SWIMMINGPOOLS - THEAT THEATERLEGENDEN A ERLEGENDEN - UTOPISCHE ARCHITEKTUR
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E D I T OR I A L
Liebe Leserinnen und Leser, ich muss Ihnen etwas beichten: der belgisch-ruandische Sänger Stromae war nicht von Anfang an unser Cover-Favorit. In Deutschland noch nicht sehr bekannt mochte ihm womöglich die Statur dafür fehlen, eine L’Officiel Hommes zu betiteln. Doch dann hat uns Stromae schnell überzeugt! Durch seinen etwas schrägen Humor, die funkenschlagende Kreativität und seinen so ehrlichen wie tiefen Ausdruck ist unsere Titelstrecke zu einem echten Pop-Wunderland geworden, in dem sich zu tummeln unheimlich viel Spaß macht. Der Zauber Stromaes hat jedenfalls gewirkt. Viele der in dieser Sommerausgabe vertreten Protagonisten sind so widersprüchliche wie authentische Charismatiker. Etwa der französische Modefotograf Patrick Demarchelier, der erst etwas mürrisch, dann um so bereitwilliger von seiner Jugend in der Arbeiterstadt Le Havre und seinem Aufstieg zum Fotografen der Supermodels erzählt hat. Der Antipode zu Demarchelier ist der „Papst der Paparazzi“ Ron Galella. Der Amerikaner hat so ziemlich jede Ikone des 20. Jahrhunderts vor der Linse gehabt, ob nun Jackie O. oder Marlon Brando. In New Jersey durften wir ihn in seinem gelinde gesagt exzentrisch eingerichteten Haus besuchen. Wichtig für die DNA der L’Officiel Hommes sind natürlich die intimen, die persönlichen Geschichten. Berührt hat uns, wie der Regisseur und große Stylist Bob Wilson nachträglich seinem verstorbenen Freund, dem großen ostdeutschen Dramatiker Heiner Müller, für all seine produktive Kritik dankt. Die Besitzer des Berliner Restaurants Grill Royal, Boris Radczun und Stephan Landwehr, haben uns überrascht und sich nicht nur als echte Genussmenschen sondern auch als gute Freunde geoutet. Und der Filmstar Matthew McConaughey wurde sogar etwas sentimental und verriet die größten Lebensweisheiten seiner Mutter. Darüber hinaus gibt es wieder große, internationale Modeproduktionen in der L’Officiel Hommes zu sehen sowie Artikel über das Streetwearlabel A Bathing Ape und die Ikone der amerikanischen Popkultur, den Swimming Pool. Wir hoffen, die Geschichten und Menschen in der neuen L’Officiel Hommes machen Ihnen wie mir selbst Lust auf mehr, auf mehr Welt, mehr Sinnlichkeit und mehr Schönheit. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.
Mit freundlichen Grüßen
Götz Offergeld
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Foto: Toni Nüsse
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36 ICONS OF MEN’S STYLE Das Zippo Sturmfeuerzeug 52 DER SCHREIBTISCH VON ... Waris Ahluwalia 58 KRIEG DER HIMMEL Michael Jackson vs. Erzengel Michael 66 MATRIZEN IN DER WAND Sergei Tchobans Architektur-Utopien 70 THEATER FÜR HELDEN Robert Wilson dankt seinem verstorbenen Freund Heiner Müller 72 STIEFEL FÜR DEN HOCHADEL Die Traditionsmarke John Lobb 76 LETZTER BOHEME-BOURGEOIS Roger Vadim war liiert mit den schönsten Frauen der Welt 80 COOLE AFFENBANDE Das Streetwear-Label A Bathing Ape 88 TANZ DOCH! Stromae ist ein Chamäleon des Pop HOMMES
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Foto: Tony Kelly
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116 HÖLLISCHER HANGOVER Ein Tequila über den Durst 158 DON QUICHOTTE AUS ANTWERPEN Rinus van de Veldes Kampf gegen seine eigene Kunst 170 IKONEN DER POPKULTUR Swimmingpools 176 WER IM GLASHAUS SITZT Cut-up mit Franz Graf 188 STOISCHER BUDDHA Eine Reise nach Island 192 MÖCHTEGERN ANDY WARHOL James Franco polarisiert die Kunstwelt 198 PAPARAZZI-PAPST Ron Galella hatte sie alle 208 DER ERLÖSER Aufstieg und Fall von Superman 214 SUPERKRAFT Matthew McConaughey will einfach mal verschwinden 218 FÜR DEN GENUSS Stephan Landwehr und Boris Radczun verbindet Freundschaft wie Geschäft 226 WEN DIE FRAUEN LIEBEN Der Fotograf Patrick Demarchelier HOMMES
REDAKT IO N Chefredaktion & Kreativ-Direktor Götz Offergeld Design-Direktion Aoife Wasser Stv. Chefredakteur Ruben Donsbach, Hendrik Lakeberg Redaktionsleitung Anna Klusmeier
Art-Direktion Jan-Nico Meyer
Fashion- & Beauty-Department Berlin Sina Braetz, Adrian Fekete
Grafik Department Ken Tokunaga
International Fashion Editor New York Bernat Buscato
Litho RGBERLIN - rgberlin.de
Redaktion Robert Grunenberg, Maja Hoock, Lorenz Schröter Online Redaktion Revan Baysal Schlussredaktion Heinrich Dubel, Eckart Eisenblätter Cover Foto: Toni Nüsse Stromae trägt Comme des Garçons Homme Plus
CO NT RIB UTO RS Adam Kleifield, Alex Jaras, Alexandra Meric, Anthony Meyer, Ashley Ward, Cecilia Dalla Betta, Charles Ripon, Christophe Molinari, C.I.S.E.L, Dadi Gudjónsson, Der Stör, Fabian Blaschke, Franz Graf, Gary Gill, Geraldine Ini, Gundel Kilian, Irina Gavrich, Jade Hales, Jakob Krakel, Jan Lessner, Jérôme André, Julie Cristobal, Kenji Toma, Mareike Seifried, Marie Yan Morvan, Martin Simons, Matt Rubin, Max Märzinger, Micki Rosi Richter, Neil Gavin, Nils Krüger, Norihide Takabayashi, Pablo Arroyo, Patrick Glatthaar, Patrick Melech, Peter Langer, Robin Broadbent, Sara Bascunan Alonso, Sebastian Bar, Shay Dempsey, Stefan Armbruster, Hendrik Lakeberg, Stephen McGinn, Toni Nüsse, Tony Kelly, Vincent Pons, Way Perry, Willy Katz, Berto Berger, Daniel Seetal, Fabian Zapatka, Mirjam Wählen Sitz der Redaktion: c/o Off One‘s Rocker Publishing Ltd. Kurfürstenstraße 31-32D-10785 Berlin T +49 (0) 30 28 88 40 43 F +49 (0) 30 28 88 40 44 Korrespondenz Paris: Katrin Sillem, Tel. 0033-1-43 22 36 66,
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Bank. Leasing. Versicherung. Mobilität.* * Die Tochtergesellschaften der Volkswagen Financial Services AG erbringen unter der gemeinsamen Geschäftsbezeichnung „Audi Financial Services“ Bankleistungen (durch Volkswagen Bank GmbH), Leasingleistungen (durch Volkswagen Leasing GmbH), Versicherungsleistungen (durch Volkswagen Versicherung AG, Volkswagen Autoversicherung AG) und Mobilitätsleistungen (u. a. durch Volkswagen Leasing GmbH). Zusätzlich werden Versicherungsprodukte anderer Anbieter vermittelt.
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10 Fragen, auf die wir im Sommer Antworten suchen.
W
ie lange müssen die Hotels des Sultan von Brunei noch boykottiert werden, bis dieser seine Scharia-Schwulenhetze unterlässt?
Ist unsere Demokratie wirklich schon so runtergewirtschaftet, dass uns der Veggieday mehr aufregt als der NSA-Überwachungsskandal?
W
arum verehren wir eigentlich heroinsüchtige Rockstars und verachten dopende Sportler?
Kommt nach Polyamory, freier Liebe und Gruppensex-Parties die romantische Liebe zurück?
Müssen wir alle lernen zu programmieren, weil Computer-Programme die allgemeingültigen Gesetze der Zukunft definieren werden?
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Warum werden Pelze als moralisch problematischer empfunden als Leder und Billig-Fleisch?
S
neakers und Anzüge - geht das? Auch mit über 40?
K
ommt nach der absoluten Öffentlichkeit nun die absolute Privatheit und das Ende von Facebook und Co.?
Wird Google bald VW, Toyota, Siemens und Co. als wichtigster Mobilitäts- und Autokonzern abgelöst haben?
G
ibt es auch deshalb keine kreativen Lösungsansätze für die Probleme des 21. Jahrhunderts, weil sich in Universitäten und Schulen immer nur die bewährten Modelle durchsetzen?
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KURZTRIP
BELLA ITALIA
Portemonnaie Bottega Veneta über mrporter.com, ca. 310 Euro Weekender Prada, ca. 1800 Euro
Hemd Paul Smith, ca. 180 Euro
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HOMMES
Sonnenbrille Giorgio Armani, ca. 210 Euro
Wenn es um Mailand geht, scheiden sich die Geister. Sicherlich, weil die Stadt so voller Gegensätze ist. Die vollen Straßen, die hupenden Autos, die ständigen Staus, die vielen Touristen und der stressige Arbeitsalltag. Dann aber, auf der anderen Seite, das „Dolcefarniente“, die romantischen Gassen im Brera-Viertel, die grandiosen Restaurants, der aroma-
tische Wein und die beste Pasta, die vielen Boutiquen und Märkte, die lebensfrohen Leute. Mailand kann verzaubern und deshalb ist die Hauptstadt Ziel unseres Sommer-Kurztrips. Für eine Tagestour durch die City, einem abendlichen Besuch in der Scala und einem Ausflug zum Comer See am nächsten Tag braucht es stilvolle, aber auch praktische Looks.
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HOMMES
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CHARAKTERKOPF
ADAM GR EE N Adam Green ist eine Textmaschine. Seine jüdische Familie kam nach der Machtergreifung der Nazis aus der Schweiz nach New York; seine Urgroßmutter Felice Bauer war Franz Kafkas berühmte Verlobte. Bereits mit gut 30 Jahren hatte er hunderte Songtexte und Gedichte geschrieben. In Stücken wie „Rich Kids“ („I used to be friend with rich kids but all they talked about was me…“) oder mit seinem Duo „The Moldy Peaches“ („Who mistook the steak for chicken? Who am I gonna stick my dick in?“) singt er diese Texte mit todernstem Gesicht – ein typisches Merkmal des „Antifolk“, in
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dem fiese Inhalte in süße Unschuld gepackt und mit sanftester Akustikgitarre vorgetragen werden. Ausgeprägte Augenringe verraten dabei, dass er ganz und gar nicht unschuldig ist. Seine erste Ehefrau ließ sich scheiden, weil sie ihn für schizophren und alkoholabhängig hielt. Ohne zu trinken traut er sich weder auf die Bühne noch unter Menschen, wie er selbst sagt, und er hält den „Burger King“ auf der Reeperbahn für das beste Restaurant der Welt, weil es dort Bier und Prostituierte gibt. Dieser Lebenswandel bietet ihm jetzt auch Stoff für die Malerei; mit Macaulay Culkin und Toby
HOMMES
Goodshank gründete er das Künstlerkollektiv „3MB“, das psychedelische Szenen mit blauen Pferden in Krankenhäusern hervorbringt. 2011 folgte dann sein erster Film zusammen mit Pete Doherty, der angab, während der gesamten Produktion unter Ketamin gestanden zu haben. Er ist eben ein New Yorker Indie-Star, nimmt mit, was geht, ist dabei aber einer der klügsten und witzigsten Schreiber der Generation Y: gerade genug Punk, um anzuecken, und dabei seriös genug, um den Gerade-erwachsenGewordenen zu gefallen. Eine gesunde Mischung in einem ungesunden Typen.
Foto: Irina Gavrich
Seine erste Frau hielt ihn für schizophren, ohne ein paar Bier traut er sich erst gar nicht auf die Bühne, gerade darum ist der Dichter, Sänger und Schauspieler Adam Green ein echter Held der „Generation Y“.
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CHARAKTERKOPF
NICO ROSBERG Nico Rosberg mixt sich Gemüse-Smoothies, spielt gerne Online Poker und ist einer der besten Rennfahrer der Welt. Dieses Jahr hat er sich geschworen, endlich Weltmeister zu werden. Nico Rosberg wuchs in Monaco auf, von seinem Klassenzimmer aus sah er die Rennstrecke. 2013 gewann er den Grand Prix vor dem späteren Weltmeister Sebastian Vettel zum ersten Mal. Rosberg hatte bereits einen Studienplatz in Luft- und Raumfahrttechnologie sicher, als er doch der Familientradition folgte und wie sein Vater Keke, der finnische Formel-1-Weltmeister von 1982, Rennfahrer wurde. Am Anfang nannte ihn die britische Presse Britney, wegen seiner blonden
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Haare, die angeblich an Britney Spears erinnerten. Vor fünf Jahren wog der 1,77 große Schlaks gerade einmal 69 Kilo und konnte essen, was er wollte. Inzwischen achtet er auf sein Gewicht, mixt sich Gemüse-Smoothies und betreibt intensiv Ausdauersport, er hat eine exzellente Triathlonzeit von 2´07 über die olympische Distanz (1,5/40/10). 691 Kilo dürfen Fahrer und Auto zusammen wiegen, und ein Fahrzeug kann nicht fasten. Seine Verlobte Vivian backt ihm die Weihnachtskekse ohne Zucker.
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Nach dem Sieg in Melbourne im März 2014 folgte eine Serie von zweiten Plätzen hinter seinem Team-Kameraden Lewis Hamilton. Das wollte und musste der ehrgeizige Deutsche ändern: „Ich muss meinen Start verbessern.“ Wenig später, wieder in Monaco, ließ er Hamilton hinter sich und gewann. Was noch? FC-Bayern-Fan Rosberg, Jahresverdienst 14 Millionen, singt gern Karaoke und spielt Online-Poker. Er glaubt fest daran, 2014 Formel1-Weltmeister zu werden.
re n e -l e z a rd . c o m
GUIDE
L’ O F F I C I E L SOMMER GUIDE Die nächsten drei Monate werden die heißesten des Jahres sein! Was steht auf der Agenda, wovon wollen wir uns verführen lassen und vor allem: Welcher Drink passt am besten zum entspannten Nachmittag am Strand?
Die u.a. in der „Vogue“ erscheinenden Arbeiten des 1975 in Irland geborenen Modefotografen Tony Kelly sind witzige, völlig übersexualisierte und in reiche Farben getränkte Popperlen. Kelly, früher als Kriegsfotograf in Ruanda und Afghanistan tätig, hat nun mit „Tonys Toys“ sein erstes, wunderbar verspieltes Buch im Selbstverlag veröffentlicht. Unser Liebling des Sommers. 30
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Fotos: Tony Kelly
Powerfrauen
4 gewinnt Foto: Peter Langer
Das BMW 4er Cabrio kommt mit seinem Hardtop in geschlossenem Zustand dem 4er Coupé, ganz nebenbei einem der schönsten seiner Klasse, optisch verdächtig nahe. Zur sprichwörtlichen Offenbarung wird es jedoch erst ohne sein Verdeck. Hier wird der 4er zum perfekten Cruising-Fahrzeug, um sich den warmen Sommerwind um die Nase wehen zu lassen.
Mondsüchtig Mit ihrer neuen „Terraluna“ hat A. Lange & Söhne eine Uhr geschaffen, die die Phasen des Mondes und seine Position zur Erde anzeigt inklusive ewigem Kalender mit Tages-, Monatsund Schaltjahranzeige. Auf der Rückseite sieht man gar, ob Tokio, Moskau oder Berlin gerade vom Halbmond angeschienen wird.
AmuseGueule Savoir-Faire trifft auf Vorzüglichkeit: Moët & Chandon und 3-Sterne-Koch Yannick Alléno bitten im „LE &“ (sprich: Lö And) zum neuen Geschmackserlebnis mit Champagner und kulinarischen Highlights der Haute Cuisine. Tickets kosten pro Person 450 Euro und können über www. moet.com reserviert werden. LE &, Orangerie, 9 Avenue de Champagne, 51200 Épernay, Frankreich, bis zum 9. Juli 2014
GUIDE
Kopfkino Michael Balhaus ist einer der größten Kameramänner seiner Generation. Er drehte 17 Filme mit Rainer Werner Fassbinder, viele weitere mit Martin Scorsese. „Bilder im Kopf“ (bei DVA erschienen) ist viel mehr als eine Autobiografie. Ballhaus erblindet langsam. Sein Buch hält fest, was zu entschwinden droht.
