koppelnavigation) orientiert. Diese punktuell positionierten Markierungen haben den weiteren Vorteil, dass sich die Transportwege durch das Setzen von neuen Markierungen und die Anpassung der Leitsteuerung einfach verändern oder verlegen lassen, was bei der physischen Navigation nur durch vermehrten baulichen Aufwand bewerkstelligt werden kann. 3. Leitsteuerung Die Leitsteuerung ist das „Gehirn“ des FTS und koordiniert als Schlüsselrolle den Materialfluss. Sie besteht aus Hard- und Software und steuert die FTF, die in das System integriert ist und leitet sie in ihrer Umgebung. Weiterhin nimmt sie die manuell eingepflegten Transportaufträge oder die durch ein übergeordnetes System, wie zur Produktionsplanung (ERP z. B. SAP) oder Lagerverwaltungssysteme (LVS) entgegen und bietet den Bedienern vielfältige Servicemöglichkeiten. Die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und der Leitsteuerung erfolgt mittels WLAN. Jede Fahrt wird protokolliert. Individuelle Statistiken zu den Transporten und eintretende Störmeldungen können an das Personal weitergegeben werden. 4. Sicherheitseinrichtungen Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Sicherheitseinrichtungen eines jeden FTS. Im Leitsystem müssen besonders sicherheitskritische Bereiche hinterlegt werden. Hierzu zählen neben den einzelnen Materialübergabestationen auch die Bereiche, in denen das FTF mit Mitarbeitern oder anderem Werksverkehr in Kontakt kommen könnte. Zu einer Rundumleuchte sowie der Geschwindigkeitsdrosselung auf 10 km/h müssen zudem aktive Sicherheitseinrichtungen vorhanden sein, die Mensch, Material und Maschine vor Kollisionen schützen. Neben den rechtlich vorgeschriebenen Maßnahmen hat jeder Systemanbieter differenzierende Möglichkeiten im Repertoire, um sein System abzusichern.
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3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
Entscheidungsfindung zu einem individuell optimalen FTS-Einsatz durch Kennzahlen Parallel zur technischen Bedarfsanalyse ist es sinnvoll, vor der Festlegung eines Systempartners eine detaillierte Marktanalyse der FTS-Anbieter durchzuführen. Hierbei ist darauf zu achten, welche und wie viele Erfahrungen bzw. Referenzen der einzelne Anbieter bereits bei der Umsetzung in konkreten Projekten gesammelt hat. Bei Fragen unterstützt das „Forum FTS“, das sich aus Anbietern, Beratern sowie FTS-Nutzern zusammensetzt. Es basiert auf der langjährigen Kernkompetenz seiner Gründer, alles FTS-Hersteller des VDI Fachausschusses „Fahrerlose Transportsysteme (FTS)“, bestehend seit 1990. Bevor man sich auf einen FTS-Anbieter festlegt, sollte man die einzelnen Handlungsalternativen mittels einer Nutzwertanalyse vergleichen und anhand individuell gewichteter und nachvollziehbarer Kriterien bewerten und analysieren. Dabei filtert die Nutzwertanalyse aus den einzelnen Alternativen das Angebot heraus, welches nach den zuvor festgelegten Kriterien den größten Mehrwert für den Anwender mit sich bringt. In Tab. 3.3 werden die Ermittlung der Zielerfüllungsgrade und der Nutzwerte von drei Anbietern anhand ihrer einzelnen Systeme aufgezeigt. Tab. 3.3 Ermittlung der Zielerfüllungsgrade und der Nutzwerte von einzelnen Systemen [Kitt 11] Erfüllung Nutzen Bewertungskriterien C A B C Gewichtung (%) A B Anschaffungskosten Dienstleistungskosten Automatisierungskosten Wartungs- und Servicekosten Serviceleistungen Reaktionszeit des Kundendienstes Personalschulung Erfahrung mit dem Hersteller Angebotsbetreuung Erweiterbarkeit des Systems Installationszeit des Systems Anlagenverfügbarkeit Transportkapazität Sicherheitsaspekt Flexibilität Durchlaufzeit Fehltransporte Verkehrsregelung Energieversorgungskonzept Σ
8.77 4.39 4.39 8.77 8.77 8.77
1 1 1 1 3 3
2 1 2 2 3 3
3 3 2 2 3 3
0.0877 0.0439 0.0439 0.0877 0.2632 0.2632
0.1754 0.0439 0.0877 0.1754 0.2632 0.2632
0.2632 0.1316 0.0877 0.1754 0.2632 0.2632
4.39 0.88 0.88 4.39 4.39 8.77 0.88 8.77 4.39 4.39 8.77 4.39 0.88 100.00
3 1 2 3 2 3 3 3 3 3 3 3 3 45
3 3 1 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 50
3 1 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 53
0.1316 0.0088 0.0175 0.1316 0.0877 0.2632 0.0263 0.2632 0.1316 0.1316 0.2632 0.1316 2.2895 4.6667
0.1316 0.0263 0.0088 0.1316 0.1316 0.2632 0.0263 0.2632 0.1316 0.1316 0.2632 0.1316 2.6491 5.2982
0.1316 0.0088 0.0263 0.1316 0.1316 0.2632 0.0263 0.2632 0.1316 0.1316 0.2632 0.1316 2.8246 5.6491
356
P. Dickmann et al.
Nach der Nutzwertanalyse sollten die einzelnen Angebote mittels einer Kapitalwertmethode genauer untersucht werden. Die Begutachtung aller verbundenen, getätigten Einund Auszahlungen ermöglicht es, die einzelnen Investitionsmöglichkeiten mittels einer dynamischen Rechnung über die entsprechende Nutzungsdauer genauestens zu analysieren. Der Kapitalwert gibt an, welche Investition den größten finanziellen Mehrwert bietet und errechnet sich nach folgender Formel [Pütz 10]: C 0 = − A0 +
( E1 − A1 − Steuern) 1
(1 + i )
+
( E2 − A2 − Steuern) (1 + i )
2
+
( ET − AT − Steuern) (1 + i )T
+ RBW
Dabei gilt: A0 = Anfangsinvestition ET = Einzahlung pro Nutzungsperiode A T = Auszahlung pro Nutzungsperiode i = komb. Kalkulationszinssatz T = Nutzungsperiode RBW = Restbuchwert Als Ergebnis zeigen sich drei Aussagemöglichkeiten: Ist der Kapitalwert kleiner 0, sollte die Investition nicht durchgeführt werden, beträgt er genau 0, entsteht bei der Investition kein Gewinn, aber auch kein Verlust. Lediglich wenn der Kapitalwert größer 0 ist, wird deutlich, dass die getätigte Investition nach Zinsen und Steuern einen Gewinn erwirtschaftet. Des Weiteren gilt, je höher der Kapitalwert, desto besser die Investition. Nach Berechnung des Nutzwertes und des Kapitalwertes ist es für das Projekt sinnvoll, eine Wirtschaftlichkeitsrechnung durchzuführen. Es wird aufgezeigt, dass durch die Integration des FTS ein Wertzuwachs für das Unternehmen zu verzeichnen ist. Hierfür gibt es die Methode des Maximum- und des Minimum-Prinzips. Beim Maximum-Prinzip wird mit den vorhandenen Ressourcen eine hohe Wirtschaftlichkeit, bzw. ein maximaler Ertrag zu erwirtschaften versucht. Beim Minimum-Prinzip wird in einer vorgegebenen Zeit die Realisierung einer Transportrelation mittels FTS (Investition) erreicht. Die Investition sollte dabei so gering wie möglich gehalten werden, um die Wirtschaftlichkeit dieses Transportes zu steigern. Der Faktor der Wirtschaftlichkeit errechnet sich anhand folgender Formel [Däum 07]: Wirtschaftlichkeit =
Ertrag * 100 Aufwand
Zusammenfassung Fasst man nun alle Aspekte zusammen, kann man durch die Materialflussanalyse den logistisch sinnvollsten Einsatzort und das individuelle FTS wählen. Die Nutzwertanalyse kann den größten technischen Mehrwert und durch die Kapitalwert- und Wirtschaftlich-
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3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
keitsrechnung den wirtschaftlichen Mehrwert für das Unternehmen aufzeigen. Ein letzter wichtiger Faktor für die Integration von automatisierten Technologien in das Unternehmen ist und bleibt die Akzeptanz der Mitarbeiter, die später Hand in Hand mit dem FTS arbeiten und maßgeblichen Anteil an dessen Produktivität haben.
3.9 Materialtransporte – Taxi versus Train Philipp Dickmann Materialtransporte sind ein erschlossenes Wissenschaftsfeld im Bereich der Fördertechnik mit vielen Standards und Logiken. Der Fokus liegt auf Automation und Strecken- bzw. Pickoptimierung. Lean ergänzt hierzu neue Fokusthemen, wobei dabei die Thematik Train und Kanban in das Zentrum des Interesses rücken. In diesem Beitrag wird eine Übersicht über die wichtigsten Methoden in diesem Umfeld vermittelt. Darüber hinaus wird auf gängige Fehler hingewiesen und die Notwendigkeit aufgezeigt, dass wesentlich umfassender und differenzierter in Richtung eines ganzheitlichen schlanken Materialflusses gearbeitet werden muss.
3.9.1 Taxi-Versorgung Hierbei handelt es sich um Versorgung von Gebinden in den Produktionsbereich. Der Bereitsteller (= Waterspider) sorgt am Arbeitsplatz für Materialnachschub. Man spricht von bedarfsgesteuerter Versorgung (Abb. 3.40).
7$;,
0DWHULDO DXVJDEH
7$;,
Abb. 3.40 Auftragsbezogene Kommissionierung und eventgesteuerte Bereitstellung: Wenn der Kunde ruft, wird geliefert, was der Kunde braucht (Taxiversorgung)
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P. Dickmann et al.
Typische Merkmale: • • • •
Vermehrt Engpässe, da gleichzeitig Bedarf auf „Zuruf“ Häufigere Materialabrisse, da bedarfsorientierte Steuerung Gravierend mehr Strecke Erheblich schlechtere Auslastung der Fahrten
3.9.2 Zugsysteme (Milchwagen, Milkrun-, Bus-, TrainKonzept, Shuttlesysteme) für Nachschub-Kanban oder Auftragskommissionierung Dies ist die klassische, verschwendungsärmere Alternative im TPS (Abb. 3.41). Optimierungen sind erreichbar durch: • • • • • • •
Befüllintervall (Häufigkeit der Befüllung) Kommissionieraufwand (weniger Verschwendung durch Transport) Gesamtlagerfläche Platzbedarf Logistikequipment Anzahl Fehlbuchungen Höhere Versorgungssicherheit
0DWHULDO DXVJDEH
+
+ +
+
+
+
Abb. 3.41 Die Routen werden zyklisch von einem Zugfahrer abgefahren und Materialien der Reihe nach verteilt (Zugversorgung)
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
359
Nötige Maßnahmen: • • • • • • •
Höherer Planungsaufwand Deutlich andere Abläufe in der operativen Arbeit Aufwand für Störungsreduzierung Eventuell veränderte Routen Veränderung von Transportmitteln Aufwand bei Schwund Aufwand bei Änderung der Auftragsreihenfolge
Eine große Hürde bei der Umsetzung ist die häufig falsch verstandene Lean-Orientierung an geringen Losgrößen bzw. Bereitstellmengen. Lean zielt nicht darauf ab, dass im Kundenlager möglichst wenig Bestand steht (etwa typische Slogans: Reichweite 20 Minuten in der Produktion) sondern, dass • möglichst nur ein Lager existiert, • an einem Lager der gesamte Bestand steht, • das Material nur einmal in die Hand genommen werden muss. Die Reichweiten am Versorgungsort müssen inkl. Puffer groß genug sein, damit bei Verzögerungen die Versorgung sichergestellt ist. Die Faustregel für die Einführung lautet: Doppelte Reichweite wie das Zugintervall. Da das Zugsystem allein selten sinnvoll ist, wird es überwiegend mit Kanban und bedarfsgesteuerten Transporten kombiniert umgesetzt. Wesentlich sind ein geglätteter Bedarf sowie eine Streckenführung, die mit klaren Routen und Bahnhofstrukturen abgedeckt wird. In der Regel ist es zumindest zu Beginn einer Umstrukturierung selten abbildbar, durchgängig mit nur einem Zugtyp auszukommen. Meist werden verschiedene Gebindetypen und KanbanKreise mit unterschiedlichen Zügen und Zugstrecken in verschiedenen Routen abgefahren. Das System ist sowohl für den innerbetrieblichen Transport, als auch für externe Transporte (Speditionslogistik) und Routensysteme sinnvoll. In beiden Fällen ist dies in der Automobilindustrie gängige Praxis. Nahezu jeder Automobilist hat heute eigene Zugsysteme (Shuttle-/Train-Systeme). Damit wird routen- und ladungsoptimierte Materialversorgung sowohl in der internen als auch in der externen Logistik erreicht. Intern werden die Systeme sinnvollerweise mit Supermärkten mit konstanter Reihenfolge (First-in-first-out (FIFO)) bzw. Gebinden mit in Auftragsreihenfolge gemischten Teilen (JIS) kombiniert (Abb. 3.42). Bei externen Belieferungen (bei denen mit modernen Transportsystemen ganze Züge auf einmal entleert werden) ist die Umkehrung der Beladungsreihenfolge (First-in-last-out-Logiken (FILO)) zu beachten. Der Fensterbauer Internorm versorgt, unterstützt durch ein hochkarätiges RFID-System, im Werksverbund automatisch avisiert und gebucht sein Produktionsnetz mit FILO (Abb. 3.43).
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Abb. 3.42 Beidseitig beladbarer Zuganhänger. Der Anhänger ist als konventionelle Materialbereitstellung, mit Röllchen oder auch, wie im Bild sichtbar, für den Austausch von Rüst- oder Wechselregalen geeignet. (Quelle: BeeWaTec GmbH)
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Abb. 3.43 First-in-last-out-Logiken (FILO) bedeutet vor allem bei Auftragsreihenfolgen oder sequenzierter Belieferung eine Umkehrung der Belieferung
3.9.3 Direktbereitstellung (Ship-to-line) In Unternehmen ist es üblich, vielfältige Lagerstufen abzubilden. Im Toyota- oder NissanProduktionssystem ist es hingegen das Ziel, möglichst Ship-to-line zu versorgen (Abb. 3.44).
361
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
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Abb. 3.44 Direktbereitstellung (Ship-to-line) reduziert Zwischenhandling sowie potenzielle Störungen der Versorgung und ist der „Königsweg“ von Lean. Es sind viele Veränderungen der Rahmenbedingungen nötig, z. B. Flächen, Strecken, Lagersystem, Belieferungskonzept, Verpackungen
In der ersten Phase von Lean wird neben einem klaren Trennen zwischen Produktionsund Logistikprozessen (= Schwestern-Patient-System) und der Reduzierung der Reichweiten am Arbeitsplatz versucht, die Logistikabläufe in der Produktion zu optimieren. Durch diesen ersten Schritt wird eine kleine Verbesserung für den Produktionsprozess erreicht. Diese Fehlinterpretation der Lean-Ziele der ersten Phase führt zu einer Verschlechterung der Logistikabläufe, einem unverhältnismäßigen Ansteigen des Logistikaufwands und einer Erhöhung der Komplexität. In vielen Großunternehmen wie der Automobilindustrie wird versucht, dieses Manko durch Logistik-Outsourcing an Dienstleister oder Lieferanten zu kompensieren. Eine lieferantengesteuerte Lieferkette (Vendore-ManagedInventory (VMI), vgl. Kap. 4.1.4 Operative Supply Chain Steuerung und Dispositionskonzepte) führt zu einer geringfügigen Verbesserung. Eine echte Optimierung, wie sie in der japanischen Automobilindustrie weitgehend umgesetzt wurde, kann nur durch flächendeckende Direktbereitstellung erreicht werden (Abb. 3.45). Die Dringlichkeit von Direktbereitstellung wird bei der Einführung von Kanban oder in Auftragsreihenfolge gemischten Materiallieferungen (Sequenz) deutlich. Direktbereitstellung wird vornehmlich bei C-Teilen verwendet, da mit großzügigeren Lagerreichweiten gearbeitet werden kann. Bei Belieferung durch Lieferanten mit Ship-to-line ist eine hohe Lieferzuverlässigkeit, hohe Qualitätssicherheit und professionelle Steuerungskompetenz erforderlich. Daher ist selbst bei C-Teilen der „Königsweg von Lean“ nur gelegentlich zu finden. Auch bei Nissan oder Toyota waren Jahrzehnte der Umsetzungsarbeit nötig, um dieses Prinzip flächendeckend auszubauen. In der Regel sind ganzheitliche Restruk-
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P. Dickmann et al.
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Abb. 3.45 Mehrstufige Lagerprozesse: Gewachsener Materialfluss mit bis zu vier und mehr Lagerund Handlingsstufen. Outsourcing kann dies nur „beschönen“, aber die Optimierung des Logistikablaufs nicht ersetzen. Die Reduzierung der Reichweiten in der Produktion, ohne die Gesamtprozesse zu optimieren, führen zu einer Kostensteigerung und Reduzierung der Flexibilität
turierungen des gesamten Materialflusses (Schlanker Materialfluss) nötig. Dies setzt ein hohes interdisziplinäres Verständnis voraus und ist damit bei komplexen Unternehmensprozessen (etwa in Weltkonzernen) nur mit sehr viel Erfahrung und Durchhaltevermögen zu erreichen.
3.9.4 Zugsysteme versus Null-Produktionslager-Konzepte Bei Lean-Umsetzungen wird vielfach das Gebot der kleinen Losgrößen (im Extremfall Losgröße „1“, also One-piece-flow) nicht nur auf die Produktion, sondern auch auf das Bereitstellvolumen und die Transporte angewandt. Kleine Losgrößen sind ein wichtiges Ziel. Jedoch müssen zuerst viele andere Anforderungen (vgl. Kap. 3.3 Schlanker Materialfluss mit Kanban) geändert werden, bevor dies sinnvoll realisierbar ist. Bei hohen Umschlagmengen führt die Reduzierung der Bereitstellmengen am Verbrauchsort zu sehr hohem Logistikaufwand, d. h. nach Lean-Nomenklatur zu hoher Verschwendung. Generell ist nach dem theoretischen Lean-Prinzip (das in diesem Fall aus der Wertschöpfungsmethode entliehen ist) jeder Transport (also die gesamte Logistik) Verschwendung und sollte im Idealfall eliminiert werden. Daraus leitet sich das Lean-Ziel der Direktbereitstellung (Ship-to-line) ab, das im Gegensatz zu diesem Vorgehen steht.
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
363
3.9.5 Praxis der Materialbereitstellung Tatsächlich ist Direktbereitstellung in vielen praktischen Anwendungen nicht umsetzbar. Damit bestimmen mehr oder weniger effiziente Kompromisse die Praxis. Entscheidende Faktoren für eine effiziente Materialbereitstellung: 1. Minimierung der Anzahl der Zwischenläger, die in der Größe, den Störparametern und der nötigen Flexibilität angepasst sind. 2. Störparameter müssen umfassend reduziert werden. 3. Eine wichtige Voraussetzung für schlanken Materialfluss im Transport sind kleine wirtschaftliche Losgrößen, d. h. kleine Lose, die durch Minimierung der Rüstaufwände erreicht werden. Kleinteiliges Kommissionieren ist die „B-Lösung“. 4. Das übergeordnete Ziel ist der störungsfreie Produktionsprozess und die Minimierung der Logistikabläufe, nicht die Reduzierung der Logistikfläche in der Produktion. Daher sollte nicht beim Endverbraucher Platz gespart werden, da das zu mehrfachem Doppelhandling führt. Dies alles sind wesentliche Einflussgrößen, mit denen der Wettbewerbsvorteil durch Lean erreicht wird. Um dies abbilden zu können stellen • Puffer über Behälterlogiken ( Kanban), • Zeitpuffer in der Auftragskommissionierung und • Zugkonzepte (Trains) zur Versorgung die klassische Lean-Umsetzung dar, um die Verschwendung in den Transporten zu reduzieren. Um eine umfassend schlanke Materialkette wie bei Toyota oder Nissan zu erreichen, sind unzählige, oft trivial klingende interdisziplinäre Details wie • • • • • • • • • • • • •
Supermärkte, Direktbereitstellung, Verpackungslogiken, stabile Produktionsplanung, geeignete Lagerplätze, konsequente Reichweitendimensionierung, stabile, gegebenenfalls hybride Kanban-Abläufe, optimiertes Logistikhandling, klare Teamstruktur, Arbeitsteiligkeit Waterspider & Train, Kapazitätsplanung der Logistik, klare Transportrouten, optimierte Mikroelemente der Logistik (vgl. Kap. 1.26 Makro- und Mikrosysteme der Logistik),
364
P. Dickmann et al.
• stabile Zeitpläne, • Standards, Reporting, Assessment und Audit der Prozesse nötig um ein Optimum zu erreichen (vgl. Kap. 3.3 Anforderung an einen „Schlanken Materialfluss“). Bei kaum einem anderen Unternehmen weltweit sind vergleichbare Materialströme zu finden.
Aus der Praxis
3.9.6 Transportzüge und Trains Fritz Leinsle, Christian Frey Die GROB-Werke in Mindelheim sind ein weltweit führender Hersteller von Bearbeitungsmaschinen. GROB bietet hierfür komplette Systemlösungen in Form von individualisierten Fertigungsanlagen an. Diese Anlagen bestehen vorwiegend aus modular aufgebauten Bearbeitungszentren und Sondermaschinen, die mit modernsten Automatisierungslösungen miteinander verkettet sind. Sehr kleine Losgrößen, ein hoher Produktmix und dabei extrem große Variantenvielfalt prägen die logistischen Herausforderungen. Standard-Logistiklösungen aus der Automobilindustrie sind unpassend und damit ineffizient. Für die individuellen Materialflüsse und Layoutbedingungen mussten angepasste Transportabläufe entwickelt werden. Transporte im Außenbereich sind nicht optimal, in manchen Fällen aber leider nicht zu vermeiden (Abb. 3.46, 3.48). Trains werden nicht nur in der Produktion vom und zum Supermarkt verwendet, sondern auch auf nicht immer überdachten Strecken. Durchsichtige Folienabdeckungen bilden einen guten, effizient nutzbaren Schutz, erlauben aber dennoch, etwa verrutsche Ladung oder Materialien zu erkennen. Zur einfachen Lenkung befinden sich klappbare Griffe an den Wagen. Mit den Trains wird von Kleingebinden, wie etwa C-Teilen über größere Teile in Standard-Kleinladungsträgern (KLT) bis hin zu großen, sehr schweren Gebinden transportiert. Für schwerere Ladungen werden speziell verstärkte Anhänger verwendet. Zudem werden damit komplette Paletten mit bereitgestellten Teilen auf Stellplätzen versorgt (Abb. 3.47). Zur Gewährleistung der Spurtreue bei Kurvenfahrten und zur Vermeidung einer Gefährdung von Personen, die einen kürzeren Zug erwartet hätten, ist auf eine nicht zu hohe Fahrgeschwindigkeit, saubere Auszeichnung der Wege und Kurven zu achten. Es sollten keine zu langen und zu hohen Züge eingesetzt werden. Das Zugende sollte sichtbar und die Sicht über die Ladung hinweg sollte gewährleistet sein. Um einen gleichmäßigen Fahrplan einhalten zu können, sind klare Volumen und im Layout kurze Wege als Ziel zu einem optimalen Materialfluss anzustreben.
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen Abb. 3.46 Train mit Abdeckplanen gegen Feuchtigkeit
Abb. 3.47 Paletten, beladen mit Einzelbehältern
Abb. 3.48 Train mit mehreren Wagen im Außenbereich
365
366
P. Dickmann et al.
Aus der Praxis
3.9.7 Routenzug und Supermarkt Benny Behr Der Volkswagen Konzern und seine Marken produzieren in 106 Fertigungsstätten weltweit ca. 310 verschiedene Modelle. Im Jahr 2013 wurden 9,73 Mio. Fahrzeuge hergestellt, das entspricht einem Produktionsvolumen von ca. 39.350 Fahrzeugen/Tag. Zu den Konzernmarken gehören Volkswagen PKW, Audi, Skoda, SEAT, Bentley, Lamborghini, Porsche, Bugatti, Volkswagen Nutzfahrzeuge, Scania und MAN. Der Anteil der Volkswagen PKW lag bei 5.932 Mio. Fahrzeugen im Jahr 2013. Für die Konzernlogistik bedeutet das in Zahlen [Volk 13]: • • • • •
ca. 4.500 Teile pro Fahrzeug 45 Mrd. Teile/Jahr 8.500 Lieferantenstandorte 106 Standorte weltweit 10.200 eingehende LKW täglich
Eine große Herausforderung der Logistik besteht in der Beherrschung der immer weiter steigenden Komplexität. Im Fokus steht derzeit die Optimierung der Warenströme in der Inbound- und Inhouse-Logistik. Inbound-Logistik betrifft die Materialströme vom Lieferanten ins Werk. Inhouse-Logistik berührt die Materialströme innerhalb des Werkes (Abb. 3.49).
Abb. 3.49 Material- und Informationsfluss in der durchlaufzeitorientierten Logistik im europäischen Umfeld
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
367
Für stabile logistische Prozesse erfolgt eine verdichtete Materialbereitstellung. Zum Einsatz kommen dabei in der Fertigung: • • • • • • • •
Bewährte Regaltechnik Einsatz von Bandlogistikern Pull-Prinzip ( Kanban) Sequenzierte Anlieferung Kleinladungsträger (KLT) ab Supermarkt mit synchronisiertem Behälterdurchsatz Behälterlose Bereitstellung von Großteilen Bandnahe Supermärkte Staplerfreie Bandversorgung und getakteter Routenverkehr (Abb. 3.50)
Die Umstellung auf KLT führt zur Senkung der Umlaufbestände und Reduzierung des Flächenbedarfes an den Linien. VW hat eine klare Train-Strategie und einen klaren Standard, der auf Stabilität und Zuverlässigkeit ausgelegt ist. Megatrailer als Routenzug zur Hallenversorgung Trains mit Megatrailer werden für die Hallenversorgung vom Logistikcenter oder anderen Werken verwendet (vgl. Kap. 1.3 Varianten von Just-in-time und Just-in-sequence). Die Megatrailer bilden den gesamten Kreis ab, da sie als kompletter Routenzug zur Verladung in die Halle und Entladung direkt vor der Halle dienen. Diese Megatrailer sind bei der VW AG in Bratislava und Wolfsburg im Einsatz. Sie sind stromversorgt und erlauben Beheizung. Die vollständige Trailerbreite und die Höhenanpassung gestatten eine effiziente Be- und Entladung (Abb. 3.51 und 3.52).
Abb. 3.50 Synchrone getaktete Materialbereitstellung
368
P. Dickmann et al.
Abb. 3.51 Megatrailer für komplette Routenzüge
Abb. 3.52 Entladung der Megatrailer mit Zugfahrzeug
JIS-Supermarkt In Verbaureihenfolge werden die Lieferantengestelle im Supermarkt bereitgestellt und von den Routenzügen in der Produktionshalle an den Verbrauchsort gebracht (Abb. 3.53). Routenzug mit Palettenwagen Die Routenzüge basieren auf Palettenwägen und sind für Großladungsträger (GLT) mit Rollbodentechnik (Abb. 3.54) für seitliche auch automatische Entladung geeignet. Vorteile dieser Technik: • • • • •
Bewährte Technik Niedriges Investitionsvolumen Hohe Nutzungsdauer Großes Volumen je Transport Reduziert das nötige Routenintervall und sorgt für Stabilität
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
369
Abb. 3.53 Supermarkt mit Wagen für JIS-Sequenzierung, Beispiel der VW Group RUS aus dem Fahrzeugwerk in Kaluga
Abb. 3.54 Routenzüge für Großladungsträger (GLT) mit Rollbodentechnik
• Reduziert Umladekosten (Handling-Kosten) • Langjährige Erfahrung, da etablierte Technik • Anhänger können mit FTS kombiniert werden (Abb. 3.55) Die internen Routenzüge erfüllen das Konzept der staplerfreien Montage und müssen folgende Aufgaben abdecken: • • • •
An allen Standorten sind FTS-Systeme im Einsatz Meist in Kombination mit Spezialbehältern und JIS-Warenkörben Automatische Entladung von Vollgut Aufnahme von Leergut aus den Regalsystemen (Abb. 3.56)
Das Neue Logistikkonzept optimiert die Anlieferung auf drei Arten, nämlich per Direktrelation, Milkrun und über das Transportnetzwerk: 1. Direktrelation: Material wird von einem Lieferanten direkt ins Werk geliefert. 2. Milkrun: Von mehreren Lieferanten wird Material abgeholt und dann zum Werk transportiert.
370
P. Dickmann et al.
Abb. 3.55 Wagen mit Witterungsschutz; wasser- und staubdichte Umhausung für Transport im Außenbereich
3. Crossdocks (vgl. Kap. 1.3 Varianten von JIT und JIS). • In Crossdocks werden die Materialien neu zusammengestellt • Umschlags- und Verteilerzentren • Maximale Verweildauer 24 h • Vorlauf: geschlossenes Netzwerk und Konzernbündelung • Versandabrufe erfolgen mit verbindlicher Abrufmenge einen Tag vor Abholung • Materialabholung erfolgt nach festem Fahrplan (Abb. 3.57)
D 5RXWHQGLUHNWYHUVRUJXQJ .DXIWHLO 8PIlQJH /2&
=:98PIlQJH +DOOH
3UHVVZHUN +DOOH
E 6KXWWOH 9HUVRUJXQJ .DXIWHLO 8PIlQJH /2&
=:98PIlQJH +DOOH
3UHVVZHUN +DOOH
F 5RXWHQYHUVRUJXQJDXV)OlFKH .DXIWHLO 8PIlQJH /2&
=:98PIlQJH +DOOH
.DXIWHLO 8PIlQJH /2&
3UHVVZHUN +DOOH
4XHOOHQPLWLQWHUQHU/DJHUDEZLFNOXQJ
9HUVRUJXQJVYDULDQWHQ
WHPS )OlFKHQDKH [[
6HQNH
Abb. 3.56 Übersicht der Konzepte; Varianten der Materialversorgung für Quelle-Senke Beziehungen im Karosseriebau
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
371
Aus der Praxis
3.9.8 Roller-Trains und FIFO-Lagersysteme auf Roller Jochen von Kamp Bei U-Shin in Erdweg werden seit 1965 Schließsysteme für die Automobilindustrie hergestellt. Jährlich werden in dem Werk 10 Mio. Stück Systeme im Mehrschichtbetrieb produziert. Von der Metallbearbeitung bis zum kompletten Montageprozess wird voll automatisiert das fertige Schließsystem erzeugt. Das Werk ist konsequent nach Lean-Strukturen aufgebaut. Mit diesem dynamischen Lagersystem (Abb. 3.57) wurde eine einfache Methode für das Lagermanagement (Store-Management) gefunden. Die Einzelteile werden in kleinen tragbaren Standard-KLT auf Rollern ebenerdig im Materiallager gelagert – immer am gleichen Ort, in der gleichen Menge, einfach bewegbar und kontrollierbar hinsichtlich Menge und Qualität. Die Roller werden über ein einfaches Boden-Schienensystem (geklebt) geführt mit Eingangs- und Ausgangs-Kennzeichnungen zur Einhaltung des Firstin-first-out (FIFO). Die Befüllung des Lagers erfolgt direkt vom Wareneingang. Angelieferte Paletten werden dazu auf Roller umgepackt und direkt in das Roller-Flach-Material-Lager gebracht (Abb. 3.58). Durch die standardisierte Organisation kann die • • • • • •
maximale Ladehöhe der Roller, Anzahl der Roller, KLT-Größe, feste Bahnzuordnung, Bahnlänge, etc.
vom Materialdisponenten direkt vor Ort einfach und grob kontrolliert werden. Ebenso kann der Bestand schnell mit dem MPS-System in SAP verglichen werden (vgl. Kap. 2.9
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tĂƌĞŶĞŝŶŐĂŶŐ >ŝĞĨĞƌĂŶƚ
ĂŚŶůćŶŐĞсĞƐƚĂŶĚ
Abb. 3.57 Prinzipskizze des dynamischen Lagersystems mit Rollern und Durchschub-Supermarkt
372
P. Dickmann et al.
Abb. 3.58 Flexibles, dynamisches Materiallager auf Roller-System. Regalsysteme wurden durch das Roller-Supermarktsystem ersetzt
Hybride Steuerung). Bei größeren Abweichungen kann über Fax direkt eine Nachbestellung aus dem Lager an den jeweiligen Lieferanten erfolgen. Mit dieser Art des „Visuellen Reordering“ wird ein schnelles flexibles Eingreifen gegenüber starren Bestellsystemen ermöglicht (Quick Response of Storage Control) (Abb. 3.59).
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Abb. 3.59 Quick Response of Storage Control – einfacher, schneller Ablauf für Krisenmanagement direkt durch Lagermitarbeiter
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
373
Abb. 3.60 Visuelles Reordering
Die Kontrollmöglichkeit wird durch Reichweitenvisualisierung im Durchschub einfach erreicht (Abb. 3.60). Umschlagshäufigkeit als Basis der Lagerplatzvergabe und –struktur (Abb. 3.61) Material „Pickup-Train“ – die Versorgung der Produktion erfolgt mit einem Kanban-System und einen Train im Stundentakt (Abb. 3.62 und 3.63). Abb. 3.61 Die Organisation des Lagers ist in A-, B-, C-Teile (mengenabhängig, wissenschaftlich korrekt HML) kombiniert mit Regalsystemen und Rollerbahnen aufgeteilt
374
P. Dickmann et al.
Abb. 3.62 Zu sehen ist der Train bei der Abholung aus den Gassen des Supermarkts
Abb. 3.63 Durch die Umschlagshäufigkeit ist für vergleichsweise kleinvolumige oder weniger häufige Bedarfe ein Röllchenregal sinnvoll. Auch dies wird mit dem Kanban-System gesteuert
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
375
Aus der Praxis
3.9.9 Praxisbeispiel Shooter Philipp Dickmann Bei Shooter-Systemen werden die Materialversorgungsregale etwa in einer Montage ohne aufwändiges Heben jedes einzelnen Behälters von einem Zug (Train) befüllt. Das Train-Regal wird nur an das zu befüllende bzw. von Leergut und Verpackungen zu entsorgende Regal angedockt. Über die Verbindung der Rollenbahnen laufen beide Vorgänge gleichzeitig über die Schwerkraft ab. Auf diese Weise wird beim Train-Nachschub Zeit und vor allem Aufwand gespart. Die Regaltechnik und die Train-Fahrzeugtechnik müssen jedoch angepasst und die Befüllung im Supermarkt muss exakt auf die Abladestelle abgestimmt sein (Abb. 3.64).
Abb. 3.64 Shooter-Regal – Beispiel einer FTS-Lösung. (Quelle: BeeWaTec GmbH)
376
P. Dickmann et al.
Aus der Praxis
3.9.10 Routenfahrplan eines Versorgungszugs (Shuttle) Andrea Gerlach Die Division Ultraviolett von Heraeus Noblelight ist der Spezialist für maßgeschneiderte UV-Lösungen. Die UV-Systeme, UV-LED Module und UV-Lampen sind exakt auf die Anlage und den Prozess abgestimmt. Damit werden industrielle Prozesse leistungsfähiger und effizienter. Dies spart Energie-, Wartungs- sowie Betriebskosten und steigert die Qualität. Im Produktionsbereich in Hanau werden Sonder- oder Kleinserien produziert, folglich ist er verhältnismäßig klein und wenig automatisiert. Da Lean-Methoden auch bei kleinen Produktionsbereichen genauso wirkungsvoll wie bei großen einsetzbar sind, kommen hier einige dieser Methoden erfolgreich zum Einsatz. Um den Logistikaufwand zu reduzieren, wurde ein Shuttlesystem mit einem klaren Fahrplan entwickelt, welches seit geraumer Zeit in Betrieb ist. Kanban und auftragsbezogenes Material wird zu festen Zeiten via Shuttle an die einzelnen Bereitstellungsplätze transportiert. Der Shuttlefahrer nimmt dort leere Kanban-Kästchen bzw. Kanban-Karten zur Auffüllung wieder mit ins Lager. Dort werden diese kommissioniert und mit dem nächsten Shuttle wieder an die Bereitstellungsplätze transportiert. Ebenso wird zu festen Zeiten Fertigware mit dem Shuttle abgeholt und ins Lager gebracht. Die Kanban-Mengen wurden den Shuttlezeiten angepasst, um Stillstände zu vermeiden (Abb. 3.65). Transparente Zeiten und Abläufe bilden für Mitarbeiter in Produktion und Logistik die Voraussetzung für funktionierende Abläufe. Zunächst muss jedoch eine sichere, von Störungen unabhängige Materialversorgung am Arbeitsplatz, sowie eine sinnvolle KanbanDimensionierung bzw. eine angemessene Größe der Bereitstellflächen erreicht werden. Ansonsten wird auch weiterhin der Nachschub nach Bedarf (Event) und nicht nach Verbrauch (Fahrplan) angestoßen.
377
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen 5RXWHQIDKUSODQ+HUDHXV1REOHOLJKW+DQDX 5RXWHPRUJHQV
0DWHULDOYHUVRUJXQJ
6WDWLRQHQ
± 8KU
237
3UIHQ 9HUSDFNHQ2370RQWDJH -XVWDJH237 9RUIHUWLJXQJ2375HLQLJXQJVDQODJH2374XDU]EHUHLFK237
± 8KU
893
)HUWLJXQJVOLQLH893
± 8KU
0+
0RQWDJH 9HUSDFNHQ0+0RGXO4XHWVFKHQ0+ 0RQWDJH0+
± 8KU
*ODVEOlVHUHL 9RUIHUWLJXQJ
/HXFKWURKUKHUVWHOOXQJ4XDU]EOlVHUHL(OHNWURGHQIHUWLJXQJ
± 8KU
$QODJHQEDX
0RQWDJH$QODJHQEDX
± 8KU
893')+6WRFN
9HUSDFNHQXQG/DVHU4XHWVFKHQ')+
6WUDKOHUDEKROXQJ LQNO8PEXFKXQJLQV)HUWLJWHLOHODJHU 8KU
± 8KU
2376WUDKOHU EHUHLWVWHOOXQJ $QODJHQEDX DQ/.:
± 8KU 0+
± 8KU
8KU
286WRFN
893 6WUDKOHUEHUHLW VWHOOXQJDQ/.:
ELV8KU *LWWHUER[HQ.LVWHQ DQ%HUHLWVWHOOXQJV SOlW]H]XUFNIDKUHQ
8KU
6SlWHVWHU%HGDUIVPHOGH]HLWSXQNWIU.DQEDQ.DUWHQ:DUHQEHJOHLWVFKHLQHOHHUH.lVWHQ 6WUDKOHUDEKROXQJ LQNO8PEXFKXQJLQV)HUWLJWHLOHODJHU 8KU 2376WUDKOHU EHUHLWVWHOOXQJ DQ/.:
± 8KU
± 8KU 0+
$QODJHQEDX
5RXWHQDFKPLWWDJV
± 8KU 286WRFN
8KU 893 6WUDKOHUEHUHLW VWHOOXQJDQ/.:
ELV8KU *LWWHUER[HQ.LVWHQ DQ%HUHLWVWHOOXQJV SOlW]H]XUFNIDKUHQ
0DWHULDOYHUVRUJXQJ
6WDWLRQHQ
± 8KU
237
3UIHQ 9HUSDFNHQ2370RQWDJH -XVWDJH237 9RUIHUWLJXQJ2375HLQLJXQJVDQODJH2374XDU]EHUHLFK237
± 8KU
893
)HUWLJXQJVOLQLH893
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0RQWDJH 9HUSDFNHQ0+0RGXO4XHWVFKHQ0+ 0RQWDJH0+
± 8KU
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± 8KU
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± 8KU
893')+6WRFN
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0OODEKROXQJ3DSLHU 3ODVWLN
/HXFKWURKUKHUVWHOOXQJ4XDU]EOlVHUHL(OHNWURGHQIHUWLJXQJ 0RQWDJH$QODJHQEDX 9HUSDFNHQXQG/DVHU4XHWVFKHQ')+
6SlWHVWHU%HGDUIV]HLWSXQNWIU.DQEDQ.DUWHQ:DUHQEHJOHLWVFKHLQHOHHUH.lVWHQ /HJHQGH
2372SWLNXQG$QDO\WLN3URGXNWLRQ 893893UR]HVVWHFKQLN
8KU
0+ 0HWDOOKDORJHQLG6WUDKOHUSURGXNWLRQ ')+ 6WUDKOHUSURGXNWLRQ'UXFNIDUEHQKlUWXQJ
Abb. 3.65 Routenfahrplan für den Shuttle. Ein stabiler Takt bzw. Fahrplan bei der Materialversorgung ist ein wichtiger Faktor für ein funktionierendes Versorgungssystem
378
P. Dickmann et al.
3.10 Materialstamm-, Materialfluss- und Wertstromanalysen Ralph Wannenwetsch Für die Durchführung von Materialstamm-, Materialfluss- und Wertstromanalysen gibt es sehr unterschiedliche Ansätze. Bei der klassischen Wertstromanalyse handelt es sich um eine sehr schnelle und einfache Methode, die Wertströme transparent darstellt, wesentliche Zusammenhänge zwischen Informationsfluss und Materialfluss analysiert und gegebenenfalls in Hinblick auf schlanke Produktionsprozesse Bestehendes verbessert. Dadurch wird eine grundsätzlich strategische Ausrichtung des produzierenden Unternehmens zu kürzeren Durchlaufzeiten und Orientierung am Kundenbedarf angestrebt. Grenzen bestehen bei dieser klassischen Wertstromanalyse in der Bewertung sehr variantenreicher Prozesse und in einer kontinuierlichen und semiautomatischen Anwendung. Detaillierte systemtechnische Auswertungen sind aufwendig in der Datenaufbereitung, auch die Anforderungen an die Qualität und Konsistenz der Systemdaten sind sehr hoch. Dafür können nach einer Festlegung der Schnittstellen und entsprechender Aufbereitung der Systemdaten kontinuierlich sehr detaillierte Ergebnisse erzeugt werden. Diese Ergebnisse können über geeignete Schnittstellen direkt in die unterstützenden Planungssysteme übernommen werden. Dadurch ist ein hoher Genauigkeits- und Detaillierungsgrad der Planungsergebnisse zu erwarten.
3.10.1 V ariantenentwicklung und Auswirkungen auf die Produktion Produzierende Unternehmen, von den Klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) bis hin zu internationalen Großkonzernen, sind aufgrund der Konkurrenz vieler verschiedener Produktionsstandorte in einer immer effizienter vernetzten Weltwirtschaft darauf angewiesen, ihre Wettbewerbsfähigkeit stetig zu verbessern. Am Standort Deutschland ist es durch die gegebenen wirtschaftlichen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen in fast allen Branchen sehr schwierig, über die Kostenführerschaft Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Aus diesem Grund stehen der Kunde und seine individuellen Bedürfnisse noch stärker als früher im Mittelpunkt des unternehmerischen Interesses. Durch Innovationsfähigkeit, Qualität und Flexibilität soll für die Kunden ein deutlich wahrnehmbarer Mehrwert generiert werden, der die bestehenden Kostennachteile ausgleicht und für eine engere Bindung der Kunden an die Lieferanten bzw. Hersteller sorgt. Ein wesentlicher Faktor für die Erhöhung der Kundenzufriedenheit sind kurzfristig verfügbare und kundenindividuelle Produktvarianten. Vor allem in den traditionellen metallverarbeitenden Industrien (z. B. Automobilbau, Maschinenbau), aber auch in vielen anderen Branchen wie die Lebensmittelindustrie, ist die industrielle Produktion daher zunehmend durch die kundenindividuelle Massenproduktion („Mass Customization“) gekennzeichnet. Diese Entwicklung führt in den produzierenden Unternehmen zu einer Erhöhung der Variantenvielfalt, schwer vorhersehbaren und kurzfristigen Kundenabrufen und immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen. Die Sicherung der Lieferfähigkeit bei einer gleichzeitigen Beherrschung der Variantenvielfalt ist daher sowohl bei der Produktionsplanung im Tagesgeschäft als auch bei der
379
Rüstzeit [%]
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
10
25
50
100
200
400
800
Produktivitätszuwachs [%]
Losgröße 25% 19,8%
20%
14,6%
15%
10,4%
10%
7,0% 4,2%
5% 0%
0 auf 10
10 auf 25
25 auf 50
50 auf 100
100 auf 200
200 auf 400
2,4% 400 auf 800
Veränderung der Losgröße
Abb. 3.66 Beispielhafter Rüstzeitanteil an der Gesamtprozesszeit und Produktivitätszuwachs bei einer Verdoppelung der Losgröße (Lebensmittelindustrie)
planerischen Gestaltung von Produktions- und Logistiksystemen eine wesentliche Kernaufgabe. Oft wird diese Herausforderung in den logistischen Prozessen durch einen Bestandsaufbau oder in der Produktion durch die Bereitstellung redundanter Anlagen bzw. Betriebsmittel bei Engpassprozessen gelöst. Dies führt zu • • • •
erhöhtem Flächen- und Investitionsbedarf, ungünstigen Materialflüssen, intransparenten Prozessen und einem generellen Anstieg der nicht wertschöpfenden Tätigkeiten (z. B. durch zusätzliches Rüsten aufgrund der resultierenden kleineren Losgrößen, Abb. 3.66).
Im Hinblick auf eine Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette ist daher die Gestaltung von Prozessen erforderlich, die eine effiziente und flexible Reaktion auf die individuellen Kundenwünsche ermöglichen, dabei aber trotzdem den Anforderungen an ein kostenoptimiertes Produktionssystem genügen. Die folgenden Kapitel stellen dar, welche Methoden und Werkzeuge dazu angewendet werden können.
3.10.2 W ertstromanalyse In Zusammenhang mit den Methoden und Zielen einer schlanken Produktion ( Lean Production) wird heute zunehmend die Wertstromanalyse als Mittel zur Visualisierung und Analyse von Material- und Informationsflüssen eingesetzt. Die Wertstromanalyse wurde
380
P. Dickmann et al.
entwickelt, um auf schnelle und einfache Weise die Produktionsprozesse für ein Produkt zu analysieren und damit Verschwendung im Prozess zu identifizieren. Zielsetzung ist es, den Wertstrom vom Warenausgang rückwärts bis zum Wareneingang durchgängig zu beschreiben, um diejenigen Prozessschritte zu identifizieren, die tatsächlich Wertschöpfung generieren und diese in Hinblick auf kurze Durchlaufzeiten und Bedarfsorientierung zu optimieren. Die Darstellung des Wertstroms beschränkt sich dabei meist auf eine repräsentative Produktfamilie, die eine Gruppe von Produkten umfasst, welche durch ähnliche Prozessabläufe und Prozessparameter (z. B. Rüstzeiten) gekennzeichnet sind. Wie Abb. 3.67 (oberes Diagramm) zeigt, wird die Ist-Situation der Prozess- und Informationsflüsse bei einer Wertstromanalyse durch einfache Symbole dargestellt. Der Detaillierungsgrad umfasst dabei übergeordnete Prozesskategorien bzw. Ressourcen, wie „Schweißen“ oder „Montage“. Das untere Wertstromdiagramm von Abb. 3.67 ist die sogenannte Future State Map, also die zukünftig geplante Situation zu erkennen. Sie basiert auf einer im Planungsteam erarbeiteten Vision, die ausgehend von der Ist-Situation eine möglichst ideale Soll-Situation erarbeitet. Dies wird vor allem durch eine Vermeidung von nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten und einer Reduzierung der Durchlaufzeiten in den einzelnen Prozessen erreicht. Deutlich ist z. B. in Abb. 3.67 die Verringerung der sequenziell nacheinander ablaufenden Prozesse hin zu einem kontinuierlichen Teilefluss zu erkennen. Die Future State Map ist die Grundlage für die Umsetzung der Ideal-Vision in ein SollKonzept. Grenzen in der Darstellung und Aussagekraft einer Wertstromanalyse bestehen bei der Analyse einer Vielzahl an unterschiedlich ausgeprägten Teilevarianten, da teilweise die gleichen Ressourcen von mehreren Teileströmen belegt werden. Diese sind in ihrem Zusammenspiel in der Wertstromanalyse nur sehr schwer zu bewerten. Vereinzelt kann die Methode der Variantenwertströme [Voll 04] angewandt werden, um ähnliche Teilevarianten getrennt voneinander abzubilden. Ab einer gewissen Variantenvielfalt mit stark unterschiedlichen Ausprägungen kann auch diese Analyse nur unzureichende Ergebnisse liefern, zumal bei einer Veränderung des Produktspektrums stets weitere zeitintensive Analysen durchgeführt werden müssen. Für Produktionsprozesse mit einem sehr variantenreichen Artikelspektrum ist es deshalb sinnvoll, Analysenmethoden zu entwickeln, die basierend auf systemischen Produktionsdaten eine semiautomatische und damit weitgehend kontinuierliche Verifikation und Planung von Produktionsprozessen ermöglichen.
3.10.3 Systembasierte Datenanalyse Vor dem Hintergrund einer immer durchgängigeren und detaillierten Datenwelt innerhalb der Unternehmen (z. B. durch die Anwendung von SAP oder vergleichbarer Systeme), kann die Materialfluss- und Wertstromanalyse ein häufig angewandter und weitgehend standardisierter Bestandteil der planerischen Tätigkeiten im Unternehmen werden. Neue Produktvarianten können in bestehende Systeme integriert und die zu erwartenden Auswirkungen bewertet werden. Voraussetzung für eine korrekte, systembasierte Analyse ist die durchgängige Verfügbarkeit konsistenter Planungsdaten in den im operativen Einsatz befindlichen Produktionssystemen. Dabei ist es analog zur Wertstromanalyse erforderlich, die Prozesse und Materialflüsse rückwärts vom Warenausgang (Lieferdaten) durch alle
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
381
Abb. 3.67 Beispiel für eine Wertstromanalyse für den Ist- (oben) und Sollzustand (unten) [Core 04]
Arbeitsfolgen (Rückmeldungen, Arbeitspläne) bis hin zum Wareneingang (Materialvereinnahmung) zu analysieren und im Planungssystem abzubilden. Diese Zusammenhänge sind in Abb. 3.68 dargestellt.
382
P. Dickmann et al.
Abb. 3.68 Produktions- und Planungssysteme im gemeinsamen Einsatz
Alle zuvor dargestellten Daten sind üblicherweise in den Produktionssystemen verfügbar und können über standardmäßig vorhandene oder speziell angepasste Transaktionen exportiert werden. Die derart erzeugten Daten werden anschließend in ein Planungssystem überführt, mit dem Auswertungen durchgeführt werden können. Ein solches Planungssystem basiert auf einer einfachen Datenbankanwendung (z. B. Microsoft Access) in der die Planungsdaten konsistent gehalten und von der aus automatisierte Schnittstellen zu speziellen rechnergestützten Planungswerkzeugen bestehen (Abb. 3.69). Neben ausführlichen statistischen Auswertungen, wie der tatsächlichen Wertschöpfung je Prozessschritt (Abb. 3.70), können somit auch Durchlaufzeitanalysen (Abb. 3.71), Materialflussanalysen (Abb. 3.72) oder Bestandssimulationen (Abb. 3.73) durchgeführt werden, die sich an den real abgelaufenen Prozessen orientieren. Die zuvor beispielhaft dargestellten Analysen stellen lediglich einen kleinen Ausschnitt aus der Vielzahl an Ergebnissen dar, die mithilfe der Systemdaten und einer spezifisch angepassten Planungsdatenbank generiert werden können. Mit diesen Ergebnissen lassen sich beispielhaft die folgenden Maßnahmen zur Vermeidung von Verschwendung und damit zur Optimierung der Produktionsprozesse unterstützen:
383
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
Lieferanten Matbeleginfo Materialnummer Lagerort/Lagerplatz Datum/Uhrzeit Lieferant Ladehilfsmittel Stück pro LHM …
Produktionsprozess Rückmeldungen Arbeitsplatz Datum/Uhrzeit Materialnummer Arbeitsplan AVO Anzahl Rüstzeit Bearbeitungszeit
Kunden Lieferdaten Materialnummer Lagerort/Lagerplatz Datum/Uhrzeit Kunde Ladehilfsmittel Stück pro LHM …
Arbeitsplan Arbeitsplan AVO Ladehilfsmittel (LHM) Stück pro LHM
Lagerorte Lagerbewegungen Materialnummer Lagerort/Lagerplatz Datum Buchungsart Anzahl Bestand_nach …
Materialstamm Materialnummer Bezeichnung Gewicht/Größe … Systemdaten
Abb. 3.69 Durchgängige, systembasierte Planungsdatenbasis zur Analyse der Materialflüsse und Wertströme. (LMH: Ladehilfsmittel)
Abb. 3.70 Tatsächliche Wertschöpfung je Arbeitsvorgang (AVO)
• Taktzeitausgleich auf Basis von statistisch ermittelten Durchlaufzeitverhältnissen für unterschiedliche Teilegruppen; • Materialflusstechnisch optimierte Gestaltung von Transportwegen und Anordnung von Maschinen-, Puffer- und Lagerbereichen;
384
P. Dickmann et al.
Abb. 3.71 Durchlaufzeitunterschiede einer Produktkategorie
Abb. 3.72 Materialflussanalyse
• Bedarfsgerechte sowie bestandsorientierte Dimensionierung von Kanban-Regelkreisen und Supermärkten für die Materialversorgung unter Berücksichtigung der auftretenden Variantenvielfalt und den entsprechend unterschiedlichen Abrufprofilen; • Prozess- und produktgruppenspezifische Bewertungen, Vergleiche von durchlaufzeitorientierten One-piece-flow-Strategien und rüstzeitoptimierter Losfertigung für die unterschiedlichen Teilevarianten.
385
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen 18.000.000 16.000.000 14.000.000 12.000.000 10.000.000 8.000.000 6.000.000 4.000.000 2.000.000 0 1
2
3
4
5
6
Abb. 3.73 Dynamische Bestandssimulation für unterschiedliche Losgrößenszenarien
3.11 Materialfluss- und Wertstromanalyse sowie Wertstromdesign und andere Darstellungen der Materialströme Joachim Hirsch, Philipp Dickmann Wertstromdesign (engl. Value stream mapping) ist in erster Linie eine sehr umfassende Visualisierungsmethode. Die zugrunde liegenden Kennzahlen zeigen Potenziale zur Optimierung auf. Um konkrete Verbesserungen greifbar zu machen, sollten dabei die individuellen Hintergründe sehr differenziert analysiert werden. Aus der Vogelperspektive Ergebnisse bzw. Potenziale zu erkennen ist eine Sache, die komplexen interdisziplinären Wirkungszusammenhänge nachhaltig zu optimieren eine ganz Andere. Verbesserungseffekte werden konkret durch Taktzeitoptimierung, Linebalancing, Wegeoptimierung, Kaizen, Arbeitsplatzgestaltung, Logistikprozessoptimierung, usw. erreicht. Der Großteil der Potenziale für die realen Umsetzungsmethoden ist mit Erfahrung bei überschaubarer Komplexität auch ohne den durchaus erheblichen Aufwand für Visualisierung und Kennzahlen einer umfassenden Wertstromanalyse erkennbar. Wertstromdesign eignet sich hervorragend zum Aufzeigen der Verbesserungspotenziale für komplexe Problemstellungen. Es ist ein ausgezeichnetes Visualisierungstool, um die oft dynamischen Effekte bzw. Potenziale von Lean- und Effizienzoptimierung auf dem Gebiet des Materialflusses für Laien oder Personen mit nur einzelnen Fachbereichskompetenzen erklären zu können. Wertstromdesign kann zudem bei komplexeren Fließprozessen zur Visualisierung des Balancinggrads der Volumen herangezogen werden, d. h. zum Aufdecken der Stelle, an der es zu Engpässen (Bottlenecks) kommt. Durch einen Vorher-Nachher-Vergleich wird die Methode zum umfassenden Controllingtool, in dem man neben den harten Produktions-
386
P. Dickmann et al.
kennzahlen, wie etwa Personalkosten oder Materialbindung differenzierte Verbesserungen und deren Wirken erklären kann.
3.11.1 Entwicklung der verschiedenen Verfahren der Materialflussanalyse Diese Methode basiert auf REFA (Methoden zur betrieblichen Datenermittlung und zum Management des Verbands für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung) und MTM (Methods-time-measurement, also Arbeitsablauf-Zeitanalyse (AAZ)) bzw. der Fabrikplanung. Die Methodik war bereits lange vor dem Boom von Lean sowohl außerhalb von Japan, als auch vor allem bei den Big-Three (Toyota, Nissan und Honda) bekannt. Hochkarätige Ansätze wurden in Europa bzw. Deutschland durch die Hochschulen/Universitäten (Milberg, Wiendahl oder Wildemann) in die meisten größeren Unternehmen getragen. Das System ist dabei universitär und top-down. Das bedeutet, dass in den Linienfunktionen klare Abläufe durch Funktionsträger in Arbeits- und Fabrikplanung (Industrial Engineering), Logistik-, Zeit-, Produktionsmanagement- oder einer Wertstromdesign-Abteilung umgesetzt werden. Daten werden unmittelbar (also mit Stoppuhr, Messband und Zählung) ermittelt. Dies wird durch technische Zeichnungen, Massendaten aus ERP sowie der Zeitwirtschaft (REFA, MTM, etc.) ergänzt.
3.11.2 Materialfluss-Analyse – die Einzelmethoden: Generell handelt es sich um Darstellungen der Materialströme mit unterschiedlichen Zielen. Im Anschluss findet sich eine Übersicht der wesentlichen Darstellungsformen: • Materialflussvisualisierung: In verschiedenen, teils abstrakten Visualisierungen werden die Mengen oder Werte des Materialstroms mit Pfeilen dargestellt, deren Dicke oder Farbe dem jeweiligen Volumen entspricht. Die einfachsten und abstraktesten Varianten bilden dabei nur Pfeile oder Blockdiagramme, die die Prozesskette in Form von Linien oder Kreisen (also den Materialfluss) abbilden. Diese Varianten dienen vor allem zur grundlegenden Analyse und zur systematischen Erarbeitung von idealen Material- und Produktionslayouts (Abb. 3.74, 3.75, 3.76, 3.77). • Die Pareto-Volumenstromdiagramme sind Darstellungsformen, in der die Hauptströme abstrahiert dargestellt werden (vgl. Kap. 3.11.12 Optimierung der Wareneingangsund Produktionslogistik). • Die Fischgrät-Visualisierung (Ishikawa-Diagramm nach dem japanischen Chemiker Kaoru Ishikawa) dient überwiegend zur Visualisierung von Ursachen-Wirkungs-Zusammenhängen von Störparametern (vgl. Kap. 2.17 Materialfluss-Kaizen) (Abb. 3.78). • Bei der Wertschöpfungsdarstellung wird im Blockdiagramm oder auf dem Zeitstrahl je Teilprozess der Anteil der wertschöpfenden, bedingt wertschöpfenden oder nicht wertschöpfenden Prozesse dargestellt. Die Layout-Materialströme gehören zu
387
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen Abb. 3.74 Lineares Blockdiagramm eines Materialflusses
Abb.3.75 Kreis-Blockdia gramm eines Materialflusses
Abb. 3.76 Matrix-Blockdia gramm eines Materialflusses
05$ 05$ $VVHPEO\
05$ 05$
3UH3 3URGXFWLRQ
3UH3
)LQ
)LQ
)LQ
3UH3 3UH3
)LQDO 3URGXFWLRQ
Abb. 3.77 Materialflussvisualisierung eines mehrstufigen, komplexeren Materialflusses
den umsetzungsnächsten Materialstromdarstellungen, in denen in reale Layouts konkrete Materialströme eingezeichnet werden (Abb. 3.79). • Spaghetti-Diagramm (dient vor allem dazu, um etwa in einem Meeting konkret Bewegungen in ein Hallenlayout zu erfassen und so die Verschwendung durch Wege zu
388
P. Dickmann et al.
Abb. 3.78 Fischgrät-Diagramm mit Klebezetteln (Post-it) ist eine sehr pragmatische Möglichkeit, in einem Workshop Materialfluss und Ursachen-Wirkungszusammenhänge zu visualisieren
=HLW
3UR]HVV
,VW=XVWDQG
(LQVSDUXQJ
=HLW
6ROO=XVWDQGGXUFK5HGX]LHUXQJGHU 1LFKWZHUWVFK|SIXQJXQGPLW7HLOIOLHIHUWLJXQJ ZHUWVFK|SIHQG EHGLQJWZHUWVFK|SIHQG QLFKWZHUWVFK|SIHQG
Abb. 3.79 Visualisierung von wertschöpfenden, bedingt wertschöpfenden und nicht wertschöpfenden Prozessen im Materialstrom. Diese Visualisierung kann auch als Gantt-Diagramm dargestellt werden (Abb. 1.24 Rüstzeitoptimierung)
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
389
Abb. 3.80 Praxisbeispiel einer Materialflussanalyse im Spaghetti-Diagramm als Blockdiagramm in einem Lean-Workshop bei der BayernBankett GmbH, München
fokussieren): Informations- und Materialfluss-Darstellungen zeigen die Gesamtkomplexität der Materialströme und der zugehörigen Ströme visualisiert auf (Abb. 3.80). • Material- oder Wertstrom in realen Layouts: Diese Variante ist die entscheidende Darstellungsform, in der der tatsächliche Strom und spätere Varianten mit Pufferflächen aufgezeichnet werden. Hierdurch wird eine echte Machbarkeitsprüfung der Neukonzepte möglich. Dies kann durch Hochrechnungen oder Simulationsmodelle untermauert werden (Abb. 3.81, 3.82, 3.83). Methode zur Optimierung der Ströme und zum Visualisieren und Quantifizieren der Verluste Der Verbesserungseffekt liegt vorrangig in der Analyse von Ursachen-Wirkungs-Zusammenhängen und Störungen. Eine weitere nutzbringende Wirkung liegt in der Entwicklung von Linienproduktionskonzepten für Rennerprodukte, Ausbaustufenkonzepten und vor allem in Kosten-Nutzendarstellungen der verschiedenen Materialflussvarianten. Die
390
P. Dickmann et al.
Abb. 3.81 Praxisbeispiel einer Materialflussanalyse im maßstäblichen Gebäudeplan (Layout) in einem Lean-Workshop bei BayernBankett GmbH, München. Generell sollte immer angestrebt werden, Originalproportionen als Basis zu verwenden. Um innerhalb eines Workshops nur die reine Häufigkeit von Bewegungen zu visualisieren, ist aber auch ein Blockdiagramm ausreichend
Abb. 3.82 Visualisierung eines groben MaterialflussWerksverkehrs zwischen verschiedenen Produktionshallen als grobes Blocklayout
391
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
6WDQGRUW$
6WDQGRUW%
0DUNHWLQJ (QWZLFNOXQJ 7HFKQLN
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6WDQGRUW& 3URGXNWLRQ :HUN
:( :(3 /DJHU )HUWLJXQJ
9RUPRQWDJH 9HUVDQG ODJHU
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3UIVWDQG .XQGHQ 0RQWDJH
%DXJUXSSHQ 3XIIHU
4XDOLWlWVVLFKHUXQJ
Abb. 3.83 Visualisierung eines werksübergreifenden Informations- und Materialflusses, zur ISTAnalyse einer komplexen Konzernstruktur.
Visualisierungen dienen auch dazu, die Zusammenhänge und Konzepte Fachfremden verständlich zu machen.
3.11.3 Visualisierung des Wertstromdesigns Generell umfasst dies zunächst die Visualisierung aller genannten Varianten, allerdings nur in der Darstellungsform der Werte. In den letzten Jahren hat sich unter dem gleichen Namen eine spezielle, etwas erweiterte Version mit zusätzlichen Informationen herauskristallisiert.
3.11.4 Die Standardform der Darstellung des Wertstromdesigns 1. Zunächst werden in dieser Abbildungsform der Lieferant, die Steuerung und der Kunde visualisiert (Abb. 3.84). 2. Darunter werden in einem Blockdiagramm die Material- und Informationsströme (Informationsfluss) eingetragen. 3. Zu den Strömen und Prozessen werden schließlich die Störgrößen eingezeichnet. 4. Unter den Prozessen wird zu den Prozessschritten die reale Durchschnittszeit im Vergleich zur theoretischen Taktzeit eingetragen.
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&\FOHWLPHVHF RSHUDWRU
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5RPDQLD
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V
V
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7$.77LPH VHFSDUW
7RWDO,QYHQWRU\ SDUWV
Abb. 3.84 Wesentliche Elemente eines Wertstromdesigns (Value stream mapping)
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K
0LU
0LU
0LU
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&DO
&DO
&DO
:HHNO\GHOLYHU\ FD&DOZHHN
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[[[[ \\\\ ]]]]
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,QIRUPDWLRQVVWU|PH
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392 P. Dickmann et al.
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
393
3.11.5 Komplexitätsgrenzen Für einfache Herstellungsvorgänge ist diese Art der Darstellung (Abb. 3.85) in der Praxis sehr effizient. Für komplexe Problemstellungen erweist sie sich bei einer sinnvollen Betrachtungstiefe als äußerst unübersichtlich. Für einzelne Produkte oder Produktgruppen werden dann detaillierte Visualisierungen, Baugruppenstrukturen oder punktuelle Wertstromanalysen vorgenommen.
3.11.6 Wertstrom anhand von einzelnen, punktuellen Produkten oder als Baukasten Bei etwas komplexeren Prozessstrukturen sind grobe Analysen in der Regel derart oberflächlich, dass daraus kein wirklicher Nutzen gezogen werden kann. Punktuelle Betrachtungen, etwa bestimmter Materialien, sind in dem Fall die häufigste Anwendung. Durch die Selektion, beispielsweise eines Materials, wird ein zwar noch einigermaßen übersichtlicher Materialfluss erreicht. Leider werden dabei aber die in der Realität meist komplexen Zusammenhänge (etwa Zwänge gleicher Betriebsmittel oder Personalkompetenzprobleme) außer Acht gelassen. Für einfache Herstellungsvorgänge ist diese Art der Darstellung in der Praxis sehr effizient. Aus diesem Grund eignen sich die Ergebnisse nicht für endgültige Schlussfolgerungen. Vielfach werden diese Analysen zur Verbesserung der Abläufe der betrachteten Gruppe verwendet. Der restliche Materialstrom ist jedoch ausgeklammert und kann sich dadurch verschlechtern. Vor diesem Hintergrund sollten komplexe Produktionskonzepte mit mehrstufigen Baukasten-Wertstromanalysen abgebildet werden.
3.11.7 Einsparungs- und Optimierungspotenzial sowie Grenzen Der Nutzen der Analyse liegt in der systematischen Darstellung verschiedener Perspektiven eines Herstellprozesses in einer normierten Darstellungsform. Detaillierte Verbesserungsansätze werden vor allem durch die Detailprüfungen der Materialflussanalyse erkennbar. Das Wertstromdesign verdichtet und visualisiert dies lediglich. Mit dieser Standarddarstellung sind Benchmarks möglich und Fachfremden können die komplexen Zusammenhänge aufgezeigt werden. Generell ist für eine Optimierung der Material- und Wertströme ingenieurmäßige, logistische, informationstechnische, prozessanalytische und kaufmännische Kompetenz nötig. Tragfähige Verbesserungskonzepte verknüpfen die theoretischen Kompetenzen all dieser Fachbereiche harmonisch mit operativem Sachverstand. Ergänzende Erfahrungen von multidimensionalen Prozessen und von internationalen Bestmarken sind daher entscheidend. Es ist ein Trend zu beobachten, die Visualisierung aus rein kaufmännischer Sicht aufzusetzen. Außer in sehr einfachen Fällen ist damit eine tragfähige Verbesserung aufgrund der fehlenden Hintergründe nur rudimentär zu erreichen. Die Feststellung eines hohen Verschwendungspotenzials zwischen Prozesszeit und
Abb. 3.85 Beispiel eines mehrstufigen Produktionsprozesses für nur ein einziges Referenzprodukt. Die Visualisierung zeigt die Komplexität und die vielfältigen Potenziale. Für die konkrete Verbesserungsarbeit ist diese Visualisierung sehr komplex und wenig griffig. Um einem Team die Komplexität deutlich zu machen, ist dieser Ansatz als „Kickoff“ zwar gängig, aber sehr aufwändig. Von dieser Visualisierung ist es ein weiter Weg zu einer Abarbeitung der Problemursachen mit differenzierten und priorisierten Maßnahmen
394 P. Dickmann et al.
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
395
Durchlaufzeit ist trivial und nicht ausreichend. Daraus eine Reduzierung der Wartezeiten und Pufferzeiten zu erzwingen, ist meist fatal. Dies führt lediglich zu Krisenmanagement und einem Einbruch der Lieferfähigkeit. Es gilt vielmehr eng verzahnte, bzw. verflochtene Maßnahmen in vielfältigen Fachbereichen in der richtigen Reihenfolge umzusetzen.
3.11.8 W ertstromdesign als dynamisches Controllingtool Nach einer erfolgreichen Optimierung oder auch bei Verschlechterung kann mit Wertstromdesign die Veränderung (Verbesserung oder Verschlechterung) der dynamisch ablaufenden und zusammenhängenden Prozesse sehr anschaulich (auch für Personen ohne technischen Hintergrund) dargestellt werden. Durch regelmäßige Aktualisierung kann dadurch ein sehr zweckmäßiges Controlling bei umfassend verzahnten Produktionsprozessen entstehen.
3.11.9 Kennzahlen und Begriffe eines Fließprozesses bzw. von Wertstromdesign Einschränkung der Aussage der Kennzahlen – Durchschnittsbedarf/Durchschnitt über Varianzen, etc. (teils nach [Klev 13] & [Erla 10]). • Zykluszeit (ZZ) ist die Zeit zwischen zwei fertigen Teilen. • Durchlaufzeit (DLZ) ist die Zeit, die ein Teil benötigt, um alle Prozesse des Herstellprozesses zu durchlaufen, inklusive Wartezeiten, Sicherheiten und Störzeiten. DLZ (Zeit) = Lagerbestand (Stück)/Kundenbedarf (Stück/Zeit). • Bearbeitungszeit (BZ) ist die Zeit, die ein Teil benötigt, um den Prozess zu durchlaufen. Der Begriff wird oft mehrdeutig verwendet, da teils nicht zwischen Prozess- und Wartezeiten unterschieden wird. • Prozesszeit (PZ) beschreibt die Bearbeitungszeit eines betrachteten Teils. Sonderfall ist, wenn mehrere Produkte gleichzeitig einer gemeinsamen Bearbeitungszeit unterliegen, etwa bei einem mechanisch gekoppelten Fließprozess, bei dem immer der langsamste Schritt der Taktgeber ist. • Prozessmenge (PM) ist die Menge an Teilen, die parallel in einem Prozess produziert werden. • Gleichteile für jeweils ein Endprodukt (#T) ist der Sonderfall, bei dem mehrere Gleichteile im Satz für ein Endprodukt gleichzeitig in einem Produktionsprozess gefertigt werden. • Gesamt-Bearbeitungszeit (GBZ) ist die Summe der Bearbeitungszeiten – ohne Wartezeiten und Störzeiten. GBZ (Zeit) = BZ1 + BZ2 + BZ3.. + BZn. • Wertschöpfungszeit (WZ) ist die Zeit, in der der Wert eines Teils innerhalb einer Bearbeitungs- oder Durchlaufzeit gesteigert wird. Es ist auch die Prozesszeit, in der für den Kunden nützliche Leistung entsteht – bzw. Leistung, für die der Kunde bereit ist, zu bezahlen.
396
P. Dickmann et al.
• Wiederbeschaffungszeit (WBZ) ist die Zeit von der Bestellung bis zum Eintreffen der Ware. • Taktzeit (TZ) oder Kundentakt (KT) ist die verfügbare Arbeitszeit geteilt durch den Kundenbedarf im gleichen Zeitraum. Taktzeit = Arbeitszeit/Kundenbedarfsmenge. Damit kann, beginnend von den Jahresmengen, die theoretisch nötige Ausbringungsmenge der Produktion je Schicht oder Tag errechnet werden. Vorsicht: Bedarfsschwankungen des Kunden und Störungen sind zu berücksichtigen. • Rüstzeit (RZ) ist die benötigte Zeit, um zwischen zwei verschiedenen Produkten zu wechseln. Sie beginnt mit dem letzten guten Teil und endet mit dem ersten neuen guten Teil. • Verfügbare Arbeitszeit (VA) ist die Zeit, in der der Prozess betrieben wird. • Zuverlässigkeit ist das Verhältnis zwischen der gesamten Zeit und der verfügbaren Zeit des Prozesses in Prozent. • Materialreichweite ist die Zeit, für die Lagerbestände die durchschnittlichen Kundenbedarfe decken. • Anzahl MA bzw. Mitarbeiterzahl ist die Anzahl der Mitarbeiter, die für den Prozess nötig sind. • Anzahl Varianten ist die Zahl der verschiedenen Varianten, die im Prozess produziert werden. • Ausschussrate (AR) ist der Anteil der Teile in Prozent, die nicht in Ordnung (n. i. O.) sind. • Nacharbeitsrate (NAR) ist der Anteil der Teile, die nachträglich in Gutteile (i. O.-Teile) umgewandelt werden können in Prozent. • Maschinenverfügbarkeit (MV) ist der Anteil, in dem Anlagen produzieren können. • Personalverfügbarkeit (PV) ist der Anteil, in dem Personal produzieren kann. • Push oder schiebende Produktion ist die Steuerung, bei der Material, angestoßen durch den vorherigen Prozess (Lieferanten), in den Folgeprozess geschoben wird. Umgangssprachlich wird Push auch als Synonym für MRP-Steuerung, also plangesteuerte Produktionsmethoden bzw. Lieferketten verwendet. Genau genommen ist das nicht ganz korrekt, da auch bedarfsgesteuerte Lieferketten Push-Systeme sind. • Pull ist die ziehende Produktion, bei der ein Verbrauch einen Nachschub durch Umlagerung, Produktion oder Bestellung auslöst. Min-Max, Pegel oder Kanban sind häufige Beispiele. • „Go-See“-Steuerung bzw. Kontrolle, Vorort wird der Bestand gezählt/kontrolliert und die Produktionsplanung angepasst. Dabei handelt es sich um reines Krisenmanagement, das eigentlich durch stabile Prozesse ersetzt werden sollte. Das Symbol in der Visualisierung ist eine Brille. • OXOX ist der Varianten-Ausgleich in der Produktion. • First-in-first-out (FIFO) ist die Durchschubsteuerung, also das Einhalten der ursprünglichen Produktionsreihenfolge. Das Teil, das zuerst kommt, wird als erstes verwendet. Synonyme sind: Warteschlangen-Prinzip, das Älteste zuerst oder First-comefirst-served (FCFS = wer zuerst kommt, mahlt zuerst).
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
397
• Last-in-first-out (LIFO) ist die Stapelsteuerung, also das Verbrauchsmuster bei Entnahme von Stapeln, bei dem das Teil, das als letztes hinzukommt das ist, welches als erstes entnommen wird. • Behältergröße beschreibt die Menge an Teilen im Behälter ( Kanban-Menge) und dessen Dimension. Sie ist eine oft scheinbar banale Größe, die in Ihrer Auswirkung sehr entscheidend sein kann. Hier werden Losgrößen, Steuerungsalgorithmen, Arbeitsaufwand, Arbeitsteiligkeit, maximale Gewichte, Maximale Volumen, etc. maßgeblich miteinander vernetzt. • Pitch-Zeit ist die Behälterzeit bzw. Kanban-Zeit, also die Zeit, die benötigt wird, um alle Teile eines Behälters zu bearbeiten. Behälterzeit ist die Taktzeit mal die Behälterfüllmenge ( Kanban-Menge). • On-time-in-full (OTIF) beschreibt die Lieferfähigkeit je Prozessschritt gegenüber dem Kundenwunschtermin in der Bestellmenge des Kunden. • Wertstromquotient (WQ) beschreibt das Verhältnis zwischen der Materialdurchlaufzeit und der Gesamt-Bearbeitungszeit (GBZ). Wertstromquotient = Durchlaufzeit/ Gesamtbearbeitungszeit. Der Wertstromquotient ist auch das Verhältnis von Wertschöpfung zu „Nicht-Wertschöpfung“ (plus „bedingter-Wertschöpfung“) bzw. Verschwendung. Da die Durchlaufzeit meist in Tagen und die Prozesszeiten in Relation im Minuten- bzw. Sekundenbereich liegt, ist der Wert meist sehr groß (> 100). Ziel sollte es sein, den Wert drastisch zu verkleinern. • Störungen werden durch Blitze (Störgrößenblitze, Kaizen-Blitze) oder alternativ eckige Wolken ( ) dargestellt. • Fließprozesse entwickeln bzw. Verrichtungsprinzip: Arbeitsinhalte werden in der technisch nötigen Reihenfolge in einem Prozessmapping aufgezeichnet. Anschließend werden sie im Layout entsprechend räumlich platziert. Dies ist die typische Vorgehensweise, etwa beim Umbau von einer Werkstattfertigung in einen Fließprozess, bzw. Linienanordnung der Fertigungsprozesse. • Das Taktabstimmungsdiagramm ist die eigentliche Innovation im Materialflussdiagramm. Hier wird der Unterschied der theoretischen Takte zu den realen Zykluszeiten dargestellt. Das Ergebnis zeigt das Maß der Verschwendung an unausgeglichener Produktion zum Kundentakt durch zu große Losgrößen, bzw. unnötig hohe Durchlaufzeiten und Lagerbestände. • Beim Losgrößenverhältnis (Every Part Every Interval (EPEI)) handelt es sich um einen Kennwert, welcher die Glättung, die Rundung bzw. die Losgröße aufzeigt, in der der Kundenbedarf produziert wird. Beispiel: wochengenaue Produktion = 5; tagesgenau = 1, schichtgenau = 0,33. Ziel ist die Reduzierung der Losgrößen. EPEI kann dies nicht selbst verbessern, weist aber auf große Losgrößen und damit nicht fließende Prozesse hin.
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P. Dickmann et al.
3.11.10 Softwareprodukte und Simulationsmethoden Aus dem Bereich der Fabrikplanung, CAD, Zeitwirtschaft oder Simulationssysteme existieren vielfältige Softwarelösungen, mit denen Materialströme und Wertströme unter Berücksichtigung von dynamischen Effekten verbessert werden können (vgl. Kap. 3.12 Moderne Fabrikplanung, 5.7.6 Dynamische Dimensionierungssysteme; 3.13. Kartonsimulation). • Der Vorteil dieser Systeme besteht darin, dass nahezu unbegrenzte aktuelle ERP-Daten (riesige Datenmengen) in die Berechnungen integriert werden können. • Potenzielle Verbesserungsmöglichkeiten können ohne Umbau von realen Produktionsoder Logistikeinrichtungen optimiert werden. • Komplexe, individuelle Prozesskosten können simuliert und dadurch quantifiziert werden. • Die Bandbreite der Softwaretools ist groß, der Aufwand hoch. • Der Einfluss der Fehlerfortpflanzung liegt in der Regel im zweistelligen Prozentbereich und ist damit stellenweise ein K.O.-Kriterium. Die Ergebnisse sind dann zwar scheinbar sehr exakt, aber nicht aussagefähig. • Das Resultat ist daher maßgeblich vom Vorwissen um Best-Practice bzw. der Erfahrung der Personen, die die Simulation erzeugen, abhängig. • Generell sollten die Modelle möglichst einfach und dadurch der Aufwand so gering wie möglich gehalten werden. Die Aussagequalität wird dadurch hoch. • Erfahrung erleichtert wesentlich das Finden zielorientierter Referenzfälle. Mit differenzierter, interdisziplinärer Kompetenz sind auch ohne IT eine exakte Prognose und ein Verbesserungspotenzial ermittelbar.
3.11.11 Zusammenfassung Wertstromdesign (Value stream mapping) ist keine Wunderwaffe, aber eine sehr wertvolle, wenn auch durchaus aufwändige Visualisierungsmethodik. Es visualisiert Lean-, Layout-, Prozess- und Effizienzoptimierungseffekte. Der erzielbare Verbesserungseffekt ergibt sich im Wesentlichen aus der Menge an „Doing“, also dem Maß an Professionalität, Umfang und Langfristigkeit der Maßnahmen von Detailumsetzungen. Value stream mapping kann zum Controlling und Darstellen der Leistung derartiger Maßnahmen dienen.
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399
Aus der Praxis
3.11.12 Optimierung der Wareneingangs- und Produktionslogistik Daniel Fintzen Bei einem großen Life-Science-Unternehmen aus Norddeutschland werden Systeme für Liquid Handling, Cell Handling und Sample Handling entwickelt, produziert und für den Einsatz in Laboren weltweit vertrieben. Im Rahmen eines interdisziplinären Projekts wurden in Zusammenarbeit mit Montage, Einkauf und Zentrallogistik die Weichen für die Wareneingangs- und Produktionslogistik in der Zukunft gestellt. Materialströme Durch die Erfassung der täglichen Materialströme zwischen den einzelnen Schnittstellen und Darstellung dieser in einem Sankey-Diagramm, konnten im Rahmen der IST-Analyse die wesentlichen Haupt-Materialströme visualisiert werden (Abb. 3.86). 77
Sankey-Diagramme eignen sich auch zur Darstellung von Materialströmen von der Quelle zur Senke. Die Breite der Pfeile steht für das Volumen des Materialstroms. Je breiter desto höher ist das Logistikaufkommen. Zunächst wurden mit Hilfe einer Transportmatrix die einzelnen Materialströme ermittelt, anschließend wurden diese zusammengeführt. Es wurde folgender Maßstab verwendet: 1 = 1 Standard-Karton oder 1 Kanban-Behälter 10 = 1/2 EURO-Palette oder 1 Transportwagen 20 = 1 EURO-Palette
Materialversorgung der Montageinseln Jede Montageinsel ist nach dem Best-point-Prinzip eingerichtet. Das bedeutet, Materialen und Werkzeuge sind so angeordnet, dass möglichst kurze Greifwege entstehen und der Montagearbeiter so effizient wie möglich montieren kann. Die Materialversorgung der Montageinseln erfolgt bedarfsgesteuert über ein Behälter-Kanban-System, koordiniert durch einen Insellogistiker. Der Materialnachschub lagert dabei in einem Pufferlager in der Montagehalle. Dieses wird ebenfalls bedarfsgesteuert durch ein Karten-KanbanSystem per Logistikzug (Flurförderfahrzeug mit spurtreuen Transportwagen) an zwei festen Zeiten aus dem zentralen Materiallager versorgt. In das zentrale Materiallager werden sämtliche Materialien nach der Wareneingangsabwicklung eingelagert (Abb. 3.87). Das erarbeitete Ziel, der „Nordstern“, ist der Entfall sämtlicher Handlingschritte zwischen Wareneingang und Montageinsel, d. h. die direkte Anlieferung und Speicherung des Materials am Montagearbeitsplatz (Lieferanten-Kanban mit Ship-to-line). Dieser Zustand stellt das zu erstrebende Optimum dar. Hierdurch kann nicht nur eine Vielzahl an Schnittstellen entfallen, sondern es werden auch Montageflächen und Personalressourcen frei, die produktiv genutzt werden können (Abb. 3.88).