Entspannt euch! „I remember the time when love would really glow“ singen The Black Keys auf ihrem neuen Album „Turn Blue“ (Warner Music). Unterlegt mit einem feinen Gebräu aus Soul, Funk und Pop mag das harmlos klingen. Ist aber der perfekte Soundtrack für lange Sommertage im Park.
Glitzerschock Superstars beim Koksen, Bikinbilder mit Speckbauch oder Babyaufnahmen von Promipärchen – was wäre unsere Boulevardwelt ohne Paparrazi-Fotografie? Wir alle erfreuen uns über die entlarvenden Schockbilder, wollen teilhaben an der glitzernden Aura der Stars. Die Schirn in Frankfurt macht das möglich, versammelt über 600 Arbeiten, in der sie uns die vielschichtige Hass-Liebe zwischen Fotografen und Stars vor Augen führt. „Paparazzi! Fotografen, Stars und Künstler“ vom 27. Juni – 12. Oktober 2014 in der Schirn Frankfurt 32
In höchsten Tönen Audiophile schwören auf die feinen APC-Aktivlautsprecher der in Nordenham ansässigen Abacus Electronics Manufaktur. Zusammen mit einem erstklassigen Plattenspieler wie dem Thorens TD 206 und einem vernünftigen Verstärker kann der Summer of Love kommen. Für unterwegs empfehlen wir die B&O Play Form 2i Kopfhörer.
G o We s t Lange Zeit ging es für Superstar Kanye West in der ModeWelt eher schleppend voran. Seine aktuelle Kollaboration mit dem französischen Kult-Label A.P.C. aber ist eine gelungene Mischung aus Street und Sophisticated. Besonders der Parka mit Pelzfutter fällt auf. Die Kollektion ist ab Juli im Handel erhältlich.
Unter dem Radar Wer nach Prism und Co. keine Lust mehr hat, unterwegs über sein Mobiltelefon geortet zu werden oder sich einfach mal nach Stille sehnt, dem sei die OFF Pocket Handyhülle empfohlen. Die blockiert jegliche WirelessSignale (im privacygiftshop.com.).
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Freischwinger Der Designer Konstantin Grcic ist mittlerweile omnipräsent. Das kann nerven. Solange er aber so großartige wie sommertaugliche Hightech-Sitzmöbel wie den MYTO Cantilever Chair gestaltet, wollen wir uns nicht beschweren. Erhältlich bei plank.it
Fr o m R u s s i a with Love Es gibt wenige ernst zu nehmende Drinks. Eine Wiederentdeckung ist der wunderbare und erfrischende Moscow Mule, am besten auf Wodka-Basis mit Ginger Beer und Limette. Bitter-Sweet!
Prickelnde Kunst
To l l w ü t i g Als am Strand von Santa-Monica die Wellen ausblieben, begannen ein paar coole Kids Rollen unter Bretter zu schrauben und damit in leeren Pools zu fahren. Das Skateboard war erfunden. Die Geschichte einer der ersten Crews erzählt der Dokumentarfilm Dogtown & Z-Boys. Erhältlich bei Sony Pictures Classics 34
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Fotos: © Sony Pictures Classics
Für die französische Champagnerkelterei Ruinart entwarf die schottische Künstlerin Georgia Russell eine filigrane Buchskulptur und eine elegante Flaschenhülse. Dabei zerschnitt sie mit einem Skalpell die Bücherseiten der Unternehmenssaga und lässt die Erinnerung an die Geschichte des Hauses gestalterisch auferleben.
GUIDE
Koons in NY Mit einer riesigen Retrospektive feiert das legendäre Whitney Museum in New York über 30 Jahre Jeff Koons. Dabei versammelt die Ausstellung 120 Arbeiten, um zu diskutieren, warum Jeff Koons zu den populärsten, einflussreichsten und umstrittensten Künstlern der Nachkriegszeit gehört. Seit 1978 polarisiert er mit seinen Arbeiten, die sowohl als kitschige berechnende Kommerzkunst beschimpft wie als legitimes Erbe von Andy Warhols Pop-Art gepriesen werden. Man hasst ihn oder liebt ihn, besonders in den USA. So ist Jeff Koons Show im Whitney Museum die erste große Werkschau in New York überhaupt. Er selbst verriet, er sei aufgeregt wegen der Show: „Die Amerikaner glauben, dass sie meine Kunst kennen, dabei haben sie bislang gar nicht die Möglichkeit gehabt, meine Arbeiten wie z.B. in Europa zu erleben, wo sie bereits vielfach ausgestellt wurden.“ Eine differenzierte Diskussion über das vielseitige Werk von Koons haben die New Yorker Museen bislang vermieden. Das könnte im Whitney anders werden. „Jeff Koons: A Retrospective“ ab 27. Juni 19 Oktober 2014 im Whitney Museum New York.
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ICONS OF MEN’S STYLE
DAS ZIPPO Früher nahm ich manchmal unbemerkt das schöne Zippo meines Vaters in die Hand. Der Deckel stand leicht über, beim Öffnen hörte man das Schnappen der Feder, kurz bevor Metall auf Metall stieß. Nur mit Mühe konnte man das schwere Reibrad drehen, mit dem man das Auermetall wetzt, um die gelbbläuliche Benzinflamme zu entzünden. Es gibt wenige Objekte, die Männer bei sich tragen, welche ähnlich ikonisch sind. Das Zippo ist ein perfekter Monolith, elegant und kraftvoll. Man denkt an Gentlemen in den Bars von Manhattan und Paris oder an amerikanische Soldaten im Pazifikkrieg. Ein GI hat meinem Vater sein Zippo in den 60er-Jahren in Bremerhaven, dem damaligen amerikanischen Nordseehafen, wo auch Elvis an Land gegangen ist, auf der Straße geschenkt. Er zündet sich damit noch immer lässig seine kräftigen, filterlosen Gitanes an. Das Zippo hat sich seit 1933 gut 500 Millionen Mal verkauft und ist damit das erfolgreichste Feuerzeug der Welt. 1932 gründete George Blaisdell die Zippo Manufacturing Co. in Bradford, Pennsylvania USA. Er entwi36
ckelte ein österreichisches Fabrikat der Marke Hurricane weiter, verkaufte es für 1,95$ pro Stück und vergab eine lebenslange Garantie. Das ist noch heute so. Außer in Deutschland, wo dies nach Rechtslage maximal 30 Jahre möglich ist. Der Bausatz des Zippos ist so einfach wie genial. In der Hülle steckt ein Tank, der mit in Benzin getränkter Watte gefüllt ist. Durch die Watte läuft ein Docht, der oberhalb im „Kamin“ neben dem funkenschlagenden Auermetall entzündet wird. Die Perforierung des Kamins verwirbelt den Wind und schützt die Flamme auch bei Sturm, ohne ihr den Sauerstoff zu entziehen. Das ist alles. Auf Zippos haben Soldaten in Vietnam ihre Sorgen eingraviert (siehe Foto). Mit einem Zippo entzünden die Mafiosi in „Der Pate“, Don Draper in der TV-Serie „Mad Men“ und der Mutant Pyro in der Comic-Adaption „XMen“ ihre Zigaretten bzw. Superkräfte. Es gibt Sondereditionen von Jack Daniel’s, dem Computerspiel Pac-Man und Bob Marley, dazu Hüllen mit erotischen japanischen Zeichnungen darauf. Auf einer aktuellen HOMMES
Edition liest man den unsäglichen amerikanischen Verfassungszusatz zum Recht auf Waffenbesitz, auf einer anderen reckt John Lennon das Peace-Zeichen unter der Freiheitsstatue in die Höhe. Das ist alles ziemlich grausig, doch in der einfachen Ausführung mit glänzender oder matt gebürsteter Chromhülle bleibt das Feuerzeug ein wunderschöner Klassiker. Väter mit Zippo bestehen an Silvester, Matrosen auf hoher See beim Rauchen im Orkan. Das Zippo passt zum eleganten Dinner wie zum Grillen im Park. Es hat genug Gewicht, um von Wert zu sein, ist aber für jedermann erschwinglich. Solch zeitloser, bezahlbarer und nützlicher Luxus ist selten geworden. Man sollte ihn hüten, denn er macht die Welt ein klein wenig schöner. Text: Jakob Krakel „Vietnam Zippos“ von Sherry Buchanan und Bradford Edwards, erschienen bei Thames & Hudson
Foto: © 2007 Asia Ink and Visionary World
Kaum ein Accessoire für Männer ist so ikonisch wie das Zippo. Ob als amerikanischer Soldat im Pazifikkrieg oder als Familienvater an Silvester, für den silbernen Monolithen gibt es keinen gleichwertigen Ersatz.
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DER SCHREIBTISCH VON:
WA R I S A H L U WA L I A
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Ursprünglich war der Tisch ein Scheunentor aus dem 19. Jahrhundert, den der „Indische Prinz“ – so wird er oft genannt – in Upstate New York gefunden hat. Ahluwalia liebt Erinnerungsstücke, Rares und Traditionelles, viel Technik findet man hier nicht. Warum auch, Tinte und Postkarten sind nämlich seine liebsten Kommunikationsmittel.
1. Mein Lieblingsfotograf William Eggleston 2. Eisenzaunpfosten vom Pariser Flohmarkt an der „Porte de Clignancourt“ 3. Handgeschnitzte Eulen von unserem „Monkey River Studios“ auf Bali, die Teil von der „House of Waris Rare Collection“ sind 4. Ein Bild mit einem meiner besten Freunde, meiner Mutter 5. Meine Sonnenbrillen von Grey Ant und House of Waris für Illesteva 6. Tinte und Notizkärtchen – am liebsten sind mir traditionelle Kommunikationsmittel 7. Porträt des Poeten Rabindranath Tagore, einer meiner Lieblingsautoren
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Foto: Stephen McGinn
Bei einem zufälligen Treffen hat Regisseur Wes Anderson gleich das großartige Schauspieltalent von Waris Ahluwalia erkannt und ihn in seinem Film „Die Tiefseetaucher“ besetzt. Erst vor Kurzem sah man ihn in Andersons Kino-Meisterwerk „Hotel Budapest“, zuvor spielte er unter anderem zusammen mit Tilda Swinton in „I am love“ oder neben Denzel Washington und Jodie Foster in „Inside Man“. Waris ist längst eine echte Stilikone, ein kultureller „Tastemaker“, der es liebt, neue Menschen zu treffen und Schönes zu schaffen, der an die Werte von Wahrheit und Wissen glaubt. Aber mehr noch: Der 40-jährige, gebürtige Inder ist ein inspirierender Schmuckdesigner mit seiner eigenen, kleinen Boutiquekette „House of Waris“. Sein Studio in New Yorks Midtown hat etwas von einer kreativen Ruheoase, die seine Persönlichkeit perfekt widerspiegelt. Seine Leidenschaft für schöne Dinge zeigt sich in den vielen, kleinen Sammelstücken aus den verschiedensten Orten der Welt, teils Geschenke, teils Mitbringsel, die auf seinem robusten, mit 2 urigen Palmen umgebenen Holzschreibtisch liegen.
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PA C K DIE BADEHOSE EIN Wahrer Luxus ist schwer zu bemessen. Die maßgeschneiderten Badeshorts von Orlebar Brown kommen dem Ideal einer eleganten und dabei sommertauglichen Strandbekleidung allerdings ziemlich nahe. Was ist eigentlich Luxus? Jeder hat dafür wahrscheinlich seine ganz eigene Definition. Für Lady Gaga ist es eine Geisteraustreibung für schlappe 50.000 $, Nicolas Cage kaufte sich einen Dinosaurier-Schädel für mehr als eine viertel Million $ und Rapper Birdman steht auf teure Autos wie seinen acht Millionen Dollar (!) teuren Maybach Exelero. Aber Luxus gibt es nicht nur im fünf- oder sechsstelligen Bereich. Er fängt schon bei den kleinen und guten Dingen des Lebens an. Bei Strandbekleidung zum Beispiel. Luxus kann bedeuten, die besten Badeshorts zu tragen, die es zurzeit auf dem Markt gibt. Stichwort: Orlebar Brown. Dem britischen Label wäre es zu verdanken, wenn einem der Anblick von engen Speedos und Surfershorts mit Mickey-Mouse-Print diesen Sommer erspart bliebe. In Orlebar Brown sehen Männer am Strand endlich wieder stilvoll und elegant aus. Man kann die maßgeschneiderten Badeshorts sogar lässig zum Barbesuch tragen. Mondän und smart, von früh bis spät, am Strand
oder zum Dinner. Gerade wegen dieser Qualität hat sich das britische Label zur führenden Ressortmarke entwickelt. Der Gründer und ehemalige Fotograf Adam Brown spürte genau, was der Männerwelt bis dato verwehrt geblieben ist: funktionale Bademode in ästhetischer Perfektion. Jetzt könnte man sagen: Da hätte einer auch vorher drauf kommen können. Aber wie das eben so ist mit (guten) Ideen, es hapert meist an der Umsetzung. Aktuell kann man die klassischen Badeshorts im Retrolook sogar online selbst gestalten. Ob in der Kombination zum restlichen Outfit oder in der individuellen Lieblingsfarbe – den Möglichkeiten sind (fast) keine Grenzen gesetzt. Luxus bedeutet nämlich auch, frei entscheiden zu dürfen, was man anzieht. Gut aussehen ist diesen Sommer weniger eine Frage des Budgets als vielmehr eine des gepflegten Geschmacks. Text: Revan Baysal Fotos: Stephen McGinn
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MICHAEL VS. MICHAEL Was trennt, was verbindet das Sensibelchen Michael Jackson und den potenten Erzengel Michael? Wer ist der größere Performer?
S TAT U S King of Pop
CEO Gottes
AKA Zombie Slayer, Best Buddy von Bubbles, Moonwalker
Bezwinger Satans, Best Buddy von Moses, Bouncer des Paradieses
LOOK Neil Armstrong in Studio 54
Johnny Weissmüller am Tag des Jüngsten Gerichts
SCHÖNSTER TWEET „If #Jesus ever tells that fucking crucifixion story again, i’ll swear i’ll %@*$“
DAS SAGEN DI E N EI DER „Im Grunde hat mich Michael Jackson nie sonderlich interessiert“ - Domian
„Ich finde Michael als Erzengel völlig überschätzt“ - Luzifer
LEGEN DÄRER CAM EO I N „The Wiz“ (1978)
„Paradise Lost“ (1667)
IF I HAD A HAMMER … „… i’d hammer out love!“ 58
„… i’d kick some dead serious butt“
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Text: Willy Katz Illustration: Der Stör
„Hope #Priscilla won’t sleep over tonight ... :-/“
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STILKRITIK
ZU TRAGEN M IT STOLZ Bei Sandalen denkt man zunächst an Ballermann und Campingplatz. Doch wer sie in der richtigen Kombination trägt, wird oftmals für seinen Mut zum Risiko belohnt. Eine Rehabilitierung. Zu behaupten, dass sich an Männern in Sandalen die Geister scheiden, ist eine gewaltige Untertreibung. Wie viele gut gekleidete Männer fallen Ihnen ein, die Sandalen fernab vom Campingplatz oder dem Strand anziehen würden? Meist sind es jene, denen ihr Äußeres eh egal ist und die es sich gerne gemütlich machen. Oder der Ballermann-Tourist, der die Adiletten aus Prinzip mit allem kombiniert. Es ist auch zu befürchten, dass Wandersandalen aus der Kategorie „festes Schuhwerk“ wieder Einkehr in unsere Städte finden werden, da das Phänomen der Anti-Fashion oder Normcore sich immer mehr ins kollektive Stilbewusstsein einbettet. Es gibt keine Faustregel für Sandalenträger, aber vielleicht ist gerade das der Reiz dieser Schuhe: Die Sandale ist nie die sichere Nummer. Sie ist kein Loafer ohne Socken, kein Designer-Sneaker oder Bootsschuh. Es gibt keinen Sandalen-Klassiker, den man in Styleguides finden würde. Sie passt zu den wenigsten Hosen oder Shorts im typischen Männerkleiderschrank und doch findet man sie jedes Jahr pünktlich zu den Frühling/Sommer-Shows bei mehr Designern, als es vermutlich den meisten Kunden lieb ist. Diese Saison waren es sowohl die klassischen, konservativen Labels, wie Hermès und Michael Kors, als auch die progressiven Fashion-Lieblinge Riccardo Tisci bei Givenchy und Lucas Ossendrijver bei Lanvin. Man kann nicht einmal von Sandalen als Trend sprechen, denn die Modelle der Saison ähneln sich nicht besonders; die einen machen auf Disco-Römer, die anderen auf Jachtclub, Portofino. Klischees hin oder her, die Sandale am Männerfuß hat etwas Mutiges. Hercules, Julius Cäsar und Jeff Bridges als der Dude in „The Big Lebowski“ trugen sie mit Stolz. Nackte Männerfüße ziehen Blicke auf sich und strahlen Selbstsicherheit aus.
Natürlich muss man Sandalen tragen können, nicht jeder Fuß ist für sie gemacht. Es gibt wenige Modelle, die an einem breiten, behaarten Fuß gut aussehen. Und was zur Hölle zieht man zu ihnen an? Eigentlich beginnt da erst der Spaß, denn man wird genötigt, seinen Kleiderschrank mit neuen Augen
„Wenig strahlt männliche Eleganz so aus wie ein Kaschmirpullover zu Shorts und Sandalen“ zu sehen. Nur weil eine bewährte Kombination mit den meisten Schuhen funktioniert, heißt es nicht, dass das auch der Fall ist, wenn freie Zehen ins Spiel kommen. Wenig strahlt männliche Eleganz so aus wie ein Kaschmirpullover zu Shorts und Sandalen. Greift man zur Leinenhose, braucht es nicht mehr viel zum Jesus-Look – eine sehr coole Nummer seit gut 2000 Jahren. Dass Hornhaut und ungepflegte Nägel verboten sind, muss an dieser Stelle nicht erwähnt werden, denn die meisten, die sich gegen Sandalen sträuben, halten sich aus gutem (pedi-ästhetischen) Grunde bedeckt. Unser Coverstar Stromae bewies beim Shooting wahre Sandalen-Credibility, denn als wir ihn fragten, ob er die Kalbsledersandalen mit EspadrilleSohle von Hermès anziehen würde, zückte er seine bunten Socken und sagte: „Only with these!“ Text und Styling: Adrian Fekete Foto: Jan Lessner
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VOM WIND GEZEICHNET Mit dem Rapide S perfektioniert Aston Martin seinen eleganten viertürigen Sportwagen.
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GADGET
Es ist ja nicht so, dass es keine schönen Autos geben würde. Das Problem ist oft nur: Das Design drängt sich in den Vordergrund. Das hat oft mit dem Erbe zu tun, das der Designer bei der jeweiligen Marke vorfindet. Große Konzerne haben oft eine dermaßen komplexe Designgeschichte, dass es schwierig ist, aus dem übermächtigen Erbe eine simple, effiziente und natürlich schöne Form zu filtern. Vor diesem Hintergrund hat Aston Martin natürlich einen riesigen Vorteil: Die Marke ist klein, es kommen nicht oft neue Modelle auf den Markt und als Sportwagen-Hersteller konnte sich die britische Edelmanufaktur immer schon auf die schönen Seiten der motorisierten Welt konzentrieren. Keine Vans, SUVs oder Kompaktwagen - das Ideal war immer schon die Schönheit pur. Einem stets handgefertigten Aston Martin wohnt eine gewisse Zwecklosigkeit inne, da es nie ein Auto war, mit dem man täglich zur Arbeit fährt oder das man mit einem anderen ähnlich banalen Zweck verbindet. Eher mit dem großen Abenteuer - wie das 24-Stunden-Rennen in Le Mans oder die Verfolgungsjagden, in denen Superspion James Bond in den Präziosen der englischen Sportwagenschmiede um sein Leben fuhr. Und am Ende gehört das alles natürlich zusammen: Aussehen und Abenteuer. Stil - darum geht es dem Käufer eines Aston Martin vor allem. Vor etwa fünf Jahren wagte sich Aston Martin wieder in den Bereich der sportlichen viertürigen Limousinen vor - ein Experiment, das 30 Jahre vorher mit dem legendären Lagonda zwar zu einem ikonischen Design führte, aber finanziell scheiterte. Kaufen wollte den kantigen Viertürer kaum jemand. Seinem Nachfolger aber, dem Aston Martin Rapide, gelang der Erfolg, der dem Lagonda versagt blieb. Darüber hinaus wurde er zu einem der schönsten Autos dieser Zeit - mit einer perfekten, stromlinienförmigen Karosserie, die wirkte, als wäre sie vom Wind gezeichnet. Der atemberaubend schöne Rapide verführt jeden, der sich auch nur annähernd für motorisierte Gefährte interessiert. Und auch denjenigen, die kein Herz aus Benzin haben, fällt sofort auf, dass hier designtechnisch einiges richtig gelaufen ist. Nun hat Aston Martin den Rapide in diesem Jahr als S-Version gekrönt. Also quasi die Kirsche mit britischem Feingefühl perfekt auf der Torte platziert. 81 PS mehr, ein breiterer Kühlergrill und ein leicht modifizierter Stoßfänger - alles Details, die ein schönes Auto noch schöner machen. Text: Daniel Seetal Foto: Revan Baysal
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Herausstechen, aber mit Stil. Modern, aber nicht artifiziell. L’Officiel Hommes hat die Top-Trends des Herbstes für einen stilvollen Gentleman zusammengestellt. ngestel
v.l.n.r.: Iceberg, Bottega Veneta, Ermenegildo Zegna Couture
BLOUSON Dem Blouson der Saison gelingt die perfekte Gratwanderung zwischen smart und casual. Er betont die Schultern und sieht genauso gut über dem Anzug wie über dem T-Shirt aus, ist aber um einiges weniger verspielt als sein kleiner Bruder, die Baseballjacke. Die taillierten Modelle von Bottega Veneta und Zegna unterstreichen auf subtile Art das, was vom sommerlichen Beach-Body übriggeblieben ist.
v.l.n.r.: Prada, Calvin Klein Collection, Louis Vuitton
ÉMINENCE BEIGE
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Die unscheinbarste aller Farben geht auf Angriff diesen Herbst. Ein mutiger Total Look in Beige (Kamel, Écru, Sandfarben, Drapp, Hellbraun, usw.) tauchte in fast allen Kollektionen auf und bewies, dass auch eine Unfarbe ein Statement sein kann. Besonders gelungen: der sandige Krieger von Calvin Klein Collection und Camel Commander von Prada. Die restliche Sommerbräune unterstreicht diesen Look.
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XXL-MANTEL v.l.n.r.: Louis Vuitton, Haider Ackermann, Dior Homme
Man hat das Gefühl, als wollten Designer Männer in Capes sehen, doch entschieden sie sich, Ärmel anzunähen für die Unentschlossenen. Wie ein Kokon umhüllen diese XXL-Mäntel aus dicker Wolle und Kaschmir den Körper und erinnern dabei an hohe Tiere im Militär der 20er-Jahre und mitteleuropäische Hirten aus derselben Zeit. Gewinner der Saison: Haider Ackermanns intarsienverzierter Riesenmantel erinnert an Shoguns des mittelalterlichen Japans.
B I G PA N T S
v.l.n.r.: Acne, Prada, Givenchy
Die Männermode hat nur wenige Spielwiesen. Eine davon ist die Proportion. Mal ist die Hose gerade, mal weiter, mal skinny, aber die hochgeschnittene XXL-Hose ist eine neue und mutige Variation. Die Form wirkt dekadent, aber stark, unorthodox und doch sehr männlich. Zum Mantel chez Givenchy strahlt sie eine lockere Eleganz aus, denn der Rest ist körperbetont.
P!NK v.l.n.r.: Lanvin, Dries Van Noten, Raf Simons
Überraschend tragbar ist die Welle in Rosa, Pink und Magenta auf den Laufstegen für den Herbst und hat so gar nichts mit den rosa Hemdenträgern der frühen 2000er gemeinsam. Ob Punk, Dandy oder minimalistisch, diese Farben sind ein Statement gegen das Alltagsgrau der kälteren Jahreszeiten. Sie erlauben keine Selbstzweifel, denn nichts ist trauriger als ein Mann in pinkfarbener Lederjacke, der am liebsten unsichtbar wäre. Just do it.
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M AT R I Z E N
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ARCHITEKTUR In Sergei Tchobans Stiftung am Berliner Pfefferberg, umgeben 1 von Zeichnungen Rossis, Niemeyers und Libeskinds, wirkt Architektur noch als utopischer Möglichkeitsraum.
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Herr Tchoban, Ihre Foundation wurde 2013 mit Kupferstichen des italienischen Künstlers und Architekturtheoretikers Giovanni Piranesi eröffnet. Man hat sich diese Stiche im 18. Jahrhundert wie Postkarten gekauft. Sergei Tchoban: Richtig. Und nicht nur seine. Was berührt Sie an diesen Arbeiten? S.T.: Es geht mir einerseits um die künstlerische Qualität, zum anderen um die utopische Idee, die auch niemals realisierten Entwürfen zugrunde liegt. Die Zeichnungen werden zu einer Bühne, auf der man miteinander über Visionen und Gedanken spricht, die der Architektur fundamental zugrunde liegen. Am Bauhaus wurde in den 1920er-Jahren durch Lehrer wie Gropius und Johannes Itten die Einheit von Kunst und Bau gelehrt. Haben Sie den Eindruck, die heutige Architektengeneration sei zu einseitig auf Letzteres bezogen, zu wenig künstlerisch, zu sehr technisch? S.T.: Nein, das glaube ich nicht. Architektur hat sich in den vergangenen hundert Jahren stark verändert. Das Problem ist eher: Man nutzt heute Mittel, die nicht überall und dauerhaft eine Wirkung entfalten können. In Italien mag das Klima und die Landschaft einer kargen Mauer genug „Feinsinn“ geben, während in Russland ein sehr puristisches Haus schnell in der Zeitung Erwähnung finden mag, aber nach wenigen Jahren verkommen und vergessen ist. Sie selbst haben dieses Museum mit Ihrem Büro entworfen. Was ist daran exemplarisch? S.T.: Das Gebäude der Tchoban Foundation spricht die Sprache des Zusammenhangs zwischen dem robusten Material Beton und der feinen Fassade, in die Zeichnungen durch Matrizen eingeprägt worden sind. Die Fassade erinnert an alt-ägyptische Tempelinschriften. Diese waren einerseits Ornament, anderseits auch Informationsträger. S.T.: Die Wand ist sicherlich auch Informationsoberfläche, das ist ganz richtig. Und noch etwas: Beim Betrachten des Hauses darf dieses nicht nur aus der Ferne oder der mittleren Distanz wirken. Die Spannung soll wachsen, je näher man herantritt. Man braucht Details, die fassbar sind, um die haptische Wirkung des Hauses begreifen zu können. 2010 und 2012 haben Sie den russischen Pavillon auf der Architektur-Biennale in Venedig
kuratiert. Die dort gezeigte Installation „I-City“ experimentierte ebenso mit Oberflächen, von denen Informationen abzurufen war. Etwa über einen Bar-Scanner auf dem Handy. S.T.: Ganz richtig. Sind die von Ihnen gesammelten oder selbst gezeichneten und hier ausgestellten Architekturzeichnungen nicht ein Vorläufer dieser Informationsarchitektur? S.T.: Weit gedacht ist das so. Es ist dasselbe Spiel mit der Information, aber auch mit der Schönheit des Bildes. Bei einer anderen Installation unseres Büros, der U-Cloud im Hof des Cortile d’Onore in Urbino, Italien, haben wir über Reflexionen und animierte Oberflächen den Gegensatz zur umgebenden Renaissancearchitektur betont. Im Kontrast zur alten Stadt entfaltet sich die zeitgenössische Architektur am besten. Nehmen Sie diese Zeichnung von Aldo Rossi. Man sieht die Mailänder Kathedrale neben einem von Rossi entworfenen Denkmal. Das ist rein fiktiv. Wirkt aber. Stellt man eine Stadt rein aus zeitgenössischer Architektur zusammen, werden ihre Mängel deutlich. Denn sie muss nun aus sich selbst heraus Beständigkeit und Dauerhaftigkeit entwickeln. Das ist nicht leicht. Spielt hier der Begriff der „Aura“ eine Rolle? „Sickern“ Zeit, Erfahrung und Gebrauch in Architektur ein? S.T.: Ich würde sogar sagen, dass die Energie, die man für Architektur aufwendet, zurückgegeben wird. Die Energie einer gut gesetzten Steinwand ist wie eine Batterie, die die in sie investierte Energie sehr langsam, über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte, zurückgibt. Wenn die Architektur aber zu „slick“ wirkt, dann ist diese Wiedergabe nicht möglich. Es werden Ihrer Meinung nach also schlechte Batterien gebaut? S.T.: So ist es. Schlechte unästhetische Batterien. Geben Sie ein Beispiel. S.T.: Wir leben in einer schnellen Zeit und die Architektur spiegelt dies wider. Viele Architekten denken über Architektur nach wie über eine Installation, die über einen kurzen Zeitraum bewundert werden soll und danach ersetzbar oder sogar recycelbar wird. Man prognostiziert den Abriss der Architektur mit dem Bau. Das ist ein Gedanke, der in der historischen Architektur fremd ist. In ihrer Sammlung gibt es einen großen Anteil
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Vorherige Seite: 1 Fassade der Sergei Tchoban Stiftung, Berlin 2 Sergei Tchoban 3 Installation „I-City“ im russischen Pavillon auf der Architektur-Biennale Venedig, 2012 4 Monument der Dritten Internationale von Wladimir Tatlin, 1917 5 Von Aldo Rossi entworfenes Denkmal neben der Mailänder Kathedrale 6 Boris Iofan, Wettbewerbsentwurf für den Palast der Sowjets, Ansicht von der Moskwa, 1933-1934 3
russischer Arbeiten. Besonders eindrücklich sind die Architekturzeichnungen und -fantasien der Konstruktivisten aus den 20er-Jahren. S.T.: Obwohl wir mittlerweile die Vorläufer dieser Ideen kennen, kamen sie damals praktisch aus dem Nichts. Dass so ein Aufbruch möglich war, der die Kunst und Architektur komplett revolutionierte, ist schon faszinierend. Wieso wurden diese Künstler und ihre Ideen im Stalinismus der 30er-Jahre derart verfolgt? S.T.: Erst mal war es eine Zeit, in der alle verfolgt
„Heutzutage prognostiziert man den Abriss der Architektur mit dem Bau“ wurden. Darunter auch manche Konstruktivisten. Damals konkurrierten zwei große Schulen miteinander: eine fortschrittliche, die unter anderen auf den Ideen des Bauhauses basierte, und die fast zeitgleich entwickelte neoklassizistische Schule. Beide Schulen hatten Anhänger. Der Wettbewerb um den Palast der Sowjets war dann das Kampffeld, auf dem man direkt aneinandergeraten ist. Die Jury bestand zum großen Teil aus regierungsnahen Mitgliedern. Man hat sich nach anfänglichem Zögern 1932 gegen die Konstruktivisten und für den Neoklassizismus entschieden, der so zur Staatsarchitektur geworden ist. Auch wenn der Palast selbst nie gebaut worden ist. Erleben wir auch in Berlin mit dem Wiederaufbau des Schlosses einen solch definierenden Moment? Wird damit nicht auch ein Schlussstrich unter das Bemühen gezogen, ein neues Berlin 68
mit eigener Formensprache zu entwickeln, stattdessen restauriert man ein vergangenes preußisches Ideal? S.T.: Ich sehe das anders. Es gibt Bauwerke, die so bedeutend sind, dass eine Nation ohne sie nicht denkbar wäre. Und wenn die zerstört worden sind, dann sollte man sie, wenn möglich, wiederherstellen. Ein Beispiel dafür ist die Christ-ErlöserKathedrale in Moskau, die auf der Stelle des nie verwirklichten Palastes der Sowjets rekonstruiert wurde. Aber selbst wenn solche Bausubstanz nicht mehr erhalten ist, so besteht sie als Gedanke, als Entwurf. So wäre die russische (Architektur-)Geschichte auch ohne das Monument der Dritten Internationale des Avantgarde-Künstlers Wladimir Tatlin von 1917 eine andere. Sein turmartiger Entwurf wurde niemals realisiert, doch er steht exemplarisch für das revolutionäre Potenzial der russischen Kultur. S.T.: Die Idee des Monuments war sehr wichtig und hat nicht nur die russische, sondern auch die internationale Kunst- und Architekturgeschichte verändert. Selbstverständlich. Wiederherstellung aber sollte nur an dem Ort stattfinden, an dem ein Gebäude einst gestanden oder für welchen es gedacht war. Idee und Ort gehören zusammen. Die Materialität schließlich realisiert den Gedanken in Stein. Interview: Ruben Donsbach Bilder: 1 Roland Halbe, 2 Michaela Schoepke, 3 nps tschoban voss, 4 Andy Roberts, 5 Aldo Rossi, 6 Boris Iofan Sergei Tchoban, geboren 1962 in Leningrad, 1991 nach Hamburg übergesiedelt, leitet zusammen mit Sergej Kusznetzow das 2006 gegründete Architektur-Büro Speech. Neben seiner Arbeit an mehreren Großprojekten wie dem Federation Komplex in Moskau widmet er sich mit der Berliner Tchoban Foundation Architekturzeichnungen aus dem 17. bis 21. Jahrhundert.