400
P. Dickmann et al. tĂƌĞŶĞŝŶŐĂŶŐ ϱ
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Abb. 3.86 Sankey-Diagramm der täglichen Materialströme
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(LQODJHUXQJ /J
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Abb. 3.87 Prozesskette der Materialbereitstellung nach bisherigem Stand (Ist-Zustand)
ϱ
401
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
~GG Go
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Abb. 3.88 Prozesskette der Materialbereitstellung nach dem Konzept „Nordstern“: LieferantenKanban in Verbindung mit Ship-to-line, d. h. das Material wird bereits in den für die Montageinsel benötigten Gebinden angeliefert und ohne Pufferlager an die Linie gebracht, bietet erhebliches Effizienzsteigerungspotential. In diesem Fall: Reduzierung der Handlings-Schritte und Schnittstellen um 80 % sowie der Buchungsschritte um 50 %
Der erste Schritt auf dem Weg dahin ist eine Stabilisierung der Logistikprozesse im zentralen Materiallager. Erst wenn dort die Kommissionierung reibungslos abläuft, können nachgeschaltet Pufferläger risikoarm ausgeklammert werden. Der Zweite ist der Entfall des Pufferlagers in der Produktion, d. h. eine Direktbelieferung der Montageinsel aus dem zentralen Materiallager. Diese beiden Schritte wurden bereits erfolgreich umgesetzt. Wareneingang/-ausgang Für die Abwicklung der Wareneingänge und -ausgänge stand begrenzte und nicht räumlich getrennte Pufferfläche sowie ein Rolltor zur Verfügung. Beides befand sich auf Bodenniveau, weshalb zur Verladung ein Gabelstapler genutzt wurde. Durch das steigende Logistikaufkommen, u.a. bedingt durch einen höheren Anteil an Zukaufteilen und vormontierten Baugruppen, stieg das Sendungsaufkommen im Wareneingang. Stau und Doppelhandling waren die Folge. Aufgrund der gebäudeseitigen Gegebenheiten gab es nur eingeschränkte Optimierungsmöglichkeiten. Jedoch konnte durch den Einsatz einer elektro-hydraulisch absenkbaren Containerbrücke, angedockt an das Gebäude, eine räumlich getrennte Pufferfläche für den Versand der Fertiggeräte an das Distribution Center geschaffen werden (Abb. 3.89). Dadurch wurde zum einen Pufferfläche für den Wareneingang frei, zum anderen entfielen Handlingschritte bei der Verladung, da kein Gabelstapler mehr benötigt wird und die Verladung direkt im Anschluss an die Fertigstellung in der Montage erfolgen kann.
402
P. Dickmann et al.
Abb. 3.89 Wechselbrückenaufbau nach BDF als Kofferaufbau mit Sektionaltor im Heckportal und hydraulischer Absetzvorrichtung
Aus der Praxis
3.11.13 Praktische Umsetzung eines Wertstromdesign-Projekts Tetyana Korovchuk ODU ist ein mittelständisches Unternehmen mit ca. 1.300 Mitarbeitern weltweit und einer Fertigungstiefe von über 90 %. Es bietet Steckverbindungssysteme für unterschiedlichste Märkte wie Industrieelektronik, Medizin- und Militärtechnik etc. an. Kernkompetenz des Unternehmens ist unter anderem die Entwicklung von kundenspezifischen Lösungen. Dadurch ergibt sich eine hohe Varianz der Produkte mit einer Auftragslosgröße bis zu einem Stück. Beide Punkte sind eine Herausforderung bei der weitgehenden Implementierung des Lean-Gedankens. Das stetige Unternehmenswachstum führte im Laufe der Zeit sowohl zu einem Anstieg der Produktvielfalt, als auch zu einem steigenden Auftragseingang. Einerseits wurde dadurch der Materialfluss in vielen Bereichen kontinuierlicher, andererseits staute er sich an den vielen Schnittstellen auf. Der damit verbundene interne Aufwand führte wiederum zur unerwünschten Verlängerung der Durchlaufzeit, die heute für kein Unternehmen tolerierbar sein kann. Problematik bei der praktischen Durchführung einer Wertstromanalyse Die Vorgehensweise bei der Durchführung der Wertstromanalyse wurde schon oft in der Literatur beschrieben und scheint auf den ersten Blick klar zu sein. In der Praxis erweist sich jedoch schon das Zusammentragen der richtigen Daten für die Wertstromanalyse als sehr umständlich. Es stellt sich zum Beispiel als schwierig heraus, die Artikel einer Produktfamilie zu einem Wertstrom zusammenzufassen, da die Arbeitspläne bei fast identi-
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schen Teilen aufgrund von internen Gegebenheiten in der Praxis trotzdem unterschiedlich sein können, wie die Erfahrung bei ODU zeigt. Einfaches Beispiel Ein „XY-Rahmen“ besteht aus zwei Schienen, zwei Endstücken und mehreren bestückten Isolierkörpern in der Mitte. Die Endstücke können sowohl an der Drehmaschinengruppe A, als auch an der Drehmaschinengruppe B oder C gefertigt werden. Sie werden je nach Maschinengruppenauslastung von einem Planer eingeplant und, falls die Kapazität der Drehmaschinengruppe A überschritten wird, an der Drehmaschinengruppe B oder C eingeplant. Dabei spielt es keine Rolle, dass diese Maschinen wesentlich langsamer sind. Da aus Kostengründen die Drehmaschinen-Aufnahmen nur für die gängigen Endstücke angeschafft wurden, müssen die Endstückvarianten mit relativ großen Abmessungen in einer anderen Abteilung an der Fräsmaschine gefräst werden. Wirtschaftlich betrachtet sind diese getroffenen Entscheidungen zwar nachvollziehbar, aus Lean-Sicht erschweren sie jedoch die Betrachtung der Wertströme erheblich. Angenommen, der gesamte Herstellungsprozess würde für alle „XY-Rahmen“-Varianten, mit Ausnahme der Endstückfertigung identisch ablaufen, so würde sich diese Produktfamilie schon an dieser Stelle aufgrund von unterschiedlichen Ressourcen in vier unterschiedliche Wertströme aufteilen. Ein ähnliches Problem stellt sich mit der Herstellung der Schienen und der Bestückung der Isolierkörper. Somit splittet sich die Produktfamilie in der Realität in viele unterschiedliche Wertströme. Um eine aussagekräftige Wertstromanalyse durchführen zu können, müssen zuerst die Wertströme möglichst vereinheitlicht werden: In unserem Fall scheint die Festlegung eines Standard-Arbeitsplans mit fest zugewiesenen Ressourcen sinnvoll. Doch wie werden die „außerplanmäßigen“ Musterbau-Aufträge behandelt? Lean-Production propagiert an dieser Stelle klare Ressourcentrennung. Ideal wäre demnach ein eigener Maschinenpark für die Standardartikel und ein weiterer Maschinenpark für die „Exoten“, zu denen auch alle Musterbau-Aufträge zählen würden. Mit einer Fertigungstiefe von über 90 % würde dieser Ansatz jedoch eine enorme Investition bedeuten, die bei dem stark schwankenden Auftragseingang im Bereich Musterbau nicht rentabel sein kann. Eine mögliche Alternativlösung wäre die Verwendung desselben Maschinenparks unter der Prämisse, dass die Maschinen für die Standardartikel nur zu 80 % beplant werden dürfen, damit die restlichen 20 % der Maschinenkapazität für die Durchschleusung der „Exoten“ auch kurzfristig zur Verfügung stehen. Wertstromdesign-Projekt „K-Buchse“: Analyse des IST-Zustandes Die Aufnahme des Wertstroms zeigte aus Lean-Sicht einen relativ instabilen Prozess mit großem Durchlaufzeit- und Kosteneinsparungspotenzial. Im Rahmen der Prozessstabilisierung musste zunächst die Fülle von gesichteter Verschwendung eliminiert werden. Die Produktion erfolgte in nicht synchronisierten Prozessschritten durch Vorgaben eines Verantwortlichen nach einem Push-Prinzip mit Elementen der „Go-See“-Steuerung. Dies führte in manchen Fällen zu erhöhten Umlaufbeständen bzw. zu einer Verwirbelung
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der Auftragsreihenfolge und somit zu einer schlechten Vorhersagbarkeit der Auftragsfertigstellung. Bei der Push-Steuerung wird ein Produktionsauftrag vom zentralen PPSSystem ausgelöst und anschließend durch die gesamten Produktionsprozesse gemäß dem Arbeitsplan geschoben [West 06]. „Go-See“-Steuerung liegt vor, wenn der Verantwortliche, z. B. ein Teamleiter, die Möglichkeit hat, die Reihenfolge der Produktionsaufträge selbst festzulegen (teils konträr Heijunka, vgl. Kap. 3.4 Produktionsnivellierung). Die angefangenen Aufträge mussten manchmal angehalten und zurückgestellt werden, da das benötigte Material nicht rechtzeitig bereitgestellt werden konnte. Wie sich herausstellte, erfüllten die „Supermärkte“ ihren Zweck nicht mehr vollständig. Ein Supermarktsystem ist ein definierter Materialpuffer, der dem Zweck der Materialflussoptimierung und der Reduzierung der Bestände von Zwischenprodukten dient. Ständig benötigtes Material und Baugruppen werden in der Fertigung in einem „Supermarkt“ vor Ort für den jeweilig nachgelagerten Prozess bereitgehalten. Die Entnahme der Teile für die Produktion erfolgt nach einem FIFO-Prinzip. Im Anwendungsfall waren darin entweder einige veraltete Komponenten, die nur sehr selten in der Montage benötigt wurden, gelagert, oder die Umlagerungsmengen wurden bei Änderung der Wiederbeschaffungszeit nicht immer angepasst. Als ausgesprochen problematisch erwies sich die praktizierte Einlagerung der Halbfertigerzeugnisse zwischen den einzelnen Produktionsprozessen. Die Folge hiervon war ein unnötiger interner Transport des Materials. Außerdem führte die aufgrund abteilungsspezifischer Losgrößenoptimierung entstandene Überproduktion in der Dreherei zu einem hohen Lagerbestand im automatisierten Kleinteilelager (AKL). Die mehrfachen Qualitätskontrollen quer durch die gesamte Prozesskette verhinderten den gleichmäßigen Materialfluss durch die Produktion: Nach Lean sind die Qualitätskontrollen als Muda zu betrachten, da sie zu keinerlei Wertschöpfungssteigerung beitragen. Somit sind die Qualitätskontrollen – natürlich unter der Prämisse einer absoluten Qualität des Endproduktes – auf ein akzeptables Minimum zu reduzieren. Die Fehlproduktion gilt es allgemein zu vermeiden. Ausschuss ist ein sehr schwerwiegendes Problem, das die Fließfertigung verhindert und die Prozessdurchlaufzeit sowie Kosten (z. B. Mehraufwand für das zusätzliche Material bzw. Verschrottung der fehlerhaften Teile) in die Höhe treibt. Des Weiteren verkürzt sich der Kundentakt aufgrund von Ausschuss- und Nacharbeit entlang der Prozesskette. Dies kann nur durch eine schnellere Produktion ausgeglichen werden. Außerdem war im Herstellungsprozess des Produkts die mehrmalige Inanspruchnahme externer Dienstleistungen integriert, womit zusätzliche Wareneingangskontrollen und hohe Sicherheitsbestände im Haus verbunden waren und eine unnötige Verlängerung der Prozessdurchlaufzeit einherging. Umsetzung des Wertstromdesign-Projekts „K-Buchse“ Da der Produktionsprozess aufgrund von bestehenden Qualitätsvereinbarungen mit unseren Kunden nicht neu modelliert werden durfte, legten wir unser Augenmerk verstärkt auf die Abarbeitung der aus der Wertstromanalyse hervorgegangenen Kaizen-Blitze. Hierfür wurden die Kaizen-Blitze priorisiert und nach der Ursachenforschung mit einem Maßnah-
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menplan versehen. Im Anschluss erfolgte die Weitergabe der Aufgaben zur Umsetzung an die Zuständigen. Aus der Wertstromanalyse ging klar der Bedarf an einer Optimierung des gestiegenen Materialflusses unter der Berücksichtigung der Lean-Gesichtspunkte hervor. Um die Durchlaufzeit des Prozesses zu verkürzen, musste Verschwendung in Form von unnötigen Liege- und Transportzeiten zwischen den einzelnen Abteilungen möglichst eliminiert, sowie die Prozessorganisation vereinfacht werden. Eine Basis für den schnelleren Materialfluss wurde geschaffen, indem in einem ersten Schritt manche Prozessschritte (z. B. das automatisierte Prüfen der Abzugskraft oder die Vormontage der Komponenten), die bislang aufgrund des Verrichtungsprinzips in den anderen Montagebereichen stattfanden, in den K-Montagebereich integriert wurden. Das Verrichtungsprinzip bedeutet, dass Arbeitsplätze mit gleichen oder ähnlichen Arbeitsaufgaben räumlich zusammengefasst werden. Die früheren Baugruppen wurden an dieser Stelle aufgelöst, der Montageprozess mithilfe eines Taktabstimmungs-Diagramms ausgetaktet und die Arbeitspläne, Montageanweisungen etc. entsprechend angepasst. Das Taktabstimmungs-Diagramm ist ein Werkzeug, um den Arbeitsinhalt möglichst genau auf die Arbeitsplätze zu verteilen und somit eine Überproduktion zu vermeiden. In einem produktionsnahen „Supermarkt“ werden jetzt nur noch die Komponenten und keine Baugruppen mehr bevorratet. Auf diese Weise kann die Montage des Produkts – angefangen mit der Vormontage der Baugruppe bis hin zum Fertigprodukt – ohne die mehrfachen Rückmeldungen an das ERP-System und ohne Unterbrechung des Fertigungsflusses gewährleistet werden. Parallel fanden das Insourcing der extern vergebenen Produktionsschritte und die Erweiterung der Mitarbeiterqualifikation bei ODU statt. In dessen Zuge wurde die ehemals bei unserer Tochtergesellschaft durchgeführte K-Endmontage an den Ursprungsstandort zurückverlagert. Außerdem wurde die bisher extern ausgeführte Veredelung der Komponenten in das Programm unserer hauseigenen Galvanik aufgenommen. Die mehrfachen Ein- und Auslagerungen des Materials aus dem AKL und dessen Transport durch mehrere Produktionsbereiche wurden durch diese Anpassungen auf ein Minimum reduziert (Abb. 3.90). Der K-Montagebereich wurde wertstromorientiert umgestaltet. So entstand ein „KMontage-Kompetenzzentrum“ (Abb. 3.91), in dem die K-Produkte in einer Fließfertigung montiert, geprüft und zukünftig auch verpackt werden. In der K-Montagelinie erfolgt die Montage der K-Buchsen und Stifte, die nach der abschließenden Prüfung der Abzugskraft entweder den Montagebereich als ein Fertigprodukt verlassen (blaues „U“ in Abb. 3.91) oder als Halbzeuge direkt zur Endmontage des Rahmens an die Rahmen-Montageinsel fließen (oranges „U“, Abb. 3.91). Die Versorgung der Montageinsel mit sämtlichen Standardbauteilen erfolgt über ein Supermarkt-System, sodass die Mitarbeiter sich ohne großen Aufwand und Zeitverlust jederzeit bedienen können. Um „Supermärkte“ wieder zu bereinigen und sie nachhaltig optimal zu bestücken, wurden im gleichen Zug die Auswertungsroutinen eingeführt, die von den zuständigen Team-
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Abb. 3.90 Verkürzung des Materialtransportweges am Beispiel der K-Buchse
Abb. 3.91 Layout des K-Montage-Kompetenzzentrums
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leitern halbjährlich durchzuführen sind. So werden vorrangig die Häufigkeit der Entnahmen und auch die Menge der entnommenen Teile je „Supermarkt“ halbjährlich analysiert, um „Exoten“ sichtbar zu machen und sie mit den aktuell benötigten Artikeln zu ersetzen. Parallel zu der Materialflussoptimierung fand die eigentliche Prozessstabilisierung statt. Es wurde z. B. nach einer Lösung gesucht, einen manuellen, durch Qualitätsschwankungen gekennzeichneten Vorgang mithilfe einer automatisierten Vorrichtung standardisierter ablaufen zu lassen. Im qualitätsbestimmenden Ergebnis erwarten wir eine konstant gute Qualität der Teile, da viele auf die Qualität einflussnehmende Variablen – wie unter anderem die Mitarbeitererfahrung bei der Dosierung des Hilfsstoffes – keinen Schwankungen mehr unterliegen werden. Aktuell laufen die Tests für diese Prozessanpassung. Fazit Im Rahmen der Optimierung konnten die Arbeitsinhalte zum Teil neu verteilt und die Anzahl der Handlungsstufen reduziert werden. Da die externen Dienstleistungsschritte zurück ins Haus verlegt wurden, entfallen im Wertstromdesign viele Prozesszeiten wie die Bearbeitungszeit im Warenausgang, Wareneingang und QS oder auch in der Einkaufs- und der Vertriebsabteilung. Dadurch minimieren sich neben der Durchlaufzeit auch die Kosten für die Mitarbeiter, die in den neuen Wertstrom nicht mehr involviert sind (Abb. 3.92). Durch das Vermeiden der Zwischeneinlagerung von Halbfertigerzeugnissen konnte das AKL wesentlich entlastet werden: Von den ursprünglichen fünf Berührungspunkten mit dem AKL ist nur noch ein Berührungspunkt geblieben. Ebenso wurde durch kontinuierliche Fließfertigung eine Reduktion des Steuerungsaufwands und der Material-Transportwege erreicht.
Abb. 3.92 Vorher-Nachher-Vergleich der Ergebnisse
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Die Optimierung des Montageprozesses nach Lean-Kriterien und die wertstromorientierte Anpassung des Montagelayouts führte zu einer deutlichen Senkung der Umlaufbestände. Des Weiteren wurden die nicht wertschöpfenden Tätigkeiten reduziert und der Informationsfluss sowie der Prozesssteuerungsaufwand spürbar minimiert, wodurch die Durchlaufzeit signifikant verkürzt werden konnte. Im Bewusstsein, dass die Verbesserung der Liefertreue nicht nur durch die Optimierung des Montagebereichs, sondern durch die ganzheitliche Betrachtung des Prozesses zu erreichen ist, wollen wir unseren Fokus in Zukunft verstärkt auf die Synchronisation aller beteiligten Bereiche legen.
Aus der Praxis
3.11.14 Umsetzung einer Fabrik- und Materialflussoptimierung – Ganzheitliche Materialflussrestrukturierung mit Neubau eines Produktions- und Logistikgebäudes Alexander Lindner Das Schweizer Unternehmen Sputnik Engineering AG gehört zu den weltweit führenden Herstellern netzgekoppelter Solarwechselrichter. Unter der Marke SolarMax entwickelt, produziert und vertreibt das Unternehmen seit dem Jahr 1991 Wechselrichter für jedes Einsatzgebiet – von Photovoltaiksystemen auf Einfamilienhäusern mit wenigen Kilowatt Leistung bis zu megawattstarken Solarkraftwerken. Der Wechselrichter ist eine Schlüsselkomponente von Photovoltaikanlagen. Er wandelt den erzeugten Gleichstrom in netzkonformen Wechselstrom um. Jahrelange Erfahrung schlagen sich nicht nur in der Schweizer Qualität, höchster Effizienz, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit der SolarMax Produkte nieder. Das Unternehmen bietet seinen Kunden darüber hinaus exzellente internationale Unterstützung im Bereich After Sales, umfangreiche Garantieleistungen und intelligente Lösungen zur Anlagenüberwachung. Dies hat zur Folge, dass im Logistikbetrieb Ersatzteile, Nacharbeiten und Sonderprodukte mit abgewickelt werden müssen. SolarMax ist international aufgestellt und beschäftigt derzeit rund 300 Mitarbeiter am Hauptsitz in der Schweiz und in den weltweiten Niederlassungen. Hier werden täglich bis zu 450 Wechselrichter in unterschiedlicher Größe von bis zu jeweils 25 Produktionsmitarbeitern produziert. Aufgrund des über Jahre anhaltenden großen Wachstums und der Tatsache, dass die Firma in Biel an drei Standorten tätig war, wurde 2009 mit der neuen Werksplanung begonnen. In einem Neubau sollte ein neuer optimierter Materialfluss aus Produktion, Verwaltung und Lagerung entstehen. Nach der Planungsphase im Jahr 2010 folgte der Spatenstich bereits im Juni 2011. Dank der guten Vorbereitung und erfahrenen Projektleitern konnte der Bezug bereits im September 2012 erfolgen (Abb. 3.93). Bei Neubauten werden für das Unternehmen über Jahre hinweg entscheidende strategische „Weichen“ gestellt und damit auch finanzielle Risiken eingegangen. Es ist daher Standard, die Leistungsfähigkeit (Abläufe, Wege, Reichweiten, Flächen und Ausbringung)
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Abb. 3.93 Im neuen Firmengebäude mit Produktion, Verwaltung und Lagerung wurde ein optimierter Materialfluss abgebildet
Abb. 3.94 Simulation der Materialversorgung am Arbeitsplatz
in der Projektphase durch Simulation abzusichern. Hier wird wie im Beispiel die Grenze der Ausbringung und Transporte untersucht. Ob die Abläufe effizient sind bzw. praktisch wirklich exakt so ablaufen ist damit jedoch nicht abgesichert (Abb. 3.94). Das Material fließt zunächst in die Palettenregale und von dort via Kanban in den „Supermarkt“. Wissenschaftlich korrekt ist dies ein Kommissionierzwischenlager, das aus Durchschubregalen mit Schwerkraftröllchenbahnen besteht (vgl. Kap. 3.6.9 Aufbau von
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Abb. 3.95 Versorgung aus dem Kommissionierzwischenlager
Schwerkraftrollenregalen). Dieses Regal erlaubt dem Train, sich effizient aus den Kommissionierlägern von der Entnahmeseite direkt an der Straße zu bedienen (vgl. Abb. 3.95). Die Simulation des Materialflusses mit den verschiedenen Verpackungen, Materialien und Mitarbeiterkonfigurationen ist ein weiterer Schritt zur Absicherung des Materialflusses vor der endgültigen Konzeptionierung (Abb. 3.96, 3.97). Materialfluss mit Kanban ist ein Thema, das verschiedene Fachbereiche betrifft. Daher ist es sinnvoll, hier einen Ablauf in Standard-Formblättern klar zu beschreiben (Abb. 3.98). Der Nachschub für den Supermarkt wird automatisch mittels hinterlegten Mindest- und Maximalbeständen ausgelöst. Es wird als Kommissionierauftrag eine Einmal-KanbanKarte als Aufkleber ausgedruckt (Abb. 3.99). Leere Behälter werden eingesammelt. Zeitgleich kommt in der Logistik die Bestellung an, welche parallel hier schon kommissioniert wird. Auf der Karte ist der Bestell- und Abgabeort eingetragen (Abb. 3.100). Mit einem neuen Fabriklayout allein ist es nicht getan. Ein umfassendes Kanban-System, ein C-Teile-Kanban, ein Supermarkt- und Train-System wurden implementiert. Die EDV-Anbindung, Buchungslogik, Scanner- und Label-Logik wurden festgelegt. Zudem wurden mit den Teams die Arbeitsweisen an die neuen Rahmenbedingungen angepasst, da sich Stellflächen und die Wege teils deutlich verändert haben. Der Materialfluss wurde kontinuierlich verbessert und angeglichen. Die Bedarfsplanung wurde regelmäßig überarbeitet, die Logistikwege optimiert, sowie die Kanban-Mengen, Behälter und Losgrößen angepasst. Auch hier unterliegt man dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) und darf sich nicht in „Sicherheit“ wiegen, sondern muss ständig auf der Suche nach Verbesserungspotenzial sein (Abb. 3.101).
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Abb. 3.96 Die Simulation des Materialflusses mit den verschiedenen Verpackungen, Materialien und Mitarbeiterkonfigurationen
Abb. 3.97 Die Simulation des Materialflusses (Detailansicht)
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Abb. 3.98 Materialfluss mit Kanban ist ein Thema, das verschiedene Fachbereiche betrifft. Daher ist es sinnvoll, hier einen Ablauf in Standard-Formblättern klar zu beschreiben
Abb. 3.99 Nachschub-Kanban für den Supermarkt
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Abb. 3.100 Produktions-Kanban-Karte
Abb. 3.101 Blick in die Produktionsfläche – der neue Materialfluss ist klar strukturiert und daher effizient
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Aus der Praxis
3.11.15 Die Mobile Fabrik Josef Minster In der Automobilindustrie fallen viele Schlagwörter, die Lösungen erfordern: Globalisierung, schnelle Standortverlegungen, international verflochtene Geschäfte, geografische Cluster um OEMs. Alles wird schneller, kostengünstiger und globaler. Im Einzelnen bedeutet dies für Automobilzulieferer, dass Aufträge an Unternehmen vor Ort erteilt werden, eine Lokalisierung aber nur dann sinnvoll ist, wenn ein verbindlicher Auftrag vorliegt. Ein Spagat, den die Schlemmer Group mit einem innovativen Ansatz und einer einfallsreichen Idee gelöst hat: die Mobile Fabrik – also dezentrale lokale Produktion direkt beim Kunden (Abb. 3.102). Dazu wird eine Produktionseinheit im Extremfall vollständig im Container aufgebaut (Abb. 3.103). Damit kann weltweit lokal und flexibel vor den Toren des Kunden produziert werden. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: • • • • • • •
Weltweite, flexible und ortsunabhängige Produktion Risikominimierung Schnelle, kostengünstige Lokalisierung Flexibilität, kurzfristige Reaktionsmöglichkeit Geringe bis keine Infrastruktur Steuerbare Bereitstellungsprozesse Deutliche Reduzierung der Transportkosten
Abb. 3.102 Die Mobile Fabrik – Der Truck: In diesem Truck befinden sich die einzelnen Aggregate, die für eine vollständige Produktion nötig sind. Die Produktion ist auf dem geparkten Truck und/oder auch in einer angrenzenden Halle möglich
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Abb. 3.103 Die Produktion im Container: Eine komplette Wellschlauchproduktion wurde im Container aufgebaut
Das Konzept wurde 2011 beim Kongress „Schlanker Materialfluss“ der Bayern Innovativ GmbH wissenschaftlich vorgestellt. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) zeichnete 2012 die Mobile Fabrik im Rahmen des Logistikkongresses mit dem Logistik Award aus. Die Mobile Fabrik ermöglicht weltweit die Verlagerung der Produktion von einer stationären Produktion in einen mobilen Container. Im Vordergrund stehen dabei die Chancen, die eine global vernetzte Produktion bietet: die Nähe zum Kunden sowie eine wirtschaftliche Gesamtlösung bei maximaler Flexibilität. Besonders gut geeignet ist die Mobile Fabrik für den Einsatz in Flächenländern wie Russland, China, Südostasien und Indien mit langen Anfahrtswegen und den damit verbundenen hohen Logistikkosten. Als ein wichtiger Zulieferer für kundenspezifische Kabelschutzsysteme und Komponenten, bedeutet das in den Flächenländern nicht gleichzeitig auch lokal agieren zu können. Mit der Mobilen Fabrik besteht die Möglichkeit, weltweit die Produktion und Lieferung von Wellschläuchen innerhalb von vier Wochen ans Band zu bringen. Dies schafft die Flexibilität, kurzfristig zu ökonomisch sinnvollen Preisen agieren zu können.
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Rasch im Einsatz, flexibel in der Ausrichtung Die völlig autark arbeitende Extrusionsfabrik in einem Spezialcontainer kann auf einen LKW verladen werden und rund um die Uhr fertigen. Die Materialien werden stets in den nächstgelegenen Rohstoffmärkten beschafft. Das fördert die Nachhaltigkeit und Flexibilität. Zudem spart der Kunde Logistikkosten. Denn mit der Mobilen Fabrik muss nur das Rohmaterial transportiert werden, das im Vergleich zum fertigen Produkt, dem Wellschlauch, weitaus weniger Volumen hat. Innerhalb von zwei bis drei Stunden ist die Mobile Fabrik produktionsbereit, wobei ein Team von zwei Mitarbeitern für die Betreuung ausreicht. Mit der technischen Ausstattung des Prototyps lassen sich derzeit 2.000–3.000 Produkte des Sortiments herstellen. 25 verschiedene Werkzeuge und drei Materialien werden dazu eingesetzt. Maximale Flexibilität ist gewährleistet: Die Mobile Fabrik kann ohne weiteres aus mehreren Containern und einer erweiterten Anzahl an Werkzeugen bestehen – je nach den individuellen Ansprüchen des Kunden. Das Gros der Erzeugnisse aus der Mobilen Fabrik richtet sich an die Zulieferindustrie für Automobil- und Nutzfahrzeuge sowie an die Maschinenbauindustrie. Auch Großprojekte für Bewässerungssysteme bzw. Solarabsorber können künftig direkt vor Ort mit Wellschläuchen beliefert werden. Der Ausstoß beträgt bei einem durchschnittlichen Wellschlauch, der mit 22 m pro Minute produziert werden kann, knapp über 21.000 m in einer Schicht, im Drei-Schicht-Betrieb maximal 62.000 m pro Tag. Das Produktionskonzept Die Schlemmer Group agiert 2013 mit 1.830 Mitarbeitern an 57 strategisch bedeutenden Standorten in 36 Ländern weltweit. Dabei handelt es sich um 22 stationäre Produktionsstandorte und eine mobile Produktionsstelle. Die Mobile Fabrik dient als besonders kundenorientierte Lösung, um dem Kunden als Vorstufe einer Industrialisierung die Vorteile einer lokalen Produktion bieten zu können. Beispiel am Standort Russland Die erste Station der Mobilen Fabrik befand sich im russischen Nizhni Novgorod, um die Produktion von Wellschläuchen für die Kabelkonfektionäre russischer Nutzfahrzeug-Hersteller und internationale PKW-Hersteller zu unterstützen (Abb. 3.104). Inzwischen ist der Bedarf an Kabelschutzsystemen im russischen Werk konstant hoch. So wird die mobile Produktionsanlage durch einen stationären Zubau ersetzt. Und die Mobile Fabrik wechselt weiter ihren Standort.
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Abb. 3.104 Die Produktion außerhalb des Containers: Die Module der einzelnen Produktionselemente können auch teilweise oder vollständig aus dem Container ausgeladen und in einer nahen Halle aufgestellt werden
3.12 Moderne Fabrikplanung – Materialfluss- und Arbeitsplatzdesign Robert Kuttler Um sich in einem stark veränderten Wettbewerbsumfeld – charakterisiert durch verkürzte Produktlebenszyklen, verstärkte Kundenorientierung sowie massiven Kostendruck – behaupten zu können, sind Unternehmen gezwungen, ihr Handeln möglichst flexibel an die neuen Anforderungen anzupassen, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Herausforderung bringt eine steigende Komplexität der gesamten Unternehmenssteuerung mit sich, welche sich bereits in der Konzept- und Planungsphase neuer Fabriken auswirkt und berücksichtigt werden muss. Die Fabrikplanung, ausgehend von der Umplanung einzelner Teilbereiche bis zur Generalplanung ganzer Produktionssysteme, spielt dabei die zentrale Rolle. Das oberste Ziel der Fabrikplanung richtet sich dabei stets nach der Gestaltung innovativer, effizienter und realisierbarer Produktions- und Logistiksysteme.
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3.12.1 Moderne Werkzeuge in der Fabrikplanung Die Fabrikplanung umfasst typischerweise unterschiedliche Planungsbereiche und -ebenen. Im Wesentlichen gliedert sich das Vorgehen in fünf Schritte mit den entsprechenden Arbeitsinhalten (Abb. 3.105). Aufgrund der gestiegenen Anforderungen und der Komplexität moderner Produktionssysteme ist der unterstützende Einsatz moderner EDV-Tools während der Planungsphase, insbesondere im Bereich der Grob- und Feinplanung (Schritt 3 und 4), mittlerweile unverzichtbar. Im Vordergrund steht dabei die Beherrschung einer Vielzahl unterschiedlicher Datenmengen, die Vernetzung und Abstimmung über einzelne Planungsschritte und -ebenen hinweg sowie die Reduzierung von Projektierungs- und späteren Umsetzungskosten durch die Vermeidung von Planungsfehlern. Nachfolgend eine Auswahl moderner Planungstools und ihrer Einsatzgebiete im Bereich der Fabrikplanung: Datenbanken während der Planungsphase Die Anwendung von Datenbanken bereits in der frühen Planungsphase zur zentralen Vorhaltung aller relevanten Planungsdaten stellt die Planungskonsistenz über alle Ebenen und Abb. 3.105 Vorgehensweise eines Fabrikplanungsprojekts. (Quelle: ifp GmbH)
1. Definition der Zielvorgaben Zu produzierendes Produkt, Produktspektrum, Target-Produktpreis, Ziel-Durchlaufzeit, Ziel-Maschinennutzung, etc. Product-Life-Cylce (PLC)
2. Vorplanung Erstellung „Business plan“, strategische Standortwahl, Erörterung Rahmenbedingungen, etc.
3. Grobplanung Ermittlung der Funktionsflächen, Schnittstellendefinitionen, Blocklayouterstellung, statische Grobdimensionierung, etc.
4. Feinplanung Detaillierte Prozessbeschreibungen, Betriebsmittelauswahl, Kapazitätsplanung, Produktions- und Lagerflächenermittlung, Ermittlung indirekter Flächen, Materialflussanalyse, Konzeption der Produktionssteuerung, Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitszeitmodelle, Planung der Logistiksysteme, Erstellung Detaillayout, etc.
5. Ausführungsplanung Durchführung von Machbarkeitsstudien, Erstellung von Umsetzungsplänen, Planung der Realisierungkosten, Lastenhefterstellung, etc.
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Bereiche sicher. Typische Planungsdaten dabei sind beispielsweise das zu produzierende Artikelspektrum, betriebsmittelspezifische Parameter, Produktstrukturen (Stückliste), Arbeitspläne, Materialbedarf und Materialstammdaten, etc. Durch die Anwendung einer zentralen Datenbank können unterschiedliche Projektteams auf den gleichen Datenbestand zurückgreifen, wodurch die Planungsgenauigkeit bzw. -durchgängigkeit erheblich erhöht wird. Zudem werden Planungsfehler deutlich reduziert. Bei hoher Qualität der Planungsdaten können Teile in das spätere Produktivsystem übernommen werden. Anwendung der dynamischen Ablaufsimulation Aufgrund der hohen Planungskomplexität und der Vielzahl von Einflussfaktoren bei der Konzeption moderner Produktionssysteme sind Aussagen zu Flächenbedarf, Durchlaufzeiten und Auslastungen, die statisch berechnet wurden, nicht mehr in ausreichender Genauigkeit ermittelbar. Der Einsatz der dynamischen Ablaufsimulation eignet sich dafür, die Komplexität abzubilden und liefert detaillierte Erkenntnisse über die zu erwartenden Betriebsmittelauslastungen, potenziellen Engpässe, benötigten Lager- und Pufferflächen in der Produktion und die zu erwartenden Durchlaufzeiten unter Berücksichtigung dynamischer Parameter [Dick 02]. Aufbauend auf den Daten der zentralen Planungsdatenbank werden virtuell unter unterschiedlichen Bedarfslasten mögliche Steuerungskonzepte und Logistiksysteme simuliert, die Auswirkungen dargestellt und optimale Konzepte ausgewählt (Abb. 3.106).
Abb. 3.106 Anlagenplanung mithilfe der dynamischen Ablaufsimulation
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Einsatz von Materialflusssystemen EDV-Systeme zur Materialflussanalyse und Gestaltung von Layouts nach materialflussoptimierten Gesichtspunkten unterstützen insbesondere den Feinplanungsprozess im Rahmen einer Fabrikplanung. In Abhängigkeit von unterschiedlichen Prozessabläufen der Produkte werden innerbetriebliche Materialströme im Layout hinsichtlich Volumen und Transporthäufigkeit analysiert. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden Maschinen systemunterstützt optimal angeordnet sowie entsprechende Transportmittel ausgewählt, um den Aufwand von Materialtransporten zu minimieren [Kapp 05]. 3D-Gestaltung von Arbeitsplätzen Die effiziente Gestaltung von Arbeitsplätzen wird durch den Einsatz von 3-D-Systemen maßgeblich beeinflusst. Neben der Überprüfung von ergonomischen Gesichtspunkten bei der Arbeitsplatzgestaltung helfen die Systeme auch bei der virtuellen Ermittlung von Taktzeiten und der Überprüfung von Kollisionen eines Montagevorgangs, ebenso bei der Planung technischer Anlagen und im Zusammenhang mit manuellen Tätigkeiten. Bereits vor dem Aufbau von Versuchsarbeitsplätzen bzw. -anlagen können Durchlaufzeiten und Flächenbedarf an den Stationen simuliert und Erkenntnisse für weitere Optimierungen abgeleitet werden (Abb. 3.107, 3.108).
Abb. 3.107 Einsatz von Materialflussplanungssystemen bei der Layoutgestaltung
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Abb. 3.108 Arbeitsplatzgestaltung mit 3D-Systemen
3.12.2 Integrative Planung und Wandlungsfähigkeit Um die Zielvorgaben komplexer Produktionssysteme zu erreichen, müssen bei der Planung alle Teildisziplinen, wie beispielsweise die Materialflussplanung, die Arbeitsplatzgestaltung, die Ausarbeitung geeigneter Produktionssteuerungen, sowohl einzeln, als auch im Gesamtzusammenhang zu anderen Bereichen bestmöglich konzipiert und betrachtet werden. So können ungeeignete Nachschub-Steuerungssysteme das Potenzial eines optimal geplanten Materialflusses zwischen den Arbeitsstationen stark schmälern. Durch Unterstützung der digitalen Planung mit modernen Planungstools wird die integrative Planung deutlich verbessert. Ergebnisse einzelner Planungsphasen werden nicht mehr isoliert betrachtet, vielmehr werden diese zu einem Gesamtoptimum unter der Berücksichtigung der Zielvorgaben zusammengeführt [Kapp 05] (Abb. 3.109).
Abb. 3.109 Zusammenführung digital geplanter Teilsysteme zum Gesamtkonzept. (Quelle: ifp GmbH)
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Aufgrund des sich stark veränderten Wettbewerbsumfeldes und der damit verbundenen Forderung nach erhöhter Flexibilität stehen moderne Fabriken und deren Planung neuen Herausforderungen gegenüber. Moderne Produktionssysteme müssen hinsichtlich Größe, Funktion und Struktur an veränderte Rahmenbedingungen schnell anpassbar sein. Sogenannte Wandlungstreiber, wie beispielsweise externe Markt- und Umweltbedingungen oder Technologien, führen zu einer permanenten Überprüfung der Flexibilität eines Produktionssystems schon während der Planungsphase. Erarbeitete Konzepte in allen Teilbereichen müssen sich hinsichtlich einer ausreichenden Wandlungsfähigkeit beweisen. Moderne Planungswerkzeuge unterstützen diesen Prozess dadurch, dass unterschiedliche Szenarien schnell und kostengünstig „durchgespielt“ und die damit verbundenen Auswirkungen transparent visualisiert werden können, wodurch eine Bewertung der Wandlungsfähigkeit eines Produktionssystems schon während der Planungsphase möglich wird. Zusammenfassung Aufgrund der gestiegenen Komplexität von Produktionssystemen ist ein Umdenken bereits in der frühen Planungsphase notwendig. Mithilfe des Einsatzes moderner Planungshilfsmittel werden in kürzerer Zeit Gesamtsysteme konzipiert, welche den zukünftigen Anforderungen nach erhöhter Flexibilität, Wandlungs- und Leistungsfähigkeit bei reduzierten Gesamtkosten gerecht werden. Nur eine durchgängige Fabrikplanung, die über die isolierte Betrachtung einzelner Teilbereiche, wie Materialflussplanung, Arbeitsplatzgestaltung etc. hinausgeht, erreicht das Ziel der Gestaltung innovativer, effizienter Produktions- und Logistiksysteme.
Aus der Praxis
3.12.3 Materialbereitstellung im Automotivbereich Udo Kilian, Steffen Krippendorf, Philipp Dickmann Voith ist ein weltweit agierender Technologiekonzern. Mit einem breiten Portfolio aus Anlagen, Produkten und Industriedienstleistungen bedient Voith fünf essenzielle Märkte: Energie, Öl & Gas, Papier, Rohstoffe sowie Transport & Automotive. Im Automotivwerk in Garching werden unter anderem Retarder (hydrodynamische Bremsen) und Getriebe für die LKW- und Bus-Industrie hergestellt. Im folgenden Praxisbeitrag wird die Materialbereitstellung der Sekundärwasserretarder (SWR), Vormontage der Hochtriebretarder (HV) und Getriebemontage vorgestellt. Am Standort werden ca. 60.000 Retarder und ca. 12.000 Getriebe im Jahr hergestellt.
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Abb. 3.110 Materialbereitstellung direkt von der Straße mit einem Routenzug. Ein ausgefeiltes Bereitstellkonzept mit Farbvisualisierungen und differenzierter Behälterzahl je Kanal soll Abrisse der Materialversorgung verhindern. Seit 1999 wird Ship-to-line des C-Teile-Dienstleisters erfolgreich eingesetzt
Bereitstellung an der Montagelinie SWR An der Montagelinie SWR wird in der Bereitstellung eine sehr hohe Materialdichte mit unterschiedlichsten Materialreichweiten umgesetzt. Um eine Absicherung der Materialversorgung zu erreichen, werden unterschiedlich viele Behälter in den Rutschen bedient. Verschiedene Versorgungskreise werden mit verschiedenfarbigen Schäferkästen visualisiert. Die Bereitstellungssituation ist Großteils über gelbe Rollen (nötigen Nachschub) und rote Rollen (baldiges Abreißen) visualisiert. Der Materialnachschub erfolgt weitgehend über Kanban und Routenzüge direkt vom Transportweg über einen Mikrologistiker. Die grünen Schäferkästen des ECOSIT-Systems werden direkt ohne Supermarkt (Ship-toline (STL)) vom C-Teile-Dienstleister bereitgestellt (Abb. 3.110). Hohe Materialdichte im Innenbereich Auffällig ist die extrem hohe Materialdichte bei der Arbeitsplatzgestaltung auf der Innenseite der Linie. Rund 110 verschiedene Materialien werden auf sehr geringem Raum bereitgestellt (Abb. 3.111). Hohe Materialdichte bei geringeren Stückzahlen Die Läuferbaugruppe des HV wird als Vormontage montiert. Dies ist ein Extrembeispiel für die hohe Dichte der Materialbereitstellung und die Optimierung der Greifwege. Alte Lagersysteme wurden mit neuen kombiniert, die Effizienz und die Materialdichte sind im Vergleich zum SWR ohne Neuinvestition gewährleistet. Dieses Konzept ist ein Beispiel dafür, dass effiziente Bereitstellung für Langsamdreher bis hin zur Individualproduktion im Einzelstück- oder Ersatzteilbereich erreichbar ist (Abb. 3.112).
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Abb. 3.111 Auf der Innenseite der Linie ist die hohe Materialdichte gut erkennbar
Montage im fünfeckigen Grundriss (Pentagon) mit sternförmiger Materialversorgung Die Montage der ca. 12.000 Getriebe pro Jahr erfolgt in einem Pentagon auf fahrenden Montageböcken. Auf einer fünfeckigen Förderstreckenbahn bewegen sich diese in der sogenannten Montrail (FTS-Montageböcke) und werden von außen sternförmig mit Material versorgt. In V-Bahnen werden auch Vormontagen vorgenommen und das Leergut an die Versorgungsstraßen entsorgt. Die sternförmige Materialbereitstellung von außen ist eine logische Konsequenz der Montage von vielen, teils sehr voluminösen Komponenten. Die pentagonförmigen Büros der indirekten Mitarbeiter sind Gemba-orientiert in der Mitte der Montageinsel angeordnet (Abb. 3.113).
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Abb. 3.112 Läuferbaugruppenfertigung: extreme Dichte an bereitgestellten Materialien mit konventioneller Regaltechnik und bei Werkbankfertigung
Abb. 3.113 Montagepentagon der Getriebemontage und das in der Mitte liegende, Gemba-orientierte Büro mit den Verantwortlichen
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Aus der Praxis
3.12.4 Linienarbeitsplatzgestaltung: Linie versus Boxenmontage Philipp Dickmann Mit moderner Montagegestaltung assoziiert man heute vorwiegend die Linienform. Linienproduktion gilt zu Recht in vielen Fällen als die Optimalvariante für Produktion, sie muss aber auch Flexibilitätsanforderungen abbilden können. Bei kleineren Stückzahlen oder sehr überschaubarem Montageaufwand in Relation zum Bedarf, ist die Boxenmontage die effiziente Alternative (Abb. 3.114). Produktion in Linienform In dieser Produktions- und Bereitstellvariante werden die Materialien entlang des Materialstroms oder der Verbaureihenfolge an mehreren Arbeitsplätzen bereitgestellt. Klassisch wird in Deutschland eine starre Anzahl an Arbeitsplätzen definiert, mit der dann die Soll-Ausbringung, also der Kundentakt, angestrebt wird. Die Mitarbeiter stehen oder sitzen dabei statisch an einem Arbeitsplatz der Linie. Somit müssen sie nur einen Teil des Gesamtmontageprozesses beherrschen. Deswegen wird hier häufig auf Mitarbeiter mit geringerem Ausbildungsniveau zurückgegriffen. Dieser Ansatz müsste jedoch vielfach infrage gestellt werden, da sich im Rahmen einiger unserer Projekte bestätigt hat, dass höher qualifizierte Mitarbeiter beim Vergleich der differenzierten Prozesskosten in der Summe kostengünstiger waren. Die Bereitstellung und die Greifräume werden aber dennoch für diese starre Auslegung optimiert.
Montagebock
Werkstück Werker
Abb. 3.114 Schematische Abbildung eines Boxen-Montagearbeitsplatzes
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
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Höhere Flexibilität in der Realität und Follow-the-Rabbit Die in Deutschland üblichen Lean-Umsetzungen dogmatisieren meist diese starren Arbeitsplätze und erlauben eine Reaktion auf Flexibilitätsanforderungen nur durch veränderte Nutzungszeiten dieser Idealkonfiguration. Dies geht soweit, dass ohne nähere Untersuchung Bedarfe kumuliert, Puffer definiert und ausbringungsorientierte Produktion unter der Überschrift Lean umgesetzt werden. Eine andere Fehlentwicklung eines vermeintlichen Lean-Verständnisses findet sich in der dogmatischen Ablehnung von Flexibilitätsanforderungen des Kunden (ausbringungsorientierte Produktion). In der Realität muss man aber mit • abweichenden Bedarfen der Kunden, • Mitarbeiterzahlen und • Ausbildungsständen bzw. Effizienzgraden der Mitarbeiter zurechtkommen. Die Realität erzwingt daher mehr Flexibilität, und da die dogmatischen Ansätze dies nicht abbilden, werden sie als theoretische Forderungen vielfach ignoriert. Leider führt dies in der Praxis dann häufig zu Wildwuchs und zur völligen Abkehr von wichtigen Standards. Generell bietet Lean sehr wohl die Möglichkeit, mit einer geringeren als der Optimalbesetzung zu arbeiten. Ein wichtiger Ansatz ist das laufende Fertigproduzieren in der Linie (Follow-the-Rabbit), in dem die Werker nacheinander jeden Arbeitsschritt abschließen und so hintereinander arbeiten. Dieses Konzept nennt sich Boxenmontage (Abb. 3.114). Boxenmontage Traditionell ist dies eine Montageform für größere Aggregate (etwa Getriebe), die in Einzelstückzahlen an einem Platz montiert oder repariert werden. Vorteilhaft ist hier im Vergleich zur Linie, dass die Produkte in der Regel in einer Vorrichtung fixiert sind, die schwenkbar ist (Abb. 3.115). So erreicht man ein sehr effizientes ergonomisches Arbei-
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P. Dickmann et al.
Abb. 3.115 Montagebock einer Boxenmontage als Beispiel der „Universal-Motor- und Getriebereparaturstand mobil“. Dieses Beispiel erlaubt eine problemlose Handhabung von Aggregaten mit zu bis 600 kg Traglast. Derartige Montageböcke gibt es zum manuellen Drehen, oder vor allem für schwerere Montageobjekte zum schnellen ergonomischen Bewegen mit Antrieb. (Quelle: Werner Weitner GmbH)
ten. Um die Montagevorrichtung werden Regale aufgestellt, sodass durchaus mehr als 200 Materialien bereitgestellt werden können. Natürlich ist ab einer gewissen Menge an Materialien der Greifweg deutlich schlechter als bei einer Linie. Sofern hier komplexe und langwierige Montageschritte mit einem geringen Anteil an Greifwegen für Material notwendig sind, kann dies aber unmaßgeblich sein (Abb. 3.116).
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Abb. 3.116 Rollbare Werkzeughalter als Shadow-Boards oder Lochblech sind sehr gut für die ergonomische Bereitstellung von Kleinmaterial und Werkzeugen bei Boxenmontagen geeignet. Sie können auch als Rüstsatz verwendet werden. Sehr schön ausgeführt ist hier das Shadow-Board mit allen handlichen Montagewerkzeugen. Das Beispiel ist das TSS-Werkzeugaufbewahrungssystem in Ständerbauweise. (Quelle: Werner Weitner GmbH)
Aus der Praxis
3.12.5 Lifter-Systeme Philipp Dickmann Diese Systeme sind speziell zur Bereitstellung von Behälterstapeln in ergonomischer Höhe geeignet. Klassisch ist die Anwendung, einen Stapel mit dem Roller auf einen Lifter zu schieben und einfach nach jedem Behälter um einen Takt hochzufahren. Dies kann über Lichtschranken automatisch erfolgen. Es muss beachtet werden, dass bei dieser Standardumsetzung eine echte Wartezeit durch das Rauf- und Runterfahren entstehen kann. Zudem ist es wichtig, bei der Arbeitsplatzgestaltung darauf zu achten, dass in der Regel die gleiche Menge an Leergut zu entsorgen ist. Zur Entsorgung werden auch Lifter-Systeme angeboten. Alternativ können zur Beseitigung von nicht zu schweren Behältern auch günstige Federkraftsysteme (bekannt als Tablarwagen, wie sie in der Gastronomie üblich sind) verwendet werden (Abb. 3.117, 3.118, 3.119, 3.120).
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Abb. 3.117 Lifter-Beispiele in der Montage. (Quelle: Bloksma Engineering GmbH)
Abb. 3.118 Zuführung mit Vollgut und Sammeln von Leergut in einem Gerät. (Quelle: Bloksma Engineering GmbH)
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Abb. 3.119 Gitterboxen erzeugen am Boden ein sehr ungünstiges ergonomisches und zeitaufwändiges Bücken. Durch eine Schwenk- und Hebevorrichtung wird dies deutlich verbessert. (Quelle: Bloksma Engineering GmbH)
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Abb. 3.120 Sequenzierte Bereitstellung ist mit Liftern im Stapel gut zu unterstützen. Im Bild sind auf jedem Tray unterschiedliche Teile zu sehen (FILO). (Quelle: Bloksma Engineering GmbH)
3.13 Kartonsimulation (Cardboard Engineering) Philipp Dickmann Simulation in Produktion und Logistik ist in vielfältiger Weise möglich. Universitär wird der Begriff weitgehend als Synonym zur Verwendung vielfältigster Umsetzungen mit Simulationssoftware gesehen (vgl. Kap. 5.6 Simulationsbasierte Optimierung und Kap. 3.11 Wertstromdesign). IT-Basierte Ansätze Arbeits-, Produktions- oder Logistikvorgänge werden hierbei mehr oder weniger stark abstrahiert. Dann werden Szenarien meist anhand der Massendaten aus ERP-Systemen durchgespielt. In der Logistik etwa zur Beurteilung
3 Schlanken Materialfluss praktisch umsetzen
• • • •
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der realen Leistungsfähigkeit von Fördertechnik, von Transportsystemen, des Neubaus von Lagersystemen oder von komplexen Logistiknetzen
ist dies heute State-of-the-Art. Auch zur Arbeitsplatzgestaltung nach der „Methode der vorbestimmten Zeiten“ (z. B. MTM) werden Simulationsmethoden abstrakt oder mit grafischen Visualisierungen der Arbeitsplätze und den exakten Bewegungen der Mitarbeiter eingesetzt. Dies erlaubt eine exakte Leistungseinschätzung und Arbeitsplatzoptimierung (auch in der Logistik, etwa Kommissionierung) von nicht existenten Arbeitsplätzen. Der Aufwand für diese Methoden ist beträchtlich und der Abstraktionsgrad birgt das Risiko von Abweichungen. Das bedeutet, nur eine Person, die sich bestens in den Details der Arbeitsvorgänge sowie Störgrößen auskennt und sehr professionell mit den Tools umgehen kann, wird ein realitätsnahes Ergebnis erreichen. Lean-Simulation als „Herzstück“ von Kaizen Im Vergleich zu anderen Optimierungsansätzen ist das „Ausprobieren“ ein Kernmerkmal von Kaizen bzw. Lean. Diese zielorientierte Methode ist durch das sofortige Ausprobieren und die praxisorientierte Weiterentwicklung grober Ideen gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu steht der wissenschaftliche Ansatz, der in Form von theoretischen Diskussionen auf eine 100 %ige Ideallösung abzielt oder eben aufwändige Berechnungen benötigt. Der klassische Lean-Ansatz nutzt hierfür die praktische Simulation mit provisorischen Aufbauten aus Karton, Tischen oder genormten Kleinladungsträgern (KLT) mit meist viel Klebeband. Diese Tests werden nicht nur (wie in Deutschland) in abgetrennten Trainingsoder Testbereichen eingesetzt, sondern sehr wohl auch als provisorische Poka Yoke-Vorrichtungen im realen Produktions- oder Logistikprozess. Im Gegensatz zu den IT-basierten Systemen sind diese Methoden extrem • physisch, • schnell und • kommen mit minimalem Schulungsaufwand aus. Das Ergebnis wird weitestgehend durch die fachliche Kompetenz und Erfahrung der Teilnehmer definiert. Der Aufbau sollte möglichst exakt die Realität in räumlicher Dimension und Gewicht widerspiegeln. Kartonsimulation Kartonsimulation, Kisten-Simulation, KLT-Simulation, Testaufbauten oder CardboardEngineering beschreiben einen sehr simplen Ansatz. Anstelle von langwierigen und teuren Musterbauten (in Originalmaterial und -toleranz) wird einfach, schnell und kostengünstig mit Karton, Klebeband und unter Verwendung von möglichst originalem Equipment eine möglichst detailgetreue Simulation aufgebaut. Entscheidend sind außerdem die maßgeb-
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liche Einbindung der Personen, die später operativ an den Arbeitsplätzen arbeiten und ihre Zusammenarbeit mit den indirekten Mitarbeitern in einem Workshop.
Aus der Praxis
3.13.1 Arbeitsplatzgestaltung und Kartonsimulation Hans-Peter Kemser, Torsten Krzywania Über BMW AG, Regensburg, vgl. Kap. 1.20.2 Ganzheitlicher Lean-Ansatz – Produktionssystem in einer flexiblen Automobilproduktion. Störungsfreie Montageprozesse und konstante Zykluszeiten werden hier unter anderem mit Kartonsimulationen erreicht (Abb. 3.121).
Abb. 3.121 In den Abbildungen ist der Weg von der Grobkonzeptionierung mit Layouts bis hin zu den Tests mit einer Kartonsimulation mit vielen Details zu sehen. Wichtig ist hierbei, die Stellflächen für Material, Werkzeuge, Prüfvorrichtungen, Leergut, Wege der Mitarbeiter und Ergonomie zu berücksichtigen. Die Kartonsimulation erlaubt es, den neuen Arbeitsbereich detaillierter zu testen als in einer Grafik. (Quelle: BMW AG, Regensburg)
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Aus der Praxis
3.13.2 Kartonsimulation einer Linie Jochen von Kamp Zum Unternehmen vgl. Kap. 3.9.8 Roller-Trains und FIFO-Lager-Systeme. Optimierung der Arbeitsplätze und der Materialbereitstellung mit Kartonsimulation ist die Standardmethode. Hier einige Beispiele verschiedener Arbeitsplätze (Abb. 3.122).
Abb. 3.122 Verschiedene Beispiele für Kartonsimulation
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3.14 Virtual Reality und Augmented Reality in der Materialflussplanung Johannes Wulz Die Virtual- und Augmented Reality Technologie etabliert sich zusehends als Präsentations- und Analysewerkzeug, das die Kommunikation in Planungsprozessen verbessert und dem Planer hilft, Planungsfehler zu vermeiden. Beispielsweise im Bereich der Fertigungsplanung können durch die Darstellung von Produktgeometrie in der realen Fertigungsumgebung bereits ab der Designphase Engstellen und Kollisionen identifiziert werden. Dadurch entfallen kosten- und zeitintensive Untersuchungen mit materiellen Prototypen. Die dreidimensionale Darstellung veranschaulicht zudem die Planungsstände und bietet eine visuelle Diskussionsgrundlage für alle an der Planung Beteiligten. Das Materialflussund Arbeitsplatzdesign wird durch diese zukunftsweisende Technologie erheblich vereinfacht und stellt ein wesentliches neues Hilfsmittel bei der Planung und Einführung eines schlanken Produktionssystems dar. Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) Technologie sind zwei neue, moderne Technologien, die den Prozess der Logistiksystemplanung in Zukunft erheblich effizienter gestalten werden. Hintergrund des Einsatzes sind die steigenden Anforderungen an die Planung, schneller und effizienter zu arbeiten, aber gleichzeitig mehr Adaptivität im Sinne der Reaktionsfähigkeit zu gewährleisten.
3.14.1 Technologie Der Begriff Virtual Reality bezeichnet eine den menschlichen Sinnen vorgetäuschte, vollständig künstlich erzeugte Umgebung. Diese ermöglicht es, dreidimensionale Rechnerbasierte Modelle, wie eine Logistikanlage, in einer neuartigen Art und Weise zu erleben. Im Gegensatz dazu stellt AR die Möglichkeit dar, virtuelle 3-D-Geometrien positionsgenau in Bilder oder Filme einer realen Umgebung zu platzieren. Für den Betrachter verschmilzt so die reale mit der virtuellen Welt [Alt 03].
3.14.2 Nutzen und Anwendungen VR und AR eröffnen neue Möglichkeiten in der Evaluierung von Planungsständen beziehungsweise alternativen und der interdisziplinären Teamarbeit. Die virtuelle Realität ist das ideale Hilfsmittel, komplexe Zusammenhänge in Hinblick auf geometrische und dynamische Sachverhalte zu verstehen und zu untersuchen. Komplizierte Problemstellungen sind dadurch auch fachfremden Personen einfach zu vermitteln. Besonders hervorzuheben ist die Möglichkeit, Planungsteams in ihrer interdisziplinären Zusammenarbeit zu fördern. Zum einen kann die Kommunikation [Walt 02] besser gestaltet werden, bedenkt man,
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Abb. 3.123 Virtual Reality in der Konstruktion bzw. Planung materialflusstechnischer Systeme. (Quelle: Lehrstuhl fml)
dass sich Planer unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam in der virtuellen Realität bei einer nahezu 1:1-Abbildung eines virtuellen Logistiksystemmodells abstimmen können. Zum anderen wird auch das Arbeiten an verteilten Standorten wesentlich unterstützt. Moderne VR-Systeme sind in der Lage, per Internetverbindung an ein- und demselben VR-Modell an unterschiedlichen Standorten gleichzeitig zu arbeiten, was zu einer besseren Abstimmung der Teilbereiche und damit zu einem besseren Gesamtergebnis führt. Bau- und Anlagenplaner sowie weitere an der Planung beteiligte Bereiche können so in noch engerer Verzahnung kooperieren. Im Vergleich zu den heute konventionellen Methoden ergeben sich vielfältige Nutzungspotenziale, wie beispielsweise in der Konstruktion bzw. Planung materialflusstechnischer Anlagen (Abb. 3.123). Kostenintensive Versuche und Fehlerbehebungen an realen Anlagen entfallen, da vorab ein virtueller Prototyp zur Reife gebracht wird. Beachtet man die Kosten für den Bau eines physischen Systems, die durchaus im mehrstelligen Millionenbereich liegen können, so wird deutlich, dass der Einsatz von VR-Technologien sinnvoll ist, kostet die Fehlerbeseitigung an realen Materialflusssystemen doch wesentlich mehr als an virtuellen Modellen. Während sich die VR für tendenziell große Modellumfänge eignet, ist die AR eher auf den kleineren Rahmen beschränkt. Sie eignet sich zur Überprüfung von Kollisionen zwischen Anlagenteilen und Produkt an problembehafteten Stellen. Dabei werden diese meist bekannten Stellen in der Realität mit virtuellen Produktgeometrien überlagert, um so eine Aussage über den Änderungsaufwand an Anlagen oder Gebäudestrukturen zu erhalten. Diese Anwendung erfolgt hauptsächlich bei Änderungen am Produkt oder Produktneueinführungen, wie dies beispielsweise in der Automobilindustrie vermehrt der Fall ist. Bei BMW wurden so im Bereich der Montage entlang der Förderstrecke potenzielle Kollisionsstellen einer Frontklappe untersucht (Abb. 3.124). Die daraus gewonnenen Kenntnisse geben Auskunft über Art und Umfang der notwendig werdenden Umbaumaßnahmen an der Fördertechnik und helfen dabei, die erforderlichen Kosten transparent zu machen [Günt 06].
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Abb. 3.124 Virtuelles Modell in realer Fertigung [Günt 06]
In „Virtual and Augmented Reality Applications in Manufacturing“ [Ong 04] verweisen S.K. Ong und A.Y.C. Nee auf weitere Anwendungsbeispiele, die bereits teilweise in der Industrie umgesetzt wurden und einen umfassenden Einblick in die Welt der virtuellen Technologien und deren Anwendung geben. Resümierend ist davon auszugehen, dass beide Technologien in Zukunft eine große Rolle als Hilfsmittel in der Planung spielen werden und so einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung schlanker Produktionssysteme mit Kanban leisten.
3.15 Fabrik- und Materialflusssimulation direkt aus einem ERP/PPSSystem heraus – einfacher ist mehr! Joachim Berlak Industriebetriebe sind heute mehr denn je gefordert, ihre Geschäfts- und Produktionsprozesse permanent auf die Marktbedingungen und Kundenanforderungen über den gesamten Lebenszyklus einer Fabrik hin auszurichten (Abb. 3.125). In diesem Kapitel wird die Notwendigkeit eines einfach bedienbaren und integrierten Werkzeugs zur Fabrik-, Layout- und Materialflussplanung für kleine und mittelständische Industriebetriebe diskutiert. Mit JobDISPO FAP (Software zur Fabrik- und Materialflusssimulation) existiert ein solches Werkzeug, welches ohne spezielles Simulations-Knowhow auskommt und direkt an ein bestehendes ERP/PPS-System (Enterprise Resource Planning/Production Planning and Scheduling-System) angebunden werden kann. Der Anwender arbeitet wie in einem herkömmlichen Grafikprogramm, verschiebt Ressourcen per „Drag and Drop“, worauf automatisch eine Ablaufsimulation erfolgt und der Planer die Auswirkungen seines Handelns online und in Echtzeit aufbereitet sieht. Im Bereich der Fabrik-, Materialfluss- und Layoutplanung können hierzu folgende Softwarewerkzeuge eingesetzt werden:
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Abb. 3.125 Lebenszyklus von Fabriken [Wien 04]
• Eigenentwickelte Berechnungslösungen oder Datenbanken auf Basis von z. B. MS Excel oder Access zur Aufnahme von Mengengerüsten, Kalkulationen und Analysen; • 2-D/3-D-CAD- oder Grafikprogramme wie AUTOCAD oder UNIGRAPHICS zur Modellierung und Visualisierung von Layouts; • Virtual Reality (VR)- und Augmented Reality (AR)-Lösungen (von z. B. vgl. VR und AR) für den „Freiflug“ durch die zu planende Fabrik; • Simulationswerkzeuge von z. B. TECNOMATIX oder DELMIA zur zeitdiskreten Ablaufsimulation von Materialflüssen; • Teilintegrierte Werkzeuge wie MATFLOW oder FASTDESIGN die CAD-Programme um Berechnungswerkzeuge erweitern. Die grundlegende Problematik der oben genannten Softwarewerkzeuge besteht in ihrer mangelnden Durchgängigkeit und Vernetzung untereinander und in dem teilweise hohen monetären Aufwand, der in Einführung und Betrieb zu investieren ist [Baye 02]. Software zur Ablaufsimulation stellt im Prinzip einen Baukasten zur Verfügung, mit dem der Anwender ein Simulationsmodell für seine spezifische Problemstellung entwickeln kann [Wern 01]. Hierzu benötigt er zum einen Zeit und vor allem Kompetenz und Fachwissen. Zum anderen ist der Aufbau von Simulationsmodellen immer an einen konkreten Zeitpunkt gebunden, an dem die konkrete Problemstellung abgebildet, simuliert und abschließend analysiert wurde. Zu einem späteren Termin können sich die Randbedingungen geändert haben und damit die Aussagen aufgrund des ursprünglichen Modells nicht mehr gültig sein. Vor diesem Hintergrund hat die FAUSER AG im Rahmen eines Forschungsprojekts mit Hochschul- und Industriepartnern wie der BMW Group, ALCAN, Strama-MPS sowie Scholpp ein neuartiges und integrales Simulationswerkzeug entwickelt [Zäh 04b]. Ziel war es, besonders für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), zum Ausgleich
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des Mangels an qualifiziertem Personal und Finanzmitteln, eine einfach bedienbare Software zur Fabrik- und Materialflusssimulation ohne aufwändigen Simulationsmodellbau zur Verfügung zu stellen. Dieses Werkzeug wird unter dem Namen JobDISPO FAP von der Fauser AG vertrieben und greift direkt auf die Stamm- und Bewegungsdaten bestehender ERP-/PPS-Systeme zurück [Berl 04a]. Durch die Eigenschaften dieser Lösung werden weitreichende Nutzenpotenziale für den Anwender ermöglicht: • Simulieren mit realen Daten: Durch ein EAI-Werkzeug wird die Schnittstelle zu einem vorhandenen ERP/PPS-System, z. B. MYSAP, NAVISION, Baan, AP oder INFOR konfiguriert. Damit kann direkt auf Aufträge, Stücklisten, Arbeitspläne und Ressourcen zugegriffen werden. Man vermeidet Dateninkonsistenzen und arbeitet stets mit aktuellen Daten. • Simulieren mit geringem Aufwand: Layoutplanung erfolgt wie in einem klassischen Malprogramm durch Verschieben von Maschinen per "Drag and Drop". Hierfür werden keine Simulationskenntnisse benötigt, deshalb ist auch ein sehr geringer Schulungsaufwand ausreichend. • Simulieren in Echtzeit: Keine zeitliche Halbwertszeit von Simulationsmodellen und somit eine fortlaufende und aufwandsarme Ablaufsimulation. Zum besseren Verständnis der Verwendung, Funktionalität und des Nutzens von JobDISPO FAP soll folgendes Anwendungsbeispiel dienen. Anwendungsbeispiel Einer der ersten Anwender von JobDISPO FAP ist der Automobilzulieferbetrieb Weh mit mehr als 100 Mitarbeitern aus Illertissen [Berl 04b], der sich von einem reinen Zulieferbetrieb zum führenden Anbieter von Schnellkupplungen für unterschiedliche Anwendungen und einem Pionier auf dem Gebiet der Erdgas- und Wasserstoffbetankung entwickelt hat. Aufgrund der stetig steigenden Nachfrage im Nischenmarkt für Schnelladapter und einem Umsatzwachstum von 40 % im Jahr 2004 war für den Betrieb ein Umzug unumgänglich. Die bestehenden Flächen konnten nicht erweitert werden, deshalb entschied man sich 2005 zum Neubau auf einem 20.000 qm Areal in unmittelbarer Nachbarschaft. Zur Fertigungsfeinplanung und Betriebsdatenerfassung unterhalb des bestehenden ERP-SYSTEMS von APS DELTA und demnächst NAVISION setzt das Unternehmen seit jeher die entsprechenden JobDISPO-Lösungen ein. „Deshalb lag es nahe mit JobDISPO FAP das neu entwickelte Werkzeug zur Fabrik-, Layout- und Materialflussplanung auszuprobieren. Um den Materialfluss und das neue Werk zu dimensionieren, sind wir wie folgt vorgegangen“, so Produktionsleiter Michael Döring: 1. ERP-/PPS-Anbindung: Zuerst wird über eine Schnittstelle zum ERP-/PPS-System geschaffen und die Stamm- und Bewegungsdaten, wie z. B. Ressourcen, Arbeitspläne und Aufträge werden zeitgesteuert übernommen. Da in vielen Systemen, wie auch in unserem, logistische Informationen innerhalb der Arbeitsgänge zu Behältern und Transportsystemen fehlen, wurden diese nachträglich hinterlegt.
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2. Flächendefinition: Für jede zu verplanende Ressource muss die Grundfläche, die Einund Ausgangspuffer sowie die Bedienfläche für den Werker definiert werden. Dies erfolgt in einer 2-D-Ansicht, in der wie in einem klassischen Malprogramm gezeichnet werden kann. Der Erstellungsaufwand hält sich aber durch das Anlegen von vordefinierten Mustern in Grenzen. 3. Layoutplanung: Durch die maßstabsgerechte Anordnung der in der Produktion benötigten Flächen wird die Zuordnung von Ressourcen durchgeführt. Hierzu wird mittels einer 2-D-Darstellung die Halle samt Mauern und Toren definiert. Auch hier erfolgt die Bedienung analog zu einem Malprogramm. Im Anschluss wird die Anordnung der vorher flächenmaßstabsgetreu festgelegten Ressourcen in der Halle vorgenommen. Des Weiteren können Bereiche, Wareneingang und -ausgang sowie sonstige planungstechnisch relevante Objekte angelegt werden. Durch „Drag and Drop“, Zoomen sowie einem skalierbaren Maßstab wird eine einfache und intuitive Bedienbarkeit erreicht. So kann in kürzester Zeit ein erstes Fabrik- oder Bereichslayout gezeichnet werden. Zudem ist es möglich, beliebige Layouts zu verwalten, zu simulieren und zu drucken. 4. Materialflussplanung: Aufbauend auf einem gezeichneten Layout wird dann die Materialflussplanung durchgeführt. Grundlage hierfür sind die Arbeitsgänge, mittels derer die möglichen Transportwege mit einem intelligenten Wegesuchalgorithmus berechnet werden. Hierbei können auch bevorzugte Transportwege, z. B. Hallengänge festgelegt werden. Die resultierenden Materialflüsse werden grafisch dargestellt (Abb. 3.126).
Abb. 3.126 Layout- und Materialflussplanung mit JobDISPO FAP
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Des Weiteren kann hier die Berechnung einer optimalen Maschinenanordnung unter Berücksichtigung der kürzesten Transportwege angestoßen werden. 5. Ablaufsimulation: Nach der Anordnung der Maschinen in der Halle, erfolgt die dynamische Simulation der aus dem ERP/PPS-System importierten Aufträge über einen frei definierbaren Zeitraum hinweg. Hierbei werden Behälter und Transportsysteme dynamisch anhand des Arbeitsplans angefordert und der Transport auf den vorher ermittelten Transportwegen durchgeführt. Die sich hieraus ergebenden bzw. simulierten Verteil- und Übergangszeiten sowie der Durchlauf der Aufträge werden interaktiv visualisiert. Man kann die Simulation an beliebigen Stellen anhalten und Probleme eingehend analysieren. Entscheidend ist, dass diese Ablaufsimulation sehr einfach zu handhaben ist und keinerlei Simulationskenntnisse notwendig sind. Jedoch sind die Freiheitsgrade in der Definition von Stochastiken für Rüst-, Bearbeitungs-, Transportund Wiederbeschaffungszeiten sowie Szenarien für Ressourcenausfälle etwas begrenzter als in herkömmlichen Ablaufsimulationswerkzeugen. 6. Auswertungen: Nach erfolgter Simulation können entsprechende Auswertungen über die Qualität der Planung angestellt werden. Mittels verschiedener Reports können tiefgehende Analysen im Rahmen der Fabrik-, Layout-, Material- und Transportflusssowie Logistikplanung durchgeführt werden. 7. Kontinuierliche Verbesserung: Durch ein konfigurierbares Berichts- und Vorschlagswesen können in einer Ausbaustufe automatisierte Verbesserungsvorschläge vom System generiert werden. „Mit JobDISPO FAP haben wir das Hallenlayout und die einzelnen Fertigungslinien geplant, um optimale Materialflüsse und kürzeste Wege zu erreichen. Es sind dabei sehr viele Anregungen von uns in die Weiterentwicklung der Software mit eingeflossen“, erklärt Michael Döring. Setzt man den Aufwand in Relation zum erzielten Nutzen, so kommt Herr Döring zu einer klaren Aussage: „Die Investition in JobDISPO FAP war absolut rentabel. Wir haben nun einen kontinuierlichen Rekonfigurierungsprozess und richten so unsere Produktionsstrukturen und -prozesse stets optimal auf den Markt hin aus.“
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Supply Chain Management (SCM) mit Kanban Philipp Dickmann, Anja Beer, Mario Graßy, Florian Seidl, Stephan Süß, Christian Loipeldinger, Colin Herron, Peter Schmidt, Eva Dickmann, Wolf-Michael Gerth und Claus-Eduard Wittmann
Philipp Dickmann Nach Schätzungen von Mercer Management Consulting und dem Fraunhofer Institut wird der Wertschöpfungsanteil in der Automobilindustrie von durchschnittlich 35 % im Jahr 2002 auf 23 % im Jahr 2015 sinken [Merc 04]. Die Studie „FAST 2025 – Future Automotive Industry Structure“ geht sogar noch weiter und prognostiziert bis 2025 lediglich nur noch 9% [Wyma 12]. Der Trend, die Produktionstiefe oder allgemeiner, die Wertschöpfungstiefe, zu reduzieren, hat zur Folge, dass die Kaufteile den größeren Teil der Wertschöpfung einnehmen. Die Optimierungspotenziale und der Einfluss auf die Kosten wandern immer mehr zu den Lieferanten, vor allem bei größeren Unternehmen oder Konzernen. Lieferanten-Philosophien, die auf oberflächlichen Verbindungen zu Lieferanten aufbauen, um immer optimal und schnell den günstigsten Teilepreis zu erhalten, haben sich in vielen Sparten oder Produktbereichen, z. B. im Maschinenbau, im besten Fall als P. Dickmann () · E. Dickmann lepros GmbH, Grafing b. München, Deutschland E-Mail:
[email protected] A. Beer Garching, Deutschland M. Graßy Böllhoff GmbH, Bielefeld, Deutschland F. Seidl Keller & Kalmbach GmbH, Unterschleißheim, Deutschland S. Süß Sorrin Group, Deutschland GmbH, München, Deutschland C. Loipeldinger Krones AG, Neutraubling, Deutschland © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 P. Dickmann (Hrsg.), Schlanker Materialfluss, DOI 10.1007/978-3-662-44869-4_4
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Bewertungsmaßstab zur Optimierung:
te nt
gs po
Economic Value Added Optimierung
ia le
WBZ + DLZ LZ
ia le
O
te nt
Zeitfaktor =
pl an or pt ie im nt ie ie ru rt n
be sc pr haf O ei fu pt so ng im rie sie ru nt o ng ie de sp rt r o
bedarfsorientiert bedarfsorientiert
WBZ = Wiederbeschaffungszeit DLZ = Durchlaufzeit LZ = Lieferzeit
Abb. 4.1 Typen von Unternehmensnetzwerken [Maie 06]: Der Kennwert Zeitfaktor erlaubt die Bewertung der Lieferantentypen
kurzfristig erfolgreich erwiesen. Kooperative und nachhaltige Strategien sind der erfolgversprechendere Weg, zumindest mittel- bis langfristig. In der Realität wird sehr wenig in Supply Chain-Konzepte investiert und die Umsetzungen sind daher vielmals oberflächlich. Sie sind auf Studien beschränkt oder nicht nachhaltig umgesetzt. Grundsätzlich lassen sich drei wesentliche Supply Chain-Typen (SC-Typen) unterscheiden (Abb. 4.1) [Maie 06]: • Beschaffungs- oder produktionsorientierte Supply Chain (SC-Typ 1): Diese Methode zielt auf Kosteneinsparung durch große Losgrößen ab. Typische Anwendungsfälle sind Bereiche mit hohen Rüst- und Beschaffungsfixkosten. Charakteristische Merkmale sind hohe Lager- und Puffermengen, die eine von den Kundenbedarfen entkoppelte Produktion erlauben. • Planorientierte Supply Chain (SC-Typ 2): Die maximale Ausbringung steht im Vordergrund dieses Ansatzes. Bedarfsschwankungen werden über Bestandspufferstrategien ausgeglichen. • Bedarfsorientierte Supply Chain (SC-Typ 3): Durch hohe Geschwindigkeit der Prozesse entlang der Supply Chain wird angestrebt, die Bedarfe innerhalb der Lieferzeit zu beschaffen, zu produzieren und auszuliefern. Bedarfsschwankungen werden mit einer flexiblen oder synchronen Produktion abgebildet. C. Herron University of Newcastle Upon Tyne, Großbritannien, UK P. Schmidt J. BAYER GmbH & Co. KG, Villingen-Schwenningen, Deutschland W.-M. Gerth Ingenieurbüro Gerth GmbH, Hardthausen, Deutschland C.-E. Wittmann Dachau, Deutschland
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Die definierten Typen sind dabei nur bedingt branchenspezifisch. Vielfach entscheiden die Unternehmensstrategien, zu welcher Gruppe ein Unternehmen zählt. Zur Bewertung der Gruppenzugehörigkeit oder allgemein zur Bewertung der Flexibilität lässt sich der Zeitfaktor aus Durchlaufzeit (DLZ) und Wiederbeschaffungszeit (WBZ) in Relation zur Lieferzeit in der Branche heranziehen (s. Abb. 4.1). Das Optimieren der Flexibilität mit kleineren Losgrößen und DLZ bringen folgende Vorteile [Maie 06]: • Optimierung der DLZ ohne Veränderung des SC-Typs: Im Rahmen der Studie von [Maie 06], wurden die Zeitfaktoren um mehr als 40 % reduziert und der Cash Flow wurde um 30 % verbessert. • Veränderung zum bedarfsorientierten SC-Typ: Selbst ein erhöhter Einstandspreis von bis zu 40 % des Ausgangspreises kann durch die reduzierte Kapitalbindung und die Logistikkosten kompensiert werden. Kürzere Reaktionszeiten auf Kundenwünsche können zudem zu einer zusätzlichen Umsatzsteigerung führen. Die in dem Artikel von K. J. Maier beschriebene Studie des Instituts für Produktionsmanagement und Logistik der Fachhochschule München belegt einmal mehr die betriebswirtschaftlich messbaren Vorteile, die eine Ausrichtung des Supply Chain Management (SCM) an den Zielen der flexiblen Produktion bringt. Das Ergebnis zeigt, dass einseitige Einkaufspreis-Orientierung nur zu einer scheinbar fundierten Aussage bezüglich der Einsparung oder der Gesamtkosten führen kann. Das Ergebnis nimmt eindeutig Stellung für die flexiblen Produktionsmethoden und damit letztlich für TPS. Dies gilt umso mehr, als bei dieser Studie nur einfach greifbare Kostenvorteile berücksichtigt werden konnten. Da die Charakteristik von TPS darüber hinaus positiv auf interdisziplinäre Hardfacts und Softfacts im mittel- bis langfristigen Bereich reagiert, kann in einer Studie nur ein kleiner Teil der positiven Auswirkungen gezeigt werden. Um wirkliche Einsparungen zu erreichen, ist es jedoch nötig, die Produktionsprozesse unter Berücksichtigung der Ziele grundlegend zu restrukturieren. Eine genaue Betrachtung von Kanban, Ship-to-line, JIT- oder JIS-Installationen zeigt häufig, dass SCM nur scheinbar, sehr oberflächlich oder in einer sehr geringen Penetration implementiert wurde. Häufig werden nur Kennzahlen anders ermittelt, Verträge geändert, Puffer zu Lieferanten bzw. zum Spediteur verschoben oder Puffer „getarnt“, etwa als Konsignationsbestände, Verlagerung der Bestandsverantwortung oder Frozen Zone. Tatsächliches SCM setzt neben dem Restrukturieren der Produktions- und Logistikprozesse auch ein fundiertes Informationsmanagement voraus: • Feinabruf: Der Abruf stößt (nur) den tatsächlichen Versand an. • Mittelfristige Prognose: Aufgrund der mittelfristigen, mehrmonatigen Bedarfsplanung werden tatsächliche Bedarfsspitzen erkennbar. Wesentlich ist es, Schwankungen, die den Peitscheneffekt auslösen, entgegenzuwirken. • Kapazitätsplanung: Bei SCM in der Praxis wird die Kapazitätsplanung häufig auf Managementebene definiert. Eine konservative Investitionsstrategie ist dabei das leitende Motiv. Eine in Verbindlichkeit und Grenzwerten definierte Kopplung der Kapazi-
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tät an die mittelfristige Prognose bringt den Vorteil einer mittelfristigen dynamischen Anpassung. • Flexibilität- und Verbindlichkeitsplanung: Flexibilität und Verbindlichkeiten müssen vertraglich klar vereinbart werden, da sich dahinter die Kosten für Cash Flow und Investitionen verstecken. Puffer und Reaktionszeiten können dynamisch mit Faktoren (z. B. 80 % eines Monatsbedarfes) oder statisch als fixe Mengen (2.000 Stück) definiert werden. Auch die Verbindlichkeiten und Kapazitätsgarantien können dynamisch an der mittelfristigen Prognose festgemacht werden [Dick 04]. • Definition von Logistikparametern: Die Tragweite der Definition der Logistikparameter wird vielfach unterschätzt. Die tatsächlichen Auswirkungen, z. B. von Verpackungen, können enorme Summen annehmen (vgl. Kap. 3.7 Verpackung). • Allgemeine Kooperationsdefinitionen: Dazu gehören verschiedenste Leitsätze und Verträge, welche die „Spielregeln“ der Zusammenarbeit verbindlich festlegen. Diese Informationskonzepte entsprechen in ihrer Bedeutung einer Managementaufgabe. Das Ziel von SCM ist es, die für die Kundenanforderungen passendsten Produktions- und Logistikprozesse zu finden, aufzubauen und „in Serie zu schalten“. SCM wird oft mit hoch komplexen IT-Lösungen gleichgesetzt. IT kann tatsächlich in einzelnen Feldern, wie bei der Datenübertragung, unterstützend wirken. Allerdings kann ein hoch entwickeltes SCM auch ohne Internetportale oder EDI-Umsetzungen, also mit einfacheren Mitteln, gleichermaßen effizient umgesetzt werden. Dies stellt gerade für kleine und mittelständische Betriebe einen kostengünstigen Weg dar, SCM zu implementieren. Die Qualität von SCM lässt sich an einer möglichst geringen und übersichtlichen Zahl an Informationen erkennen, die tatsächliche Veränderungen einfach und „mit einer gewissen Trägheit“ darstellen. Ein weiteres Merkmal sind einfache, standardisierte Managementelemente, die eine kompetente und eindeutige Kommunikation erreichen. Durch SCM sollte folgende operative Arbeitsweise erreicht werden: „Alles läuft von selbst im Tagesgeschäft. Man trifft sich nur regelmäßig, um die Prozesse und Abläufe weiterführend zu verstehen und zu verfeinern.“ Hierfür sind jedoch nachhaltige, langfristige Lieferantenentwicklungskonzepte notwendig. Bezogen auf komplexe Portfolios sind Konzepte, die auf kurzfristige Preisvorteile spekulieren, kaum konkurrenzfähig.