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DANKSAGUNG
Gemeinsam schrieben der amerikanische Regisseur Robert „Bob“ Wilson und der ostdeutsche Dramatiker Heiner Müller Theatergeschichte. Was sie trennte? Ihr Lieblingsdrink. Was sie einte? Ihr Humor! „Bevor ich Ihnen von meiner Begegnung mit Heiner Müller erzähle, möchte ich Sie etwas fragen ... Wissen Sie, was mich als Amerikaner von den Deutschen unterscheidet? Mir geht es um den Effekt. Den Deutschen geht es um die Ursache. Das gilt im Allgemeinen wie im Besonderen für die Arbeit am Theater. Ganz konkret fiel mir dieser Unterschied auf, als ich 1977 in West-Berlin war. Ich wurde eingeladen, um ein neues Theaterstück, „Death, Destruction & Detroit“, für die Schaubühne am Lehniner Platz zu erarbeiten. Ich beginne die Arbeit an einem Stück meist mit einem leeren Block Papier, improvisiere zunächst mit den Schauspielern, probiere so lange rum, bis ich daraus ein erstes Skript formen kann. So machte ich es auch bei der ersten Zusammenarbeit mit den Schauspielern von Peter Stein, damals Intendant der Schaubühne in West-Berlin. Die waren schockiert. Denn bevor sie das erste Mal eine Bühne betraten, setzten sie sich in der Regel an einen Tisch, verbrachten dort mehre Monate, um Bücher zu lesen, zu recherchieren und zu diskutieren, um so eine Interpretation des Textes zu entwickeln. Ihnen wurde ganz anders, denn plötzlich stand ich da, Bugs Bunny aus Texas, nur mit einem leeren Notizbuch, ohne konkrete Ideen und wollte vom ersten Tag an auf der Bühne arbeiten. Ich sagte zu den Schauspielern, macht mal etwas, rauf auf die Bühne. Sie waren total verloren, fragten mich, was sie denn bloß tun sollten. Ich sagte, macht irgendetwas. Das war für uns alle eine völlig neue Erfahrung. Ich verstand damals, dass die Deutschen nach dem Ursprung eines Phänomens suchen, um daraus einen Effekt zu erzeugen. Ich als oberflächlicher Amerikaner beginne mit dem Effekt. Ich muss die Ursache einer Sache nicht kennen, nein, ich will sie nicht einmal kennen. Um den verkopften, strikten Geist an der Schaubühne aufzulockern, veranstaltete ich jeden Donnerstagabend eine Party im Probenraum, wo alle ihre Freunde und Partner mitbringen konnten. Zu einer dieser Partys lud jemand Heiner Müller ein, der aus Ost-Berlin kam. Ich traf ihn dort zum ersten Mal, wusste gar nicht, wer er ist, was er macht. An diesem Abend kam auch Ivan Nagel, einer der wichtigsten Theaterkritiker der Nachkriegszeit, der 2012 verstarb. Ich kannte Ivan aus Hamburg, wo er Intendant des Deutschen Schauspielhauses war. Er stellte mir Heiner vor, der darauf zu meinen Proben an die Schaubühne kam. Ich glaube, er war fasziniert, denn diese Art ein Stück zu erarbeiten, war für ihn völlig neu. Ein paar Jahre später kreuzten sich unsere Wege wieder. Ich arbeitete gerade an dem Stück „THE CIVIL warS“ für die Olympischen Spiele von 1984 in Los Angeles und suchte einen deutschen Autor. Ich sprach mit Ivan Nagel, der mich 70
oft beriet, und er sagte, der beste deutsche Autor für dieses Stück sei Heiner Müller. Heiner besuchte mich in Rotterdam, während ich probte, und es war das erste Mal, dass wir eine ernste Unterhaltung hatten. Er sagte, er hätte inzwischen einige meiner Stücke gesehen und glaubte, ich müsse Bertolt Brecht kennen, die deutsche Theaterfigur der Nachkriegszeit. Ich sagte ihm, ich weiß gar nichts über Brecht. Ich kannte Brechts Sohn Stefan, das war alles. Heiner holte aus und sagte, er habe keine andere Arbeit gesehen, die derart Brechts Philosophie thematisiert. Ich erwiderte, indem ich auf Heiners Theaterarbeit zu sprechen kam. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich einige von seinen Stücken gelesen, ein paar Produktionen gesehen und ich sagte ganz naiv, es sei für mich überraschend, dass sein Theater als politisch bezeichnet wird. Er fragte, wie ich es finde? Ich sagte, wenn du irgendetwas bist, dann ein philosophischer Dramaturg. Wenn deine Arbeiten in 100, 300 oder 500 Jahren noch existieren, dann mit Sicherheit nicht, weil du politisches, sondern weil du philosophisches Theater schreibst. Er lächelte. Ab diesem Zeitpunkt hatten wir eine echte Verbindung. Obwohl wir von gänzlich verschiedenen Ecken des Theaters kamen, fragte ich ihn, ob er bei der deutschen Sektion der „CIVIL warS“
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genartiges Paar. Keiner konnte glauben, dass wir beide enge Freunde waren. Dabei hatten wir den größten Spaß. Bei aller Verschiedenheit gab es etwas, das uns im Tiefsten verband; eine Art der Formalität, eine Distanz zum dramaturgischen Material und die Weise, wie wir mit Gefühlen im Theater umgehen. Heiner konnte wie kein Zweiter zu mir in den Regieraum kommen, Kritik üben und über meine Arbeit diskutieren. Ich hatte nie wieder einen Freund, der eine Bestätigung für das war, was ich machte, einfach nur in der Art, wie er war. Bei ihm spürte und wusste ich, es ist okay. Er gab kein Urteil. Die Interpretation eines Stückes war für ihn offen, nicht zu Ende, wenn der Vorhang fiel, sie setzte sich für jeden individuell fort. Das ist auch meine Haltung. Ich glaube, deshalb fühlte er eine Form der Freiheit, wenn wir zusammen arbeiteten. Ich öffnete seinen Text, lehnte es ab, eine Interpretation zu formulieren. Heiner verstand meine Arbeit im Kern. Es war unglaublich, in welcher Weise er abstrakt denken, Text und Themen konstruieren und variieren konnte. Für diesen Austausch werde ich ihm immer dankbar sein. Ich werde niemals vergessen, wie Heiner und ich gemeinsam nach Harvard zur Universität reisten, um dort über unsere Kooperationen zu sprechen. Wir waren müde, völlig gejetlagged, als wir ankamen. Dann sprach ein Professor Schießmichtot eine erschlagend lange Einführung. Als er endlich fertig war, sagte Heiner, warum machen wir nicht eine offene Diskussion, bevor wir die Studenten mit unseren Vorträgen langweilen. Eine junge Studentin stand auf und fragte, „Mr. Müller, können Sie mir sagen, was der Unterschied zwischen Ihnen und Mr. Wilson ist?“ Heiner antwortete: „Das ist ganz einfach, Bob mag Wodka und ich Scotch.“ Das letzte Mal, dass ich Heiner sah, war im Dezember 1995 in München. Das war einen Monat, bevor er an seiner Krebserkrankung starb. Er war bereits im Krankenhaus und ich wusste, dass es ihm nicht gut geht. Ich verbrachte einen Nachmittag mit ihm. Er erzählte mir, Bob, keiner kann meine Stücke wie du inszenieren. Ich fragte mit arbeiten würde. Er stimmte zu. Ich fing gleich an auf der Bühne zu proben – natürlich ohne Text. Heiner schaute sich das an, wir filmten die Proben und er schrieb ein Skript dazu, das wir dann einarbeiteten. Auf dieses Projekt folgten mehrere Zusammenarbeiten. Anfang der 90er-Jahre erarbeitete ich mit Studenten der New York University eine Aufführung seiner „Hamletmaschine“, in der es um die Rolle der Intellektuellen in der ehemaligen DDR ging. Ich fragte Heiner, ob er mir etwas zu diesem Stück sagen möchte. Er sagte, nein, nein, das Einzige sei, die Aufführung sollte nicht länger als eine Stunde sein. Am Ende wurden es drei Stunden. Heiner schaute sich meine Adaption in New York an und sagte mir, es sei die beste Produktion, die er je gesehen habe. Ich glaube, ihm gefiel es, weil die jungen amerikanischen Studenten an der NYU überhaupt keine Ahnung hatten, was während des ungarischen Volksaufstands 1956 passiert ist; sie hatten nicht die Bürde und Last der Geschichte zu schultern, wie es vergleichsweise einem deutschem Ensemble ergangen wäre. Die Studenten der NYU betrachten das Stück als puren Text. Wir sahen uns dann immer öfter. Heiner und ich waren ein ei-
„Was uns unterscheidet? Bob mag Wodka und ich Scotch“ ihn, warum? Er sagte, weil ich ihm Raum für Intellektualität gebe und am allerwichtigsten, weil ich Humor ins Theater gebracht hätte. Die Deutschen hätten keine Distanz, seien zu nah an dem Stoff. Ich als Außerirdischer sei viel weiter weg, hätte den Humor und das sei es, was seine Arbeiten wirklich erschreckend mache. Dann sagte er zu mir – und das hat mich tief berührt – Bob, ich werde nicht mehr lange leben; versprich mir eines, bei meiner Beerdigung hätte ich gerne, dass Daniel Barenboim am Klavier Mozart spielt und du sprichst. So machten wir es.“ Protokoll: Robert Grunenberg Foto: Gundel Kilian
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KÖNIGLICHER
LUXUS Jackie O., Prince Charles und Andy Warhol trugen sie. Kaum ein Unternehmen steht derart für hochklassige und luxuriöse Schuhe wie die Traditionsmarke John Lobb. In bis zu 190 Arbeitsschritten und sechs Monaten Arbeit entstehen maßgefertigte, handgenähte Kunstwerke, die sich regelrecht an den Fuß anschmiegen.
Wenn James Bond die Welt rettet, dann sieht er dabei immer blendend gut aus. Von Kopf bis Fuß trägt er das Feinste, was moderne Herrenausstatter maßschneidern. In die weit zurückreichenden und großen Fußstapfen von Sean Connery, Roger Moore & Co. trat Daniel Craig 2006 mit einem Paar handgefertigter Oxfordschuhe vom Schuhhersteller John Lobb. Unvergesslich ist die Pokerszene aus „Casino Royale“, in der Craig seinem Widersacher Le Chiffre, gespielt von Mads Mikkelsen, zum Zocken herausfordert. Bond behält die Nerven, gewinnt und trägt das maßgeschneiderte Outfit wie eine Insignie seiner britischen Gelassenheit und des guten Geschmacks. Die eleganten und handgefertigten Schuhe des Schuhherstellers John Lobb pas72
sen ideal zu Daniel Craigs neuem Agententypus, der lieber abenteuerlicher Gentleman als zynischer Macho ist. In „Casino Royal“ trägt er das Modell Luffield, schwarze schmal geschnittene Oxfords, ein Klassiker des Traditionshauses, das sein erstes Geschäft 1866 in der Regent Street in London eröffnete. Hier im Schatten des großen Wachturms des St. James’s Palace sorgten einst irrlichterne Exzentriker der englischen Aristokratie wie Lady Caroline Lamb und Lord Byron mit ihren liederlichen Lebensentwürfen für Skandale, verwandelte der Dandy Beau Brummell einfache Kleider in Haute Couture. Im Londoner Westend, nicht weit von der Bond Street, der Savile Row und Jermyn Street, finden sich heute noch Geschäfte, die Schuhe und
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Stiefel mit der Hand fertigen. In der St. James’s Street Hausnummer 9 befindet sich das legendäre Geschäft von John Lobb. Doch die Geschichte beginnt nicht hier im noblen Stadtteil Westminster. Sie hätte beinahe geendet, bevor sie begann. Denn John Lobb (18291895), Sohn eines Bauern aus Südwest-England, verunglückte in jungen Jahren bei einem Unfall, brach sich das Bein und blieb nach einer missglückten Operation beeinträchtigt. Weil er nicht als Bauer arbeiten konnte, erlernte er sein Handwerk beim berühmten Schuhmacher Thomas in London. Aus seiner anfänglichen Not erwuchs eine lebenslange Passion, die den jungen Lobb nach Sydney Australien führte. Hier fertigte er für die ausgewanderten Goldsucher Stiefel mit hohlen Absätzen, in denen Gold-Nuggets verstaut werden konnten. Die Stiefel wurden ein Verkaufsschlager, Lobb ließ sich in Sydney nieder und gründete 1849 das nach ihm benannte Unternehmen. Aus den Arbeiterstiefeln entwickelte er exklusive Reitstiefel, die er unaufgefordert an den damaligen Prince of Wales nach England schickte. Lobb überzeugte mit seinem präzise gearbeiteten Schuhhandwerk, wurde zum königlichen Hoflieferanten ernannt und kehrte 1866 nach London zurück, wo er erst in der Regent Street und 1880 in der St. James’s Street eine Filiale eröffnete. Nach dem Tod von John Lobb 1895 übernahmen Familienangehörige die Leitung der Geschäfte, eröffneten 1902 eine Filiale in Paris und führten das Unternehmen sicher durch die Wirren des Ersten und des Zweiten Weltkriegs. Der gute Ruf als königlicher Lieferant festigte sich, so zeichnete auch 1963 Königin Elisabeth II. und 1980 Prinz Charles John Lobb mit einem „Royal Warrant“ aus, die offizielle Zulieferungsbefugnis der britischen Krone. Seit jeher ist das Königshaus treuer Kunde, darunter vor allem Prince Charles. Vor ein paar Jahren besuchte er in Begleitung von Camilla, Duchess of Cornwall, die legendäre Filiale in der St. James’s Street, die noch immer von Nachkommen John Lobbs als Einzelunternehmen betrieben wird. Hier wurden Charles und Camilla alte Schuhleisten gezeigt, die sich in riesigen Regalen vom Boden bis an die Decke stapeln. Darunter nicht nur das Modell von Charles selbst, sondern auch die Leisten seiner Vorfahren wie Queen Victoria, George V. und Queen Elizabeth oder von Berühmtheiten wie Otto von Bismarck oder auch Frank Sinatra, Andy Warhol und Calvin Klein. Es heißt, Camillas Aufmerksamkeit sei bei diesem Besuch auf die Schuhleiste von Jackie Kennedy gefallen, wobei sie feststellte, dass deren Füße größer waren als die ihres zweiten Ehemannes Aristoteles Onassis.