4.1 Einführung eines Supply Chain Management (SCM) Systems mit speziellen Anforderungen beim Lieferanten-Kanban Philipp Dickmann Der Materialfluss wird heute zunehmend vom Standard des Lieferanten bestimmt. Hohe Flexibilität, Stabilität, Lieferzuverlässigkeit, geringe Störungsanfälligkeit, Lagerreichweiten und kurze Produktionszyklen der Lieferkette entwickeln sich zu Entscheidungskriterien. Eine kooperative und erfolgreiche Lieferantenbeziehung darf dabei nicht als Fixum angesehen werden, sondern ist letztlich das Resultat sehr systematischer, langfris-
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tiger Zusammenarbeit. Lieferanten-Kanban ist ein einfacher und sehr effizienter Weg, um dem Kunden optimalen Service bei minimalen Kosten bieten zu können. Störungsstabile, selbstlaufende Standards statt Improvisation sind von Kunden und Lieferanten anzustreben. Lieferanten-Kanban wurde um 1965 für externe Teile in das Toyota-Produktionssystem (TPS) implementiert und ist mittlerweile ein ausgereiftes, etabliertes System. Im TPS wurden konkrete Ansätze zur Optimierung für Standardabläufe und Anforderungen an Lieferanten definiert. Mit der Zunahme von Outsourcing und IT-Anbindungen entstanden neue Varianten der Zusammenarbeit, die stellenweise einschneidende Auswirkungen auf den Materialfluss nehmen. Dieser ist prinzipiell enorm störungsanfällig. Jede Störung vervielfältigt sich zudem über den Snowball-Effekt in einer Kettenreaktion und hat dadurch enorme Kosten zur Folge. Auch eine unausgewogene Reduzierung des Einkaufspreises oder zu häufiger Lieferantenwechsel führt mittel- bis langfristig zu einer Verschlechterung der Qualität, der Lieferzuverlässigkeit der Lieferanten und letztlich zu höheren Produktionskosten. Qualitätsfehler sind wiederum Hauptursachen für Störungen des Materialflusses. Informationstechnologie wird oftmals als Lösung für diese Schwierigkeiten angepriesen, ist aber häufig der Hauptverursacher dafür. Kanban mit seinen Restrukturierungsmaßnahmen, den definierten Puffern, geringen Herstellprozesszeiten und der Stabilität gegenüber Störgrößen führt in der Praxis im Vergleich zu enormen Vorteilen. Lieferantenprojekte sind stark der Gefahr der Unstetigkeit ausgesetzt, schon allein aufgrund der langen Entwicklungs- und Einführungszeiten von Produkten. Nur ein durchgängiges, kontinuierliches Konzept kann nachhaltig Erfolg bringen. Auch müssen tatsächlich alle Schritte und deren Konsequenzen für den Lieferanten durchgehalten werden, da sonst der Erfolg ausbleibt. Um die Projekte überschaubarer zu halten, empfiehlt es sich, die Lieferanten nach dem Wertstrom-Konzept auszuwählen und nur sukzessive umzustellen. Ein maßgebliches k.o.-Kriterium sind jedoch strategische Lieferantenentscheidungen, die außerhalb der festgelegten Kriterien als Rahmenbedingung auftreten und den ganzen systematischen Ablauf aushebeln können.
4.1.1 Umsetzung einer schlanken SCM-Lösung mit Kanban Die wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche SCM-Optimierung (nach den Anforderungen von Kanban) ist ein Umdenken in der Zusammenarbeit mit den Lieferanten. • Reduzierung der Anzahl der Lieferanten: Mit Standards und Systematik muss der „Wildwuchs“ und übertriebene Kreativität bei Materialien und Lieferanten reduziert werden. Dies schafft erst die Voraussetzung für die nötige intensive Zusammenarbeit mit den wichtigen Lieferanten (vgl. Kap. 1.25 Produktions- und wertstromgerechte Konstruktion). • Strategie der Lieferantenfokussierung: Das Verschieben der Kapazitäten zu wenigen „Vorzeigelieferanten“ zielt darauf ab, schlechte Qualität durch bereits bewährte gute Lieferanten zu ersetzten (vgl. Kap. 4.1.8 Strategie der Lieferantenfokussierung).
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• Kontinuierliche Maßnahmen zur Lieferantenbewertung und -entwicklung: Wesentlich ist hierbei vor allem ein kurzer Wiederholungszyklus. Es ist weit effizienter, in kurzen Zyklen konkrete Schritte zu optimieren, als aufwändige Maßnahmen im Jahreszyklus zu diskutieren aber keinen realen Fortschritt zu erzeugen (vgl. Kap. 4.5 Lieferantenmanagement und -optimierung und spez. Kap. 4.5.3 Lean-Lieferantenmanagement;). • Intensiv-Lieferantenentwicklung: Kritische Lieferanten, die kontinuierlich Krisensituationen verursachen oder gar vor der Insolvenz stehen, können durch intensive, umfassende Maßnahmen in vielen Fällen „auf Kurs“ gebracht werden (vgl. Kap. 4.7 Intensiv-Lieferantenentwicklung). • Ausbau von Kooperationen: Systematische Abstimmung und Optimierung der interdisziplinären Abläufe (vgl. Kap. 4.6 Kooperationsmanagement). Nach diesen Regeln muss sich das Lieferantenmanagement nachhaltig, geschlossen und langfristig ausrichten. Mittelfristig kann damit eine Verbesserung der Lieferantenprozesse erzielt werden. Gleichzeitig werden wichtige Grundlagen, z. B. für Lieferanten-Kanban geschaffen, etwa hohe Lieferfähigkeit, Qualität und vor allem auch Flexibilität. Um auch bei kurzfristigen Abrufen sicher liefern zu können, sind zwingend kurze Wiederbeschaffungszeit, Durchlaufzeit und kleine Verbrauchssteuerungspuffer ( Kanban-Puffer) notwendig. Scheinbares, „simuliertes“ Kanban, bei dem der Lieferant mit Hilfe von hohen Lagerbeständen bei großen Produktionslosgrößen lediglich im Kanban-Takt ausliefert, kann echte Flexibilität bei geringen Kosten auf Dauer nicht erreichen. Allein aufgrund der Nacharbeits- oder Verschrottungskosten bei Änderungen sind derartige Ansätze mittelfristig nicht konkurrenzfähig – zumal natürlich noch sehr viele andere Kostenvorteile bei echter schlanker Produktion entstehen. Mit kurzen Wiederbeschaffungszeiten und Losgrößen kann der Lieferant Kapazitätsspitzen vermeiden und die Bestände sinken (Abb. 4.2).
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
Januar
Februar
Abb. 4.2 Einflussgröße Wiederbeschaffungszeit (WBZ): Kurze WBZ führt zu geringeren Verbindlichkeiten. Bedarfs- und Kapazitätsspitzen werden geringer
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Bedarfs- bzw. Kapazitätsschwankungen nehmen ab. Aus Kundensicht ist der Lieferant flexibler, da er auch bei kurzfristigen Bedarfen sicher liefern kann. Die wesentlichen Schritte bei der Einführung eines SCM z. B. mit Lieferanten-Kanban sind: 1. Definition der konkreten SCM-Zielkriterien 2. Ableitung konkreter Umsetzungsvorgaben, mit Definition der Verantwortung 3. Kommunikation und Schulung der Ziele sowie Vorgehensweise intern und extern 4. Start der Umsetzungsprojekte in Phasen 5. Bewertung und Klassifizierung der Lieferanten 6. Fokussierung der Materialien auf Lieferanten, die den Zielvorgaben entsprechen
4.1.2 Ziele der Lieferantenkooperation Das TPS strebt ein SCM basierend auf JIT und Kanban an, mit gleichzeitiger Reduzierung der Störungsanfälligkeit. Aus dieser Basisdefinition lassen sich differenzierte Ziele ableiten: Allgemeine Ziele der Lieferantenanbindung [Lepr 05] sind 1. Kontinuierlicher Materialfluss 2. Klare Vereinbarungen zur Lieferfähigkeit und Flexibilität 3. Maßnahmen zur Störungsvermeidung 4. Präventive Qualitätssicherstellung 5. Selektion der tatsächlich notwendigen Informationsflüsse und Vereinbarungen 6. Strukturierter Informationsfluss auch in Krisen 7. Minimale Kosten 8. Hoher Servicegrad 9. Klare und homogenisierte vertragliche Vereinbarungen Logistische Ziele der Lieferantenanbindung [Lödd 05] 1. Vermeidung des Bullwhip-Effekts 2. Bestandsreduzierung 3. Höherer Servicegrad gegenüber dem Endkunden 4. Verringerung des administrativen Aufwands 5. Gleichmäßigere Auslastung des Lieferanten 6. Quick Response – aktuelle Daten über Nachfrage 7. Continuous Replenishment – konstante Lieferintervalle und Zielbestand
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Zielkonflikt zwischen dem Lieferanten-Kanban und einseitig preisorientierten Lieferantenstrategien Der Interessenkonflikt zwischen optimalem Preis und optimalen internen Prozessen kann durch kompetente und vor allem umfassende Kostenermittlung, z. B. durch interdisziplinäre Prozesskostenrechnung (vgl. Kap. 1.18 Differenzierte Prozesskostenrechnung), sehr fundiert reduziert werden. Dadurch wird der Druck auf den Einkauf gemildert, einseitig nach dem Einkaufspreis optimieren zu müssen, da auch andere Kriterien mit bewertet werden können. Der billigste Anbieter ist mittel- bis langfristig nicht unbedingt immer der günstigste für ein Unternehmen – da Folgekosten berücksichtigt werden müssen, wie Nacharbeit, Lieferschwankungen, Änderungskosten, Kosten für Lieferantenwechsel, zusätzlicher Betreuungsaufwand, Qualitätsfolgekosten, Krisenmanagement, Produktionsausfälle, Lieferschwierigkeiten zum Kunden. Um einen Druck zur Einkaufspreisreduzierung aufzubauen, werden zunehmend Einkaufsstrategien angewandt, die einen häufigen Lieferantenwechsel anstreben (vgl. Kap. 4.8 Outsourcing und Lieferantenwechsel). Lieferanten-Kanban sollte ein wachsender, stetiger und kooperativer Prozess sein. Durch kontinuierliche, intensive Zusammenarbeit entsteht im Einvernehmen eine wirtschaftlich optimale Lösung. SCM sollte grundsätzlich eine Win-Win-Situation zwischen dem Kunden und dem Lieferanten schaffen. Einseitig einkaufspreisorientierte Methoden sind mit ernsthaften, erfolgreichen Umsetzungen von SCM oder im Speziellen mit LieferantenKanban unvereinbar (vgl. Kap. 4.5 Lieferantenmanagement und -optimierung).
4.1.3 Lieferanten-Kanban – Konkrete Umsetzungsvorgaben Die Ziele werden in konkrete Vorgaben transformiert und mit allen internen Abteilungen und den Lieferanten abgestimmt. Diese Vorgaben müssen auch mit allen Verträgen und vertragsähnlichen Unterlagen harmonisiert und darin fixiert werden. Es leiten sich folgende konkrete Vorgaben für das Lieferanten-Kanban ab [Lepr 05]: • Flexible, atmende Produktion mit dynamischer, freier Mindestkapazität und erst in zweiter Instanz mit Mindestpuffer; • Kurze DLZ im Herstellprozess und daher kurze WBZ; • Mindest-Kanban-Puffer zur Reduzierung von Störgrößen und zur Entkopplung der Produktion; • Hohe Transportqualität ohne Zwischenpuffer; • Professioneller Informationsaustausch mit Abbildung der notwendigen Ebenen und Fixierung in Verträgen; • Automatisierte Kommunikation mit minimaler Datenmenge; • Standardisierung bei Verpackungsabläufen; • Störungsvermeidung und gemeinsame Störungsanalyse (Lieferant und Kunde); • Kontinuierliche Maßnahmen zur Verbesserung der Niveaus des Lieferanten; • Null-Fehler-Strategie und kontinuierliche Maßnahmen zur Qualitätsoptimierung;
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• Qualitätssicherungsvereinbarungen und Zertifizierungen; • Reduzierung der Wareneingangsprüfung auf das rechtlich notwendige Maß, d. h. Wegfall der vollständigen Wareneingangsprüfung.
4.1.4 Operative Supply Chain-Steuerung und Dispositionskonzepte mit matrixhybriden Steuerungen Bei Lieferanten-Kanban-Projekten werden die Abläufe, Dimensionierungen und Prozesse der Anbindung der Lieferanten restrukturiert. Ein großer Teil der erzielten Verbesserungen werden durch diese „Säuberungsaktionen“ verursacht. Es bestehen einige Möglichkeiten, die Verantwortung bzw. Arbeitsinhalte neu aufzuteilen. Häufig wird leider nicht genügend zwischen den Übertragungsmethoden (EDI, DFÜ, WEB, E-Mail, Fax, Brief) und der Dispositionsverantwortung (Kunde oder Lieferant) differenziert. In diesem Bereich treten vielfach Missverständnisse auf. Grundsätzlich ist zu beachten, dass alle Übertragungsmethoden mit allen Verantwortungsvarianten kombinierbar sind. Dispositionsverantwortung beim Kunden Eine Steuerung durch den Kunden ist effizienter im Falle von • werthaltigen Materialien, • möglichst geringer Lagerreichweite, • starken, kurzfristigen Schwankungen, in Relation zur angestrebten Lagerreichweite und • wenn die Mehrzahl der steuerungsrelevanten Störgrößen auf der Kundenseite liegt. Durch den Kunden können informelle Zusatzinformationen zu Störgrößen mit einbezogen werden. Engpässe werden vermieden und Puffer als Lagerbestand weniger nötig. Typische Beispiele sind werthaltige Montagebaugruppen oder Fertigungsteile. Es lassen sich folgende Fälle unterscheiden: • Klassische Disposition, z. B. im MRP-System: Der Kunde kann in gängigen MRPSystemen mit automatischer Bestellschreibung, aber auch mit eKanban, verschiedenste Formen des Bestellanstoßes praktizieren und vom MRP übertragen lassen. • Lieferanten-Kanban: Der Kunde übernimmt die Verantwortung über die Steuerung und die Dimensionierung. Die Abrufe werden beim Kunden nach dem Ein- oder ZweiKarten-Kanban gesteuert und angestoßen. Abrufe gehen beim Lieferanten als Feinterminierung kurzfristig ein. Dieses System ist überlagert durch eine langfristige Grobplanung. Die Bedarfe (d. h. die Kanban-Karte, vgl. Kap. 3.2 Kanban-Karten) werden über Fax, E-Mail, EDI oder über eine Internetplattform übertragen.
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• Lieferfenster statt Zeitpunkt: Als Sonderform der Kundendisposition kann anstelle fixer Liefertermine ein Lieferfenster definiert werden. Beliefert der Lieferant mehrere Produkte, können bei gleichem Anlieferintervall kleinere Losgrößen realisiert oder auch die Transportkosten gesenkt werden. Dieser Ansatz wird typischerweise für JIT und Lieferanten-Kanban angewendet und ist als Zwischenform zur Lagerdisposition durch den Lieferanten anzusehen. Dispositionsverantwortung beim Lieferanten Bei der Disposition durch den Lieferanten wird üblicherweise nur die Dimensionierung mit dem Kunden abgestimmt. Eine Steuerung durch den Lieferanten ist effizienter im Falle von • in Relation zu den Handlings- und Transportkosten wenig werthaltigen Materialien, • einer ungenauen Steuerung und Bestandsführung, d. h. höhere Puffer sind möglich und • wenn wesentliche Störgrößen beim Lieferanten liegen. In diesen Fällen ist eine dezentrale bzw. verlagerte Lagerdisposition sinnvoll. Bei nicht geeigneten Produkten ergibt sich ein höheres Lagervolumen und Risiko. Der Kunde hat tendenziell eine höhere Kapitalbindung und die Nachteile von höheren Lagerbeständen, etwa eingeschränkte Flexibilität bei Änderungen. Typische optimale Anwendungsfälle sind CTeile, z. B. Normteile wie Schrauben oder Runddichtringe, etwa im C-Teile-Management oder im Großhandel. Dieses Konzept beinhaltet hohe Anforderungen an die Zuverlässigkeit des Lieferanten bzw. des Dienstleisters. Es existieren folgende unterschiedliche Dispositionsverfahren oder Versorgungsmethoden durch den Lieferanten: • Kanban: Behälter-Kanban durch den Lieferanten ist eine häufig anzutreffende Umsetzung für C-Teile. Das System wird mit großzügigen Lagerreichweiten gesteuert und eine hohe Lieferfähigkeit ist sicher. • Vendor Managed Inventory (VMI): Der Kunde überträgt seine Lagerbestands- und Absatzdaten bzw. den aktuellen Bestand an den Lieferanten. Die Differenz des Bestands (Inventory-Level) entspricht dem Verbrauch und wird verbucht bzw. bezahlt. Umgekehrt erkennt der Lieferant aus den Daten die Bestandsreichweite und Lieferbedarf. Der Name VMI leitet sich von der EDI-Übertragung der Bedarfe und des Bestandes ab [Gesa 02]. • VMI – mit zyklischem Lagerbestand – EDI: Dies ist eine Weiterführung von VMI. Der Lieferant hat hierbei mit dem Kunden abgesprochene Ober- und Untergrenzen des Lagerbestands beim Kunden definiert. Für die Auffüllung ist der Lieferant oder Dienstleister selbst verantwortlich. Wann er genau liefert, ist ihm selbst überlassen. • VMI – auf einer Internetplattform: Der Lieferant hat einen direkten Zugriff auf die Lagerdaten seiner Materialien. Das Verfahren ist identisch mit dem zyklischen Lagerbestands-EDI, nur werden die Daten nicht rhythmisch übertragen, sondern der Lieferant greift auf die Daten eventbezogen und online zu.
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Sonderformen der Rahmenbedingungen • Konsignation: Externe Lager in der Nähe oder auf dem Werksgelände des Kunden. Die Dispositionsverantwortung kann getrennt erfolgen. Vielfach wird dieses Konzept in Kombination mit Outsourcing des Eigentums der Lagerbestände angewandt (s. u.). • Outsourcing des Eigentums der Lagerbestände: Die Ware geht in diesem Fall erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Warenannahme in das Eigentum des Kunden über. Sie befindet sich z. B. physisch am Arbeitsplatz, gehört aber noch dem Lieferanten. Die Methode leitet sich vom Warenhauskonzept in Japan ab. Sie ist seit einigen Jahren vor allem durch Discounter bekannt geworden. Dabei wird die Ware beim Bezahlen des Kunden an der Kasse dem Lieferanten verrechnet. Dieses Konzept wird zum Teil in andere Bereiche übernommen. Die Ware kann erst beim Verlassen des fertigen Produkts beim Kunden oder bei Bezahlung des Endkunden verrechnet werden. Die Methode wird beispielsweise angewandt, um große Losgrößen produzieren und liefern zu können, aber dem Kunden die Kapitalbindung zu ersparen. Der Kunde ist jedoch dennoch den Nachteilen hoher Losgrößen ausgesetzt, z. B. bei Änderungen bzw. indirekter Belastung der Kapitalbindungskosten durch den Lieferanten.
4.1.5 Abstimmung und Schulung Nach der Definition der Ziele müssen die wesentlichen Anforderungen systematisch in konkrete Umsetzungsvorgaben untergliedert werden. Daraus entsteht eine Anforderungsliste für jeden Lieferanten, ein Schulungskonzept, ein homogenisiertes Vertragswerk und letztlich ein Bewertungskatalog, der mit allen beteiligten Bereichen abzustimmen ist. Die definierten Ziele werden danach mit allen beteiligten Fachbereichen und Ebenen besprochen. Anhand der Vorgaben und den angepassten, vertraglichen Rahmenbedingungen werden im Anschluss auch die Lieferanten informiert und geschult. Die Schulungsunterlagen und Verträge sollten eindeutig und verständlich sein.
4.1.6 Projektabwicklung mit Lean Lieferantenmanagement Die Projektabwicklung sollte nach den Grundregeln des Verbesserungszyklus nach Deming (vgl. Kap. 1.12 TPM) in einen kontinuierlichen Prozess münden, etwa nach dem Konzept von Collaborative Planning Forecasting Replenishment (CPFR). Der Ansatz des CRFR-Commitee verknüpft den Deming-Cycle mit Vendor Managed Inventory (VMI). Hier werden folgende Projektschritte definiert, die aber analog für Lieferanten-Kanban gelten: 1. Strategie und Planung: a. Entwickeln einer kooperativen Grundsatzvereinbarung und b. Erstellen eines gemeinsamen Geschäftsplans.
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2. Bedarfs- und Versorgungsmanagement: c. Erstellen eines Absatzplans und d. Generieren von Abruf und Vorschau. 3. Umsetzung: e. Abruf erzeugen und f. Produktionsplanerzeugung und Lieferung umsetzen. 4. Analyse: g. Identifikation von Ausnahmen, Problemen sowie h. kooperative Problembehandlung und -lösung. Nach einer erneuten Verbesserung der Strategie und der Planung erfolgt ein Neubeginn des Zyklus.
4.1.7 Lieferantenbewertung und -klassifizierung Viele Lieferantenprojekte werden umfassend begonnen und auch in einem Pilotprojekt umgesetzt. Leider wird jedoch nur selten eine nachhaltige Penetration von mehr als 50 % erreicht. Die Ursache liegt einerseits in der langen Dauer dieser Projekte, und anderseits in den Kapazitätsspitzen, die für die intensive Betreuung der Lieferanten nötig sind. Aus diesem Grund wird eine nachhaltige Lieferantenbewertung und -klassifizierung selten über längere Zeit durchgeführt. Erst die stetige Verifikation der Ergebnisse und das Feedback an den Lieferanten ermöglichen reale Fortschritte. Der angestrebte Umfang der Bewertungskriterien ist sehr unterschiedlich und reicht von der einfachen Auswertung der Liefertreue und der Qualität, bis hin zu kompletten Bewertungskatalogen (z. B. Odette). Oft werden nur Hardfacts mittels IT berücksichtigt. Es sollten jedoch auch zusätzlich Softfacts für Lieferantenbeurteilungen herangezogen werden. „Eine Lieferantenanalyse mit Softfacts die punktuell mit Hardfacts verifiziert wird, ergibt eine zuverlässige, vergleichbar genaue und sehr schnell greifbare Aussage. Diese einfache Methode der Quick-Lieferantenentwicklung ist auch für kleinere Unternehmen mit geringem Aufwand umsetzbar (ca. 2 Minuten Aufwand pro Lieferant) und erbringt sehr hohe Effizienz“ [Lepr 07b].
Softfacts erfassen Kriterien wie etwa die Arbeitsweise, die Zuverlässigkeit und das Vorgehen bei Schwierigkeiten. Lieferanten sollten absolute Zuverlässigkeit selbstständig gewährleisten. Dies setzt Null-Fehler-Strategien, hohe Lieferfähigkeit und kleine, flexible Losgrößen voraus, was meist nur mit TPS erreicht werden kann. Ein schlecht strukturierter oder inkompetenter Lieferant, bei dem der Kunde regelmäßig reklamieren muss, um Ware zu bekommen, ist nicht tragbar. Er wird aber akzeptiert, solange er konkurrenzlos ist. Mangelhafte Servicequalität korreliert meist mit höheren Kosten. Die Ermittlung dieser Kosten ist in der Regel schwierig, da sie zeitversetzt auftreten und dann meist nicht mehr zuordenbar sind (vgl. Kap. 1.18.4 Verifikation nicht konstanter Einflussfaktoren auf
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die Kostentreiber). Aus den Softfacts kann systematisch die Leistung ermittelt und zur Klassifikation von Lieferanten ergänzend herangezogen werden. Wie in Kap. 4.1.2 (Ziele der Lieferantenkooperation) dargestellt ist, sollte im Zuge der Veränderung des Lieferantenmanagements ein Ausbau von Kooperationen erfolgen. Folgende drei Kriterien sind bei der Wahl der Kooperationspartner für ein logistisches Netzwerk ausschlaggebend [Lödd 05; Hieb 02; Schö 02]: • Zusammenarbeit wird auf strategischer Ebene, über die Gemeinsamkeiten der Netzwerkstrategie und -interessen, die gegenseitige Abhängigkeit im Netzwerk, das Vertrauen, die Offenheit sowie die Machtverhältnisse unter den Partnern und die Intensität und Art der Kooperation mit einem Partner bewertet. • Koordination beschreibt die Abstimmung der technischen Abläufe, wie die Verknüpfung und Verzahnung der Logistikprozesse, Formalisierungsgrad, Grad der Kommunikation und den Einsatz von IT. • Zusammensetzung beschreibt die organisatorischen und vertragsrechtlichen Komponenten, wie die Anzahl der Wertschöpfungsstufen, die Anzahl der Produkte, die geografische Verteilung des Netzwerks, den Zeithorizont der Geschäftsbeziehung sowie die ökonomische und rechtliche Geschäftsbeteiligung. Grundsätzlich ist eine Lieferantenbewertung nur sinnvoll, wenn die Ergebnisse mit dem Lieferanten zeitnah, offen und direkt diskutiert werden. In vielen Fällen sind dem Lieferanten die Anforderungsprofile unklar oder werden auch sehr konträr von verschiedenen Seiten des Kunden dargestellt – d. h. er weiß vielfach nicht eindeutig, was der Kunde exakt will. Die Lieferantenbewertung muss zu konkreten Verbesserungsmaßnahmen führen, die in einem detaillierten Zeitplan festgelegt und überwacht werden müssen. Letztlich muss eine Fokussierung auf Lieferanten mit guten Bewertungen stattfinden, um einerseits die Lieferanten zu belohnen, andererseits einen hohen Servicegrad zu erreichen. Ziel ist, den hohen Aufwand für schlechte Lieferanten zu reduzieren.
4.1.8 Strategie der Lieferantenfokussierung Eine weitere Bedingung für ein erfolgreiches SCM-Projekt nach den Anforderungen von Kanban ist die Strategie der Lieferantenfokussierung. Die Reduzierung der Anzahl der Lieferanten, Fokussierung auf Kernlieferanten und das Verschieben der Kapazitäten zu „Vorzeigelieferanten“ sind die Regeln nach denen sich das Lieferantenmanagement nachhaltig und langfristig ausrichten muss. „Gute“ und kooperative Lieferanten erhalten Anreize durch zunehmende Wertschöpfungsanteile und Auftragsvolumen. Man kann die Strategie auch mit dem Motto umschreiben: „Klasse statt Masse“. Es ist das Ziel weniger Lieferanten intensiver zu pflegen und zu betreuen (vgl. Kap. 4.7 Intensiv-Lieferantenentwicklung), anstatt hoher Aufwendungen für ein Vielfaches an Lieferanten mit vergleichbarem Portfolio zu betreiben. Durch die Lieferantenfokussierung bieten sich hohe Kosteneinsparungspotenziale:
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• Durch die stringente Fokussierung auf Kernlieferanten wird eine Erhöhung des Umsatzes je Lieferant und damit eine Verbesserung der Preisgestaltung erreicht. • Es wird eine Verschiebung des Einkaufsvolumens zu „besseren“ Lieferanten vorgenommen und eine entscheidende Lieferantenverbesserung erreicht. • Der Stellenwert des Kunden beim Lieferanten erhöht sich, ein besserer Servicegrad und stärkere Kooperation bei Krisensituationen sind die Folge. • Krisenmanagement nimmt ab und in der Beschaffung wird es möglich, sich intensiver und erfolgreicher mit den wichtigen Lieferanten auseinander zu setzen. • Durch die Fokussierung entsteht eine engere Zusammenarbeit in der Entwicklung. Die Entwicklungskompetenz der Lieferanten wird regelmäßiger und umfassender eingebunden (vgl. Kap. 1.25.6 Lieferanteneinbindung in Entwicklung und Konstruktion). Typische Schritte sind hier permanente oder zumindest routinemäßige Besuche (z. B. wöchentliche) von Konstrukteuren des Lieferanten in der Entwicklung bzw. Konstruktion des Kunden. • Risiken, Neuentwicklungen und spezielle Anforderungen um einen optimalen Nutzen zu erreichen, werden von Anfang an integriert. • Die Entwicklungszeit, Risiken und Fehler in der Konstruktion werden reduziert. • Es wird von Einzelteil-Lieferanten auf die Anlieferung von Baugruppen umgestellt (Systemlieferantenkonzept). Der Lieferant trägt nun die Verantwortung für komplexe Baugruppen. Durch den Wegfall bzw. die Reduzierung der Kommunikationsgrenzen nehmen Fehler ab und eine intensivere Zusammenarbeit wird möglich. • Regelmäßige Lieferantenbewertung und -entwicklung führen zu einer nachhaltigen Verbesserung der Beschaffungsprozesse und der internen Logistikprozesse (weitere Vorteile vgl. Kap. 4.5 Lieferantenmanagement und -optimierung). Die Einsparungspotenziale durch eine Fokuslieferantenstrategie, technische Änderungen oder Prozessoptimierung sind langfristig um das 7–10-Fache (Faustformel) höher als bei Kostenreduzierung mittels Preisdruck oder Lieferantenwechsel. Das Gegenteil von Lieferantenfokussierung sind Parallellieferanten-Konzepte (Quotierung), Strategien zu Volumenreduzierung bei Lieferanten und Ansätze mit häufigem Lieferantenwechsel. Parallellieferanten-Konzepte, mit Splittung (Quotierung) der Bedarfe auf verschiedene Lieferanten, sollten generell nur bei Engpassproblemen und normierbarer, sehr sicher vergleichbarer Leistung angedacht werden. Diese Methoden führen zum Anstieg der Gesamtkosten, da Anlaufschwierigkeiten oder auch Qualitäts- oder Prozessmängel auf vielen Ebenen entstehen und mittelfristig hohe Kosten verursachen (vgl. Kap. 4.8.3 Lieferantenwechsel). Dies trifft besonders auf werthaltige komplexe Produkte zu, die sich durch ihre hohe Differenziertheit vom Wettbewerb abheben. Die zeitversetzt auf verschiedensten Positionen entstehenden Kosten, sind den Ursachen schwer zuordenbar – d. h. der Ursachen-Wirkungs-Zusammenhang ist nicht erkennbar (vgl. Kap. 1.18.4 Verifikation nicht konstanter Einflussfaktoren auf die Kostentreiber).
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4.2 C-Teile-Management – Ursprung, Chancen, Risiken und Ansatzpunkte Anja Beer Verursacht ein „Cent-Artikel“ eine Produktionsstörung – der Schaden kann tausende Euro betragen – lässt sich dieser ungeplante Kostenblock durch keine Optimierung oder Preisreduzierung mehr kompensieren. Bei fehlender Materialverfügbarkeit ist im Verhältnis zum Auftragswert nichts so teuer wie ein fehlendes C-Teil! Das C-Teile-Spektrum ist ein häufig vernachlässigtes Optimierungspotenzial, da das Einkaufvolumen im Verhältnis zu A- und B-Teilen niedrig ist. Dem geringen Einkaufsvolumen stehen jedoch hohe Logistikkosten entgegen, die durch die Vergabe an den C-Teile-Dienstleister weitergereicht werden. Mit dem Outsourcing der C-Teile-Logistik übernimmt der Dienstleister die vollständige Verantwortung für die Versorgung mit den Teilen. Der folgende Beitrag soll aus der Sicht eines Anwenders vermitteln, welche Chancen und Risiken im C-Teile-Management stecken und welche Ansatzpunkte in der Praxis relevant sind.
4.2.1 Potenziale und Ziele Prinzipiell gilt es, die gesamte Wertschöpfungskette von Verschwendung zu befreien. Dabei muss sich aber der Beschaffungsaufwand am Beschaffungsvolumen/wert orientieren. Abbildung 4.3 zeigt, dass sich im A-Teile-Bereich hohe Reduzierungen im Teilestückpreis erzielen lassen, während bei C-Teilen der Schwerpunkt in der Optimierung der Prozesse und damit der Logistik-Kosten liegt [Hirs 01]. Abb. 4.3 Kostenstrategien nach ABC-Klassifikation [Hirs 01]
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Im Hinblick auf Preisoptimierung sind C-Teile für den Einkauf nicht interessant. Eine optimale Nutzung der Personalressourcen im strategischen und operativen Einkauf wird durch die Konzentration auf A-Teile erreicht. Eine Bestandsoptimierung des C-Teilebereichs würde ebenso wenig relevante Einsparungen erbringen. Im Gegenteil, dies ginge unter Umständen zu Lasten der Materialverfügbarkeit. Dem geringen Einkaufsvolumen stehen also hohe Logistikkosten entgegen. Diese sind bedingt u. a. durch: • Bedarfsermittlung • Anfrage, Bestellabwicklung und Terminüberwachung • Warenannahme, Eingangsprüfung und Einlagerung bzw. Bereitstellung am Arbeitsplatz • Kontrolle und Anweisung der Rechnung In dem Artikel von G. Hirschsteiner werden alleine für den Prozess der Bestellabwicklung Kosten zwischen 75 € und 150 € genannt. Dadurch wird deutlich, dass die Prozessoptimierung für C-Teile der Erfolg versprechende Lösungsansatz ist. Die Gesamtprozesskette verkürzt sich, die Versorgungssicherheit bzw. die Teileverfügbarkeit erhöht sich, und die Lagerbestände, Kapitalbindung sowie Logistikkosten reduzieren sich teilweise. Im Einkaufsbereich erfolgt eine Optimierung durch die Konzentration auf einen oder einige wenige Systemlieferanten. Das Verhandlungspotenzial konzentriert sich, während der Pflegeaufwand reduziert wird. Durch gebündelte Lieferungen können Transportkosten sowie Aufwand bei EDV-technischer Abwicklung, z. B. ein Beleg mit vielen Positionen oder Einsatz von EDI, reduziert werden.
4.2.2 Charakteristika von C-Teilen C-Teile haben folgende relevante Eigenschaften: • Viele Lieferanten und Anbieter • Viele Kleinbestellungen bzw. mehrere Bedarfsanforderungen aus verschiedenen Bereichen zu unterschiedlichen Zeiten, nur teilweise über einen Zentraleinkauf bündelbar • Hoher Bestellaufwand im Verhältnis zum niedrigen Teilewert • Ungenauigkeiten bei der Bedarfsbestimmung durch Maximalstücklisten, ungeplanter Verbrauch durch Schwund, Ersatz für Nacharbeiten usw. • Normteile oder an Normen angelehnte Teile mit z. B. speziellen Beschichtungen, nicht gängigen Abmessungen Als Basis für die Teilefestlegung bieten sich die klassische ABC-Analyse (Klassifizierung nach Mengen-Wert-Volumen) sowie die XYZ-Analyse (Stetigkeit des Verbrauchs) an. Die durch MRP-Systeme rechnerisch ermittelten Kennzeichen sollten nicht allein ausschlaggebender Faktor sein. Die Teileauswahl muss einem Team übertragen werden, welches das Teilespektrum sowie die Produktion kennt. Der Einkäufer als Koordinator wird da-
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bei vom „Bestellschreiber“ zum Prozessmanager. Er muss also mindestens die Produktion und Logistik sowie die Qualität und Technik einbinden. Aus diesem Team ergeben sich weitere praxisorientierte Ansatzpunkte bzw. Grenzwerte, z. B. für Teilepreis (z. B. < = 5 €), Mindestbedarf (z. B. 5000 Stück pro Jahr) und Bezug zum Verbrauchs-Ort bzw. Produktbereich. Dieses Team wird die Werte bzw. Rahmenbedingungen festlegen, die zu einer Basisliste führen. Dem folgt die Verifizierung bzw. Plausibilitätsprüfung der systemisch ermittelten Werte und daraus ergibt sich das Teilespektrum für den Start.
4.2.3 Das Kaufhauskonzept als Ursprung Das Kanban-System hatte seinen Ursprung in den 50er-Jahren in Japan. Auf der Suche nach Instrumenten um Just-in-time und Automation in der Automobilindustrie voranzutreiben, bereiste Taiichi Ohno die USA. Dabei beeindruckten ihn die amerikanischen Supermärkte. Ihm wurde bewusst, dass ein Supermarkt ein Ort ist, an dem der Kunde das bekommt, was er benötigt – zum erforderlichen Zeitpunkt und in der benötigten Menge. Dies führte zu der Erkenntnis: Supermarkt = Just-in-Time. Die Übertragung der Methoden der Supermärkte auf die Produktion führte zur optimierten Form der Machine-shops (Bearbeitungs- oder Fertigungsstätte) in den Produktionswerken Japans [Ohno 78]. Durch die Umstellung auf verbrauchsorientierte Beschaffung ist die Sicherstellung der Materialverfügbarkeit unter Beachtung gewisser Rahmenbedingungen gewährleistet. Damit ist auch die geforderte Flexibilität bei Bedarfs- bzw. Verbrauchsschwankungen und nicht planbaren Faktoren, wie Schwund oder Rücksendungen, gegeben. Voraussetzung dafür sind u. a. richtige Dimensionierung der Kreisläufe, Definition von Sicherheitsbeständen als Notfallstrategie und regelmäßige Auswertung der Behälterbewegungen. Daraus abgeleitet hat dies über Jahrzehnte zu verschiedenen Varianten der Beschaffung geführt.
4.2.4 Varianten der Beschaffung Mitte der 1990er-Jahre begann in Deutschland ein Umbruch im Handling der klassischen DIN- und Normteile. Zur Reduzierung der Kommissioniervorgänge ging man dazu über, Kleinteile in definierten Anliefergebinden direkt am Arbeitsplatz bereitzustellen. Später wurden diese Teile über einen elektronischen Katalog oder durch internes Scannen und Bedarfsübermittlung zum Lieferanten nachbestellt. Damit wurde bereits der Anteil der internen Handlingskosten reduziert. Mittlerweile haben sich Händler oder Hersteller als Systemlieferanten etabliert. Die Vereinbarungsmöglichkeiten der Abwicklung sind vielfältig und von den jeweiligen Rahmenbedingungen und Wünschen des Auftragnehmers abhängig. Gängige Varianten sind [Sack 01]: • 1-Behälter-System: Bestellauslösung durch Unterschreiten einer definierten Füllmenge; • 2- bzw. Mehrbehälter-System oder Kanban: Bestellauslösung, wenn ein Behälter leer bzw. eine Karte frei wird;
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• Fest installierter Behälter mit Wiegesystem: Bei Unterschreiten eines „Meldegewichts“ wird elektronisch eine Anforderung ausgelöst; • Shop-Systeme: Fest definierter Regalbereich pro Lieferant bzw. Hersteller, vor allem im Handel üblich; • Konsignationslager: Fest definierter Teileumfang wird in der Produktion gelagert. Verwaltung und Risiko liegt bis zum Verbrauch beim Dienstleister. Diese Art wird tendenziell für großvolumige, teure Teile verwendet. Bei den Behälter-Systemen kann noch unterschieden werden, ob der Behälter oder die im Regal entstehende Lücke gescannt wird. Die Bestellauslösung kann jeweils durch Mitarbeiter des Auftraggebers oder des Dienstleisters erfolgen. Die Datenerfassung erfolgt heute meist über Scannen, eine Alternative wäre die Eingabe am PC. Die Übermittlung der Daten erfolgt per EDI, Fax, E-Mail, Internet oder Kanban-Karte bzw. -Behälter. Die Definition des Zeitpunkts für die Abrechnung der gelieferten Teile kann bei Lieferung oder bei Verbrauch erfolgen. Die Bezahlung kann durch Rechnung oder per Gutschrift-Verfahren für einen definierten Zeitraum erfolgen. Ebenso vielfältig sind die Möglichkeiten der Buchungen. Müssen die Teile im Bestand geführt werden, muss die Zugangsbuchung entsprechend geregelt werden. Wird der Datenaustausch mittels EDI-Prozesse unterstützt, kann dieser effektiv und im Prinzip fehlerfrei ablaufen. Wesentlicher Vorteil der Verlagerung des Gesamtprozesses an einen Dienstleister (d. h. Outsourcing) ist, dass damit das gesamte Erfahrungspotenzial (Kernkompetenz) des Dienstleister genutzt wird.
4.2.5 Schritte zur Einführung und zum Betrieb Für den Erfolg eines solchen neuen Prozesses ist die interne Akzeptanz von immenser Bedeutung. Fehlt diese, können die vielfältigsten Fehler und Hindernisse auftreten und das System zu Fall bringen. Die Akzeptanz wird durch frühzeitige Einbindung aller betroffenen Bereiche (speziell Disposition und Technik) bereits bei der bedarfsgerechten Analyse der in Frage kommenden Teile erreicht. Eine zum Vertrag gehörende Qualitätsvereinbarung bildet die weitere Grundlage bei der Auswahl des geeigneten Partners. Dabei ist der Aufwand für die Erstellung der Vereinbarung (durch die Qualitätssicherung) der Reduktion der Wareneingangskontrollen (ggf. Stichproben) entgegenzustellen. Falls ein Lieferantenwechsel offiziell angestoßen werden muss, sollten die eventuell auftretenden Änderungskosten (z. B. für Prüfläufe, Freigaben durch Kunden) abgeschätzt werden. Als Kriterien für die Auswahl des geeigneten Partners gelten u. a. Zuverlässigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Vertrauensbasis der Partner und Nähe des Versorgungslagers. Sind die Voraussetzungen gegeben, ersetzt dies auf keinen Fall die detaillierte Vertragsvereinbarung bezüglich Inhalt und Art der Dienstleistung, Volumen- und Preisvereinbarung sowie Festlegung von Notfallstrategien und ggf. Konventionalstrafen. Die Zuständigkeit der vertraglichen Absicherung sollte in jedem Fall federführend beim strategischen Einkauf bleiben. Die Festlegung bzw. regel-
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mäßige Überprüfung des Mengenvolumens sowie der logistischen Rahmenbedingungen (wie Anlieferorte, Anlieferzeitpunkte, Behälterdimensionierung) sollte sinnvollerweise von der operativen Logistik erfolgen. Diese sollte im laufenden Prozess der Ansprechpartner für den Dienstleister sein und die montagetechnische, qualitative, technische Zusammenarbeit koordinieren. Um die Funktion und Effizienz der eingerichteten Behälter und Teile-Kreisläufe sicherzustellen, empfiehlt es sich, eine regelmäßige Überprüfung der Umschlagshäufigkeit der einzelnen Behälter durchzuführen. Damit können sowohl verschwundene Behälter als auch „Ladenhüter“ aufgedeckt werden. Zum Service sollten Auswertungen vereinbarter Kennzahlen sowie notwendige regelmäßige Abstimmungen bezüglich Erweiterung oder Verbesserung der Kreisläufe und gegebenenfalls notwendige Inventuren von Behältern gehören und schriftlich vereinbart werden. Nicht zu unterschätzen ist die Chance, die das C-Teile-Management zur Standardisierung von Serienteilen bietet. Wenn der Partner genug technische Kompetenz bezüglich der Anwendungsfälle des Kunden besitzt, kann dies zu einer Reduzierung der Varianten und damit wieder zur Vereinfachung der Beschaffung und zur Kostenreduzierung führen.
4.2.6 Grenzen des Systems Eine für die Verlagerung erforderliche Prozesskostenanalyse wird vielfach an fehlenden Daten scheitern. Eine Übersicht der Leistungen sowie der Vor- und Nachteile bzw. Gewichtung der einzelnen Faktoren muss im Vorfeld ausreichen, um eine Entscheidung zu treffen. Einsparungen bzw. Kostenvorteile durch Vergabe an einen externen Dienstleister werden sich erst nach einiger Zeit zeigen bzw. quantifizieren lassen. Falls eine Dienstleistungspauschale vereinbart wird, lässt sich diese häufig vom Auftragnehmer nur aufgrund von Erfahrungswerten im Vorfeld schätzen. Bedingt durch die sich erst entwickelnde Kundenlösung wird eine Quantifizierung erst mit laufendem Betrieb möglich sein. Dieser Faktor ist aber verhandlungsfähig und wird bei Änderungen des vereinbarten Systems immer wieder Verhandlungsthema sein. Durch die Abhängigkeit, die für beide Partner entsteht, können Nachverhandlungen mit zunehmender Dauer schwieriger werden. Kritische Punkte des C-Teile-Outsourcing sind: • • • •
Aufgrund spezifischer Systeme wird ein späterer Preis-Leistungs-Vergleich schwierig. Lieferantenwechsel ist aufwändig und nur mit langem Vorlauf möglich. Bei Behältersystemen können Behälter verloren gehen. Eine schlecht geplante bzw. vorbereitete Umstellung kann den Produktionsprozess unterbrechen und intern zu entsprechenden Widerständen bei der Einführung führen. • Falls keine stufenweise Auflösung des eigenen C-Teile-Lagers vorgenommen wird, sind unter Umständen keine Reserven vorhanden. • Nicht klar abgegrenzte oder definierte Aufgaben bzw. Zuständigkeiten der Partner im Vertrag führen zu Problemen bzw. unter Umständen zu Mehrkosten.
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4.2.7 Resümee Sinnvolle Anwendungsbereiche für C-Teile-Management sind sowohl Produktionsmaterialien als auch Hilfs- und Betriebsstoffe. Die Anwendungsmöglichkeiten und Spielarten sind sehr vielfältig und müssen an den jeweiligen Einsatzbereich und dessen Gegebenheiten angepasst werden. Eine möglichst detaillierte, schriftliche Fixierung aller wichtigen Punkte ist für den reibungslosen Prozess notwendig und reduziert Folgekosten. Durch die direkte Bereitstellung der Teile am Arbeitsplatz und eine klare Kostenstruktur der Dienstleistung wird eine direkte Zuordnung zu den Kostenstellen, die Empfänger der Leistung sind, möglich. Die größten Einsparungen im Prozess werden im Bereich Disposition, Wareneingang, Qualitätssicherung und Lager erzielt. Personaleinsparungen werden dabei aber selten erreicht und sind auch nicht primäres Ziel. Vielmehr wird mit dem Outsourcing von C-Teilen eine Konzentration der intern betroffenen Abteilungen auf die werthaltigen Teile bzw. Prozesse möglich. Die Teileverfügbarkeit wird bei Einhaltung der gemeinsam festgelegten Regeln sichergestellt.
4.3 C-Teile-Management – optimale Prozesse Mario Graßy Unternehmen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten oder verbessern wollen, müssen ihre Kosten verringern und gleichzeitig ihre Qualität und Flexibilität erhöhen – also Prozesse optimieren. Verbesserungspotenziale sind in der gesamten Wertschöpfungskette zu finden – von der Forschungs- & Entwicklungsabteilung bis hin zur Auslieferung an den Kunden. C-Teile verursachen bekanntermaßen 80 % der gesamten Beschaffungskosten eines Unternehmens, obwohl Sie wertmäßig nur 20 % der gesamten Einkaufskosten ausmachen (Abb. 4.4). Das Einsparpotenzial, bezogen auf die Prozesse des beschaffenden Unternehmens, ist daher von übergeordneter Bedeutung im Vergleich zu Einkaufspreisreduzierungen und daher auch der Schwerpunkt dieses Beitrags. Die Anforderungen an ein effizientes C-Teile-Management sind klar definierbar: Abb. 4.4 Die 80-20-Regel: Während Befestigungselemente mit lediglich 20 % am gesamten Einkaufsvolumen beteiligt sind, entfallen auf sie aber 80 % der gesamten Beschaffungskosten
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• • • •
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Prozessvereinfachung Produkt- und Prozessqualität Zuverlässigkeit Kontinuierliche Verbesserung
4.3.1 Prozessvereinfachungen Es gibt einen Unterschied zwischen effizienten Prozessen und effektiven Prozessen. Effizient ist ein Prozess dann, wenn die einzelnen Prozessschritte richtig – also ohne Fehler – umgesetzt werden. Effektiv ist ein Prozess, wenn es sich um die richtigen Prozessschritte handelt. Ein Beispiel hierfür ist die Wareneingangskontrolle. Unternehmen, die den Wareneingang von C-Teilen einer Detailüberprüfung unterziehen, werden in aller Regel diese Prozesse effizient beherrschen, d. h. nach § 377 HGB alle Prüfkriterien durchführen und die Ware bei Fehlerfreiheit dem Lager zuführen bzw. bei Qualitätsmängeln reklamieren. Effektiv ist es, mit dem Lieferanten eine Qualitätssicherungsvereinbarung zu schließen, um von der Prüfpflicht entbunden zu sein. Eine Analyse der gesamten Prozesskette bildet stets die Basis zur Identifizierung der wesentlichen „cost-driver“. Diese gilt es dann detailliert daraufhin zu überprüfen, ob Vereinfachungen (also Effizienzsteigerung) oder sogar ein Verzicht bzw. eine Verlagerung auf einen C-Teile-Management-Dienstleister sinnvoll sein kann (also Effektivitätssteigerung). Bereits im frühen F&E-Stadium von Produkten und Komponenten ist es sinnvoll, spätere Prozesse bis hin zur Montage mit einzubeziehen. Die Teilevielfalt des Endprodukts hat einen direkten Einfluss auf alle Waren- und Informationsströme. Je geringer die Anzahl an C-Teilen und je standardisierter die C-Teile, desto schlanker sind die Prozesse. Dies steht oftmals dem kreativen Erfindergeist der F&E-Abteilungen entgegen, neue, DIN-/ISO-ähnliche C-Teile zu konstruieren, anstatt auf Bewährtes zurückzugreifen. Lösungen finden sich hierfür in der Definition von StandardKomponenten in einem Bauteilekatalog, der Restriktion von Einzelteil-Neuaufnahmen oder der Einbindung des Engineering-Supports eines Dienstleisters, der auch im späteren operativen Prozess präsent sein sollte, um kontinuierlich Verbesserungspotenziale aufzuzeigen.
4.3.2 Produkt- und Prozessqualität Die fünf „W“ der Beschaffung – wer liefert was, wann und wie viel wohin – sind von entscheidender Bedeutung für die Beschaffungssicherheit von C-Teilen. Für die Prozesssicherheit allein reicht das nicht aus. Wenn die optimale Bedarfsmenge Just-in-sequence am Point-of-fit ist, sind zwar alle logistischen Anforderungen erfüllt, aber was passiert, wenn die Produktqualität nicht den Anforderungen entspricht? Die richtige Qualität der Produkte bildet damit die Basis für die anforderungsgerechte Prozess-
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qualität, unabhängig von der logistischen Leistung. Selbst wenn diese zu 100 % erbracht wird, können Qualitätsmängel bei Produkten den Produktionsablauf empfindlich stören bzw. sogar stoppen sowie nach der Produktion zu Reklamationen und Rückrufaktionen führen. Geeignete Maßnahmen zur Qualitätssicherung sind die Auswahl eines qualitätsorientierten Dienstleisters, der es versteht, durch eine kompetente technische Beratung die Produkt- und Prozessqualität sicherzustellen sowie eine mit dem Dienstleister gemeinsam durchgeführte Qualitätsvorausplanung. Die Qualitätsvorausplanung kann sich permanent an den maximalen Anforderungen orientieren und jedes zugekaufte Bauteil einer detaillierten Kontrolle in der eigenen Qualitätssicherung unterziehen. Werfen wir doch mal einen Blick auf den Qualitätsprozess eines technischen Produktes: • • • • •
Qualitätsplanung Definition von Prüfplänen Qualitätskontrolle in der laufenden Fertigung Endkontrolle Ausgangskontrollen vor dem Versand an die Kunden
Die Wareneingangskontrolle kann durch eine Qualitätsvereinbarung nach § 377 HGB ausgeschlossen werden. Bei der Qualitätsvorausplanung ist aber auch die Frage nach dem Sinn und Erfolg von Einzelmaßnahmen zu stellen. Schließlich sollte man sich immer der Tatsache bewusst sein, welche massiven Einflüsse z. B. auf eine logistische Systemausprägung genommen werden. Verwenden wir das einfache und allseits bekannte FiFo-Prinzip mit Chargenrückverfolgung innerhalb einer Materialbereitstellung nach dem KanbanPrinzip (Abb. 4.5). Zwei oder mehrere Behälter befinden sich hintereinander in einem Bereitstellungsregal. Die Behälter sind nach dem Prinzip „FiFo mit Chargenrückverfolgung“ so angeordnet, dass der „älteste“ Behälter vorne, der „jüngste“ hinten steht. Diese sind zusätzlich mit der darin befindlichen Chargennummer beschriftet. Was den Prozess der Warenbereitstellung betrifft, ist somit den geforderten Qualitätsvorschriften Rechenschaft getragen. Es ist aber nicht gewährleistet, dass der Werker auch dokumentiert oder zumindest zeitlich fixiert, aus welchem Behälter er wann das Produkt entnommen bzw. die Charge gewechselt hat? Da man im beschriebenen Fall nur einen Annäherungswert, aber keine definitive Aussage erreichen konnte, stellt sich die Frage nach der optimalen Belieferungs-Systematik. Neben klassischen Ein- oder Zwei-Behälter-Belieferungssystemen sind heute auch moderne Warenbereitstellungssysteme, wie die SmartBin®-Wiegetechnologie oder sensorikgesteuerte Systeme, wie die SensorBin®-Technologie, am Markt verfügbar. Die Qualität bzw. deren Vorausplanung hat nicht nur Einfluss auf das einzelne Bauteil, sondern auch und vor allem auf nachgelagerte Prozesse.
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Abb. 4.5 Wareneingangsprüfung
4.3.3 Zuverlässigkeit Speziell in C-Teile-Management-Systemen wurde u. a. das Ziel verfolgt, Warenbestände im eigenen Lager weitestgehend abzubauen und an einen Dienstleister zu verlagern. Dabei besteht die Gefahr, dass man in eine Null-Bestand-Situation (Zero-Stock-Situationen) gerät, wenn sich ein geliefertes Produkt trotz Qualitätsvorausplanung, Definition von Regeln oder dem Abschluss einer Qualitätssicherungsvereinbarung als fehlerhaft und damit als nicht verwendbar erweisen sollte. Wenn diese Eventualität in der Analysephase nicht berücksichtigt wurde, tritt ein ernsthaftes Problem auf. Kann der Dienstleister diesen Missstand in einem akzeptablen Zeitraum beseitigen, könnte man sagen: „Es war dessen Verschulden, also ist auch die Beseitigung seine Pflicht.“ Man könnte aber auch feststellen, dass die schnelle Beseitigung in Wirklichkeit Glück war und nun damit beginnen, Fehlermöglichkeits- und Einflussanalysen (FMEA) gemeinsam mit dem Dienstleister zu erstellen. Ein Ziel sollte es immer sein, alle Risiken möglichst in planbaren oder zumindest in akzeptablen Grenzen zu halten. Qualitätskosten, die in der Analysephase anfallen, liegen deutlich unter jenen, die entstehen, sobald sich der Prozess einmal in voller Fahrt befindet (Abb. 1.65). Es kann daher nur logisch und richtig sein, sich über mögliche Störungen im Materialfluss Gedanken zu machen.
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Abb. 4.6 Notfallplanung
Im Rahmen von C-Teile-Management-Systemen verantwortet der Kunde in der Regel nicht mehr alle Materialflüsse • vom Hersteller bis ans Band selbst, sondern alternativ: • • • •
vom Hersteller in ein Verteilzentrum bzw. Pufferlager; vom Verteilzentrum bzw. Pufferlager zu einem Frachtführer; vom Frachtführer in den Wareneingang; vom Wareneingang in ein Zwischenlager.
Jeder dieser Materialflüsse ist grundsätzlich einer gewissen Störanfälligkeit unterworfen. Die möglichen Ursachen für Störungen in Materialflüssen sind wiederum sehr mannigfaltig und können kaum pauschal begründet werden. Für den Notfall sollte jedoch eine Verfahrensanweisung existieren (Abb. 4.6), die systematisch das Vorgehen bei Störungen beschreibt.
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Als Minimum sollten jedoch die Faktoren ausgeschlossen werden, die dazu führen, dass eine Störung des Gesamtprozesses, schon bei einem temporären Ausfall eines Einzelflusses, auftritt. Dies können z. B. sein: • • • • • • • •
Technischer Mangel erst beim Verbau erkannt Falsche Ware ans Band geliefert Zu geringe Menge für den Produktionszyklus ans Band geliefert Ware durch Unfall auf dem Transportweg zerstört Falscher Behälter gewählt – > kann am Montageplatz nicht gehandhabt werden Zuordnung aufgrund DV-Störungen nicht möglich Vereinnahmung aufgrund DV-Störungen nicht möglich Information über veränderten Bedarf wurde nicht an Dienstleister weitergegeben
Bei der Definition optimaler Ablaufprozesse in C-Teile-Management-Systemen sollte daher immer die Regel gelten, so wenige Schritte wie möglich zu tun, diese möglichst selbststeuernd zu gestalten und auf Schnittstellen weitestgehend zu verzichten. Technologische Unterstützungen solcher selbststeuernden Regelkreise scheinen im Verhältnis zu bekannten Kanban-Varianten, wie der Zwei- bzw. Mehrbehälter-Logik, monetär ins Hintertreffen zu geraten. Dabei beweisen diese aber in der Praxis, dass das Plus an Prozesssicherheit und die Geschwindigkeit der Informationsflüsse einen fast unbezahlbaren Vorteil bieten können.
4.3.4 Kontinuierliche Verbesserung Potenziale zur Optimierung von Prozessen liegen in allen Bereichen der Supply Chain. Hauptsächlich wird der Fokus auf aktive Warenbewegung gelegt, da diese objektiv zu betrachten ist und täglich x-mal praktiziert wird. Zusätzliche Potenziale können aber auch viel weiter vorn in der Lieferkette lokalisiert werden. Allein der Komplex der Materialbeschaffung stellt einen bedeutenden Faktor dar. Je mehr Leistungen an diesem strategischen Punkt „outgesourct“ werden, desto mehr sollte man sich darauf verlassen können, dass ein bereits beschrittener Weg des Global-Sourcing von dem Lieferanten auch weiterverfolgt wird. Die Frage nach Low-Cost-Country-Sourcing ist dabei eine Thematik, die sehr sensibel zu behandeln ist. Hierbei große Schritte aus reiner Kostensicht heraus zu veranlassen, hat sich nicht selten relativ zeitnah als Bumerang erwiesen. Global-Sourcing darf nicht nur in Richtung Low-Cost verstanden werden, was zu Lasten der Qualitätsfähigkeit von Einzelteilen und (damit verbunden) ganzer Komponenten gehen kann. Reine Einkaufspreisreduzierungen sind wie eingangs erwähnt von nachgeordneter Bedeutung, wenn es um das gesamte Kostenreduzierungspotenzial des C-Teile-Managements geht. Als zukunftssicher erweisen sich Strategien mit C-Teile-Management-Partnern, die den Markt im Sinne der Prozessvereinfachung, der Prozesssicherheit, der Qualitätssicherheit und der Qualitäts-
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kosten unter Berücksichtigung von Engineering-Leistungen sondieren. Dass diese Strategien auch kostenoptimierend sein müssen, ist eine conditio sine qua non unserer Zeit.
4.4 Die Erweiterung des C-Teile-Managements Florian Seidl Welcher Dienstleister ist für welches Teilespektrum am besten geeignet? Als das C-TeileManagement in Deutschland eingeführt wurde, war die Keller & Kalmbach GmbH einer der Pioniere mit der Einführung eines 2-Behälter-Systems bei Siemens im Jahr 1987. Zunächst setzte man bei jenem Produktbereich an, der in der Produktion in der Regel 80 bis 90 % der Anzahl aller Artikel, der im Wert jedoch nur 2–5 % des Einkaufsvolumens ausmacht, das sind Schrauben und andere Verbindungselemente. In diesem Produktbereich gibt es die höchste Variantenvielfalt bei sehr geringen Teilewerten. Es ist daher kein Zufall, dass sich zunächst vor allem Schraubengroßhändler – kein Hersteller kann diese Produktbreite abdecken – mit dem C-Teile-Management für industrielle Produktion beschäftigten. Später kamen Elektro-Großhändler dazu, die ein geringeres Teilespektrum, jedoch mit höheren Teilewerten abdecken und vereinzelt auch Lieferanten von Industrieteilen, wie u. a. Hydraulikverschraubungen. Erst später begann man intensiv auch C-TeileManagement-Systeme für den internen Betriebsbedarf einzuführen. Hier kamen vermehrt reine Dienstleister ins Spiel, welche eine Vielzahl von Produkten wie Werkzeuge, Arbeitsschutz, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halbzeuge, Dichtungen, Elektroteile etc. in Bezug auf den Einkauf verwalten.
4.4.1 Welche Teile eignen sich für ein C-Teile-Management in der Produktion? C-Teile müssen für die Produktion in der Regel dem Werker vor Ort zur Verfügung stehen. Man wird diese Teile in der Nähe der Produktion lagern und in Form eines 2-Behälter-Systems oder eines anderen automatischen, sich selbst regulierenden Nachversorgungssystems vom Dienstleister bzw. Großhändler nachliefern lassen. Geeignet hierfür sind Teile mit folgenden Charakteristika: • • • • •
Niedriger Verbrauchswert Geringe Empfindlichkeit bei Transport und Lagerung Schüttgutfähigkeit Hohe Entnahmefrequenz Konstanter Bedarf
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Abb. 4.7 Typisches Teilespektrum im Durchschubregal
Betroffen sind Teile wie Schrauben, Muttern, Scheiben, Drehteile, Pressteile, Stanzteile, hydraulische und pneumatische Verschraubungen, Kabelbinder, O-Ringe, Dichtungen, Elektrokleinteile, Rohrschellen, Temperguss-Fittings, etc (Abb. 4.7).
4.4.2 Welche Teile sind geeignet für ein C-Teile-Management in der Betriebsinstandhaltung? Hier kann unterschieden werden zwischen Teilen, die ebenfalls stets sofort verfügbar sein sollten wie z. B. Schrauben, Dichtungen und Betriebsstoffe, also Teile, deren Fehlen zu Betriebsunterbrechungen führen kann und Anderen, die eine gewisse Lieferzeit verkraften, z. B. Werkzeuge, Lager- und Betriebseinrichtungen, Roh- und Hilfsstoffe, Arbeitsschutz, Hygienematerialien, Putzmittel, chemisch/technische Produkte und Vorrichtungen. Auf die erste Gruppe sollten wiederum die oben angeführten Kriterien zutreffen, die anderen Produktgruppen eignen sich für eine Bestellung direkt durch den Werker und eine kostenstellenbezogene Lieferung (Abb. 4.8).
4.4.3 Was sind die Stärken und Schwächen der möglichen Dienstleister für C-Teile-Management? Die signifikanten Merkmale der beiden großen Anbietergruppen – Großhändler und Einkaufsdienstleister – sind: Der Großhändler ist in der Regel Fachmann in einem oder mehreren Bereichen, z. B. Keller & Kalmbach bei Schrauben, Zeichnungsteilen, Werkzeugen, Chemie, Arbeitsschutz etc. Dies hat den Vorteil, dass der Dienstleistungspartner gleichzeitig der Fachhandelspart-
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Abb. 4.8 C-Teile-Bereitstellung
ner ist, was bei einem „reinen“ Dienstleister nicht der Fall ist. Außerdem kann ein Teil der Wertschöpfung, die im normalen Handelsgeschäft erzielt wird, bei der Kalkulation des Aufwands in die Waagschale geworfen werden. In der Regel wird er auch Rechnungspartner für Teile und Produkte sein, während der Dienstleister in der Regel lediglich die Leistung verrechnet. Der Nachteil des Großhändlers ist jedoch, dass er nicht 100 % Wertschöpfung mit der Dienstleistung tätigt, sondern lediglich 10–40 %, der Rest ist Wareneinsatz für seine Vorlieferanten. Er muss daher aufgrund der Deckung der Umlagekosten und Gewinnmarge einen höheren Aufschlag verrechnen. Allerdings ist durchaus denkbar, dass er auch als reiner Dienstleister für Bereiche, die nicht zu seinem Kernprogramm gehören, auftritt. Großhändler haben meist eine Lagerhaltung, sie eignen sich also für Produkte, bei denen sich Lagerhaltung anbietet, gleichgültig, ob sie schnell verfügbar sein müssen oder nicht auftragsgefertigt werden. Der Einkaufsdienstleister ist dagegen lediglich eine zusätzliche Schnittstelle zwischen den Vorlieferanten und dem Kunden. Für seine Dienstleistung muss er selbstverständlich einen entsprechenden Kostenanteil verrechnen. Es gibt auch Mischformen, so z. B. der Anbieter „Simple System“. Simple System ist ein Zusammenschluss verschiedener Großhändler für Werkzeuge, Elektroteile, Verbindungselemente, Betriebseinrichtungen etc. und bietet eine offene Plattform für elektronische Bestellungen, auf der weitere Lieferanten integriert werden können, an. Sämtliche Kosten dieser Dienstleistung werden von den Lieferanten getragen und sind für den Kunden kostenneutral. Diese Plattform eignet sich besonders für den internen Bedarf. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich Fachhändler eher für den Produktionsbedarf, reine Dienstleister oder eCommerce-Plattformen mehr für den internen Bedarf eignen (Abb. 4.9).
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Abb. 4.9 C-Teile-Management kann sehr viele verschiedene Produkte mit der hohen Verfügbarkeit einer Kanban-Bereitstellung und reduziertem Logistikaufwand versorgen. Hier eine Übersicht typischer Produkte aus dem Handwerk. Über Spraydosen, Silikonen, Arbeitsschutzausstattung, Kleinwerkzeug bis hin zu Kabeln werden verschiedenstes Material nach der einfachen Kanban-Logik befüllt
4.4.4 Was übernimmt ein C-Teile-Dienstleister? Der C-Teile-Dienstleister übernimmt im Wesentlichen folgende Aufgaben: • • • • • • • • •
Innerbetriebliche Logistik Einkaufsverantwortung Aktives Beschaffungsmarketing Optimierung der C-Teile Terminverfolgung Reklamationsbearbeitung Rechnungsprüfung Evtl. eine Kontierung nach Kundenwunsch Statistische Auswertungen
Zusätzlich kann ein Fachhändler als Dienstleister noch übernehmen (Abb. 4.10): • • • • •
Lagerhaltung Technische Beratung Optimierung der Einkaufspreise Qualitätssicherung Lieferung in die Produktion (Just-in-time, Just-in-sequence).
Hierbei sind sämtliche Abstufungen denkbar, von reiner EDV-mäßiger Bündelung und Weiterleitung von Einkaufsvorgängen – wobei die Lieferung wie bisher durch den Lieferanten direkt an den Endkunden erfolgt – über Aktivitäten im Einkauf oder in der Logistik wie Kanban-Belieferung. Ebenso können von einem entsprechenden Dienstleister oder Händler mit logistischer Kompetenz entwickelte automatisierte Systeme (RFID o. ä.; vgl. Kap. 5.17 Identifizieren mit RFID und/oder Barcode – Auto ID) eingesetzt werden. Da-
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Abb. 4.10 Kanban mit Kartons – Kanban kann nicht nur über die klassischen Kunststoffbehälter erfolgen, sondern auch durch die praktischen Kartonverpackungen. Die Vorderseite wird dabei leicht schräg nach unten gezogen und so entsteht eine ergonomische Greifschale. Die Doppellabel je Behälter sind besonders interessant für Lagerflächen, die keine umfassende IT-Versorgung aufweisen. Hiermit kann eines der beiden Label auf einem Bestellformular leicht zum Faxabruf verwendet werden
mit werden die Bestände in der Produktion oder dem Kundenlager automatisch ermittelt, dann übermittelt und entsprechende Nachlieferungen ausgelöst. Es können auch noch zusätzliche logistische Dienstleister wie Spediteure eingesetzt werden. Die Systeme sind mit höherem und geringerem Komplexitätsgrad sowohl bei großen wie kleinen Kunden anwendbar. Im Handwerk gibt es z. B. Systeme, bei denen die Regale im Kundenlager beschriftet sind und per einfachem Barcodeleser Bestellungen ausgelöst werden können, die vom Kunden dann eingeräumt werden. Im Handel ist die „Regalpflege“ von Produktbereichen direkt durch den Hersteller oder Großhändler üblich. Bei Großunternehmen kann die Servicetiefe der Dienstleistung bis hin zur direkten Versorgung der Produktion gehen oder bei betriebsinternen Gütern bis zur Lieferung auf Kostenstellen (Abb. 4.11).
Abb. 4.11 RFID-Box – DopLog ist eine einfache, zuverlässige, nicht aufwändige und im Equipment kostengünstige RFID-Lösung. Die Leerbehälter die beim CTM anfallen werden in diesem Fall einfach von oben in den Behälter von Droplog gegeben. Durch diesen ohnehin meist etablierten Ablauf wird ganz nebenbei die Nachschubbestellung vollautomatisch angestoßen
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Aus der Praxis
Beispiel für ein umfassendes C-Teile-Management: Florian Seidl Die Firma Krones AG stellt das gesamte Spektrum von Maschinen für die Getränkeindustrie her. Als Spezialmaschinenbauer hat die Firma ein sehr großes Teilespektrum. Es existierten zwei Kanban-Lieferanten, der eine war für Verbindungselemente, der andere für Elektroteile zuständig. Im Jahr 2001 entschloss man sich, weitere C-Teile zu integrieren. Innerhalb von acht Monaten hat Keller & Kalmbach, die Lieferung für sämtliche Teile mit einem Einzelwert unter 3,00 € übernommen. Es handelt sich 2008 um ca. 4.000 Teile von 300 Lieferanten, z. B. Verschraubungen, Schläuche, Federn, Schilder, O-Ringe und Zeichnungsteile. Diese Teile werden in über 30 Supermärkte in 3 verschiedenen Werken im Rahmen eines 2-Behälter-Systems täglich produktionsnah verbracht. Krones konnte mit diesem System die Lieferantenanzahl erheblich reduzieren, sein Zentrallager um über 30 % entlasten, erhebliche Reduzierungen bei Bestands- und Personalkosten erreichen und gleichzeitig den reibungslosen Ablauf der Produktion sicherstellen. Im Rahmen einer „Open-book-policy“ wurden die für den Dienstleister entstandenen Kosten zunächst vergütet. Im Verlauf von drei Jahren wurden in gemeinsamer Arbeit die Einkaufspotenziale genutzt, wobei die Handelsspanne beim Kernprogramm „Verbindungselemente“ voll in das Projekt einfloss. Die Einkaufspreise wurden, unterstützt durch ein steigendes Umsatzvolumen (2008 fast 10 Mio €), gemeinsam optimiert sodass nur eine sehr geringe effektive Mehrbelastung für Krones entstand (vgl. Kap. 4.4.7 Mit Standardisierung und hoher CTeile-Management-Penetration Logistikkosten senken).
4.4.5 Wo sind die Grenzen des C-Teile-Managements? Teile, die sich nicht für eine Belieferung durch den Großhändler oder Kanban-Belieferung eignen: • Typische A- und B-Artikel, also hochwertige Artikel • Artikel, die nur sporadisch benötigt werden • Artikel, bei denen keine sicheren Vorhersagen über ihre Bedarfsmenge gemacht werden kann • Technisch sehr anspruchsvolle Artikel mit hoher Beratungsintensität und der Notwendigkeit eines ständigen technischen Supports des Lieferanten • Transport- oder lagerungssensible Güter Bei allen anderen Gütern muss der Anwender selbst entscheiden, ob der zusätzliche Aufwand für ein C-Teile-Management seine interne Kostenersparnis kompensiert. Wichtig ist, dass er die Kostenreduktion auch konsequent weiterverfolgt, sodass sie nicht auf dem Papier stehen bleibt. Diese Kosten können z. T. aufgefangen werden, wenn Dienstleister
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eingeschaltet werden, die gleichzeitig Fachhandelskompetenz besitzen und damit einen Teil ihrer Handelsmarge aufgrund des gestiegenen Umsatzvolumens mit dem jeweiligen Kunden zur Deckung ihrer zusätzlichen Kosten verwenden können. Auch ist klar zwischen Produkten zu unterscheiden, die aufgrund des technischen Know-hows zwingend Hersteller gebunden sind, bei denen keine Lieferantenwechsel und auch keine Einkaufspreisreduzierungen möglich sind, und Artikeln, bei denen die Einsparung des Fachhandels-Dienstleisters zum Teil an den Kunden weitergegeben werden kann. Üblich ist hier die 50:50-Regelung, d. h. dass 50 % des erzielten Kostenvorteils mittels Preisreduzierung an den Kunden weitergegeben werden, während 50 % der Handelspartner zur Deckung seines Einkaufsaufwands verwenden kann. Das ist also eine echte Win-Win-Situation für beide Seiten!
Aus der Praxis
4.4.6 Elektronisches C-Teile-Management bei Verpackungsmaterial Stephan Süß Die Sorin Group Deutschland GmbH hat in Zusammenarbeit mit der Keller & Kalmbach GmbH eine elektronische Nachschubsteuerung für Verpackungsmaterial eingeführt. Der Hersteller von medizinischen Geräten in Kleinserienfertigung hatte nicht mehr genug Lagerfläche für Kartonagen und Verpackungen zur Verfügung. Eine Erweiterung der Lagerfläche war am Standort Freimann nicht mehr möglich. Aus diesem Grund wurde zeitgleich neben der Einführung eines C-Teile-Managements für DIN- und Normteile, mit der Einführung eines C-Teile-Managements für Verpackungsmaterial begonnen. Ziele bzw. Vorteile des neuen Systems: • Reduzierung des Flächenbedarfs um 40 % • Erhöhung des Materialumschlags von 6 auf 15 • Reduzierung der Lieferantenzahl von 15 auf 6 • Automatische Nachschubsteuerung durch die Mitarbeiter vor Ort • Visuelle Bestandskontrolle durch definierte Min/Max-Werte • Keine permanente Inventur für nicht stücklistengeführte Artikel notwendig Funktionsprinzip des Systems: 1. Bestellpunkt erreicht? 2. Bestellung ausführen über Push-Log-Knopf drücken (Abb. 4.12, 4.13) 3. Übermittlung an Sender, der die Bestellung über das Mobilfunknetz an den Lieferanten weiterleitet (Abb. 4.14) 4. Verarbeitung der Daten beim Kunde und Auftragserzeugung 5. Weiterleitung der Bestellung an Lieferanten 6. Kommissionierung der Ware 7. Anlieferung der Ware
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Neben einem reduzierten Lagerbestand und Flächenbedarf konnte gleichzeitig die Anzahl der Lieferanten reduziert werden. Weitere Vorteile des Systems sind niedrigere Prozesskosten, da die Bestellung direkt durch die Werker vor Ort vorgenommen werden kann. Die Einkaufsabteilung wird dadurch vollständig entlastet. Steigende Kosten für den Systembetrieb können auf diese Weise durch Prozesskostenreduzierungen aufgefangen werden. Die Lösung für das System ist damit kostenneutral. Abb. 4.12 Kontrolle über Markierung linke Seite am Regal oder über Bestellpunkt auf der Kanban-Karte. (Quelle: Sorin Group Deutschland GmbH)
Abb. 4.13 Push-Log der Keller & Kalmbach GmbH im Einsatz. (Quelle: Sorin Group Deutschland GmbH)
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Abb. 4.14 Sender
Abb. 4.15 Pegelsteuerung mit roten und gelben Markierungen: Die Pegelmarkierungen erlauben einfach und mit wenig Aufwand sicher die Materialbewegung zu verfolgen. Der Materialpegel bleibt dadurch sehr sicher im Bereich über den roten Markierungen. Die Anliefergebinde haben sich von teils mehreren Paletten auf kleine Stapel reduziert. Dadurch ist enorme Lagerfläche frei geworden
Schlanke Prozessanweisung Ein wesentlicher Schritt zu einem stabilen Logistiksystem ist ein einfaches, wenig störungsanfälliges Konzept (Abb. 4.15), Coaching der Mitarbeiter, sowie letztlich ein Aushang der Standards auf einer Seite visualisiert (Abb. 4.16).
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Abb. 4.16 Aushang – Standardized-work: Es wurde eine einfache, laminierte Beschreibung zur Visualisierung und Darstellung der Abläufe und Regeln im Lagerbereich ausgehängt, die von den Mitarbeitern einzuhalten ist
Aus der Praxis
4.4.7 Mit Standardisierung und hoher C-Teile-Management-(CTM)Penetration Logistikkosten senken Christian Loipeldinger Der Krones Konzern mit Hauptsitz in Neutraubling, Deutschland, plant, entwickelt und fertigt Maschinen und komplette Anlagen für die Bereiche Prozess-, Abfüll- und Verpackungstechnik sowie Intralogistik. Informationstechnologie, Fabrikplanung und die eigene Ventilproduktion ergänzen das Produktportfolio des Unternehmens. Täglich werden Millionen von Flaschen, Dosen und Formbehältern mit Krones Anlagen „verarbeitet“; vor allem in Brauereien, der Soft-Drink-Branche sowie bei Wein-, Sekt- und Spirituosenherstellern, aber auch in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, der chemischen, pharmazeutischen und kosmetischen Industrie. Die Firma hat sich seit ihrer Gründung 1951 über den klassischen Maschinen- und Anlagenbau weit hinaus entwickelt. Das Unternehmen ist zum „Rund-um-Partner“ für seine Kunden geworden. Maschinenbau, Anlagen-Know-how, Verfahrenstechnik, Mikro-
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P. Dickmann et al.
biologie und Informationstechnik wurden dabei harmonisch miteinander verbunden und optimiert. Heute ist das Unternehmen das Synonym für „Systemtechnik“. Sondermaschinen – Komplexität der Extraklasse Als Individualproduktfertiger von großen Verpackungsanlagen hat Krones eine Modulare Produktstruktur die bereits in der Entwicklungsphase einen großen Einfluss auf die Produktgestaltung nimmt [Loip 14]. • • • • •
Insgesamt gibt es ca. 12 Mio. Materialstämme. Jährlich kommen ca. 120.000 neue hinzu. Etwa 60.000 Fertigungsaufträge mit 450.000 Auftragsfolgen werden täglich neu geplant. C-Teile werden mit rund 50.000 Umlaufbehältern in 86 Supermärkten bei Krones
seit Jahrzehnten durch Keller & Kalmbach GmbH als Dienstleister abgewickelt. Neben klassischen Verbindungselementen werden auch andere DIN- & Normteile sowie einfache Zeichnungsteile über diesen Weg bezogen. C-Teile-Management Strategie • Klare Teileselektionskriterien sind die Voraussetzung, um eine hohe Penetration zu erreichen. Die Standardisierung von Bauteilen ist der Beschaffung zugeordnet, was das C-Teile-Management sehr unterstützt (Abb. 4.17). • Bei der Lieferantenauswahl wurde ein auch bei schwierigen Beschaffungssituationen zuverlässiger Lieferant mit hoher Lieferperformance und hervorragender Bewertung der Qualitätsleistung gewählt. Ebenso wurde auf die Kooperationsbereitschaft und den Servicegrad hoher Wert gelegt (Abb. 4.18). • Das C-Teile-System wurde mit klarem Fokus auf Prozessoptimierung umgesetzt (Abb. 4.19).
Abb. 4.17 Teileselektionskriterien: Definition der C-Teile [Bend 11]
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Abb. 4.18 Lieferantenauswahl: Klare Definitionen der Arbeitsteiligkeit bei den operativen Prozessen. Verständnis für die Zielsetzung des Kunden durch gemeinsame Prozessentwicklung!
Abb. 4.19 C-Teile-Management: Zielzustand im Vorher-Nachher-Vergleich
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Abb. 4.20 Wachstum – Durch Einführung des C-Teile-Management konnten in diesem Materialsegment die Bewegungen um des 22fache erhöht werden. Zudem wurden die Kanban-Bewegungen um den Faktor 9 erhöht. Dadurch wurde es möglich im Hauptlager die Auslagerungsquote trotz enormen Wachstums der Ausbringung 9 Jahre nahezu konstant zu halten [Loip 14]
ettbewerbsvorteil durch professionelle Systempartnerschaft mit C-Teile-DienstW leister C-Teile-Management ist ein wesentlicher Faktor, um ohne Zuwachs an Lagervolumen die Ausbringung extrem zu erhöhen. Es ist dem Unternehmen gelungen, trotz enormer Zuwächse, neun Jahre mit nahezu gleichem Lagervolumen im Hauptlager auszukommen (Abb. 4.20). CTM ist einer der wesentlichen strategischen Hebel, um im Wettbewerb erfolgreich zu sein.
4.5 Lieferantenmanagement und -optimierung Colin Herron, Philipp Dickmann Die Qualität des Materialflusses in Unternehmen wird maßgeblich von den Lieferanten bestimmt. Die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit mit den Lieferanten werden im Einkaufs- und Lieferantenmanagement definiert. Moderne ERP-Systeme bieten komfortable Möglichkeiten, dies steuerungstechnisch abzubilden. Die Qualität des Materialflusses wird vollständig abgebildet und dokumentiert. Eine Optimierung findet jedoch nur in kleinen Teilbereichen, wie der Datenübertragung und -darstellung statt. Um eine tatsächliche Verbesserung der Prozesse zu erreichen, sind umfassende Maßnahmen auf anderen Ebenen notwendig. Am Beispiel der Automobilindustrie lassen sich grundlegende Konzepte, wie „Preisfokus“-Strategien, qualitätsmanagement-orientierte (QM-orientierte) Methoden, z. B. des europäischen Automobilhersteller (ODETTE, s. Kap. 4.5.2) und kooperative, auf Lean Production basierende Methoden (z. B. beim japanischen Automobilhersteller Nissan) unterscheiden. Komplexere Zielvorgaben für Lieferanten
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483
sind den einseitig kostenfokussierten Methoden mittel- bis langfristig in einer einfachen Konkurrenzsituation klar überlegen. Das trifft besonders bei Produkten zu, die eine nachhaltige Zusammenarbeit erfordern. Allerdings sind an Lean Production orientierte Methoden im SCM in Europa noch wenig verbreitet. Lean-Methoden zur Lieferantenbewertung erlauben durch ihre praxisnahen, umfassenden Kennzahlen eine kontinuierliche Verfolgung des Lieferantenniveaus und der Lieferantenprozesse. Der Aufwand ist jedoch im Vergleich deutlich geringer. Sie zielen dabei, wie die QM-orientierte Methoden, primär auf die Optimierung des umfassenden Herstellprozesses ab. Am Beispiel von Nissan werden Ansätze vorgestellt, die effizient eine hohe Preisreduzierung erreichen.
4.5.1 Konzepte zur hochvolumigen Einkaufspreisreduzierung Klassische Einkaufsstrategie Hier wird die Schnittstelle zum Lieferanten klassisch im rechtlichen Sinn interpretiert. Der Leistungsumfang, dessen Rahmenbedingungen weitestgehend aus gesetzlichen Regelungen bestehen, wird zu einem verhandelten Preis festgelegt. Das entspricht der klassischen Arbeits- und Kompetenzaufteilung im Unternehmen, wobei Einkauf und Beschaffung als rein betriebswirtschaftliche Disziplin verstanden wird. In Europa herrschte bis Ende der 80er Jahre dieses Prinzip vor: Bei einer fairen, nachhaltigen Zusammenarbeit zwischen dem Kunden und dem Lieferanten ist der größtmögliche nachhaltige Nutzen für beide Seiten zu erzielen. Daraus leitet sich ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Preis, Qualität und der differenzierten Leistung des Produktes ab. Der Umsetzungserfolg ist jedoch maßgeblich von langjähriger persönlicher Erfahrung in den Branchen bestimmt. Üblicherweise werden hierbei die Lieferanten nicht systematisch nach interdisziplinären herstellprozessbezogenen Kriterien bewertet, sondern Vergleichspreise, Erfahrungswerte und das „Bauchgefühl“ des Einkäufers sind die Basis der Kaufentscheidung. Kurzfristige Gewinnorientierung Aus den USA stammende, strikt auf den Trend von Aktienkursen (shareholder value) ausgerichtete Konzepte haben die klassischen Einkaufsstrategien in Europa mittlerweile weitgehend verdrängt. Diese extrem auf den kurzfristigen Gewinn fokussierte Denkweise hat eine dominante Preisorientierung in der Einkaufsstrategie zur Folge. Konsequent und schnell auf kleinste negative Tendenzen zu reagieren, führt tatsächlich zu einer deutlichen Verbesserung der Situation. Bei großer Marktmacht, monopolähnlicher Stellung, keiner nachhaltigen Kunden-Lieferanten-Bindung oder anderen speziellen Marktsituationen haben sich diese aggressiven Konzepte kurzfristig als gewinnbringend erwiesen. Bei nachhaltigen Lieferantenverbindungen ist die Situation jedoch anders, da sich das Verhältnis analog der Spieltheorie von Neumann und Morgenstern entwickelt [Neum 44] (vgl. Kap. 1.22 Probleme sind Schätze). Der Druck des Kunden auf die Preise, erhöht beim Lieferanten zunächst den Leidensdruck und zwingt ihn zur Optimierung der Abläufe (Abb. 4.21). Das einseitige Senken des Einkaufspreises (Selektionsdruck) und das
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Abb. 4.21 Grundlegende Ansätze zur Optimierung von Lieferanten
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Ausklammern aller anderen Aspekte nötigt den Lieferanten zu einseitig kostenorientierten wertanalytischen Lösungsansätzen, um langfristig überleben zu können. Letztendlich führt dieses Selektionskriterium zu einem Wechsel des Angebots von „Premi umprodukten“ hin zu „Billigprodukten“. Herstellungsprozesse, die Produkte mit sehr geringer Lebenszeit oder schlechter Produktqualität erzeugen, sind bei dieser Methode im Vorteil. Die Folge des unausgewogenen Preisdrucks in der Praxis Von den Lieferanten wird weiterhin ein möglichst hohes Produktions- und Qualitätsniveau gefordert. Dies erfordert auf der Seite der Lieferanten eine immer größer werdende Zahl an Maßnahmen, Aufwendungen und Kosten, z. B. für Prüfmittel oder Prüfvorgänge, komplexe Produktionsmittel, Schulungen, vielfältigste Dokumentation oder auch Personalkosten. Preisfokusstrategien favorisieren jedoch in erster Linie starke Preisre-
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duzierungen und lassen den Weg, wie die niedrigen Preise erreicht werden, weitgehend unberücksichtigt. Indirekt wird damit eine Leistungsreduzierung in Kauf genommen. Generell ist es legitim und richtig, zu hinterfragen, in wie weit Leistungen nötig sind. Einwände gegen Leistungsreduzierung sind allerdings häufig berechtigt. Beim Kunden ist es intern meist politisch schwierig Leistungsreduzierungen des Produkts durchzusetzen. Verhältnismäßig einfach ist dies bei einem Lieferantenwechsel oder bei Outsourcing. Aus diesem Grunde nimmt bei Maßnahmen zur Preisreduzierung das heikle Thema des Anforderungsprofils bzw. des Produktionsstandards des Lieferanten eine untergeordnete Rolle ein. Durch diese Tabuisierung werden aus einer langjährigen Kooperation gewachsene, hoch entwickelte Strukturen des Lieferanten vernachlässigt und als nicht kostenrelevant angesehen. Bei einem fundierten Vorgehen muss jedoch das tatsächliche Anforderungsprofil und das zu erwartende Risiko differenziert betrachtet werden (vgl. Kap. 1.18 Differenzierte Prozesskostenrechnung; Kap. 4.8 Outsourcing und Lieferantenwechsel). Ausweichstrategien bei unausgewogenem Preisdruck Eine weitere erfolgreiche Ausweichstrategie der Lieferanten ist die geplante und ungeplante Entwicklung zu intransparenten Kostenstrukturen (Abb. 4.22). In vielen Fällen ist es ihm nicht möglich, anfallende Kosten direkt auf den Kaufpreis des Produkts zu übertragen. Sie werden daher zunächst intern und später auch extern unter anderen Positionen verrechnet. Im Sinne eines Selektionskriteriums führt dieser Prozess zu komplexen Kostenstrukturen, Quersubventionierung und zeitlicher Verzerrung. Die klare Zuordnung zu einzelnen Produkten geht verloren und eine Vergleichbarkeit ist nicht mehr gegeben. Die Veränderung der „Spielregeln“ (hin zu einer nicht an Nachhaltigkeit orientierten Zusammenarbeit) führt dazu, dass der Lieferant zukünftig nur mehr die nötigsten Anforderungen des Kunden erfüllt. Typische Folge beim Kunden ist der starke Anstieg der offenen aber auch der verdeckten Kosten, z. B. durch Qualitätsmängel, den Anstieg der Lagerbestände und der Störungen. Hr. José Ignacio López de Arriortúa etablierte den „Purchased Input Concept Optimisation with Suppliers“-Ansatz (PICOS-Ansatz). Das spanische Wort Picos steht wörtlich für „Gipfel“ (als Symbol für Spitzenleistungen), aber auch „Pickel“ bzw. „Spitzhacke“ und umschreibt damit die eigentliche Bedeutung des Begriffs ([Lamm 94], S. 356, Anm. 1). Der PICOS-Ansatz wurde als Methode zur Kostenreduktion und Rationalisierung des Wertschöpfungsprozesses in seiner Gesamtheit tituliert. Tatsächlich wurden aber aus einer Machtposition heraus die Konditionen zugunsten des Automobilherstellers verschoben, oder es wurde versucht, auf einen billigeren Lieferanten zu wechseln. Diese Methode wurde als „Politik der eisernen Faust“ bekannt (nähere Erläuterung in S. 282 in [Lamm 94]). Die ADAM OPEL AG war in Europa wohl das bekannteste Opfer dieser stark einseitig kostenorientierten Politik. Trotz des kurzfristigen Vorteils entsteht bei dieser Philosophie über Jahre meist eine nachhaltige Schädigung des Unternehmens und damit der Rendite. Bei differenzierten,
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Abb. 4.22 Ausweichstrategien gegen unausgewogenen Preisdruck: Spirale der Preisreduzierung – Beim Kunden erhöhen sich Herstellkosten und Reklamationen drastisch
komplexen Produkten mit vielfältigen Eigenschaften und langer kooperativer Entwicklungszeit führen diese Konzepte mittel- bis langfristig zu deutlich höheren Kosten. Dies ist selbst bei C-Teilen der Fall, etwa durch Vernachlässigung der Qualitätsansprüche, des Servicegrads oder der Flexibilität. Einkaufspreisorientierung Immer größere und schnellere Handelsplätze, Marktplätze oder – modern formuliert – Plattformen stellen eine konsequente, moderne Variante der Einkaufspreisorientierung dar. Die elektronische Datenübertragung, beispielsweise die Übertragung von Daten nach dem EDI-Standard, ermöglicht heute die weltweite Abwicklung von Geschäftsprozessen, z. B. Rechnungsbuchungen oder Bestellungen. In den letzten Jahren haben sich auch Marktplätze etabliert, in denen Waren z. B. online im Internet in Sekundenbruchteilen aus dem weltweiten Angebot der Zulieferer ausgesucht und bestellt werden können. Während bis vor einigen Jahren noch elitäre, rein für Unternehmen verwendbare Plattformen existierten, haben sich mittlerweile auch offenere Plattformen etabliert. Gebrauchte Maschinen werden beispielsweise bei EBAY direkt neben Konsumgütern für den privaten Gebrauch verkauft – alles auf der gleichen Plattform. Solche Konzepte sind bei spezifischen Produkten, deren Leistungsvergleich nicht mit einfachen Kennzahlen oder Standards möglich ist, oder die eine jahrelange gemeinsame Entwicklung voraussetzen, nicht sinnvoll.
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4.5.2 Qualitätsmanagement-orientierte Konzepte zur Lieferantenoptimierung Die Zunahme der Komplexität der Produkte, Herstellprozesse und Lieferantenanforderungen erfordert die Entwicklung von Standards für Lieferanten. Um einen ungestörten Materialfluss zu gewährleisten, wurden Maßnahmen zur Prävention von Krisenfällen definiert. Als Konsequenz der Preisfokusstrategien hat sich die SCM-Philosophie etabliert, ergänzt durch die in Nordeuropa und Nordamerika verinnerlichten QM-Konzepte. Vom Qualitätsmanagement (QM) zum SCM-Standard der europäischen Automobilindustrie (ODETTE) Von der europäischen Automobilindustrie wurde ein einheitlicher Standard in der „Organisation for Data Exchange by Tele Transmission in Europe“ (ODETTE, www.Odette.org) basierend auf vorhandenen Qualitätsmanagement-Systemen entwickelt. Dieses Konzept ist sehr umfassend, aber auch aufwändig in der Umsetzung. Es stellt sehr hohe Ansprüche an die Zulieferer der Automobilindustrie in Europa und erreicht damit eine durchgängige Standardisierung des Supply Chain Management (SCM). Die Vorgehensweise von ODETTE lehnt sich an die DIN-Zertifizierungsmethode an. In diesem Forum wurden sehr umfassende Standards für Kommunikation, Austausch von technischen Daten und Logistik-Management definiert. Die europäische Fahrzeugindustrie will damit eine erfolgreiche Basis für die Zusammenarbeit mit ihren globalen Partnern erreichen. Die Konzepte wurden für Beziehungen von Partnern im Umfeld hochkomplexer Konzernstrukturen maßgeschneidert. Einerseits wurden konkrete Normen definiert, wie Formate für Datenübertragung, Behälterbeschriftungen oder die Verwendung von Transpondern bzw. Barcodes. Andererseits wurden, angelehnt an die Vorgehensweise bei Qualitätszertifizierungen, Checklisten entwickelt, die umfassende Fragestellungen der Zusammenarbeit erfassen und lenken. Zur Jahrtausendwende wurden die ersten Zertifizierungen umgesetzt und erste A-Lieferanten, wie etwa die VOITH Produktgruppe Retarder von VOLVO, nach der ODETTE-Klassifizierung ausgezeichnet. Durch den Standard können Automobilhersteller (OEM’s) und Lieferanten Synergieeffekte nutzen, unnötige Zertifizierungen werden eingespart. Vorgehensweise von ODETTE ODETTE bewertet die Qualität der Produkte, der Zusammenarbeit und der Zulieferunternehmen. Dieser Maßstab wird bei einer Lieferanten- oder Produktentscheidung gleichberechtigt zum Preis herangezogen. Die Zertifizierungen fordern, die Prozesse der Produktund Lieferqualität umfassend zu kontrollieren und zu dokumentieren. Die Lieferanten werden aufgefordert, eine Klassifizierung der Unterlieferanten anzuordnen.
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Die Lieferanten müssen zunächst ihren Status für jede Frage der Checkliste in einer Selbstbewertung ermitteln. Die Antworten werden über eine individuelle Gewichtung zu einer Gesamtpunktzahl zusammengeführt. Damit kann der Kunde mit geringem Aufwand eine umfassende Verifikation vornehmen. Das Konzept erfüllt allerhöchste Ansprüche, z. B. beim Logistik-Audit mit dem Global Materials Management Operations Guide (Global MMOG), mit ca. 70 Grundfragen und 3 bis 15 untergeordneten Fragestellungen. Nahezu jede denkbare Problemstellung wird abgefragt. In dem Guide werden Vorgaben für Notfallpläne bei Streik oder Naturereignissen, elektronische Datenübertragung bis hin zum Einsatz simulativer Planungstools definiert. Inwieweit die Vorgaben, etwa der Zwang zu EDI oder simulativen Tools, eine sinnvolle Lösung für alle Unternehmen darstellt, ist fraglich. Die Methode ist hoch komplex und daher extrem aufwändig. In der Praxis wird meist nur eine vereinfachte Bearbeitung und Überprüfung umgesetzt. Die Fragen und Zielvorgaben sind primär auf Konzernstrukturen abgestimmt, daher sind sie auf KMU nur eingeschränkt übertragbar. Der derzeitigen Entwicklung, in kleineren Unternehmensstrukturen zu arbeiten, wird das Konzept dadurch nicht gerecht. Flankierend finden bei ODETTE Projekte zur Kostenreduzierung statt, sofern Lieferanten die geforderten Kostenziele nicht erreichen. Hierbei werden im Regelfall unter der Hoheit des Einkaufs die Kostenstrukturen und mögliche Kostenreduzierungspotenziale wertanalytisch ermittelt. Dazu wird die klassische betriebswirtschaftliche Kostenstruktur des Produktes als Basis für Reduzierungen und Verbesserungen herangezogen.
4.5.3 Lean-Lieferantenmanagement – Lean-Philosophie-orientierte Lieferanten- und Kostenoptimierung Die japanische Automobilindustrie hat sehr früh begonnen, das 1966 von T. C. Ohno [Ohno 78] bei Toyota für interne Abläufe entwickelte Kanban-System auf Lieferanten auszudehnen. Spätestens mit der „zweiten Lean Revolution“ [Takes 95] bzw. der „zweiten Revolution in der Automobilindustrie“ [Woma 92] (vgl. Tab. 1.1.1) wanderte die Bedeutung der Einbindung der Lieferanten in den Brennpunkt. Die Zuliefererlandschaft bestand in Japan vielfach aus „Kiretsu“, also Familienunternehmen, die weit reichende Kooperationen zu den OEM hatten, welche meist einen Eigenkapitalanteil an der Gesellschaft [Sako 03] besaßen. Der in Japan bevorzugte Ansatz unterscheidet sich vor allem in der Prozessorientierung und der Einbindung von Lean-Know-how im Vergleich zu den ergebnisorientierten bzw. an kurzfristigen Gewinnen orientierten Methoden, die vor allem in den USA, aber auch in Europa von J. I. López präferiert wurden (vgl. Kap. 4.5.1 Konzepte zur hochvolumigen Einkaufspreisreduzierung). Der kooperative Umgang mit den Lieferanten ist daher nach der japanischen Philosophie das Herzstück des Lieferantenmanagements. Lieferanten werden hier als „Teil der Familie“ verstanden, was sich, bezogen
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Tab. 4.1 Vergleich ODETTE und Lean Lieferantenbewertung [Lepr 07b] Methode ODETTE Lean Lieferantenbewertung Vorgehen Qualitätsmanagementbasiert Best Practice Vorteile • viele Bewertungskriterien • wenige, aber aussagekräftige • sehr detailliert Bewertungskennzahlen • sehr fundiert („110 %ige“ Lösung) • fundierte ganzheitliche Aussage • prozess- und damit kostenorientiert • deckt Verschwendungen auf • schnell durchführbar • nach Anforderung skalierbar • überschaubares Ergebnis • führt durch Anpassen an praxistaugliche Best Practice-Lösungen (evtl. mit Beratungsleistung) zur sicheren und tragfähigen Prozessoptimierung und zu starker Kostenreduzierung Nachteile • extrem zeitaufwändig setzt Best Practice und Lean Wissen des • teuer Auditors voraus • nicht häufig wiederholbar • sehr umfangreich • starr, da als Standard fixiert • Ergebnis aufgrund der Menge der Daten schwer auswertbar • Bewertungsschwerpunkt Qualität Zielgruppe Konzerne Konzerne Mittelstand kleine Unternehmen
auf das beteiligte Kapital, auch betriebswirtschaftlich widerspiegelt. „Einen Sohn verstößt man nicht, wenn er die Vorgaben nicht erreichen kann, man hilft ihm“. Intensive Kooperation tritt an die Stelle von Parallellieferantenstrategien. Diese auf den ersten Blick triviale Philosophie führte zu einem vollkommen anderen Lösungsansatz in Japan. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Lieferantenentwicklung mit Lean-Methoden sehr effektiv zur direkten Reduzierung des Kaufpreises angewendet werden kann. Sie eliminiert selektiv und detailliert Verschwendung. Interdisziplinär werden verschiedenste Bereiche optimiert und gleichzeitig nimmt bei dieser Kostenreduzierung das Risiko, das generell mit Änderungen einhergeht, ab. Die Methode ermöglicht zudem einen exakteren globalen Vergleich von Lieferanten und kann in unterschiedlichsten Branchen oder Herstellprozessen angewandt werden (Tab. 4.1).
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Aus der Praxis
4.5.4 Lieferantenentwicklung am Beispiel Nissan Colin Heron Bei Nissan Motor Manufacturing Uk Ltd. wurde um 1997 erkannt, dass der Löwenanteil der Kosten (65 %) und damit des Potenzials zur Optimierung bei den Lieferanten liegt. Der Trend hielt an und der Anteil lag 2006 bei 70%. Weiterführende Unterstützung bzw. Beratung der Lieferanten mit Lean-Know-how wurde folglich als besonders wirtschaftlich und lohnenswert angesehen (Abb. 4.23). Dies war die Geburtsstunde von „Total Cost Investigation“ (TCI), einem Team zur Unterstützung des bereits etablierten „Supplier Development Team“ (SDT – Lieferantenentwicklungsteams). Hierzu wurden Teams aus Spezialisten zur Lieferantenentwicklung gebildet, um Lieferanten zu unterstützen. In Europa wurden dazu Mitarbeiter aus der Produktion, etwa aus dem Werk Sunderland Newcastle, herangezogen, da diese einen hohes Maß an Verständnis für die Problemstellungen ihrer Lieferanten hatten. Das Werk Sunderland wurde 2006 zum achten Mal vom „World Market Research Center“ (WMRC) als das effizienteste Automobilwerk Europas und erstmals auch Nordamerikas ausgezeichnet. Mit Hilfe erfahrener Praktiker entstand eine kooperative Stimmung und die Lieferanten erkannten sehr schnell, dass ihnen eine aufrichtige, offene Kundenbeziehung mit einer nützlichen Highlevel-Consultingleistung gewährt wurde. Die Lieferantenstrategie unterschied kurz- bis mittelfristige Maßnahmen TCI (die eng eingegrenzt und preisorientiert erfolgten) und mittel- bis langfristig wirkende Maßnahmen SDT, die sich beide gegenseitig ergänzten. Wie der Name „Total Cost Investigation“ erkennen lässt, war es das klare Ziel für Nissan, eine Kostenoptimierung für die eigenen Produkte zu erreichen. Auch wenn der Titel des Konzepts eine hohe Kostenorientierung erkennen lässt, steht ein bilateraler und symbiotischer Charakter im Vordergrund. Beide Partner profitieren von der Zusammenarbeit in hohem Maße. Befürchtungen, dass der OEM mit viel Aufwand und unter dem Vorwand der Unterstützung nur versuche, rücksichtslos Kosten zu senken, entkräfteten sich meist im Verlauf eines solchen Projekts von selbst. Der Verbesserungseffekt, Kostenvorteile und die Methoden wurden in der Regel vom Lieferanten auch auf andere Produkte übertragen. Sofern der Lieferant die Unterstützung richtig nutzte, konnte ein deutlicher Prozess- und Kostenvorteil für den gesamten Herstellprozess, inklusive angrenzender Bereiche, entstehen. Die kooperative und offene „Durchleuchtung“ des Anforderungsprofils hatte einen enormen betriebswirtschaftlichen Effekt. Verschwendung wurde auf beiden Seiten (Lieferant und Kunde) eliminiert. Die Exponentialkurve der Kosten bei Produktentwicklungen (Abb. 1.64) hat zur Folge, dass sich die meisten der relevanten Einsparungen in Design-Änderungen oder Neuentwicklungen niederschlagen, also erst mittel- bis langfristig wirtschaftlich wirksam werden. Durch die kooperative Optimierung der Prozesse und den Einsatz von Best Practice-Beispielen konnte Verschwendung umfassend eliminiert
4 Supply Chain Management (SCM) mit Kanban Abb. 4.23 Der Wertschöpfungsanteil bei Nissan ist gering und nimmt ab. Der Großteil der Wertschöpfung liegt beim Lieferanten. Damit bestimmen die Lieferanten auch entsprechend die Leistung
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und Einsparung erzielt werden. Die Folgen ungewollter Leistungseinbrüche, etwa in der Qualität oder Lieferfähigkeit, blieben aus. Der Lieferant kann sein Kostenziel erreichen und damit einen nachhaltigen Preisvorteil weitergeben. Das Vorgehen verursacht einen in Relation zu anderen Verfahren vergleichbaren direkten Personalbedarf und sonstigen Aufwand. Die vielfältigen positiven Auswirkungen und damit letztlich Kosteneinsparungen sind aber ungleich höher als bei einfachen Methoden des Preisvergleichs. Andere positive Auswirkungen werden nicht direkt zugeordnet erfasst, etwa die Reduzierung des Krisenmanagements beim Kunden oder beim Lieferanten. Im Vergleich zu gängigen QM-basierten Methoden ist der Aufwand für Organisation, Dokumentation und Datenbearbeitung ebenfalls erheblich geringer. Es bleibt klar festzustellen, dass eine herausragende Produktivität in einem Unternehmen grundsätzlich nur mit einer mindestens gleichwertigen Spitzenleistung der Lieferanten möglich ist.
4.5.5 Umsetzung einer Lieferantenoptimierung mit Lean-Philosophie Im Konzept von TCI wurden 23 Checkpunkte definiert. Japanisch heißt „ni“ zwei und „san“ drei, was zu der Bezeichnung „Nisan“-Checkpunkte (23-TCI-Checkpunkte) führte. Verglichen mit ODETTE sind Lean-Methoden sehr wenig differenziert, daher ist ein viel geringerer zeitlicher Aufwand zur Bearbeitung nötig. Die 23 Punkte zielen darauf ab, Kosten zu reduzieren und Verschwendung zu eliminieren. Durch die präventive Wirkung der Lean-Philosophie ist es möglich, eine effiziente und wirtschaftliche Produktion im interdisziplinären Zusammenspiel auch aller angrenzenden Bereiche zu erzeugen. Das TCI-Team besteht (nach Bedarf) im Allgemeinen aus Produktion, Einkauf, Logistik und Qualität. Entsprechend der Branche, der Problemstellung, der Kostentreiber und letztlich dem Land variiert natürlich die Zusammensetzung dieser Teams. Der angestrebte Zeitrahmen ist kurz- bis mittelfristig. Die Kennzahlen, die beim Lieferanten aufgenommen werden, identifizieren die Optimierungspotenziale. In Abb. 4.24 werden die von der Bewertung betroffenen Bereiche aufgezeigt. Der wesentliche Unterschied zu QM-Methoden liegt darin, nicht nur primär auf Kostenpotenziale oder Probleme hinzuweisen, sondern in allen Bereichen hochwertige, bewährte Alternativen und deren Potenziale aufzuzeigen. Die Umsetzung dieser Optimierungsmaßnahmen wird nicht nur vom Lieferanten gefordert, sondern zusammen mit den Trainern geplant und realisiert. Maßstab sind dabei bekannte Best Practice-Beispiele. Formal wird damit natürlich auch das Ziel der Kostenreduzierung angestrebt, der Weg ist aber deutlich
492 Abb. 4.24 Bei der Bewertung durch das TCI-Team werden folgende Bereiche analysiert und optimiert
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kooperativer und unterstützt den Lieferanten. Das TCI-Konzept geht bei Nissan nahtlos in das SDT über, ein mittel- bis langfristig angelegtes Lieferantenoptimierungssystem mit breiter Anwendung von Lean-Methoden. Die Lieferantenbewertung betrachtet neben der aktuellen Situation auch maßgeblich die Gesamtentwicklung eines Unternehmens. Beim Vergleich von Lieferanten ist bei geringem Unterschied von Preis und Qualität entscheidend, welcher sich schneller und effizienter entwickelt. Er kann dem Kunden in absehbarer Zeit die bessere Leistung zum besseren Preis bieten. Lean-basierte wirtschaftliche Schlüsseldaten bringen eine bessere Vergleichbarkeit als die anderweitig üblichen Assessments für Lieferanten oder der einfache Vergleich der Einkaufspreise. Es lassen sich dabei nicht nur die Ist-Kosten, sondern auch verdeckte Ursachen der Verschwendung erkennen. Die differenzierte, pragmatische und ausgewogene Betrachtungsweise erlaubt eine einfache und kostenrichtige Vergleichbarkeit von internationalen Produktionsstandorten. Um Lean-Kennzahlen ergänzte wirtschaftliche Kennzahlen erlauben eine deutlich fundiertere Aussage, als andere gängige Methoden, die vielfach Punkte wie die Gemeinkostenaufteilung nicht ausreichend berücksichtigen. Breites Anwendungsfeld Die Vernetzung der Standards unter den großen japanischen Automobilherstellern wurde schon früh erzeugt. Die großen Drei – Nissan, Toyota und Honda – trieben den Austausch und die Standardisierung in Hinblick auf Lean in der Lieferantenentwicklung sehr umfassend voran. Ein Vorgehen, das von der Britischen Regierung ebenfalls angestrebt wurde, um allen Automobillieferanten in Großbritannien den Zugang zu schlanken Herstellungsmethoden zu ermöglichen. Nach der Bildung der Nissan/Renault-Allianz wurde die Methode der kooperativen Lieferantenentwicklung (TCI) in veränderter Form unter dem Namen „Alliance Supplier Improvement Activity“ (ASIP) in Abstimmung mit Renault fortgeführt. ASIP benutzt ein Team von Fachingenieuren aus Logistik, Produktion und Konstruktion. Lean-basierte Lieferantenentwicklung bewirkt nicht nur die direkte Reduzierung des Kaufpreises, sondern vermindert zahlreiche indirekte Kosten. Diese Methode des Lieferantenmanagements, mit einer konsequenten Einführung von Lean-Methoden, ist für
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Abb. 4.25 Effizienzvergleich von Nissan (mit Lean Lieferantenmanagement) mit anderen Herstellern in Europa. Das Nissan-Werk (Sunderland) im Hochlohnland England benötigt 25–75 % weniger Lohnkosten und Arbeitsstunden pro Fahrzeug als alle anderen vergleichbaren Werke in Europa und Nordamerika [Harb 01]
beliebige Herstellungsprozesse erfolgreich anwendbar und führt zur Steigerung der Konkurrenzfähigkeit (Abb. 4.25). Es ist jedoch eine spezifische Anpassung der Grundlage des TPS notwendig. Die Basis ist hierbei eine Produktivitätsbedarfsanalyse, gefolgt von einer maßgeschneiderten Unterstützung für jedes Unternehmen [Herr 06]. Es können damit nachhaltige Kostenvorteile im Vergleich zu gängigen einkaufspreisorientierten Methoden mit geringerem bürokratischen Aufwand als bei Qualitätsmanagement-basierten Systemen erreicht werden. Das Konzept von Lean-Lieferantenmanagement bezieht folgende Vorgehensweisen mit ein Abb. 4.25: • Hauptfokus neben der Entwicklung der Lieferanten ist eine konsequente Reduzierung der Störgrößen (im Materialfluss des Lieferanten und intern beim Kunden). • Lieferantenbewertung und Lieferantenfokussierung erfolgen regelmäßig mittels Lean-Kennzahlen (TCI-Punkte). • Lieferantenauditierung und -gespräche werden durch Valuecycle Analyse unterstützt, gegebenenfalls auch mit Openbook-Strategie. • Lieferantenentwicklung wird in kooperativer Zusammenarbeit mit dem Lieferanten und unter Einsatz von Lean-Methoden durchgeführt (z. B. Kanban, MaterialflussKaizen oder Valuecycle Analyse sowie unter Bezugnahme auf Best Practice Beispiele). • Anbindung der Lieferanten erfolgt über Lieferanten-Kanban und strikte Umsetzungsvereinbarungen. • Das Team zur Umsetzung dieses Konzepts sollte interdisziplinär zusammengesetzt und als Stab unter der Geschäftsleitung angesiedelt sein. • Ergebnisse: Mittelfristig führt die Methode zu nachhaltig stabilen Lieferantenprozessen und hoher Lieferfähigkeit. Da die Methode einen tiefen Einblick in die Strukturen
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Abb. 4.26 Lean-Lieferantenmanagement. (Quelle: lepros GmbH)
der Lieferanten gibt, können Preispotenziale ohne nachträgliches Risiko voll genutzt werden [Lepr 07b].
4.6 Kooperationsmanagement – Netzwerke Netzwerke – Allheilmittel der weltweiten Prozessoptimierung? Peter Schmidt Im Zeitalter des Internets ist es möglich, innerhalb von Sekunden weltweit unter den günstigsten Konditionen zu kaufen und zu verkaufen. Die Auswirkungen des Internets auf wesentliche Funktionsbereiche eines Unternehmens sind enorm. Als Folge des Internets gibt es insbesondere auch für die Materialwirtschaft eine Fülle ausgereifter Softwaretools, welche das Handling wesentlich erleichtern, eine hohe Prozesssicherheit bieten und vor allem die wesentlichen Prozessinhalte eines standardisierten Beschaffungsprozesses nachbilden. Parallel dazu hat sich durch die fortschreitende Globalisierung der Märkte auch auf der Anbieterseite (Verkäufer) eine entsprechend hohe Akzeptanz des Mediums Internet herausgebildet, mit der Folge, dass sich immer mehr Lieferanten- bzw. Einkaufsportale herausbilden, die zu einem intensiven Waren- bzw. Dienstleistungsaustausch, zuerst im B-to-B-Bereich (Vertriebsweg „business to business“) führen. Trotz dieser grundsätzlich positiven Entwicklung ist die anfängliche überbordende Euphorie bezüglich des WWW als einfaches, schnelles und weltweit einsetzbares „Allheilmittel“ zur Optimierung des Waren- und Informationsflusses auf nationalen und internationalen Plattformen/Marktplätzen inzwischen wieder verflogen.
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Warum? Zum einen, weil sich in der Realität der webbasierte Einkaufsprozess vor allen Dingen auf den Einsatz einkaufspreisdominierter Methoden und branchenspezifischer Standardprozesse konzentriert, welche nur für einen stark eingegrenzten Teil von Produkten und Anwendungen einsetzbar ist. Zum anderen, weil gerade durch das Medium WWW immer mehr die in den letzten Jahrzehnten eingetretenen, gravierenden, weltweit sichtbaren Marktveränderungen sichtbar werden. Elementare Trends sind dabei sowohl der Übergang vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt und damit von der reinen Massenfertigung zur maßgeschneiderten Massenfertigung (Mass Customization) als auch die neue Philosophie des Shareholder-Value-Ansatzes als Bewertungsbasis einer nachhaltigen Unternehmens(wert)entwicklung.
4.6.1 Was sind Netzwerke? Netzwerke im engeren Sinne Als Netzwerk bezeichnet man den Verbund mehrerer Computer, die miteinander kommunizieren können. Man unterscheidet hierbei zwei Typen von Netzwerken, diese heißen (Local Area Network) LAN und Wide Area Network (WAN). Server und Clients sind wesentliche Bestandteile der meisten Netzwerke. Diese werden in der Regel dazu verwendet, vielen Clients Informationen oder Ressourcen, z. B. einen Drucker, über einen Server zentral zugänglich zu machen. Das Internet ist das heute wichtigste und größte Netzwerk. Der Austausch der Daten erfolgt über sogenannte Netzwerkprotokolle. Bei dieser Definition steht die Betrachtung von Netzwerken als reines Organisationsmittel (Hardware und Software), welches zur Optimierung eines Gesamtsystems eingesetzt wird, im Vordergrund. Netzwerke im weiteren Sinne Bei der Betrachtung im weiteren Sinne wird die reine Einordnung von Netzwerken als Bündel von Hardware- und Softwaretools im Rahmen der Strukturorganisation wesentlich erweitert. Zu dem rein ordnungspolitischen Einsatzmittel kommen Einheiten mit Gestaltungsfunktion hinzu. Die Definition wird auf die lockeren Zusammenschlüsse von Akteuren (einzelne Personen, Organisationen, Einrichtungen) aus unterschiedlichen Bereichen, die sich im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen zu einer Zusammenarbeit verpflichten, ausgedehnt.
4.6.2 Netzwerke – die nächste Evolutionsstufe der klassischen Managementmethoden zur Prozessoptimierung? Infolge der geänderten Marktanforderungen ist in der Unternehmensphilosophie eine verstärkte Fokussierung auf eine markt- und kundenorientierte Ausrichtung zu beobachten. Die erfolgreiche Umsetzung einer marktorientierten Unternehmensführung fordert die
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kompromisslose Ausrichtung der in der Servicequalität ausgedrückten, auf den spezifischen Markt ausgerichteten Schlagkraft eines Unternehmens. Das Optimum der „Servicequalität“ [Kenz 03] eines Unternehmens ergibt sich aus der Verknüpfung der bestimmenden Faktoren: Produkt, Organisation und Mensch (Abb. 4.27). Es wird nur dann erreicht, wenn es gelingt, diese drei Faktoren derart zusammen zu führen, dass sie potenzierend und nicht nur additiv wirken. Aus dieser Perspektive heraus ergibt sich zwangsläufig auch das Diktat einer ganzheitlich ausgerichteten Betrachtungsweise der Unternehmung bzw. der Unternehmensprozesse. Diesen Anspruch kann eine web-Netzwerkabwicklung, mit einem preisoptimierten und -dominierten Einkaufsprozess nicht erfüllen. Dem Anspruch nach optimalen Gesamtergebnissen wird nur durch die durchgängige Betrachtung und Einbindung der gesamten Logistikkette entsprochen. Gerade diese ganzheitliche Betrachtungsweise macht gleichzeitig deutlich, dass das Medium Netzwerk bzw. „Internet“ nur ein Werkzeug ist, das bei richtigem Gebrauch über Erfolg oder Misserfolg mitentscheidet, letztendlich strukturbedingt aber keine ganzheitliche Betrachtung stemmen kann. Im Gegenteil – die verstärkt implementierte Philosophie der marktorientierten Unternehmensausrichtung, in Verbindung mit der durch die Globalisierung erzwungenen Prozessoptimierung, führt durch den Zwang der ganzheitlichen Betrachtungsweise sehr schnell zur Rückbesinnung auf die bewährten klassischen Führungsinstrumente. Mehr und mehr ist unternehmerische Leitkultur erforderlich, um sich völlig neue und entscheidende Wettbewerbsvorteile zu sichern. Aus dieser Sicht heraus ist es nicht überraschend, dass gerade jetzt die Themen Kooperationsmanagement bzw. Netzwerke stärker diskutiert und ihre Bedeutung für eine erfolgreiche Unternehmensführung und die Erreichung entscheidender Wettbewerbsvorteile stärker in den Vordergrund tritt. Diese Vorteile sind in erster Linie durch eine entsprechende strategische Ausrichtung zu erreichen, z. B. durch schlanken Materialfluss und Lean Production. Der Einsatz neuer Organisationsmittel wie das Internet, unterstützt lediglich die optimale Zielerreichung. In dieser Hinsicht sind sowohl das World Wide Web als auch andere Netzwerke nur als Instrumente der Zielerreichung zu betrachten. Netzwerke sind also in keiner Weise als eigenständige Managementtools mit Strategiecharakter zu betrachten, sondern die Folge des Einsatzes strategischer Grundsatzentscheidungen. Der strategische Ansatz verbirgt
Produkt
+(X)
Organisation
+(X)
Mensch
Servicequalität
Abb. 4.27 Das Optimum der drei Faktoren – Produkt, Organisation, Mensch – führt zu einer optimalen der Servicequalität
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sich dagegen hinter einer traditionsreichen, klassischen, unternehmerischen Managementmethode – dem Kooperationsmanagement.
4.6.3 Kooperationsmanagement Definition Kooperation Kooperation ist jede Art von freiwilliger, zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit (z. B. bei Forschung und Entwicklung, Produktion, Einkauf, Vertrieb etc.), ohne dass die Kooperationspartner ihre rechtliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit verlieren. Berücksichtigt man die Definition von Netzwerk im weiteren Sinne, sind Kooperationen letztlich nichts anderes als „beseelte“ Netzwerke. Der Begriff „Netzwerk“ ist also nichts anderes als „alter Wein in neuen Schläuchen“, wenn auch zugegebenermaßen der Kelterungsprozess deutlich verfeinert und beschleunigt worden ist. Kooperationen – Turboinstrumente „Kooperationen bilden aufgrund der Aufgabenverteilung sowohl einen Ansatz zur Risikostreuung (Investitionsaufteilung), zum Fehlerausgleich (Weitergabe von Erfahrung), zur Leistungssteigerung (Konzentration auf Kernkompetenzen) sowie zur Kostendegression (Kapazitätsausgleich)“ [DNEG 06]. Diese sehr sachliche und enge Definition wird der Bedeutung und des im Kooperationsgedanken vorhandenen Synergiepotenzials auf den ersten Blick bei weitem nicht gerecht. Sehr gut zeigt sich dies bei genauerer Betrachtung der Wertkette nach Porter (Abb. 4.28). Die Wertkette zeigt, wie sich der Gesamtwert eines Produktes aus den Wertschöpfungsaktivitäten und der Gewinnspanne zusammensetzt. Im unteren Teil der Wertkette sind die primären Aktivitäten aufgeführt, die sich mit der physischen Herstellung des Produktes beschäftigen,
Infrastruktur des Unternehmens nn wi Ge
Personalmanagement Technologische Entwicklung
Interne Logistik
Produktion
Externe Logistik
Abb. 4.28 Modell der Wertkette [Port 89]
Marketing und Verkauf
Kundendienst
Ge wi nn
Beschaffung
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wobei zwischen vor- und nachgelagerten Aktivitäten unterschieden wird. Porter sieht in den Wertaktivitäten die Bausteine von Wettbewerbsvorteilen. [Pfoh 00].
Kooperationen sind unter Berücksichtigung der Wertkette die Klammer zwischen einer bereichsübergreifenden Sicht der Wertschöpfungspotenziale einer Unternehmung und der praktischen prozessorientierten Umsetzung unter Nutzung von Netzwerken im engeren Sinne [Port 89]. Unter Zugrundelegung dieser Interpretation ist auch für die Zielsetzung von schlankem Materialfluss ( Lean Production) die bereichsübergreifende Betrachtung ein entscheidender Erfolgsfaktor. Eine unternehmensübergreifende Betrachtung und das explizite Ziel der Leistungssteigerung und Kostendegression führt nahezu zwangsläufig zur Frage „Kooperation – ja oder nein?“.
4.6.4 Erfolgsfaktoren des Kooperationsmanagements Kooperationen sind schon definitionsbedingt nicht einfach erfolgreich zu managen, da es sich um mindestens zwei selbstständige Einheiten handelt. Aufgrund der Ausgangssituation besteht von Natur aus ein hohes Konfliktpotenzial. Die Kunst des Kooperationsmanagements besteht darin, diese latent vorhandene Konfliktenergie für einen gemeinsamen Wettstreit nach der „besten Lösung“ zu nutzen. Um die Erfolgsträchtigkeit einer Kooperation von vorneherein zu erhöhen, ist vorab die Überprüfung der Kooperationsfähigkeit der künftigen Partner anhand nachstehender Bausteine äußerst empfehlenswert (Abb. 4.29). Von besonderer Bedeutung sind bei dieser kritischen Überprüfung die Erfolgsfaktoren • • • •
Partner können sich aufeinander verlassen Genaue und klare Festlegung der jeweiligen Aufgaben und Verantwortung Offener, funktionierender Informations- und Datenaustausch Gewinnbringend für alle Partner
Erfolgreiches Kooperationsmanagement erreicht das Optimum in der Schaffung einer stabilen Win-Win-Situation.
4.6.5 Kanban – ein wesentliches ordnungspolitisches Element fertigungsorientierter Kooperationsformen Ein großer Teil der verschiedenen Kooperationsformen konzentriert sich auf die Bereiche Fertigung bzw. Materialwirtschaft. Je nach Ausprägung der Kooperationsform sind für deren Umsetzung unterschiedliche Organisationsmethoden und -formen erforderlich. Gerade im Zusammenhang mit fertigungs-, bzw. beschaffungsorientierten Kooperationen hat das Thema Kanban in den letzten Jahren sehr stark an Bedeutung gewonnen. Insbesondere auf der im Hinblick einer Kooperation zugrunde liegenden Steuerungsphilosophie bieten sich durch den Einsatz von Kanban ganz entscheidende Vorteile. Über Kanban kann vor
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Abb. 4.29 Bausteine einer Kooperation
allen Dingen die Organisation nach dem KISS–Prinzip (d. h. keep it safe and simple) sehr gut umgesetzt werden. Durch die starke Vereinfachung der Kommunikation mittels klarer Spielregeln in Verbindung mit disziplinierter Einhaltung der Prozessparameter, kann durch Kanban eine deutliche Reduzierung der Durchlaufzeit, Steigerung der Flexibilität und Vereinfachung der Organisation erreicht werden.
4.6.6 Win-Win-Situation Unter welchen Voraussetzungen ist ein Ziel schnellstmöglich zu erreichen und das Ergebnis dauerhaft optimal zu halten? Durch reine Preis- und/oder Kostenorientierung? Durch Einkaufsmacht? Durch strikte, webunterstützte Prozessorientierung? Durch hohe Fertigungstiefe? Diese Fragen lassen sich noch um viele Themen erweitern. Doch wird klar, dass keines dieser Kriterien allein in der Lage ist, das ökonomische Min/Max-Prinzip zu realisieren. Erfolgsentscheidend ist letztendlich die maßgeschneiderte Kombination aus allen Faktoren, also die „übergreifende Betrachtungsweise entsprechend dem Gedanken der Wertkette, Kooperation, Netzwerke und Kanban-Organisation“ [Port 89]. Dies gilt auch ganz besonders für das Thema „Schlanker Materialfluss und Lean Production“, was in der Praxis die Konzentration auf die eigenen Stärken bedeutet. Gleichzeitig erfolgt über ein entsprechendes Kooperationsmanagement die Nutzung externer Kernkompetenzen durch eine Art Shop-in-the-shop-System. Externe Lieferanten werden über ein virtuelles Netzwerk an die eigene Organisation angegliedert, ohne dass die spezifischen Eigenheiten des Zulieferers oder des eigenen Unternehmens aufgegeben werden müssen. Im Gegenteil: Durch diese Konstellation erfolgt eine Dezentralisierung und Verlagerung der Verantwortung und des Steuerungsprozesses vor Ort, mit der Folge einer enormen Markt-
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nähe und deutlichen Erhöhung der Flexibilität. Im Rahmen dieses Prozesses ist dabei der Einsatz von Kanban ein wichtiges ordnungspolitisches Strukturmerkmal, welches seine Vorteile voll entfalten kann, wenn es durchgängig bei allen Prozessteilnehmern eingesetzt wird. Offener, eindeutiger Informationsaustausch, entsprechend dem Kooperationsmanagement ergibt eine erhebliche Bestandsoptimierung, deutliche Abwicklungsvereinfachung und Flexibilität bei gleichzeitig hoher Lieferbereitschaft und damit die gewünschte Win-Win-Situation.
4.7 Intensiv-Lieferantenentwicklung Philipp Dickmann, Eva Dickmann Problemlieferanten können schleichend, oder als kurzfristige massive Krise, ein Risiko für den Kunden darstellen. Schleichend führen verschiedene Störgrößen durch einen kontinuierlichen Snowball-Effekt oder durch den Peitscheneffekt (beides vgl. Kap. 2.1 Ruhiger, kontinuierlicher Materialfluss) mittelfristig zu enormen Kosten. Da diese Vorgänge sehr komplex und oft zeitlich entkoppelt sind, werden sie selten erkannt. Die tatsächlichen Kosten für derartige Störungsphänomene sind schwer zu eruieren, da sie sich aus vielen kleinen Teilkosten zusammensetzen. Nicht selten binden fünf bis zehn Lieferanten in der Disposition oder im Einkauf das Gros der Kapazität und verursachen die Mehrzahl der Störungen. Die Gründe für die Störungen sind nicht nur bei den Lieferanten zu suchen, sondern auch bei den Kunden. Daher ist es wesentlich, Verbesserungsmaßnahmen zunächst bei den Kunden selbst vorzunehmen. Grundsätzliche Strategien zur Analyse der Störgrößen und des Peitscheneffekts führen fast immer zu erheblichen Verbesserungen und zur Risikominimierung. Ein Lieferant kann den Kunden durch regelmäßige oder gravierende Mängel in wirtschaftliche oder marktrelevante Probleme stürzen bzw., im Fall einer drohenden Insolvenz, den Kunden in seiner Existenz bedrohen. Für diese Problemstellung wurde basierend auf der Methode der klassischen „Due Diligence“, die „Process Due Diligence“ entwickelt, die speziell die Prozesse der unterschiedlichen Arbeitsbereiche bei Lieferanten analysiert und optimiert. Due Diligence ist ein gängiges Verfahren für Unternehmensübernahmen oder -aufkäufe unter schwierigen Rahmenbedingungen. In abgeänderter Form und durch Lean-Elemente ergänzt hat sich dieser Ansatz auch für gravierende oder lang anhaltende Lieferantenprobleme bewährt.
4.7.1 Unterschätzte Auswirkungen von Krisenlieferanten Nach einer Studie [Merc 04] liegt die Wertschöpfung in Deutschland bei Automobilisten im Jahr 2015 bei nur noch 23 %. Das Abflachen der Produktionstiefe und die Konzentration auf Kernkompetenzen haben dazu geführt, dass der größte Teil der Potenziale und Probleme nicht mehr in den Händen der Firmen liegen, sondern bei den Lieferanten. Gleichzeitig
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wird nur ein Bruchteil der Personalkapazitäten insgesamt, aber auch im strategischen Einkauf, für die prozessbezogene Verbesserung der Kunden-Lieferanten-Beziehungen, Logistikoptimierung und die Entwicklung der Lieferanten aufgewendet. Noch immer liegt der Schwerpunkt der Lieferantenoptimierung auf der Senkung der Kaufteilpreise und nicht auf der Optimierung der Abläufe. Lieferengpässe und Qualitätsmängel werden, um die eigene Lieferfähigkeit nicht zu gefährden, hingenommen und firmenintern kompensiert. In kaum zu erfassendem Maße müssen Einkauf, Logistik, Qualität und Produktion Kapazitäten für zusätzliche Wareneingangskontrollen, Werkerselbstprüfungen, Dokumentationen, Krisenmanagement und andere „Workarounds“ aufbringen, um dem eigenen Engpass zu entgehen. Es entstehen sehr viele, einzelne, kleine Zusatzaufwendungen (Abb. 4.30), die nur bei gravierenden Kumulationen ein Ausmaß erreichen, das die tatsächlichen Kosten transparent werden lässt. Der Umfang der Aufwendungen, die zur Beseitigung derartiger Störungen notwendig sind, wird in der Regel nur in den operativen Ebenen emotional wahrgenommen.
4.7.2 Lieferantenprobleme bei Konzernen Vor allem in Großkonzernen mit zentralistischen, strategischen Einkaufsentscheidungen fehlt die nachhaltige Rückkopplung zum Ergebnis des eigenen Handelns. Die zusätzlichen Kosten, durch Störungen, die in einer Kettenreaktion entstehen, werden weder in der Gemeinkostenrechnung noch in der herkömmlichen Standard-Prozesskostenrechnung, auf den Verursacher bezogen, ermittelt (vgl. Kap. 1.18 Differenzierte Prozesskostenrechnung). Diese Aufgabenstellung ist sehr anspruchsvoll aufgrund des zeitlichen Versatzes, der Vielzahl der Einzelpositionen und der nicht auf Prozesskostenrechnung ausgerichteten Kostenstruktur. Die Chance, Entscheidungen aufgrund fundierter Daten zu fällen oder zu
Abb. 4.30 Die Kostenentwicklung auf der Zeitachse entspricht der Entwicklungskostenkurve. Einseitige Einkaufspreisoptimierung führt häufig zu erheblichen Folgekosten
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verifizieren, wird daher oft verschenkt. Die interdisziplinäre Prozesskostenrechnung kann die notwendige Kostentransparenz erreichen, um die entstandenen Kosten Lieferanten oder Produkten zuzuordnen.
4.7.3 Lieferantenprobleme bei klein- und mittelständischen Unternehmen In klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) liegt die Wertschöpfung oftmals bei ca. 80 % [Lepr 04]. Aufgrund der entsprechend höheren Steuerungstiefe wirken sich auch wenige zu spät gelieferte Teile durch den Snowball- und den Peitscheneffekt ungünstig auf das Einhalten der Liefertermine aus. Das Sicherstellen des vom Kunden geforderten Servicegrads wird überwiegend mit dem Vorhalten hoher Lagerbestände abgesichert. Engpässe werden durch kostenintensive Sonderaktionen behoben. Selbst wenn die Sonderaktionen durch den Kunden verursacht werden, können diese Kosten in der Regel nicht direkt auf den Kunden verrechnet werden und führen zu Ertragsproblemen. Als Ausweichstrategie werden dem Kunden in einer Art „Scheibchenmethode“ diverse Zusatzkosten zum Beispiel für Sondertransporte, Verpackungen, etc., aufgeschlagen. Dies wiederum geht zu Lasten der guten Kunden-Lieferanten-Beziehung. Trotz der anteilig höheren Kapitalbindung zum Puffern von Lieferantenproblemen und Sicherheiten für das Risikomanagement können KMU, aufgrund der in Relation sehr viel geringeren Gemeinkostenanteile, konkurrenzfähig gegenüber größeren Unternehmen auftreten. Durch frühzeitige Interventionen können die KMU ihren Wertschöpfungsanteil im Vergleich zu Konzernen ausbauen.
4.7.4 Provokation eines Lieferantenmarktes durch Auslastungsorientierung und Verzögern von Investitionen Unternehmen zögern bei Investitionen grundsätzlich zu Recht. Sie wollen das Risiko so weit wie möglich hinausschieben, um die Gefahr einer Fehlinvestition zu verringern. Je länger eine Investition hinausgeschoben wird, desto geringer ist das Risiko. Vorhandene Kontingente und Kapazitäten sollen möglichst voll ausgereizt und neue Anlagen sofort unter Volllast betrieben werden, um eine optimale, kurze Amortisationszeit zu erreichen. Auch gegenüber den Lieferanten wird versucht, die Risiken zu minimieren, indem verbindliche Aussagen verzögert werden. Große Investitionen beim Lieferanten, wie sie zur Kapazitätssteigerung, bei Neuprodukten oder Serienanläufen nötig sind, werden daher terminrichtig gefordert, aber für den Bedarfstermin zu spät verbindlich zugesagt. Durch die Strategie des Kunden entstehen Engpässe beim Lieferanten. Die Kosten, die durch die Engpässe beim Kunden und beim Lieferanten entstehen, sind im Vorhinein nicht greifbar. Sie werden in Relation zu einem höheren Risiko bei großen Investitionen gern in Kauf genommen. Der Kunde hat somit den Engpass mit verschuldet und muss ihn und die Konsequenzen daraus tragen. Es entsteht dadurch eine Machtposition zu Gunsten des Lieferanten (Lieferanten- oder Zuteilungsmarkt). Der Lieferant kann durch die Machtposi-
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Krisenmanagement aufwendigere Prüfverfahren zögernde Investitionsstrategie
Qualitätsmangel
provisorische Nacharbeiten „Durchlaufzeitsyndrom“ Krisenmanagement
Schwankungen im Abruf
Manuelle Spezialaufträge aufwendigere Prüfverfahren Lieferengpass vom L.
provisorische Nacharbeiten „Durchlaufzeitsyndrom“ Krisenmanagement Spezialaufträge aufwendigere Manuelle Prüfverfahren
Prozessmangel
provisorische Nacharbeiten „Durchlaufzeitsyndrom“ Manuelle Spezialaufträge
Abb. 4.31 Ursache-Wirkung-Diagramm für Lieferantenprobleme. Der Snowball-Effekt wird beispielsweise durch unzureichend abgestimmtes Einkaufsverhalten ausgelöst
tion indirekt Preiserhöhungen, in Form von Sonderkosten oder Zuschlägen, durchsetzen. Das Problem dabei ist: Die Folgekosten für langfristige, „hausgemachte“ Engpässe sind häufig höher als das Investitionsrisiko. Mit den Ansätzen von Lean Automation kann bei passenden Anwendungen, aufgrund wesentlich geringerer Investitionssummen mit einem entsprechend geringeren Risiko, früher investiert werden. Vielfältige Störungen bleiben erspart und die Flexibilität steigt (Abb. 4.31).
4.7.5 „Feuerlöschen“ als Normalzustand Als Hauptaufgaben von Einkauf und Beschaffung wird die Verhandlung von Preisen, Konditionen sowie die Lagerdisposition angesehen – für strategische, systematische Einkaufsoptimierung bleibt vielfach kaum Zeit. In der Praxis sind Einkäufer oder Disponenten zudem den größeren Teil ihrer Zeit mit Krisenmanagement beschäftigt (Abb. 4.32). Kostenintensive, eigentlich nur als Ausnahme sinnvolle Abläufe sind Normalität. Im operativen Geschäft wird zwar erkannt, dass es immer die gleichen Teile und Lieferanten sind, die aufhalten, und die im Tagesgeschäft zu Fehlteilen führen, dieser Umstand wird aber in der Regel nicht systematisch angegangen. In der Praxis kann dies über 50 % der Zeit in Disposition, Produktionssteuerung, Qualität und Einkauf ausmachen. Analog einer flacheren Hauptkrümmung einer Pareto-Verteilung verursachen nur wenige Lieferanten den Großteil der Störungen. Die Ursachen für die Störungen sind vielfältig: Neben den bereits erwähnten Gründen sind Lieferantenhopping-Strategien einer der Hauptverursacher für schlecht entwickelte Lieferanten. Ein anderer Punkt sind unausgereifte Produktentwicklungen bzw. Defizite im Change Management, die zu einer Flut an kostenintensiven und riskanten Änderungen führen.
504 Abb. 4.32 Etwa 10–20 % der Lieferanten verursachen 80 % des Krisenmanagements und bestimmen dadurch 50−80 % der Arbeit in Einkauf und Beschaffung. (Quelle: lepros GmbH)
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Letztlich ist als Hauptverursacher der einseitig kaufpreisorientierte Kostendruck zu nennen, der zum Akzeptieren von unzureichenden Lieferantenstandards drängt oder zum Reduzieren der Leistungen von bestehenden Lieferanten.
4.7.6 Wege aus dem Krisenmanagement Wege aus dem Krisenmanagement? In den meisten Fällen fehlt nicht der Wille zur Krisenbewältigung, sondern das Bewusstsein, dass eine „Krise“ vorliegt (vgl. Kap. 2.1.1 Krisenmanagement im Tagesgeschäft, Tabu oder Wirtschaftsfaktor). Ist das Problem und vor allem das Ausmaß erst einmal erkannt, können folgende Punkte ein Hindernis für die Beseitigung darstellen: • • • • • • • •
Fehlendes Bewusstsein für die realen Ausmaße und die tatsächliche Kostenflut Starke Abhängigkeit aufgrund zu geringer Marktmacht beim Lieferanten Lieferant ist der einzige Anbieter Abhängigkeit von einer gemeinsamen Entwicklung „Feuerlöschen“ ist Gewohnheit und gehört zum Tagesgeschäft Fehlende Kapazität zum Beenden der Missstände Mangelnde Bereitschaft der Fachabteilungen zur kooperativen Zusammenarbeit Fehlende Erfahrung oder Kompetenz in interdisziplinärer, teamorientierter Lieferantenentwicklung
Kurzfristig ist eine sehr hohe Personalkapazität nötig, um das Problem fundiert zu beheben. Selbst Konzerne haben Kapazitätsprobleme in den operativen Bereichen, und es werden nur rudimentäre Maßnahmen von strategischen Zentralfunktionen unternommen. Diese Teams sind von den realen Problemen der Gemba weit entfernt und nahezu ausschließlich an einer Kostenreduzierung orientiert. Einige Automobilisten (vgl. Kap. 4.5 Lieferantenmanagement und -optimierung) haben die Notwendigkeit der prozessorientierten, kooperativen Lieferanten-Optimierung in ihrer Tragweite, auch bezogen auf die Kosten, erkannt und stellen Ressourcen dafür bereit. Abb. 4.33 stellt das Optimum eines
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Abb. 4.33 Vergleich der Kosten verschiedener Betreuungsstrategien beim Kunden (in Bezug auf den Lieferanten): Durch hohen Aufwand bei der Produktentstehung und -einführung sinken die Betreuungskosten sehr schnell auf einen Minimalwert und die Qualität steigt sehr schnell auf ein Maximum. Alle Alternativstrategien führen zu dauerhaft schlechteren Qualitätsstandards und in der Summe zu höheren Gesamtkosten
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Abb. 4.34 Krisenmanagement für wenige Lieferanten ( < 5 %) führt zu einem Kapazitätsverlust in Einkauf und Logistik (von in der Regel von mehr als 50 %) [Lepr 07]. In einem konkreten Vorher-Nachher-Vergleich der Kapazitätssituation eines mittelständischen Unternehmens, mit 300 Mitarbeitern und ca. 150 Kernlieferanten, konnte das Krisenmanagement von 70 % auf 10 % gesenkt werden. Dieser Kapazitätsgewinn konnte für strategischen Einkauf und intensivere Lieferantenbetreuung genutzt werden. (Quelle: lepros GmbH)
Betreuungsschlüssels, bzw. die Folgen eines zu geringen Einsatzes an Einkaufskapazität zur Lieferantenbetreuung dar. Da Spezialisten für solche Projekte nur zeitlich beschränkt notwendig sind, werden firmenübergreifende Teams aus den operativen Bereichen zusammengestellt und durch externe Auditoren oder Spezialisten ergänzt. Dieser Ansatz findet auch bei KMU immer häufiger Anwendung. Mit geringem zeitlichem Aufwand, oft innerhalb weniger Tage, können besonders kritische Lieferanten effektiv optimiert werden, wodurch enorme Kapazitäten im eigenen Herstellprozess frei werden. Ansätze der japanischen Automobilisten, Best Practice-Erfahrungen und interdisziplinäres Know-how lassen sich auf die Problemstellung von KMU hervorragend anwenden. Ein Vergleich der Tätigkeiten im Einkauf vor und nach einer Lieferantenentwicklung ergibt eine deutliche Verschiebung vom Krisenmanagement zu strategischen Aufgaben. Das Ergebnis ist neben geringeren Durchlaufzeiten, Beständen und Prozesskosten letztlich auch eine Reduzierung des Einkaufspreises (Abb. 4.34).
4.7.7 Process Due Diligence – die Intensiv-Lieferantenentwicklung Der aus der US-amerikanischen Investmentbankwirtschaft stammende Begriff der „Due Diligence“ bedeutet wörtlich übersetzt „erforderliche oder gebührende Sorgfalt“. Er beschreibt technisch den Sorgfaltsmaßstab, der für die eingeschalteten Berater und das Management gilt, das ein Unternehmen erwerben möchte [Wege 94]. Die Methode wird
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ursächlich angewendet, um detaillierte Informationen (in Bezug auf Risiken die der Verkäufer dem Käufer möglicherweise vorenthalten will) bezüglich des Kaufgegenstandes zu gewinnen. Basierend auf einer Openbook-Strategie wird eine ergänzende Untersuchung aller relevanten Kriterien durchgeführt. Eine komplette Due Diligence-Untersuchung beinhaltet betriebswirtschaftliche (commercial and financial), rechtliche, steuerliche, umweltbezogene sowie technische und managementorganisatorische (HR & Management) Themen. Die „Process Due Diligence“, die in der Produktion oder bei Lieferantenproblemen angewandt wird, ergänzt den klassischen Ansatz um die Prozesse der Produktion, Logistik, Qualität und den Einkauf. Die Methode wurde für Lieferanten entwickelt, zu denen eine starke Abhängigkeit besteht, die aber gleichzeitig wirtschaftliche Probleme haben. Das Ziel der Maßnahme ist, die geeignetste und günstigste Sicherstellung der Versorgung zu erreichen. Dies kann in Form einer Übernahme, Beteiligungen, einer einmaligen Zahlung oder veränderter Kooperationsbedingungen stattfinden. Falls die mittel- bis langfristige Versorgung nicht zufriedenstellend wiederherzustellen ist, kann das Ergebnis einer solchen Studie auch der intensive Aufbau eines neuen Lieferanten sein. Die Methode kann zudem bei Insourcing angewendet werden, wenn ein Produktionsunternehmen oder ein Unternehmensteil aufgekauft werden soll. Ablauf 1. Lieferantenanforderungsprofil: Da „Process Due Diligence“ vorwiegend vom Kunden ausgeht und die Beziehung des Lieferanten zu dem Kunden detailliert untersucht werden soll, muss als erster Schritt das Festlegen des Lieferantenanforderungsprofils erfolgen. Hierzu werden die Notwendigkeiten und Anforderungsprofile einem SollIst-Vergleich unterzogen. Alle relevanten Schnittstelleninformationen bezüglich des Lieferanten werden daraus systematisiert und die Zielvorgaben für die Lieferanten festgelegt. 2. Auditierung mit einem interdisziplinären Team: Mit einem interdisziplinären Team aus Spezialisten wird anschließend beim Lieferanten eine Auditierung in allen notwendigen bzw. betroffenen Bereichen durchgeführt. Bei der „Process Due Diligence“ können auch Spezialisten aus den Bereichen Recht, Psychologie, IT, Simulation, REFA und Transportlogistik hinzugezogen werden. 3. Vorbereitung der Entscheidung: Die Potenziale des Lieferanten werden mit dieser fundierten, interdisziplinären Methode in wenigen Tagen analysiert und Optimierungspotenziale und Entscheidungen des Kunden vorbereitet. Das Ergebnis bildet die Basis zu einer umfassenden Beseitigung von regelmäßigen oder schwerwiegenden Lieferantenproblemen.
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Anstoß und Anwendung von Intensiv-Lieferantenentwicklung Bei einer bevorstehenden Insolvenz oder einer gravierenden Schädigung des Kunden durch einen Lieferanten, mit einem hohen Kostenanteil zur Schadensregulierung von Engpässen und einem hohen Anteil an Krisenmanagement, fallen die Kosten der nur wenige Tage dauernden Process Due Diligence kaum ins Gewicht. Im Falle eines Krisenlieferanten liegt als Anstoß zumeist eine Kostenabschätzung des Risikomanagements vor, zum Beispiel eine detaillierte Prozesskostenrechnung. Bestehen marktrelevante, strategische Gründe, ist der anfallende Personalaufwand immer vernachlässigbar. Bei Lieferanten, die eine Kostenexplosion, als Folge des Snowball-Effektes verursachen, ist die größte Hürde das Erkennen des Problemumfangs. Der Kunde hat sich an eine schleichende Verschlechterung gewöhnt. Intensiv-Lieferantenentwicklung sollte sich in diesem Fall an dem Motto orientieren: „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“.
4.8 Outsourcing und Lieferantenwechsel Philipp Dickmann, Eva Dickmann, Wolf-Michael Gerth Lean-Philosophien zielen auf nachhaltige, iterative Verbesserung der Prozesse ab. Outsourcing und Lieferantenwechsel hingegen bezwecken einen Neuanfang mit anderen Partnern, um Ziele wie Reduzierung der Lohnkosten, Erhöhung der Flexibilität oder höhere Kompetenz von Spezialisten zu erreichen. Oft bergen solche einschneidenden Veränderungen aber ein hohes Risiko, wie eine Kostensteigerung nach der Realisierung. Hubert Linhardt, Vorstand der Voith Siemens Hydro Power Generation, verweist daher darauf, dass Verlagerungen nicht immer lohnenswert und Probleme oft unerkannt bleiben. Er spricht von nur mehr 5 % Kostenvorteil, die etwa in China zu erreichen sind [Dier 06]. Die große Gefahr besteht darin, dass ein auf den ersten Blick überragender Vorteil den Aufwand zur Überprüfung des Risikos nicht mehr sinnvoll erscheinen lässt. Das Risiko sollte allerdings nicht unterschätzt werden, denn immerhin kommt rechnerisch auf jedes dritte Outsourcing ein „Zurückholen“ der Prozesse (Insourcing) [Kink 04]. Urteilssichere Kostenrechnung ist aufwändig, da eine interdisziplinäre und prozessbezogene Kostenermittlung hierfür notwendig ist. Für die Kostenabschätzung sollte ein Projektplan und eine Checkliste erarbeitet werden. Zur Entscheidungsfindung ist eine fundierte Vorbereitung mit Kernkompetenzanalyse, Make-or-buy-Analyse (MoB) und prozessbezogener Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) notwendig. Lean-Philosophien setzen auf konstante, nachhaltige Lieferantenbeziehungen, die über langjährige Optimierungsprozesse zu einer marktentscheidenden Effizienz führen. Kontinuierlich und in kleinen Schritten werden über Jahre hinweg iterativ exakt die Anforderungen des Marktes und des Kunden in produktionsnahen und -fernen Bereichen abgebildet. Diese Prozesse führen vor allem zu höherer Effizienz, aber in vielen Fällen auch zu einem höheren Nutzen für den Kunden, der aber nicht in betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zugeordnet wird.
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4.8.1 Outsourcing Das Wort „Outsourcing“ setzt sich aus den Begriffen „outside“, „resource“ und „using“ zusammen. Es werden also Prozesse dauerhaft an andere Unternehmen vergeben [Hopf 00]. „Off-shoring“ ist der Sonderfall des Outsourcings, bei dem Prozesse ins Ausland verlagert werden. In den Medien und der politischen Diskussion in Hochlohnländern erscheint die Reduzierung der Personalkosten der Hauptgrund für derartige Konzepte in Unternehmen zu sein. Zudem werden Globalisierung und das Anpassen an die Veränderungen des globalen Markts ausschlaggebend als Antrieb für Outsourcing und Lieferantenwechsel identifiziert. Tatsächlich sind die Beweggründe der Unternehmen wesentlich vielfältiger. Eine Studie zu Out- und Insourcing-Entscheidungen des Fraunhofer Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) bezogen auf die Metall- und Elektroindustrie, chemische und Kunststoff verarbeitende Industrie in Deutschland [Kink 04] hat gezeigt, dass 41 % der Unternehmen Herstellprozesse ausgelagert haben. Hierbei wurden folgende vorherrschende Gründe für Auslagerungen genannt: geringere Kosten (ca. 75 %), der Ausgleich von Über- bzw. Unterauslastung (ca. 64 %) und Flexibilität (ca. 53 %). Ergänzend sollten noch weitere Ziele als bestimmende Motivation erwähnt werden, etwa die Verbesserung der Prozessqualität, Outsourcing als Druckmittel zum Reduzieren der eigenen Personalkosten oder die Erschließung neuer Märkte durch Präsenz und/oder Partnerschaften vor Ort.
4.8.2 Insourcing Das Wort „Insourcing“ setzt sich zusammen aus den Begriffen „in“, „resource“ und „using“ und beschreibt den Vorgang, Wertschöpfungsprozesse von einem externen Unternehmen in das eigene Unternehmen zurück zu holen [Zäh 04]. In der gleichen Studie wie oben gaben etwa 50 % der Befragten als Gründe für Insourcing an: unzureichende Qualität der Leistungen, mangelnde Flexibilität und geringe Kompetenz. Nicht erreichte Kosteneinsparungen werden nicht explizit angegeben, sind jedoch aus den angegebenen Gründen zwingend abzuleiten. In derselben Studie [Rein 99] wird festgestellt, dass sich der Faktor der Off-shoring-Aktivitäten im Vergleich zu den Insourcing-Aktivitäten mehr als halbiert hat (von Faktor 6,5 im Jahr 1997 auf den Faktor 3 im Jahr 2001). Diese Proportion zeigt sehr deutlich, dass das Risiko von Outsourcing nicht vernachlässigbar ist. Die angestrebten Ziele werden zu einem beträchtlichen Anteil nicht erreicht und dabei handelt es sich vor allem um die Kostenziele. Insourcing stellt „in den Augen der Unternehmensleitung“ keinen Erfolg dar, es existieren daher wenige Publikationen. Im Interesse, Kapital besser gegen Fehlinvestitionen zu schützen, bleibt zu hoffen, dass zukünftig vermehrt wissenschaftliche Studien den tatsächlichen Umfang und die Gründe für Insourcing umfassend darstellen. Großkonzerne, wie die deutschen Premium-Segment-Automobilhersteller, verfügen über langjährige, sehr umfangreiche Erfahrung mit Outsourcing und Lieferantenwechsel. Hier werden mit hohem Aufwand ausgefeilte Methoden angewendet, um er-
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folgreich Outsourcing und Lieferantenwechsel zu praktizieren und die Risiken, und vor allem die gesamten Kosteneinflüsse, umfassend zu erkennen. Im Vergleich zu den anderen Automobilherstellern wird hier eine Zunahme der eigenen Wertschöpfung von 2002 bis 2015 prognostiziert: Daimler Chrysler + 4 %, BMW + 15 % und AUDI + 30 % [Merc 04]. Diese erwartete Entwicklung hat vielerlei Gründe und trägt der gesamten Kostensituation Rechnung. Bei Unternehmen, die weniger als 20 % Personalkosten aufweisen, kann selbst mit Off-shoring in Billiglohnländern nur maximal 5 % Lohnkostenoptimierung erreicht werden [Dier 06], dies jedoch mit einem in Relation sehr hohem Risiko. Andere Methoden, z. B. Kaizen, Valuestream-Management oder Lieferantenoptimierung, können einen wesentlich größeren Effekt, mit einem im Vergleich sehr viel geringeren Risiko erreichen.
4.8.3 Lieferantenwechsel Lieferantenwechsel beschreibt ebenfalls einen Wechsel der Prozesspartner zum Erlangen eines Wettbewerbsvorteils. Es werden in diesem Fall nicht interne Prozesse zu einem externen Partner, der die Prozesse wirtschaftlicher erbringen kann, vergeben, sondern Prozesse, die bereits extern vergeben sind [Hard 97]. Diese Ansätze vernachlässigen häufig eine umfassende Kostenermittlung, z. B. für Änderungen, und lassen die Folgekosten außer Acht. Grundsätzlich ist bei jedem Lieferantenwechsel zu berücksichtigen, dass von beiden Partnern über mehrere Jahre ein enorm kostspieliger Lernprozess vollzogen werden muss (Abb. 4.35). Selbst ein Kostenvorteil im unteren zweistelligen Prozentbereich kann hierbei leicht durch Aufwendungen kompensiert werden. Zusätzliche Aufwendungen sind zu erwarten: • Präventive, zusätzliche Aufwendungen für Wareneingangskontrolle, Prüfprozesse durch die Qualität, Aussortierprozesse, Werkerselbstprüfung, etc. Diese Aufwendungen fallen am betroffenen Prozess und in den darauf folgenden Produktionsstufen an. • Abstellmaßnahmen bei ungeplanten Problemen, wie Nacharbeiten, Demontagen, Reparaturen und Freigaben mit einer Kettenreaktion an Qualitätsprüfungen, die ebenfalls in allen folgenden Prozessen auftreten können. • Höhere Anforderungen an Anlagen, um die neue Qualität der Teile fehlerfrei verbauen zu können und die Ausgangsqualität konstant zu halten. • Fehlervermeidungsmaßnahmen entlang der SC-Kette wie Statistiken, Krisenmanagement, Änderungen an Arbeitsplänen, Verbesserungskreise, Änderungsprozesskosten, Aufwand für Dokumentation etc. • Umgestaltung der IT, Entwickeln und Abarbeiten neuer Kontrolllisten, exaktere und bessere Datenerhebung, neue leistungsfähigere Soft- und Hardware wird erforderlich. • Kosten für eine Verschlechterung der Fertigproduktqualität inklusive Reklamationsbearbeitung, Risikomanagement, Maßnahmen zu Optimierung der Lieferantenqualität. • Reduzierung der Absatzzahlen aufgrund unzufriedener Kunden. • Aufwendungen für Lieferantenbetreuung und -entwicklung.
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Abb. 4.35 Die typische Entwicklungskurve des Lieferantenstandards und der realen Kosten bei der Lieferantenentwicklung oder der Einführung eines Neulieferanten im Maschinenbau oder Automobilzulieferbereich. Der Verlauf macht deutlich, dass oft Jahre notwendig sind, um eine optimale Zusammenarbeit zu erreichen und letztlich die Investition für die Neueinführung zu amortisieren
• Krisenmanagement in allen Ebenen des Unternehmens, inklusive zum Lieferanten und zum Kunden.
4.8.4 Kostenrechnung Die Kostenrechnung soll Abläufe darstellen und Fehlentwicklungen aufzeigen. Die sehr differenziert in MRP vorliegenden Daten verleiten dazu, Kosten ohne Verifikation zu betrachten und darauf basierend vorschnell Entscheidungen zu fällen. Es bedarf einer sehr genauen Betrachtung der Teilprozesse und einem aufwändigen Vorgehen, um die tatsächlichen Kosten in ihrer Komplexität und ihrem Risiko richtig abzuschätzen und richtig zu entscheiden. Gerade der bei Konzernen überwiegende Gemeinkostenblock wird nicht ausreichend differenziert bewertet und daher bei Outsourcing-Entscheidungen nicht genug hinterfragt. Bei Outsourcing der Produktion reduzieren sich die Gemeinkosten im direkten Produktionsbereich nur in geringen Umfang, da indirekte Bereiche (nicht der Produktion zugeordnet) davon kaum betroffen sind. Auch beim Vergleich der Stundensätze von Maschinen oder Mitarbeitern darf nicht übersehen werden, dass verschiedene Kosten in die Zuschläge einfließen, die später auf andere Kostenträger verteilt werden müssen, d. h. als Kosten erhalten bleiben. Beim Kostenvergleich müssen diese Kosten entsprechend
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ihrer Auswirkung betrachtet werden. Ein anderer entscheidender Block, der falsch bewertet wird, ist die zu erwartende Kompetenz, die sich in Effizienz und Qualität abbildet. Die Automobilindustrie fordert von neuen Lieferanten präventiv Zusatzleistungen während der Startphase. Dies dient der Prozess- und Risikoabsicherung. Der Lieferant muss präventiv zusätzliche Personalkapazitäten erbringen, die erst reduziert werden, wenn der Kunde die gewünschte Leistung feststellt. Der Lieferant trägt somit das Risiko und am Anfang auch gegebenenfalls hohe Zusatzkosten. Dies führt zu einer hohen Motivation, Probleme schnell abzustellen. Viele Unternehmen verfolgen jedoch eine andere Politik: Rentable Maßnahmen sollen nicht mit überzogenen Forderungen „schlecht gerechnet“ werden. Diese Politik hat jedoch zur Folge, dass Kunden die mangelhafte Leistung belegen und etwaige Qualitäts- und Lieferprobleme selbst puffern müssen. Die Abhängigkeit des Kunden von den Lieferungen bewirkt einen Verhandlungsvorteil des Lieferanten. Der Kunde muss Nachbesserungen der Konditionen und schlechte Leistungen akzeptieren. Kostenverursacher ermitteln Die 5-W-Methode des TPS lehrt, die Ursachen mehrfach zu hinterfragen. Es soll die Gefahr umgangen werden, nur Symptome zu behandeln, anstatt die Ursachen zu beseitigen. Dies gilt im Besonderen für die Datenanalysen als Basis für Outsourcing oder Lieferantenwechsel. Ein schönes Beispiel hierfür sind die Auswirkungen von zu hoher Differenzierung der Verantwortlichkeiten. Das Resultat sind viele Hierarchieebenen, mit einer umständlichen, stark abgegrenzten und ineffizienten Arbeitsweise. Die betriebswirtschaftliche Auswirkung sind hohe indirekte Zuschläge. Da die Gemeinkosten in die Stundensätze mit einfließen sind die Produktionskosten in solchen Unternehmen ebenfalls sehr hoch. In der Folge ist die Gefahr groß, dass betroffene Produktionsstandorte bei einem oberflächlichen Vergleich als sehr viel teurer bewertet werden, als etwa Produktionsstandorte fremder Unternehmen ohne diese Zuschläge. Der Ausweg Outsourcing der Produktion bringt in diesem Fall jedoch nicht den erwünschten positiven Effekt für die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Die interdisziplinäre Prozesskostenrechnung (vgl. Kap. 1.18 Differenzierte Prozesskostenrechnung) hilft die tatsächlichen Kostenverursacher zu identifizieren und damit eventuelle Fehlinvestitionen zu verhindern.
4.8.5 Kernkompetenzanalyse (KKA) [Zäh 04] Kernkompetenzen sind effiziente Prozesse und Leistungen, die für den Kunden einen Mehrwert bringen und für Wettbewerber nur schwer zu imitieren bzw. zu substituieren sind. Zur Kernkompetenzanalyse [Rein 99] werden Kaufkriterien (z. B. Preis, Sicherheit, Haltbarkeit und Endgeschwindigkeit) über Marktanalysen soweit möglich ermittelt und gewichtet. Als zweiter Schritt werden technische und wirtschaftliche Produkteigenschaften (z. B. Festigkeit, Oberflächengüte und Fertigungskosten) klassifiziert. Diese für den Kauf entscheidenden Merkmale stellen einen erhöhten Kundennutzen dar und werden mit der Produktspezifikation verknüpft. Das Resultat der geänderten Produktspezifikation, bzw. Spezifikationswerte, klassifiziert die Prozesse und Kompetenzen der Wertschöpfung
Abb. 4.36 Kernkompetenzanalyse mit Handlungshinweisen (nach [Zäh 04] und [Rein 99])
Stärke der Kompetenz
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Potenzialkompetenz
Kernkompetenz
„Neue Märkte suchen“
„Stärken ausbauen“
Basiskompetenz
Defizitkompetenz
„Outsourcing anstreben“
„Kooperation suchen“
Kundenwert der Kompetenz
(z. B. Entwicklung, Fertigung oder Montage). Hierzu wird ein Kompetenzportfolio mit den Dimensionen „Kundenwert“ und „relative Stärke“ der Kompetenz aufgestellt. Je nach Lage der Kompetenz im Portfolio kann eine strategische Handlungsempfehlung gegeben werden (Abb. 4.36).
4.8.6 Make-or-buy-Analyse (MoB) mit Risikofaktoren MoB ist eine Entscheidungsfindungsmethode, die ergänzend zur strategisch unterstützenden Kern-Kompetenz-Analyse, die entscheidungsrelevanten Kosten betrachtet. Dazu müssen alle Kosten der Alternativen, die be- und entlastend anfallen, systematisch ermittelt und verglichen werden. Die Schwierigkeit liegt darin, alle Positionen für relevante Kosten vollständig und realitätsnah zu ermitteln. Um möglichste Vollständigkeit zu erreichen, können Checklisten basierend auf Projektplänen und alten MoB-Analysen unterstützend verwendet werden. Die alten Aufzeichnungen sollten allerdings mittel- bis langfristig nach der Umsetzung auf die Zielerreichung vollständig verifiziert werden, ansonsten besteht die Gefahr, falsche Annahmen einfach erneut heranzuziehen. Fehleinschätzungen der realen Kostensituation entstehen aber trotzdem und können, solange nicht ausreichend Prozessbezug bei der Kostenstruktur besteht, nicht verifiziert werden. In vielen Fällen stehen die notwendigen Daten nicht in geeigneter Form zur Verfügung. Im Fall von Produktionsverlagerung kann daher Valuecycle Optimizing (VCO) (vgl. Kap. 2.16 VCO), interdisziplinäre Prozesskostenrechnung und Process Due Diligence (vgl. Kap. 4.7 Intensiv-Lieferantenentwicklung) sehr effizient vollständige, prozessbezogene Daten liefern. Dann können realistischere Kosten zum Vergleich errechnet werden, z. B. Qualität, Liefertreue, Kapitalbindung, Flexibilität. Von vielen Unternehmen wird das Risiko einer unwirtschaftlichen Verlagerung aufgrund einer zu stark vereinfachten, einseitigen Hochrechnung unterschätzt. Aus diesem Grund kann in den ermittelten Zahlenreihen je Prozess und
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Position ein Risikofaktor ergänzt werden. Der Risikofaktor sollte aus einer prozessbezogenen Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (Prozess-FMEA) abgeleitet werden. Die so ermittelten Kosten werden, abhängig vom Produktlebenszyklus und dem betrachteten Intervallen der Absatzprognose diskontiert und differenziert. Wenn die Summe der diskontierten Auszahlungen für den Fremdbezug den kleineren Zahlungswert besitzt, ist ein Outsourcing aus Kostengründen zu bevorzugen [Zäh 04]. Da die Kosteneinschätzung nur ein unvollständiges Bild ergibt, sollte ergänzend eine Matrix der wesentlichen zusätzlichen Einflusskriterien gebildet werden. Um eine umfassende, integrierte Betrachtung von Hardfacts (wie Kosten) und Softfacts (wie Strategien, Trend und Risiko) zu erhalten, kann das vereinfachte Multikriterienmodell von Ghandforoush [Ghan 88] verwendet werden.
4.8.7 Chancen und Risiken – abwägen und optimieren Die goldene Regel des Outsourcing: „Je größer das Potenzial erscheint, desto größer ist das Risiko!“ Zur Absicherung des Risikos verwenden viele Unternehmen Checklisten, um optimale Abläufe und vollständige Kostentransparenz zu erreichen. Möglichst alle wesentlichen Punkte sollten von Anfang an umfassend hinterfragt werden, um nicht später Konflikte lösen zu müssen. Das finanzielle Risiko eines Outsourcings ist beträchtlich. Daher ist es sinnvoll, zur Entscheidungsunterstützung eine Risikoanalyse vorzunehmen. Hierfür kann eine prozessbezogene Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (ProzessFMEA) angewandt werden. Die FMEA sollte basierend auf einer möglichst umfassenden Checkliste und unter Einbeziehung externer Spezialisten durchgeführt werden. Mit einer unvoreingenommenen Entscheidungsfindung, basierend auf dieser sachlichen Information, können das Risiko und die Potenziale sachlich fundiert abgeschätzt werden. Das Risiko einer Fehlentscheidung sinkt damit beträchtlich. Da es bei Outsourcing fast immer um sehr gewichtige Entscheidungen geht, sollte kein unnötiges Risiko eingegangen werden. Bei Konzernen werden oftmals für solche Fälle erfahrene spezialisierte Dienstleister einbezogen. Eine temporäre, hohe Kapazität an erfahrenen Spezialisten kann dadurch professionell und zeitnah realisiert werden. Vielfach sind diese Spezialisten intern nicht vorhanden. In manchen Fällen wird auch die Geschäftsleitung von betroffenen Bereichen kommissarisch externen Dienstleistern oder Spezialisten übergeben. Die internen Vorgesetzten sind in vielen Fällen nicht qualifiziert, um diese Grenzsituationen des betrieblichen Umgangs kompetent, neutral und optimal für die betroffenen Mitarbeiter zu meistern.