Um eine Schuhleiste neben den vielen prominenten Nachbarn zu bekommen, muss man nicht nur viel Zeit, sondern vor allem das entsprechende Kleingeld mitbringen. Für ein Paar maßgeschneiderte John-Lobb-Schuhe braucht es mehr als sechs Monate Herstellungszeit. Die Kosten beginnen bei etwa 4.000 Euro, wobei es nach oben viel Spielraum gibt, denn prinzipiell fertigt die Firma jede Art von Schuh, egal in welcher Form und aus welchem Material, solange es sich technisch umsetzen lässt. Das Ladengeschäft in der St. James’s Street produziert und verkauft als Einzelunternehmen unter der Leitung von Nachkommen von John Lobb bis heute ausschließlich maßangepasste und individuell handgefertigte Schuhe für Herren und Damen sowie Accessoires. Nicht zu verwechseln ist das Einzelgeschäft John Lobb Ltd. in der St. James’s Street mit der gleichnamigen Marke John Lobb SAS, die unabhängig seit 1976 existiert und eine Sparte des französischen Hermès-Konzerns ist. Denn als die von John Lobb Ltd. 1902 eröffnete Pariser Filiale 1976 geschlossen werden sollte, erwarb der französische Luxusgüterkonzern die Rech-
te am Namen John Lobb. Davon ausgenommen war und ist die Maßschuhwerkstatt in der St. James‘s Street in London. Hermès baute in den Folgejahren ein weltweites Vertriebsnetz mit John-Lobb-Boutiquen auf und führte 1982 zusätzlich rahmengenähte Konfektionsschuhe ein, die nicht mehr maßangepasst werden und dadurch kostengünstiger sind. Neben der Ready-to-wear-Linie gibt es zudem eine Request-Kollektion, bei der sich Farbe, Leder und Schuhmodell bestimmen lassen. Produziert wird im englischen Northampton. Das Standardsortiment
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umfasst zwar keine Schuhe für Damen, dafür jedoch Accessoires wie Gürtel, Kleinlederwaren und Strümpfe für Herren sowie Utensilien zur Schuhpflege. In den späten Nullerjahren gab es außerdem Kooperationen für Schuhkollektionen mit Paul Smith und Aston Martin. Doch wie John Lobb Ltd. in London bietet auch John Lobb SAS den Maßschneiderungsservice „Bespoken“ an. An sogenannten Maßtagen schickt John Lobb SAS Leistenmacher zu ihren Boutiquen und kooperierenden Schuhhändlern, in Deutschland zum Beispiel zum Schuhhaus Herkenrath in Köln. An diesen Maßtagen beginnt ein dreistufiger Herstellungsprozess, der zwischen acht und zwölf Monaten dauert. Alain Sarazin, Chef des Maßanfertigungsateliers aus Paris, erklärt, dass im ersten Schritt besprochen wird, was sich der Kunde vorstellt: Schuhtyp, Schuhform, Materialien und besondere Wünsche. Dabei werden die Füße vermessen. Beim zweiten Termin werden An-
sei schön, doch die Lippen sollte ich bitte dicker machen. Mit dem mehrstufigen Verfahren, dem persönlichen Austausch, können wir den Schuh perfekt auf die Vorstellung des Kunden abstimmen, egal wie speziell der Wunsch ist.“ Die Herstellung eines maßgeschneiderten Schuhs ist bei John Lobb Ltd. genau so wie bei John Lobb
passungen anhand eines Protoschuhs gemacht. Bei der dritten Sitzung wird der Schuh persönlich überreicht. Sarazin verrät, dass es gänzlich unterschiedliche Wünsche gibt, das reicht von medizinischen Einlagen bis hin zu gelbem Krokodilleder: „Der originellste Auftrag kam von einem japanischen Kunden. Er wollte einen klassischen Loafer aus weißem Wildleder haben, allerdings ohne die Schnalle am Fußspann. Stattdessen bat er mich, ein Accessoire in Form roter Lippen anzubringen. Als ich ihm den Schuh beim zweiten Termin zeigte, sagte er, das
Text: Berto Berger Fotos: John Lobb Ltd., John Lobb SAS
„Seit jeher ist das Königshaus treuer Kunde, darunter vor allem Prince Charles“
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SAS in Paris gleich und involviert bis zu fünf verschiedene Handwerker: der Leistenmacher („Lastmaker“), der vermisst, der Modelltischler („Patternmaker“), der das Leder wählt und schneidet, Näher, die den Schuh stechen und nähen, ein „Goodmaker“, der den Schuh einlaugt, und der „Shoe tree maker“, der den Feinschliff wie die Patina macht. Dieses aufwendige Prozedere, das über 190 Arbeitsschritte involviert, macht deutlich, warum es so lange braucht, einen John-Lobb-Schuh zu produzieren. Auch der hohe Preis wird dadurch erklärbar. Das Ergebnis ist nicht nur ein Wunder der Handwerkskunst, sondern die einzige Weise, auf ganz individuelle Bedürfnisse und Wünsche einzugehen – etwas, das eine Maschine nicht leisten kann. Maßgeschneiderte Schuhe sind Haute Couture für die Füße. Wenn Alain Sarazin die Schuhe seinen Kunden nach den vielen Monaten des Wartens überreicht, dann sieht er immer wieder einen Ausdruck der Aufregung und Freude. Spricht man bei modernem Konsum oft lapidar von „Identity Goods“, von identitätsstiftenden Produkten, ein John-Lobb-Schuh wird diesem Begriff gerecht. Egal ob ein Budapester, ein Oxford, ein Loafer oder ein Chelsea-Stiefel, die Schuhe sind die hohen Preise wert. Ein Luxus, der mit der richtigen Pflege ein Leben lang halten kann.
Während John Lobb Ltd. weiterhin ausschließlich maßgeschneiderte Schuhe anbietet, expandiert John Lobb SAS. Neben dem Maßschneiderungssparte setzt die Leitung von John Lobb SAS auf die Ready-to-Wear Sparte. In den nächsten fünf Jahren erwartet CEO Paul Dauphin ein Verdoppelung der Umsätze von derzeit 25 Pfund auf 50 Millionen Pfund Sterling.
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DER MARSIANER
VOM
M O N T PA R NA S S E Roger Vadim war liiert und verheiratet mit den schönsten Frauen des 20. Jahrhunderts und streunte mit Marlon Brando durch Paris. Zeit für eine Hommage an den letzten bourgeoisen Bohemien. Saint Tropez, 1964: Der Film „La Ronde/Der Reigen“ ist eine Adaption des gleichnamigen Arthur-Schnitzler-Dramas. In dem Theaterstück und im Film geht es um ein erotisches Bäumchen-wechsle-dich-Spiel, ein Leitmotiv Roger Vadims. Vadim zeigt einem Schauspieler, wie er bei einem Kampf durch ein Fenster stürzen soll. Dabei fällt Vadim herunter und bricht sich die Schulter. Jane Fonda, Star des Films und seine damals aktuelle Geliebte, hört seine Schreie in ihrer Garderobe. „Er hat mich“, wird Jane Fonda später sagen, „sexuell erweckt.“ Noch später wird sie sagen, er habe sie in Gruppensex hineinmanipuliert, außerdem ständig betrogen und ihre Bulimie übersehen; und noch 76
einiges später wird sie verkünden, erst im Alter von 74 habe sie gelernt, guten Sex zu haben. Was lernen wir daraus? Glaube niemandem, wenn er von seinem besten Sex spricht, erst recht nicht, wenn es ein Hollywood-Star ist, und schon gar nicht, wenn es sich dabei um Jane Fonda handelt. Wie auch immer, Jane Fonda, 26, rennt also zu ihrem Geliebten, da sieht sie, wie sich bereits Annette Strøyberg über ihn beugt. Vadim und die dänische Schauspielerin waren zwar verheiratet, aber getrennt, sie wollte sich nicht scheiden lassen, weil ihr Roger dann Catherine Deneuve hätte ehelichen können (das mit der Deneuve war kurz vor Jane Fonda). Und wer kommt als Nächstes durch die Tür? Eben jene Deneuve, die geHOMMES
rade zufälligerweise Sprachaufnahmen für den Film „Die Regenschirme von Cherbourg“ aufnimmt. Vadim und Catherine hatten sich drei Jahre vorher kennengelernt, sie war damals 17, er fast doppelt so alt. Sie färbt sich dann die Haare blond, aber nicht, weil er es so wollte, sagt sie später, sondern weil es ihr eigener Entschluss gewesen sei. Vadim wollte aus ihr seinen nächsten Star nach Brigitte Bardot machen und sie wurde es, ein ganz anderer als Brigitte Bardot. Deneuve spielte in den interessanteren Filmen („Das Ekel“, „Belle de Jour“) und mimte darin die Kühle, hinter deren geheimnisvoll anziehendem Gesicht die Zuschauer etwas vermuten konnten, ohne dass Deneuve irgendetwas tun musste. Schauspielern zum Beispiel.
Roger Vadim liegt also mit gebrochener Schulter am Boden, der Krankenwagen kommt. Alle, Roger, Jane, Annette und Catherine steigen ein, und gerade als sie das Studiogelände verlassen wollen, fährt Brigitte Bardot durch die Schranke, hört vom Pförtner, was passiert ist, und klettert ebenfalls in den Krankenwagen. Vadim hatte die BB als 15-Jährige kennengelernt, sie war auf dem Titelblatt von „Paris Match“, für die Vadim schrieb, und die beiden wurden schnell das Glamourpaar der 50er-Jahre. Ihr gemeinsamer Film „Und immer lockt das Weib“, ein Meilenstein des erotischen Films, ist die Quintessenz von Roger Vadims Werk. Die Handlung kann man vergessen, der arme Curd Jürgens stakst hölzern und tapsig herum, und wie sich Brigitte Bardot herumräkelt, ist irgendwie zum Fremdschämen, aber dennoch kann man nicht wegschauen, weil sie einfach so verdammt rattenscharf ist. Doch zurück zu Saint Tropez, 1964. Roger Vadim liegt im Krankenwagen, als sich die schönsten Frauen der Welt über ihn beugen. „Er ist ganz grün“, kichert Brigitte Bardot. „Das ist doch normal für einen Marsianer“, kichert Catherine Deneuve. „Dieser Moment“, schreibt Vadim später in seinem Buch „Bardot, Deneuve, Fonda: My Life with the Three Most Beautiful Women in the World“, „prägte sich für den Rest meines Lebens ein.“ Brigitte Bardot spielte danach noch in einigen lustigen Filmen, mit 29 Jahren hörte sie auf. Dann wurde sie ein bisschen rechtsradikal und eine besessene Tierfreundin. Catherine Deneuve blieb und bleibt bis heute unergründlich geheimnisvoll. Sie war lesbische Ikone (dank ihres Films „Begierde“), ParfümPatronin, Schuhdesignerin, Oscar-nominierte Unesco-Botschafterin. Trotz ihrer Affären und Verhältnisse mit Clint Eastwood, Francois Truffaut, Marcello Mastroianni versuchte sie, ihr Privatleben abzuschirmen. Sie hat zwei Kinder, ist vierfache Großmutter und führt nichtssagende Interviews: „Ich habe früher unter meiner Schönheit gelitten.“ Ja, ja, das hören wir nicht ganz so Wunderschönen immer gerne. Jane Fonda engagierte sich gegen den Vietnam-Krieg, erfand Aerobic und stellt heute sehr viele, sehr langweilige Familienfotos auf ihre Website janefonda.com. Roger Vadims Filme sind, nun ja, historisch interessant. Er selbst verschwindet
hinter seinen Frauen und man fragt sich, wie dieser Kerl a) all diese Frauen verführen konnte, er sah schon gut aus, irgendwie, und die ABC-Frauen Annette, Brigitte und Catherine wurden nicht müde, zu erzählen, wie charmant er gewesen sei ... b) warum er es mit diesen Frauen nicht ausgehalten hat. Vielleicht liegt die Lösung des Geheimnisses in der Vergangenheit: Paris, 1949: Roger Vadim, Sohn des russischen Aristokraten und französischen VizeKonsuls in Ägypten Igor Nikolaewitch Plemiannikow und der französischen Schauspielerin Marie Antoinette Ardiluz, sitzt mit seinem Kumpel, dem Schauspieler Christian Marquand im „La Coupole“, einem Restaurant in Montparnasse. Sie sehen einen sehr gut aussehenden jungen Amerikaner orientierungslos herumlaufen, lernen ihn kennen, bummeln zu dritt durch Paris und Roger, Christian und Marlon Brando, so hieß der streunende Amerikaner, ziehen zusammen in ein Hotel. Marquand und Brando hatten Ende der 40er-Jahre wohl eine Liebesbeziehung in Paris, bis Brando sein Auge auf einen gewissen Daniel Gélin warf und sich in ihn verliebte. Dieser Gélin wiederum zeugte später eine Tochter, Maria Schneider, mit der Brando dann „Ein Tango in Paris“ drehte, diesmal ein wirklicher Sexfilm. Es blieb in der Familie. Christian Marquand hatte eine Schwester, Nadine, die den Schauspieler Jean-Louis Trintignant heiratete. Mit diesem hatte Brigitte Bardot während der Dreharbeiten zu „Und Gott erschuf die Frau“ und während der Ehe
Das schien Vadim zu gefallen, dieses Cuckold-Ding, also Lustgewinn aus dem Fremdgehen des Partners, ein Motiv, das öfter in seinen Filmen und eigentlich allen französischen Filmen auftaucht: viel Gerede, untreue Frauen, eine Ohrfeige und dann ist alles gut. Als Jane Fonda, das muss 1969 gewesen sein, mit einem schönen Balletttänzer aus dem Andy-Warhol-Umkreis (Eric Emerson, splitternackt im Warhol Film „Chelsea Girls“ zu sehen) im New Yorker Club „Max’s Kansas City“ im Nebenraum verschwand und sie danach mit derangierten Kleidern und glücklichem Gesichtsausdruck zurückkehrte: „Da“, so beschreibt ihr Ehemann Roger Vadim diesen Moment, „war Jane so schön wie ein Schmetterling nach der Metamorphose.“ Das war wohl so sein Ding. Roger Vadim hat fünf Mal geheiratet: Brigitte, Annette, Jane, danach Catherine Schneider (eine Millionenerbin, nicht verwandt mit Marie Schneider aus „Ein Tango in Paris“) und Marie-Christine Barrault, wieder eine Schauspielerin. Vadim drehte 31 Filme, der bekannteste ist vermutlich „Barbarella“, ein weiterer Sex-Skandal-Film, weil Jane Fonda halb nackt zu sehen ist. Für „Barbarella“ hat Fonda „Bonnie and Clyde“ und „Rosemary’s Baby“ abgesagt. Falsche Entscheidung, Jane. Und sonst? In Vadims „Don Juan“ von 1973 gibt es eine nette lesbische Szene mit Bardot und Jane Birkin. Tarantino findet Vadims „Eine nach der anderen“, ein Erotik-Thriller von 1971, den neuntbesten Film aller Zeiten. 2000, Saint Tropez. Bei Roger Vadims
„Roger hat mich“, wird Jane Fonda später sagen, „sexuell erweckt“ mit Vadim eine geduldete Affäre. So blieb es in der Familie. Marlon Brando nannte später seinen Sohn Christian, nach jener Pariser Bekanntschaft Marquand. Auch Vadims Sohn würde Christian heißen. Brando und Marquand spielten Jahrzehnte danach zusammen in „Apocalypse Now“. In Roger Vadims Film „Und Gott erschuf die Frau“ küsste jener Marquand die Frau seines alten Kumpels, Brigitte Bardot. Es blieb in der Familie. HOMMES
Beerdigung (Lymphdrüsenkrebs) waren sie fast alle wieder da, wie vor 36 Jahren, als sich Roger die Schulter gebrochen hatte: Annette, Brigitte, Catherine Schneider, Marie-Christine, Jane. Nur Deneuve fehlte, sie hatte sich vorher bei einer Zeremonie in Paris verabschiedet. Text: Lorenz Schröter Foto: © Sunset Boulevard/Corbis
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D I E W E LT VO N Ü B E R M O R G E N
DIE ZUKUNFT DER MODE High Fashion oder Handwerkskunst? Experiment oder Tradition? In der Männermode ist ein Kulturkampf entbrannt – könnte man sagen. In Wahrheit ist natürlich alles viel komplizierter. Im ersten Teil unserer neuen Serie zur Zukunft der Männermode kommt der Kaschmir-König Brunello Cucinelli zu Wort. Der Männermode wird immer mehr Aufmerksamkeit zuteil – von der Industrie und natürlich von denen, die sie tragen. Auch die Männer, für die Mode bislang eher Mittel zum Zweck als Ausdruck von Persönlichkeit war, legen zunehmend Wert auf Kleidung. Das hat unter anderem damit zu tun, dass das Angebot an modischen „Role Models“ für Männer vielfältiger geworden ist. Neben den exzentrischen Fashionistas, die die Schauen von Paris, Mailand und New York bevölkern, hat zum Beispiel der typisch italienische und klassisch männliche Stil, der auf der Modemesse Pitti Uomo in Florenz zelebriert wird, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese sogenannte Tailored Menswear, erreicht ein Publikum, das mit avantgardistischer High Fashion von Marken wie Givenchy, Commes des Garçons, Saint Laurent oder den grellen Looks von Labels wie Versace, Dolce & Gabbana oder DSQUARED2 wenig anfangen können. Nicht ohne Grund hat die LVMHGruppe 2013 den Kaschmir-Produzenten Loro Piana für 2,7 Milliarden Euro gekauft, dessen entspannte und eigene Kollektionen auf zeitlose Schnitte und hochwertigste Stoffe, statt auf kurzweilige Aufreger setzen. Ob man dies langweilig findet oder die neue „Tragbarkeit“ mit offenen Armen empfängt: Die Männermode ist so divers wie lange nicht. Deshalb wollen wir in der L’Officiel Hommes in 78
Zukunft regelmäßig konträren Stimmen und Positionen zur Zukunft der Männermode Raum geben. Den Anfang macht Brunello Cucinelli, der mit seinem nach ihm benannten Label, nicht nur die lässige Eleganz des „Pitti-Looks“ (knöchellange Hose, perfekt sitzendes, unstrukturiertes Kaschmir-Sakko und Krawatte aus gestrickter Seide) in die Welt exportiert hat, sondern auch eine ungewöhnliche Haltung in die Modewelt bringt: Neben den weichsten Stoffen zelebriert er die Traditionen seines Heimatlandes Italien und fordert einen neuen Humanismus – nicht nur in der Modeindustrie. Ich sehe kaum mehr einen Unterschied zwischen jungen Leuten in Italien, Frankreich, Deutschland oder den USA. Sie alle nutzen die gleichen Handys, die selben Computer, hören die gleiche Musik. Sie sind Tag und Nacht über das Internet verbunden. Gestern im Hotel, als ich die jungen, gut gekleideten Gäste mit dem Laptop auf dem Schoß sah, hätte ich nicht auf Anhieb gewusst, ob sie Deutsche, Amerikaner oder Italiener waren. Wir leben in einer neuen Welt. In dieser neuen Welt muss es einen neuen Kapitalismus geben. Wir brauchen eine neue schöne Politik, eine neue Spiritualität oder Religion. Schauen Sie sich Papst Franziskus an. Er ist ein Genie der sozialen Verhältnisse. Er ist beliebt, weil er ehrlich und offen ist.