4.9 Logistik-Outsourcing – Checkliste Wolf-Michael Gerth, Eva Dickmann Der Erfolg eines Outsourcing-Projekts wird maßgeblich vom systematischen Vorgehen bestimmt. Eine fundierte, umfassende Vorbereitung der Entscheidung durch Kernkompetenzanalyse, Risikoanalyse (Prozess-FMEA) und MoB-Analyse kann helfen, Risiken
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richtig einzuschätzen. Basierend darauf sollte eine unvoreingenommene, nur von Fakten getragene Entscheidungsfindung angestrebt werden. Letztlich müssen die Ziele dann aufgrund möglichst detailliert ausgearbeiteter Checklisten und Projektpläne umgesetzt werden. In den vergangenen Jahren wurde vor allem im Bereich der Automobilzulieferer zunehmend Logistik-Outsoucing angestrebt, daher soll im Folgenden eine Checkliste exemplarisch dargestellt werden.
4.9.1 Logistik-Outsourcing Die Versorgung von Produktion und Montage wird häufig auf Logistikdienstleister übertragen. Die Betreuung der Logistikkette reicht vom Lieferanten (Disposition) über die Kommissionierung in Vorratsbehälter (z. B. Werkstückträger), der Breitstellung in der Produktion bis hin zu externen Bearbeitungsschritten („verlängerte Werkbank“, Lohnbearbeiter). Im Rahmen der physischen Prozessketten und Informationsflüsse, können durch unterschiedliche Einflüsse und mangelhafte Vorbereitung erhebliche Reibungsverluste im Materialfluss entstehen. Ziele des Outsourcing Der Logistikdienstleister verfügt über Spezialwissen seiner Branche, das in den eigenen Prozessen zielgerichtet zum Einsatz kommen soll. • Keine eigenen Investitionen in Gebäude und Technik, sondern Entrichtung einer Nutzungsgebühr • Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen Aus komplexen Prozessen, die während einer Lieferantenbeziehung entstehen, ist es zwar möglich, Standorte und Techniken zu wechseln, aber kaum das ausführende Logistikunternehmen.
4.9.2 Checkliste für Logistik-Outsourcing Checklisten leisten einen wesentlichen Beitrag zum vollständigen und erfolgreichen Outsourcing. Sie sollten schon in der Vorbereitung zur Entscheidungsfindung weitestgehend detailliert sein. In vielen Unternehmen die häufiger Outsourcing betreiben, werden solche Listen immer wieder neu angewandt und verfeinert. Zur zielführenden Umsetzung sind zudem vor allem ausreichend Kapazität und Kompetenz nötig. So kann das Risiko minimiert werden, dass über längere Zeiträume nach dem Outsourcing kein zufriedenstellender Materialfluss gewährleistet werden kann und zudem die Kostenziele weit überschritten werden (vgl. Abb. 4.37 Phasen und Arbeitsthemen im Outsourcingprozess).
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Vorbereitungsphase
Feinplanung
Realisierun g
Perspektiven
1
2
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4
• Umfang Outsourcing • Zieldefinition • Prüfung Personal wirtschaft/rechtliche Grundlagen
• IST – Aufnahme Prozesse • Analyse Kommunikationsstruktur • Mengengerüst
• Workshop Mitarbeiter • Teambildung • Training on the Job
• kurzfristige Projekte • mittelfristige Projekte • langfristige Projekte
Abgleich • Erstellung Ausschreibung • Vergleich Dienstleister • Entscheidung Dienstleister
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• Soll-Konzept • EDV-Konzept • Schnittstellenbeschreibung • Prozesskennzahlen
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• Projektmanagement • Integration in QM -System
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• Einführung KVP • Projektmanagement • Logistik Kennzahlensystem
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Ziel erreicht
© Ing. Büro Gerth
Abb. 4.37 Vorgehensweise Outsourcing
1. Vorbereitungen für ein erfolgreiches Outsourcing in der Logistik a. Aufbau von physischen Prozessketten mit folgenden Inhalten: • Wareneingang • Wareneingangsprüfung • Lager und Kommissionierung • Versorgung • Entsorgung an Produktion/Montage b. Etablieren eines Informationsflusses zwischen Lieferant und Unternehmen c. Aufbau eines Kennzahlensystems zur Steuerung der einzelnen Prozesse d. Aufbau eines Tools zur Planung von Veränderungen und deren Auswirkungen auf Produktion und Lieferantenbeziehung, e. Festschreibung von Zielen für mindestens ein Jahr (Open-Issue-List) f. Erstellung von Ausschreibungsunterlagen an Logistikdienstleister
2. Kriterien der Entscheidung für einen Logistikdienstleister als Partner a. Finanzielle Unterschiede bei einer langfristigen und differenzierten Betrachtung (mind. 6 Monate; einzelne Prozessketten sollten getrennt betrachtet und bewertet werden) b. Change Management mit Vorgaben für Verbesserungen
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3. Realisierung 4. Entwicklung der Lieferantenbeziehung zwischen Dienstleister und Unternehmen a. Monatliches Reporting der vereinbarten Kennzahlen (incl. Pflege der Prozessketten) im Rahmen eines Jour-fix mit folgenden Themen: • Veränderungen (Vergangenheit) und • Vorbereitungen in Projekten (Zukunft) b. Abarbeiten der Tätigkeiten im Rahmen der Open-Issue-List
4.9.3 Beispiel einer Vorgehensweise bei Logistik-Outsourcing (Tab. 4.2) Tab. 4.2 Beispiel einer Vorgehensweise bei Logistik-Outsourcing Vorbereitungsphase Stufe 1 Stufe 2 Stabilität der Prozesse Klärung und Vorbereitung zur Übernahme von x-Mitarbeitern Feinanalyse der Prozesse Identifikation von Einsparpotenzialen Aufbau des Entwicklungsplanes für die Realisierung von Einsparpotenzialen
Stabilität der Prozesse Integration der übernommenen Mitarbeiter in die Organisation des Dienstleisters Überarbeitung der Feinanalyse der Prozesse Identifikation von Einsparpotenzialen Realisierung von Einsparpotenzialen Definition von leistungsbezogenen Abrechnungseinheiten
Definition von notwendigen Fixkosten Vorbereitung zu Übergang Stufe 1
Stabilität der Prozesse Pflege und Förderung der Mitarbeiter im Rahmen der Organisation des Dienstleisters
Einführung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) Variable, leistungsbezogene Abrechnung der in Stufe 1 definierten Einheiten Abrechnung der definierten Fixkostenblöcke
Vorbereitung zu Übergang Stufe 1
4.10 Transport-Logistik im Rahmen des Supply Chain Management Claus-Eduard Wittmann Eine zunehmend wichtige Rolle im Supply Chain Management (SCM) spielt das Thema Transport-Logistik: Mit abnehmender Wertschöpfungstiefe in den Unternehmen steigt indirekt proportional der Anteil an Kaufteilen und der Bedarf an Transporten von Lieferan-
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ten zu Kunden. Das in diesem Bereich vorhandene Potenzial gilt es zu erkennen und zu optimieren. Denn: Fehleinschätzungen haben gravierenden Einfluss auf das SCM, unter anderem sind hohe Mehrkosten die Folge. Die Beschaffung wird immer internationaler und die Bestandsoptimierung stellt ein wesentliches Ziel im SCM dar, sodass die Transporte diesem Ziel angepasst sein müssen. Vor allem die eingebundenen Transport- und Logistikpartner haben diesen wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Da das Gros der Lieferungen noch immer durch LKW-Transporte abgedeckt wird, soll hier speziell auf diesen Bereich näher eingegangen werden.
4.10.1 Die Auswahl des Logistikpartners Um auf den Transport – und die damit verbundenen Kostenpotenziale – überhaupt Einfluss nehmen zu können, muss das Unternehmen die grundsätzliche Entscheidung treffen, die Transportlogistik inhouse abzuwickeln und damit die Transportkosten selbst zu tragen. Nur dann besteht die Möglichkeit, durch das Sendungsvolumen und die damit verbundenen Tonnagezahlen, ein interessantes Volumen für den Speditionsmarkt zu erzielen. Dieses Mengengerüst dient als Basis für die erforderliche Ausschreibung, um Angebote von verschiedenen Wettbewerbern einzuholen und die aktuellen Transportkosten vergleichen zu können. Da Sendungsmenge und Tonnageverteilung allein noch keinen ausreichenden Inhalt für die Ausschreibung darstellen, sollten noch folgende Faktoren in die Beurteilung mit einbezogen werden: Sendungszahlen je Relation (PLZ), Laufzeiten für Sendungen, Zeitfenster für Anlieferungen und Abholungen, Zahlungsziel, Abwicklung und Ansprechpartner im Tagesgeschäft, Eskalationsstrategien und nicht zuletzt die Preistabellen mit Regelungen von Nebenkosten, wie Tauschgebühren für Gitterboxen oder Euro-Paletten, Sperrigkeitsregelungen, Dieselzuschlag und Mautgebühren. Auch sollten nationale und internationale Sendungen getrennt angefragt werden. Diese Vielzahl von Punkten zeigt, dass bei jeder Ausschreibung das Anforderungsprofil an das jeweilige Geschäft und den Produktionsstandort sehr genau und sehr individuell definiert werden muss, um eine objektive Vergleichbarkeit der Angebote zu erzielen. Oberstes Gebot bei der Auswahl des Dienstleisters ist, dass nie der Preis das allein ausschlaggebende Auswahlkriterium darstellen darf. Nicht der billigste Anbieter ist gefragt, sondern der günstigste! Neben dem Preis spielen Qualitätsfaktoren eine entscheidende Rolle. Um diese zu beurteilen, können zahlreiche objektive Kriterien, wie z. B. Zertifizierungen nach DIN EN ISO 9002, VDANormen, Umsatzvolumen oder Branchenbeurteilungen in Fachzeitschriften herangezogen werden. Aber auch der persönliche Kontakt mit den Unternehmen ist im Auswahlprozess unerlässlich: Wie ist der erste Eindruck? Wie werden Prozesse in der Spedition dargestellt? Passt die Unternehmenskultur zum eigenen Betrieb? Und welche Leistungsstärke vermitteln die in den Ablauf eingebundenen Partner? Allgemeingültige Empfehlungen sind hier kaum möglich, da die Entscheidung von zahlreichen individuellen Faktoren abhängt. Sowohl die großen Branchenführer mit ihren ausgebauten internationalen Netzwerken als auch die mittelständischen Anbieter mit ihren kurzen Hierarchiewegen und oft individuel-
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leren Lösungen haben ihre Stärken – aber auch Schwächen. Ist die Entscheidung für einen Partner gefallen, sollte es im Interesse beider Parteien liegen, eine mittel- bis langfristige, partnerschaftliche Beziehung anzustreben und diese auch vertraglich zu fixieren. Nur dann ist die Planungssicherheit für einen definierten Zeitraum gegeben, die als Basis für weitere Optimierungen unerlässlich ist. Vertraglich fixiert werden sollten der detaillierte Inhalt der Ausschreibungen, Themen wie Anpassungsklauseln zum vereinbarten Tarif, der Geltungszeitraum der Vereinbarung, der Qualitätsnachweis der erbrachten Leistung, Kündigungsregelungen, Gerichtsstand, Geschäftsbedingungen sowie eine Salvatorische Klausel. Dringend anzuraten ist die Prüfung des Vertrags durch einen Juristen.
4.10.2 Das Optimierungspotenzial Im Rahmen der Ausschreibung zeigt sich meist, dass die Preise der Anbieter um 30 % und mehr voneinander abweichen – das tatsächlich vorhandene Einsparungspotenzial hängt dann stark von den individuellen Rahmenbedingungen des jeweiligen Unternehmens ab. Ferner sollte geprüft werden, ob bei den internen Abläufen Sendungen und Prozesse so zusammengefasst werden können, dass auch dort ein Ratioeffekt zu erzielen ist. Denkbar sind Abrufrhythmen in der Disposition, wie z. B. Wochenabrufe im Rahmen von Kanban-Systemen. Grundsätzlich gilt hier: Je größer die Sendung, desto günstiger der Tarif je Einzelteil. Auch Synergie-Effekte mit dem Spediteur, beispielsweise durch gebündelte Lieferungen von Lieferanten einer gemeinsamen Relation (PLZ-Gebiet), sind möglich. Diese Beispiele zeigen, dass beide Partner kontinuierlich an der Optimierung dieser Abläufe – und damit des gesamten SCM – arbeiten müssen, um die Kosten bei gleich bleibender oder besserer Leistungsqualität zu senken.
4.10.3 Die Schnittstellen mit anderen SCM-Bereichen Wie sich bereits erkennen lässt, kann der externe Prozess der Transporte nicht losgelöst im SCM betrachtet werden. Wichtige Schnittstellen gibt es zur Disposition und internen Logistik, zum Wareneingang, zum Einkauf, zur Rechnungsprüfung und zur Buchhaltung. Ziel der Disposition ist es, unter Berücksichtigung der Bestandsziele eine permanente Verfügbarkeit der Teile für die Produktion zu gewährleisten. Die Transporte werden in diesen Arbeitsabläufen häufig noch nicht optimal berücksichtigt. Wenn das Gefühl für diese Kosten verstärkt werden kann und ggf. Richtlinien für Sonderfahrten und Abrufrhythmen festgelegt werden, so hat dies direkten Einfluss auf den Wareneingang, der optimierte Mengen (z. B. Wochenmengen) vereinnahmen kann. Der Verwaltungs- und Handlingsaufwand reduziert sich entsprechend, was sich wiederum positiv direkt auf die Kosten je Einzelteil auswirkt. Auch für den strategischen Einkauf stellt das interne TransportkostenManagement eine Optimierung dar, da dann in den Einkaufspreisen nur direkte Kosten enthalten sind. Diese höhere Kostentransparenz vereinfacht einen Vergleich der Einkaufspreise erheblich. Die Rechnungsprüfung hat den Vorteil, dass Speditionsrechnungen nur
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noch von einer definierten und begrenzten Anzahl von Kreditoren erstellt wird. Werden dann die jeweiligen Preistabellen noch elektronisch in der Rechnungsprüfung hinterlegt, ist eine optimale Prüfung möglich. Die Buchhaltung kann zum Kosten sparenden Gutschriftverfahren übergehen, da durch gut eingespielte Prozesse nur noch selten Abweichungen vorkommen.
4.10.4 Fazit Durch die Optimierung der Transporte in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Partnern lässt sich nicht nur bei den Transportkosten ein erheblicher Ratioeffekt erzielen, sondern auch die an den Schnittstellen beteiligten internen Bereiche bieten erhebliche Verbesserungs- und Einsparungspotenziale. Wie hoch dieses Potenzial tatsächlich ist, hängt davon ab, wie weit die Prozesse im Unternehmen bereits optimiert und aufeinander abgestimmt sind.
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EDV-Unterstützung in der Produktion und im Materialfluss Eva Dickmann, Philipp Dickmann, Georg Mack, Friedhelm Michels†, Sebastian Reimer, Metin Begecarslan, Thomas Rücker, Herfried M. Schneider, Jörg-Dieter Ehlers, Joachim Berlak, Marc Pippig, Dominic Lutz, Christian Kuhn, Kersten Ellerbrock, Markus Meißner, Sabine Mertens, Thomas Rosenhammer, Michael F. Zäh, Henning Rudolf, Wolfgang Vogl und Mathey Wiesbeck Eva Dickmann In der Mitte des 20. Jahrhunderts hielten die ersten Rechnersysteme in den Firmen Einzug. Mit deren Leistungsfähigkeit konnten aber nur einfache betriebliche Abläufe dargestellt werden. Es gab isolierte Kleinlösungen in Bereichen wie Finanzwesen, Personalwirt-
P. Dickmann () · E. Dickmann lepros GmbH, Grafing b. München, Deutschland E-Mail:
[email protected] G. Mack Hanau, Deutschland F. Michels† SPS Management Consultants Deutschland GmbH, Bochum, Deutschland S. Reimer KAIZEN ® Institute Deutschland, Bad Homburg, Deutschland M. Begecarslan Siemens AG Healthcare Sector, Kemnath, Deutschland T. Rücker · H. M. Schneider Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Ilmenau, Ilmenau, Deutschland J.-D. Ehlers Leonardo Group GmbH, München, Deutschland J. Berlak FAUSER AG, Gilching, Deutschland © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 P. Dickmann (Hrsg.), Schlanker Materialfluss, DOI 10.1007/978-3-662-44869-4_5
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schaft, Materialwirtschaft und Produktionssteuerung. Unter den isolierten Lösungen war kein Datenaustausch möglich. Production Planning and Scheduling (PPS) Anfang der 80er-Jahre entstanden erste Systeme zur Produktionsplanung und -steuerung (PPS) als Insellösungen. Eines der ersten war PICS (Production Information and Control System) von IBM. Ein Themenschwerpunkt bei der PPS-Entwicklung war die Stücklistenauflösung. Insbesondere bei der Einzel- und Serienfertigung, mit ihrem weit gefächerten Sortiment, zeigt sich früh, dass die Verwaltung der vielfältigen Stücklisten, ebenso wie die rechenaufwändigen Verfahren der Stücklistenauflösung, den Einsatz von EDV-Systemen rechtfertigt. Mit dem Preissturz der EDV hielten arbeitsplatzgebundene Systeme Einzug in Büro und Produktion. Neue Möglichkeiten der Vernetzung und Client-ServerArchitekturen stellten die Daten am Ort der Entscheidung zur Verfügung. Jetzt nahm auch die Dringlichkeit zu, die Daten unter den einzelnen Softwarekomponenten auszutauschen. Der Grund lag im steigenden Aufwand, ähnliche oder gleiche Daten in mehrere Systeme einzupflegen und in der damit verbundenen Fehlerhäufigkeit. Material Requirements Planning (MRP) Material Requirements Planning Systeme (MRP-Systeme) erzeugen basierend auf der Primärbedarfsermittlung, also den Kundenbedarfen und Ersatzteilaufträgen unter Berücksichtigung der Lagerbestände, ein Produktionsprogramm mit Planaufträgen. Über die Verknüpfung von Arbeitsplänen und Stücklisten werden in den Produktionsaufträgen auf der Sekundärebene wiederum Bedarfe erzeugt, aus denen in weiteren darunter liegenden M. Pippig First-Sensor AG, Puchheim, Deutschland D. Lutz Gaugler & Lutz, Aalen-Ebnat, Deutschland C. Kuhn SAP AG, Walldorf, Deutschland K. Ellerbrock CellFusion Inc, San Jose, USA M. Meißner AEB GmbH, Stuttgart, Deutschland S. Mertens AMADA GmbH, Haan, Deutschland T. Rosenhammer Bluhm Systeme GmbH, Rheinbreitbach, Deutschland M. F. Zäh · H. Rudolf · W. Vogl · M. Wiesbeck Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb), Technische Universität München, München, Deutschland
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Ebenen, Planaufträge sowie letztlich Produktions- und Beschaffungsaufträge generiert werden [Kans 99]. Production Resource Planning (MRPII) MRP-Systeme werden im Production Resource Planning (MRP II) System durch einen Kapazitätsbelastungsausgleich ergänzt. Kapazitätsüber- und -unterschreitungen werden dargestellt und in einem iterativen, manuell vorgenommenen Durchgang mit dem MRPSystem optimiert. Unterschiede zwischen Produktions- und Vertriebsplan bleiben unberücksichtigt und müssen manuell gegengesteuert werden. Konkurrierende Belegungen eines Produktionsmittels für Teile verschiedener Aufträge werden nur getrennt voneinander betrachtet und „Doppelbelegungen“ beim Endtermin nicht einkalkuliert. Die Folge sind Terminverschiebungen. Vor allem bei langen Durchlaufzeiten führen kurzfristige Veränderungen zum Durchlaufzeitsyndrom [Kans 99]. Aufgrund hoher Auslastung und fehlender Ausgleichsmöglichkeit kommt es zu Auftragsunterbrechungen und schlechter Lieferfähigkeit. Dies führt zu einer Spirale wiederholter Störungen. Dadurch verlängert sich die Durchlaufzeit zunehmend und die Lieferfähigkeit verschlechtert sich weiter. Die MRP-Systeme werden im Durchlaufzeitsyndrom als Verursacher angesehen. Tatsächlich ist dies den zu hohen physischen Durchlaufzeiten oder Wiederbeschaffungszeiten in Relation zur nötigen Flexibilität (Flexibilitätsparadoxon) zuzuschreiben (vgl. Kap. 2.1 Ruhiger, kontinuierlicher Materialfluss). Enterprise Resource Planning (ERP) Enterprise Resource Planning (ERP) verbindet die bestehenden Insellösungen miteinander. Die Kernfunktionen der ERP-Systeme beruhen auf der Vernetzung unter anderem von MRP und MRP II, internem und externen Rechnungswesen und Personalwirtschaft. Die Schwäche des Systems ist, dass es die Produktionskapazität bei allen Termin- und Mengenüberlegungen als unbegrenzt voraussetzt. Das hat zur Folge, dass keine Betrachtung der Kapazität und der Durchführbarkeit der Aufträge erfolgt. So sind auch die heutigen ERP-Systeme darauf beschränkt, Daten zu verwalten und reale Operationen in einem System parallel dazu abzubilden. Es handelt sich um Transaktionssysteme, die auch als Enterprise Resource Execution and Administration (EREA) bezeichnet werden. Das grundlegende Problem bei MRP, MRP II und ERP sind Effekte, wie etwa der Bullwhip-Effekt, das Flexibilitätsparadoxon, der Snowball-Effekt, die mangelhafte Datenqualität und das Problem der Fehlerfortpflanzung bei großen vernetzten Datenmengen. Diese Effekte werden jedoch kaum als Ursachen erkannt. Versuche, sie mit komplexen Algorithmen zu kompensieren, führten zu keinem überzeugenden Ergebnis. Supply Chain Execution (SCE) und Supply Chain Planning (SCP) mit Advanced Planning and Scheduling (APS) Aus der Sichtweise des Valuestream-Mangements ist Supply Chain Management (SCM) die Planung und Steuerung von Material-, Informations- und Finanzströmen. Durch die ständig steigenden Anforderungen an die Minimierung der Kosten in der Produktion und
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Abb. 5.1 Verhältnis von ERP-, SCE- und APS-Systemen [Gesa 02]
der zunehmenden Genauigkeit der Datenverarbeitung nimmt die Marktdurchdringung mit Software zur Unterstützung von SCM zu. Dabei verteilt sich der Einsatz von SoftwareProdukten zu gleichen Teilen auf die Bereiche Supply Chain Planning (SCP) und Supply Chain Execution (SCE). SCE-Systeme erhöhen die Effizienz und Zuverlässigkeit des Beschaffungsmanagements von ERP-Systemen über alle Wertschöpfungsstufen und generieren eine automatische Umsetzung der Planungsergebnisse [Gesa 02] (Abb. 5.1). SCP wird als strategische, taktische und operative Planung des Wertschöpfungsnetzwerks verstanden. Mit zunehmenden Planungshorizont steigt die Zahl der Freiheitsgrade der Planung oder umgekehrt formuliert, es sinkt die Zahl der Restriktionen (engl. constraints). • Constraint Based Planning (CBP): Mit einer Planung mit Restriktionen lassen sich komplexe Logistikketten in unterschiedlichen Detaillierungsgraden wirklichkeitsnah abbilden. Constraints stellen die Verfügbarkeit der Ressourcen, wie Mitarbeiter und Maschinen, dar. • Simultanous Planning (SP): Durch simultane Planung werden alle Ressourcen gleichzeitig und nicht sequentiell betrachtet. • Incremental Planning (IP): Mit diesem System kann die Planung kontinuierlich erfolgen und Änderungen können bidirektional verfolgt werden. Muss ein Plan geändert werden, lassen sich die Auswirkungen dieser Änderungen in beide Richtungen der Supply Chain weitergeben, sowohl in Richtung der Zulieferer als auch in Richtung Endkunde. Module von APS-Systemen Die Basis für die erfolgreiche Einführung eines APS-Systems ist die Optimierung der Versorgungsprozesse und das Einbeziehen aller Beteiligten in ein aktives Change Management. Die Bezeichnung der einzelnen Module von APS-Systemen wurden von [Gesa 02] übernommen, können aber in anderen Systemen andere Namen, aber ähnliche Inhalte haben (z. B. Abb. 5.2): • Strategic Supply Chain Planning: Die strategische Planung der Versorgungsketten umfasst die Konfiguration des Wertschöpfungsnetzwerks und die Festlegung des Lieferprogramms. Es werden physische Rahmenbedingungen, wie die Produktionskapazität, festgelegt bzw. verwaltet.
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Abb. 5.2 Stufenweiser Aufbau von APS-Systemen aus den Elementen von PPS und ERP-Systemen
• Demand Planning und Customer Collaborating Planning: Aufnahme der erwarteten Absatzzahlen der Endprodukte für die Planung und die Erfassung der wahrscheinlichen Abnahmemengen mit Lieferdaten und Lieferstandorten (vgl. Kap. 4.1 Einführung eines Supply Chain Management Systems). • Master Planning: Als Instrument der taktischen Supply Chain Planung wird hier die Zuordnung von Forecasts, Reservierungen und Kundenaufträgen zu den Produktionsressourcen und Fertigungszeiten vorgenommen. Im Gegensatz zur ERP ermöglicht APS den Durchlauf alternativer Planungsszenarien. • Supplier Collaboration Planning: Hier werden entsprechend der Ergebnisse der taktischen Supply Chain Planung Materialien angefragt, reserviert und Bestellungen ausgelöst sowie die Bedarfe zum Unterlieferanten weitergegeben. • Plant Scheduling und Transportation Planning: Zur Planung der Soll-Auslastung der einzelnen Anlagen wird ein detaillierter Produktionsplan erstellt und die Bewegungen innerhalb der gegebenen Struktur und auf den Transportkapazitäten gebucht. Dies trifft nicht nur für die Beschaffung, sondern auch für Transporte innerhalb der Produktion zu. • Order Promising: Das Ergebnis der taktischen Supply Chain Planung und der Erstellung eines Produktionsplans sind verfügbare Mengen für Kundenaufträge sowie frei verfügbare Mengen. Die frei verfügbaren Mengen stehen dem Vertrieb, zum Beispiel über ein Auftragsmanagementsystem, zur Verfügung und können mit einer konkreten Lieferzusage an den Kunden weitergegeben werden. So weiß der Kunde jederzeit, wann und ob seine Teile zur Verfügung stehen. Ist ein Produkt nicht verfügbar, kann es bei hoher Dringlichkeit durch Cross- oder Upspelling durch einen anderen Auftrag beliefert werden. Mit diesem Verfahren sollte aber sorgsam umgegangen werden, da
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sonst auf vielen Ebenen extreme Schwankungen und eine unsichere Versorgungslage entsteht (vgl. Kap. 2.1.1 Snowball-Effekt). Einschränkungen bei der firmenübergreifenden Integration Nur wenige APS-Systeme leisten einen simultanen Abgleich der Materialverfügbarkeit [Stad 00]. Generell ist eine durchgängige Anbindung mehrerer Firmen möglich. So hat zum Beispiel die Axxom Software AG einen neuen Ansatz zur Kalkulation und Optimierung großer Netzwerke mit mehreren hundert Standorten, vielen Kunden sowie tausenden Produkten [Axxo 05]. Planungsebene, Auftrag und strategische Ebene werden hier angeboten. Es ist theoretisch möglich, in Bestände und Kapazitäten des Lieferanten zu blicken. In der Praxis sind entsprechende Lösungen aber nicht erwünscht, da die Firmen die meisten Interna, wie Wiederbeschaffungszeiten, Kapazität, Auslastung, nicht im Detail preisgeben wollen. Als Nebenfunktion eignen sich diese Tools hervorragend um neben der internen SCM-Steuerung eine operative oder simulative Preiskalkulation durchzuführen. Da derartige Systeme enorme Datenmengen miteinander vernetzen, ist natürlich auch die Frage der Fehlerbehaftung und der Fehlerfortpflanzung in den Ergebnissen ein beträchtliches Hindernis (vgl. Kap. 5.1.2 Störgrößen im modernen Materialfluss und in MRP-Systemen). Zusätzliche Auswertungen füllen Lücken MRP-Systeme können (trotz der heute extrem breiten Funktionalitäten) dennoch nicht alle für die individuelle Alleinstellung nötigen Funktionen und Auswertungen im Standard bieten. Bei der Lean Umfrage 2007 bestätigte sich, dass bei den meisten Unternehmen sehr viele zusätzliche Programme neben dem MRP-System existieren. Über 90 % der Befragten gaben an, zusätzliche Tools zu verwenden, wobei es Unternehmen gab, die bis zu 250 Zusatzprogramme benutzen. Bei einer derartig großen Menge an in der Regel nicht zentral koordinierten Programmen besteht die Gefahr von Wildwuchs. Lediglich 25 % der Studienteilnehmer hatten weniger als zehn zusätzliche Auswertungen (Abb. 5.3). Spezialanwendungen im Produktionsbereich Spezifische Anforderungsprofile und Problemstellungen haben eine Vielzahl neuer EDVAnwendungen entstehen lassen. Der Erfolg von klein- und mittelständischen Unternehmen hat z. B. zu speziellen kleineren IT-Lösungen mit push- oder pull-Ansätzen geführt. Mit modernen Rechenmethoden können aus Historien sehr exakte Bedarfshochrechnungen ermittelt werden. Diese Tools haben sich vor allem im Handel etabliert, wären aber auch für Produktionsbereiche sinnvoll. Es existieren auch zahlreiche dynamische Simulationsmethoden für unterschiedliche Problemstellungen des Materialflusses: Von der Selektion optimaler Steuerungsalgorithmen, über die optimale Dimensionierung von Kanban-Kreisen auf der Zeitachse, bis hin zur Simulation vollständiger, komplexer Produktions- und Kanban-Abläufe. Neue ergonomische Kommunikationswege stellen einen weiteren Bereich an Neuentwicklungen dar, z. B. grafische Programmabläufe (mit Bildern geführte Montage- und Materialflussprozesse) oder ergonomische Schnittstellen (mit RFID, Spracherkennung und Brillen zur Visualisierung).
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Abb. 5.3 Anzahl der zusätzlichen Auswertungen neben dem MRP-System [Lepr 07]: Über 40 % der Befragten gaben an, bis zu 50 zusätzliche Anwendungen zu verwenden. Da die Umfrage vornehmlich in Logistik, Einkauf und Produktion durchgeführt wurde, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Summe über alle Fachbereiche hinweg noch wesentlich höher liegt.
Die neue Herausforderung der IT: Richtiger Umgang mit fehlerbehafteten Daten und optimalen physischen Abläufen Viele IT-Ansätze, wie komplexe Simulationsmodelle oder Hochrechnungen, sind akademisch betrachtet extrem interessant. In der realen Umsetzung kann aber kein korrelierender Erfolg festgestellt werden. Die Ursache ist in der Regel in der enormen Fehlerbehaftung der Basisdaten zu suchen. IT setzt prinzipiell fehlerfreie Daten oder eine vernachlässigbar kleine Fehlerbehaftung voraus. Durch die große Masse an Daten, die eingebunden und verknüpft werden, ist dies physikalisch, aufgrund der Eingabefehlerbehaftung und der Fehlerfortpflanzung, ein äußerst unrealistischer Ansatz. Datenpflege und konsistente Daten sind kein „disziplinarisches Thema“, sondern ein Effekt oder eine Aufgabenstellung, die bis heute in IT-Anwendungen weitestgehend ignoriert wird. Letztlich sollte auch das Flexiblitätsparadoxon nicht vergessen werden, d. h. die IT kann letztlich nur reale physische Abläufe visualisieren und abbilden. Umgekehrt bilden physische Abläufe den Vorgang der IT nur teilweise ab, da der Zusammenhang nicht reversibel ist. Wesentlich ist und bleibt es, die optimalen Prozesse „eins zu eins“ in der IT umzusetzen, also Lean Production Systeme zu erzeugen und die Reduzierung der Störgrößen in Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit der Daten zu erreichen.
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5.1 Reduzierung von Fehlerraten in IT-Systemen und im Materialfluss Eva Dickmann, Philipp Dickmann EDV-Systeme werden in der unternehmerischen Praxis als komfortables Archivmedium mit einer hohen Zugriffsgeschwindigkeit, nahezu unbegrenztem dezentralen Zugriff und mit extrem hoher Speicherkapazität genutzt. Dateneingaben, -ausgaben und -übertragungen sind schnell, mit wenig Aufwand und weniger Fehlern möglich. Aufwendige Berechnungen, basierend auf weltweit verteilten Datenbeständen, können auf „Knopfdruck“ oder im Hintergrund ermittelt werden. Aufgrund stetig steigender Rechenleistung können informationstechnische Systeme (IT-Systeme) sehr viele Informationen mittels komplexer Algorithmen miteinander verrechnen. Bei der Berechnung von Prognosen weichen die Ergebnisse vielfach deutlich von der Realität ab. Die Haltung gegenüber den Ergebnissen von ERP-Systemen ist häufig zu unkritisch. Betriebliche Datenerfassung, MRP, ERP oder auch Simulationstools sind grundsätzlich den Gesetzmäßigkeiten der physikalischen Fehlerfortpflanzung unterworfen. Da Daten prinzipiell zu einem gewissen Prozentsatz mit Fehlern behaftet sind, enthalten errechnete Daten deutlich mehr Fehler und sind weniger exakt als die verwendeten Basisparameter. Anders als in der Physik, werden die Ergebnisse von IT-Produkten jedoch prinzipiell ohne Angabe von Abweichungen und Ungenauigkeiten angegeben. Da der Anwender nur sehr aufwändige, wenige oder gar keine Möglichkeit hat, die Daten zu prüfen und zu bewerten, muss er sie als exakt betrachten und sie seinen Handlungen zugrunde legen. Dieses Vorgehen wird oft dadurch unterstützt, dass die zentrale EDV von der Unternehmensleitung vorgegeben und als zentraler „Nervenstrang“ und Wissensbasis des Unternehmens angesehen wird. Der Kontext „Fehler“ wird bei ERP wegen der tatsächlich sehr komplexen, kaum fassbaren Realität und der nur begrenzt in Rechenmodellen fassbaren Zusammenhänge wissentlich ausgespart. Dabei sind die Daten von Produktions- und Logistiksteuerung von vielen Parametern abhängig. Sie berechnen sich u. a. aus Prognosen zukünftiger Verkaufszahlen, bereits erfolgten Bestellungen, Kundenprognosen, Lagerbeständen, Auftragsbuchungen, Stücklisten, Kapazitäten, Kalendern, Materialstämmen etc. All diese Informationen sind von zahlreichen Vernetzungen oder funktionalen Zusammenschlüssen abhängig und zum Teil selbst fehlerbehaftete Berechnungen oder nur Abschätzungen. Es entsteht eine kaum zu überblickende Komplexität und Dynamik. Dem operativen Endanwender ist die Fehlerbehaftung der Daten häufig bewusst. Er benutzt daher verschiedenste Ausweichstrategien, um dennoch erfolgreich mit derartigen Systemen zu arbeiten. Spätestens in Fällen, in denen MRP-Information nicht nur unterstützen, sondern Prozesse aktiv führen sollen, sind sehr hohe Aufwendungen nötig, um eine ausreichende Aussagequalität zu erreichen. Daher sollte bei der Planung und Entscheidung für vollautomatische Steuerungen der nötige Aufwand zur Datenpflege und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Reduzierung von Datenfehlern nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing). Anderenfalls muss mit einem hohen Maß an Störungen, mit steigenden Lagerbeständen, einem gleichzeitigen Einbruch der Lieferfähigkeit und enormen Aufwand für Krisenmanagement gerechnet werden.
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5.1.1 Unternehmensstrukturelle und soziologische Auswirkungen moderner IT-Systeme Datenverarbeitung führt zu neuen Potenzialen und Abläufen in Unternehmen Die Fähigkeit, Abläufe optimal zu beherrschen, entscheidet über den Erfolg von Organisationen, Unternehmen, Nationen oder Kulturen – also aller Energone. Die Entwicklung der Schriften und Zahlen war auf diesem Weg ein Meilenstein. Sie ermöglichte es, komplexe Abläufe im Zusammenleben größerer Menschengruppen zu verwalten. In den letzten drei Jahrzehnten wurde diese Möglichkeit durch die Informationstechnologie und im Speziellen durch das Internet radikal vergrößert. Ihr Einfluss hat sich auf alle Organisationsstrukturen ausgewirkt und unser Leben, aber auch die Prozesse in nahezu jedem Unternehmen gravierend verändert. Viele der heute üblichen Abläufe und Geschäftsfelder wurden erst dadurch möglich. Wir kämpfen heute nicht mehr damit, die anfallenden Datenmengen zu erfassen, sondern vielmehr mit der Frage, wie wir aus der extremen Masse der Daten einen sinnvollen Nutzen zu ziehen. Besonders deutlich wird dies bei der Aufgabenstellung, betriebliche Prozesse mit MRP oder ERP Systemen zu steuern. Prognosequalität – „Der Blick in die Glaskugel“ mit Angabe der Toleranz Die Zukunft vorhersagen zu können, ist ein Menschheitstraum. Das Vertrauen in Prognosen ist jedoch immer abhängig von den Rahmenbedingungen ihrer Präsentation. Wo in vergangen Zeiten mystische Verknüpfungen zur Untermauerung herangezogen wurden, setzt man heute auf die moderne Mathematik und die Informationstechnologie. Tatsache ist jedoch: Solange nicht absehbare oder eliminierbare Veränderungen respektive Störgrößen auftreten, bleiben Prognosen unsicher. Prognosen können nur für einfache Zusammenhänge mit wenigen, gut vorhersehbaren Störgrößen und für einen kurzen Zeitraum mit einer höheren Sicherheit richtig sein. Wir verwenden heute ausgereifte Algorithmen und Rechnersysteme für die Prognose von Flugbahnen, des Wetters oder auch zur Unternehmenssteuerung. Diese modernen Methoden dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich letztlich immer noch um den Blick in die Glaskugel handelt. Um eine fundierte Aussage zu treffen, müssen Prognoseverfahren immer physikalisch betrachtet und die zu berücksichtigende Fehlerquote angegeben werden. Denn: Prognosen sind immer Schätzungen mit einer mehr oder minder hohen Eintreffenswahrscheinlichkeit (= Prognosegüte; Wahrscheinlichkeit, mit der die Prognose die Realität richtig vorhersagt). Die „gläserne“ Fabrik: CIM, Leitstandskonzepte, zentralistisches Controlling und Integration von Funktionen durch IT Transparenz in Prozessen und Entwicklungen unterstützt die Online-Prozesslenkung durch optimale Daten. Die Ansätze der „gläsernen“ Fabrik, Computer Integrated Manufacturing (CIM) oder der Leitstand waren logische Fortsetzungen der Idee einer „allmächtigen und 100 %igen Steuerung“ durch die IT [Iwer 05]. Die Philosophie des zentralistischen Controllings suggeriert, dass aufgrund dieser absoluten Transparenz nahezu fehlerfreie Entscheidungen
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und Zielvorgaben (Drill-down-Reportings) entstehen und die perfekte Integration von Funktionen mittels IT (also auch der fehlerfreien Zusammenarbeit der Fachbereiche) möglich ist. Der Ansatz vernachlässigt jedoch gewichtige, reale Rahmenbedingungen im Unternehmen und hat sich aus folgenden Gründen in der Praxis als nicht sinnvoll erwiesen (Teile nach [Iwer 05]): • • • •
Die exakte Detailplanung lässt keinen Freiraum für Kreativität (Zielkonflikt). Statische, standardisierte und wenig flexible Ablaufstrukturen sind notwendig. Vollständige und fehlerfreie Basisdaten sind nötig. Das Beschreiben, Bewerten und Buchen jedes kleinsten Prozesses erzeugt einen enormen bürokratischen Aufwand. • Der Umfang der Dokumentation führt zu einer hohen Trägheit und ist nicht wertschöpfend. • Aufgrund der Vernetzung und der gleichzeitigen Zugriffe und Auswertungen sind Fehlerkorrekturen nur eingeschränkt oder gar nicht wirksam. • Die Controlling-Philosophie kann nur unter Berücksichtigung der Summe der Fehlerrate aller Ebenen zu aussagefähigen Entscheidungen führen. IT-Fiktions-Paradoxon und die Verhinderung von Bottom-up-Prozessen Die IT zielt darauf ab, ein Unternehmen von einem „zentralen Schreibtisch“ aus, „ferngesteuert“, vollständig und perfekt zu lenken. Sie simuliert dabei alle wesentlichen, im Unternehmen ablaufenden Prozesse – und stellt die Veränderungen systemisch dar, wie in einem Film. Es entsteht eine Entkoppelung von der physischen Welt durch die Simulation: Die Grenze zwischen Realität und Fiktion verschwimmt. Aufgrund der IT-Fiktion versucht der Anwender z. B. einen reversiblen (umkehrbaren) Lenkungsprozess zu erreichen [Dick 07], ähnlich wie sich etwa Kinder beim Fernsehen in die Handlung derart eingebunden fühlen, dass sie den Darstellern durch warnende Rufe helfen wollen. Der IT-Anwender hat den Eindruck, er könne aktiv in die Abläufe eingreifen. Der reale Informationsfluss ist jedoch nur scheinbar oder teilweise umkehrbar und die tatsächlichen Prozesse in Unternehmen (z. B. Steuerungsprozesse) entwickeln sich weitgehend entkoppelt von der IT, also real irreversibel. Fehler oder unerwünschte Ereignisse können meist nicht direkt durch IT-Prozesse kompensiert werden, sondern Menschen müssen immer wieder aktiv eingreifen und Teilaufgaben kreativ umgestalten. Die Abhängigkeit und der Prozesszwang von DV-Systemen behindert in der Praxis eine kreative Bottom-up-Entwicklung realer Prozesse. Die starren Rahmenbedingungen verhindern Optimierungen, die der Mitarbeiter anstreben würde, um seine Arbeit zu erleichtern (vgl. Kap. 5.14 Production Synchronized Software (PSS) und Kap. 5.4 Kaizen in der IT). Tatsächlich ist eine Prozessverbesserung nur durch persönliche Anwesenheit, differenziertes analytisches Diskutieren und Entscheiden mit den Betroffenen vor Ort zu erreichen. Dies alles sind Vorgehensweisen, die moderne betriebliche IT-Systeme durch Basisdaten und analytische Kennzahlen unterstützen können.
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5.1.2 Störgrößen im modernen Materialfluss und in MRP-Systemen Materialfluss ist heute stark IT-geprägt. Ohne die vielfältigen Möglichkeiten der IT wären die oft hochkomplexen Zusammenhänge in Materialflusssystemen kaum mehr zu beherrschen. Der moderne Materialfluss ist einer großen Zahl von Fehlermöglichkeiten in unterschiedlichsten Ebenen und Ursachen-Wirkungs-Kreisen ausgesetzt. IT-Daten suggerieren dem unkritischen Anwender größte Exaktheit und Sicherheit. Vielfach wird dieser „Black Box“ blind vertraut und eine höhere Automation angestrebt, um die „Fehlerquelle Mensch“ zu umgehen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass IT stark von Fehlern bzw. Unschärfen der Basisdaten und von der Fehlerfortpflanzung geprägt ist. Der reale Umfang von Störungen und Fehlern in MRP-Systemen Wie fehlerbehaftet MRP-Systeme tatsächlich sind, verdeutlicht folgendes Beispiel (Tab. 5.1): Tab. 5.1 Datenaufkommen eines mittelständischen Montagebetriebs im Automobilzulieferbereich mit ca. 300 Mitarbeitern [Lepr 06]. MaterialstammEingabeparameter ca. 100 – ca. 25 % Mussfelder daten Materialstämme ca. genützte 20.000 Datenfelder ca. genützte 0,5–1 Mio. Stücklistendaten Verknüpfungen ca. 70.000 – in 4 Stücklistenstufen Bedarfsplanung Bedarfsverursacher ca. 20 verschiedene Bedarfsverursachertypen Bedarfstermine ca. 300.000 Veränderung von Terminen ca. 210.000 pro Monat Datenaufkommen Datensätze ca. 5 Mio. Datenfelder
Ergebnis der Analyse des Datenaufkommens (vergl. auch Abb. 5.6): • Selbst dieses kleine Unternehmen hat mit rund 5 Mio. Datenfeldern eine enorme Datenmenge und damit auch ein hohes Fehlerpotenzial. • Es werden täglich rund 300.000 Bedarfstermine berechnet. Manuelles Verifizieren ist bei diesem Volumen nicht mehr möglich. • Ca. 70 % der Bedarfstermine werden mindestens einmal monatlich verändert. Die errechneten Terminmengen ändern sich sehr dynamisch, teils täglich. Eine manuelle Kontrolle ist auch aus diesem Grunde ebenfalls nicht mehr machbar. • Das Fehlerpotenzial ist bei komplexeren Unternehmensstrukturen noch deutlich höher. Fehlerursachen in MRP-Systemen Da ein MRP-Entwickler kaum alle aktuellen und zukünftigen Eventualitäten bedenken kann, sind MRP-Systeme immer fehlerbehaftet. Durch die operative Arbeit aller Anwender nimmt die Anzahl der Fehler und Störungen kontinuierlich zu. Je komplexer und dy-
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namischer die Systeme sind, desto stärker unterliegen sie dieser Entropie (Maß der Unordnung). Modifikationen in der IT lösen weder das Problem der Entropie, noch die Fehlerursachen (z. B. Eingabefehler oder Fehler in den physischen Abläufen). IT-Ansätze sind zwar hilfreich, erreichen aber meist nur wenig. Tatsächlich stimmen die realen physischen Abläufe häufig nicht mit den Ergebnissen der IT überein. Das System vermittelt dem Benutzer nur ein verschwommenes Bild der Realität. Zur Vermeidung größerer Krisen bedienen sich die verantwortlichen Benutzer oft der Möglichkeit, die Steuerungsparameter zu modifizieren. Sie schaffen dadurch unkoordinierte Sicherheiten am geplanten System vorbei. Die Entropie, Degeneration und Verschwendung innerhalb des Materialflusses steigt dadurch. Eine hohe Lieferzuverlässigkeit kann unter diesen Rahmenbedingungen nur durch einen enormen Aufwand für Krisenmanagement und kontinuierlich steigenden Sicherheiten (Verschwendung) erreicht werden. Tatsächlich findet der Großteil der Störungen in der physischen Ebene des Materialflusses und auf dem menschlichen Entscheidungsweg statt. Im Materialfluss mit MRP ist z. B. Folgendes zu beobachten: • Inkonsistenzen aufgrund fehlerhaften respektive unvollständigen Datenabgleichs oder redundanter Daten • Inkonsistenzen aufgrund unvollständiger oder unterbrochener Datenübertragungen • Fehlerhafte automatisch gesetzte Standardwerte (Dummy oder Default-Werte) • Nicht durchgängige Berechtigungs- und Buchungsstrukturen • Verwechslungen bei redundanten oder ähnlichen Feldern (z. B. Preis) • Unklare Verantwortung der Pflege (z. B. Abweichung von Einmalerfassung) • Aktualisierungsfehler (veraltete oder nicht mehr benötigte Daten) • Hohe Komplexität der realen Abläufe und Datenmodelle (führen zu erschwerter Datenkontrolle) • Fehlerhafte Basisdaten durch Fehler bei manuellen Eingaben (Fehlerrate 5–8 %) • Relative Datengenauigkeit – Schätzwerte bei Preisen oder Rundungsfehler bei Zeiten. • Kumulation von Rundungen über Berechnungsfolgen • Hochrechnungsfehler, Prognosefehler • Mehrdimensionale Fehlerfortpflanzung – Schneeball-Effekt von Fehlern [Dick 07] • Unexakte Steuerungsalgorithmen, welche die Realität ungenau oder falsch abbilden • Feldmissbrauch – z. B. die Abbildung von verschiedenen Zahlen in einem Bildformat, wodurch kaum Plausibilitätsprüfungen mehr möglich sind • Physikalische Fehlerfortpflanzung, etwa über die Bedarfsrechnungsstufen • Peitschen-Effekt – die Amplitude der errechneten Prognose nimmt über die Produktionsstufen zum Lieferanten zu. (Bullwhip-Effekt) [Dick 07] • Fehlerzunahme mit dem Prognosehorizont • Punktuelles Informationsmanagement • Störungs-Puffer-Korrelation: Vielfältige Pufferbildung führt zu unkoordinierten Puffern, die keinen sicheren Schutz gegen Engpässe bieten und gleichzeitig den BullwhipEffekt unterstützen • Stauphänomene [Dick 07]: Die Materialflussgeschwindigkeit ist unnötig gering und Störungen werden vervielfältigt
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• Spirale der Fehlerratenerhöhung: Führt zu extremen Vervielfältigungseffekt von Fehlern in MRP • Hohe Dynamik der Veränderung, im Besonderen der Bedarfe • Änderungs-, An- und Auslaufmanagement führt zu extremer Fehlerbehaftung • IT-Fiktions-Parodoxon [Dick 07] • Vergrößerung der Losgrößen und Abruffixierung führt zu häufigem Verschieben und vielen dokumentierten Ständen mit sehr unterschiedlichem Wahrheitsgehalt Bei Unzufriedenheit mit der Datenqualität wird vornehmlich nur in der IT nach Lösungen gesucht. Dabei wird übersehen, dass IT nur einen kleinen Teil der Informationsprozesse abbildet. Zur nachhaltigen Optimierung von IT-Fehlern sind fast immer auch Veränderungen des gesamten Herstellungsprozesses sinnvoll bzw. notwendig. In der Folge werden einige wesentliche Fehlerursachen detaillierter erläutert: • Fehlerzunahme mit dem Prognosehorizont: Moderne Prognosen verwenden hoch ausgereifte Algorithmen und die leistungsstärkste verfügbare Rechnerhardware. Mit den Möglichkeiten der IT sind wir tatsächlich in der Lage, eine wachsende Zahl an Basisparametern zu integrieren, um immer exaktere Prognosen zu errechnen. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass mit der Zunahme der Einzelparameter, Störgrößen und deren Einflussparameter auch die Anzahl der Einzelfehler in den Basisdaten zunehmen. Die Einbindung dieser sehr hohen Zahl an Daten führt selbst bei hoher Genauigkeit der Algorithmen zu einer ebenso hohen Fehlerbehaftung. Gerade weil derart viele Daten eingebunden werden, ist das Ergebnis aufgrund der Fehlerfortpflanzung kaum mehr als eine grobe Schätzung. In industriellen Abläufen werden Prognosesysteme jedoch unreflektiert als Führungs- und Entscheidungsgrundlage verwendet. Die Prognosegüte wird dabei vielfach nicht kontrolliert. Die hohe Anzeigeexaktheit der IT suggeriert dem Anwender grenzenlose Exaktheit und Datenqualität. Die Qualität von MRP-Daten unterliegt vielen Einflüssen auf der Zeitachse (Abb. 5.4): − Kurzfrist-Bedarfsprognose: Bedarfe in der Vergangenheit, nicht zeitnahe Buchungen oder vorgezogene Bedarfe verfälschen die Prognosequalität – also die Bedarfsrechnung im Kurzfristbereich gravierend. − Mittelfrist-Bedarfsprognose: Mittelfristig weist die Prognose hohe Veränderungen auf, ist aber im Durchschnitt sehr exakt. − Langfrist-Bedarfsprognose: Zunehmende Blockbedarfe bzw. unvollständige Bedarfe in der Zukunft und die schlechte Vorhersehbarkeit verfälschen die Prognosequalität gravierend. • Fehlerursache: hohe Komplexität und Datenmenge: Grundsätzlich sind IT-Anwendungen für die Verarbeitung komplexer Strukturen und hoher Datenmengen sinnvoll. Andererseits zeigt die Fehlerrechnung, dass genau bei diesen Fällen der Aussagewert der Rechnung extrem abnimmt. Um optimale Ergebnisse zu erreichen, sollte immer versucht werden, möglichst einfache Zusammenhänge und geringe Datenmengen bzw. Parameter einzubinden. In der Praxis entwickelt sich jedoch aufgrund realer Zwänge ein konträres Vorgehen (Abb. 5.5):
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Abb. 5.4 Unterschiede der Datenqualität auf der Zeitachse: Exemplarisch am Beispiel eines mittelständischen Unternehmens. (Quelle: lepros GmbH) (UK|KXQJGHU .RPSOH[LWlW
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Abb. 5.5 Reale Zwänge und Vorgehensmuster führen zu immer komplexeren IT-Lösungen – Die Spirale der Komplexität setzt sich in Gang. (Quelle: lepros GmbH)
• Dynamische Fehlerfortpflanzung: Besonders im Fall der Bedarfsrechnung in MRP wird deutlich, wie die Vernetzung der IT-Funktionen zur extremen Erhöhung der Fehlerquote führt. • Abnahme der manuellen Kontrollmöglichkeit: Vor allem bei starker Dynamik (z. B. bei häufiger Bedarfsveränderung), komplexen Modellen (komplexe Produktions- bzw. Stücklistenstrukturen) oder bei hoher Datenmenge (große Mengen an verschiedenen Einzelteilen oder Kunden) ist die manuelle Kontrolle der ermittelten Werte schwierig.
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Eine Überprüfung der Daten auf Plausibilität ist jedoch unerlässlich. Vor einer Datenbereinigung sollte eine Systemvereinfachung erfolgen. Die Prozesse dürfen hierbei nicht an Software-Standards angepasst werden, sondern müssen ganzheitlich vereinfacht werden. IT-Tools bieten vielerlei Möglichkeiten Plausibilitäten zu prüfen oder auch zu erzwingen, können aber strukturelle Maßnahmen keinesfalls ersetzten. − Schnelldreher: Wenige hundert häufig verbrauchte Teile erzeugen über 80 % der Bedarfstermine, des Umsatzes und der Rendite. Durch die hohen Stückzahlen und kontinuierlichen Veränderungen ist eine manuelle Überprüfung der Bedarfe kaum möglich. Eine stichpunktartige Prüfung wird durch die hohe Änderungshäufigkeit erschwert. Mit hohem Aufwand und spezifischen IT-Prüfungen wird zumeist nur eine punktuelle Verbesserung erzielt. − Langsamdreher: Mehrere tausend Materialnummern mit geringen Bedarfen erzeugen geringen Umsatz und Rendite. Durch die langen zeitlichen Zyklen entsteht trotzdem eine Verschlechterung der Datenqualität (Entropie). Die hohe Menge an Materialien und Kundenverknüpfungen hat zur Folge, dass keine vollständige Überprüfung der Bedarfe und Basisparameter möglich ist (Abb. 5.6, 5.7).
Abb. 5.6 Die vier Dimensionen der Erhöhung der Fehlerquote in MRP: Prinzipiell sind Basisdaten immer fehlerbehaftet. Bei der weiteren Verarbeitung (z. B. Bedarfsrechnung) potenzieren sich die Fehler. Die Fehlerquote erhöht sich dabei als Produkt der Fehler der Basisdaten. Durch die weitere Verkettung aller Stücklistenebenen multiplizieren sich die Fehler auf jeder Stufe. Diese Spirale der Fehlerratenerhöhung wird zudem durch die Dynamik der kontinuierlichen Aktualisierung beschleunigt. (Quelle: lepros GmbH)
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Abb. 5.7 Pflegeaufwand für Daten bei Schnell- und Langsamdrehern: Datenmengen und -dynamik unterscheiden sich je Materialgruppe bzw. Anforderungsprofil stark. In der Summe erzeugen beide Gruppen einen gleichermaßen hohen Aufwand, sodass eine manuelle Datenpflege nicht mehr ausreichend ist [Lepr 06]. Es sind systematische Fehlerreduzierungsmaßnahmen nötig.
Grundsätzlich sollten folgende Maßnahmen zur Optimierung der manuellen Pflege befolgt werden: • Verwenden von wenigen Standardparametern • Prüfung der Datenkonsistenz von Massendaten • Abgestimmte durchgängige Puffersysteme
5.1.3 Verbesserung der Datenqualität Die folgenden Schritte führen langfristig zu einer Verbesserung der Datenqualität: 1. Reale Abläufe strukturieren und vereinfachen • Vereinfachung der Materialflusssysteme mit dem Ziel einfacher Kunden-Lieferantenbeziehungen • „Verschlankung“ der Strukturen – mittelfristig unnötige Prozesse eliminieren, z. B. Lagerkommissionierung durch Direktbereitstellung (Ship-to-line) ersetzen (vgl. Kap. 2.2.4 „Das Einfachste ist das Beste“). • Iterative Planungs- und Abstimmungsrunden (Bedarfsplanungs- und Kapazitätsplanungsmanagement, (vgl. Kap. 2.13.6 Iteratives Planungsrundenmanagement).
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• Spielregeln für die Mitarbeiter definieren und deren Einhaltung überprüfen: „Zeitnahes“ Buchen, das Vorziehen von Aufträgen, das Einhalten der abgestimmten Schlagzahl (Takt) von Vertrieb, Produktion, Logistik und Einkauf. • Komplexität der IT und physischer Prozesse reduzieren – unnötige Papiere und doppelte Eingaben eliminieren. • Dezentralisierung der Strukturen ( Gemba-Orientierung): Der Werker sollte möglichst mündig und selbständig agieren können, auch wenn die Prozesse trotzdem überwacht werden müssen (vgl. Kap. 1.19 Dezentrale und schlanke Strukturen). • Lean-Ansätze umsetzen – die umfassenden Ansätze der Lean Production führen zu einem ganzheitlichen, sich kontinuierlich verbessernden Effekt mit der Folge der Entwicklung von einfachen und transparenten Abläufen. IT-Fehler werden damit im Vorfeld systematisch vermieden. • So weit als möglich von Push auf Pull-Konzepte umstellen – von plangesteuerten Algorithmen auf verbrauchsgesteuerte Systeme (vgl. Kap. 2.3 Grundlegende Steuerungsverfahren). 2. Ergonomie der Eingaben, Arbeitsweise und Ausgabe mit IT optimieren • Präventive Maßnahmen, um die Qualität der Eingaben und die Arbeitsweise zu verbessern mittels Poka Yoke in der IT, stringenter Standards in der IT, Plausibilitätsprüfungen, Defaultwerte, etc. (vgl. Kap. 5.14 Production Synchronized Software). • Die kontinuierliche Verbesserung der IT führt zur Optimierung der Schnittstellen zur IT (vgl. Kap. 5.4 Kaizen in der IT). • Neue visuelle IT-Ansätze erlauben ein leichteres, schnelleres und vor allem fehlerärmeres Arbeiten (vgl. Kap. 5.12 Visualisierte Informationstechnologie; Kap. 5.13 Papierlose Fertigung und visualisierte Montageführung und Qualitätssicherung). • Maßgeschneiderte IT-Lösungen, die synchron zu den realen Prozessen ablaufen, erlauben eine deutlich ergonomischere, effizientere und fehlerärmere Arbeitsweise. (vgl. Kap. 5.14 Production Synchronized Software). 3. Gesamtprozesse auf Fehlervermeidung ausrichten • Vereinfachen der Komplexität der Abläufe: Reale Abläufe vereinfachen und anschließend unnötige Datenmengen, Parameter und IT-Funktionen reduzieren. • IT-Systeme auf den übergeordneten Informations- und Materialfluss ausrichten. IT sollte als „ein Zahnrad im Getriebe“ verstanden und als solches optimiert werden. • Störgrößenanalyse im Informations- und Materialfluss systematisch optimieren: Nur durch die systematische Analyse des Gesamtsystems werden die Ursachen der Störgrößen u. a. im Teilbereich IT klar erkenntlich. Ein Teil der Ursachen ist durch nicht in der IT abgebildete Prozesse verursacht.
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• Hybride Steuerungskonzepte führen aufgrund der Einbindung zusätzlicher Parameter zum früheren und besseren Erkennen von Störungen und zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (vgl. Kap. 2.10 Matrixhybride Materialflusssteuerung). • Systematische Fehlervermeidung hat Vorrang vor der Datenpflege: Kontinuierliche intensive Datenpflege ist wichtig, sie kann die Fehlervermeidung jedoch nicht ersetzen. • Fehlerquoten ermitteln, bewerten und Datenkonsistenz im System erhöhen. • Datengenauigkeit für den Anwender transparenter darstellen: Unschärfen und Fehler sollten für den Anwender abrufbar sein. • Verstärkte Einbindung von Softfacts in die IT-Informationen. • Prozess Synchronized Software: Basierend auf dem realen, aber auch idealen Material- und Informationsfluss benötigen Unternehmen oder Produkte maßgeschneiderte Speziallösungen. Durchgängige Fehlerprävention in und um IT-Systeme Grundsätzlich werden wir auch zukünftig zunehmend mit IT konfrontiert werden, denn die Durchdringung steigt weiterhin stetig an. Alle Abläufe die hinreichend in Code beschreibbar sind, werden langfristig durch IT-Prozesse unterstützt. Ergänzend müssen Softwareprodukte • flexibel bzw. variierbar sein; • auf Daten basieren, deren Aufwand zur Erstellung vertretbar ist; • fehlerfrei und in hoher Qualität vorhanden sein. Folgende Kriterien sind entscheidend, um Fehlerfreiheit zu erreichen: • Fehlerfreies, optimales Abbilden der Prozesse • Effiziente Unterstützung zur Fehlerfreiheit • Unterstützung der Transparenz von Unschärfen Fehlerfreiheit ist ein Entscheidungskriterium im Wettbewerb. Dies gilt für die Hersteller der Softwareprodukte, wie auch für die Kunden welche die Programme nutzen. Der Erfolgsfaktor Informationsmanagement ist eine Schlüsselkompetenz. Durch neue ITSysteme wurde die beschleunigte Wissensverknüpfung und Globalisierung erst möglich gemacht. Jedoch muss es vom Informationsmanagement bis hin zur Informationstechnologie möglich werden, komplexe Aufgaben • schneller, • mit weniger Aufwand und • ohne Fehler zu bewältigen. Um in zukünftigen Märkten erfolgreich agieren zu können, müssen IT-Anwendungen all diese Kriterien erfüllen.
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5.2 EDV-Unterstützung moderner Produktionsabläufe am Beispiel von Kanban unter Betrachtung konsistenter Daten Georg Mack Jedes Unternehmen produziert für Märkte und Kunden. Für jedes zu liefernde Produkt existiert ein „Rezept“ oder eine Erzeugnisstruktur mit Stücklisten, Zeichnungen, Arbeitsplänen usw., wonach eingekauft, gefertigt, geprüft, montiert, verpackt und ausgeliefert wird. Ziel jedes Unternehmens ist es, diese wertschöpfenden Prozesse mit minimalem Aufwand zu durchlaufen. Schlanker Materialfluss und Lean Production sind ein Beitrag, um mit dem Produkt am Markt erfolgreich operieren zu können. In welchem Umfang Methoden aus diesem Buch hierfür hilfreich sein können, hängt vom Produkt selbst ab, seinem Entwicklungs- und Konstruktionsstand, dem Lebenszyklus mit Einlaufphase, Hoch- und Auslaufphase, den einfließenden Innovationen und Weiterentwicklungen und der Komplexität des Produktes. Nahezu jedes Unternehmen verwendet integrierte IT-Anwendungen und Informationstechnik, zumindest für die Teilbereiche Vertrieb, Produktion, Warenwirtschaft, Beschaffung und Einkauf. Es ist eine „ganzheitliche“ Aufgabe, diese Anwendungen zu optimieren. Dieses Buch liefert hierzu vielerlei Ideen. Um redundante, im Besonderen unzusammenhängende, also widersprüchliche Datenkonstellationen zu erkennen, ist eine Einbindung in die vorhandene IT-Landschaft zwingend. Der Autor geht im Folgenden von Produktfamilien aus, welche in Varianten ausgeliefert werden.
5.2.1 Schlanker Materialfluss mit Kanban und MRP am Beispiel des „Fertigproduzierens“ einer Montage im Kundentakt Das Ziel, ein fertiges Produkt termingerecht auf Kundenabruf bzw. Kundenbestellung auszuliefern, setzt eine „Verschlankung“ des Materialflusses voraus. Als Basis dafür muss • der Lieferant die Qualitätssicherung für die Komponenten übernehmen; • der Lieferant direkt am Verbrauchsort (am Arbeitsplatz des Werkers) anliefern; • das Endprodukt, bezogen auf den Kundenabruf, zum spätmöglichsten Zeitpunkt „fertig produziert“ werden; • der Werker die Bauteile aus dem vollen Gebinde entnehmen und verbauen. Sie werden nicht mehr speziell für einen Auftrag kommissioniert oder vorgeschaltet kommissioniert bereitgestellt; • sichergestellt werden, dass die Arbeitsschritte im Prozess in Realzeit selbst abgemeldet (zeitnah gebucht) werden. Grundvoraussetzung für diese Art von Materialflussdesign ist eine entsprechende Fa brikplanung, Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsablaufplanung. Geeignet sind Grund- und Variantenbauteile, die häufig vorkommen. Problematisch sind kundenspezifische und „instabile Bauteile“ (bestehende Bauteile, die während der Aus- und Einlaufsteuerung er-
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Abb. 5.8 Versorgung eines Verbrauchsortes
setzt werden). Im Gegensatz zu einer zu frühen und mehrwöchigen Auftragseinplanung bietet Produktion im Kundentakt größtmögliche Flexibilität und kurze Lieferzeiten durch die tägliche Einplanung zu einem möglichst späten Zeitpunkt. Die Praktiker wehren sich zuweilen gegen diese kurzfristige Einplanung, da sie bei Störungen praktisch keine Zeitreserven haben. Die „problematischen“ Bauteile „hat man leicht im Griff“, wenn diese konventionell abgewickelt werden, also im Fertigteillager liegen und von dort dem Kundenauftrag zugeführt werden. Für Bauteile, die zur Lagerung am Verbrauchsort geeignet sind, werden Behältergrößen, Anzahl und Inhalte definiert. Die Methode der Versorgung ist aus nachfolgender Grafik ersichtlich. Bei dem Beispiel in Abb. 5.8 wurde der Arbeitsplatz für die Lagerung von Bauteilen für eine bestimmte Reichweite ausgelegt. Unterstellt wurde: Die Mengen einer Anlieferungseinheit reichen bei allen drei Teilen jeweils für sechs Schichten. Mit den Lieferanten ist vertraglich vereinbart, dass: 1. dem Lieferanten Veränderungen der Schichten angezeigt werden. Seine Produktion passt er selbst an. 2. bei Teil 1 spätestens in Schicht 5 ein voller Behälter angeliefert wird. 3. bei Teil 2 spätestens in Schicht 5 zwei volle Behälter angeliefert werden. 4. bei Teil 3 spätestens in Schicht 9 ein voller Behälter angeliefert wird. Häufig wird der Anlieferungszeitpunkt nicht schichtbezogen, sondern arbeitstagbezogen vereinbart. Scheinbarer Widerspruch Die Versorgung mit Kanban-Behältern erfolgt auf der Basis des Verbrauchs durch kurzfristiges Auffüllen der leeren Behälterplätze. Beschaffung und Fertigung der Komponen-
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ten ist problemlos, wenn die Beschaffungs- oder Fertigungszeit kurz genug ist. Muss mit größeren Zeiten operiert werden, entsteht ein massives Problem. In diesem Fall muss die Beschaffung der Komponenten auf Basis von MRP-Daten geplant und freigegeben werden. Bei dieser realistischen Konstellation sind die Bestimmungen für ein- und denselben Gegenstand – für einen Schlanken Materialfluss einerseits und eine optimale Fertigung/ Beschaffung andererseits – zueinander widersprüchlich, also inkonsistent. Ein Beispiel: Eine Schmelze mit einer besonderen Metalllegierung reicht für eine Menge, die dem Jahresbedarf entspricht. Hier ist eindeutig, dass der Verbrauch nur die Versorgung am Verbrauchsort regeln kann, MRP aber den Zeitpunkt und die Menge der Fertigung für Beschaffung und Fertigung bestimmen sollte.
5.2.2 Absatz- und Materialbedarfsplanung mit EDV Genaue Beobachtungswerte erhält man aus der Fortschreibung der Absatzplanung. Absatzpläne werden über mehrere Perioden, d. h. über Wochen, Monate, Quartale und Jahre, erstellt und roulierend fortgeschrieben. Die Absatzplanung ist Basis für MRP und die Vertragsgestaltung mit den Lieferanten über: 1. Kapazitätsreservierung, Vorlauf z. B. bis zu 12 Monaten 2. Freigabe von Vormaterial, Vorlauf z. B. bis zu 6 Monaten 3. Freigabe für die Bearbeitung, Vorlauf z. B. 5–20 Wochen 4. Diese Primärdaten aus MRP sollten Basis für die Dimensionierung von Kanban-Systemen darstellen (Abb. 5.8). Die oben erwähnten Verträge mit den Lieferanten müssen die Kanban-Dimensionen wie Behältergröße, Inhalt und Menge enthalten, sowie auch die 5. Freigabe zur Lieferung, Vorlauf z. B. 5 Arbeitstage
5.2.3 Konsistente Daten mit EDV Die Produktion ist, wie bereits eingangs erwähnt, in fast alle Aktivitäten des Unternehmens eingebunden, d. h. für die Abwicklung des Produktionsprozesses in der IT muss auf permanent aktualisierte Daten anderer Bereiche zugegriffen werden. Dies ist nur mit modernen IT-Anwendungen möglich. Konsistente Daten sind erstrebenswert. Planwerte, insbesondere aus mittel- und langfristiger Planung, sind Schätzwerte. „Statistisch gesehen ist eine Schätzfunktion konsistent, wenn ihre Schätzwerte bei wachsender Beobachtungsanzahl mit gegen Null strebender Wahrscheinlichkeit vom wahren Wert abweichen“ [Broc 84] (Abb. 5.9; Tab. 5.2). Mit EDV-unterstützter Kanban-Steuerung auf Basis eines Absatzprogramms erhält man aktuelle Daten. Dazu wird zum Beispiel die Tatsache genutzt, dass das Verhältnis von „Absatzplan“ und „Produktion im Kundentakt“ in einem logischen Zusammenhang steht.
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Abb. 5.9 Absatzplanung und Materialbedarfsplanung Tab. 5.2 Vergleich des Kanban-Prinzips mit einer mit MRP kombinierten Kanban-Steuerung (hybrides MRP-Kanban, Tabelle zu Abb. 5.9, vgl. Kap. 2.9 Hybride Steuerungskonzepte und Kap. 2.10 Matrixhybride Materialflusssteuerung) Kanban-Prinzip Kanban-Steuerung mit EDV (hybrides MRP-Kanban) 1. Langfristige Planung auf Verbrauchsbasis ist nicht ratsam! 2. Sicherheiten verschiedener Art sichern die Produktion 3. Kundenaufträge erzeugen Verbrauch an Komponenten
1. Prognosen sichern die Planung der Ressourcen usw. 2. Produktion von Komponenten gesichert durch MRP 3. Materialverfügbarkeit gesichert durch Kanban-Steuerung 4. Mit den Daten aus mittel- und langfristiger Planung ist der Lieferant in der Lage, seine Produktion zu planen
Ebenso sind die Abweichungen von Absatzplan und Umsatz gleich den Abweichungen von Absatzplan und dem Verbrauch an Komponenten. Dies sind konsistente Daten. Wenn Produktionsplanzahlen über mehrere Beobachtungszeitpunkte konstant bleiben und den Umsatzzahlen entsprechen, entstehen konstante Daten für die Freigabe von Vormaterial und Fertigung. Da zuerst von einem „Fertigproduzieren im Kundentakt“ ausgegangen wurde, schlagen nun die Marktschwankungen durch, sodass bei dieser Art der Steuerung in der Regel Abweichungen von Plan- und Umsatzzahlen entstehen werden. Tatsächlich sind im Beschaffungsprozess des „Schlanken Materialflusses“ Abweichungen vom „Absatzplan“ zum „Kundenauftrag“ problemlos, auch wenn dies in zweistellige Prozentbereiche „ausufert“. Für das Betriebsergebnis sind Plusabweichungen vom Absatzplan erfreulich, wenn durch die enge Kooperation mit den Lieferanten und dessen Flexibilität keine Versorgungsengpässe entstehen. Minusabweichungen können höchst ärgerlich sein, wenn sich die Kosten der nicht vollständig vermeidbaren Überproduktion teilweise oder voll auf das Ergebnis des Unternehmens auswirken.
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5.2.4 Datenpflege Mit Manufacturing Resource Planning (MRPII) wird erkannt, ob der Verbrauch eines Bauteils, eines Produkts oder einer Produktfamilie zur Steuerung des Nachschubs für Kanban geeignet ist. Die konsequente Einbindung in die relevanten Anwendungen der vorhandenen IT bedeutet, dass alle Entscheidungen auf ein- und derselben Datenbasis erfolgen. Um eine aktuelle Datenbasis zu erreichen sind folgende Punkte zu beachten: • Die Datenerfassung für Bestands-, Arbeitsfortschreibung, Fertigmeldung usw. sollte im Prozess erfolgen. • Plausibilitätsprüfungen bringen fehlerfreie Daten (z. B. „Leermeldung fehlt“, oder nach Leermeldung: „Bestand ist noch xxx“). • Die konsequente Einbindung relevanter Anwendungen erleichtert die Kommunikation, etwa wenn Informationen elektronisch weitergeleitet und in den relevanten IT-Anwendungen dokumentiert werden. Weiterhin gehört zu jedem Materialfluss auch ein Wertfluss, d. h. durch die Fortschrittsmeldungen im Prozess wird das Auftragscontrolling automatisch aktualisiert.
5.2.5 Innovationen umsetzen 1. Mitarbeiterschulung: Um Innovationen realisieren zu können, ist eine vielseitige Qualifikation der Mitarbeiter notwendig. Dazu gehört vor allem, dass ein Mitarbeiter mehrere Aufgaben beherrscht. Dazu ist außer den extern erlernten Kenntnissen die interne Mitarbeiter-Qualifizierung für den Erfolg entscheidend. 2. Kundenkontakte: Um Trends bei der Produktpalette, aber auch bei Absatzzahlen frühzeitig zu erkennen, sind die Mitarbeiter mit Kundenkontakt gefordert. 3. Lieferantenkontakte: Anforderungen müssen ständig mit den Möglichkeiten der Lieferanten in Übereinstimmung gebracht werden. 4. Verwaltung und Rechnungswesen: Lieferungen werden in der Regel aufgrund eines Wareneingangs bezahlt. Bei Lieferanten-Kanban kann dies auch anders erfolgen: Beispielsweise können Bestände erst dann ins Eigentum übernommen werden, wenn ein Behälter angebrochen wird, ein Behälter leer ist oder die Ware geliefert wird. Bezahlt werden kann dann monatlich im Gutschriftverfahren. Gleichzeitig werden mangelhafte Teile reklamiert und belastet.
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5.3 IT in der Produktion Friedhelm Michels Die Verwendung einer leistungsfähigen Informationstechnologie in den produzierenden Unternehmen (leistungsfähig, gemessen an der durchgesetzten Informationsmenge) liegt zurzeit sehr im Trend. Es erscheint jedoch wichtig, zwischen Anwendungen zu unterscheiden, die in den ablaufenden Prozessen die Eliminierung der vorhandenen Verschwendungen erleichtern und solchen, die sie erschweren. Denn nur dadurch wird eine höhere Produktivität erreicht, Datensammlungen sind zunächst nichts anderes als Verschwendung. Die ungeheuren Fähigkeiten neuer Datenbanksysteme in Bezug auf Echtzeiterfassung von Daten und extrem schneller Auswertung umfangreichster Datenbestände, lässt die Verwendung dieser Systeme zur Steuerung der wertschöpfenden Vorgänge als ideal erscheinen, vor allem bei hoher Typenvielfalt und komplexen Fertigungsabläufen. Man sollte eigentlich in der Lage sein, 1. ideale Reihenfolgen für hochproduktive Abläufe durch Simulationen zu finden und 2. sehr schnell ablaufrelevante, respektive qualitätsrelevante Problempunkte durch Analyse der Ist-Abläufe aufzuspüren und Verbesserungen zu implementieren. Die Erfahrung bestätigt diese Hoffnungen nicht. Die Kosten für die Implementierung der Datenbanksysteme werden häufig nicht „eingespielt“. Auch die Fähigkeit, durch die IstAnalyse die Verbesserung der Prozesse stark zu beschleunigen, zeigt sich nicht in dem erwarteten Umfang.
5.3.1 Das Prinzip von Datenbanksystemen, Reporting- oder Analysefunktionen Bei dem Aufbau der Datenbanksysteme und der Reporting- bzw. Analysefunktionen setzt man im Prinzip geschlossene Systeme voraus, in denen sämtliche Einflussgrößen prinzipiell erfassbar sind: Materialflüsse und -bestände, Energieflüsse und -bestände, Informationsflüsse und -bestände. In der Praxis werden durch vernünftige Reflexion wesentliche und unwesentliche Faktoren voneinander getrennt. Dadurch ist eine nahezu komplette Beschreibung des Systems möglich, auch wenn nicht alle Größen in allen Einzelheiten zugänglich sind [Zade 65]. Bei den Analysefunktionen werden sehr häufig statistische Verfahren angewendet. Diese setzen mehr oder weniger voraus, dass die Einflussgrößen unabhängig streuen. Die beeinflussten Messgrößen streuen daher ebenfalls gemäß einer bestimmten Verteilung. Kurz gesagt: Die eingesetzten Datenbanksysteme sind von ihrer Struktur her für geschlossene bzw. offene Systeme mit einer genauen Kontrolle der Zufluss- und Abflussgrößen („quasi-geschlossen“) geeignet. Die entscheidende Frage für den Einsatz dieser Systeme ist, ob es sich bei der Produktion um ein geschlossenes bzw. um ein kontrolliertes, offenes System handelt bzw. ob man die Produktion in solche Systeme umwandeln kann.
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5.3.2 P roduktionsprozesse lassen sich schlecht als geschlossenes System abbilden Die Beobachtung der tatsächlichen Vorgänge in der Produktion zeigt, dass die konkrete Situation in typischen deutschen und europäischen Unternehmen nicht dazu geeignet ist, sie mit den Werkzeugen der schnellen Datenbanken zu erfassen. In aller Regel gelten entsprechende Überlegungen auch für die anderen Unternehmensprozesse wie Konstruktion, Einkauf, Vertrieb, Unternehmensleitung. Punkte, die deutlich machen, dass die Abläufe nicht geeignet sind in Datenbanken abgebildet zu werden: 1. Die Abweichungen bei der Herstellung von Produkten schwanken erheblich. 2. Ursachenanalyse wird in der Regel statistisch durchgeführt. Fehlerkategorien werden grob bzw. ungenau gefasst. Zum Beispiel die Fähigkeiten der zufällig anwesenden Mitarbeiter spielen eine große Rolle. 3. Viele Arten kleiner Abweichungen werden nicht als Fehler erfasst, sondern gehören faktisch zur Arbeit der Montage- bzw. Bedienungsmitarbeiter. Abweichungen und Justierarbeiten werden nicht unterschieden. 4. Es wird nicht beachtet, dass ähnliche Fehlerbilder sehr verschiedene Ursachen haben können. Die Reihe der Argumente ließe sich lange fortsetzen.
5.3.3 Verschwendung zu eliminieren sollte im Focus stehen Sehr wesentlich in diesem Zusammenhang ist, dass alle diese Punkte erhebliche Verschwendungen darstellen. Sehr häufig sind Mitarbeiter in der Produktion nur zu 10–20 % mit wertschöpfenden Prozessen beschäftigt, wobei der eigentlich wertschöpfende Vorgang davon auch nur einen Bruchteil darstellt. Erste Ansätze, Verschwendung zu vermeiden sind hier: • Eine konsequente Visualisierung der Abläufe. • Ein Stückzahl- bzw. Produktionsfortschritt-Management auf 15-Minuten- bis maximal 30-Minutenbasis. • Ein nachdrückliches Fehlermanagement mit autonomatisierten, deutlich wahrnehmbaren Andon- und Abschaltsystemen. Die Erzeugung von Qualität im Prozess – nicht durch Qualitätsprüfung – benötigt eine ähnliche Systematik. Grundlagen sind die auf hohem Niveau realisierten 6-S-Maßnahmen. Ziel ist die Erzeugung hoch standardisierter, rhythmisch auflaufender Prozesse. Dies gilt nicht nur für die wertschöpfenden, sondern auch für die indirekten Abläufe. Beispiele sind das Toyota Produktionssystem oder Verallgemeinerungen, wie etwa das synchrone Produktionssystem.
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5.3.4 Sinnvoller Einsatz von IT In Einzelprozessen hat die IT sicherlich auch in den Vorstufen eine große Bedeutung: • • • • •
Schnelle Identifizierung für verschiedene Zwecke, z. B. Barcode, Tracing Einstellung von Werten in Maschinen und Vorrichtungen Erstellen von Teilelisten für die Kommissionierung Erfassung von Daten für Nachkalkulation Etc.
Für die Realisierung einer sorgfältigen Visualisierung spielen die grafischen und Layoutmöglichkeiten der Textverarbeitungsprogramme eine wichtige Rolle. Im Warenwirtschaftsbereich, im Einkauf und Vertrieb, im Buchhaltungs- und Rechnungswesen haben sich die Datenbanksysteme bewährt und sollten weiterverwendet werden.
5.3.5 Synchrone IT Es bleibt die Frage, ob auch nach einer Einführung der oben dargestellten relativ fehlerund verschwendungsarmen Prozesse eine Detailsteuerung der Produktion durch IT-Systeme notwendig ist. In der Regel reicht ein Monitoring des wesentlichen Materialverbrauchs um eine realistische Nachkalkulation zu ermöglichen. Eine Idealvorstellung einer hochproduktiven, verschwendungsarmen Produktion geht davon aus, dass das „Tagesgeschäft“ nur in kleinen Teams organisiert und gesteuert wird. Entscheidend ist eine Systematik aufzubauen, in der jeder Einzel(!)abweichung sofort durch den Teamleiter, unterstützt durch Teamkommissionierer und Teamverbesserungsmanager, nachgegangen werden kann. Es folgt die Analyse und eine nachhaltige Behebung. Inwiefern hier die Unterstützung von IT-Systemen unterstützend wirken kann, ist schwer zu beurteilen. Erste Erfahrungen von Unternehmen, die die neue Produktionsweise zu implementieren begonnen haben, zeigen, dass man in der Regel mit sehr einfachen handgeführten bzw. selbst programmierten Systemen auskommen kann. Unter Umständen liegt hierin noch ein zukunftsweisendes Thema für IT-Anwendungen.
5.4 Kaizen in der IT Sebastian Reimer Das Ziel heutiger IT-Organisationen muss die optimale Unterstützung der wichtigsten Geschäftsprozesse sein. Um den hiermit verbundenen Herausforderungen zu begegnen, sind vollkommen neue Lösungsansätze notwendig. Die Informationstechnologie (IT) stellt mittlerweile eine zentrale Geschäftskomponente innerhalb eines Unternehmens dar. Im
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Rahmen von Lean Production und schlankem Materialfluss muss die IT in Zukunft vollkommen neue Strukturen und Prozesse unterstützen. Dazu ist Kaizen-Methodenkompetenz notwendig. Für IT-Organisationen gilt: Je zufriedener ihre Kunden sind, desto sicherer sind die Arbeitsplätze der IT-Mitarbeiter und desto größer ist die Anerkennung der Leistung durch die Kunden. Wenn Ihre Kunden mit Ihnen zufrieden sind, schaffen Sie dadurch auf Dauer ein besseres Arbeitsklima und eine höhere Arbeitsleistung. Eine neue Dimension bekommt der Verbesserungsprozess durch die Einbeziehung der IT. Verluste und Verschwendung stecken zum Beispiel in Suchzeiten durch schlechte Ablagestrukturen, Redundanz durch Mehrfachablage, Fehler und Ausfälle durch Mangel an Qualifikation etc. Verschwendung vermeiden, die Wertschöpfung steigern, effizient arbeiten und die Qualität verbessern: das sind die Ziele von Kaizen. Die Methoden, die bisher in Fertigung und Dienstleistung erfolgreich angewandt werden, lassen sich gut auf die IT übertragen. Ob Hardware, Software oder Anwendung – in allen Bereichen steckt großes Verbesserungspotenzial, das sich mithilfe der Kaizen-Werkzeuge erschließen lässt. Die Jagd nach Verlusten und Verschwendung in der IT stellt für die Anwender und für die Systembetreuer eine Herausforderung dar. Ein Beispiel ist der Einsatz einer neuen Software für einen Fachbereich – nehmen wir mal das Qualitätsmanagement. Damit dies reibungslos funktioniert, bedarf es eines optimalen Zusammenspiels zwischen dem Fachbereich Qualität, dem IT-Bereich und den Anwendern, die das System später nutzen sollen. Ein wichtiger Punkt ist das Training der Anwender. Neben der Fachkompetenz ist dabei in starkem Maße Methodenkompetenz gefragt.
5.4.1 Der Mensch steht über der Technik Die einfachen und bewährten Kaizen-Methoden eignen sich hervorragend, um eine neue Software ohne Reibungsverluste einzuführen. Schließlich sollen nicht die IT-Systeme die Menschen steuern, sondern wir möchten die Technik nutzen, um unsere Aufgaben effizienter zu bewältigen. Ein IT-System ist immer nur so gut, wie der Mensch, der es bedient. Die Menschen stehen im Vordergrund! Dabei erkennen wir folgende Zielgruppen: die Anwender, den Fachbereich, den IT-Bereich und das Management. Alle haben unterschiedliche Anforderungen. Die Anwender wollen eine schnelle und einfache Unterstützung ihrer Aufgaben. Der Fachbereich möchte neue Produkte effizient einführen. Ziel des IT-Bereiches ist es, die Prozesse optimal zu steuern. Das Management bevorzugt mobile Strukturen bis hin zur Kostentransparenz. Wir gliedern die verschiedenen Anwendungsbereiche in sechs Kategorien. Diese sind: Infrastruktur, Netzwerk, Applikation, Support, Kommunikation und Warenwirtschaft. Kombiniert werden diese Kategorien mit den unterschiedlichen Kaizen-Methoden. Daraus entsteht eine Matrix, die den Anforderungen der unterschiedlichen Zielgruppen gerecht wird. Eine Potenzialanalyse gibt Aufschluss darüber, wo im Unternehmen Chancen zur Verbesserung stecken. Selbst aus einer Best Practice kann immer noch eine „Better Practice“ werden.
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„Wissen, wo man steht“ – das ist eine Voraussetzung um Ziele zu formulieren und zu verfolgen. Deshalb empfehlen wir vor dem Einsatz der Kaizen-Methoden in der IT eine Potenzialanalyse. Ähnlich wie bei einem Audit wird anhand eines Fragebogens der Ist-Zustand erfasst. Gemeinsam mit dem Kunden ermitteln wir den angestrebten Soll-Zustand. Daraus lässt sich dann eine Roadmap für die erforderlichen Maßnahmen ableiten.
5.4.2 Den Stein ins Rollen bringen mit der 5-S-Kampagne Die 5-S-Kampagne ist ideal, um eine gute Ausgangsbasis zur Steigerung der Effizienz im IT-Bereich zu schaffen. Diese Methode wird schon seit Jahren in Produktion und Administration als Ausgangsbasis zur kontinuierlichen Verbesserung erfolgreich eingesetzt. • Sortiere aus: Das erste „S“ steht für „Sortiere aus“. Das ist in den verschiedenen Kategorien gar nicht so einfach, aber für einen reibungslosen Materialfluss enorm wichtig. Denn es geht nicht nur um die Entsorgung von Papier, Akten, Hardware und Computern. Ebenso wichtig sind die virtuellen Bereiche wie Laufwerke, Ordner, Dateien, Datenbänke, alte Stammdaten, E-Mails, um nur einige zu nennen. Gleichzeitig werden beim Aussortieren festgestellte Mängel in einer Liste erfasst. • Systematische Ordnung: Beim zweiten „S“ geht es um die „Systematische Ordnung“. Das Ziel in der IT ist dabei die Reduzierung von Suchzeiten. Denken wir dabei an eine logische Ordnerstruktur oder die Nutzung von gemeinsamen Laufwerken. Welche Software benötigen wir wirklich? Alles hat seinen Platz. • Sauber halten: Der nächste Schritt, das dritte „S“ beinhaltet das Ziel „sauber halten“. Das heißt, es wird darauf geachtet, dass die einmal aufgestellte Ordnung eingehalten wird. Arbeitsutensilien, Hilfsmittel (PC, Telefon, Festplatte, Desktop, Mailbox, Kopierer etc.) und das Umfeld sind stets sauber und einsatzbereit. Regelmäßige Aktionen wie „Putz die Festplatte“ sorgen dafür, dass dies so bleibt. • Standardisieren: Auch beim vierten „S“, wo es um das „Standardisieren“ geht, ist noch viel zu tun. Zum Beispiel die Standardisierung der Ablage für gemeinsam genutzte Laufwerke, Standards für das Speichern von Dateien oder Hardwarestandards. • Selbstdisziplin und ständige Verbesserung: Wichtig für den langfristigen Erfolg ist das fünfte „S“, das für „Selbstdisziplin und ständige Verbesserung“ steht. Um den guten Zustand zu halten, sind Patenschaften und die Festlegung von Verantwortlichkeiten hilfreich. Ein Mängelerfassungssystem und Maßnahmenpläne sind gute Tools für die Umsetzung weiterer Verbesserungen. Die Zeitdauer für eine 5-S-Kampagne im IT-Bereich ist unterschiedlich. Sie ist abhängig von der Größe der Teams und der zur Verfügung stehenden Zeit. Im Schnitt sollte man ein Jahr einplanen, um eine 5-S-Kampagne sauber durchzuführen. Aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen lassen sich damit in der IT folgende Ergebnisse erzielen: Verbesserung der Qualität, weniger Fehler, schnellere Abwicklung der Aufgaben, Steigerung der Wirtschaft-
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lichkeit durch weniger Verschwendung, mehr Flexibilität und Raum für Innovationen. Das gesamte Arbeitsumfeld der IT verbessert sich und die Motivation der Mitarbeiter steigt.
5.4.3 Die nächsten Schritte Wenn die 5-S-Kampagne erfolgreich durchgeführt wurde, folgen die nächsten Schritte im Verbesserungsprozess. Nun gilt es, weitere Effizienzpotenziale zu entdecken, zum Beispiel mit der Methode Prozessmapping. Dabei werden die Prozesse unter die Lupe genommen. Die Aufzeichnung des Ist-Zustandes zeigt, wo Verzögerungen, Schwachstellen, Schleifen, Doppelarbeit, andere Verluste und Verschwendungen lauern. Auch hier sind es die Mitarbeiter, die viel bewegen können. Anhand eines Zeitstrahls wird ein Vorgang unter dem Aspekt näher beleuchtet: Wer macht was wann? Es werden Bearbeitungszeit und Durchlaufzeit (Liegezeiten) addiert. Oft ist den Mitarbeitern gar nicht bewusst, welche und wie viele Personen eingebunden sind. Wenn der Ist-Zustand erfasst ist, wird gemeinsam ein Soll-Prozess gestaltet, der möglichst frei von Verschwendung ist. Bei komplexen Prozessen oder zur Dokumentation ist der Einsatz einer speziellen Software sinnvoll.
5.5 Elektronische Kanban-Systeme (eKanban) Eva Dickmann eKanban ist die rechnergestützte Abbildung der Kanban-Steuerungsmethode, wobei die physische Karte in einem Kanban-Kreis durch Bestände und Aufträge im EDV-System ersetzt wird. Die bereits erwähnten Varianten von Kanban können auch in diesem Fall unterschieden werden. Hinter vielen der als eKanban titulierten Systeme verstecken sich andere Steuerungsalgorithmen. Häufig zu finden ist unter anderem die Ampelsteuerung und die Bestellbestandssteuerung in einem MRP-System. Entscheidend bei der Einführung eines elektronischen Systems ist zudem, ob es parallel zu einem physischen Kanban installiert ist oder als reine eKanban Lösung läuft. Bei der Einführung eines eKanbanSystems ist analog zur Einführung eines physischen Systems vorzugehen. Lediglich Zusatzthemen, die bei einer Neueinführung von EDV-Systemen üblich sind, müssen in die Projektplanung mit einbezogen werden, wie die Schnittstellenproblematik, Datenübernahme aus dem MRP-System, Konsistenz der Daten und die Gewöhnung der Mitarbeiter an das System etc.
5.5.1 eKanban als Visualisierung der Bestellbestandssteuerung In der Regel wird die klassische Verbrauchssteuerung als eKanban bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine „Pull“- oder Bestellbestandssteuerung, üblicherweise im MRPSystem. Aufgrund von Lagerdaten und Planbedarfen wird der Verlauf des Materialflusses,
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der Kanban-Fluss, synthetisch errechnet. Dabei werden abfließende Bestände in einem Konto gesammelt und bei Erreichen der Mindestauftragsmenge eine Bestellung oder ein Auftrag gestartet. Diese abstrahierte Form von Kanban entsteht aufgrund einer verhältnismäßig geringen Änderung von Standard-MRP-Rechenalgorithmen. eKanban sollte neben der Bestellbestands-Logik auch die Visualisierung des Umlaufbestands beinhalten. Der Umlaufbestand untergliedert sich dabei in Lagerbestand, Aufträge bzw. Bestellungen und in Sammelmengen befindliche Teilmengen. Die Summe dieser Mengen, die ein Vielfaches der Behältermengen darstellen, entspricht der Anzahl der Kanbans oder dem theoretischen maximalen Umlaufbestand. Gängig ist zudem die Visualisierung ähnlich der Kanban-Tafel. Es werden analog zur Anzahl der Kanban-Karten Felder je Material definiert, die den Sammelmengen entweder durch Farben oder Positionen zugeordnet werden. Wie beim physischen Ablauf wird die Sammeltafel bei einer großen Anzahl an Karten unübersichtlich. Der Auftragsstart kann auch manuell durch die Ampelsteuerung oder durch Kanban mit Übergangsbereich erfolgen. Dabei werden die Karten solange gesammelt, bis die Mindestbestellmenge erreicht ist. Sobald diese erreicht wird, werden die betroffenen Karten (Felder auf der Bildschirmmaske) farbig (z. B. gelb) dargestellt und es kann bestellt werden. Erreicht die Zahl der Karten den „roten“ Bereich, muss der Auftrag oder die Bestellung sofort gestartet werden.
5.5.2 eKanban basierend auf einem WarehouseManagement-System (WMS) Die allgemeinen Schwächen der MRP-Steuerung treffen auch auf diese abstrahierte Kanban-Steuerung zu. Sie besitzt keinen direkten Bezug zum physischen Materialfluss. Daher werden viele Störgrößen nicht erkannt, die beim realen physischen Kanban erkannt werden können. Die Steuerung ist daher deutlich weniger stabil und benötigt mehr Sicherheitsbestände. Hybride Steuerungsansätze sind bei Standard-Systemen in der Regel nicht ohne „Klimmzüge“ realisierbar, da entweder die eine oder eben die andere Steuerung alternativ aktiv sein kann. Sinnvoll ist die Anbindung der Kanban-Steuerung an ein Warehouse-Management-System (WMS) bzw. Lagerverwaltungssystem (LVS) mit konkreten Behältern. Das System errechnet dann nicht nur den abstrakten Materialfluss, sondern ist näher am realen Bestand in Behältern. Die Gebinde erbringen sehr nützliche Zusatzinformationen, die zu einer Absicherung des Materialflusses herangezogen werden können. Es existieren elektronische Karten mit Nummern, die tatsächliche physische Behälter mit Barcodes oder Transpondern darstellen. Sobald ein Behälter als „Leer“-Meldung gescannt wird, wird die Behälternummer, Transporteinheitsnummer (TE-Nummer), Transpondernummer oder eben Kanban-Nummer in ein Feld der Sammelmenge geschrieben. Sobald die Sammelmenge, die je Material im Materialstamm hinterlegt ist, erreicht wird, wandert die TE-Nummer in das Feld für Aufträge und der Auftrag wird nach der jeweiligen Auftragsstartregel angestoßen.
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5.5.3 Varianten des Auftragsstarts Automatischer Auftragsstart Mit dem Erreichen der Sammelmenge wird der Auftrag automatisch gestartet. Dies bringt den Vorteil, dass manuelle Tätigkeiten und auch Zeit eingespart werden. Der Abstraktionsgrad von eKanban birgt aber den Nachteil, dass der Start aufgrund einer abstrakten Simulation keine Abweichungen der Realität berücksichtigt. Ähnlich wie alle automatischen Planungs- und Dispositionsverfahren ist dieses System nur sinnvoll bei höheren Sicherheitsbeständen, etwa bei C-Teilen. Eventgesteuerter Auftragsstart Auslöser kann zum Beispiel das Scannen eines konkreten physischen Behälters oder einer Karte an einem Kanban-Board sein. Der Vorteil dieser Variante liegt in der Nähe zum realen Materialfluss und der höheren daraus abzuleitenden Steuerungsgenauigkeit. Der Auftragsstart wird in der Produktion durch manuelles Scannen mit einem Handscanner, durch anklicken in einer IT-Lösung oder mittels einer transponderfähigen Kanban-Karte ausgelöst (vgl. Kap. 3.4 Produktionsnivellierung). Bei der eventgesteuerten Variante kann der Auftragsstart auch mit Transponder oder Barcode automatisch nebenbei erfolgen. Dies kann durch eine räumliche Zwangsführung geschehen, wie in einer Sammeltasche, einer Schiene am Regal, einem Briefkasten oder an der Kanban-Tafel. Auftragsstart unter Berücksichtigung von Kapazitätsregeln Bei weiterentwickelten eKanban-Lösungen werden Algorithmen zur Kapazitätssteuerung mit der eKanban-Steuerung überlagert oder es wird ein sachnummernneutrales Kanban verwendet. Der Auftragsstart kann dann nach Zeit, über mehrere zusammengefasste Materialnummern oder durch zusätzlich frei gewordene Kapazität aus Lagerzugängen, gesteuert werden. Als sehr praktikabel erweist sich dabei die dezentrale Event-Steuerung der Produktionszelle, die einer hybriden oder matrixhybriden Steuerung (vgl. Kap. 2.10. Matrixhybride Materialflusssteuerung) entspricht. Die Produktion eines Loses wird durch den Verantwortlichen, mit Unterstützung der Priorisierung in der Software, ausgelöst. Wird in einer Fertigungszelle Kapazität frei (d. h. Kapazität, in Stückzahl oder als Zeiteinheit), kann der Werker auswählen, welchen der Aufträge (im gelben Bereich der Kanban-Tafel) er als nächsten starten will (Abb. 5.10). Manueller Auftragsstart Komfortablere Programme erlauben den Auftragsstart über das Anklicken von Karten durch einen „Steurer“. Dies kann entweder ein Werker, ein Meister oder eine zentrale Steuerungsinstanz sein. Die Vorteile, die durch das Einbringen menschlicher Kompetenz entstehen, überwiegen das Fehlerrisiko. Mit visuellen physischen Behältern können z. B. Inventurdifferenzen und Störungen besser erkannt werden (Abb. 5.11).
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Abb. 5.10 Ein Beispiel einer Kanban-Oberfläche. (Quelle: Cellfusion®)
Abb. 5.11 Ein Beispiel für eine Kanban-Maske mit der typischen Visualisierung der Karten – Das Softwaresystem SIGNAL. (Quelle: Signal®)
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Nachteile physischer Kartensteuerung (entfällt bei eKanban) • • • • • •
Buchungen müssen redundant vorgenommen werden. Der Transport physischer Karten benötigt Zeit, die sich in Pufferbeständen auswirkt. Physische Karten können verloren gehen oder vervielfältigt werden. Buchungen im MRP sind zusätzlich nötig. Manuelles Handling für Karten oder Buchungsbelege bedeutet manuellen Aufwand. Dezentrale Verantwortung kann missbraucht werden, Kanban-Controlling ist daher nötig. • Tools zur Kontrolle der Umlaufmengen sind aufgrund kontinuierlicher Störungen, z. B. Differenzen oder Fehlbuchungen, notwendig. • Manuelle Abstimmung mit dem Lagerverwaltungssystem ist nötig. Vorteile von physischem Kanban bzw. Nachteile von eKanban • Physische Karten sind näher am realen physischen Materialfluss als EDV. Fehler im Materialfluss und Inventurdifferenzen werden frühzeitig erkennbar. Ist das Material am falschen Ort, fehlt es oder sind die Puffer zu klein bzw. zu groß – alle diese Differenzen sind visuell in der physischen Welt einfach und sicher erkennbar. • Visueller Materialfluss ist sicherer als die „Blackbox“ EDV. Da der Materialfluss visuell und greifbar ist, werden Fehler direkt sichtbar. Eine Fehlerreduzierung ist durch ein Netz aus vielen einfachen physischen Prozessen möglich. Das multifunktionale und hoch komplexe Problemlösungsverständnis des Menschen kann hierbei wesentlich sensibler, sicherer und flexibler komplexe Störgrößen erkennen und gegensteuern. Software ist starrer und kann vielschichtige Vorgänge nicht flexibel genug beherrschen, z. B. bei Qualitätsproblemen oder Informationen, die nur mündlich kommuniziert werden. • Fehler im MRP wirken sich stärker auf den Materialfluss aus. Viele Fehler oder Störgrößen im MRP-System (z. B. Ungenauigkeiten in der Auftragsverwaltung oder der Materialbuchung) wirken sich stark auf eKanban aus (Abb. 5.12). • Bei physischen Kanban steuert der Werker – das System berät. Das IT-System bildet ein sehr einfaches Umfeld für den Werker. Der Werker steuert selbstverantwortlich und fehlerfreier als eine automatische EDV. Er nutzt Informationen zum Steuern, die der EDV unzugänglich sind. Selbst bei Ausfall der EDV kann weiter produziert werden, da die physischen Abläufe trotzdem möglich sind. Buchungen müssen jedoch später nachgeholt werden. Es entstehen aber weder Ausfallzeiten von Anlagen oder Werkern, noch kommt es zu Terminverschiebungen oder Engpässen, da der Takt gehalten werden kann. Hybride Systeme kombinieren die Vorteile aus beiden Methoden (vgl. Kap. 2.9 Hybride Steuerungskonzepte).
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Abb. 5.12 Kopplung von Kanban mit IT [Lepr 07]: Bei ca. 37 % der Unternehmen ist das KanbanSystem nicht mit IT gekoppelt. Die häufigsten Kopplungen und damit Anwendungen von eKanban sind bei der Auftragsverbuchung und der Kommissionierung festzustellen.
5.5.4 Einführung von eKanban-Steuerungen Elektronische Kanban-Steuerungen oder ähnliche Steuerungen haben deutliche Vorteile, benötigen jedoch besondere Vorrausetzungen und haben Schwachstellen. Einsparungen durch die Einführung von eKanban entstehen (wie bei Kanban und JIT) primär nicht durch den Vorteil der Steuerungsalgorithmen, sondern durch die notwendigen Umstrukturierungen. Im Vergleich zu konventionellem Kanban sind mit eKanban weniger Optimierungen der Abläufe und Layouts notwendig, da eKanban weniger Vereinfachungen und Visualisierungen „erzwingt“. Die EDV-Anbindung wird jedoch deutlich optimiert. Es werden vereinfachte und nicht redundante Buchungen bzw. Abläufe der Karten, der Behälter- und sonstiger Auftragsdaten angestrebt. Mit neuen Buchungsmöglichkeiten mittels Barcodes oder Transpondern kann der Werker einfach, schnell und sicher buchen. Da der wesentliche Fortschritt durch die Restrukturierung der physischen Prozesse entsteht, erbringt ein von „der Stange“ gekauftes Kanban-System (z. B. Standard eines MRP-Systems) oft nicht den gewünschten Erfolg bei der Umsetzung. Der Einführung von eKanban sollte daher eine fundierte Analyse und Beratung vorausgehen, um einen für die IT sinnvollen physischen Ablauf zu erzeugen. Das eKanban-System muss sich den für den Produktionsablauf optimalen Gegebenheiten unterordnen und nicht umgekehrt. Eine professionelle Umsetzung ist sehr störgrößenresistent. Entscheidende Voraussetzung ist ein einfacher, möglichst fehlerfreier Datenfluss und eine hohe Datenqualität. Die nötige Datenqualität muss durch systematische Maßnahmen zur Fehlerreduzierung innerhalb (zwangsgeführten Eingaben, Defaultwerten) und auch außerhalb (z. B. Zwangsführungen gegen fehlende Disziplin bei Buchungen oder nicht zeitnahe Buchungen) der IT erzeugt werden
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(vgl. Kap. 5.1 Reduzierung von Fehlerraten in IT-Systemen und im Materialfluss). Eine Detaillierung der Daten (z. B. durch kleinere Materialmengen, Losgrößen und Buchungsintervalle und exakter zuordenbare Vorgänge, Orte und Zeiten) erlaubt eine verbesserte Plausibilitätsprüfung der Buchungen (vgl. Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing). Andererseits erhöht sich durch die deutlich größere Datenmenge zwangsläufig die absolute Zahl fehlerhafter Daten, sofern dies nicht systematisch verhindert wird. Bei Systemeinführung kann durch mangelnde Datenanpassung im Vorfeld ein hoher nachträglicher Aufwand für Datenpflege entstehen. Welche Systemansätze lassen sich nutzen? Es existiert ein umfangreiches Angebot an eKanban Lösungen am Markt, das sich in drei Bereiche gliedern lässt: Standardlösung der großen MRP-Anbieter Diese Systeme, die für eine breite Kundenklientel entwickelt wurden, sind zum Teil unflexibel und aufwändig in Anpassung und Pflege. Es wird selten eine effiziente, passgenaue Lösung erreicht. Um dennoch eine Umsetzung zu erzielen wird in vielen Fällen versucht, die vorhandenen optimalen Abläufe an die starren Vorgaben der Standards anzupassen. Da der Einsatz von Standard-MRP-Systemen häufig unumgänglich ist, bleibt in vielen Fällen nur die Möglichkeit spezifische Oberflächen mit Lean-Know-how zu erzeugen. Standardlösungen auf anderen Plattformen Mittlerweile gibt es neben den Angeboten der großen Softwarehäuser auch andere Lösungen mit hervorragenden Ansätzen. Wertstromsoftware-Produkte und Mikro-MRP-Systeme sind hier nur zwei Beispiele. Die Arbeitsabläufe der realen Behälter und der KanbanProzesse sind hier wesentlich differenzierter abgebildet. Es sind z. B. über Transpondertechnik physische Kanban-Tafeln möglich, die pragmatisch physische Kanban-Steuerungen unterstützen. Insgesamt sind diese Lösungen in Bezug auf Kanban höher spezialisiert und daher deutlich effizienter im Einsatz. Sie integrieren ausgereifte Standardfunktionalitäten zur Datenerfassung. Lageranbindung und Buchungen sind meist deutlich flexibler als bei großen Systemen möglich. Speziallösungen – Production Synchronized Software (PSS) [DicE 04] Speziallösungen kommen dort zu Einsatz, wo Standardlösungen nicht mehr ausreichen. Vor der Entwicklung einer Spezialsoftware sollte jedoch eingehend untersucht werden, ob keine ausgereifte Standardlösung die vorhandene Aufgabenstellung erfüllt. Aufgaben, die nicht mit gängigen Systemen lösbar sind, können produktionsspezifisch optimal gelöst werden. Zu diesen Problemstellungen gehören: • Viele Produktionsstufen sollen mit Kanban abgedeckt werden. • Eine sehr hohe Kanban-Penetration ist erwünscht (z. B. über 80 %,), trotz vieler Steuerungsvarianten und Sonderfälle. • Hybrides Kanban soll systematisch umgesetzt werden. • Materialnummernneutrales Kanban mit Kapazitätsteuerung ist nötig.
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• Spezielle Anforderungen im Controlling, z. B. Bestandscontrolling für Kanban/JIT oder die Erfassung des spezifischen Wertestroms (Value stream) müssen erreicht werden. • Spezielle Dimensionierungstools (z. B. mit Simulation) sollen eingebunden werden. • Anbindungen von Maschinen und Steuerungen sind notwendig. • Eine durchgängige automatische Abbildung individueller oder unüblicher Prozessabläufe soll umgesetzt werden, z. B. elektronischer Bestellvorgang und Abwicklung von Einkaufsvorgängen durch den Werker am Montagearbeitsplatz oder im Internet. • Informationstools für Lieferanten-Kanban oder Vendor Inventory Management sollen angebunden werden. • Komfortable Systeme zur Fehlerreduzierung müssen umgesetzt werden, welche die Daten der Kanban-Steuerung, des Lagerverwaltungssystems (LVS), von Maschinen und Anlagen sowie dem MRP-System integrieren. Im Zuge der Ablösung von Altsystemen (IT) zur Jahrtausendwende wurden in vielen Unternehmen Herstellungsprozesse und indirekte Prozesse an die Abläufe der modernen Standard-IT-Lösungen angepasst. Die Optimierung von Abläufen führt zu vielen kleinen Wettbewerbsvorteilen, die letztlich in der Summe über die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens entscheiden können. Insbesondere die Methoden der schlanken Produktion ziehen ständige Anpassungen und Optimierungen nach sich, die aber auf keinen Fall von starren IT-Rahmenbedingungen behindert werden dürfen. Oft ist die individuelle Anpassung eines Standard-Systems an Lean-Prozesse so teuer, dass von einer Realisierung abgesehen wird. Die Entwicklung eines neuen Systems ist oft günstiger. Da der Umfang einer Lösung zur Kanban-Unterstützung „überschaubar“ ist, ist eine produktionssynchrone Software ein finanzierbarer Weg, eine maßgeschneiderte stabile Lösung zu erhalten. Zudem können Unternehmen damit sicherstellen, dass im Wettbewerb entscheidende Abläufe und IT-Lösungen nicht von anderen Unternehmen genutzt werden.
Aus der Praxis
5.5.5 Flexible Montagesysteme in der Medizintechnik durch effizienten Einsatz von eKanban Fabrik des Jahres 2011 „Hervorragendes Veränderungsmanagement“ Metin Begecarslan Sich stetig veränderndes Kundenverhalten und gewachsene Fertigungsstrukturen erfordern von Zeit zu Zeit eine umfassende Neubetrachtung des Fertigungssystems. Aus diesem Grund wurde in dem Projekt FLOW (Flexible Lean Organized Work) der Fokus unter anderem auf die interne Logistik gelegt. Historisch bedingt waren große Handlungsspielräume festzustellen und Interpretationen der Logistikprinzipien möglich, was eine
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Abb. 5.13 Simulation der FIFO Befüllung eines flexiblen Materialregals für einen Montagearbeitsplatz (Rückseite), vgl. 3.9.9 Praxisbeispiel Shooter
Standardisierung der Abläufe über das gesamte Werk erschwerte. Zusätzlich erhöhte sich der nicht wertschöpfende, administrative Aufwand für die Mitarbeiter in einigen Montagelinien durch manuelle Auftragssteuerung. Nach der Analysephase im Projekt wurden einige Hauptaktionsfelder identifiziert, die neben den genannten Punkten auch die Selbststeuerung der Montagelinien gewährleisten sollte (Abb. 5.13). Im folgenden Beitrag wird die spezielle Anpassung des eKanban näher erläutert. Die Einrichtung des eKanban basierte auf der Tatsache, dass die Bestandsmenge der in den Kanban-Behältern befindlichen Materialien dem System bekannt sind und eine mögliche automatisierte Lösung den Kanban-Kreislauf durch selbstständig erzeugte Fertigungsaufträge wieder befüllen könnte (Abb. 5.14).
Abb. 5.14 SAP eKanban mit der Visualisierung des Status der Kanban-Karten bzw. Behälter. Die Visualisierung erlaubt einen schnellen einfachen Überblick über den Materialfluss
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Das genutzte ERP-System SAP hat bereits einige bekannte Kanban-Funktionen, die durch ein entsprechendes Modul und Customizing den erwünschten Zielzustand erfüllen konnten. In der technischen Umsetzung überprüft das eigenprogrammierte Modul in einem Zyklus von 15 Minuten die Bestände der entsprechenden Kanban-Behälter. Wird ein definierter Meldebestand unterschritten, erzeugt das System automatisch einen Kanban-Impuls in Form eines Fertigungsauftrages. Dieser Fertigungsauftrag wird dann automatisch freigegeben und das dazu benötigte Material abgerufen. Durch die Selbststeuerung des Systems ist ein administrativer Eingriff durch den Mitarbeiter für die Erstellung, Materialanforderung und Freigabe nicht mehr erforderlich. Lediglich die Rückmeldung des Fertigungsauftrages nach der Fertigstellung muss manuell erfolgen, um die Kanban-Behälter im System zu aktualisieren. Durch diese Rückmeldung wechselt die Anzeige in der SAP-Oberfläche für den entsprechenden Behälter in den Status „voll“ (Abb. 5.14). Die Akzeptanz der Mitarbeiter für diese neue Vorgehensweise war gewährleistet, da neben dem reduzierten Steuerungsaufwand die Darstellung weiterhin in den gewohnten SAP/GUI-Dialogen erfolgen kann (Abb. 5.15). In diesem Zusammenhang wurde als weitere Verbesserung die Reduzierung der Begleitdokumente angestrebt. Hierfür wurde jeder Arbeitsplatz mit einem Thin-Client-Rechner ausgestattet (Abb. 5.16), um alle erforderlichen Dokumente wie Stücklisten, Zeichnungen und Arbeitspläne elektronisch anzuzeigen. Dem Mitarbeiter stehen nun mit der Auftragsnummer alle aktuellen Dokumente zur Verfügung, die in die jeweiligen Fertigungsaufträge in Form von Fertigungshilfsmitteln integriert wurden (Abb. 5.15).
Abb. 5.15 Volle SAP-Integration hat den Vorteil, dass von der eKanban-Tafel direkt in die Auftragssteuerung gesprungen werden kann. Entscheidend ist hier die systematische Einbindung der Mitarbeiter in den Steuerungsprozess und klare Spielregeln
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Abb. 5.16 Integration des eKanban über Bildschirme in die Arbeitsplatzgestaltung
Nach der erfolgreichen Umsetzung in den Pilotlinien wird dieses Konzept über den ganzen Standort ausgerollt, um dem Ziel einer „selbststeuernden Fertigung“ einen Schritt näher zu kommen. Intention dieser und ähnlicher Aktivitäten ist es, intelligente Prozesse zu schaffen, um auf ungeplante Einflüsse – intern oder extern – flexibel reagieren zu können. Diese maximale Flexibilität kann nur durch stark standardisierte Prozesse erreicht werden, mit denen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar definiert werden.
Aus der Praxis
5.5.6 RFID-Kanban-Board oder eKanban-Board Philipp Dickmann Bei dieser Lösung befindet sich auf der Rückseite der Kanban-Karten ein RFID-Transponder. Die Kanban-Tafel, die Sammelbox für Leergut oder der Kanban-Briefkasten ist mit einem Empfänger für RFID verbunden und kann RFID-Signale an eine zentrale Software weiterleiten [Jürg 11]. Die Lösung zeichnet sich im Vergleich durch sehr geringe Kosten für Equipment aus und ist sehr zuverlässig (Abb. 5.17, 5.18 und 5.19).
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Abb. 5.17 RFID-Kanban-Karte und RFID-Kanban-Tafeln: Mit dem RFID-Board „Ready“ wird durch das Einstecken der Karten in die RFID-Kanban-Tafel ein Nachschubauftrag ausgelöst. (Quelle: ORYX Technologies GmbH, [Jürg 11])
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Abb. 5.18 RFID-Box oder RFID-Briefkasten: Bei beiden Systemen „Ready“ wird durch das Einwerfen des leeren RFID-Kanban-Behälters oder RFID-Karte ein Nachschub ausgelöst. Dieses System wird mittlerweile von den großen C-Teileanbietern als Standard angeboten (vgl. Kap. 4.4 Die Erweiterung des C-Teile-Managements). (Quelle: ORYX Technologies GmbH, [Jürg 11])
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Abb. 5.19 RFID-Kleinteileregale: Bei diesem Ablauf des „Ready“ Systems wird über das Herausnehmen des RFID-Behälters aus dem Regal eine Bestellung ausgelöst. (Quelle: ORYX Technologies GmbH, [Jürg 11])
5.6 Simulationsbasierte Optimierung der operativen Produktionsplanung und Lagerhaltung in heterogenen Produktionssystemen Thomas Rücker, Herfried M. Schneider Einen möglichen Ansatz zur Modellierung und Integration unterschiedlicher Materialflusssteuerungsverfahren stellt das Production-Authorization-Card (PAC) Konzept von Buzacott und Shanthikumar dar. Das PAC-Konzept [Buza 92, Buza 93, Rück 06, Rück 04, Schn 05, Schn 03] ist das leistungsfähigste aller generalisierten Verfahren zur Materialflusssteuerung, da es imstande ist, sowohl einen Mengenpuffer als auch einen Zeitpuffer abzubilden. Damit ermöglicht es die Darstellung der meisten konventionellen Verfahren zur Materialflusssteuerung anhand weniger Parameter. Unter Zugrundelegung des PACKonzepts wurde ein effizienter Optimierungsalgorithmus entwickelt, der eine ganzheitliche Optimierung der Produktionsplanungs- und Lagerhaltungsparameter eines heterogenen Produktionssystems unter Verwendung des PAC-Konzepts ermöglicht. Zur simulationsbasierten Modellierung, Analyse und Optimierung der PAC-Parametereinstellungen von einfachen sowie komplexen Produktionssystemen wurde in der Simulationsumgebung MLDesigner® [Rück 06, Schn 05] eine Bibliothek entwickelt. Die vorgefertigten Module dieser Bibliothek erlauben es, mit sehr geringem Zeitaufwand innerhalb der grafischen Benutzeroberfläche das Modell eines PAC-gesteuerten Produktionssystems aufzubauen und zu optimieren. Die Struktur des Simulationsmodells wird dabei festgelegt, indem die verschiedenen Module der Bibliothek per „Drag and Drop“ zusammengestellt und entsprechend der Produkt- und Prozessstruktur des abzubildenden Produktionssystems durch Relationen miteinander verbunden werden. Zur Optimierung von PACgesteuerten Produktionssystemen wurde eine Heuristik entwickelt [Rück 04]. Diese ist
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Abb. 5.20 Prinzipskizze des betrachteten Produktionssystems
imstande, ausgehend von einem einfach zu ermittelnden Startwert, innerhalb von wenigen Optimierungsschritten eine optimale bzw. nahezu optimale Steuerungspolitik aufzufinden und unter weiterer Verwendung dieser zusätzliche optimale bzw. nahezu optimale Steuerungspolitiken zu ermitteln. Dieses Verfahren lässt sich als Weiterentwicklung einer Hillclimbing-Suche charakterisieren. Die Hillclimbing-Suche ist ein lokaler Suchalgorithmus, der den Suchraum nicht systematisch erkundet, sondern von einer aktuellen Parameterkombination auf diejenige der benachbarten Parameterkombinationen übergeht, die den größten Zuwachs der Zielfunktion verspricht. Sie ähnelt damit dem Gradientenverfahren. Weiterhin kann das Optimierungsverfahren zur Optimierung aller konventionellen, mit PAC darstellbaren Steuerungspolitiken (z. B. Kanban, MRP, Conwip) eingesetzt werden. Sie zeichnet sich durch eine hohe Lösungsqualität, eine hohe Lösungswahrscheinlichkeit sowie einen geringen Ressourcenbedarf aus (Abb. 5.20). Das Bestandssenkungspotenzial des PAC-Konzepts in Verbindung mit der Heuristik wurde anhand des Modells eines realen Produktionssystems nachgewiesen [Rück 04]. Bei diesem handelt es sich um drei hintereinander angeordnete, durch Puffer entkoppelte Bearbeitungslinien. Darin werden mit elektrischen und elektronischen Bauteilen (Widerstände, Kondensatoren, ICs etc.) bestückte Platinen in vier verschiedenen Varianten hergestellt. Der Produktion liegt folgender linearer Fertigungsprozess zugrunde: • Zelle 2: Automatisierte Bestückung der Vorderseite einer Komplexplatine mittels Industrierobotern, Aufbringen der Lötpaste und Verlöten der Bauteile mit der Komplexplatine; • Zelle 1: Automatisierte Bestückung der Rückseite einer Komplexplatine mittels Industrierobotern, Aufbringen der Lötpaste und Verlöten der Bauteile mit der Komplexplatine; • Zelle 0: Handbestückung der Komplexplatine mit größeren Bauteilen, Vereinzelung der Komplexplatine in mehrere Einzelplatinen.
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Bei den elektrischen und elektronischen Bauteilen sowie bei den unbestückten Komplexplatinen handelt es sich um Zukaufteile, von denen angenommen werden kann, dass sie stets in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Die Bearbeitungsprozesse innerhalb der Zellen 0, 1 und 2 gliedern sich in mehrere Teilprozesse, von denen jeweils einer den Engpass beschreibt, welcher den Durchsatz durch die Zelle sowie die Wartezeit der Platinen vor der Bearbeitung in der Zelle determiniert. Ein Vergleich, der unter Zugrundelegung der im Optimierungsverfahren gewonnenen PAC-Parameterkombinationen mit den im laufenden Betrieb des Systems eingestellten Steuerungsverfahren (Base Stock mit einer ausschließlichen, geplanten Bevorratung auf der kundenseitigen Produktionsstufe) liefert folgende Ergebnisse: • Steuerungspolitik 1: Bei einer leichten Verringerung der durchschnittlichen Anzahl der nicht unverzüglich gelieferten Produkte B(0) um 11,04 % kann eine Verringerung der mittleren Bestandskosten E(2) um 32,03 % erzielt werden. • Steuerungspolitik 2: Bei einer leichten Verringerung der Bestandskosten E(2) um 1,10 % kann eine Verringerung durchschnittlichen Anzahl der nicht unverzüglich gelieferten Produkte B(0) um 92,44 % erzielt werden (Abb. 5.21). Das volle Nutzenpotenzial des PAC-Konzepts lässt sich, da eine „händische“ Realisierung im Rahmen der dezentralen Materialflusssteuerung und Produktionsvollzugsplanung aufgrund der Vielzahl an Kartentypen zu aufwändig ist, nur durch eine EDV-gestützte Implementierung ausschöpfen. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, nicht durch die Restriktionen der konventionellen Steuerungsverfahren (MRP, Kanban, Base Stock u. a.)
Abb. 5.21 Vergleich der eingesetzten konventionellen Steuerungspolitik mit den optimalen PAC-Steuerungspolitiken
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beschränkt zu sein, wodurch es möglich ist, die gesamte Bandbreite der Parametrisierungsmöglichkeiten des PAC-Konzepts auszunutzen und somit eine optimale Steuerungspolitik zu ermitteln.
5.7 Kanban Dimensionierungs-Systeme (KDS) Philipp Dickmann, Eva Dickmann Kanban ist ein sehr einfaches und überschaubares Konzept der Steuerung. Sein wesentlicher Vorteil liegt in den dezentralen Strukturen, die von den operativen Mitarbeitern selbst gesteuert werden können. Voraussetzung ist ein strukturierter und Schlanker Materialfluss mit wenigen Zwischenpuffern, der klare Kunden- und Lieferantenbeziehungen erkennen lässt. Hauptziele um einen effizienten Materialfluss zu erreichen sind: Just-in-time-ähnliche Logistikabläufe, wenig verzweigte Produktionsabläufe oder Materialströme und kurze Durchlaufzeiten. Am besten geeignet für Kanban sind Bereiche in denen der Lieferant nur sehr wenige Kunden zu versorgen hat, da hier die einfache Kapazitätsabstimmung visuell übernommen werden kann. Bei Systemen mit einer großen Anzahl an Produkten oder Kunden über eine Zelle, einem Netz aus verschiedenen Ebenen oder bei permanenten Veränderungen und Schwankungen, ist eine optimale manuelle Dimensionierung nur eingeschränkt handhabbar. Neben den gängigen statischen Methoden der Dimensionierung existieren ergänzende, neuere Ansätze. Hybride Steuerungsinformationen können zur Dimensionierung verwendet werden. Beispiele sind: MRP, Produktionsplan, Historienentwicklung, Kapazitätsbelastung oder Lagergradentwicklung. Die Dimensionierung kann in einem iterativen Prozess kontinuierlich verbessert werden. Durch IT-Unterstützung kann eine kontinuierliche Auswahl der optimalen Steuerungsmethode, mit dem Ziel der besten Steuerung der Materialien, erreicht werden. Eine optimale Dimensionierung liegt nur dann vor, wenn sie kontinuierlich und dynamisch auf der Zeitachse verifiziert wird. Um komplexe Steuerungs- und Materialflussproblemstellungen lösen zu können, sind auch Simulationsmodelle zur Dimensionierung sinnvoll.
5.7.1 Komplexität der Dimensionierung Mit der steigenden Zahl der Kunden nehmen die Transparenz und damit die Akzeptanz der Kanban-Tafel oder des Hajunka-Boards sehr stark ab. Dieser Zusammenhang gilt grundsätzlich analog beim elektronischen Kanban. Zur manuellen Dimensionierung ist auf der einen Seite eine durchgängige Steuerung von Kundenbedarfen mit Kanban oder mit Kanban-ähnlichen Methoden sinnvoll (hohe Kanban-Penetration). Ungünstige Kumulationen und der Peitscheneffekt (vgl. Kap. 2.1 Ruhiger, kontinuierlicher Materialfluss; Kap. 2.2 Wertschöpfungsanalyse des Materialflusses) können dadurch vermieden werden. Auf der anderen Seite reduziert eine durchgängige Steuerung mit vielen Baugruppen auf mehreren Produktionsebenen die Transparenz und ist für den operativen Mitarbeiter
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Abb. 5.22 Komplexität der Dimensionierung: Über N-Produktionsstufen (von den Lieferanten bis zu den Kunden) nimmt die Komplexität der Kanban-Dimensionierung zu [Dick 02].
zu komplex. Ursachen und Wirkungen können kaum mehr zugeordnet werden. Dies gilt im Besonderen für Lieferantenanbindungen über eine oder mehrere Ebenen. Auch starke Schwankungen, kurze Produktlebenszyklen oder Einflüsse von Ein- und Auslaufsteuerungen sind ebenfalls ungünstige Rahmenbedingungen für Kanban (Abb. 5.22). Zudem wird Kanban heute nicht nur mehr ausschließlich in eingeschränkten, optimalen Einsatzgebieten verwendet. Alle diese Faktoren erschweren grundsätzlich die Steuerung und Dimensionierung, vor allem aber die manuelle Handhabbarkeit. Basierend auf diesen in der Realität ungünstigen Rahmenbedingungen wurden EDVLösungen mit komplexen Steuerungsalgorithmen entwickelt. Allerdings werden dabei schlechte Abläufe und Verschwendung als unbeeinflussbare Rahmenbedingung dogmatisiert. Daher wird nicht selten versucht, mittels Hightech-IT-Lösungen Symptome zu „heilen“. Bei mangelhafter Zielerreichung wird in der Folge fälschlich die Software als Verursacher der Probleme angesehen. Grundsätzlich ist eine umfassende, offene Restrukturierung der komplexen Abläufe ein unverzichtbarer Projektschritt der sich nicht durch IT ersetzen lässt. Erst danach können optimale Steuerungsmethoden und Dimensionierungsalgorithmen aufgesetzt werden (vgl. Kap. 1.6 Flexible Produktion; Kap. 1.7 Das Synchrone Produktionssystem). Nach einer fundierten Einführung kann mit modernem Kanban oder Kanban-ähnlichen Steuerungen, auch unter untypischen Rahmenbedingungen, eine extreme Verbesserung erreicht werden. Fast immer tritt Kanban dabei als eine der tragenden Säulen in einem matrixhybriden Steuerungskonzept auf (vgl. Kap. 2.10 Matrixhybride Materialflusssteuerung). Die Frage der Dimensionierung umfasst aber nicht nur das Optimum, sondern auch die Abgrenzung: „Wann wird welches Material optimal mit welcher Methode gesteuert?“
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5.7.2 Statische Dimensionierung – Standardlösungen Als Ergänzung zum eKanban bieten Systemhäuser Standardlösungen zur Unterstützung der Kanban-Dimensionierung an, die auf statischen Algorithmen bzw. Berechnung basieren. In Ausnahmefällen werden Störgrößen, Sicherheiten in Zeit oder Bestand, Verbrauchs-, Losgrößen- und Durchlaufzeitschwankungen differenziert berücksichtigt (vgl. Kap. 2.5 Dimensionierung von Kanban-Regelkreisen). In der Praxis wird vielfach schlicht aufgrund von Erfahrungen, Standardwerten, Analogien, einfachen Faustformeln sowie Tests mit kontinuierlicher Verbesserung dimensioniert.
5.7.3 Dimensionierung mittels hybrider Steuerungsinformationen Für die operativen Steuerungsentscheidungen bei Auftragsstart und -freigabe werden in matrixhybriden Steuerungen (vgl. Kap. 2.10 Matrixhybride Materialflusssteuerung) ergänzende Informationen herangezogen. Analog werden in der Praxis zur Dimensionierung der Kapazitäten und des Materialflusses ebenfalls ergänzende Informationsquellen berücksichtigt. Um eine Kanban-basierte Steuerung mit höchster Lieferfähigkeit bei minimalen Puffern zu erreichen, können folgende ergänzende Informationen in einem Dimensionierungssystem eingebunden werden: • MRP: Die Plandaten aus MRP-Systemen weichen in der Regel vom realen Verbrauch ab, da sie auf Prognosen basieren. Bei Kanban-Anwendungen können Bedarfsprognosen aus dem MRP-System dennoch, als eventbezogene Kennzahl, zur hybriden statischen oder dynamischen Berechnung verwendet werden. • Produktionsplan: In der Realität weicht die Produktionsplanung grundsätzlich vom MRP-System oder von der Vertriebsplanung ab. Sie orientiert sich unter anderem an Produktionskapazitäten, den physischen Bedürfnissen des Materialflusses und den kalendarischen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zu anderen Dimensionierungsinformationen sollte die Produktionsplanung bezogen auf Arbeitsplätze oder Kanban-Kreise angewandt werden. • Historienentwicklung: Die Hochrechnung des tatsächlichen Verbrauchs stellt eine hochwertige ergänzende Informationsquelle dar. • Lagergradentwicklung [Dick 02c]: Der Lagergrad ist die Reichweite des Bestands in Relation zur Wiederbeschaffungszeit oder zur Durchlaufzeit. Über- oder Unterschreitungen des Lagergrads kennzeichnen nicht nur relevante Informationen für das Bestandscontrolling, sondern weisen auch auf falsch eingeschätzte Störgrößen und falsche Dimensionierung hin.
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5.7.4 Iterative Prozessoptimierung Die Analyse der Prognosegüte zeigt die Abweichungen von Prognose zu realem Verbrauch auf. Sie ermöglicht einen Lerneffekt zur Verbesserung zukünftiger Prognosen. Dieses Vorgehen ist auch auf der Ebene anderer Kennzahlen sinnvoll, die zur Kanban-Dimensionierung herangezogen werden, beispielsweise für: Durchlaufzeit, Losgröße, Lagerbestand, Auftragsbestand oder Lagergrad [DicE 04]. Kontinuierliche, punktuelle oder schwankende Abweichungen erlauben im Kontext Rückschlüsse, inwieweit eine Reduzierung von Sicherheitsbeständen sinnvoll oder möglich ist. Durch kritische Analysen wächst das Wissen um die Zusammenhänge. Die resultierenden Maßnahmen führen zur kontinuierlichen Verbesserung der Abläufe. Bei Steigerung der Sicherheit des Materialflusses können die Pufferbestände in einem iterativen Prozess reduziert werden. Mit zunehmender Anwendungsdauer dieses Ansatzes steigert sich die Stabilität der Lieferfähigkeit, auch bei extremen Schwankungen oder Störungen. Durch die schlanker werdende Dimensionierung wird es möglich, Kanban auch konkurrenzfähig in untypischen Bereichen einzusetzen, etwa bei höherer Dynamik der Veränderung und bei weniger kontinuierlichem Charakter der Bedarfsentwicklung. In der Praxis überwiegen die Vorteile der iterativen Prozessoptimierung (vgl. Kap. 2.16 Valuecycle Optimizing), etwa wachsende Stabilität und geringere Kapitalbindung, bei weitem die Vorteile einer „ausgefeilten“ Steuerung. Dimensionierungssysteme sollten daher alle individuell nötigen Informationen und Dokumentationsmöglichkeiten für eine umfassende iterative Prozessoptimierung bieten.
5.7.5 Dynamische Auswahl der Steuerungsmethode – am Beispiel MRP und Kanban Bei einer heterogenen Materialflussstruktur (vgl. Kap. 2.11 Heterogene Materialflusssysteme) werden verschiedene Steuerungsverfahren, entsprechend ihrer speziellen Eigenschaften, in den unterschiedlichen Bereichen eingesetzt. Folglich ist die Frage, die es zu klären gilt: Welches Verfahren ist in welchem Anwendungsfall sinnvoll und wodurch kann diese Abgrenzung erreicht werden? Typischerweise wird Kanban eingesetzt, solange keine starken Schwankungen der Verbräuche auftreten. Im Grenzfall ist Kanban aus Steuerungssicht nicht mehr ideal, wenn ein anderes Verfahren mit geringerer durchschnittlicher Lagerreichweite das gleiche Ergebnis (eine gleiche oder höhere Liefertreue) erzielen kann. Zur Abgrenzung gegenüber plandatenbasierten Verfahren kann die Kennzahl des Lagergrads sinnvoll verwendet werden. Bei einem Lagergrad größer als eins liegen die einzelnen Bedarfstermine außerhalb der Wiederbeschaffungszeit oder der Durchlaufzeit. Planbasierte Verfahren erreichen, mit einem im Mittel geringeren Lagerbestand, gleiche Liefertreue. Um volle Lieferfähigkeit zu erreichen, ist rechnerisch kein kontinuierlicher Bestand, wie bei bestandsbasierten Verfahren (z. B. Kanban) notwendig (Abb. 5.23).
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Abb. 5.23 Theoretische Entwicklung der Bestandskurve (im Fall Lagergrad = 2): Vergleich Kanban und MRP
Bei der realen Analyse des erreichten Lagergrades von Materialien, die mit bedarfsorientierten Verfahren gesteuert werden wird an der Grenze vom punktuellen Verbrauch zum Seriencharakter selten ein Lagergrad von kleiner oder gleich zwei erreicht (Abb. 5.24). Störgrößen und Bedarfsverschiebungen führen bei dieser Steuerung zur Erhöhung der Be-
Abb. 5.24 Dynamische Auswahl der Steuerungsmethode mit Lagergrad und Bedarfscharakteristik
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darfe oder zur Lieferunfähigkeit. Drohende Lieferunfähigkeit wird durch Bestandsaufbau vermieden. Um Störungen ohne gravierende Einbrüche der Lieferfähigkeit zu überstehen, ist in der betrieblichen Praxis ein Lagergrad um 2,5 bis 3 häufig notwendig. Der Lagergrad kann als entscheidende Kennzahl zur Abgrenzung zwischen MRP und Kanban angewandt werden, es müssen aber zusätzlich die Bedarfscharakteristik, Durchlaufzeit, Losgröße, Kapitalbindung oder die notwendige Sicherheit je Materialnummer berücksichtigt werden. Eine statische oder dynamische Ermittlung der Kanban-Eignung kann dadurch auch eingeschränkt automatisiert erfolgen. Bei einer dynamischen Steuerungsentscheidung wird auf der Zeitleiste bestimmt, ab wann ein Material sinnvoller mit der einen oder der anderen Methode zu steuern ist. Ähnliche Abgrenzungen sind gegenüber dem C-Teile-Management und/oder kapazitätsbasierten Konzepten möglich. Automatisierte Lösungen vereinfachen die Selektionskriterien und vernachlässigen damit wesentliche Potenziale zur Verbesserung der Steuerung, etwa die Fragen: Warum benötigt ein Material sehr hohe Sicherheitsbestände? Sind diese gerechtfertigt? Sind Lagerreichweiten aufgrund hoher Wiederbeschaffungszeiten notwendig oder reduzierbar? Die IT-Unterstützung der manuellen Auswahl der Steuerungsmethode ist jedoch ein wesentlicher Baustein, der von einer Dimensionierungssoftware geleistet werden sollte.
5.7.6 Dynamische Dimensionierung entlang der Zeitachse Gängige Kanban-Dimensionierung geht von der Voraussetzung aus, dass sich der Verbrauch, der innerhalb des Kanban-Kreises eigendynamisch gepuffert wird, nur innerhalb einer geringen Schwankungsbreite verändert. Die statische Dimensionierung wird aus einer Momentaufnahme oder einer, in der Regel zufälligen, Zeitspanne errechnet (Abb. 5.25). Der Kanban-Kreis ist jedoch kontinuierlich Schwankungen des Verbrauchs und Störgrößen ausgesetzt. Eine statische Dimensionierung kann nur zum aktuellen Betrachtungszeitpunkt als optimal angesehen werden. Basiert sie auf einem Zeitraum, wäre sie nur dann ideal, wenn der Einfluss von Schwankungen und Störungen während der gesamten Zeitspanne konstant ist. Da dieser Fall in der Realität jedoch auszuschließen ist, muss eine statische Dimensionierung zum Idealfall abweichende Puffer aufweisen. Eine theoretisch optimale Dimensionierung auf der Zeitachse setzt sich aus unendlich vielen, kontinuierlich neu errechneten Dimensionierungen zusammen [Dick 02]. Das betrachtete Zeitintervall sollte dabei gegen Null gehen.
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Stückzahl bzw. Anzahl Karten
P. Dickmann et al.
Zeitachse, z.B. 12 Monatsfenster
Konstante Dimensionierung Dynamische Dimensionierung Bedarfsentwicklung
Optimierungspotential, im Vergleich zu konstanter Dimensionierung
Abb. 5.25 Beispiel einer dynamischen, angepassten Dimensionierung von Kanban auf der Zeitachse mit Prinzipdarstellung des Einsparungspotenzials
Physischer Materialfluss bildet die physischen Bewegungen von Material, Bewegungen, Behältern und Informationen ab. Materialfluss besitzt eine Trägheit, eine Eigenschaft, die sehr plakativ mit der Massenträgheit vergleichbar ist. Realistische Veränderungen können nur unter Berücksichtigung einer real sinnvollen Trägheit abgebildet oder gepuffert werden. Mit Einweg-Kanban-Karten (vgl. Kap. 3.2 Kanban-Karten) kann bei jedem Auftragsstart die Anzahl der Karten mit einer neuen Dimensionierung festgelegt werden. Die Dimensionierung und damit die Kartenzahl hat vielfältige Querindikationen, die bei jeder Änderung Risiken im physischen Ablauf entstehen lassen, z. B. fehlerhafte Veränderung des Umlaufbestands, der Durchlaufzeit, der räumlichen Anordnung oder der Bestände. Bei sehr dynamischen Lösungen ist eine ausgereifte statistische und physische Methodik notwendig, die eine höhere Fehlerrate kompensieren muss. Durch die hohe Dynamik wird gleichzeitig eine hohe operative Automation notwendig. Die Vorteile der einfachen visuellen Abläufe und der dezentralen Kompetenz von Kanban gehen verloren. Der Wegfall dieser Eigenschaften führt wiederum zu Störungen. Mit zunehmender Kürze des Änderungsintervalls nähert sich die Kanban-Steuerung dann dem Charakter einer MRP-Steuerung an. Die Stabilität trotz realer Störungen, z. B. aufgrund kurzfristiger Bedarfsverschiebungen, nimmt ab. Es existiert ein Break-even-point, ab dem die tatsächlichen Nachteile durch Fehler und Aufwand in Relation größer sind als die Vorteile durch die exakte Steuerung. Eine durch IT unterstützte, dynamische Abbildung zur manuellen Dimensionierungsentscheidung ist auch unter praktischen Bedingungen lohnenswert, das Zeitintervall sollte jedoch auf keinen Fall zu kurz gewählt werden.
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5.7.7 Simulationsbasierte Kanban-Dimensionierung Um große Datenmengen und komplexe Problemstellungen sowohl in der Produktion als auch in Entwicklungsumgebungen iterativ zu optimieren, sind Simulationsmodelle sinnvoll. Die bisher vorgestellten Methoden zur Dimensionierung sind in der Summe hoch komplex und auf der Zeitachse sehr dynamisch. Simulative Modelle zur iterativen Ermittlung der optimalen Dimensionierung, unter Berücksichtigung aller verschiedenen Ansätze auf der Zeitachse, bieten die Möglichkeit, alle Daten, trotz ihrer Komplexität zu integrieren. Auch die Auswahl der Steuerungsmethode kann in den Simulationsprozess integriert bzw. mittels Simulation ermittelt werden (vgl. Kap. 5.6 Simulationsbasierte Optimierung). Simulationsmodelle können eine hohe Zahl von Einflussparametern verarbeiten. Bei steigender Komplexität des Modells, Zahl der Annahmen bzw. Abschätzungen und Fehlerbehaftung der Einzelwerte nimmt die Aussagegenauigkeit allerdings gravierend ab. Die Parameter und die Komplexitätstiefe sind daher bei der Konfiguration der Modelle mit Bedacht zu wählen. Zudem hat es sich als sinnvoll erwiesen, Simulationsmodelle als Entwicklungsumgebung zu verwenden. Die aus der Simulation gewonnen Erkenntnisse sollten dann in statische IT-Produkte umgesetzt werden (Abb. 5.26, 5.27).
Abb. 5.26 Reales Beispiel einer dynamischen Dimensionierung [Dick 02c].
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Abb. 5.27 Beispiel der Funktion einer dynamischen Kanban-Dimensionierungssoftware [Dick 02, Dick 02b]
5.8 Mikro-MRP-Systeme Jörg-Dieter Ehlers Die Wandlung von einer rein funktionsorientierten Verrichtungsmethodik zu einer dem wirtschaftlichen Optimum entsprechenden Fließfertigung beginnt stets mit der Gestaltung eines am Pull-Prinzip-orientierten Wertstroms (Abb. 5.28). Erfolgreiche Veränderungsprozesse werden in aller Regel in Teilschritten realisiert, da sich die Veränderungen sowohl auf die Prozessstruktur als auch auf die gesamte Auftragsabwicklung auswirken. Gemeinhin werden jedoch nur die Wertschöpfungsprozesse verändert nicht aber die Dispositionsverfahren und die Art der Auftragsabwicklung. Um den Veränderungsprozess kompromisslos und vollständig (d. h. mit allen Elementen siehe Tab. 5.3) vollziehen zu können, stehen neue Standard-Miniatur-Software-Tools (Micro-MRP-Systeme) zur Verfügung. Sie beinhalten die MRP-Funktionen (Manufacturing Resource Planning), sind jedoch ausschließlich auf das Pull-Prinzip ausgerichtet. Und: Sie ermöglichen die komplette Steuerung über die gesamte Wertschöpfungskette nach der Kanban-Methodik. Da sie sich mit den konventionellen ERP-Systemen verbinden lassen, wird der Umstellungsprozess problemlos bewältigt. Derartige Systeme sind innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit, sodass der Umstellungsprozess ohne Zeitverzögerung stattfinden kann. Außerdem bedarf es
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Abb. 5.28 Beispiel eines Wertstroms als durchgängiges Pull-Prinzip
dabei keiner IT-Spezialisten, da diese Systeme in aller Regel auf der Microsoft©-OfficeBasis aufgebaut sind, das in den meisten Unternehmen vorhanden ist. Oft behindern vorhandene ERP-Systeme den Umstellungsprozess. Man versucht mit diesen Systemen den Wertstrom abzubilden, damit der Einsatz eines Subsystems verhindert werden kann. Dabei wird jedoch nicht beachtet, dass diese Funktionsähnlichkeiten absolut keine Übereinstimmung mit den Zielen des Lean Production aufweisen. Das Ergebnis ist: Der konzipierte Wertstrom wird aufgrund eingegangener Kompromisse nicht realisiert und der erwartete wirtschaftliche Nutzen stellt sich nicht ein. Eine weitere Anforderung an Micro-MRP-Systeme ist die Skalierbarkeit. D. h. sie muss in der Lage sein, sich der Unternehmensentwicklung so anzupassen, dass eine Erweiterung mit derselben Software möglich ist. Nur so ist eine Kontinuität des Veränderungsprozesses gewährleistet. Die Vorteile eines derartigen Einsatzes liegen auf der Hand: Neben der Prozess-Umstellung wird der wirtschaftliche Nutzen schon während Reorganisation nachweisbar. Folgendes Beispiel soll diese These verdeutlichen: In aller Regel kann man bei dem Einsatz eines derartigen Tools von einer Halbierung der Materialbestände ausgehen. Wenn nun beispielsweise der Materialbestand von 2.500.000 € um 50 % gesenkt wird, dann werden 1.250.000 € an gebundenem Kapital freigesetzt. Bei einem Lagerkostensatz von 20 % lassen sich so jährlich rund 250.000 € einsparen. Wenn man darüber hinaus die Prozessstruktur auf One-Piece-Flow ändert und dabei die entsprechenden Unterstützungsfunktionen der Software nutzt, lassen sich Produktivitätsvorteile von bis zu 33 % erreichen (Abb. 5.29). Der Aufwand für die Installation eines derartigen Systems ist im Verhältnis zu seinem Nutzen minimal. In aller Regel wird ein Return-on-investment (ROI) in weniger als einem halben Jahr erreicht. Eben dieses Kosten-Nutzen-Verhältnis macht den Einsatz eines derartigen Mikro-MRP-Systems als Subsystem zu einem bestehenden ERP-System sinnvoll und äußerst attraktiv (Tab. 5.3).
Fälligkeitsanalyse
Plantafel
Registrierung
Sonderaufträge
Kanban-Management
Kanban-Karte
Liniendimension Rüstbudget EPEI IPK Heijunka Gestaltung und Druck
Zeitberechnung
Dynamische Anpassung Supermarktdimension Versorgungszyklus Losgröße
ABC-/XYZ-Analyse XYZ-Klassifizierung Kanban-Mengen
Datenanalyse
Mengenberechnung
Baustein
Funktion Kanban-Potenzial darstellen Anpassen der Kanban-Mengen an die Absatzschwankungen Berechnung der Anzahl der im Regelkreis benötigten Kanban-Karten aufgrund unterschiedlicher Regelkreisbedingungen (pro Artikel) Roulierende Berechnung mit gezielter Information, bei welchen Artikeln die bestehenden KanbanMengen anzupassen sind Dimensionierungsvorschläge der Supermärkte innerhalb der Regelkreise Berechnung des Rhythmus, in dem die Verbräuche aufzufüllen sind Ermittlung der Losgrößen (oder Abrufmengen) nach unterschiedlichen Kriterien (DLZ, Takt, EPEI, Mindestmengen etc. – u. a. auch auf Grundlage des zur Verfügung stehenden Rüstbudgets) Dimensionierung der in einem Regelkreis einzusetzenden Ressourcen (Betriebsmittel, Mitarbeiter) Ermittlung der im Zeithorizont zur Verfügung stehenden Rüstzeit Berechnung des Intervalls, in dem Standardprodukte gefertigt werden Anzahl der physisch bereitzustellenden Kanban-Plätze innerhalb des Regelkreises Berechnungsvorschlag zwecks Gestaltung einer manuellen Sequenzplanung ( Heijunka-Board) Gestaltung der Kanban-Formate (Standard und Sonderformat) sowie deren Druck zur Einmal- und/ oder Mehrfachverwendung Erfassen bzw. Übernehmen (aus ERP-System) und Nivellieren großer Bedarfsmengen, einzelner Aufträge sowie Erstellen von Einmal-Kanban-Karten dafür Erfassen der Kanban-Zustände (VOLL, LEER, ggf. auch die Chargen-Nummer, etc.) via unterschiedlicher Inputmedien (Tastatur, Barcode-Scanner, RFID-Terminal) Darstellung des Kanban-Status nach diversen Anforderungen wie FIFO, Wait&Work, Ampel, Kundentakt, etc. incl. Frühwarnung Analyse der Kanban-Stati in Bezug auf ihre Fälligkeit (insbesondere bei Anbindung externer Lieferanten)
Ziel
Tab. 5.3 Checkliste: Standardfunktionen eines Mikro-MRP-Systems. (Quelle: Softwaresystem SIGNAL, Leonardo Group GmbH)
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Datenmanagement
Kennzahlen
Datenaustausch Lagerumschlag Simulation
Speicherung der Kanban-Bewegungen zur Analyse bei Kartenverlust Belastungsübersicht über den aktuellen Kapazitätsbedarf auf der Basis der leeren Kanban-Karten Übernahme von Kanbans (oder der Kanban-Daten) aufgrund einer bestehenden Lieferverkettung mit Kunden sowie Übermittlung von Kanbans (bzw. der Kanban-Daten) an Lieferanten Online-Datenaustausch mit übergeordnetem ERP-System Umschlagsanalyse der Artikel, detailliert sowie aggregiert nach diversen Klassifizierungen Was-wäre-wenn-Funktion, d. h. Prüfung der Stellgrößen außerhalb der Systemeinstellung in Bezug auf die ITO-Auswirkung Verschiedene individuelle Kennzahlen, wie z. B. Produktivität, Liefertreue, Servicegrad
Journal Kapazitätsbelastung Datentransfer
Controlling
Ziel
Baustein
Funktion
Tab. 5.3 (Fortsetzung)
5 EDV-Unterstützung in der Produktion und im Materialfluss 577
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Abb. 5.29 Beispiel eines Wertstroms als durchgängiges Pull-Prinzip
5.9 Schlanke Software steuert Geschäftsprozesse und Materialflüsse im Mittelstand Joachim Berlak Die deutsche Wirtschaft wird vor allem durch rund 3,3 Mio. kleine und mittlere Unternehmen (KMU) geprägt, die heute 99,7 % aller Unternehmen in Deutschland darstellen, 70,2 % der Arbeitsplätze anbieten und 81,6 % aller Lehrlinge ausbilden [BfWA 03]. Unternehmen werden dem Typus KMU zugeordnet, wenn Sie u. a. weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen und bis 40 Mio. € Umsatz erwirtschaften [IfM 03]. Industrielle KMUs müssen heute viele Herausforderungen meistern: • Sie leiden in der Regel unter Ressourcenknappheit, insbesondere in Bezug auf Personal und finanzielle Mittel [Haus 00]. • Sie nehmen vornehmlich die Rolle des Lieferanten in nationalen als auch globalen Wertschöpfungsnetzwerken ein und müssen hier den entsprechenden Turbulenzen widerstehen [Bach 03]. • Sie wandeln sich vom handwerklich geprägten Betrieb zum Industrieunternehmen [Schw 05]. Vor diesem Hintergrund stehen KMUs oftmals mehr als Großbetriebe vor einer existenziellen Notwendigkeit, Geschäfts- und Produktionsprozesse sowie Materialflüsse schlank, effektiv und effizient zu organisieren um die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit
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ihres Betriebes zu gewährleisten. Hierbei stellen verschiedene Softwareprogramme ein zentrales Werkzeug dar, Mensch, Organisation und Produktionstechnik zu vernetzen und zu synchronisieren. Mittelständische Betriebe stehen aus verschiedenen Gründen vor der schwierigen Aufgabe, eine für sie passende Software zu finden, einzuführen und dann täglich zu betreiben [Berl 03]. Der Softwaremarkt für ERP-Lösungen teilt sich auf kleinere, mittlere und größere Unternehmen auf, wie dies in der Zufriedenheitsstudie in Abb. 5.30 plakativ dargestellt wurde. Viele Anwendungen der großen Anbieter wurden für Großunternehmen konzipiert und, ausgehend von der kaufmännischen Seite, aus Finanzbuchhaltung und Controlling heraus entwickelt. Neben Schwächen in der Abdeckung der Produktion weisen diese Programme meist hohe Anschaffungs- und Betriebskosten sowie eine eingeschränkte Eignung für den industriellen Mittelstand auf. Oft sind sie zu starr, schwierig bedienbar und zu teuer. Deshalb existiert eine Vielzahl von kleineren Softwareherstellern, welche sich meist branchen-, anwendungs- oder funktionsspezifisch (z. B. spezielle Lösungen für den Maschinen- und Anlagenbau) als auch durch die Entwicklung von Hilfs- und Zusatzprogrammen für die ERP-Systeme größerer Anbieter spezialisieren. Die FAUSER AG fokussiert mittelständische Industriebetriebe und entwickelt, vertreibt und wartet Softwarelösungen unter dem Markennamen JobDISPO [Berl 04]. Wie durch schlanke Software ein nachhaltiger Mehrwert für KMUs erzielt werden kann, soll im Folgenden an zwei konkreten Beispielen aus dem Werkzeug- und Maschinenbau aufgezeigt werden.
Abb. 5.30 ERP-Zufriedenheitsstudie 2005 [Schu 05]
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Aus der Praxis
5.9.1 Anwendungsbeispiel Werkzeugbau Joachim Berlak Die Martin GmbH aus Neunkirchen bei Saarbrücken produziert mit 35 Mitarbeitern Werkzeuge, Vorrichtungen und Sondermaschinen vornehmlich für Kunden aus der Automobilindustrie, sowie aus der Klima-, Kälte- und Medizintechnik und für namhafte Hersteller von Haushalts- und Gartengeräten. Durchschnittlich 6–8 Wochen Durchlaufzeit bei Werkzeugen, 4–6 Wochen bei Vorrichtungen sowie 8–12 Wochen bei Sondermaschinen unterstreichen die Schnelllebigkeit des Geschäfts. Knapp 150 Aufträge laufen gleichzeitig in der werkstattorientierten Fertigung, wobei aufgrund der reinen Einzelfertigung ein nicht Materialfluss vorherrscht. „Unser altes aber namhaftes ERP-System haben wir nur rudimentär für den Vertrieb und die Auftragsabwicklung verwendet. Wie viele andere ERP-Systeme war es auf die Serienproduktion ausgelegt, für die Einzelfertigung viel zu komplex und schwerfällig. Eigentlich konnten wir diese Lösung nur als Schreibmaschine verwenden und hatten verschiedenste Insellösungen zur Steuerung der Materialflüsse. Lange Zeit konnten wir das Problem noch aussitzen. Wir ahnten zu der Zeit nur, wenn etwas in der Fertigung schief lief. Es gab viele Terminsitzungen, der Projektfortschritt wurde oft zu Fuß abgefragt. Damals haben die Werker ihre Stundenzettel wöchentlich abgegeben und eine Sekretärin hat damit eine Datenbank befüllt. Fünf Wochen später hatten wir dann aktuelle Rückmeldedaten, da war das Werkzeug schon raus. 2004 musste Schluss sein mit Improvisation, Blindleistung und Verschwendung“, erklärt Geschäftsführer Herr Martin. Voraussetzung für ein agierendes Management der Materialflüsse ist eine Betriebsdatenerfassung in Echtzeit. „Heute drucken wir nur noch die Fertigungszeichnungen mit Auftragsnummer aus, die Werker buchen ihre Zeiten am PC mit Barcodescanner zurück. Wir sind nun in der Lage, eine konsequente Vor-, Begleit- und Nachkalkulation für jedes Werkzeug zu fahren. Der Regelkreis zwischen Planung und Ausführung ist nun geschlossen“, verdeutlicht Herr Martin. „Wir wissen jetzt, was in der Fertigung los ist und verlassen uns nicht mehr einzig auf unser Bauchgefühl. Wir agieren nun, statt wie früher nur zu reagieren. Wir konnten bisher nicht nur unsere Termintreue und Durchlaufzeiten nachhaltig verbessern, sondern auch unsere Kosten für die Auftragsverwaltung und -abwicklung um knapp 30 % reduzieren. JobDISPO hilft uns dabei, da wir schlank, ohne detaillierte Stammdaten und mit wachsenden Stücklisten arbeiten können“ (Abb. 5.31).
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Abb. 5.31 Schlanke Software zur Steuerung von Materialflüssen Aus der Praxis
5.9.2 Anwendungsbeispiel Maschinenbau Joachim Berlak Die Werkzeugmaschinenfabrik Ziegenhain GmbH wurde im März 1998 aus der NAXOSUnion ausgegliedert und Geschäftsführer Werner Schwalm startete auf dem alten Gelände mit 15 Mitarbeitern komplett neu. Heute fertigt WMZ als eigenständige GmbH zusammen mit sieben namhaften Werkzeugmaschinenbauern wie Präwema, Pittler, Diskus Werke oder Buderus Schleiftechnik unter dem Dach der DVS-Gruppe kundenspezifische Fertigungslösungen in den Bereichen Drehen, Verzahnen und Schleifen. WMZ liefert hier als verlängerte Werkbank mechanische Einzelteile (z. B. die Komplettbearbeitung vom Drehen, Bohren, Fräsen, Schleifen, Schweißen bis hin zum Lackieren), komplette Baugruppen (Schwenkmodule, Ladeportale oder Revolverköpfe), komplett montierte Werkzeugmaschinen bis hin zu eigenen Produkten (Motorspindeln). Seit 1998 setzen sie das System zur integrierten Auftragsabwicklung sowie zur Betriebsdatenerfassung ein. Hierdurch ist die Organisation des Betriebes trotz schnellen Wachstums stets schlank geblieben. 2006 arbeiteten 68 Werker und 12 Mitarbeiter in 3-D-Konstruktion, Arbeitsvorbereitung und Management. Ziel war es, das nachhaltige Wachstum auf 90 Mitarbeiter fortzusetzen und die Montage- und Lagerhalle auf eine Größe von 2000 m2 zu erweitern. Der Erfolg von
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WMZ hat vielfältige Erklärungen. Zum einen besitzt der Betrieb eine sehr hohe eigene Wertschöpfungstiefe, alle Lieferanten sitzen strategisch in der Nähe. Zum anderen konzentriert man sich auf die Kernkompetenz der hochpräzisen Zerspanung und Komplettbearbeitung als Dienstleistung. Im Mittel betragen die Durchlaufzeiten 6–8 Wochen, vom Maschinenbett bis zum fertigen Zubehör. Komplette Maschinen werden in weniger als 5 Monaten ausgeliefert. Um schnell zu sein, legt man sich bei WMZ Rohmaterial auf Lager. Über 250 zeitgleiche Aufträge mit jeweils 5–10 Arbeitsgängen erzeugen komplexe Materialflüsse. Ohne die schlanken Lösungen wäre das nicht einfach handhabbar. „Ich steuere heute den gesamten 85-Mann-Betrieb sowie die resultierenden Materialflüsse mit zwei Reports: der Maschinenbelegungs- und der Bestellvorschlagsliste. Natürlich habe ich darüber hinaus Zugriff auf alle relevanten betriebswirtschaftlichen Daten, falls ich sie benötige. Für die alltäglichen Entscheidungen genügen mir aber diese beiden Auswertungen. Unser nachhaltiges Wachstum bestätigt dies. Um in dem harten und weltweit ausgetragenen Wettbewerb im Werkzeugmaschinenbau erfolgreich zu sein, müssen wir als Mittelständler sehr flexibel, schnell und spezialisiert sein. Die Software hilft uns permanent Verbesserungen u. a. unserer Materialflüsse zu realisieren und ist ein Werkzeug das schlank ist. Der Mix aus guten Mitarbeitern, Organisation und Software macht den Unterschied im Wettbewerb.“, verdeutlicht Geschäftsführer Herr Schwalm. Beide Praxisbeispiele zeigen den nachhaltigen Mehrwert, der durch schlanke, einfach zu bedienende und kostengünstige Softwarewerkzeuge für die Steuerung von Geschäftsprozessen und Materialflüssen in mittelständischen Industriebetrieben erreicht werden kann.
5.10 Manufacturing-Execution-System (MES) Marc Pippig Manufacturing-Executing-Systems (MES) sind vor allem in komplexen Serienproduktionen ein gängiger Standard, um vielschichtige Veränderungen schnell und präzise planen zu können. Serienproduktion erlaubt durch die Wiederholung gleicher Vorgänge eine einfache IT-Umsetzung.
Aus der Praxis
5.10.1 Individuell entwickelte und adaptierte MES Marc Pippig Bei der First Sensor AG wurde durch ein über Jahre individuell optimiertes MES eine hoch exakte Auftragssteuerung entwickelt, welche auch für Kleinst- oder Individualfertigung mit extrem verändertem Fertigungsequipment und -abläufen bestens geeignet ist. MES-Funktionen müssen nicht zwangsweise durch die heute weit verbreiteten Standardtools umgesetzt werden. Selbstproduzierte und über Jahre individuell an den Her-
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stellprozess angepasste MES-Funktionen bedeuten zwar einen gewissen Aufwand, bieten dafür aber, neben den geringeren Kosten einige Vorteile. Dies trifft vor allem dann zu, wenn keine hochkomplexen Produktionsnetze abgebildet werden müssen, wie dies in mittelständischen, schlanken Produktionsabläufen meist der Fall ist. Mithilfe einer gewissen Fachkompetenz ist dies mit einfachen Programmierungen in Access oder Excel und einer offenen Schnittstelle zum ERP-System machbar. Aufgrund umfassender Erfahrung mit Fertigungsfeinsteuerung besteht die Möglichkeit, einfach und eigenständig auch Grundlegendes am MES zu ändern. Über die Jahre kann dieses fortlaufende „Finetuning“ zu sehr weitreichenden, maßgeschneiderten Anpassungen führen. Ganz im Sinne von Kaizen entsteht eine intensive kontinuierliche Verbesserung. Es werden individuelle Problemstellungen sehr viel differenzierter und optimierter abgebildet und es wird schneller und spezifischer auf neue Situationen reagiert. Bei einem derartigen, über Jahre weiterentwickelten IT-System werden die physikalische Arbeitsweise der Mitarbeiter exakter abgebildet und die Schnittstellen zum MRP-System optimaler angepasst. Ziele sind eine hoch exakte, transparente Steuerung, welche mit minimalen Fehlern und Unschärfen arbeitet sowie eine extrem zeitnahe und transparente Kostensituation. Folgende Funktionen wurden in einer Datenbankapplikation (DB) bzw. Excel abgebildet: • Feinplanung (DB): Aktuelle Übersicht der Aufträge über alle Resourcen mit allen wichtigen Steuerungsparametern, z. B. Menge (Quantity – Qty), Gesamt-Fertigungszeit (FT-Zeit), verbleibende Fertigungszeiten (FT-Zeit), Bearbeitungsstatus (bearb. Status), Status des Auftrages (wie, eingeplant, beim Kommissionieren, in Produktion, archiviert). Darüber hinaus kann zu jedem Auftrag die tatsächliche Lieferinformation (Shipping-Info) angezeigt werden. Alle Informationen sind auch nach planungsrelevanten Parametern (Felder rechts) selektiv darstellbar und jederzeit in Excel zur weiteren Bearbeitung exportierbar (Abb. 5.32). • Ressourcenplanung: Um auf Störungen schnell und effizient reagieren zu können, müssen Ressourcen täglich aktuell angepasst werden können (Excel). Bei den meisten ERP-Systemen führt dies, wenn überhaupt möglich, zu einem erheblichen logistischen Aufwand, dessen Nutzen meist in keiner Relation zum Ergebnis steht. Schnelligkeit und Flexibilität steht hier an erster Stelle (Abb. 5.33). Wichtig ist, mit minimalem Fehlerrisiko eine möglichst exakte Planungsstruktur abzubilden. Aus den individuellen Arbeitsweisen ableitbare, logische Zusammenhänge und Plausibilitätsabfragen erlauben durch kontinuierliche Weiterentwicklung über Jahre einen ausgesprochen fehlerfreien Ablauf und zum physischen Ablauf eine höchst zeitnahe und exakte IT-Abbidung (Abb. 5.34). • Produktionsplanung am Arbeitsplatz (PPA): In dieser Maske bekommt der Mitarbeiter alle für die Bearbeitung eines Fertigungsauftrages erforderlichen Informationen und Dokumente online bereitgestellt (Abb. 5.35). Darüber hinaus erfolgt aus dem PPA die kontinuierliche Auftragserfassung (Abb. 5.36): aufgewendete Fertigungszeit, wer arbeitet am Auftrag, ICs (internal complaints), verbleibende Zeit usw. Das PPA erlaubt auch Einzelzeitaufnahmen zur Bestimmung von Prozessdaten, Kalkulationen, usw.