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Darum geht es auch mir: Wenn ich an Sie glaube, Sie wertschätze, dann fühlen Sie sich verantwortlich, dann fühlen Sie sich besser und sind kreativer. Verantwortung und Respekt erzeugen Kreativität. Wenn ich Ihnen zu höre und Sie mir, dann entsteht Vertrauen zwischen uns. Das gilt nicht nur für meine Firma, sondern auch für die Politik, die Religion, die Finanzwelt, die Industrie, für alle Bereiche. Das meine ich mit neuem Kapitalismus. Denn wir wissen doch alles. Ich kann meinen Leuten dies und das erzählen, im Anschluss recherchieren sie im Internet und merken schnell, ob ich die Wahrheit sage. Ich möchte, dass die Leute, die in meiner Firma arbeiten, sich wohl fühlen. Wenn jemand jung ist und bei mir anfängt, dann weiß diese Person sofort alles, welche Einnahmen wir haben, welches Geld wir ausgeben. Ähnliches gilt für unser Produkt: Wenn Sie eine Jacke von uns kaufen, die 3.000 Euro kostet und Sie würden herausfinden, dass ich meinen Mitarbeitern nur 900 Euro im Monat zahle, würden Sie das gerecht finden? Nein. Ich selber kaufe etwas nicht, wenn ich weiß, dass jemand sich unverhältnismäßig bereichert. Es muss eine angemessene Balance zwischen Lohn und Arbeit geben, weil sich das im Endeffekt auch auf das Produkt auswirkt. Wenn Sie eine Jacke von Cucinelli anziehen, dann sollten Sie sehen und spüren, dass eine Menge Handarbeit in ihr steckt. Sie fragen sich dann vielleicht, wer sie genäht hat, und auch ob die Person dies mit Würde getan hat. Deshalb glaube ich, dass Ehrlichkeit mehr und mehr zur Grundbedingung der Wirtschaft wird. Mir ist jedenfalls wichtig, dass wir ein transparentes Unternehmen sind. Wenn ich aktuell an die Zukunft der Herrenbekleidung denke, dann sehe ich eine schöne Veränderung: Junge Leute um die 30 tragen normalerweise kaum Anzüge, es sei denn sie arbeiten in einer Bank. Ich denke, dass sie das wieder mehr und mehr tun werden. Die Anzüge müssen dafür jünger sein. Die Jacke italienisch tailliert, der Stoff weich und leicht. Chic, mit Details wie einem Einstecktuch oder einem schönen Gürtel und die richtige Hosenlänge ist wichtig. Alles ist in Italien hergestellt, entworfen und von unserem Verständnis für Mode durchdrungen. Das muss der Kunde erfahren, wenn er unsere Kleidung trägt. Und er soll merken, dass die Herstellung keinen negativen Effekt auf die Welt hat. Gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung ist dies wichtig: Die neuen Märkte wie China, Südamerika oder Russland möchten uns immer ähnlicher sein, auch von der Produktion her. Aber ein Porsche ist ein Porsche, weil er aus Deutschland
kommt. Ihn zu kopieren funktioniert im Endeffekt nicht. Die Herkunft ist von großer Bedeutung für das Produkt. Es wird also immer wichtiger, in seinem speziellen Handwerk extrem gut zu sein, seine Traditionen zu pflegen. Daraus entsteht eine starke, unverwechselbare Identität, denn Kultur entwickelt sich im Lokalen. Sie ist das Ergebnis einer Geschichte. In Italien haben wir eine sehr, sehr lange Tradition mit Strickwaren und der Verarbeitung von Kaschmir. Dieses Wissen gehört zu unserer Kultur und zur Atmosphäre unserer Heimat. Ich frage Sie: Würden Sie französischen oder italienischen Champagner kaufen? Einen französischen natürlich! Und eben Kleidung aus Italien. Ich möchte Mode, Lifestyle, Spiritualität und Humanität verbinden. Wenn eine Sache schön ist, dann ist sie nützlich. Wenn sie schön ist, dann ist sie echt und wenn sie echt ist, dann ist sie gerecht. Gerade in Europa liegt die Zukunft darin, besondere Produkte zu kreieren, die genau das repräsentieren. Die Kunden wollen von uns das sogenannte „Made in Italy“. Ich glaube, dass Europa deshalb eine gute Zukunft vor sich hat. Wichtig ist allerdings, dass wir uns auf die speziell europäischen, hochwertigen Produkte konzentrieren. In Solomeo, wo unser Firmensitz liegt, haben wir uns deshalb von Lorenzo Magnifico di Medici aus dem Florenz der Renaissance und William Morris, der Begründer der Arts and Crafts Bewegung im 19. Jahrhundert, inspirieren lassen. Mir ist es wich-
„Wenn eine Sache schön ist, dann ist sie nützlich. Wenn sie schön ist, dann ist sie echt und wenn sie echt ist, dann ist sie gerecht.“ tig, die Künste zu fördern und ich sehe auch das Handwerk als eine Art Kunst. Es gibt in Solomeo bereits ein Theater, eine Bibliothek und eine humanistische Akademie, wo wir Seminare zu Geschichte, Architektur und Philosophie stattfinden lassen. Im letzten Jahr haben wir zudem eine „School of Crafts“ gegründet. Eine Schule, in der wir junge Leute im Schneiderhandwerk, aber auch in Geschichte, Landwirtschaft und Philosophie ausbilden. Es sind moderne junge Menschen mit iPad, Smartphone und Laptop, die gleichzeitig alte und traditionsreiche Handwerkstechniken lernen. Sie sollen zeitgenössische Arbeiter werden, die stolz sind auf ihren Beruf und ihn mit Würde ausüben. Text und Protokoll: Hendrik Lakeberg
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Ob Jay Z, Soulja Boy oder Asap Rocky, der Hip Hop liegt dem japanischen Streetwear Label „A Bathing Ape“ zu Füßen. Das liegt nicht zuletzt an Gründer NIGO. Fotos: Neil Gavin Text: Sina Braetz
In der Streetwear-Kultur gibt es klare Regeln, die man entweder beherrscht oder nicht. Man zählt zu den wenigen Top-Marken mit Einfluss innerhalb der Szene, zu den Tastemakern, oder man ist vollkommen irrelevant. Kaum ein Akteur hat sich in diesem Umfeld so klar und erfolgreich positioniert wie das von Mode-Guru Nigo 1993 in Tokio gegründete Label A Bathing Ape (BAPE). Längst legendär, hat es BAPE als eine der wenigen Marken geschafft, vom lokalen „Hype“ zu einem regelrechten Streetwear-Imperium zu wachsen, und dabei, gleich auf welchem Kontinent, die angesagtesten Persönlichkeiten und Stilführer hinter sich zu versammeln. Und das ohne auch nur einen Schritt auf den Mainstream zuzugehen. BAPE, die Marke mit dem gesichtslosen Affen und den dominanten Prints, hat den Ruf „cool“ zu sein und es liegt auf der Hand warum. Es ist cool,
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weil das Label einer Szene angehört, cool, weil seine Kollektionen und Geschäfte auf Limitierung setzen – das A und O der besten Streetwear-Labels – cool, weil man Kollaborationen mit den richtigen Leuten eingeht, cool, weil selbst die Verkäufer in den wenigen Stores die Markenkultur perfektioniert haben. In der Streetwear geht es um nichts anderes als „Credibility“. Und die hat A Bathing Ape en masse. Dass Gründer solcher Labels gute Typen und dabei noch bessere Geschäftsmänner sein müssen, beweist BAPE-Gründer Tomoaki Nagao, kurz „Nigo“. 1993 eröffnete er seinen ersten Store „Nowhere“ im Harajuku-Fashion-District in Tokio. 50 Shirts die Woche ließ er in den ersten Jahren anfertigen, eine Hälfte davon für den Verkauf, die andere verschenkte er an Freunde. Inspiration für die Motive fand der Designer dabei in der Filmklassiker-Reihe „Planet Of The Apes“, wovon sich auch
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der Markenname ableitet. Vom Japanischen übersetzt bedeutet der Name zudem „ein in lauwarmem Wasser badender Affe“, was von Nigo damals als Anspielung auf die junge, verwöhnte Generation gemeint war. Schnell entwickelte sich aus den Hoodies, TShirts und Caps der BAPE-Look: simpel, lässig und stets exklusiv. Kurz nach den Anschlägen von 9/11 zogen Nigo‘s T-Shirts mit dem Slogan „Ape shall never kill Ape“ - das zudem auch das oberste Gesetz in der letzten Episode von „Planet der Affen“ ist - große Aufmerksamkeit auf sich. 2002, dem Geburtsjahr der berühmten Bapesta’s, den bunten „BAPE Sneakern“, die nicht nur für jeden Schuhfanatiker ein wertvolles Sammlerstück sind, begann A Bathing Ape mit einer fulminanten Expansion: Eröffnet wurde ein Haarsalon, ein Restaurant, ein „BAPE Pirate Store“ mit alten Kollektionen, ein Plattenlabel entstand und es wurden neue Linien eingeführt, „Baby Milo“ und „BAPE Kids“, neben „Mr Bathing“ – der edleren Linie für Anzüge, Brogues und Camouflage-Accessoires – und der Nebenlinie „AApe“. Eine Strategie, die auf den ersten Blick recht unverständlich wirkte, da es das exklusive Label-Image bedrohte. Tatsächlich erlebte Bathing Ape nach steilem Wachstum 2003 ein kleines Tief in Japan. Letztlich wurde alles, was Nigo anfasste, doch ein Riesenerfolg. Auch weil er damals auf Pharrell Williams stieß und ihn dieser mit den richtigen Leuten bekannt machte. Als sie sich 2002 das erste mal in Japan begegneten, beeindruckte es Pharrell schon nach kurzer Zeit, was sich Nigo aufgebaut hatte – ein Imperium, in dem er seine Vision, seinen Blick auf das Leben interpretierte und in Mode übersetzte. Zusammen gründeten die beiden die Label „Billionaire Boys Club“ (BBC) und „Icecream“, Marken, die für eine weitere ganz eigene Erfolgsgeschichte stehen und die sogar schon Karl Lagerfeld trug. Die Grenzen zwischen High Fashion und Streetwear begannen eben immer mehr zu verschwimmen. Bis heute sind Nigo und Pharrell enge Freunde und Geschäftspartner. Für das Musikvideo von Pharrell’s Erfolgshit „Happy“ produzierte Nigo eine japanische Version, Pharrell selbst singt in seinem Song „How does it feel“ über „my man Nigo“. Was die zwei stilbildenden „Tastemaker“ vereint, ist wohl ihre Überzeugung, dass es das größte Geschenk ist, neue Dinge ausprobieren und dabei das Leben in den vollsten
Zügen zu genießen. Zum Eintritt in die relevanten Hip-Hop-Kreise, besonders in britische, verhalf ihm zudem James Lavelles Plattenlabel „Mo Wax“. Zahlreiche Kooperationen folgten, unter anderem mit Kid Cudi und diversen anderen Künstlern, die in der „Bape Gallery“ in Japan, im ehemaligen „Nowhere-Store“, Ausstellungen und Events veranstalteten. So wurde BAPE schnell zu einer der Top-Marken in Japan und wenig später auch in Amerika und Großbritannien erfolgreich. In Tokio musste man sogar, um Eintritt zu den stilvoll minimalistisch eingerichteten Läden gewährt zu bekommen, ein sogenanntes „Busy Work Shop“-Mitglied werden, wofür wiederum eine Staatsbürgerschaft in Hongkong Voraussetzung war. Eine ausgetüftelte, schlaue Taktik um gegenüber der harten Konkurrenz in Tokio – auch hier hat die Streetwear-Szene eine ziemlich laute Stimme – nicht unterzugehen. BAPE gewann nach seinem kleinen Tief sein Undergroundimage zurück und erlangte so mehr Bedeutung in der Hip-Hop-Szene als je zuvor. Rapper wie Lil Wayne, Young Jeezy, Asap Rocky, Soulja Boy und auch Hip-Hop-Legende Jay Z trugen maßgeblich dazu bei. „I’m camo down to my boxers, gold teeth, A bathing Ape, there’s animals in my projects“, singt Asap Rocky. „Man, I’m high off life, fuck it, I´m wasted, Bathing Ape Kicks, Audemars Piguet wrist“, prahlt Jay Z und auch Soulja Boy ist ein BAPE-Fanatiker: „Check out my Bathing Apes, I´m fresh to def and you like me. Don´t try to cop my style.“ Und damit bringt Soulja Boy es auf den Punkt. Bei BAPE geht es um Stil, um Codes, um ein Verständnis von der Streetwear-Kultur und ihrer Geschichte, um Un-
„In der Streetwear geht es einfach um nichts anderes als Credibility“ derground, um ein Feingefühl, mit dem nicht jeder ausgestattet ist oder zumindest nicht in dem Maße wie Nigo und seine Jungs. In der sich wandelnden Welt der Streetwear werden Typen wie Nigo traurigerweise immer seltener. Auch wenn die „demokratisierende Öffnung“ des Undergrounds und der Streetwear für Marken wie BAPE zur Erfolgsgeschichte geworden ist, hat diese Entwicklung gravierende Auswirkungen für die einst autonome
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Subkultur-Szene. Ein großer Teil der Exklusivität ist durch die allzeitige Verfügbarkeit über Onlinemedien verloren gegangen. Nicht nur der Skater, auch Protagonisten des Establishments tragen Shirts, Cap und Sneaker zum Anzug. Sobald man einen besonderen Look online entdeckt hat, ist es keine große Kunst mehr, an die Produkte heranzukommen. Ganz anders als früher. Auch wer der Streetwear-Szene angehörte, musste suchen, beschäftigte sich damit, woher die Dinge kamen und was ihr Bedeutung war. Ein wichtiger Aspekt, der den Ethos der Streetkultur prägt und der Marken wie BAPE ursprünglich ausmachte. 2011 musste Nigo aufgrund der wirtschaftlichen Lage nach der Lehman-Bros.-Pleite 90% von BAPE an die I.T- Ltd. aus Hongkong verkaufen. Er blieb der Marke noch bis 2013 als Kreativdirektor erhalten, verließ dann aber „sein“ Unternehmen nach Meinungsverschiedenheiten mit der neuen Geschäftsführung. Auf Nigo’s Blog stand damals „Bape General Nigo (1993-2012)“ als Titel über
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einer Zeichnung vom Graffiti-Künstler Kaws, die „Bart Simons“ zeigt, wie er eine Nigo-Statue begräbt. Schnell aber wurde er neuer „General“, nämlich als Kreativdirektor der Modekette „Uniqlo“ bzw. seiner T-Shirt Linie „UT“ und blieb dabei seiner Cartoon- und Grafik-Passion treu. Den Kultstatus von A Bathing Ape hat sein Abgang nicht beeinflusst. Schließlich heißt es: „Ape shall never kill Ape!“ Haare und Make-up: Gary Gill @ Emotive using Wella Professionals SP for Men & MAC Pro Haare und Make-up-Assistenz: Lorna Kings A Bathing Ape ist eine vom Kreativkopf Nigo 1993 gegründete Streetstyle-Marke aus Tokio, die besonders in der Hip-Hop-Szene zu einem der gehyptesten Modelabel zählt. Erkennungsmerkmal ist besonders sein Affen-Logo, das aus einer Inspiration von der Filmklassikerreihe „Planet der Affen“ entstand.
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Fotos: Toni Nüsse Styling: Götz Offergeld Interview: Maja Hoock, Berto Berger
Stromae ist ein radikaler Clown. So könnte er zur Stimme einer ganzen Generation werden. HOMMES
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tromae, geben Sie noch spontane Show-Einlagen in der Öffentlichkeit wie vor einer Weile in Montréal, als Sie in der U-Bahn einen Betrunkenen gespielt haben? Stromae: Nein, so etwas funktioniert nur einmal. Ich möchte die Leute überraschen und das funktioniert am besten, wenn man vorher nichts plant, sondern spontan agiert. Wenn alle auf eine Überraschung warten, ist es das Beste, überhaupt nichts Überraschendes zu machen. Ich will jetzt klassischere Dinge machen, zurück zu den Grundlagen gehen. Wie kommen Ihnen Ideen wie die zum Video „Tous les mêmes“, in dem Sie halb als Mann und halb als Frau gestylt sind? S.: Das beginnt zumeist alleine auf meinem Zimmer, mit einem abstrakten Interesse oder Impuls. Dann brainstorme ich mit meinem Team und die Idee wird konkreter. Als ich halb und halb als Mann und Frau auftreten wollte, stand ich mit der Idee zuerst ganz alleine da. Niemand wollte das mitmachen. Ich musste dem Regisseur des Videos erst zeigen, wie ernst es mir war, dann haben wir es doch gemacht. Warum dieser Auftritt als ZwitterWesen?
S.: Es geht im Song um die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Beide sind ein bisschen dumm, aber wunderschön. Wenn ich beide verkörpere, kann ich meine feminine und meine maskuline Seite gleichzeitig zeigen und einsetzen. In vielen Ihrer Lieder geht es um extreme Rollenund Lebensmodelle. Im Song „Bâtard“ singen Sie von Rednecks, Obdachlosen und Terroristen. Was interessiert Sie an deren Lebenswirklichkeiten? S.: Vor Gesellschaft und Gemeinschaft steht immer der einzelne Mensch. Über den möchte ich sprechen. Ich denke nicht, dass ein Rassist schlechter ist als ich. Er ist nur wütender, hat womöglich schlechtere Lebensbedingungen, ist arm oder ungebildet. Terrorismus oder Rassismus sind oft nur die Fassade, also die äußerliche Erscheinung eines ganz anderen Problems. Wenn ein Mensch traurig ist und mit seinen Problemen alleine gelassen wird, dann wählt er Alkohol, Aggression oder Gewalt. Das Problem ist also ein gesellschaftliches? S.: Es ist ein menschliches. Ihre Songtexte behandeln alltägliche wie tiefgründige Probleme. Werfen Sie eher Fragen auf oder setzen Sie lieber Aussagen? S.: Ich stelle lieber Fragen und sage damit gleichzeitig viel über meine Einstellung. Die gesprochene wie visuelle Sprache, die Sie dafür nutzen, ist oft sehr komplex. Sie nutzen Verlan, eine Spielart der französischen Jugendsprache, in der die Silben verkehrt werden („l’envers“, also „umgekehrt“, wird zu „Verlan“, so wie ‚Stro/mae‘ umgekehrt ‚Mae/ stro‘ heißt). Außerdem thematisieren Sie die kulturellen Gegensätze zwischen Ihrer afrikanischen und belgischen Herkunft und setzen ernste Themen sehr poppig und verspielt um. Sie scheinen den Gegensatz zu lieben. S.: Ich bin ein Paradox. Ich kann mich nie entscheiden. Das ist mein größtes Problem und auch der Grund für viel Ärger mit meinem Manager. Nichts ist schwarz oder weiß für mich. Alles hat seine guten und schlechten Seiten. Vielleicht sehe ich das so, weil ich im Grunde noch
ein Teenager bin. Das Schlimme am Erwachsenwerden ist, dass man Entscheidungen treffen muss. Dadurch enttäuschen Sie Menschen zwangsläufig. Ich will niemanden enttäuschen. Ich bin da eher wie ein Politiker. Sie bevorzugen Grau statt Schwarz und Weiß? S.: Immer. Ich bin selbst grau. Wie haben Sie die Welt als Kind gesehen? S.: Als ich jünger war, war alles schwarz oder weiß, besonders, wenn es um die Einordnung von Menschen ging. Ich dachte, es gibt nur gute oder schlechte. Wenn ich mich heute entscheiden muss, wähle ich immer den Mittelweg. Denken Sie, dass man erwachsen werden muss, oder kann man im Kopf ein Teenager bleiben? S.: Man kann etwas von beidem haben. Jugendliche sind klüger, als wir denken. Sie begreifen viel von dem, was wir später nicht mehr verstehen. Es ist wichtig, das Impulsive und Natürliche beizubehalten. Auf der anderen Seite weiß jeder, dass die Teenagerzeit die schlimmste Zeit des Lebens ist. Man denkt, man weiß alles, aber in Wirklichkeit weiß man nichts. Aus diesem Zwiespalt ziehen Sie of-
Jacke Brioni Hemd Issey Miyake Hose Alberto Vorherige Seite: Hemd und Hose Dries Van Noten Sandalen Hermès Socken Mosaert
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Anzug und Schuhe Dior Homme Hemd Kenzo Socken Mosaert
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fensichtlich kreative Energie. War es Ihnen daher so klar, dass Sie Künstler werden müssen? S.: Wenn ich mit anderen Musikern oder Malern spreche, sagen die meistens, man müsse genau wissen, was man machen und aussagen will. Aber ich weiß das nicht. Vielmehr bin ich mir sicher, dass das keiner so genau weiß, weil sich alles in jeder Sekunde ändern kann. Man muss jedes Mal neu nachdenken und sich genug Zeit nehmen. Nur das kann ich sicher sagen.
Man muss immer weitermachen und kämpfen, auch wenn Krieg herrscht oder eine schlimme Krise. Bleib stolz, halte den Kopf hoch und lebe dein Leben. Man sollte Probleme nicht verstecken, sondern im Gegenteil Freude und Kreativität aus den Schwierigkeiten des Lebens ziehen, dazu singen und tanzen. Darum soll es keine traurige Musik oder traurige Texte dazu geben. Das ist Melancholie, alles in einem. In Ihren Videos sehen Sie häufig aus, als wären Sie betrunken oder weggetreten. Gibt es eine Verbindung zwischen der Melancholie und der Trance? S.: Wenn man Drogen nimmt oder betrunken ist, dann ist das ein paradoxer Zustand: Man ist da, aber gleichzeitig auch nicht. Im Video zu „Alors on dance“ ist der obdachlose Mann nicht wirklich betrunken, sondern nur trunken von den Problemen seines Lebens. Sie lassen ihn taumeln. Ich war von einem Obdachlosen inspiriert, den ich zuvor auf der Straße gesehen hatte. Er hat mich und meine damalige Freundin gefragt: „Ihr denkt, ihr seid schön. Wer denkt ihr, wer ihr seid?“ Er hatte so recht. Und war gleichzeitig so betrunken. Auch jetzt, zehn Jahre später, muss ich noch an diesen Moment denken. In der Trunkenheit kann Wahrheit liegen? S.: Bei diesem obdachlosen Mann gab es da auf jeden Fall eine Wahrheit, weil er so klar war. Normalerweise möchte man sofort nach Hause, wenn man derart von einem Trinker auf der Straße angesprochen wird. Doch er ist betrunken, weil er traurig ist. Einsam. Man kennt nie das Leben anderer Leute und weiß nicht, was bei ihnen los ist. Es ist einfach, Menschen wie ihn zu verurteilen. Ich wollte ihn darum in dem Video zeigen wie einen Freund, wie einen Menschen eben. Sie nehmen also Begegnungen dieser Art sehr ernst? S.: Der Mann hat entschieden, zu mir zu sagen, was er gesagt hat. Vielleicht bin ich abergläubisch, aber ich denke noch darüber nach, weshalb. Zumindest hat es mich dazu gebracht, einen Song zu schreiben
„Ich werde nicht auf Englisch singen“ Im Song „Formidable“ verwenden Sie ein positiv besetztes Wort, während Sie im Video einen verzweifelten Mann darstellen. Würden Sie diese gegensätzliche Stimmung als Melancholie bezeichnen? S.: Melancholie ist genau das richtige Wort. Ich liebe es, denn ich mag keine Traurigkeit und keine Fröhlichkeit in Reinform. Melancholie ist realistischer. Sie ist beides und die Definition des Menschlichseins:
Look Prada
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Sie haben drei Brüder und eine Schwester. Hat sich die Beziehung zu Ihrer Familie durch Ihre Bekanntheit verändert? S.: Sie ist noch die gleiche. Ich bin zwar viel unterwegs, aber mein großer Bruder ist immer mit dabei, denn er ist mein Manager. Meine Mutter ist mir auch noch nah. Ich bin vor zwei Jahren endlich ausgezogen, das war für uns beide gut. Aber wir haben noch viel Kontakt. Was hat Ihnen Ihre Mutter beigebracht? S.: Sie ist immer mit uns verreist. Wir sind so sehr frei aufgewachsen und haben viel gesehen. Sie hatte nicht viel Geld, legte aber mehr Wert darauf, zu reisen, als sich den neusten HD-Fernseher zu kaufen. Wir waren im Senegal, Kongo, Bolivien, Peru, Mexico, Vietnam ... Hat Ihre Mutter Ihren Vater in Afrika kennengelernt? S.: Nein, in Belgien, wo er damals gelebt hat. Er ist dann zurück nach Ruanda gezogen und nur ab und zu zurückgekommen. Ich habe ihn zehnoder 20-mal gesehen, einmal davon in Ruanda. Ich bin einen Monat in den Ferien hingefahren und musste früher als geplant zurück nach Belgien, weil ich Malaria bekommen habe.
Anzug und Hemd Dolce&Gabbana Krawatte Burberry Prorsum Pullover und Socken Mosaert Schuhe Fendi
Jacke Philipp Plein Hemd und Socken Mosaert Hose Alberto Gürtel Artists own Schuhe Santoni
Look Givenchy by Riccardo Tisci Schuhe Santoni
Wie alt waren Sie, als er dann im Bürgerkrieg gestorben ist? S.: Ich war neun. In Ihren Videos kann man eine Nähe zur afrikanischen Kultur erkennen. S.: Das ist schon richtig. Vielleicht 30 Prozent in meinem sozialen Umfeld sind afrikanisch. Der Rest ist europäisch. Auch wenn ich in Belgien sozialisiert wurde, habe ich afrikanische Wurzeln und Kontakte zu Afrikanern. Das bedeutet, wir hören viel afrikanische Musik wie kongolesische Rumba. Dazu haben ich und meine Freunde immer getanzt. Ist der Tanz-Stil in den Videos auch afrikanisch beeinflusst? S.: Es ist eine Mischung aus vielen Einflüssen. In „Papaoutai“ ist es „Bone Breaking“ aus den USA. Haben Sie sich das Komponieren eigentlich selbst beigebracht? S.: Ich habe gelernt, am Computer zu komponieren. Das führte dazu, dass ich zunächst alles alleine machte. Der Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Album ist, dass ich irgendwann verstanden habe, dass Musik auf Dauer nur im Austausch mit anderen funktioniert. Sie wird besser im Dialog. Wie verhält sich Ihr zweites zum ersten Album?
S.: Das zweite Album ist die Weiterentwicklung des ersten. Ich wollte verschiedene Einflüsse darauf haben, die eigentlich nicht zusammengehen, also kongolesische Rumba, Salsa, Trap, Rap, 90er-Jahre-Pop und französische Chansons. Im Ergebnis klingt das nach Pop in Reinform. S.: Ich will nicht nur Musik für trendige Leute, Schlagerfans oder alte Menschen, sondern für alle machen. Ich bin glücklich, wenn ich Familien auf meinen Konzerten sehe, wenn die Alten mit den Jungen zusammen tanzen. Dabei ist Ihre Musik aber nicht nur eingängig. S.: Danke. Das liegt wohl daran, dass ich so unentschieden bin. Darum enthält meine Musik so viele unterschiedliche Einflüsse. Vielleicht auch, weil ich für alle komponieren will. Aber es muss natürlich in erster Linie trotzdem mir gefallen. Die Reihenfolge ist: für mich, für meine Freunde und dann für die anderen Leute. Andersrum wäre es schlecht. Wann wissen Sie, dass ein Stück fertig ist? S.: Das Gefühl habe ich eigentlich nie. Ich zeige einen Song meinem Manager und meiner Familie und wenn sie es auch gut finden, ist er fertig. Manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt eine eigene Meinung habe. Sie wurden mal mit dem berühmten Chanson-Sänger Jaques Brel verglichen. Ehrt Sie das? S.: Das ist ein wunderschönes Kompliment, das ich aber aus Respekt vor Brel zurückgeben möchte. Seine Karriere ist viel bedeutender als meine. Der Vergleich kommt wohl daher, dass wir beide Belgier sind und ich das R genauso rolle wie er. Und natürlich wurde ich davon inspiriert, wie er auf der Bühne geschauspielert hat. Wie bei mir wurde sein Bühnencharakter mit seiner Person verwechselt. Doch die Leute sollen nicht uns lieben, sondern die Rolle, die wir für sie auf der Bühne geschaffen haben. Das ist die wichtigste Lektion, die ich von der alten Generation gelernt habe. Brel war dafür bekannt, grob und unhöflich auf der Büh-
ne zu sein. Können Sie das auch? S.: Ich bin eher höflich. Auf diese Weise kann man vielleicht noch gemeiner sein als auf diese lächerlich grobe Art. Höfliche Sätze können sehr hart sein. Die französische Jugendsprache hat extreme Schimpfwörter. Das ist nicht mein Stil. In meinen Texten wie etwa bei „cancer“ wähle ich eine moderate Form, um die Probleme einer Krebserkrankung zu beschreiben. Werden Sie auch in Zukunft Fran-
„Ich möchte über Menschen reden“ zösisch singen? S.: Ich werde zumindest nicht auf Englisch singen. Es ist nicht besonders interessant, andere zu imitieren. In den USA und Großbritannien haben sie ihre eigenen Bands und finden meine Musik interessant, auch wenn sie sie nicht unbedingt verstehen. Meine belgisch-ruandische Kultur ist interessant und ich will sie verteidigen und auf sie vertrauen. Vielleicht singe ich mal in Flämisch, weil meine Mutter Flamin ist.
Look Versace Stylingassitenz Adrian Fekete, Sina Braetz Hair & Make-Up C.I.S.E.L Retusche Fabian Blaschke
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„Would you like to go with me? Where? Wherever I‘m going“ Zabriskie Point Fotos: Neil Gavin Styling: Way Perry
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Negligé Vintage über Beyond Retro Hemd Ermenegildo Zegna Couture Schuhe Vintage über Beyond Retro Jacke Ermenegildo Zegna Couture Hemd Dsquared2 Jeans Alberto Schuhe Bally
rechte Seite: Jacke Louis Vuitton Hemd Ralph Lauren Denim & Supply Hose Dior Homme Hut Bates Schuhe Blundstone
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Jacke Pepe Jeans London Shirt Cinque Hose Caruso Schuhe Vintage über Beyond Retro rechte Seite: Weste Dolce&Gabbana BH Cheap Monday Cardigan Dolce&Gabbana Hemd Pepe Jeans London
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Hemd Pepe Jeans London Hose Lanvin Schuhe Vintage über Beyond Retro BH Cheap Monday Jeans All Saints Schuhe Vintage über Rokitt
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Hut Bates Schuhe Vintage über Beyond Retro HOMMES
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Slip Phillip Plein Shoes Vintage über Beyond Retro
linke Seite: Look Saint Laurent by Hedi Slimane Shirt Saint Laurent by Hedi Slimane Slip Cheap Monday
Make-up Ashley Ward @ One Represents using Natura Bisse Haare Gary Gill for Emotive using Wella Professionals Care & Style Models Travis und Regitze @ Supa Model Management Haarassistenz Jade Hales Stylingassistenz Vincent Pons
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Berauscht vom Mezcal verlieren sich drei junge Expats im 20. Pariser Arrondissement. Eine Kurzgeschichte.