Abb. 5.32 Feinplanung
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Abb. 5.33 Ressourcenplanung
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Abb. 5.34 Individualisierung über Jahre erlaubt höchste Fehlerfreiheit
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Abb. 5.35 Produktionsplanung am Arbeitsplatz (PPA)
Abb. 5.36 Auftragszeiten buchen
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Abb. 5.37 Analyse der Abweichungen
• Analyse der Abweichungen: Die wöchentliche Analyse des Vergleichs der geplanten mit den faktisch geleisteten Stunden und den auftragsbezogenen, fertig gemeldeten Stunden ist ein sehr wesentliches Tool (Excel, Abb. 5.37), um schnell auf Abweichungen oder Fehler reagieren zu können. Dies setzt eine sehr exakte Zeitplanung und Zeitbuchung voraus. Durch die jahrelange Optimierung des Systems wurden im Schnitt weniger als zwei Stunden Gesamtabweichung je Mitarbeiter pro Woche erreicht. 5 % klingt inexakt, ist tatsächlich selbst bei reiner Serienproduktion real durch die verschiedensten Unschärfen (Krankheit, kurzfristige Ausfälle, Wartung, Reparatur, Schulungen, etc.) ein anspruchsvolles Ziel. Berücksichtigt man die Problemstellung der teilweisen Individualproduktion (mit verändertem Equipment auch in variabler Fertigungszeit) ist dies noch deutlich schwieriger zu erreichen. • Hochrechnung zur Früherkennung (Excel): Ziel ist es, Fehlentwicklungen und Trends schnell als Warnsignal zu erkennen. Durch Hochrechnung kann dadurch eine zu einer Simulation gleichwertige, aber wesentlich weniger komplexe und dadurch weniger fehleranfällige Errechnung von Trends erfolgen (Excel, Abb. 5.38). MES mit der Kernthematik der optimierten Auftragsfeinsteuerung und der Disposition sind heute entscheidende Kriterien. Wir haben in unserem System noch folgende andere Brennpunkte mit umfassender Methodik außerhalb der Software als Ziel: • Maßgeschneidertes Manufacturing-Execution-System (MES): Das maßgeschneiderte MES ist hervorragend adaptiert. Es erlaubt sehr individualisierte Buchungsabläufe, Controlling und an den Produktionsprozess angepasste Plausibilitätsanalysen. Die Nachkalkulation kann direkt für Neuaufträge herangezogen werden. Der Reklamations- bzw. Verbesserungsprozess ist im Ablauf (Workflow) integriert. Das ins ERP-System integrierte MES bietet dabei die wichtigen modernen Methoden wie Online-Cock-
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Abb. 5.38 Hochrechnung zur Früherkennung
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pit oder Anzeige von Krisenfällen (Emergency-Calls) und Fertigungsfeinsteuerung mit der Möglichkeit zur Simulation. Ausgefeilte Buchungsmethode und Plausibilitätsprüfungen: Wesentlich sind hier exakte Meldungen und Buchungsmengen mit vielfältigen Plausibilitätsprüfungen im Hintergrund. Fehler müssen nicht nachträglich behoben werden, sondern werden nach dem japanischen Prinzip Poka Joke, „Machs gleich richtig“ von vorneherein sehr umfassend vermieden. In diesem Fall wird durch langjährig gewachsene Buchungsabläufe und Plausibilitätsabfragen eine sehr hohe Buchungsgenauigkeit, also Abbildung der Realität zur IT, erreicht. Gleichzeitig wird nur minimal Aufwand erzeugt. Hoch exakte Steuerung: Herausragend ist die exakte Steuerung, die mit geringen Buchungs- und Kontrollaufwänden auskommt (selten in der Deutschen Industrie zu finden). Dies wird durch eine ausgesprochen fehlerarme Steuerung der Aufträge in einem selbstentwickelten, einfachen Fertigungsfeinsteuerungstool (MES) möglich. Die exakte und zeitnahe Datenbasis erlaubt sehr kurzfristige und fehlerfreie Reaktionsmöglichkeit bei Änderungen, was einen deutlichen Wettbewerbsvorteil darstellt. Verknüpfung von Nachcontrolling mit MES: Das Nachcontrolling je Auftrag ist im MES integriert. Es zeigt zeitnah diverse, sehr individualisierte Plausibilitätstests, etwa die Differenzen der Kosten von Hausteilen und Kaufteilen, an und verwaltet zudem die Abstellmaßnahmen. Zusätzlich stellt es die Kalkulationsbasis für weitere neue Aufträge automatisiert richtig. Verbesserungsabläufe kombiniert mit 8D: „Internal Complaint“ mit kurzfristiger 8D-Methode, kurz- und mittelfristige Nachkalkulation und Review-Meetings erlauben eine zeitnahe Reaktion auf Probleme bzw. eine sehr schnelle und nachhaltige Abstellgeschwindigkeit. Effiziente, einfache Abläufe sind ebenfalls mit moderner interdisziplinärer Methode optimal kombiniert zu finden. Konsequenz: Exakte Planungsgrundlage, Kalkulation, Nachkalkulation und tragfähige Preisplanung mit geringem Risiko.
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Aus der Praxis
5.10.2 MES-Umsetzung in der dynamisch-flexiblen Produktion Dominic Lutz, Joachim Berlak Die Gaugler & Lutz oHG mit Sitz in Aalen-Ebnat ist ein Verarbeiter von Kernwerkstoffen, Anbieter von Spezialmaterialien für den Leicht- und Sandwichbau sowie Händler und Hersteller von Sport-, Reha- und Freizeitartikeln. Überall dort, wo Leichtbau gefordert ist, übernimmt die Firma von der Materialauswahl über die Werkstoffbearbeitung vom Umformen, Trennen, Fügen, Beschichten oder Ändern der Stoffeigenschaften bis hin zur Erfüllung spezieller Anforderungen die Gesamtverantwortung. Das Spektrum der belieferten Branchen und Kunden reicht von der Luft- und Raumfahrt, über den Schienen- und Straßenverkehr bis hin zu Anwendungen unter Wasser. Produziert wird von Losgröße „1“ (u. a. für den Formel-1-Rennsport) bis zur Serienfertigung von Komponenten für Windkraftanlagen. Ein Kundenauftrag zur Herstellung und Lieferung des Innenlebens eines Windkraftrotorblattes ist hoch dynamisch, umfassend und kompliziert. Die Koordination umfasst von der Kundenbestellung über die Rohmaterialbeschaffung bis hin zur Beauftragung der Logistikdienstleistung. Dies ist nur durch höchste Flexibilität und vorausschauende Disposition bei kürzesten Produktionsdurchlaufzeiten zu realisieren. 230 Mitarbeiter wickeln derzeit im 3-Schichtbetrieb zu ca. 90 % kundenspezifische Aufträge ab, die reine Handelsware beträgt nur ca. 10 % des Auftragsvolumens. In der Produktion befinden sich immer zwischen 11.000 und 38.000 Arbeitsgänge, welche sowohl sequenziell als auch parallel abgearbeitet werden. Da hier klassische ERP/PPS-Systeme, wie das eingesetzte System, an ihre natürlichen Grenzen stoßen, hat sich die Firma 2012 entschlossen, das Advanced-Planning and Scheduling-System (APS) bzw. Manufacturing-Execution-System (MES) einzuführen. Mit diesem System werden sowohl über 130 Arbeitsplätze und Anlagen als auch die Mitarbeiter entsprechend ihrer Qualifikation simultan rückstandsfrei verplant. Um die Ansprüche an eine Produktion in Echtzeit zu erfüllen, sind alle Anlagen und Arbeitsplätze an eine Maschinen- und Betriebsdatenerfassung angeschlossen. Da noch keine passenden Standardarbeitsplätze mit integrierten Ein-Ausgabegeräten (CyberPhysische Systeme – CPS, Abb. 5.39) bzw. Arbeitsplätze schlüsselfertig erhältlich waren, entwickelte und fertigt man diese selbst. Aufgrund der Planung und Ist-Datenerfassung in Echtzeit ist das Unternehmen heute in der Lage, zu jedem Zeitpunkt auf Knopfdruck den aktuellen Stand in der Fertigung zu sehen. Bei Problemen und Störungen kann sofort reagiert werden. Kunden erhalten bereits am Telefon kurz nach Auftragseingang und kompletter Simulation eine verbindliche Aussage zum Liefertermin. Eine Produktion in Echtzeit benötigt ein umfassendes und detailliertes Wissen über • Prozesse, • Systeme und • Ressourcen.
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Abb. 5.39 Der cyber-physikalische Arbeitsplatz in der Produktion ermöglicht die flexible, ergonomische und effiziente Produktion individualisierter Produkte
Nur durch die ganzheitliche Gestaltung dieser drei Potenzialfaktoren ist die nachhaltige Steigerung der Fabrikleistung möglich: An erster Stelle kommen die Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse, welche durch entsprechende Systeme optimal unterstützt werden müssen. Ressourcen wie u. a. der Mensch stehen im Mittelpunkt und werden durch die integrierte, Funktionsbereich übergreifende Datenhaltung bzw. den durchgängigen Informationsfluss vom ERP bis zum Arbeitsplatz und zurück optimal als Entscheider mit einbezogen. Die folgenden Ausführungen sind den Systemen und hier im Speziellen der Planung gewidmet. Fertigungsfeinplanung mit vielfältigen komplexen Ressourcen Die Multiressourcenplanung des MES-Systems bietet zahlreiche Möglichkeiten für eine flexible Fertigungsfeinplanung in Echtzeit: • Realtime-Simulation der Auswirkungen von Umplanungen auf alle Aufträge • Schnelle Terminierung in wenigen Sekunden, auch bei mehr als 30.000 Arbeitsgängen • Automatische Optimierung der logistischen Zielgrößen Termintreue, Durchlaufzeiten und Kapazitätsauslastung mit manueller „Was-wäre-wenn“-Eingriffsmöglichkeit • Skalierbare Planungsparameter • Intuitives Umplanen per Drag & Drop (zeitlich und von Ressource zu Ressource) • 3-Zonen-Terminierung: Frozen-Zone, Vorwärts-und Rückwärtsterminierung
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• Aktualisierung in Echtzeit mittels BDE/MDE-Daten • Skalierbar von manueller Plantafel bis automatischer Multiressourcenplanung von Ressourcen wie u. a. Maschinen, Menschen, Material oder Werkzeuge • beliebige ERP/PPS-Systeme anbindbar oder Standalone-Betrieb • Per XML individuell anpassbare Benutzeroberfläche und -logik • 100 % in Java realisiert und damit unabhängig von Hardware, Betriebssystem und Datenbank Das System ist intuitiv zu bedienen und versteht sich als interaktives Entscheidungswerkzeug für den menschlichen Planer. Es bildet in Echtzeit die gesamte Dynamik der Wertschöpfung ab und zeigt auf, wo die ursächlichen Probleme liegen. Basis hierfür ist ein dreiphasiger Planungsablauf. Planungsablauf: Einlesen – Visualisieren – Simulieren – Speichern Jede Planungssitzung läuft für den menschlichen Planer wie folgt ab: 1. Beim Start der Feinplanung werden die relevanten Stamm- und Bewegungsdaten aus der SQL-Datenbank ausgelesen. 2. Nach erfolgter Terminierung gegen real verfügbare Kapazitäten werden die Informationen in der grafischen Plantafel aufbereitet und angezeigt. 3. Der Planer hat nun die aktuelle Situation vor Augen. Auf dieser Basis kann er Optimierungen vornehmen. Dies kann manuell per Drag & Drop mit sofortiger Onlinesimulation der Auswirkungen geschehen, oder auch automatisch. Diese Simulationen werden jedoch nicht sofort in die Datenbank zurückgeschrieben. Ist der Planer am Ende einer Planungssitzung mit dem Ergebnis zufrieden, kann er die Simulation speichern. Die neu geplanten Kunden-/Fertigungsauftrags- bzw. Arbeitsgangtermine werden dann in die Datenbank zurückgeschrieben bzw. ggf. an das führende ERP/ PPS-System zurückübertragen. Ist das Ergebnis der Simulation aus Sicht des Planers nicht befriedigend, z. B. weil es noch verspätete Aufträge gibt, kann er die Simulation verwerfen und ein alternatives Kapazitätsszenario durchspielen. Durch diese Methodik lassen sich „Was-wäre-wenn“-Planungsszenarien mit den aktuellen Daten durchspielen, ohne die Aufträge sofort im führenden ERP/PPS-System anpassen zu müssen. Für eine rückstandsfreie Termin- und Kapazitätsplanung sind hierbei die verfügbaren Kapazitäten der Ressourcen essentiell. Kapazitäten Schichten und entsprechende Schichtpläne werden über den Betriebskalender, den Ressourcen wie Maschinen, Arbeitsplätze, Menschen oder Werkzeugen, zugewiesen (Abb. 5.40). Alternativ können Schichtmodelle über das führende ERP/PPS- oder auch PZE/HRSystem importiert werden. Durch die Zuweisung der Schichten wird das reale Kapazitäts-
Abb. 5.40 Pflege der Ressourcenkapazitäten mit grafischer Visualisierung und Farbcodes zum intuitiven Erkennen von Problemfällen
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angebot pro Ressource festgelegt. Kurzfristige Anpassungen können direkt in der Plantafel vorgenommen werden. Plantafel Das Herzstück der rückstandsfreien Feinplanung von Auftragsnetzen, Fertigungsaufträgen bzw. deren Arbeitsgängen ist die Plantafel. Diese ist dreigeteilt: oben die tabellarische Auflistung von Kunden-/Fertigungsaufträgen, Arbeitsgängen und Ressourcen. Darunter die grafische Plantafel und auf der rechten Seite die Planungsfunktionen. Die Plantafel ist wie folgt aufgebaut (Abb. 5.41): 1. Tabelle mit Kunden-/Fertigungsaufträgen/Arbeitsgängen/Ressourcen: In den per XML frei definier-, sortier- und filterbaren Tabellen kann auf alle planungsrelevanten Daten zugegriffen werden. Hervorzuheben ist die Echtzeitaktualisierung. Hierbei werden entsprechende Statusinformationen und Fortschritte anhand der Ist-Rückmeldungen aus der Produktion in Echtzeit aktualisiert. Um gezielt Aufträge o. ä. finden und analysieren zu können, steht die Suchfunktion zur Verfügung. Als Volltext- oder Detailsuche wird das Suchergebnis farblich hervorgehoben. 2. Durchlauf eines Kunden-/Fertigungsauftrags mit Arbeitsgängen: Der Durchlauf eines einstufigen Fertigungsauftrags oder eines mehrstufigen Kundenauftragsnetzes wird durch Doppelklick auf den entsprechenden Tabelleneintrag in der grafischen Plantafel angezeigt. Hierbei wird eine Gantt-Darstellung verwendet. Die Zugehörigkeit von Arbeitsgängen zu einem Auftrag und deren Reihenfolge wird über die Reihenfolge der Balken in der Grafik ausgedrückt. Die Abhängigkeiten zwischen den Arbeitsgängen eines Auftrags werden grafisch dargestellt. Dies ist auch auftragsübergreifend bei der Verwendung von Auftragsnetzen möglich. Die Abhängigkeiten werden beim Umplanen von Arbeitsgängen berücksichtigt und angewendet. 3. K apazitätsangebot: Das zur Verfügung stehende Kapazitätsangebot wird aus dem im Betriebskalender gepflegten Kapazitätsangeboten der Arbeitsplätze und den dort hinterlegten Schichtmodellen ermittelt: grün = Ressource hat verfügbare Kapazität entsprechend Schichtmodell; weiß/gelb = Ressource ist nicht verfügbar (z. B. Sa/So etc.). 4. Zeitverlauf: Der Zeitverlauf wird über die Zeitachse stufenlos dargestellt. 5. Ressourcenhierarchie: Die im Produktionsbereich vorhandenen organisatorischen Strukturen werden über Hierarchien in Form vom Ressourcentypen oder Ressourcengruppen in einer Baumstruktur dargestellt. Teilstrukturen lassen sich so nach Bedarf ein- und ausblenden. 6. T ermintreueampel und Verspätungsvisualisierung: Beschwerden von Kunden wegen verspäteter Lieferungen können vermieden werden, wenn diese frühzeitig erkannt werden und entsprechend reagiert wird. Hierbei hilft die Verspätungsvisualisierung. Verspätete Vorgänge werden in einer frei definierbaren Ampel farblich hervorgehoben und in Kalendertagen ausgedrückt. Dies versteht sich auch als To-do-Liste für den menschlichen Planer. Um Anpassungen, die in der aktuellen Planung vorgenommen wurden, im Leitstand sofort erkennen zu können, werden diese mit roten/grünen Pfeilen (Verschlechterung/Verbesserung) kenntlich gemacht. So ist sofort ersichtlich, welche Aufträge von Umplanungen beeinflusst werden.
Abb. 5.41 Grafische Feinplanung der Aufträge: Hier erfolgt die Visualisierung der Planung. (Die Nummern in der Grafik sind den folgenden Erklärungen der Funktionalitäten zuzuordnen)
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7. Simulation von abweichenden Kapazitätsszenarien: Häufig stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, eine zusätzliche Schicht zu arbeiten, um wichtige Aufträge doch noch rechtzeitig ausliefern zu können. Solche Situationen können auf Wunsch simuliert werden. Hierzu können die Schichtpläne und -modelle im Rahmen der Planungssitzung übersteuert werden. Das so geschaffene Kapazitätsangebot wird sofort in der Plantafel ersichtlich und bei der manuellen wie automatischen Planung berücksichtigt. Dadurch werden Auswirkungen im Gesamtprozess sichtbar. 8. Auftrags/Arbeitsgangkommentare: Über Kommentare lassen sich wichtige Informationen direkt an den Vorgängen hinterlegen. Mit diesen können z. B. Besonderheiten eines Auftrags bzw. Vorgangs vermerkt und auch für Kollegen ersichtlich hinterlegt werden. 9. Arbeitsvorrat: Um noch nicht eingeplante Arbeitsvorgänge einplanen zu können, steht unterhalb der Plantafel ein Arbeitsvorrat in Form einer tabellarischen Liste zur Verfügung. Diese Liste enthält Aufträge/Arbeitsgänge mit den geplanten Start-/Endterminen. Sie kann nach eigenen Vorstellungen sortiert oder gefiltert werden. 10. Kunden-, Fertigungsauftrags- und Arbeitsgangdetails: Um schnell alle Fragen rund um einen Auftrag oder Arbeitsgang beantworten zu können, kann per Kontextmenü mit einem Mausklick in die Detailmaske gesprungen werden (Abb. 5.42). Ein Hin- und Herwechseln zwischen verschiedenen Fenstern wird somit überflüssig. 11. Aufträge ein-/auslasten: In der Feinplanung lassen sich Planaufträge bereits kapazitiv exakt einplanen. Sollen diese in Fertigungsaufträge umgesetzt werden, ist dies über die entsprechende Kontextmenüfunktion direkt aus der Plantafel heraus möglich. 12. Splitten: Soll ein Vorgang auf mehrere Ressourcen aufgeteilt werden, um dessen Durchlaufzeit zu verkürzen, kann dies mit einem Auftrags-/Arbeitsgangsplit erreicht werden. Ein Split kann z. B. auch verwendet werden, um bei einem Maschinendefekt die Restmenge eines bereits begonnenen Vorgangs auf eine Ausweichmaschine planen zu können. 13. Fixieren: Wurden Aufträge bereits eingeplant und sollen diese auf keinen Fall versehentlich wieder umgeplant werden, können sie über die "Fixieren"-Funktion gesperrt werden. Wird trotzdem versucht, diese umzuplanen, wird dieser Vorgang mit einer entsprechenden Hinweismeldung abgebrochen. Nutzen des MES-Einsatzes Durch den Einsatz der Multiressourcenplanung konnten bei Gaugler & Lutz die Termintreue gegenüber den Endkunden auf durchschnittlich 96 % gehalten und die Transparenz, Zuverlässigkeit und Plangenauigkeit signifikant gesteigert werden. Vorher beherrschten viele „Feuerwehraktionen“ und eine deutlich geringere und stabilere Lieferperformance die Wertschöpfung. Bei 90 % kundenauftragsbezogener Fertigung mit durchschnittlich 25.000–38.000 laufenden Arbeitsgängen im Drei-Schichtbetrieb ist die heutige Termintreue, Flexibilität und Schnelligkeit ein zentraler Wettbewerbsvorteil und Benchmark. Gab es früher noch vier menschliche Planer, sind heute keine Vollzeitplaner mehr im Einsatz. Die Fertigungsfeinsteuerung terminiert automatisch unter der Berücksichtigung der
Abb. 5.42 Fertigungsauftragsdaten: Über XML individuell konfigurierbare Benutzeroberflächen erlauben die Darstellung aller relevanten Informationen in einer Bildschirmmaske
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vorhandenen Mensch- und Maschinenkapazitäten, Materialverfügbarkeiten und Unwägbarkeiten. Manuell wird nur noch eingegriffen, wenn dies notwendig ist. Durch die direkte Verknüpfung der Planung mit der Betriebs- und Maschinendatenerfassung konnte außerdem der Regelkreis zwischen Soll und Ist in Echtzeit geschlossen werden. Lag früher die Planabarbeitungsquote – das Verhältnis zwischen Plan- und Ist-Start der Arbeitsgänge – bei weniger als 30 %, ist man heute bei über 90 % angekommen. Dies wurde u. a. durch das konsequente Start-/Ende-Buchen auf den Auftragsvorrat an den cyber-physischen Arbeitsplätzen erreicht.
5.11 Produktionsoptimierung mit SAP am Beispiel Kanban Christian Kuhn Der Einsatz von Informationstechnologie ist ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Lean Manufacturing-Strategie. Am Beispiel der integrierten eKanban-Lösung in der „mySAP Business Suite“ soll aufgezeigt werden, wie moderne Softwarelösungen Lean Manufacturing unterstützen, steuern und insbesondere optimieren können, um die gesetzten Ziele zu erreichen. In den folgenden Abschnitten wird deutlich herausgearbeitet, welche Charakteristiken entsprechende Softwarelösungen besitzen müssen, um alle Effizienzpotenziale ausschöpfen zu können.
5.11.1 Erweiterung der Kanban-Philosophie durch Integriertes eKanban In der Logistik und auch in der Fertigung, stellt sich stets die Frage nach der Planungstiefe im Materialfluss: In welchem Umfang muss man die Materialbewegungen planen und leiten, und inwieweit ist eine Selbststeuerung oder pragmatische Ausführung sinnvoll? Generell ist es jedoch stets notwendig, die Transparenz über den Materialfluss zu erhalten, um eine effektive Überwachung und rechtzeitiges Eingreifen in Problemsituationen gewährleisten zu können. Weiterhin sind auch selbststeuernde Prozesse mit anderen logistischen Prozessen im Unternehmen vernetzt, wie beispielsweise Beschaffung, Bestandsverwaltung oder Lieferungslogistik. Dies bedeutet, dass Kanban, wie auch andere Lean Manufacturing-Komponenten, nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern nur im Zusammenhang mit der Gesamtlogistik im Unternehmen zu einer effizienten Strategie wird. Diese Aussage gilt genauso für die IT-Unterstützung: Nur eine Kanban-Lösung, die andere Logistik-Komponenten integriert, kann eine optimale Unterstützung der Lean Manufacturing-Prozesse gewährleisten. Genau dieser Philosophie folgt die SAP und hat ihre elektronische Kanban-Lösung ( eKanban) vollständig in die klassischen ERP-Prozesse integriert. Für den Benutzer ist die Bedienung und der Informationsfluss transparent und einheitlich – ohne Systemwechsel. Ein weiterer Vorteil des integrierten Ansatzes ist
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der Entfall jeder Art von Datenreplikation zwischen verschiedenen Systemwelten, alle Prozesse laufen auf den gleichen konsistenten Stammdaten. Weiterhin ist durch die SAPTechnologie die volle Skalierbarkeit gewährleistet, von einfachen Prozessen und kleinem Volumen bis hin zu komplexen Unternehmensstrukturen mit sehr hohem Datendurchsatz.
5.11.2 Adaptives Prozessmodell als Grundlage für eKanban eKanban basiert auf einem flexiblen Prozessmodell, das primär aus Regelkreisen aufgebaut wird. Hiermit wird die Definition und Bedienung erleichtert und die Automatisierung des Materialflusses ermöglicht. Der Regelkreis dient zur Festlegung der Beziehung zwischen Quelle und Ziel, inklusive detaillierter Steuerparameter, wie beispielsweise die Zahl der umlaufenden Kanban-Behälter. Insbesondere wird auch die Art der Wiederbeschaffung festgelegt – also Eigenfertigung, Umlagerung oder auch Fremdbeschaffung bzw. Bestellung. Die Bestandssituation kann mithilfe einer interaktiven, grafischen Kanban-Tafel überwacht werden, damit ist auch die Transparenz und Verfolgbarkeit sichergestellt. In Ausnahmesituationen – beispielsweise einer Verzögerung der externen Beschaffung – können jederzeit geeignete Maßnahmen eingeleitet werden. Das Kanban-Prozessmodell ist hierbei hoch adaptiv, bei Änderung der Rahmenbedingungen kann es schnell und flexibel den neuen Anforderungen angepasst werden. Das System leistet hierbei auch Unterstützung, beispielsweise durch eine automatische Kanban-Berechnung. Hierbei werden Anzahl und Größe der Kanban-Objekte durch Analyse der Verbrauchs- und Bedarfswerte dynamisch optimiert und dem Logistikverantwortlichen vorgeschlagen. Für den Bediener ist das Arbeiten mit Kanban sehr einfach: Bei Aufbrauch des Materials meldet er das Kanban-Objekt (physisch typischerweise ein entsprechender Behälter) als „leer“ – alle Folgeprozesse erledigt das System hochautomatisiert im Hintergrund, ohne weiteren notwendigen Bedienereingriff. Kommt der neue Behälter am Verbrauchsort an, wird „voll“ gemeldet und der Teilprozess ist damit abgeschlossen. Unabhängig von Art und Komplexität der Wiederbeschaffung sind die Prozesse standardisiert und die Bedienung einheitlich, der administrative Aufwand wird auf ein Minimum – nämlich den Statuswechsel – reduziert. Selbstverständlich können die Kanban-Meldungen wahlweise auf Basis gängiger Technologie durchgeführt werden – also neben entsprechenden grafischen Bedieneroberflächen in verschiedenen Anwendungen der Logistik auch mit mobilen Geräten („Handhelds“) und Barcodelesern. Weiterhin ist über entsprechende offene Schnittstellen auch die direkte Anbindung von Automatisierungssystemen möglich.
5.11.3 Erweiterte Kanban-Prozesse unterstützen die Philosophie Diverse Sonderabwicklungen unterstützen und verbessern das verbrauchsgesteuerte Grundprinzip von Kanban. Beim ereignisgesteuerten Kanban beispielsweise ist das Erzeugen eines neuen Kanban-Objektes nicht durch die Regelkreisparameter fixiert, sondern
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wird individuell über entsprechende Kanban-Impulse angestoßen. Der Impuls kann auch automatisiert durch vom System erkannte Situationen ausgelöst werden. Zudem kann als weitere Variante der „Mengenimpuls“ eingesetzt werden. Hierbei wird nicht der gesamte Kanban-Behälter „leer“ gesetzt, sondern es werden individuelle Verbräuche gemeldet. Das System bestimmt dann den Triggerpunkt für einen neuen Kanban-Impuls selbstständig. Weiterhin ist die Integration der Bedarfsplanung möglich, sodass lang- und mittelfristige Bedarfsvoraussagen für Kanban-Materialien getroffen und innerhalb und außerhalb des Unternehmens kommuniziert werden können. Durch den Verbrauch wird direkt und automatisiert die Beschaffung kontrolliert. Durch diese Selbststeuerung werden Überproduktion und unnötige Warenbewegung vermieden. Der Bestand und die Durchlaufzeiten werden reduziert, der Buchungsaufwand und die Zahl der Fehlbuchungen minimiert. Über eKanban angestoßene Prozesse sind vollständig integriert in die Bestandsverwaltung, den Einkauf und in die Produktion. Nach Triggern eines Kanban-Objektes mit Eigenfertigung wird beispielsweise direkt eine Produktionseinteilung oder ein Produktionsauftrag angelegt, eine Rückmeldung des Auftrags setzt auch einen entsprechenden Status des Kanban. Auch die Kostenrechnung für ein Kanban kann hiermit implizit durchgeführt werden, um ein integriertes Controlling zu ermöglichen. Dies ist ein wesentlicher Vorteil im Vergleich zu isolierten oder manuellen Kanban-Systemen.
5.11.4 Kollaborative Prozesse um Kanban Nicht nur innerhalb einer Betriebsstätte, sondern gerade auch im Zusammenwirken mit Partnern in der Supply Chain zeigt die erweiterte Kanban-Philosophie ihre Vorteile. Lieferanten können einfach und intuitiv über Portaltechnologie in die Materialflussprozesse eingebunden werden. Über den „Inventory Collaboration Hub“ ist das webbasierte Anbinden der Partner möglich. Diese erhalten direkten Zugriff auf alle notwendigen Informationen, werden über kritische Versorgungssituationen informiert und können damit unmittelbar auf kurzfristige Anforderungen reagieren. Natürlich ist auch eine klassische Anbindung der Lieferanten über EDI-Technologie (Electronic Data Interchange) möglich. Die Durchdringung der Just-in-time-Abwicklungen in der Logistik führt ebenfalls zu einer Erweiterung der Kanban-Lösung, um dem Lieferanten die Anlieferung von Materialien in genau festgelegter Menge, Zeit und Ort per Abruf mitzuteilen (Mengenabruf). Die betriebswirtschaftliche Abwicklung beruht dabei auf ausgehandelten Lieferplänen, die damit auch für Kanban mit Fremdbeschaffung Verwendung finden. Weiterhin werden die Prozesse beim Lieferanten und Abnehmer durch die informationstechnische Integration logistischer Nachrichten (beispielsweise Lieferavis und Lieferbestätigung) eng verzahnt (Abb. 5.43).
5.11.5 eKanban mit SAP – Aktuelle Trends und Zusammenfassung Im Bereich der betriebswirtschaftlichen Analytik werden neue Potenziale eröffnet: Die gesammelten Prozessdaten können aggregiert, zu Informationen transformiert und bewertet werden, um daraus wertvolles Wissen zur Entscheidungsunterstützung abzuleiten. Mithil-
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Abb. 5.43 Optimierung der Kommunikation mit Kanban-Zulieferern über Portaltechnologie
fe des „Business Information Warehouse“ werden die Kanban-Prozesse und Regelkreise durch die Auswertung des Materialflusses (beispielsweise Durchlaufzeiten und Bestandsauswertungen) optimiert. Über den Einsatz von RFID-Technologie (Radio Frequency Identification) können Kanban-Prozesse nahezu komplett automatisiert werden, sodass keine direkte Bedienerinteraktion notwendig ist. Durch das Auslesen von RFID-Tags an den Kanban-Objekten wird ein entsprechender Impuls an die Statusverwaltung ausgelöst und damit eine Änderung direkt im System verarbeitet. Generell kann zusammengefasst werden, dass die richtige IT-Unterstützung elementarer Baustein einer Lean Manufacturing-Strategie ist, um die Produktivität der Fertigung und damit die Wertschöpfung zu optimieren. Insbesondere Kanban-Lösungen müssen in die Gesamtlogistik integriert und mit den assoziierten betriebswirtschaftlichen Prozessen synchronisiert werden, um ihr volles Potenzial ausnutzen zu können.
5.12 Visualisierte Informationstechnologie Kersten Ellerbrock Die Arbeitsumgebung vieler Menschen wird seit Jahren konsequent und immer vollständiger mit Informationstechnologie (IT) ausgestattet. Unsere moderne IT vermittelt heute Informationen vornehmlich in Form von Zahlen und Buchstaben, anstelle von für Menschen wesentlich geeigneteren Bildern. Die visualisierte Informationstechnologie und Führung ist dagegen ein neuer Ansatz, der speziell im Produktionsbereich viel versprechende Ergebnisse hervorbringt. Die Einsatzbereiche erstrecken sich von Produktion mit
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hoher Montagekomplexität und hoher Änderungsfrequenz bis zur Montage von variantenreichen Produkten und Nutzung moderner Model-Mix-Strategien. Die neuen Strategien bewirken eine Erhöhung der Flexibilität, die Reduzierung der Komplexität bei Variantenvielfalt und fast automatisch eine signifikante Erhöhung der Qualität und Effizienz durch verbesserte Visualisierung und Ergonomie.
5.12.1 Der Mensch und seine Sinne Die einzelnen Sinne des Menschen können, im Vergleich zu anderen Lebewesen, als „unterentwickelt“ betrachtet werden. Menschen nehmen, selbst im Vergleich zu unseren Haustieren, Geruch und Geräusche nur unterdurchschnittlich war. Obwohl wir, biologisch betrachtet, primär auf das Sehen ausgelegte Lebewesen sind, ist unser Sehvermögen trotzdem vergleichsweise schlecht. Daraus lässt sich ableiten, dass für die Evolution des Menschen nicht die Sehschärfe entscheidend sein konnte. Wesentlich war vielmehr die Fähigkeit, visuelle Informationen schnell in sachliche, logische Zusammenhänge zu bringen und sofort gezielt Aktivitäten daraus abzuleiten. Diese Nutzung der Sinne und insbesondere ihre Kombination sind die ausschlaggebenden Gründe für den Evolutionsstand des Menschen. Die menschlichen Sinne haben sich als „Allrounder“ entwickelt, die Kombination von „sehen“ und „umsetzen“ brachte den Erfolg.
5.12.2 Schnelleres Lernen durch systematische Führung Täglich setzen wir unsere Sehfähigkeit und Kombinatorik ein, sobald wir morgens unsere Augen öffnen. „Sehen, erkennen, verstehen, … und lernen“, beginnt in der Kindheit und setzt sich im gesamten Leben fort. Dabei ist es von Rahmenbedingungen und Hilfen abhängig, wie gut oder schnell man lernt. Warum gelingt es bereits Kindern, aufwändige, sogar komplexe Lego®-Bausätze innerhalb von Minuten perfekt zusammenzustecken? Warum ist es möglich, beispielsweise IKEA®-Möbelbausätze ohne jegliche Erfahrung in Minuten zu montieren? Weil wir Bilder und Bildfolgen vor uns „sehen, erkennen und verstehen“. Dies sind nur zwei Beispiele, aber sie zeigen, dass Bilder sehr viel schneller verstanden und sicherer umgesetzt werden als textbasierte Bauanleitungen, die häufig zudem sprachlich unzureichend und schwer verständlich beschreiben, was zu tun ist. Die systematische Führung durch Bilder und Bildfolgen ermöglicht es, täglich Informationen aufzunehmen, zu verstehen und Tätigkeiten auszuführen, die wir so noch nie durchgeführt haben. Dem Menschen wurde es „in die Wiege gelegt“, Bilder zu interpretieren; dagegen werden Zahlen und Buchstaben erst seit wenigen tausend Jahren genutzt. Zu lange wurden in der Informationstechnologie die Vorteile von Bildern vergessen und allein an Buchstaben und Zahlen festgehalten, und da fragen wir uns manchmal, warum Informationstechnologie vielen Menschen so kompliziert erscheint. Bilder haben aber noch weitere Vorteile: „Bilder sagen mehr als tausend Worte“, „Bilder kennen keine Grenzen“ und erfordern weder Sprach-
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Abb. 5.44 Vor allem bei manuellen Produktions- und Logistikprozessen werden vielfältige Abläufe über die Augen koordiniert. (Quelle: Cellfusion)
kenntnisse noch Übersetzungen. Immer mehr Unternehmen beschäftigen Mitarbeiter vieler Nationalitäten und Sprachkulturen auch bei der Fertigung von Produkten. Vor diesem Hintergrund ist es umso überraschender, dass konventionelle Informationswissenschaft fast ausschließlich mit Zahlen und Buchstaben arbeitet. Seit einiger Zeit gibt es nun aber neue strategische Lösungen zur wesentlich ergonomischeren und daher effizienteren Nutzung von Abbildungen, Bildern, Fotos und Fotokombinationen und sogar integrierten Prozessvideos für Fertigungsprozesse: Visualisierte Informationstechnologie (Abb. 5.44 und 5.45).
5.12.3 Besser und produktiver durch systematische Führung In der Produktions- und Logistikwelt ist der Einsatz von Visualisierung inzwischen wettbewerbsentscheidend, denn unser Markt- und Verbraucherverhalten hat sich in den letzten Jahren wesentlich verändert. Der Kunde möchte „sein“ individuelles Produkt erwerben, ausgesucht und zusammengestellt aus einer Vielzahl von Varianten und Optionen. ProAbb. 5.45 Der operative Mitarbeiter im Produktionsumfeld muss vielfältige Informationen verarbeiten. (Quelle: Cellfusion)
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duktlebenszyklen verkürzen sich ständig, neue Produkte und neue Technologien kommen in rasanter Geschwindigkeit auf den Markt. Und dies ist nicht nur in der High-Tech-Industrie der Fall, in der die Produktlebenszyklen inzwischen eher in Wochen als in Monaten gemessen werden. Es spiegelt sich überall wider: Auch in der Automobilbranche, der Konsumgüterindustrie und im Maschinenbau breiten sich diese Anforderungen aus. Für Produktionsunternehmen bedeutet dies, dass Fertigungs- und Montageprozesse immer variantenreicher werden. Produktionsmitarbeiter sind immer größerer Variantenzahl und Komplexität gegenübergestellt. Alles muss schneller, besser, produktiver und prozesssicherer werden. Aber welche Hilfen bieten wir den Mitarbeitern wirklich? Oder überlassen wir alles nur der Erfahrung? Erfahrung ist sicherlich sehr wichtig, allein die Philosophie „Übung macht den Meister“ kann den neuen Anforderungsprofilen in Produktionsunternehmen heute jedoch nicht mehr gerecht werden. Die Fertigungsumgebung verändert sich zur modernen, schnellen, variantenreichen Mixed-Modell-Produktion mit extrem kurzen Produktlebenszyklen. Die Zahl der Produkte mit unterschiedlichsten Varianten, Optionen, häufigen technischen Änderungen und Weiterentwicklungen nimmt zu, gleichzeitig müssen dabei höchste Montagegenauigkeit, Qualität und Lieferfähigkeit sichergestellt werden, bei möglichst geringen Sicherheitsbeständen. Die alleinige Nutzung der „Erinnerung“ reicht Mitarbeitern im modernen Produktionsprozess vielfach nicht mehr, um diese komplexen und durch immer kürzere Änderungszyklen gekennzeichneten Prozesse optimal zu erfüllen. Der Mitarbeiter sollte durch ergonomische und „natürliche“ Methoden unterstützt werden, denn sie dienen als Mittel zum Zweck, nicht als Selbstzweck. Ein Werksleiter eines führenden Fertigungsunternehmens für Traktoren in den USA brachte es auf den Punkt: „Ich dachte immer, wir haben sehr viele, sehr erfahrene Mitarbeiter, die seit fünfzehn oder mehr Jahren für unser Unternehmen arbeiten, und die brauchen keine visualisierte Montageführung, die wissen, was sie tun! Aber nun wird mir immer klarer, die gehen bald in Heerscharen in den Ruhestand (…) und was machen wir, wenn die jungen, noch unerfahrenen Mitarbeiter kommen …?“ Sehr viele Produktionsunternehmen sind aus diesen und anderen Gründen seit Jahren dazu übergegangen, Zeichnungen oder Fotos in der Fertigung als visualisierte „Gedächtnisstütze“ aufzuhängen. Dies ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, hat aber noch einen hohen Preis: Ein hoher Aufwand war erforderlich durch die Erstellung und Verteilung neuer Informationen und insbesondere durch häufige Änderungen. Diese Informationspolitik ist eine Einbahnstraße: Es fehlte die ganzheitliche Umsetzung des Informationsaustauschs.
5.12.4 Der Quantensprung in der Produktion In den letzten Jahrhunderten waren Menschen primär darauf angewiesen, zu lesen und zu kommunizieren um zu lernen. Das letzte Jahrhundert war das Zeitalter der Computertechnologie. Heute wird „sehen, erkennen, verstehen und lernen“ durch Multimedia und modernste Technologie unterstützt und das wird, durch ständig weiter fallende Hardwarepreise, viel einfacher und vor allem erschwinglicher als früher. Dies gilt nicht nur für den
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Abb. 5.46 Eine durch „Visual Factory“ unterstützte Folge von Montageschritten: Zusammenstecken und Verschrauben, Erfassung von Qualitätsabweichungen, Mess- und Kalibrierungswerten und Materialidentifizierung zur Montageführung und lückenlosen Rückverfolgung bei Automobilradios. (Quelle: Cellfusion)
Privatgebrauch, sondern vor allem für die Arbeitswelt. In diesem Jahrhundert gilt es also, die verschiedenen Vorteile zu kombinieren. Der Einsatz von Personal Computern hat sich in den Firmenbüros bereits vor vielen Jahren erfolgreich durchgesetzt. In vielen Unternehmen werden mit Computereinsatz ausschließlich die indirekten Bereiche assoziiert, denn in der Produktion soll doch „nur“ gefertigt werden. Wozu also in Informationstechnologie am Fertigungsarbeitsplatz investieren? Hier wurden Investitionen gern als „nicht sinnvoll und überzogen“ eingespart. Dabei wurde zu lange übersehen, dass die Produktion die wirklich wertschöpfende Prozesskette darstellt. Andererseits sind es die Mitarbeiter in den administrativen Bereichen und im Management, die ganz besondere Erwartungen an die Fertigung haben: Man erwartet höchste Qualität, beschleunigte Fertigungsprozesse, höchste Produktivität, höchste Transparenz, korrekte Fertigungskennzahlen und das alles sofort. Alle diese Anforderungen und Informationen müssen aber immer noch manuell und verbal verteilt und manuell zusammengestellt werden. Wirklich moderne Lösungen integrieren visualisierte Informationstechnologie und interaktive Prozess- und Qualitätsinformationsübermittlung schnell, einfach, präzise und elektronisch (Abb. 5.46). Mit fallenden Hardwarepreisen, neuen, erfrischenden Erkenntnissen zum Thema „moderne Fertigung“ und angetrieben von Geschäftsstrategien wie „Schlanke Produktion“ ( Lean Manufacturing), „Null-Fehler“ (Zero Defect) Toleranzreduzierung (Zero Tolerance) und „ModellMix“-Produktion fallen die „Schranken“ in immer mehr Unternehmen für eine moderne Informationstechnologie.
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5.13 Papierlose Fertigung, visualisierte Montageführung und Qualitätssicherung Kersten Ellerbrock Die neueste Generation strategischer Informationstechnologie bietet moderne, interaktive Lösungen für innovative Unternehmen, um veränderten Anforderungen von Kunden und Märkten Rechnung zu tragen. Elektronische Verteilung von visualisierten Arbeitsanweisungen an Montage- und Qualitätskontrollstationen kann vor allem bei hoher Produktvarianz, hoher Änderungshäufigkeit und modernen Fertigungsstrategien, wie bei der Model-Mix-Fertigung helfen eine neue Dimension von Effizienz und Performance zu erreichen. Nebenbei bietet es einen vernetzten Real-time-Informationsfluss und die Integration von Frühwarnportalen, die helfen, ungeplanten Entwicklungen so schnell und effizient wie möglich entgegenzuwirken.
5.13.1 Ziele bildgeführter IT im Produktionsbereich Produktionsmitarbeiter sollen die Produktvielfalt schneller, kundenbedarfsgerecht, mit größerer Flexibilität und höherer Qualität produzieren. Produktions- und Prozessinformationen müssen gleichzeitig für die Fertigung und alle angrenzenden Bereiche zur Verfügung stehen. Informationen sollen nicht nur elektronisch an Fertigungsmitarbeiter verteilt werden, sondern auch online, als konsolidierte Fortschritts- und Managementkennzahlen, zurückkommen. Nebenbei muss eine lückenlose Rückverfolgbarkeit gewährleistet werden, wobei die Produkt-, Prozess-, Verfahrens- und Qualitätsdokumentation automatisch, während des Fertigungsprozesses, erzeugt werden soll. Dies muss alles ohne Zeitverlust für die Fertigungsmitarbeiter und die Fachabteilungen ablaufen, bei Hochvolumenfertigung ebenso wie bei One-piece-flow-Produktion.
5.13.2 Elektronische Verteilung von visualisierten Arbeitsanweisungen an Montage- und Qualitätskontrollstationen Einer der ersten Anwendungsbereiche visualisierter Informationstechnologie war die elektronische Verteilung von visualisierten Arbeitsanweisungen an Montage- und Qualitätskontrollstationen, denn moderne Produktionsstrategien stellen höchste Anforderungen an Aktualität und Genauigkeit. Die Anweisungen orientieren sich klar an Produkt- und Arbeitssequenzen und nutzen heutige Multimedia-Möglichkeiten, d. h. Zeichnungen, Fotos und Prozessvideos. Es wird detailliert aufgezeigt, was und wie zu montieren ist (Abb. 5.47). Sprach- und Verständnisprobleme entstehen nicht, sondern werden sofort überbrückt. Einarbeitungszeiten für neue Mitarbeiter und Informationsübermittlung bei Produktmodellwechsel werden deutlich verkürzt. Mitarbeiter sind dadurch flexibel an verschiedensten Arbeitsstationen einsetzbar, da Experten-Know-how nun in einfachen
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Abb. 5.47 Visual Manufacturing Operation: Ein Beispiel für bildgeführte Montage eines Automobilradios. (Quelle: Cellfusion)
Bildern elektronisch für jeden zur Verfügung steht. Dies war bereits vor Jahren die Zielrichtung des Anwendungsbereichs „Visualisierte Montageanweisungen“, aber „das Leben steht nicht still“, die Evolution der „Visual Factory“ ging weiter in Richtung „Interaktivität“ und papierlose Prozesse (Abb. 5.46).
5.13.3 Interaktive Fertigungsprozesse Papier wird im Unternehmen vielfältig genutzt und ist überall zu finden, natürlich auch in der Produktion. Es ist in jeglicher Form vorhanden, von Papierdokumenten, Formularen und Listen bis letztendlich zur elektronischen Form, als Listen und Excel®-Tabellendateien. Informationen werden in der Fertigung „aktiv“ genutzt oder nur „statisch“ ausgehängt: Berichte über Qualitätsabweichungen, Fehlerlisten, Maschinenausfalllisten, Produktivitätskennzahlen, Mitarbeiterlisten, Qualifikationsübersichten, Änderungshinweise, Informationen zur Lagerhaltung. Diese Informationen werden in der Regel manuell geführt und aufbereitet. Dieses Vorgehen ist sehr aufwändig, birgt zudem Probleme im Zugriff und führt vor allem zu Aktualisierungsproblemen. Die Datenhaltung ist durch heutige Dokumentations- und gesetzliche Nachweispflicht extrem aufwändig. Seit Jahren setzen führende Unternehmen Lean Manufacturing-Prinzipien in allen Bereichen um. Lean-Grundsätze schließen neben Prozessoptimierung Themen wie die Erkennung von Verschwendung und die Vermeidung von „nicht wertschöpfenden“ Prozessen systematisch ein. Was bedeutet das in diesem Zusammenhang? Jegliches Papier, manuelles Aufschreiben und auch die elektronische Variante des Papiers, alles muss aus der Fertigung verbannt werden. Das Erfassung von Daten und Informationen auf Papier ist eindeutig ein „nicht-wertschöpfender“ Prozess und hat darüber hinaus andere „nicht wertschöpfende“ Prozesse und Aktivitäten zur Folge. Papierauswertungen sind beispielsweise nicht überall verfügbar und müssen manuell in andere Auswertungen, Listen oder Systeme
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übertragen werden. Die Informationen sind erforderlich, die manuellen Aktivitäten und Prozesse aber nicht. Sie verursachen Kosten, binden Mitarbeiter, sind oft fehlerträchtig und führen vielfach zu falschen, oder zumindest aber zu verspäteten Entscheidungen.
5.13.4 Papierlose Fabrik Es geht auch ohne Papier, da die Evolution der Informationstechnologie inzwischen komfortable, interaktive Möglichkeiten für alle Arbeitsplätze anbietet, auch am Produktionsarbeitsplatz. Durch die technologische Weiterentwicklung von Hardware und Anwendungen wurde aus der einfachen, visualisierten Montageführung ein fertigungsstationsbezogenes „Portal“. „Visual Factory Portal“ von Cellfusion ermöglicht beispielsweise Produktionsmitarbeitern alle erforderlichen Arbeiten, Prozesse und Funktionen „visualisiert und interaktiv“ unterstützt durchzuführen und das manuelle Aufschreiben auf Papier zu ersetzen. In einer modernen Fabrik wird damit, natürlich papierlos, Zero Defect und Total Quality sichergestellt, umgesetzt durch interaktive Funktionen „innerhalb“ der visualisierten Anweisungen und Anwendungen, bereits während des Fertigungsprozesses (Abb. 5.48). Prozessorientierte Informationstechnologie sorgt für erhöhte Effizienz • Visualisierung erhöht die Montagegeschwindigkeit und -genauigkeit gravierend, ermöglicht durch schnelleres Erkennen der Fertigungs- und Montageinhalte bei variantenreichen Produkten oder hohem Produktmix. • Für den Fertigungsprozess erforderliche Komponenten können durch visualisierte Steuerung zielgenau und schnell entnommen werden, Verwechslungen werden bei sehr ähnlich aussehenden Teilen durch farbcodierte Warnungen vermieden. • Mess-, Prüf- und Kalibrierungswerte werden als Ziel und aktuelle Werte automatisch im Prozess festgehalten, Frühwarnportale sorgen für Informationsfluss im Falle von unerwarteten Abweichungen. • Checklisten stellen sicher, dass alle Arbeitsschritte durchgeführt wurden. • Personaleinsatz, Qualifikation und praktische Erfahrung wird automatisch fortgeschrieben und sorgt für einen flexibleren zukünftigen Personaleinsatz. • Interaktive Funktionen ermöglichen auf Knopfdruck die Materialbeschaffung mittels elektronischem Kanban und Just-in-time-Signal. • Schnellster Online-Informationsfluss bei Problemen, Störungen und Ausfällen in alle Bereiche – von Linienlogistik, Instandhaltung, Wartung, Fertigungsplanung bis ins Management – ist gewährleistet. • Transportmittel können interaktiv angefordert, gesteuert und verfolgt werden. Diese und weitere Funktionen erfolgen elektronisch, denn „Zeit ist Geld“ und das kann durch verkürzte Prozessketten und Eliminierung von manuellen und „nicht wertschöpfenden“ Tätigkeiten schnell verdient werden.
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Abb. 5.48 Eine durch „Visual Manufacturing Operation“ unterstützte Folge von Montageschritten: Zusammenstecken und Verschrauben eines Automobilradios. (Quelle: Cellfusion)
5.13.5 Frühwarnportale – Aktion anstatt Reaktion oder Statistiken Informationen werden mit diesen Lösungen automatisch und elektronisch verteilt (beispielsweise als visualisierte Montage- und Qualitätsanweisungen), Störungen oder die Nachschubsteuerung von Materialien setzen sich in Echtzeit (real-time) in einen elektronischen Workflow um und bewirken, dass nachgelagerte und übergeordnete Prozesse und Abteilungen immer auf dem neusten Stand sind. Dadurch kann ungeplanten Entwicklungen frühzeitig und strategisch entgegengewirkt werden, bevor diese einen Einfluss auf Produktivität und Effizienz haben. Die verschiedenen Ebenen des Managements haben die Möglichkeit, im Sekunden- oder Minutenraster zu reagieren und nicht mehr im Tages-, Wochen- oder Monatsraster. Dieses strategische Frühwarnmanagement hat viele positive Nebenwirkungen, die schnell zu drastischen Verbesserungen in Produktivität und Qualität führt. Und wie bei Nebenwirkungen üblich, muss dafür nicht einmal etwas getan werden. Automatisch werden heute alle Fertigungskennzahlen genau dort erzeugt, wo sie
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entstehen und real-time in modernen Fertigungs- und Qualitätsinformationsportalen zur Verfügung gestellt. Mehr noch – und dies ist der gravierende Unterschied zu üblichen Betriebsdatenerfassungssystemen (BDE) – Informationen werden in „pro-aktiven“ Systemen sofort in einen „workflow“ umgesetzt, Informationen sind keine Statistiken, sondern werden umgehend verteilt und aktiv genutzt. BDE-Systeme hingegen bilden die Abläufe in verschiedenen Intervallen der Vergangenheit ab, ermöglichen den Eingriff aber erst, wenn „das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“. Die Anhäufung von Fertigungsdaten und das Erzeugen von Statistiken haben vielfach keine positiven Effekte auf die aktuelle Entwicklung. Letztendlich werden sie nicht mehr wirklich angesehen, da sie immer zu spät kommen. Es geht um Aktion statt Reaktion, da Schnelligkeit zählt. Je schneller ein Problem erkannt und behoben ist, umso eher ist 100 % Produktivität oder Qualität wieder sichergestellt, danach sind dann fast keine Statistiken mehr erforderlich. Dies bedeutet einen weiteren Schritt zur Eliminierung von nicht wertschöpfenden Prozessen. Wie sieht dies praktisch aus? Wenn Fertigungsmitarbeiter zum Beispiel ein Materialversorgungsproblem schnell „per point & click“ melden, weiß der Verantwortliche für Linienlogistik bereits in einem Sekundenbruchteil später Bescheid und kann die entsprechenden Aktivitäten zur Lieferung anstoßen. Das Gleiche gilt für jegliche Art von Störung, von Maschinen, Equipment, Material, Werkzeugen, Vorrichtungen und Qualität: Ein automatischer Workflow wird angestoßen. Dieser Effekt endet auch nicht bei Informationen über den Fortschritt der Produktivität und Effizienzkennzahlen, sondern beinhaltet sogar ein elektronisches Kaizen- und KVP-Workflow-System. Letztendlich ist eine lückenlose Rückverfolgbarkeit als Zusatznutzen vorhanden, da der Informationsfluss an dem Ort beginnt, an dem die Informationen entstehen. Dies bedeutet für gefertigte Produkte: Im Produktionsablauf direkt am Arbeitsplatz. Integrierte Online-Managementkennzahlensysteme Zur sofortigen Behebung von Störungen und zur schnellen Verbesserung von Prozessen wird die Produktion in Echtzeit messbar. Manager und Werksleiter mussten üblicherweise auf ihre manuell zusammengetragenen „Overall Equipment Efficiency“-(OEE) und „First Passed Yield“-(FPY) Auswertungen viel zu lange warten. Mit dem neuen integrierten Real-time-Management-Kennzahlensystem sind diese auf Knopfdruck verfügbar, darstellbar auf jeder gewünschten Hierarchie- oder Verdichtungsstufe. Dies sichert die großartige Möglichkeit, bei Problemen oder negativen Tendenzen sofort einzugreifen, anstatt nach Stunden oder Tagen Statistiken auszuwerten. Alle Produkt-, Produktionsprozess- und Qualitätsinformationen sowie Ergebnisse werden direkt an Arbeitsstationen automatisch oder mit einfachstem point-&-click festgehalten. Der Aufwand wird massiv reduziert. Mit einem verbesserten Produktionsniveau kann kostengünstig gefertigt werden. Höchste Kundenzufriedenheit sichert Marktanteile und höhere Gewinnmargen.
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5.13.6 Die Zukunftsvision in der Informationstechnologie Der nächste evolutionäre Sprung: Visualisierte Anwendungen und Systeme der neuesten Generation reifen mit hoher Geschwindigkeit. Interaktive Visualisierung in laser- und sprachgesteuerten Hightech Brillen, dies alles klingt auf den ersten Blick nach Sciencefiction. Vor einigen Jahren konnte man von Flachbildschirmen und Gigahertz-schnellen PCs nur träumen, da diese Technologie noch unerschwinglich war. Noch vor fünf Jahren haben viele Unternehmen gezögert, PCs in die Fertigung zu stellen. All dies ändert sich mit rasanter Geschwindigkeit. Auch heute sind sprachgesteuerte Laserbrillen noch (zu) teuer und werden kurzfristig nur in speziellen Bereichen Einsatz finden, in denen vollständige Mobilität für Fertigungsmitarbeiter ein Muss ist, wie im Automobilbau. Dies wird sich ebenfalls schnell ändern. Heute werden die Anwendungen für die nächste Generation der Technologie entwickelt, vollständig integrierte Lean-Fertigungs-, Qualitäts-, und Logistikunterstützungen auf allen Ebenen. Die Evolution einer modernen Fabrik Von manueller Informationsübermittlung wie Text, verbaler Kommunikation und gedruckten Bildern über elektronische Verteilung von interaktiven Multimedia-Anwendungen an Fertigungsarbeitsplätze bis zu mobilem Equipment und Hightech Laserbrillen (vgl. Kap. 5.18 Neue Ansätze ergonomischer Kommunikationstechnologien): Was kommt danach? Die Hologramm-Projektionstechnologie und Visualisierung wird „State-of-the-art“.
5.14 Production Synchronized Software (PSS) Eva Dickmann Der Trend zum Standard hat dazu geführt, dass eine Vereinheitlichung der Produktionsund Logistikprozesse und somit auch der zugehörigen Software-Produkte entstanden ist. In manchen Bereichen wurden spezifische Produktions- oder Logistikabläufe an die Bedürfnisse von IT-Produkten angepasst. Oft führte dies zu einer Verbesserung der Prozesse, da die Abläufe von Standardsoftwareprodukten tatsächlich einen guten Ablauf abbilden. In anderen Fällen wurden jedoch hoch entwickelte, effiziente Prozesse, die einen deutlichen Wettbewerbsvorteil darstellten, dem Standard geopfert. Für viele Branchen und Produktionsbereiche anwendbare Standard-Softwareprodukte, wie ERP oder auch APS, decken umfassend und perfekt vernetzt alle Funktionen beliebiger Herstellungsprozesse ab. Zudem existieren spezielle Tools, die besondere Aufgabengebiete wie Kanban mit effizienten Standards abdecken. Letztlich bleiben aber noch einige firmenspezifische Spezialthemen und spezielle Anforderungsprofile, die sich nicht, nur begrenzt oder mit hohem Aufwand über Standards darstellen lassen. „Produktion Synchronized Software“ und „Process Synchronized Software“ [DicE 04] sind maßgeschneiderte Softwarelösungen, die effiziente Prozesse der physischen Welt in der elektronischen Welt abbilden – darin besteht der Wettbewerbsvorteil für die Unternehmen.
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5.14.1 Optimaler Prozess und Standard-MRP-Systeme Die Benutzeroberflächen der Standardanwendung wurden für eine breite Masse unterschiedlichster Produktionsprozesse und für verschiedene Branchen entwickelt. Ein sehr breites Anforderungsprofil kann mit einer großen Menge an Funktionen flexibel abgedeckt werden. Durch die breite Funktionspalette entstehen aus der Sicht der einzelnen Anwendung Diskrepanzen zu den optimalen Prozessen. Diskrepanzen der Standardanwendungen zum optimalen Prozess [DicE 04] • • • • • •
Es existieren Informationen, die nicht benötigt werden. Information sind ähnlich oder redundant. Daten sind nur mit mehrfachen Sprüngen oder Abfragen erreichbar. Daten, die benötigt werden, sind nicht verfügbar. Hardware-Anbindungen, z. B. an Maschinen, Anlagen, Scanner oder Steuerung fehlen. Durch komplexe Eingaben und zu wenigen Korrekturalgorithmen entsteht eine hohe Fehlerrate. • Der Datentransfer, z. B. WEB-Anbindung oder zu Subsystemen (z. B. Lagerverwaltungssysteme, engl. Warehouse Managementsysteme) fehlt. • Eine Änderung seitens des MRP-Herstellers wird oft als zu teuer bewertet, ist nicht erwünscht oder auch nicht möglich. Grundsätzlich bleibt festzustellen, dass Standards Lücken aufweisen. Durch Ausweichstrategien wird versucht, diese mehr oder weniger provisorisch zu schließen. Wünschenswerte Eigenschaften der IT-Systeme, in Hinblick auf optimale Prozesse und hohe Effizienz • Exakte Abbildung von realen, sinnvollen und schnellen Abläufen • Vorhandensein eines Minimums an Daten, die für den Prozess benötigt werden – weniger ist hier mehr • Vollständige Bereitstellung aller Daten, die für den Prozess benötigt werden • Pro Prozess oder Arbeitsablauf möglichst nur eine Oberfläche bzw. keine oder wenige Sprünge • Einfache, gut zu bedienende Funktionen, zum Beispiel Standardeingaben durch Funktionsbuttons Folgen einer mangelnden Anpassung der Benutzeroberflächen an den Produktionsprozess In den Unternehmen wird angestrebt, weitestgehend Standardmasken zu verwenden. Speziallösungen oder Abweichungen von Standards werden vermieden, um Programmier-
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kosten zu sparen, Folgefehler zu vermeiden und bei Releasewechseln Zeit, Kosten und Risiken zu reduzieren. Die Auswirkungen dieser Strategie sind in vielen Unternehmen deutlich zu erkennen: • Umständliches Arbeiten mit IT: z. B. hoher Zeitaufwand, viele Eingaben, komplizierte Abläufe, viele Störungen, viele Fehler, wenig Akzeptanz. • Schlechte Datenqualität: z. B. viele Fehler in den Eingaben, Verwechslungen, Verständnisprobleme aufgrund der hohen Komplexität, fehlende Plausibilitätsprüfungen, wenig Servicegrad zur Fehlervermeidung. • Manuelle „kleine“ Tabellen: Differenzen der bestehenden IT-Systeme zu den realen Anforderung und notwendigen Abläufen führen zu sehr effizienten, kleinen, selbst erzeugten und manuellen Tabellen. Diese Listen sind inhaltlich oft unerlässliche und sehr effiziente Hilfsmittel. Sie bedeuten jedoch manuellen Aufwand für Eingabe bzw. Pflege und sind zudem fehleranfällig und unstabil. • „Selbst erstellte“ Tabellen- und Datenbankanwendungen: Derartige Programme kompensieren die Schwächen der bestehenden IT-Landschaft punktuell. Um eine passende Anwendung mit allen nötigen Daten zu erzeugen, werden Daten komplex verknüpft und zu hilfreichen, praxisbezogenen Lösungen umgesetzt. Durch fehlendes fachliches Wissen in der Anwendungsentwicklung und der Entwicklung von relationalen Datenbanken, mit zum Teil selbst erworbenen Programmierkenntnissen, werden Programme entworfen die fehleranfällig, instabil, umständlich in der Bedienung, nicht vernetzbar und schlecht zu warten sind. Zudem ist, das in diesem Bereich häufig verwendete Datenbank-Managementsystem Access®, nur bedingt geeignet für Multiuserbenutzung und die große Zahl der Datensätze, die im Produktionsumfeld gegeben sind. Hierdurch werden die Applikationen langsam und erzeugen hohen Speicherbedarf. Sowohl die geringe Ausgereiftheit und Fehleranfälligkeit der Tools und die mangelnde Aufgeschlossenheit der „selbsternannten Entwickler“ führt bei den Anwendern zu geringer Akzeptanz. Nur bei ausgetüftelter Datenauswahl führt dieser Weg bei kleinen Anwendungen zum Erfolg. Letztlich unterstreicht diese Problematik die Notwendigkeit von Production Synchronized Software. Da selbst heute noch bei großen Automobilherstellen mehrere hundert allein stehende Programme existieren, in denen u. a. Bestandsdaten oder Stücklisten getrennt gepflegt und ausgewertet werden, wird der große Aufholbedarf sichtbar.
5.14.2 Unabgestimmte IT-Landschaften verhindern effiziente Prozesse Was behindert eine Verbesserung der IT-Landschaft in Bezug auf effizientere Abläufe in den Unternehmen (Abb. 5.49):
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Abb. 5.49 Typische Untergliederung von Softwareprodukten in Produktionsunternehmen
• Geringes interdisziplinäres Verständnis, Interesse oder Qualifikation der IT-Mitarbeiter • Zu oberflächliche und abstrakte Betrachtung der interdisziplinären Prozesse • Stark auf einen Hersteller oder einen Standard fixierte Sichtweise bei der Optimierungsbetrachtung in den Unternehmen • Geringe Selbstkritik in der Optimierung der IT-Prozesse und der Schnittstellen In der Praxis bedeutet das, dass Prozesse an die EDV-Lösung angepasst werden, bzw. auf hoch entwickelte Prozesse verzichtet wird. Soll die hohe Leistungsfähigkeit der Produktion durch speziell angepasste Softwarelösungen gestützt werden, können basierend auf Standard-MRP-Systemen oder beliebigen anderen Systemen passende Spezialanwendungen aufgesetzt werden. Der Vorteil liegt in der individuellen, professionellen Anpassung der Prozesse an den optimalen Produktionsablauf, der Reduzierung der „Datenflut“, einer Abstimmung der IT-Landschaft und einer professionellen, also stabilen und fehlerfreieren IT.
5.14.3 Eigenschaften effizienter individueller PSS-Tools Anstatt mehrerer komplexer Benutzeroberflächen, die trotzdem nicht alle notwendigen Daten bereitstellen, arbeiten die operativen Mitarbeiter (z. B. der Produktion oder anderer indirekter Bereiche) mit möglichst nur einer maßgeschneiderten Oberfläche. Diese sollten ergonomisch optimiert sein, alle nötigen und gleichzeitig keine überflüssigen Daten mehr enthalten. Gleichzeitig sollten alle nötigen Aktionen angestoßen werden können. Elemente von PSS, die zu Effizienz führen, sind [DicE 04]:
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• Prozessanalyse: Detaillierte Analyse der Prozesse, auch der physischen Prozesse, mit den direkten Mitarbeitern. • Informationsanalyse: Welche Informationen benötigt der Werker? Welche hat er? Woher bekommt er die Informationen? Wie sollte er arbeiten (vgl. Kap. 2.11 Heterogene Materialflusssysteme)? • Professionelles Datenbankdesign: garantiert eine Anwendung mit hoher Performance. • Professionelle Anwendungsentwicklung: Basierend auf einer fundierten Analyse der Anforderungen an die Informationsflüsse kann maßgeschneidert eine professionelle Anwendung entwickelt werden. • Poka Yoke – „Mach es gleich richtig“ [Möll 97]: Durch die DV-technische Weiterverarbeitung potenzieren sich Fehler, z. B. in einem kleinen Materialstamm von 10.000 Datensätzen à 50 Felder können mehr als 50.000 fehlerhafte Felder entstehen (vgl. Kap. 5.1 Reduzierung von Fehlerraten in IT-Systemen und Materialfluss). Im Durchschnitt sind nur 90 % der Eingaben korrekt – das ist eindeutig zu wenig, um eine erfolgreiche Materialflusssteuerung sicherzustellen. Die Oberfläche oder die Arbeitsweise sollte so gestaltet sein, dass sie hilft, Fehler zu vermeiden. Fehlerhafte Eingaben müssen soweit möglich eingeschränkt werden. Die Gefahr von Tippfehlern nimmt ab, wenn die Eingaben nicht händisch erfolgen. Geführte Eingaben (z. B. die Auswahl aus Pop-up-Menüs, Buttons mit hinterlegten komplexen Funktionen, Scannen von Barcodes), Plausibilitätschecks, Minimierung der Datenmenge und tabellarische Visualisierungen sind Hilfsmittel, dies zu erreichen. • Führung von Standardeingaben: Standardaufgaben, z. B. mit häufigen gleichartigen Eingaben, können über einfache Buttons mit hinterlegten Funktionen erleichtert und beschleunigt werden. Standardfunktionalitäten wie Auftragsfreigaben können direkt vom operativen Mitarbeiter angestoßen werden und müssen nicht den „langen Weg“ über indirekte Bereiche nehmen. Abrufe per Internet können automatisch generiert werden. Diese kleinen Hilfsmittel bringen die größte Effizienz im operativen Umgang. • Kontinuierliche Verbesserungsprozesse: Bei der Einführung von neuen IT-Systemen wird ein sehr hoher Aufwand betrieben. Bereits vorhandene Daten werden mit viel Kapazität verifiziert, übertragen und das neue System zum Laufen gebracht. 90–95 % der Aufgaben werden im Projektablauf erledigt, die restliche Feinabstimmung geht dann in einen kontinuierlichen Prozess über. Die Feinabstimmung wird in der Realität jedoch nur selten über einen langen Zeitraum und oft mit sehr geringen Kapazitäten durchgeführt. Kontinuierliche Verbesserungen der IT-Konzepte, angelehnt an die Methoden von TPS und Kaizen, können die Effizienz der IT mittel- bis langfristig deutlich erhöhen (vgl. Kap. 5.4 Kaizen in der IT).
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5.14.4 Anwendungsgebiete von PSS Prozess- oder produktionssynchrone Software kann in allen erdenklichen IT-Anwendungsfällen umgesetzt werden. Im Bezug auf die Entwicklung eines optimalen, modernen Materialflusses sind folgende typische Umsetzungen zu nennen: • Professionelle Implementierung eines maßgeschneiderten Programms in Standardsoftwaresysteme (z. B. MRP-System): Das vorhandene MRP-System kann die Aufgabenstellung nicht vollständig erfüllen. Teile des MRP können mit beliebigen anderen Systemen kombiniert werden. Der Steuerungsteil kann dann über ein PSS-Tool abgebildet werden. • Spezifische eKanban-Unterstützungen oder Umsetzungen, die zum Beispiel Maschinen- bzw. Anlageninformationen oder Internetportale nutzen • Steuerungsalgorithmen, die mehrere Produktionsstufen und Anlagenprozesse integrieren • Steuerung und Abgrenzung heterogener Materialflüsse und diverser Steuerungslogiken ( Kanban-Varianten, MRP und Sonderfälle, wie die Abbildung von hybriden Steuerungen und matrixhybriden Systemen, materialnummernneutrales Kanban, Kapazitätsteuerungen etc.) • Abbildung spezieller Controllingtools, z. B. komplexere spezifische ValuestreamControllingtools, prozessbezogene Zeiterfassungsfunktionalitäten zur Prozesskostenrechnung etc. • Einbindung von Simulationstools in Materialfluss und Produktionsabläufe zur Planung • Anbindung von Maschinen und Steuerungen • Spezifische Informationstools für Lieferanten-Kanban- oder Vendor Inventory Management-Komponenten • Komfortable individuelle Anbindung von Lagerverwaltungssystemen (LVS), Maschinen und Anlagen an MRP-Systeme
5.15 IT gestützte Lieferkettenverfolgung 5.15.1 Kundenlogistik, Zollabwicklung und Warenverfolgung mit einer Online-Plattform entlang der Lieferkette Transparente und sichere Lieferketten durch durchgängige Softwareunterstützung Markus Meißner Der Einsatz von IT ist in der heutigen Logistikabwicklung nicht mehr wegzudenken. Die Supply Chains der Unternehmen werden immer komplexer und internationaler. Nicht nur
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Großkonzerne, sondern auch mittelständische Unternehmen haben Zulieferer und Kunden in Asien, den USA oder Lateinamerika. Der Datenaustausch zwischen den beteiligten Partnern entlang der Supply Chain ist notwendig, um einen reibungslosen Warenfluss sicherzustellen. Ein SCM-System schafft die nötige Transparenz, um geplante und eingetroffene Ereignisse entlang der Lieferkette zu synchronisieren und hilft so, die Abstimmung zwischen den beteiligten Unternehmen zu verbessern. Die Risiken in der Lieferkette wachsen. Dazu zählen einerseits alltägliche Zwischenfälle wie Staus und Wartezeiten an der Grenze, andererseits auch außergewöhnliche Ereignisse wie ein von Piraten gekapertes Schiff oder ein Tornado, der eine Bahnstrecke unpassierbar macht. Kommt es zu Störungen, hat das aufgrund der zunehmenden Abhängigkeiten und niedriger Bestände oftmals drastische Folgen. Zudem stellt die Einhaltung von gesetzlichen Regelungen Unternehmen vor eine weitere Herausforderung. Wie können die Vorschriften zur Exportkontrolle und Antiterrorverordnungen eingehalten werden ohne gleichzeitig den Warenfluss zu bremsen und die Lieferfähigkeit zu gefährden? Eine agile und widerstandsfähige Supply Chain zeichnet sich dadurch aus, dass sie schnell und flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren kann. Hier setzt die IT an. Die Softwaresuite ASSIST4 von AEB automatisiert und unterstützt alle Prozessschritte im Lager und entlang der gesamten Lieferkette, macht den Warenfluss transparent und beschleunigt ihn dadurch (Abb. 5.50). Das SCM-System sorgt dafür, dass viele Prozessschritte automatisiert ablaufen. Es unterstützt bei der Auswahl der Transportrouten und des Spediteurs, berechnet vorab Frachtkosten, erstellt Zollanmeldungen und überwacht die Performance – all das, um ein möglichst risikoarmes und performantes Liefernetzwerk zu erhalten.
5.15.2 Integrierte Zollabwicklung beschleunigt den Warenfluss Die Zeiten, in denen Unternehmen ihre Zollformalitäten auf Papier abwickelten, gehören längst der Vergangenheit an. Ein Motor für die Einführung der elektronischen Systeme wie das Automated Export System (AES) war der Wunsch der Behörden, Warenströme besser zu kontrollieren und Risiken von der Supply Chain abzuwenden. Heute ist die elektronische Datenübermittlung die Norm. Die Daten werden automatisiert, durch die IT-Systeme kontrolliert und maschinell auf Plausibilität und Vollständigkeit überprüft. Das bedeutet für die Unternehmen: • Daten müssen fließen, bevor die Waren bewegt werden. • Fehlermeldungen bedeuten immer auch eine Zeitverzögerung. Unternehmen können von der digitalen Vernetzung profitieren. Voraussetzung ist, dass sie ihre Zollprozesse automatisiert abwickeln und die Zollabwicklung in bestehende Logistikprozesse integriert haben. Wer beispielsweise die Exportangaben seines Lieferanten
Abb. 5.50 Zollabwicklung integriert in den logistischen Warenfluss – Status einer Ausfuhr immer schnell im Blick
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für die eigene Importanmeldung nutzen kann, kann dadurch den eigenen Importprozess beschleunigen und schneller über seine Waren verfügen. Das Zollrecht bietet Unternehmen eine Reihe von Erleichterungen. Beispielsweise kann man mit der Einrichtung eines Zolllagers Zollabgaben erst mit zeitlicher Verzögerung zahlen. Ein Unternehmen, das Präferenzen nutzt – also Freihandelskommen zwischen der EU und anderen Staaten – verfügt über Wettbewerbsvorteile, wenn seine Kunden weniger oder gar keinen Zoll zahlen müssen. Allerdings gibt es bei der Ausfuhr und Einfuhr von Waren eine Vielzahl von Vorschriften wie Embargos, Sanktionen und Dual-Use-Verordnungen der EU zu beachten. Bestimmte Güter lassen sich nur mit einer Ausfuhrgenehmigung exportieren. Die Installation eines Global Trade Managements im Unternehmen bedeutet, die Regeln zu seinem Vorteil anzuwenden und sie nicht als Hemmschuh zu begreifen. Eine intelligente Softwareunterstützung sorgt dafür, dass sich viele Arbeitsschritte automatisiert vollziehen – ein Assistent in der Software gibt den nächsten Arbeitsschritt vor und passt auf, dass Prozesse fehlerfrei und standardisiert ablaufen. Eine durchgängige IT-Unterstützung ermöglicht es, dass Waren schneller vereinnahmt und ausgeliefert werden. Sie stellt sicher, dass bei der Nutzung von Zollverfahren die Regeln und Vorschriften eingehalten werden, bzw. auf fehlende Genehmigungen oder Exportkontrollvorschriften rechtzeitig hingewiesen wird.
5.15.3 Sanktionslisten-Screening und Exportkontrolle: Sicher handeln in unsicheren Zeiten Es ist keine einfache Aufgabe, Exportkontrolle in den betrieblichen Alltag zu integrieren und dafür zu sorgen, dass die Vorschriften von allen Mitarbeitern „gelebt“ werden. Die Unternehmen tragen die Verantwortung dafür, dass niemand beauftragt oder beliefert wird, der auf einer Sanktionsliste steht. Ohne Softwareunterstützung ist es nahezu unmöglich, dies sicherzustellen, denn Embargo-Verordnungen der EU und die Sanktionslisten, die auch von US-Behörden veröffentlicht werden, unterliegen ständigen Änderungen und Aktualisierungen. Die Compliance-Software hilft Exportsachbearbeitern und Exportkontrollverantwortlichen, gesetzliche Regeln einzuhalten, ohne den Warenfluss zu behindern. Bereits bei Auftragsanlage prüft die Software auf Länderembargos und den Endverwendungszweck und macht die Verantwortlichen auf potenzielle Verstöße gegen Exportkontrollvorschriften aufmerksam. Die Software ermöglicht nicht nur das automatisierte Sanktionslisten-Screening, sondern unterstützt exportierende Firmen dabei, Ausfuhrverbote und Genehmigungspflichten einzuhalten. Sowohl Änderungen an den Sanktionslisten als auch Gesetzesänderungen bei den Exportkontrollvorschriften werden laufend in der Software aktualisiert.
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Abb. 5.51 Durchgängige IT-Unterstützung für alle Prozesse im Warehouse: Dazu gehören die Sendungskonsolidierung, das qualifizierte Verpacken, die Erstellung aller Labels und Einlieferungslisten, die elektronische Übermittlung der Daten an die Logistikdienstleister sowie die Warenausgangskontrolle
5.15.4 Automatisiertes Transport- und Frachtkostenmanagement (Transport & Freight Management) Die Software konsolidiert Aufträge und wählt die passenden Transportdienstleister nach Vorgaben wie Preis oder Serviceleistungen aus. Sie druckt die benötigten Dokumente, übermittelt elektronische Nachrichten und sorgt mit ihrem Assistenten für die Einhaltung der Vorgaben von Kunden, Zoll und Transporteuren (Abb. 5.51). Mithilfe der Software lassen sich Angebote und Tarife der Carrier einfach verwalten. Sie bilden die Basis, um Transportkosten im Vorfeld exakt zu ermitteln. Die kalkulierten Kosten können dann automatisch mit den einzelnen Positionen der Frachtrechnungen abgeglichen werden. Auf diese Weise werden Abweichungen bei Rechnungen sofort erkannt und zu hohe Zahlungen vermieden. Alternativ kann das Gutschrift-Verfahren und E-Billing genutzt werden. Hierbei stellt der Logistikdienstleiter keine Rechnung aus, sondern er erhält auf der Basis der ermittelten Frachtkosten eine Gutschrift.
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Aus der Praxis
5.15.5 Praxisbericht Maschinen- und Werkzeughersteller – mehr Servicequalität durch den Einsatz einer Visibility & Collaboration-Plattform für Transport- und Auftragsverfolgung entlang der Lieferkette Sabine Mertens Die AMADA GmbH ist die deutsche Tochter eines japanischen Maschinen- und Werkzeugherstellers für die Blechbearbeitung mit Hauptsitz in Haan bei Düsseldorf. Seit September 2011 ist die Customs Management- und Transport & Freight Management-Lösung der AEB im Einsatz. Daneben nutzt AMADA auch die Visibility & Collaboration-Plattform der AEB, eine Online-Lösung, über die Mitarbeiter im Service und Verkauf jederzeit den Sendungsstatus einer Lieferung abrufen können. Die Transparenz über die gesamte Lieferkette hat dazu geführt, dass die Servicequalität gegenüber den AMADA-Kunden gesteigert werden konnte. Ab dem Moment, in dem die Kunden ein „Lieferversprechen“ erhalten, also ab Druck der Auftragsbestätigung, fließen die Daten in die Visibility-Plattform (Abb. 5.52). Hier sind dann alle weiteren Schritte abrufbar, vom Verpacken und Druck der Dokumente über die Ankunft im Depot des Spediteurs bis zum Wareneingang beim Kunden. Über 60 Mitarbeiter haben Zugang zur Online-Plattform. Die Verkaufsmitarbeiter sind unmittelbar auskunftsfähig und müssen nicht erst umständlich den Lieferstatus erfragen oder auf den Webseiten der Transportdienstleister nachforschen. Bei sich anbahnenden Lieferverzögerungen kann rechtzeitig gegengesteuert werden. Das Unternehmen nutzt die Lösung dazu, um intern die Liefertermine zu überwachen und die Laufzeiten nach vorne und hinten zu berechnen. Es werden Warnstufen definiert für den Fall, dass ein Meilenstein nicht planmäßig erreicht wird. So wird sichergestellt, dass frühzeitig gepickt wird und dem Kunden jederzeit zuverlässige Lieferinformationen gegeben werden können. Bei der Ersatzteilversorgung bedeutet mehr Transparenz durch die Visibility & Collaboration-Plattform mehr Service. Eine Störung in einer der Maschinen wurde schon immer schnell gemeldet. Ab Auftragseingang sind heute der komplette Versand und die Belieferung online nachvollziehbar und können überwacht werden. Seit Ende 2013 haben Kunden mit Partner-Status und Kunden mit speziellen Serviceverträgen Zugang zur Online-Plattform. Sie können sich heute eigenständig über den Sendungsstatus informieren.
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Abb. 5.52 Eine Online-Plattform ermöglicht die Nachverfolgung der kompletten Lieferkette. Das Unternehmen definiert die Meilensteine, die es überwachen will, zum Beispiel die Erledigung der Zollanmeldung und die Zustellung beim Kunden
5.16 Navigation in der Intralogistik Philipp Dickmann Navigationssysteme sind heute im Straßenverkehr Standard. Sie ermöglichen es uns, ohne viel Suchen, ohne langwierige Kartenbesorgung und ohne sich zuerst eine Übersicht verschaffen zu müssen, schnell ein neues Ziel zu finden. Tatsächlich konnten wir bei verschiedenen Projekten feststellen, dass ein Logistiker bei chaotischen Lägern und ganz besonders in unübersichtlichen Blocklägern einen erheblichen Zeitaufwand für das Suchen benötigen kann. Ein chaotisches Lager ist ein Lager, bei dem die Lagerplätze nach zufälliger Reihenfolge vergeben und benutzt werden. Tatsächlich ist eine chaotische Lagerstruktur als Blocklager eine ausgesprochen ineffektive Variante. Durch Umstapeln entstehen viele Zwischenarbeitsabläufe. Da viele Unternehmen weniger mit idealen, als mit „historisch entstandenen“ Lagerflächen auskommen müssen, ist dies manchmal unumgänglich. Ein Navigationssystem, das zudem eine Routenoptimierung abbilden kann, spart Zeit ein.
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Abb. 5.53 Navigationssystem für Staplereinsatz, SLS-Wegeoptimierung. (Quelle: SEP Logistik AG)
Navigationssysteme in der Intralogistik (Abb. 5.53) haben folgende Eigenschaften: • Optimale Wege bei der Kommissionierung durch Routenoptimierung, vor allem mit Staplern; • Suchen und Bestandsfehler werden reduziert; • Einfachere Buchung bei Pick, Auftrag und Inventur; • Hohe Einsparung vor allem bei größeren komplexen Lagerflächen mit vielen Staplerstrecken, Blocklagern oder anderen manuellen Lagerflächen; • Gleichzeitige Kommissionierung paralleler Aufträge ist möglich; • Anlernen der Lagerstruktur wird weitgehend reduziert; • Allerdings setzen die Methoden Technik, IT und Datenpflege voraus.
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5.17 Identifizieren mit automatischer Identifikation (Auto-ID) – Radio Frequency Identification (RFID) und/oder Barcode Thomas Rosenhammer Automatisiertes Kennzeichnen und Identifizieren in der Logistik ist für einen sicheren Ablauf mehr als nur eine Option. Je nach Menge der Produkte bzw. Waren, die bewegt werden, liegt hier auch ein enormes Einsparpotenzial. Als selbstverständlich wird die Kennzeichnung von Gütern mittels eines Etiketts und eines Barcodes vorausgesetzt, aber ist dies die einzige (sinnvolle) Möglichkeit? Folgender Abschnitt setzt sich mit dem Thema Auto-ID auseinander und betrachtet insbesondere die Möglichkeiten von Radio Frequency Identification (RFID) im Warenfluss.
5.17.1 Auto-ID – Welche Technologien gibt es? Automatische Identifizierung, kurz Auto-ID, begegnet uns im täglichen Leben bei Zutrittskontrollen, an der Supermarktkasse, beim Bankautomaten usw. Dem Bereich AutoID sind folgende Systeme zuzuordnen: • • • • • • • •
Barcode (1D und 2D Codes) Chipkarten/Magnetkarten OCR-(Optical Character Recognition)-Klarschrifterkennung Biometrische Verfahren Iris-Scan Fingerabdruck-Scan Handflächen-Scan Radio Frequency Identification (RFID)
5.17.2 Gegenüberstellung der verschiedenen Technologien Wie bereits erwähnt, sind Barcodes als Standard im Materialfluss etabliert. Welche Vorund Nachteile die verschiedenen Technologien bieten, kann der folgenden Übersicht entnommen werden (Tab. 5.4): Die Klarschrifterkennung Optical Character Recogniton (OCR) ist Standard im Bereich der Briefpost. Die Verteilungszentren sortieren automatisch nach Postleitzahlen. 2-D-Code, z. B. Datamatrix, wird häufig im Dokumentenfluss eingesetzt, z. B. bei Behörden. Datamatrix findet sich etwa im Adressfeld oder zwischen den Lochungen bei den Schreiben des Finanzamts. Barcode EAN128 (European Article Number), in Form einer „Nummer der Versandeinheit“ (NVE), hat sich für den übergreifenden Warentransport, d. h. zwischen Unternehmen, durchgesetzt. Ähnlich, nur mit dem Medium
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5 EDV-Unterstützung in der Produktion und im Materialfluss Tab. 5.4 Gegenüberstellung der Identifikationstechnologien Leseabstand Lesege- Daten- Schreischwin- menge ben digkeit Barcode Linear Code Barcode 2-D Code Chipkarten Magnetkarten OCR[d] Biometrische Verfahren RFID
Ca. 0,5 m[a,b] Ca. 0,4 m[a] Auf Kontakt Auf Kontakt Ca. 0,1 m[a] Auf Kontakt Bis zu 5 m[c]
a abhängig von Lesegerät, Distanzangabe für Standardlesegerät, b mit Long-Range Scanner bis zu 10 m, c UHF Technologie mit 2 W Leistung, d Optical Character Recogniton
+++ + ++ + + + +++c
+ ++ +++ + +++ +++ +++
nein nein ja ja nein nein ja
Verschlüsselung, Datensicherheit
Kosten
0 0 + 0 0 +++ +++
+ ++ + + +++ +++ +++c
0 keine + niedrig ++ mittel +++ hoch
RFID, versucht die GS1 (Normierungsorganisation: Global Standards for Business) dies mit dem Elektronischen Produktcode (EPC) zu etablieren. Die biometrischen Verfahren, Chip- und Magnetkarten spielen im Materialfluss keine wesentliche Rolle. Grund dafür ist, dass diese Technologien ihre Informationen nur über Kontakt-Lesegeräte weitergeben.
5.17.3 Barcode versus RFID Unternehmen befürchten vielfach, dass sie bei der Einführung von automatisierter Kennzeichnung und Identifizierung aufs „falsche Pferd setzen“. Deshalb hier ein Überblick der Vor- und Nachteile der beiden Haupttechnologien Barcode und RFID: Vorteile RFID • • • •
Möglichkeit, ohne Sichtkontakt Produkte zu identifizieren Lese- und Schreibmöglichkeit Bulk Reading (gleichzeitiges Lesen mehrerer Produkte) Möglichkeit, beim Einsatz von Spezialchips Spezialapplikationen zu lösen – z. B. RFID Chip, der auch die Temperatur speichern kann, für den Transport von Tiefkühlware
Vorteile Barcode • Preiswerte, flächendeckend verfügbare, standardisierte Technik • Einheitliche Normierung (EAN, UPC Code Standards)
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Abb. 5.54 Übersicht der Eigenschaften von RFID
Bauform
Normierung
Frequenz
RFID
Aktiv/Passiv
Speicher Read only, Read/write
5.17.4 Eigenschaften von Transpondern Derzeit wird viel über RFID berichtet, meist im Zusammenhang mit der Metro Group und dem Future Store. Das kleine Detail, dass es sich hier um die sogenannte Ultra-highfrequency-RFID (UHF-RFID) Technologie handelt, wird selten erwähnt, dabei ist diese wegen der großen Lesereichweiten die eigentliche Neuheit. Grundsätzlich ist RFID keine neue Technologie, sie ist den Meisten bereits durch den täglichen Gebrauch „bekannt“, sei es die Wegfahrsperre im Auto, der Türöffner am Firmentor oder die Zeiterfassung in den Betrieben usw. RFID-Tags oder auch Transponder können nach einer Vielzahl von Eigenschaften eingeordnet und unterschieden werden. Nicht jeder Transponder eignet sich, aufgrund unterschiedlichster Eigenschaften, für Aufgaben im Materialfluss. Abbildung 5.54 gibt eine Übersicht über die Eigenschaften von RFID.
5.17.5 Einsatzbeispiele verschiedener Frequenztypen Eine pauschale Aussage, welche Bauform, wie viel Speicher oder welche Frequenz geeignet ist, kann nicht getroffen werden und sollte je nach Aufgabenstellung untersucht werden. Am wichtigsten erscheint die Unterscheidung anhand der Frequenz (Tab. 5.5). Die RFID-Technik ist von der Low-frequency- (LF) über die High-frequency- (HF) zur UHF-Technik „gewachsen“. Für die verschiedenen Frequenzen sind immer eigene Leseund Schreibgeräte nötig; die zueinander nicht kompatibel sind. LF – 125 KHz • Wegfahrsperre im Auto. • Brieftaubenidentifizierung: Transponder wird mit einer Manschette am Bein der Taube befestigt, am Eingang des Taubenschlages befindet sich das Lesegerät • Skipass-Kontrolle (u. a. Swatch Access Uhr) • Zutrittskontrolle • Markierung von Schlachtvieh • Kennzeichnung von Bierkegs
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5 EDV-Unterstützung in der Produktion und im Materialfluss Tab. 5.5 Unterschiede der Frequenztypen für RFID-Lese- und Schreibgeräte HF – 13,65 MHz UHF – 868 MHz LF – 125 KHz Frequenz
125 KHz
13,65 MHz
866–868 MHz Europa 902–928 MHz USA 950–956 MHz Japan bis ca. 5 m[a] hoch standard standard hoch gering
bis ca. 40 cm[a] Leseabstand bis ca. 5 cm[a] Lesegeschwindigkeit gering mittel Lesen und Schreiben mit Spezialchip standard Bulk Reading nein standard Datenmenge schlecht mittel Standardisierung mittel mittel Lesegeräte Preise für Lesegerät mittel mittel sehr hoch Preise für Tag mittel mittel mittel a mit den max. in Deutschland erlaubten 2 Watt Leistung, abhängig von Antennen
HF – 13,65 MHz • • • •
Bibliotheken: Kennzeichnung von Büchern Haustiere: „Impfnachweis“ in Glastranspondern unter der Haut Sportveranstaltung: Zeitnahme Zutrittskontrolle
UHF 868 MHz • Sportveranstaltung: Zeitnahme • KFZ: Reifendrucküberwachung • KFZ: „Keyless Entry“ – schlüsselloser Eintritt (Kombination aus HF und UHF Technik) • Logistik: Kennzeichnung von Paletten, Lesen beim Durchfahren des Staplers durch „RFID-Gates“ Auto-IDs stellen mit dem eingesetzten Datenmedium die Weichen, für die Anwendbarkeit Technologie.
5.17.6 Ersetzt RFID den Barcode – Wo sind die Grenzen? Ersetzt die RFID Technik bald den Barcode? – Dies ist nicht zu erwarten, da der Strichcode eine unschlagbar günstige Technologie ist. RFID im Bereich Auto-ID ist eine Ergänzung. Folgendes Beispiel belegt das: „Wenn Sie morgens am Frühstückstisch sitzen und einen Blick auf Ihre Müslipackung, Marmeladengläser, Butter, Milchtüten usw. werfen,
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werden Sie auf jedem dieser Produkte ein EAN-Barcode für die automatische Identifizierung an der Supermarktkasse finden.“ Um wie viel würde sich der Preis des Produktes reduzieren, wenn der Barcode auf der Verpackung weggelassen wird? „Um 0,00 Euro!“ Anders verhält es sich bei der Kennzeichnung mit RFID. Hier würde immerhin ein Mikrochip mit Antenne eingespart. Nach Einschätzung der deutschen Abteilung der Standardisierungsorganisation – GS1 Germany (Global Standards One) – wird eine Kennzeichnung des Einzelprodukts im Konsumgüterbereich frühestens in 10–15 Jahren erwartet, wenn überhaupt. Einsparungen lassen sich allerdings im Bereich der Logistik erzielen, etwa bei der Kennzeichnung von Paletten und anderer Ladungsträger. Vorteile der Kennzeichnung mit RFID • Eindeutige Zuordnung der Güter innerhalb der Logistikkette. • Das Lesen und Beschreiben der RFID-Tags kann automatisiert werden, dies bedeutet Zeitersparnis. • Zusatzapplikationen werden Realität, z. B. Transponder zur Qualitätsverbesserung überwacht, dass Tiefkühlprodukte keine Mindesttemperatur überschreiten. • Weniger Schwund, da verlorene Teile aufgespürt werden können. • Messwerte und Rückverfolgungsdaten können am Produkt mit geringem Aufwand automatisch ergänzt werden. • Daten verbauter Einzelteile, Baugruppen oder Teile, die bei Nacharbeit ausgetauscht wurden, können Baugruppen am Objekt zugeordnet werden. • Informationen können dezentral, direkt am physischen Material mit höherer Zuordnungssicherheit mitgeführt werden. Auch wenn z. B. Behälterzuordnungen vertauscht werden, bleiben die Daten richtig. Für den Materialfluss innerhalb eines Unternehmens ist man nicht an Standards oder Normen gebunden. Es kann sowohl das Medium (Barcode, Chipkarte, RFID etc.) als auch die Detailspezifikation (z. B. Barcode = > 2-D-Code = > DataMatrix) frei gewählt werden. Verlässt der Materialfluss das Unternehmen und soll die Kennzeichnung auch von Kunden gelesen und weiterverwendet werden, macht es Sinn, die bereits bestehenden Normen zu verwenden.
5.17.7 Verwendete Auto-ID-Standards • EAN-8-, EAN-13-Code: Die European Article Number wird bei Konsumgütern verwendet. Der EAN-Code (European Article Number) beinhaltet ein Länderkennzeichen, eine Betriebsnummer und eine Anzahl von freien Zeichen für die Artikelnummer. Ein EAN-13- oder EAN-8-Code wird in Deutschland von der GS1 ehemals CCG (Centrale für Coorganisation) auf Antrag vergeben. Der EAN-8- bzw. EAN-13-Code kennzeichnet ein Produkt z. B. von der Herstellung bis zur Supermarktkasse.
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• NVE Label (Nummer der Versandeinheit): Die Nummer der Versandeinheit ist eine weltweit eindeutige Nummer zur Identifizierung einer Versandeinheit (z. B. Palette). Zur Generierung einer NVE ist eine Betriebsnummer von GS1 Germany erforderlich. Das NVE-Label wird mit der EAN-128-Strichcode-Symbologie generiert. Datenbezeichnung, z. B. „00“ Kennzeichen die enthaltenen Informationen, z. B. Artikelnummer, Chargennummer, Mindesthaltbarkeit, Gewicht. Eine NVE-Kennzeichnung ist eindeutig, alle Teilnehmer garantieren, dass sich eine NVE-Nummer frühestens nach 10 Jahren wiederholt. Die Details wie das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), Gewicht, Bestellnummer etc. können – müssen aber nicht – in einem zweiten oder dritten Barcode auf dem NVE-Label angegeben werden. Dies wird meist individuell zwischen Lieferant und Kunden definiert. • ISBN-Code für Bücher: Die 13-stellige EAN für Bücher und andere Verlagsprodukte wird erzeugt, indem der 10-stelligen ISBN (International Standard Book Number) die Zahl 978 vorgesetzt wird bzw. 977 bei Zeitschriften mit ISSN Code (International Standard Serial Number). Eindeutige Kennzeichnung von Printprodukten ist möglich. Umfangreiche Datenbanken sind vorhanden. So können anhand der ISBN-Nummer Printprodukte bestellt, nachbestellt oder nachgedruckt werden. • EPC (Electronic Product Code): Im Gegensatz zum herkömmlichen Barcode wird für die Speicherung ein RFID-Tag genutzt. Es ist eine mittelfristige Ablösung des NVELabels angestrebt. Mit dem EPC ist auch eine übergreifende Datenbank „ein Internet der Güter“ geplant. Die meisten in der Praxis realisierten RFID-Anwendungen sind Individuallösungen, die in einem Unternehmen, z. B. von der Produktion bis zum Warenausgang, Anwendung finden. Der hohe Preis für einen RFID-Tag amortisiert sich hier, weil die meisten Anwendungen die Behälter oder eine Karte, und nicht die Waren kennzeichnen und diese in einem Kreislauf immer wieder verwenden. Die in der Praxis (bisher) eingesetzte Technologie ist LF oder HF.
5.18 Neue Ansätze ergonomischer Kommunikationstechnologien zu MRP-Systemen Michael F. Zäh, Henning Rudolf, Wolfgang Vogl, Mathey Wiesbeck Die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Betriebe hängt laut einer aktuellen Studie des Fraunhofer ISI [Schirr 03] entscheidend von der Fähigkeit ab, „mit technologisch führenden Produkten und einer flexiblen und leistungsfähigen Produktion kundenindividuelle Produkte höchster Qualität herstellen zu können“. Der vorliegende Beitrag behandelt ergonomische Kommunikationstechnologien in der hochvariantenreichen, manuellen Montage. Die zu lösenden Problemfelder sind zum einen die Bereitstellung einer großen Anzahl an Bauteilen für die Vielzahl der Varianten und zum anderen die Führung des
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Mitarbeiters durch einen hochkomplexen Montageablauf mit unterschiedlichen Arbeitsschritten. Basis für neue wirtschaftliche Lösungen sind eine effiziente Identifikation der Bauteile sowie eine ergonomische Bereitstellung von Arbeitsanweisungen für den Montagemitarbeiter. Im vorliegenden Artikel werden verschiedene Systeme zur Objektidentifikation, zur Erstellung von Montageanweisungen und zu deren Bereitstellung aufgezeigt. Es werden jeweils die Vor- und Nachteile der Einzelsysteme dargestellt. Darüber hinaus wird das Potenzial bei der Verbindung zu einem Gesamtansatz in einem Montageszenario für eine hochvariantenreiche Montage aufgezeigt. Im folgenden Kapitel „Identifikation im Montageprozess“ werden die für die Umsetzung notwendigen Anforderungen an die Identifikationstechnik erläutert und die verschiedenen Technologien miteinander verglichen. Im Anschluss daran erfolgt eine Betrachtung der Methoden und Systeme zur Erstellung von Montageanweisungen und der Möglichkeiten zu deren Visualisierung.
5.18.1 Techniken zur Identifikation im Montageprozess Die effiziente und eindeutige Identifikation im Montageprozess steht in Bezug zur Identifikation in Produktions- und Logistikanwendungen. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick verschiedener Techniken gegeben, die miteinander im Anschluss verglichen werden. Weiterführende Detailinformationen zur Identifikationstechnologie finden Sie im Beitrag in Kap. 5.17 Identifizieren mit RFID und/oder Barcode – Auto-ID. Klarschrift Die Klarschrifterkennung (engl. Optical Character Recogniton: OCR) erlaubt die Erkennung von Information in maschinell oder auch handschriftlich erstellten Texten. Vorteil hierbei ist, dass seitens der bestehenden Informationsträger keine aufwändigen Änderungen durchzuführen sind. Die komplexere Erkennung von Handschriften kann zur Weitergabe von Informationen, wie Fehlermeldungen oder variantenspezifischen Merkmalen, an im Montageablauf folgende Arbeitsplätze verwendet werden. Barcode Der Barcode (Strichcode) besteht aus einem Feld von parallel angeordneten Strichen und Trennlücken in einem bestimmten Muster und wird durch optische Laserabtastung ausgelesen. Aufgrund seiner geringen Kosten und der hohen Standardisierung hat sich der Barcode in den vergangenen Jahrzehnten zur meistverbreiteten Identifikationstechnik entwickelt [Fink 02, Andr 04]. Zu den Nachteilen des Barcodes zählen, dass das Auslesen der Informationen eine direkte Sichtverbindung zwischen dem Lesegerät und dem Barcode erfordert und der Barcode im Vergleich zu anderen elektronischen Identifikationstechniken relativ anfällig gegenüber Feuchtigkeit, Verschmutzung und Beschädigung ist.
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Chipkarten Chipkarten sind elektronische Datenspeicher, die wegen der besseren Handhabung in eine brieftaschentaugliche Plastikkarte integriert sind. Über Kontaktfedern wird in einem Lesegerät eine galvanische Verbindung zu den Kontaktflächen der Chipkarte hergestellt [Fink 02]. Einer der wesentlichen Vorteile der Chipkarte liegt darin, dass die in ihr gespeicherten Informationen weitestgehend gegen unerwünschten Zugriff und Manipulation geschützt sind [Fink 02]. Ein Nachteil der Chipkarte ist die Anfälligkeit der Kontakte für Abnutzung, Korrosion und Verschmutzung. Radio Frequency Identification (RFID) Der Begriff RFID bezeichnet eine Technologie, bei der mobile Datenspeicher über Funk ausgelesen und beschrieben werden können. Ein RFID-System besteht aus den folgenden drei Komponenten [Fink 02]: • Einem mobilen Datenspeicher, Transponder oder auch Tag genannt. Transponder ist ein Kunstwort, das sich aus den beiden englischen Begriffen „transmitter“ (Sender) und „responder“ (Antwortgeber) zusammensetzt. Der Transponder kann ausgelesen und je nach Ausführung auch wieder beschrieben werden. • Einem Schreib-/Lesegerät, das die in seinem Ansprechbereich befindlichen Transponder gezielt ansprechen, ihre Daten auslesen und die Transponder je nach Ausführung neu beschreiben kann. Das Schreib-/Lesegerät verfügt über eine Schnittstelle, die die Anbindung des RFID-Systems an ein Computersystem erlaubt. • Einem Rechner, der die Aktivitäten des RFID-Systems über eine Applikationssoftware steuert. Im Montageprozess ermöglicht die RFID-Technik eine vielfältige Entwicklung der situationsbezogenen Interaktion, welche über die reine Identifikation hinausgeht. Transponder-behaftete Bauteile können Geometrieinformationen oder Handhabungsanweisungen tragen und ermöglichen in bestimmten Umgebungen eine Erfassung ganzer Regalsysteme („Pulkerfassung“). Vergleich der Identifikationstechniken Die oben genannten automatischen Identifikationssysteme (Auto-ID-Systeme) stehen in verschiedenen Anwendungsfeldern im Wettbewerb. Ein Vergleich der Systeme bezüglich ausgewählter Eigenschaften ermöglicht die gezielte Auswahl einer Identifikationstechnik (Tab. 5.6).
hoch sehr hoch kein Einfluss Totalausfall hoch mittel
gering
gering eher gering u. U. sehr hoch u. U. hoch eher gering kein Einfluss
mittel gering
Standardisierung
sehr hoch
nein ja nein bedingt sehr gering
1–100 schnell 0–50 cm
16–64 k sehr schnell 0–100 m ja nein möglich unmöglich hoch
Barcode
RFID
Variabler Informationsträger Sichtkontakt erforderlich Pulkfähigkeit Lesbarkeit durch Personen Kosten Funktionssicherheit Empfindlichkeit: mechanische, thermische, chemische Einflüsse Einfluss von Feuchtigkeit und Verschmutzung Einfluss von elektromagnetischen Störquellen Einfluss von Zwischen- und Hintergrundmaterial Einfluss von Richtung und Lage Einfluss von Abnutzung und Verschleiß Sonstiges Informationssicherheit
Tab. 5.6 Vergleich der Identifikationstechniken Systemparameter Leistungsfähigkeit Typische Datenmenge (Byte) Lesegeschwindigkeit (incl. Handhabung) Lesereichweite
sehr hoch
hoch
hoch sehr hoch kein Einfluss Totalausfall sehr hoch mittel
ja ja nein unmöglich gering
16–64 k schnell Direkter kontakt
Chipkarte
sehr gering
hoch sehr hoch kein Einfluss Totalausfall hoch hoch
< 1 cm nein nein nein sehr gut mittel
1–100 schnell
OCR
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5 EDV-Unterstützung in der Produktion und im Materialfluss
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5.18.2 Methoden und Systeme zur Erstellung von Montageanweisungen Die Montage stellt die Vollendungsphase des Produktentstehungsprozesses dar, in die die Ergebnisse sämtlicher vorhergehender Produktionsbereiche eingehen. Sie umfasst damit nicht nur ein mechanisches Fügen aller Einzelteile und Baugruppen, sondern schließt auch alle erforderlichen Nebentätigkeiten ein. Sie kann in folgende Teilfunktionen untergliedert werden: • • • • • •
Kommissionieren Handhaben Justieren (Einstellen, Abstimmen, Anpassen) Kontrollieren Fügen Sonderfunktionen (Reinigen, Entgraten, Markieren, …)
Aufgrund der Komplexität der Aufgabe ist es oftmals notwendig, diese detailliert in Form eines Montagearbeitsplans zu strukturieren (Abb. 5.55). Der Montagearbeitsplan enthält Informationen über das Erzeugnis, die Betriebsmittel am jeweiligen Arbeitsplatz sowie
Abb. 5.55 Montagearbeitsplan
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P. Dickmann et al.
Abb. 5.56 EDV-Systeme in der Arbeitsplanung
über die Reihenfolge der konkreten Montagearbeitsvorgänge mit den dazugehörigen Vorgabezeiten [Ever 77, Ever 02]. Laut einer Studie der Universität Hannover [Drab 04], an der 75 deutsche Unternehmen aus den Bereichen Automobil sowie Maschinen- und Anlagenbau beteiligt waren, stellt sich die eingesetzte Systemlandschaft im Bereich der Arbeitsplanung wie folgt dar (Abb. 5.56): Hiernach nutzen 32 % der befragten Unternehmen SAP R/3 mit dem Modul PP für die Arbeitsplanerstellung. Der zweitgrößte Anteil mit 25 % verwendet Eigenentwicklungen auf der Basis proprietärer Softwaresysteme, wie zum Beispiel Microsoft Excel©. Ein weiterer großer Teil der Unternehmen (20 %) führt die Erstellung von Arbeitsplänen ohne jegliche Softwareunterstützung durch. Lediglich 2 % der Unternehmen nutzen das von der Stuttgarter Firma Camos© entwickelte Expertensystem Camos.CAPP. Camos.CAPP ist trotz dieses geringen Gesamtanteils Marktführer bei der Generierung von Stücklisten und Arbeitsplänen komplexer Produkte. Neben dem Begriff des Montagearbeitsplans wird häufig auch der Ausdruck der Arbeitsunterweisung verwendet, der sich lediglich im Detaillierungsgrad unterscheidet. So beschreibt die Arbeitsunterweisung auszuführende Arbeitstätigkeiten im Detail und wird in der Montage beispielsweise für die Einarbeitung neuer Arbeitskräfte oder bei einem stark variierenden Aufgabenspektrum eingesetzt [Esch 03]. Während in der Vergangenheit Arbeitsanweisungen meist manuell erstellt und den Mitarbeitern in Papierform zur Verfügung gestellt wurden, werden heute oftmals softwaretechnische Lösungen gewählt, die den Mitarbeitern Informationen zur Verfügung stellen. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass der Austausch durch eine zentrale Veränderung der Arbeitsanweisungen deutlich einfacher ist als bei papierbasierten Anweisungen. Durch eine Erweiterung derartiger Systeme mit Identifizierungstechnologien können Informationen dynamisch – in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit, vom Ort, von Material oder Werkzeug – erstellt werden.
5.18.3 Visualisierung/Ausgabe von Montageanweisungen Insbesondere in der Kommissionierung ist eine hohe Varianz an Arbeitsinhalten vorzufinden, da hier eine kundengerechte Bedarfsmenge eines oder mehrerer Artikel zusammengeführt und für die Versendung bereitgestellt wird. Aus diesem Grund ist bisher die größte
5 EDV-Unterstützung in der Produktion und im Materialfluss
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Abb. 5.57 Pick-to-voice Gerät. (Quelle: Vocollect Europe)
Systemunterstützung auch im Bereich der Kommissionierung zu finden. Die häufigsten Arten sind dabei Pick-to-light-Systeme, bei denen der Kommissionierer die Artikel aufgrund eines Lichtsignals greift, das ein Lämpchen am jeweiligen Lagerplatz anzeigt, bei denen der Kommissionierer per Sprachsteuerung seine Picklisten abarbeitet. Pick-to-light-Systeme werden überwiegend von Lagertechnik-Anbietern angeboten, während Pick-by-voice-Systeme von Spezialisten auf dem Gebiet der Spracherkennung entwickelt werden (Abb. 5.57). Beide Systemarten werden über Schnittstellen von übergeordneten Systemen der Lagerverwaltung angesprochen.
5.18.4 Pick-to-vision-Systeme Während sich die beiden vorher vorgestellten Technologien zum Großteil auf den Einsatz in der Kommissionierung beschränken, eröffnet Pick-to-vision unter Verwendung der Augmented Reality Technologie (AR; „erweiterte Realität“) ein weitaus breiteres Einsatzfeld. Hierbei werden dem Menschen auf innovative Weise orts-, situations- und zielgerichtet Informationen zum betrachteten Objekt ins Blickfeld eingeblendet (Abb. 5.58). Abb. 5.58 Pick-to-vision in der Montage
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P. Dickmann et al. Mischer Monitor Monitor reale Welt
reale Welt
halbdurchlässiger Spiegel
Kamera
Video-See-Through (VST)
Optical-See-Through (OST)
Projektor Kamera
Mischer
reale Welt
Projection-AR (PAR)
Monitor-AR (MAR)
Abb. 5.59 Visualisierungsverfahren mithilfe von AR
Als Ausgabegeräte werden typischerweise Datenbrillen, sog. Head-Mounted Displays (HMD) oder Projektoren verwendet (Abb. 5.59). Dabei werden passend zu den gerade im Blickfeld befindlichen Gegenständen gespeicherte Informationen in visueller Form zur Verfügung gestellt. Diese können bspw. an das fokussierte Objekt angeheftet sein oder überlagern dieses und erweitern so die Realität um kontextrelevante Daten. Produkt- beziehungsweise Prozessinformationen können so intuitiv genutzt werden. Für den Einsatz von Augmented Reality (AR) gibt es eine Vielzahl an Umsetzungsmöglichkeiten, um das reale und das virtuelle Bild miteinander zu überlagern (vgl. Kap. 3.14 Virtual Reality und Augmented Reality in der Materialflussplanung). Die Informationen werden jeweils mit räumlichem Bezug eingeblendet. So können z. B. Greifpunkte auf die jeweiligen Fächer eines Regals überlagert werden. Hierfür ist es notwendig, dass die Position des Werkers relativ zu seiner Umwelt erfasst wird. Hierfür wurde ebenfalls eine Vielzahl an so genannten Tracking-Methoden zur Erkennung von Position und Orientierung entwickelt [Hush 04] (Abb. 5.60). Mithilfe dieser Technologie ist es möglich, dem Monteur benötigte Informationen, wie Arbeitsanweisungen oder technische Zeichnungen situationsgerecht direkt am Arbeitsplatz ins Blickfeld einzublenden. Ein zukünftiges Forschungsziel ist es, ähnlich wie bei Pick-to-light- oder Pick-to-voice-Systemen, die notwendigen Informationen aus übergelagerten Planungssystemen zu übernehmen und aufgabenspezifisch anzupassen. Ebenso waren in der Vergangenheit RFID-Systeme weitgehend Individualentwicklungen, was vor allem in der Vielzahl verschiedener Anbieter, Technologien und Anwendungsfelder begründet lag. Mit der zunehmenden Reife bzw. Standardisierung der Technologie und der damit einhergehenden Größe der zu realisierenden Systeme verlieren diese aber nach und nach ihren Prototypencharakter und es verschiebt sich der Fokus hin zum Aufbau
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Abb. 5.60 Trackingverfahren zur Erkennung von Position und Orientierung
komplexer Gesamtsysteme [Thie 05]. Zentraler Aspekt ist dabei die Gestaltung der Softwarearchitektur zur Steuerung der eingesetzten Hardware und zur Einbindung weiterer Informations- und Visualisierungssysteme [Kuba 03]. Szenario für die hochvariantenreiche Montage Aufgrund des großen Variantenspektrums können die Montageinhalte nicht mehr für alle Produkte in gleichmäßige Montagearbeitsgänge aufgeteilt werden, denen einzelne Arbeitstakte zugeordnet werden können. Aus diesem Grund ist für ein derartiges Produktionssystem ein Trend zu Einzelstationen mit einem höheren Anteil an Komplettbearbeitung zu erwarten. Am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften wurde daher ein Montageszenario für eine hochvariantenreiche, manuelle Montage entwickelt, bei der Bauteile mithilfe der RFID-Technologie erkannt und chaotisch einem Durchlaufregal zugeordnet werden können. Dem Monteur werden der Lagerort und die notwendigen Montageschritte auf eine HMD-Datenbrille ausgegeben. Der hier vorgestellte Aufbau ermöglicht, die für die Montage bereitgestellten Bauteile am Verbauort zu identifizieren bzw. durch entsprechende Sensoren im Bereitstellregal zu lokalisieren. Die aus dem Lager angeforderten Teile werden dazu in mit Transpondern ausgestatteten Behältnissen geliefert. Zugleich können behältnis- und bauteilspezifische Merkmale (z. B. Maße, Gewichte, Schwund etc.) direkt am Behältnis hinterlegt werden, um diese in nachgelagerten Arbeitsschritten ohne Zugriff auf zentrale Datenstrukturen zu verwenden. Das Regal teilt dem Arbeitsplatz mit, mit welchen Komponenten es vorkommissioniert ist und in welchen Einschüben sich diese befinden. Wird die Fertigung eines spezifischen Auftrages eingelastet, wird zunächst überprüft, welches Regalsystem an welchem Montagearbeitsplatz am besten vorkommissioniert ist. Auf dieser Basis wird der Montagearbeitsplatz ausgewählt, in dessen Auftragsliste das zu montierende Produkt eingereiht wird. Gleichzeitig
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wird in den Lagerbereich ein Kommissionierauftrag entsandt, mit welchen Behältern das Regal zusätzlich zu bestücken ist. Sobald das Regal mit den notwendigen Behältern bestückt wurde, wird der Auftrag freigegeben. Beim Befüllen des Regalsystems wird dem Kommissionierer (mithilfe von Augmented Reality) mitgeteilt, welche Behälter für die weiteren Aufträge in der Auftragsliste nicht mehr notwendig sind und entsprechend ausgetauscht werden können. Die Behälter, die in das Regal geschoben werden, teilen dem übergeordneten Informationssystem per RFID mit, welche Materialien sie enthalten. Diese werden in einem zweiten Schritt den einzelnen Fächern (z. B. durch Kontakttaster) zugeordnet. Sobald der Montagemitarbeiter seinen Auftrag beginnt, wird ermittelt, welche Bauteile für die nächsten Arbeitsschritte benötigt werden und wo sich diese im Regal befinden. Dann wird ein AR-basiertes Pick-to-vision durchgeführt, bei welchem dem Montagemitarbeiter das Fach und die Anzahl der zu greifenden Bauteile mitgeteilt wird. Nach dem vollständigen Greifen der für die kommenden Arbeitsschritte notwendigen Bauteile werden die folgenden Montagevorgänge per AR dargestellt. Das hier vorgestellte System eignet sich für die Montage komplexer hochvariantenreicher Produkte. Die hierfür notwendigen Anforderungen können nur mit einer hohen Systemunterstützung beherrscht werden. Im vorliegenden Szenario wurden hierfür die Basistechnologien AR, RFID und Arbeitsplanungssystem und deren systemtechnische Verknüpfung vorgestellt. Das Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) mit seinem Lehrstuhl für Montagesystemtechnik und Betriebswissenschaften beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Montageplanung. Speziell die Montageplanung hochvariantenreicher Produkte wurden in dem BMBF-Projekt „MUSKIM“ methodisch weiterentwickelt.
Literatur [Andr 04] Andres, M. (2004). Einsatz von Transpondertechnologie in der Logistik. Ruhr: Electronic Commerce-Kompetenzzentrum. [Axxo 05] Axxom Software AG. (2005). Neue Technologie ermöglicht erstmals strategische Optimierung sehr großer mehrstufiger Supply Chain Netzwerke. Pressemitteilung 9/2005; Unter http://www.axxom.de in 2005. [Bach 03] Bach, N., Buchholz, W., & Eichler, B. (2003). Geschäftsmodelle für Wertschöpfungsnetzwerke. Wiesbaden: Gabler Wiesbaden. [Berl 03] Berlak, J. (2003). Methodik zur strukturierten Auswahl von Auftragsabwicklungssystemen. München: Utz München. [Berl 04] Berlak, J., Fauser, M., & Stock, W. (2004). JobDISPO-Manufacturing und Supply Chain Execution Software für mittelständische Unternehmen. In H. Wolf-Kluthausen (Hrsg.), Jahrbuch der Logistik 2004 (S. 216–218). Düsseldorf: Handelsblatt. [BfWA 03] Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. (Hrsg.). (2003). Die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik Deutschland – August 2003. Bonn: BMWI. [Broc 84] Brockhaus (1984). Der Grosse Brockhaus, Kompaktausgabe. Bd. 12, Seite 105, 18. Auflage, 1984. Gütersloh: Brockhaus
5 EDV-Unterstützung in der Produktion und im Materialfluss
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Sachverzeichnis
3M auch 3-Mu-Verschwendungsarten, 112 5 A-Aktion, 114 5A-Aktion, 67 5D-Architektur zur Produktions-/Logistikresturkturierung, 160 5S-Aktion, 550 Kaizen, 27 Seiketsu (Standardisierung), 28 Seiri (Sortiere aus), 27 Seiso (Sauber halten), 28 Seiton (Systematische Ordnung), 28 Shitsuke (Selbstdisziplin und ständige Verbesserung), 28 5-S-Kampagne in der IT, 550 5W-Ursachenanalyse, 9, 67, 87, 118 6D-Architektur, Wirkzusammenhänge bei Restrukturierung, 160 6S im Materialfluss, 257 6-VCO-Verschwendungsarten, 273 6W-Projektablauf, 68 A ABC-Analyse, 460 Ablaufsimulation, 442 Absatzplanung mit EDV, 543 Adaptivität, supraadaptive Logistiksysteme, 38 Advanced-Planning and Scheduling-System (APS), 590 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 P. Dickmann (Hrsg.), Schlanker Materialfluss, DOI 10.1007/978-3-662-44869-4
Alliance Supplier Improvement Activity (ASIP), 492 Amortisationszeit, 183 Ampel-Steuerung, 200 Analysefunktionen, 546 Änderungshäufigkeit bei Serienteilen, 125 Dynamik, 125 Kennwert, 125 Qualität, 125 Verlauf Änderungskosten, 126 Änderungskosten, 126 Änderungsmanagement Änderungsverfolgung, 127 Checkliste, 124 im Produktlebenszyklus, 123 in der Praxis, 124 Lean, 127 technisch, 123 Veränderungsprozesse siehe Lean Veränderungsprozesse, 130 Andon Linienstoppampel, 9 Anlageneffektivität, 52, 60 Anlieferung per Direktrelation, 369 Anwendungsentwicklung, 615 APS-System Advanced Planning and Scheduling System, 525 Aufbau, 527 Arbeitsablaufstudie, 95 Arbeitsanweisungen eletronisch verteilt, 606 641
642 Arbeitsplanung EDV-Systeme, 634 Arbeitsplatzdesign, 417 Arbeitsplatzgestaltung, 339 an der Linie, 426 fehlinterpretierte Ziele von Gemba-Kaizen, 314 hohe Materialdichte (Beispiel), 423 manuelle Produktionssysteme (MPS), 333 Simulation, 433 Arbeitszeit, verfügbare, 396 Assemble to order (ATO), 225 Assessment, 112 Auftragserzeugung, 221 Auftragsfreigabe, 221 Auftrags-Kanban, 207 Auftragskommissioniersysteme, 325 Auftragsproduktion, 199 Auftragsstart automatisch, 553 eventgesteuert, 553 manuell, 553 nach Kapazitätsregeln, 553 Varianten, 553 Augmented Reality (AR), 436, 636 Ausbildungsniveau, 111 Auslastungsorientierung, 243, 502 Auslaufmanagement, 535 Ausschussrate, 396 Auto-ID-Standards, 628 Autonomation, 9, 35, 118 Autonomatisierungsprinzip, 47 B Babylon-Syndrom, 2 Balanced-Scorecard im Shopfloor-Management, 140 Lean, 137, 139 Visualisierung, 138 Vorgehen, 139 Vorteile, 139 Wichtige Themenfelder, 140 Ziele, 137 Bandstopp, 118 Barcode, 624, 627 Base Stock, 200 Bearbeitungsstatus, 583 Bearbeitungszeit, 395
Sachverzeichnis Bedarfscharakteristik, 241 Bedarfskumulationen, 163 Bedarfsprognose, 535 Behältergröße, 397 Behälter-Kanban, 208 Behältermenge, 344 Belastungsorientierte Auftragsfreigabe (BOA), 203 Steuerung, 202 Bereitstellsysteme, 339 Bereitstellung, sequenzierte, 432 Bestände dynamische, 263 statische, 263 Bestandscontrolling Siehe Controlling, 265 Bestandsführung, 263 Kanban-Karten, 204 Bestandsgenauigkeit, 265 Bestandsicherung, 313 Bestandsklassen, 263, 265 Kontrollen, 266 Logik, 265 Bestandssteuerung, 204 Bestellung, 471, 476, 477 Best Practice Konstruktionssystem, 151 Leitsätze, 6 Lieferantenentwicklung, 489 Betriebsdaten-Erfassungs-Systeme (BDE), 30 Big Three, 68 Blockdiagramm, lineares, 387 Blocklager, 622 Bottom-up-Effekt in der Produktionsplanung, 155 Verpackung, 158 Bottom-up-Prozess Prozessoptimierung, 87 Verbesserung, 118 Bottom-up-Prozesse Verhinderung von, 532 Bottom-up-Qualifizierung, 174 Boxenmontage, 428 Break-even-point, 572 Buchungsfehler, 236 Buchungshorizonte, 263 Bulk Reading, 625 Bullwhip-Effekt, 185, 534 Business-Administration (BA), 38 Business Intelligence (BI)-Systemen, 255
Sachverzeichnis C CAD-Systeme, 152 CAQ-System, 77 Cardboard Engineering, 432 Change Agents, 129 Change Management Fehler, 130 organisatorische Rahmenbedingungen, 129 Pioniertheorie, 129 Ursprung, 128 Veränderungsmanagement, 128 chaotische Lagerstruktur, 622 Collaborative Planning Forecasting Replenishment (CPFR), 455 Computer Aided Quality Management (CAQ), 77 Grundlagen, 77 Praxis, 78 Computer Integrated Manufacturing (CIM), 531 Conformance to requirements, 70 Constant Work in Process (CONWIP), 202, 221 Constraint Based Planning (CBP), 526 Controlling Bestands-, 265 Kanban-, 274 Logistik-, 261 Projekt-, 291 Umlaufbestand, 266 Valuecycle Analyze, 261 Control Plan, 78 Conwip, 221 Conwip-Kanban-Steuerung, 227 Crossdocking-Sequenzieren (CDS), 19 Crossdocks, 370 Crossspelling, 527 C-Teile Dienstleister, 462 Eigenschaften, 460 Grenzen, 463 Kaufhauskonzept, 461 Management, 459, 464 Betriebsinstandhaltung, 471 Dienstleister, 471 Eignung der Teile, 470 Grenzen, 475 Penetration, 480 Selektionskriterien, 480 Standardisierung, 475 Zuverlässigkeit, 467 Outsourcing, 463
643 Produktqualität, 465 Shop-Systeme, 462 Supermarkt-Prinzip, 461 Varianten der Beschaffung, 461 Cyber-Physische Systeme – CPS, 590 D Das Deming Verbesserungsrad mit dem PDACZyklus\l 8, 86 Datenaufkommen, 533 Datenbankdesign, 615 Datenbanksystem, 546 Datenbrille, 637 Datenpflege, 545 Datenqualität Verbesserung, 538 Deming-Kreis Deming-circle, 55 Shewhart cycle, 60, 86, 119 Design for Six Sigma (DFSS), 73 Design Review Based on Failure Mode, 147 Ablauf, 149 Dezentrale bestandsorientierte Fertigungsregelung (DBF), 219, 227 Dezentrale Verantwortung, 555 Dezentralisierung, 539 Ebenen, 101 Firmenstruktur, 99 indirekte Bereiche, 98 Kanban, 118 produktionsnahe Bereiche, 98 selbständige Geschäftsbereiche, 100 Strukturen, 96 Stufen, 98 Warenfluss, 99 Die 8 Säulen von TPM\l 8, 58 Differenztypen, 264 Dimensionierung durch hybride Steuerungsinformationen, 568 dynamische, 225 mit Simulation, 228 dynamische-, 571 hybride, 233 hybrides Kanban, 225 iterativ, 569 Kanban Dimensionierungs-Systeme (KDS), 566 Kanban-Regelkreise, 209 Komplexität, 566
644 simulationsbasiert, 573, 574 Standardlösungen, 568 statisch, 568 Dimensionierungssystem ergänzende Informationen, 568 Dimensionierungsverlauf, 233 Direktbereitstellung, 191, 360 Direktrelation, 369 Dispositonskonzepte, 453 Dispositonsverantwortung, 453 DMAIC Prozess, 73 Doing – gemeinsame Umsetzung, 168 DRBFM, 147, 148 Drill-down-Reportings, 532 Due Diligence, 507 Durchlaufzeit (DLZ), 244, 395, 447 kurz, 192 Durchlaufzeitsyndrom, 185 Durchschubregal, 266 Durchschub-Supermarkt, 371 Dynamische Dimensionierung, 571 E EDI-Technologie, 600 Einfache Poka Yoke Vorrichtung Werkstückträger\l 8, 64 Einführung von Kanban, 291 Ein-Karten Kanban, 206 Einkaufspreisreduzierung, hochvolumige, 483 Einkaufsstrategie, klassische, 483 Einsparmaßnahmen ohne Wertanalyse (Produkt), 144 Eintreffenswahrscheinlichkeit, 531 Eisberg-Phänomen, 89 Eiserne Faust, 485 eKanban, 551 adaptives Prozessmodell, 599 Einführung, 556 erweiterte Kanban-Prozesse, 599 intigriertes, 598 mit SAP, 600 Nachteile, 555 Standardlösungen, 557 Visualisierung der Bestellbestandssteuerung, 551 Warehouse-Management-System, 552 Electronic Data Interchange (EDI), 600 Elektronische Kanban-Systeme (eKanban), 208, 551
Sachverzeichnis Energontheorie, 120 Engpass, 181 Engpasssteuerung, 243 Enterprise Resource Execution and Administration (EREA), 525 Enterprise Resource Planning (ERP), 525 Entgeltsysteme, 169 Entropie, 534 Entscheidungskompetenz, dezentrale, 233 Entwicklungspartnerschaften, 154 Ergebnisorientierung, 84 Ergonomie IT-Systeme, 539 ERP-Zufriedenheitsstudie, 579 Eskalation, 112 Ethik im Unternehmen, 118 Every Part Every Interval (EPEI), 164, 318, 397 Every Part Every Intervall (EPEI), 165 Evolution, dynamische, 133 F Fabrikplanung, 417 3-D-Gestaltung, 420 dynamische Ablaufsimulation, 419 mit Materialflussplanungssystemen, 420 Wandlungsfähigkeit, 421 Fehlerfortpflanzung, 534 dynamisch, 536 Fehlerhafte Basisdaten, 534 Fehler IT-Daten Buchungsfehler, 236 Pflegefehler, 253 Fehlermanagement, 547 Fehlermöglichkeit- und Einflussanalyse (FMEA), 68, 78, 467, 514 Fehlermöglichkeit- und Einflussanalyse (FMEA), 77 Fehlerquoten, 540 Fehlerraten Reduzierung von, 530 Fehlerreduzierungsmaßnahmen, 538 Fehlervermeidung, 539 Fertigproduzieren, 544 Fertigung papierlos, 606 Fertigungsdurchlaufzeit (FDLZ), 29, 30 Fertigungsfeinplanung, 591 Fertigungsprozess interaktiv, 607
Sachverzeichnis Fertigungsregelung, dezentrales, bestandsorientiertes (DBF), 180 First-in-first-out (FIFO), 266 Lager, 371 Regalsysteme, 328 First-in-last-out (FILO), 360 First Passed Yield (FPY), 610 Fischgrät-Diagramm, 387, 388 Fitness-for-use, 70 Flexibilität, 4, 40, 42, 100, 122, 161, 162, 163, 188 Kundenorientierung, 162 Flexibilitätsparadoxon, 185, 525, 529 Fließprozesse, 397 FMEA, 77, 148 Fördertechnik Amortisationspotenzial, 352 Elektrohängebahn, 351 Entscheidungsmatrix, 351 fahrerloses Transportsystem (FTS), 348 Vergleich, 351 Ford Produktionssystem – Fordismus, 5, 36, 69 Fortschrittszahlenkonzept (FZK), 201 Freikapazität, 184, 243 Frozen Zone, 192 Frühwarnportale, 609 Führungsstil, imperativer, 119 Future State Map, 380 Fuzzy Logic, 28, 35 G Gantt-Diagramm, 57 Gauß, 34 GD3 oder GD-Cube, 147 Good-design, 148 Good-discussion, 148 Good-dissection, 148 systematische Leitsätze, 148 Ziele, 149 Gebindegröße, 343 Gemba, 25, 96 Gemba-Orientierung, 85, 96, 118 Konstruktion, 153 Gemba-Kaizen, 26, 190, 255 Workshop, 51 Gemba-Orientierung, 539 Gemeinkosten, 91 Gemeinkostenmaterial, 263 Genetics-Effekt, 157
645 Gesamtanlageneffektivität (OEE), 60 Gesamt-Bearbeitungszeit, 395 Gesamtstillstandszeit, 51 Geschäftsprozesse Software, 578 gläsernen Fabrik, 531 Glätten und Nivellieren, 256 Global Materials Management Operations Guide (Global MMOG), 488 Global-Sourcing, 125 Go-See-Steuerung, 396, 404 Großladungsträger, 369 Grundssatz der Evolution, 122 H Hängeförderer, 192 Harzberger Modell, 120 Hauptprozesskostensätze, 95 Hawthorne Studie, 128 Head-Mounted Displays, 636 Heijunka Ablauf, 323 als Steuerungsprinzip, 318 Board, 323 individuelles, 324 Einflußgrößen, 322 Kommissionierung, 325 Losgrößen, 316 Nivellierungs-Kennzahlen, 320 Nivellierungskriterien, 318 Problemstellung, 315 Produktionsglättung, 315 Produktionsleveling, 319 Produktionsnivellierung, Güte, 320 Strecken, 323 Tafeln, 319 Ziele, 316 Hillclimbing-Suche, 564 Historienentwicklung, 249, 568 HMD-Datenbrille, 637 Hochregallager, 192 Hoshin Kanri, 102 Hybride Steuerungslogiken, 311 I IDEAS, 73 Identifikation Auto-ID, 624
646 Technologien, 624 Identifikationstechniken Vergleich, 632 IDOC, 73 Incremental Planning (IP), 526 Informationsfluss Visualisierung, 391 Inkonsistente Daten, 543 In-Process-Kanban-Karten(IPK), 24 Insourcing, 509 Instandhaltung autonome, 60 systematische, 53 Integral Control, 202 Intensiv-Lieferantenentwicklung, 500 Durchführung, 508 Interdisziplinäre differenzierte Prozesskostenanalyse (IDP), 95 Internal Complaint, 589 internal complaints, 583 Internet, 531 Invention, 123 Inventory Turnover Rates, 21 Inventurzählung, 263 Investitionen, Verzögerung, 502 Ishikawa, 276 8D, 278 Diagramm, 386 Isolated islands, 9 IT-Fiktions-Paradoxon, 532 IT-System Fehlerprävention, 540 Fehlerraten, 530 maßgeschneidert, 539 schnelles Lernen, 602 synchron, 548 systematische Führung, 602 Unternehmensstrukturelle und soziologische Auswirkungen, 531 J JIS-Supermarkt, 368 JIT – 6R Ziele der flexiblen Produktion, 32 Jobenrichment, 96 Jobrotation, 111 Justierungsvorgängen, 52 Just-in-sequence (JIS), 16, 21 Just-in-time (JIT), 16, 21, 191
Sachverzeichnis K Kaizen, 25, 118 5S-Aktion, 27 Element des TPS, 25 Gemba-Kaizen, 26 Gemba, Ort des Geschehens, 25 Gembutsu, die realen Dinge, 25 Gemjitsu, Fakten, 26 Grundsatz, 25 in der IT, 548 indirekte Bereiche, Lean Office, 113 Kaizen-Board, 60 Kobetsu, 59 Management-System, 27, 28 Materialfluss-Kaizen, 168, 189 Muda, Verluste und Verschwendung, 25, 114 Visualisierung, 116 Kaizen-Blitze, 397 Kanban, 285 Ampel-, 217 Auftrags-, 207, 265 Auftragsstart nach Kapazitätsregeln, 553 Behälter, 208 Behältergröße, 209 Bestandsicherung, 313 Bestandssteuerung, 204 Bestellbestand, 217 Betrieb, 289 BOA, 219 Controlling, 274 CONWIP, 218 dezentrale Steuerung, 14 Dimensionierung, 209, 233, 310 Dimensionierungs-Systeme (KDS), 566 Dimensionierung Siehe Dimensionierung, 225 Durchdringung, 230 dynamische Varianten, 225 Eigenschaften, 13 Ein-Karten-, 206 Einweg-Karten, 208 eKanban, 551 Elemente, 12 des TPS, 12 für Gemeinkostengüter, 305 Größe – Behältergröße, 210 Hausfrauen;Hausfrauen, 305 Kanban-Auswahl, Kanban-Eignung, 308
Sachverzeichnis Kanban-Karten, 13 Karten siehe Kanban-Karten, 204 kollaborative Prozesse, 600 Konzeptentwicklung, 296 Kopplung mit IT, 556 Kreis, 12, 206 Kreislauf, 211 Lieferanten-Kanban Siehe dort, 448 Lieferfähigkeit, Liefertreue, 14, 246 Manager, 288 Materialnachschub, 207 materialnummernneutrales, 207 Matrixhybride Materialflusssteuerung, 232 Mehrbehälter-, 289 Mindestbestands, 217 mit schlankem Materialfluss, 311 mit Transponder-Technologie, 208 nach der Implementierung, 296 Nachschub, 266, 358 Nachteile der Kartensteuerung, 555 PAC, 219 Delivery Advice Notes, 223 Generierung, 224 Material Tags, 223 Process Tags, 223 Requisition Tags, 223 Penetration, 225, 230, 312, 566 Penetration, 236 Physis, 234 Prinzipien zur Einführung, 291 Projektcontrolling, 291 Projektmanagement, 291 Projektplan, 294 Projektteams, 293 Pull-Philosophie, 204 Rahmenbedingungen zur Einführung, 310 Reduzierung der Puffer, 230, 236 Reduzierung von Störgrößen, 235 Regelkreis, 288 Regeln, 288 Schulung, 296 Sicht, 206 Steuern ohne EDV, 14 Steuerungsverfahren, 203 Stop-and-go-, 217 Tafel, Plantafel, 13, 210 Umlaufbestand, 210 Umlaufzeit, 271 Umsetzung, 296 Varianten, 206
647 Verbrauchssteuerung, 308 Verfahrensablauf, 12 Verfahrensregeln, 265 Voraussetzungen für, 292 Vorteile der Kartensteuerung, 555 vs. stückgenauer Materialstrom, 313 Zugsysteme, 358 Zwei-Karten-, 206 Zykluszeit (KZZ), 210 Kanban-Karten, 204, 297 Anbringung, 302 Behälter-Kanban, 297 Einweg-, 297, 303 Handling, 297 Hüllen oder Taschen, 303 im Thermotransferdruck, 303 Informationen, 206, 299 In-Process (IPK), 24 Kartenformate, 300 Kartenmaterial, 303 KLT-Karten, 304 Kunden, 206 laminierte, 303 Produktion, 206, 413 Sicht, 298 Sonderkarten, 298 Steuerungsvarianten durch, 297 Transpondertechnologie-Kreisläufe, 298 Kanban-Tafel RFID, 553 Transponderfähig, 553 Kapazitätsreservierung, 543 Kapitalbindung, 244 Kartonsimulation, 433 Kennwert, Änderungshäufigkeit, 125 Kernkompetenzanalyse (KKA), 512 Kettenreaktion, 184 Keyless Entry, 627 Key Performance Indicator, 138 KISS-Prinzip, 499 KMU, 578 Kobetsu-Kaizen, 59 Kommissioniersystem, papierloses, 331 Kommissionierung, 190 auftragsbezogen, 357 durch Distributionszentrum, 19 in Sequenz, 19 Kommissionierzwischenlager, 410 Kommunikation mit Kanban-Zulieferern, 601
648 Komplexitätsproblem, 90 Konsignation, 455 Konsignationslager, 462 Konsistente Daten, 543 Konstruktion anforderungsveränderungsorientiert, 154 auf der Supply Chain, 154 klassisches Ziel, 152 nutzwertoptimal, 152 produktionsgerecht, 153 qualitätsgerecht, 152 Standards, 149 wertstromgerechte, 142, 152, 154 Konstruktionsprozess Top-down, 147 Win-Win, 147 Konstruktionsqualität, 146 Konstruktionssystem, automatisiertes, 151 Kooperationsmanagement, 494, 497 Kooperationspartner, Kriterien für Auswahl, 457 Kostenentwicklung bei unreifen Produkte, 146 Entwicklungsfehler, 146 Produktlebenszyklus, 146 Kostenoptimierung, 490 Kostenrechnung differenzierte Prozess-, 89 Kostentreiber, 92 Prozesskosten, 88 Kostentreiber, 92 fehlende Betrachtung, 94 Kreis-Blockdiagramm, 387 Krisenlieferanten, 500 Krisenmanagement, 182 Wege aus, 504 Krisenmanager, 182 Kriterien, steuerungsselektive, 240 Kundenbedarf, 246 Kundenerwartungszeit (KEZ), 29 Kunden-Lieferanten-Beziehung, 501 Kundenorientierung, 11, 15, 36, 71, 161, 166 Flexibilität, 162 in der Lieferkette, 161 Kundenplanungshorizonte, 251 Kundentakt, 15, 37, 190, 396 Faktoren für optimalen, 162 Kundentakt, 163
Sachverzeichnis L Lager downstream, 223 Durchlaufregale, 329 FIFO, 371 Flexibilität, 332 Lagerdichte, 342, 343 Lagertuning, 331 Paletten-Durchlaufsysteme (PDS), 328, 330 Pick-by-light, 331 Pick-by-voice, 331 Raumgewinn, 332 Regalsysteme, 327 Regaltechnik, 327 Stückgut-Durchlaufsysteme (SDS), 331 Lagerdichte Entwicklung, 342 Maßnahmen zur Erhöhung, 343 Lagergrad, 244, 275, 571 Entwicklung, 568 Lagerhaltung Simulationsbasierte Optimierung, 563 Lagerprodukion, 199 Lagerprozesse, mehrstufige (Beispiel), 362 Lagerreichweite, 244 gering, 243 Langsamdreher, 89, 92, 125 Subventionierung, 93 Last-in-First-out (LIFO), 397 Layered Audit, 112 Lean Automation, 183 Lean-Balanced-Scorecard, 137, 139 Lean-based Layouting, 342 Lean Intelligent Logistics (LILO), 189 Lean Lieferantenmanagement, 455, 494 Preispotenziale, optimaler Nutzen, 494 Lean Management, 100 Lean Office, 167 Kaizen in den indirekten Bereichen, 113 Lean Production, 4, 72, 117, 333 Management, 117 Systeme, 529 zweite Welle, 98 Lean Revolution, 488 Lean-Rollout, 102 Lean-Simulation, 433 Lean-Umsetzung, 102 6S – Aufräumaktion, 108
Sachverzeichnis Ausbildung, 111 Prozessverbesserung, 112 Standards, 109 Werkerselbstkontrolle, 112 Ziele-Kaskade, 102 Lean-Veränderungsprozesse, 130 Lean-Workshop Aufbau von Arbeitsplätzen, 338 Lieferantenanalyse, 456 Lieferantenanbindung, 494 Ziele, 451 Lieferantenanforderungsprofil, 507 Lieferantenauditierung mit Lean, 494 Lieferantenbewertung, 456 mit Lean, 489, 494 mit ODETTE, 489 Lieferanteneinbindung, 150 Lieferantenentwicklung Intensiv-, 500 Lean, 494 Nissan, 490 Team, 494 Lieferantenfokussierung, 150, 457 Kosteneinsparungspotenziale, 457 Lieferantengespräche, 494 Lieferantenhopping, 503 Lieferanten-Kanban, 300, 399, 448 Lieferantenbewertung, 456 Lieferantenklassifizierung, 456 Projektabwicklung, 455 Schritte zur Einführung, 451 Umsetzung, 452 Ziele, 451 Zielkonflikt, 452 Lieferantenklassifizierung, 456 Lieferantenkooperation, Ziele, 451 Lieferantenmanagement, 482 Lean, 494 Preispotenziale, optimaler Nutzen, 494 Lieferantenmarkt, Provokation, 502 Lieferantenoptimierung, 482, 491 Lean-Philosophie-orientiert, 488 ODETTE, 487 Qualitätsmanagement-orientiert, 487 Lieferantenplanung, 250 Lieferantenprobleme bei KMU, 502 bei Konzernen, 501 Lieferantenwechsel, 508, 510 Zusatzaufwand, 510
649 Lieferfähigkeit, hoch, 243 Lieferinformationen, 621 Lieferinformation (Shipping-Info), 583 Lieferperformance, 258, 276 Life Cycle Studien (LCA), 346 Lifter-Systeme, 429 Linebalancing, 385 Local Control, 202 Logistik Makrologistik, 157 Makrosysteme, 155 Mikrosysteme, 155 unterschätzte Enflussparameter, 155 Logistikcontrolling Siehe Controlling, 261 Logistik-Outsourcing Checkliste, 514 Logistikpartner, 518 Optimierungspotenzial, 519 Logistikpartner, Auswahl, 518 Logistikplanung, 249 Logistikprozesse, mikroskopische Perspektive, 157 López de Arriortúa, 485 Losgröße, 191, 344 Losgröße 1, 362 Notwendigkeit kleiner, 316 Losgrößenbildung, 200 Losgrößenverhältnis, 397 Low Cost Intelligent Automation (LCIA), 35, 47, 162 LCIA-Vorrichtungen, 50 Low-cost-intelligent-improvements, 51 M Make-or-buy-Analyse (MoB), 513 Make-to-order (MTO), 199, 225 Make-to-stock (MTS), 199, 224 Makrologistik, 157 Management Energontheorie, 120 Entlohnungskonzepte, 121 Ethik, 117 gelebte Vorbildfunktion, 122 imperativer Führungsstil, 119 interdisziplinäre Qualifikation, 121 interhierarchische Ausbildung, 122 kooperativer Führungsstil, 119 Lean Enterprise, 121 Managementkreis, 119
650 Managementverträge, 121 prozessorientiert, 83 Spieltheorie, 120 zielorientiert, 82 Managementkennzahlensysteme, 610 Managementkompetenz, Gemba-Orientierung, 246 Managementstruktur, iterative, 251 Managementziele, 118 Manuelle Produktionssysteme (MPS), 333 Manufacturing-Execution-System (MES), 582 Marktschwankungen, 544 Maschinenverfügbarkeit, 396 Maß der Unordnung (Entropie), 534 Massenproduktion (Mass Customization), 378 Materialbedarfsplanung mit EDV, 543 Materialbereitstellung, 190 elektronisch unterstützt, 323 Faktoren in der Praxis, 363 synchron getaktet (Praxis), 367 Materialfluss am Arbeitsplatz, 190 Bullwhip-Effekt, 185 Durchlaufzeitsyndrom, 185 Fehlerraten, 530 innerbetrieblich, 190 longituditionale Schwingungen, 181 Materialfluss-Kaizen, 189 mit Kanban und MRP, 541 Optimierung, 189 Regeln, 181 ruhig, kontinuierlich, 180 schlanker ganzheitliches Materialflusskonzept, 308 im Lager, 327 vs. Null-Bestands-Konzepte, 315 Steuerung, 182 Störgrößen, 533 Störparameter, 278 Störungen, 184 überbetrieblich, 191 Wertschöpfungsanalyse, 189 Materialflussanalyse, 378, 384, 385 im Lean-Workshop, 390 Verfahren, 386 Materialflussdesign, 417 Materialfluss-Kaizen, 168, 252, 255
Sachverzeichnis Materialflusskonzept, ganzheitliches, 308 Materialflusskriterien, physische, 245 Materialflussplanung, 441 Virtual Reality, 436 Materialflussrestrukturierung, 408 Materialflusssimulation aus dem MRP, 438 Layout, 411 Simulieren mit realen Daten, 440 Materialflusssteuerung, matrixhybride Siehe Steuerung, matrixhybride, 232 Materialflusssysteme, heterogene, 238 Materialfluss- und Informationsfluss-Design, 252, 255 Materialflussvisualisierung, 386 Fischgrät-Diagramm, 386 Kreis-Blockdiagramm, 387 lineares Blockdiagramm, 387 Matrix-Blockdiagramm, 387 mehrstufiger Materialfluss, 387 Pareto-Volumenstromdiagramme, 386 Sankey-Diagramm, 400 Spaghetti-Diagramm, 389 Materialnachschub-Kanban, 207 Materialnummernneutrales Kanban (MNK), 207 Materialreichweite, 396 Material Requirements Planning (MRP), 524 Material Requirements Planning (MRP), 15 Materialstammanalyse, 378 Materialtransporte, 357 Matrix-Blockdiagramm, 387 Maximalanlagenkapazität, 254 Meantime between failure (MTBF), 62 to repair (MTTR), 62 Megatrailer, 368 Mensch, behinderter, 109 Methods-Time Measurement (MTM), 269 Mikro-MRP-Systeme, 574 Milchwagen, 358 Milkrun-System, 358, 369 Mindestbestellmengen, 253 Mobile Fabrik, 414 Montage bildgeführt, 607 Führung visualisiert, 606 hochvariantenreiche, 637
Sachverzeichnis im Kundentakt, 541 Techniken zur Identifiktion, 630 Montageanweisung Visualisierung und Ausgabe, 634 Montageinseln, 399 MRP-Systeme Fehlerursachen, 533 Störgrößen, 533 Muda, 26, 73 Multiressourcenplanung, 591 Mura, 112 Muri, 112 MUSKIM, 638 N Nacharbeitsrate, 396 Nachcontrolling, 589 Nachhaltigkeitsökonomie, 3 Navigationssystem, 622 Netzwerk, 495 logistisches, 457 Nivellierung Siehe Heijunka, 318 Norm- und Standardteile, Auswirkung auf Herstellprozesse, 150 Nullbestandskonzept, 187, 314 Konsequenzen/Folgen, 314 Null-Bestands-Produktion, 314 Null-Fehler-Strategie, 64 Null-Platz-Produktion, 314 O ODETTE, 487 Off-shoring, 509 One-piece-flow, 21, 23, 35, 162 On-time-in-full (OTIF), 397 Openbook-Strategie, 494, 507 Open-Issue-List, 516 Optical Character Recognition (OCR), 624 Optimized Production Technology (OPT), 203 Optimum, einfaches, 190 Ordnung und Sauberkeit, 275 Organisation for Data Exchange by Tele Transmission (ODETTE), 487 Outsourcing, 508, 509 C-Teile, 459
651 des Eigentums der Bestände, 455 Kostenrechnung, 511 Logistik, Checkliste, 514 Overall Equipment Effectiveness (OEE), 60, 610 OXOX, 396 P Paired-Cell Overlapping Loops of Cards with Authorization (POLCA), 219 Pareto, 28, 34 Volumenstromdiagramme, 386 Patenkonzept, 107 Aushang einer Patenschaft, 108 Peitscheneffekt, 185 Perlenkette, 17 Personalverfügbarkeit, 396 Pflegeaufwand für Daten, 538 Pick-by-voice, 635 Pick-to-light, 635 Pick-to-Sequence (ptS), 19 Pick-to-vision, 635 Pick-to-voice, 635 PICOS-Ansatz, 485 Pioniertheorie, 129 Auftauphase (unfreezing), 129 Bewegungsphase (moving), 129 Einfrierphase (refreezing), 129 Pitch-Zeit, 397 Planabarbeitungsquote, 598 Planungesebenen, iterative, 251 Planungsgüte, 242, 251 Planungsrundenmanagement, 252, 257 Planungsrundenmanagement, iteratives, 253, 257 Plug-and-play, 335 Poka Yoke, 9 Ablauf, Aktivitäten, 67 bei IT-Eingaben, 615 Eigenschaften, Elemente, 65 Element des TPS, 63 Fehlervermeidungsstrategien, 63 Methoden, Regeln, 66 Poka Yoke-Vorrichtung\l 8, 65 Qualitätsphilosophie, 64 Vorrichtung, 65 Vorrichtungen, 67
652 Portaltechnologie, 601 Preisdruck, 484 Premiummarken-Strategie, 144 Primärbedarfsplanung, 202 Primärdaten, 543 Prioritätsfindung, 13 Probleme sind Schätze, 118 Produce-to-Sequence, 19 Production Authorization Card (PAC), 203, 221, 222 Production Information and Control System (PICS), 524 Production Planning Systeme (PPS), 524 Production Resource Planning (MRPII), 525 Production Synchronized Software (PSS), 557, 611 Anwendungsgebiete, 616 Eigenschaften, 614 Produktdesign produktionsgerechtes, 143 supply-chain-gerechtes, 143 wertstromgerechtes, 143 Produktentstehung, 143 Preis-Leistungs-Abhängigkeit, 144 Produktentwicklung GD-Cube, 148 Konstruktionsfehler, 147 nach systematischen Leitsätzen (GD3), 148 Produktion atmende, Vergleich konstanter Produktionstakt, 164 auftragsorientiert, 223 behinderte Menschen, 109 End of Production (EOP), 124 Flexibilität, 150 flexible, 28 im Container, 415 IT, 546 lagerorientiert, 223 materialfreie, 314 mit bildgeführter IT, 606 Nivellierung, 315 Null-Bestands-, 314 Start of Production (SOP), 124 synchrone, 290 Maßnahmen, 290 Produktionsablauf EDV-Unterstützung, 541 komplex, 225
Sachverzeichnis Produktionsaufträge visualisieren, 319 Produktionsdurchlaufzeiten, 30 Produktionsglättung, 11, 315 Produktionskonzept Just-in-sequence, 21 Just-in-time, 21 One-piece-flow, 21 Produktionsnetzplanung, 155 Produktionsnivellierung Siehe Heijunka, 320 Produktionsplan, 250 Produktionsplanung Simulationsbasierte Optimierung, 563 Produktionsprozess als geschlossenens System, 547 Produktionssystem, 47 Störparameter, 278 Toyota, 12 Produktionssystem, synchrones (SPS), 35 Produktlebenszyklus, 242 Produktorientierung, 15 Produktplanung, 154 Prognose, 163 Güte, 275, 531 Qualität, 531 Verfahren, 531 Prognosehorizont, 535 Prozess Due Diligence, 507 Reduzierung der, 193 Standardisierung, 16 Prozesse kollaborative, 600 Prozessfähigkeit, 79 durch Rüstzeitoptimierung, 53 Prozesskosten Analyse, interdisziplinär differenziert, 95 unberücksichtigte Faktoren, 94 Prozesskostenrechnung Analyse, 96 Arbeitsablaufstudie, 95 differenziert, 88 Interdisziplinäre Arbeitsablaufstudie, 95 Standard, 90 Wertestrom, Valuestream Analyse, 96 Werteumlauf, Valuecycle-Analyse, 96 Zeiterfassung, 95 Prozesskostensätze, 95 Prozessmapping, 551 Prozessmenge, 395 Prozessoptimierung 5W-Ursachenanalyse, 87
Sachverzeichnis Bottom-up-Prozess, 87 Iterativ, 569 Shewhart cycle, 86 Strategie, 86 Prozessorientierung, 81, 118 Element des TPS, 82 Management, 83 Prozesszeit, 395 Prüfplanung, 78 Pufferbestände, Differenzen, 264 Pull Philosophie, 204 Prinzip, 199 Push-Philosophie, 204 Q Qualitätsmanagement (QM), 68, 487 Qualitätsphilosophie, Poka Yoke, 64 Qualitätsplanung, vorausschauende (APQP), 78 Qualitätssicherung visualisiert, 606 Quick-Lieferantenentwicklung, 456 Quick Response of Storage Control, 372 R Radio Frequency Identification (RFID), 624 Receive-to-Sequence (RtS), 19 Rechnungswesen, 545 REFA, 51, 269 Regal, Shooter, 375 Regelkarten, 13 Regelkreise, hybride Dimensionierung, 233 Reordering, visuelles, 373 Reportingfunktion, 546 Restrukturierung, Produktions- und Logistikprozesse, 157 RFID Frequenztypen, 627 Grenzen, 627 Schreib- und Lesegeräte, 627 Vorteile, 628 Rolled Throughput Yield (RTY), 74 Roller-Train, 371 Routenfahrplan, 376 Routenzug, 358, 366 Anhänger beidseitig beladbar, 360 Befüllintervall, 358
653 für Großladungsträger, 369 Megatrailer, 368 mit Palettenwagen, 368 Routenfahrplan, 376 Rüsten Aufwand-Nutzen-Relation, 51 Evaluation von Verbesserungsansätzen, 55 Gesamtstillstandszeit, 51 in Minuten, 50 kontinuierliches, 51 mehrschichtig, 56 nach dem Deming-Verbesserungsrad, 55 Prozessmapping, 54 Rüstabläufe, 54 Rüstphasen, 54 Rüstwagen, 54 Rüstzeitoptimierung, 50 Single-Minute Exchange of Die, 50 SMED, 51 Stillstandszeit, 52 Stillstandszeiten, 56 technisch aufwändig, 52 Rüstfall, 51 Rüstphasen, 54 Rüstvorgänge externe, 52 interne, 52 Parallelisierung, 52 Rüstzeit, 396 Rüstzeitanteil, 379 Rüstzeitoptimierung, Schritte der, 52 Rüstzeit-Workshops, 51 S Sankey-Diagramm, 400 Säule 2 – Autonome Instandhaltung\l 8, 61 Säule 3 – Geplante Instandhaltung\l 8, 62 Schnelldreher, 93, 125 Schrittmacherprozess, 319 Schulungssysteme, 172 Schwenk- und Hebevorrichtung, 431 Schwingungen, longituditionale, 181 Scorecards, 137 SDS-Rollenbahnen, 331 Seiketsu, 28 Seiri, 27 Seiso, 28 Seiton, 28 Sekundärbedarf, 202
654 SensorBin, 466 Sequenz, 17 Sequenzieren durch Distributionszentrum, 19 Servicegrad (Lieferfähigkeit), 214 Shareholder Value, 117 Shigeo Shingo, 51 Ship-to-line, 191, 360, 423 Shitsuke, 28 Shooter, 375 Shooter-Regal, 375 Shopfloor-Management, 175 6S, 102 Eskalation, 112 KompleLean Strukturen, 137 Lean-Balanced-Scorecard, 140 Logistik, 141 SPS, 37 Visialisierung, 141 Shop-in-the-shop, 499 Shuttle, 376 Sicherheiten, 253 Sicherheitsbestand, Toyota-Formel, 212 Sicherheitsfaktor, 212 Sicht-Kanban, 206 Sigma-Niveau, 73 Simulationsbasierte Kanban-Dimensionierung, 573 Simultaneous Engineering, 125, 143 Simultanous Planning (SP), 526 Single-Minute Exchange of Die, 50 Six Sigma, 72 DFSS, Design for, 73 DMAIC Prozess, 73 Einführung, 73 Infrastruktur, 74 Methodeneinsatz, 75 Probleme, 75 Sigma Wert, 74 Software, 75 SmartBin, 466 SMED, 50 ergänzende Elemente, 53 Schritte, 52 SMED-XL, 52 Snowball-Effekt, 184 Softfacts, 3 Soft-Kapital, 84 Source Inspection, 63 Spieltheorie, 35, 120 Spiel zur Lean Production, 168 Spirale der Fehlerratenerhöhung, 535
Sachverzeichnis Standardisierung von Prozessen, 16 Standardized-work, 479 Standard-MRP-Systeme, 612 Standards Entwicklung, 149 Innovationen, 86 Stauphänomene, 181, 534 Steuerung der Herstellprozesse, Managementaufgabe, 246 dezentrale, 14 hybride Conwip-Kanban, 227 Dimensionierung Siehe Dimensionierung, 228 funktional, 227 horizontale (HHS ), 227 Kombinationsmöglichkeiten, 228 Markov Decision Process (MDP), 227 matrixhybride Siehe Steuerung, matrixhybride, 227 Steuerungskonzepte, 225 Synchro MRP, 227 vertikale (VHS ), 226 Zielsetzung, 230 matrixhybride, 232, 453 Chaos der Steuerungsinformationen, 232 Kanban-MRP Steuerung, 233 Kanban-Puffer reduzieren, 236 Praxisbeispiel, 238 Steuerungsebenen, 234 Störgrößenreduzierung, 235 Zielsetzung, 230 matrixhybride), 227 prognosebasierte, 200 Steuerung:matrixhybride Steuerungsebenen Logik, 234 Physis, 234 Softfacts, 234 Steuerungsalgorithmen, 534 hybride, operative, 226 Optimierung, 245 Steuerungschwankungen, 215 Steuerungsmanagement, 245 Dezentralisierung der Verantwortung, 248 Steuerungsmethode siehe Steuerungsverfahren, 569 Steuerungsprinzip Heijunka, 318 Steuerungsverfahren, 179 Ampel-Steuerung, 200
Sachverzeichnis Auftragsproduktion, 199 Bedarfscharakteristik, 241 bedarfsorientierte, 198 belastungsorientierte, 202 bestandsorientierte, 199 Bestellbestand, 200 reservierte Bestände, 200 variable Bestelllosgröße, 200 zeitlich definierte Bestandsgrenze, 200 Bestellrhythmus, 200 dynamische Auswahl, 569 Eigenschaftsprofile, 198 Grundlagen, 196 hybride Steuerungskonzepte Siehe Steuerung, hybride, 225 indirekte Steuerungskriterien, 244 Kanban, siehe dort, 200 Kriterien zur Auswahl, 240 Lagerprodukion, 199 Mindestbestand, 200 mit Karten, 216 Ampel-Kanban, 217 belastungsorientierte Verfahren, 218 bestandsorientierte Steuerung, 217 Bestellbestands-Kanban, 217 BOA-Kanban, 219 CONWIP-Kanban, 218 Mindestbestands-Kanban, 217 Minimal Blocking, 217 PAC-Kanban, 219, 221 POLCA, 219, 221 prognosebasierte Verfahren, 217 Stop-and-go-Kanban, 217 Workload Control, 218 prognosebasierte, 200 Stop-and-go, 200 Vorhersehbarkeit der Bedarfe, 242 Steuerungungssysteme, Outsourcing, 238 Stichtagsinventur, 263 Stillstandszeit, Rüsten, 52 Störgrößen Analyse, 187 in der Logistik, 156 Reduzierung, 230, 235 Störgrößenanalyse, 539 Störgrößenblitze, 397 Störparameter ermitteln, 269 Störungshäufigkeit, 275 Suchalgorithmus, 564 Supermarkt, 289, 340
655 Durchschub, 371 Praxisbeispiel, 366 Prinzip, 11 Roller-System, 372 Supplier Development Team SDT), 490 Supply Chain bedarfsorientierte, 446 beschaffungs- oder produktionsorientierte, 446 Flexibilität, 448 Kapazitätsplanung, 447 Logistikparameter, 448 Management (SCM), 445 mittelfristige Prognose, 447 planorientierte, 446 Wertschöpfungsanalyse, 190 Supply Chain Execution (SCE), 526 Supply Chain Management (SCM), 445 Lieferanten-Kanban Siehe LieferantenKanban, 448 Lieferantenkooperation, 451 mit Kanban, 449 Optimierung, 449 Projektabwicklung, 455 Schulung, 455 Supply Chain Planning (SCP), 526 Supra-Adaptivität, 39 Synchro MRP, 227 Synchrones Produktionssystem\l 8, 38 Syntegration, 136 Systemlieferanten, 458 Systemlieferantenkonzept, 151 T Taktabstimmungsdiagramm, 397 Taktzeit, 396 Taktzeitoptimierung, 385 Taxi-Versorgung, 357 Taylor-Produktionssystem, Taylorismus, 69 Teamgeist, 111 Team, interdisziplinäres, 507 Teamstruktur, 107 Theory of Constraints, 182, 272 Theory of Inventive Problem Solving, 77 Time-to-market, 125 Konstruktion, 151
656 Top-down Entwicklung von Herstellprozessen, 155 Konstruktionsprozess, 147 Total Cost Investigation (TCI), 490 Anwendungsfeld, 492 Konzept, 492 Nisan(23)-Checkpunkte, 491 TCI-Team, 490 Total Cost of Ownership (TCO), 336 Total Productive Maintenance (TPM), 57 Total Productive Management (TPM), 57 8 Säulen, 59 Definition, 57 Ziele, 58 Total Quality Control (TQC), 72 Total Quality Management, 70 Total Quality Systems (TQM), 69 Totzeiten, 274 Toyota Produktionssystem (TPS), 4, 35 Elemente, 8 Entwicklung, 5 Ethik, 118 Lieferanten-Kanban, 449 Managementziele, 118 Trackingverfahren, 637 Train, 364 Training bandnaher Trainingsplatz, 111 im Taktzeitfenster, 111 Trainingscenter, 111 Transponder Eigenschaften, 626 Technologie, 208, 487, 626 Transponderfähige Kanban-Tafel, 553 Transpondern, 552 Transponder-Technologie, 553 Transporte, 189, 253 Transportfahrzeug, fahrerloses (FTF), 349 Transport-Logistik, 517 Transportnetzwerk, 369 Transportsystem, fahrerloses, 348 Amortisationspotenzial, 351 Bauart, 353 Kommunikationseinrichtung, 349 Nutzen und Grenzen, 349 Projektablauf einer Einführung, 351 Transporttechnik, 351 Transportzug, 364 Trichtermodell, 181
Sachverzeichnis TRIZ, 77 Theory of Inventive Problem Solving, 77 U Überproduktion, 163 Messgrößen, 163 Problembehebung, 164 Ultra-high-frequency-RFID, 626 Umlaufbestand, 210, 267 Entwicklung, 189 Umlaufzeit, 271 Umschlagshäufigkeit, 244 Unentbehrlichkeits-Strategien, 85 Unitstrukturen, 99 Unregelmäßigkeiten im Bestellverhalten, 254 Unternehmensentwicklung mit Lean, 122 Unternehmensstrukturen, kundenorientierte, 166 Unternehmensziele, KPI, 138 Upspelling, 527 Ursache-Wirkung-Diagramm, 67, 69 V Valuecycle Analyze (VCA), 96, 265 Valuecycle Analyze (VCA), 261 Valuecycle Optimizing (VCO), 96, 232 Projektablauf, 273 Valuecycle Optimizing (VCO), 268 Valuestream Analyze (VSA), 96, 379 Value stream mapping, 385 Variantenentwicklung, 378 Variantenvielfalt, 125 Variantenwertströme, 380 Vendor Inventory Management, 616 Vendor Managed Inventory (VMI), 45, 454 auf einer Internetplattform, 454 mit Deming-Cycle, 455 mit zyklischem Lagerbestand, 454 Veränderungsmanagement, 128 6D-hierarchische Matrix, 159 Weg zum schlanken, 155 Veränderungsprozesse Siehe Lean-Veränderungsprozesse, 130 Verantwortung, dezentrale, 97 Verbesserungsgeschwindigkeit, 4 Verbesserungspotentiale visualisieren, 274 Verbrauchssteuerung
Sachverzeichnis Kanban, 308 Pull, 308 vs. MRP, 309 Verfahren, bestandsorientierte, 199 Verpackung, 340 betriebswirtschaftliche Risiken, 341 flexibel, 344 Haltbarkeit, 346 Kernaufgaben, 341 Kosten, 346 Lagerdichte, 342 Materialdichte, 345 Ökobilanz, 346 Poolbildung, 348 Prozesse, 345 Sauberkeit, 346 Verschwendung, 342 Verschwendung Arten, 273 eliminieren, 547 Ursachenanalyse, 273 Verschwendungsarten, 163 Versorgungszug, 376 Verteilung direkter zu indirekter Kosten in mittelständischen Unternehmen oder Konzernen\l 8, 88 Vertriebsplanung, 249 Vertriebsqualität, 163 Virtual Reality (VR), 436 Visual Factory, 605 Visualisierte Informationstechnologie, 601 Visualisierungsverfahren, 636 Visual Manufacturing Operation, 607 Volumenstromdiagramm, 386 W Warehouse-Management System (WMS), 552 Wareneingangskontrolle, 501 Wareneingangsprüfung, 191 Kostenrechnung, 91 Warenfluss, umgekehrter, 99 Waterspider, 363
657 Werkeranweisungen, 109 Werkerselbstkontrolle, 112 Wertaktivität, 498 Wertanalyse, 144 nutzwertoptimale Konstruktion, 152 Werteumlauf, 266 Wertschöpfungsanalyse, 192 des Materialflusses, 189 Wertschöpfungsanteil in der Automobilindustrie, 445 Nissan, 491 Wertschöpfungstiefe, 445 Wertschöpfungszeit, 395 Wertstrom Pull-Prinzip-orientiert, 574 Wertstromanalyse, 378, 385 Beispiel, 381 systembasierte Datenanalyse, 380 Wertstromdesign, 385 als dynamisches Controllingtool, 395 Elemente, 392 Prjekt (Beispiel), 402 Visualisierung, 391 Wertstromquotient (WQ), 397 Wiederbeschaffungszeit, 244, 396, 447 Work-in-process (WIP), 30, 34, 263, 267 Workload-Control, 227 World Market Research Center (WMRC), 490 X XYZ-Analyse, 460 Z Zeiterfassungssoftware, 95 Zugsysteme, 358 vs. Null-Produktionslager, 362 Zuteilungsmarkt, 502 Zuverlässigkeit, 396 Zwei-Karten-Kanban, 206 Zykluszeit, 395 Zykluszeitabweichung, 215