Fotos: Robin Broadbent Text: Jakob Krakel
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Corzo
Qui, links: Maestro Dobel
Casa Dragones, links: Leyenda del Milagro
Espolon, links: El Tesoro
ein erster Blick in den Raum war nachtblind, der zweite flimmerte, der dritte, als die Iris Schärfe gezogen hatte, fiel auf ein paar komatös lungernde Expats in Röhrenjeans und Mini-Skirts. Zwei weitere tanzten stoisch, die Münder wie von wilden Kirschen dunkelrot eingefärbt, seine linke Hand in ihren Haaren vergraben, die andere um ihre Hüfte geschlungen. Zwei oder drei Stunden waren einfach ausgelöscht. Wie ein Riss in der Zeit. Wie von einem Anästhetikum in einem Übergangsraum verschlossen. Salz lecken, Shot, die Bitterkeit der Frucht. Und dann Niemandsland. Nur auf der Zunge noch der Geschmack des Mezcal. Die zwei Zimmer der Wohnung waren eingerichtet in Ikea-Bauhaus, an der Wand hing billig gerahmt die Brooklyn Bridge, auf dem verschmierten Glastisch stand eine leere Tequila-Flasche, daneben abgebissene Zitronenscheiben. Es war August, es war heiß, obwohl längst Nacht. Aus dem Fenster sah man auf dem Nachbargrundstück eine tiefe Baugrube ausgehoben. Im harten Neonlich warfen die aus dem Fundament herausragenden Stützen lange Schlagschatten, sie formten Tierkörper und Brandung im Sturm, das Set eines der expressionistischen, deutschen Filme, die damals zu Techno Life-Sets in der Cinemathek liefen und nur vom Unterbewussten und Bipolaren erzählten. Über die Anlage lief, ja klar, „Light My Fire“ und dann „Break On Through“. Kirschmund presste sich auf Kirschmund, einer fiel vom Sofa, ein anderer mixte sich einen letzten Drink. Alle Sinne waren geschärft, fast überspannt. - „Leeets go“ flüsterte mir meine Kommilitonin Marta zu und zog Alex mit sich, der ihr im Aufstehen unerwiedert und flüchtig den Nacken küsste und uns dann beide in den Arm nahm um nicht selbst umzufallen. „You know the day destroys the night / Night divides the day“ sang Morrison, „We chased our pleasures here / Dug our treasures there“ und „Everybody loves my baby, hey“. Marta zog uns vorbei an den letzten TequilaLeichen, vorbei an den langsam tanzenden, hinaus in das klimatisierte Treppenhaus des AppartmentKomplexes, in dem das Neon auf den Marmortreppen wie Mondlicht reflektierte. Sie hielt mich an der Hand, nur so eben, ihre Fingerkuppen mit den meinen verschränkt und tänzelte scheinbar hinunter wie auf diesem Bild von Duchamp. Wir stießen gemeinsam auf die Straße hinaus durch eine schwüle Wand hindurch, atmeten tief ein und blickten 124
hinauf zum Himmel. Da waren nun die Sterne klar und hell und Marta pfiff laut. Das 20. Arrondissement lag wie unter Narkose, um uns tanzten die Gespenster, ein Fuchs trottete vorbei, den Blick stoisch nach unten gerichtet, eine Ratte im Maul. So liefen wir auf der Mitte der leicht ansteigenden Straße. - „I feel like lossing it“, sagte Marta. - „Why would you?“ - „Well ... to feel at least something.“ Ein Wagen fuhr auf und hielt eine Weile Schritttempo. Zwei Jungs riefen Marta zu, „Hey Babe“ und „tu t’appelle?“. Alexander murmelte besoffen „putain“. Einer der Jungs stieg aus und schlug ihm ansatzlos ins Gesicht. Alexanders blonde kurzen Haare hingen über seinem schmalen Gesicht, seine Haut sah milchig aus. Marta hielt seinen Kopf und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Die Jungs verschwanden. Wir drifteten ab in einen Moment der Stille. Gestern noch standen wir in der Rue de Solférino nahe den Socialiste. Die Leute sangen und tanzten, bis Ségolène sicher verloren hatte. Wir liefen zum Concorde, wo die Reste der UMP zu Schlagern schwoften, fuhren in der Metro zur Bastille und traten hinaus in eine Wolke von Tränengas, trieben auf die Neue Oper zu und flüchteten uns ins Marais auf einen Gin and Tonic. Das schien schon damals wie Jahre her. Langsamer gingen wir nun die Straße hinunter, um ein paar Ecken, dann auf eine Mauer zu. Wir kletterten herüber, die Steine waren so grob wie alt, liefen über einen steilen Pfad den Père Lachaise hinauf bis zu Morrisons kleinem, unscheinbaren Grab und Marta pfiff wieder, eine Melodie diesmal. Alexander nahm sie in den Arm. Sie ließ es geschehen. Ihre dunkelbraunen Augen, ihr kurzes schwarzes Haar, ihr portugiesischer Akzent, alles versank in der Nacht, alles trat in den Übergangsraum zwischen Schlaf und Wachsein zurück. Alexander zog eine Flasche Tequila und ein paar Becher aus seinem Rucksack. Er begann zu Martas Pfeifen mehr zu nuscheln als zu singen. „Faces look ugly when you’re alone / Women seem wicked when you’re unwanted / Streets are uneven when you’re down“ und „No one remembers my name“. Er schenkte uns ein ohne aufzuschauen. Wir tranken schnell. Salz, Mezcal, bittere Frucht. Wir lehnten aneinander und schauten herunter auf Paris. Als die Sonne aufging und erst die Baumwipfel dann unsere Gesichter in orange-gelbes Licht tauchte, nahmen wir den letzten Shot.
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Badeshorts Dsquared2
„Oh God I am the American dream I do not think I‘m too extreme“ Bobby Brown, Frank Zappa
Fotos: Tony Kelly Styling: Bernat Buscato HOMMES
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Badehosen Versace Sonnenbrillen Mykita Schuhe Y-3 rechte Seite: Badehose Speedo Schuhe Y-3 Sonnenbrille Custo Barcelona
Badehose Orlebar Brown Schuhe Adidas Originals Sonnenbrille Ray Ban Badehose Calvin Klein Socken American Apparel Sonnenbrille Ray Ban
Sonnenbrille Vintage Badehose Dsquared2 Schuhe Y-3 linke Seite: Badehose Emporio Armani
Badehose Dsquared2 Sonnenbrille Mykita Badehose Aussiebum Sonnenbrille Custo Barcelona
Badehose Y-3 Schuhe Givenchy by Riccardo Tisci Sonnenbrille Vintage linke Seite: Badehose Speedo Sonnenbrille Ray Ban Schuhe Adidas Originals Socken American Apparel Badehose Calvin Klein Sonenbrille Ray Ban Schuhe Adidas Originals Socken American Apparel
Badehose Aussiebum Schuhe Supra Badehose Aussiebum Schuhe Y-3
Grooming Shay Dempsey for Sebastian Production & Casting Cecilia Dalla Betta Models Brandon White @ Silver Model Management Stephen D‘Angelo @ NTA Talent Fotoassistenz Alex Jaras Digital-Assistant Adam Kleifield
I don‘t even know what I was running for I guess I just felt like it“ Der Fänger im Roggen
Fotos: Anthony Meyer Styling: Sara Bascunan Alonso Look Givenchy by Riccardo Tisci
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links: Anzug Louis Vuitton Pullover Marni Schuhe Carven unten: Jackett Valentino Pullover Ermenegildo Zegna Couture Schal Prada
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unten: Look Givenchy by Riccardo Tisci rechts: Anzug Ermenegildo Zegna Couture Hemd Salvatore Ferragamo Schal Berluti
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Anzug Etro Pullover Cerruti
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links: Jackett Ermenegildo Zegna Couture Hemd Salvatore Ferragamo Schal Berluti Sonnenbrille Vuarnet unten: Anzug und Hemd Dior Homme Krawatte Canali
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unten: Look Versace rechts: Look Canali Make-up Alexandra Meric using Make up For Ever products Haare Norihide Takabayashi using Bumble and bumble Model Clark Bockelman @ New Madison Paris Fotoassistenz Christophe Molinari und Charles Ripon Stylingassistenz Julie Cristobal Retusche Sebastian Bar Besonderer Dank an Geraldine Ini und Broncolor Paris
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Rolex Cosmograph Daytona
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„Zeit ist reine Illusion“
Fotos: Kenji Toma Idee: The Makerie Studio
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Chanel J12 Moonphase
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Panerai Luminor 1950 Left-Handed 3 Days 47mm Pam 557
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Omega Speedmaster ’57 Co-Axial Chronograph
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Patek Philippe Gondolo 5200 8 giorni Day-date
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Rinus van de Velde hat seiner eigenen Kunst den Krieg erklärt. Fotos: Pablo Arroyo Styling: Jérôme André
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Jackett und Hemd Ermenegildo Zegna Couture
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Jackett und Hemd Lanvin Hose Prada Gürtel Carven 160
Jackett und Hemd Calvin Klein Collection Hose Louis Vuitton 161
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„Self-portrait as a human being, almost classically baroque in style ...“ 250 cm x 370 cm, Kohle auf Leinwand, 2012, Courtesy Tim Van Laere Gallery
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ir stehen alle auf den Schultern von Riesen. Was kann man nach Vermeer und Duchamp noch machen? Träumen ... sich so fühlen wie einst die Großen, im Bett liegen und sich ausdenken, man wäre dabei gewesen. Als Rinus van de Velde als 17-Jähriger von der belgischen Akademie der Künste aufgenommen worden war, sah er die Film-Dokumentation „Basquiat“ von Julian Schnabel. Das ist der Vater des derzeitigen Heidi-KlumLovers Vito, außerdem New Yorker Maler, der auch mal im Pyjama auf dem roten Teppich erscheint. Dessen Film über Jean-Michel Basquiat beleuchtet das Leben des obdachlosen, heroinsüchtigen Graffitti-Künstlers, der in Krachbands spielte und dann als erster afroamerikanischer Maler weltberühmt geworden war. Der kleine Rinus wäre auch gerne so wie Schnabel oder Basquiat: „Ein Künstler muss eine exzentrische Person sein, ein Außenseiter und ein aufregendes Leben führen.“ Aber dann auch wieder nicht: „Ich bin ein ängstlicher Abenteurer: Ich liebe es, mir unglaubliche Schicksalsschläge auszudenken, aber ich bin viel zu ängstlich, wirkliche Abenteuer zu erleben. Ich komme aus einer normalen Familie, mit einem Ingenieurs-Vater und einer Mutter, die Lehrerin war. Ich hatte eine glückliche Jugend mit normalen Freunden, Skateboards und ein paar Joints. Doch jahrelang sah ich mich als Künstler und versetzte mich in besondere Persönlichkeiten hinein und machte sie zu Helden meiner Arbeiten.“ Van de Velde malte sich in die Kunstgeschichte und wurde so ein guter Freund von Wladimir Majakowski, dem wilden russischen Futuristen und Dichter, 1930 verstorben. Dann war der Belgier wohl ein wenig enttäuscht oder gelangweilt vom Majakowski und wandte sich Bobby Fischer zu, Schachweltmeister von 1972, und völlig durchgeknallt (Antisemit, sammelte mexikanische Pornocomics, feierte den Anschlag auf die Twin Towers). Van de Velde besah sich die Schauplätze in Island, wo das legendäre Match gegen Boris Spasski stattfand, sammelte Fotos und fühlte sich immer mehr in die Szenerie von damals ein. Wobei es nicht um die wirkliche Wirklichkeit geht, sondern um die abgebildete der Fotografie. Nicht was, sondern wie etwas gezeigt wird. Es geht um das Heldenhafte, den Pathos und damit untrennbar verbunden um Geschichten. Der schlaksige Künstler schlüpfte in immer mehr Personen. Bilder aus alten Magazinen dienten ihm als Vorlage: Isaac Newton
mit dem Gesicht von Rinus. Van de Velde als Afrikaforscher Richard Burton. „Das Leben zwischen den vier weißen Wänden meines Studios in Antwerpen ist ziemlich langweilig“, gesteht Van de Velde. „Und so amüsiere ich mich durch meine Bilder und stelle mir vor, was ich hätte machen können, wenn ich nicht Künstler geworden wäre.“ Nur von der ein oder anderen Tischtennis-Partie unterbrochen arbeitet Van de Velde den ganzen Tag in seinem Studio. Als Jugendlicher träumte er davon, TischtennisWeltmeister zu werden, und übte ausdauernd. Noch heute malt er sich manchmal aus, wie es wäre, die US-Open im Tennis zu gewinnen. Als sein Galerist ihn für einige Monate nach Hawaii einlud, damit ihn diese wundervollen Inseln und die athletischen Surfer künstlerisch inspirieren mögen, ging Rinus wie eh und je seiner gewöhnlichen Arbeit nach. „In einem Studio in Belgien oder auf Hawaii zu zeichnen ist für mich dasselbe: Der Unterschied liegt lediglich im Klima.“ Äußere Reize interessieren ihn nicht. In der Isolation und der Monotonie des Alltags kann er seiner Kreativität freien Lauf lassen. Jeden Tag isst er mittags im selben Restaurant in der Nähe seines Studios, Freunde wissen das und treffen ihn dort. Anfangs war die Skulptur das Medium seiner Wahl. Als er an der Akademie der Künste studierte, war er fasziniert von Rodin und seinem Kunstlehrer, wie sie die Materie zum Leben erweckten. Dann gestand er sich ein, dass er selbst aber zu faul war, um mit Stein und Metall zu arbeiten. „Die Skulptur ist ein sehr physisches Mittel und ist kaum alleine zu realisieren. Zeichnungen hingegen sind viel einfacher und demokratischer: Sie kosten wenig und können ohne Assistenz oder besonderes Material hergestellt werden. In der Zeichnung steckt viel mehr konzeptionelle Freiheit. Man muss sich nicht zwangsläufig mit der ganzen Kunstgeschichte beschäftigen und den großen Vorgängern Van Eyck oder Rubens.“ Der jungenhaft charmante Künstler mit der 80er-Jahre-Wuschelfrisur, Jahrgang 1983, redet gern über seine Arbeit, eine Ausnahme unter den bildenden Künstlern. Er glaubt nicht an Talent, vom Geniekult der älteren Generation hält er nichts, davon erzählen
auch seine Kohlezeichnungen. Noch hält er Kunst für besonders wichtig, Krankenhäuser, so sagt er nonchalant, seien bedeutender. „Zeichnungen werden oft geringschätzig angesehen, da sie den meisten Künstlern nur als Skizzen und Vorstudien dienen. Im Kunstmarkt werden Zeichnungen weit unter den Preisen von Ölbildern oder Aquarellen gehandelt.“ Rinus hat mit kleinen Formaten begonnen, anfangs noch bunt, dann wurden seine Kohlezeichnungen lebensgroß und dann riesig. Dies zwang ihn vom Papier zur Leinwand zu wechseln: „Ab einer bestimmten Größe ist es schwierig die Werke zu transportieren und aufzubewahren. Es macht Spaß großformatig zu arbeiten, aber das kann auch sehr mechanisch sein. Wenn sich Teile wiederholen oder es große Räume mit dem Kohlestift zu füllen gibt, höre ich oft Hörbücher, während ich arbeite.“ Seitdem er mit einem befreundeten Autor zusammenarbeitet, hat sich der Text zu einem festen Bestandteil seiner Werke entwickelt. „Es heißt immer, ein Bild muss für sich selber sprechen. Das glaube ich nicht. Mit den Texten schaffe ich mir mein eigenes Universum.“ Die Bildtitel seiner Werke werden länger und länger zum Beispiel.: „Like so many of the greatest minds, Frederic suffers from self-induced fits of absolute dissociation that seem to make him forget who and where he is. It happened again the night before he started working on his infamous dissertation, when he, in the midst of a conversation, started to repeat the phrase ,I am a philosopher‘ over and over, in different silly voices. Then he burst into an abysmal, heart-breaking laughter, fell dead silent and
„Ab einer bestimmten Größe ist es schwierig, die Werke zu transportieren“
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froze his face. ,For a minute there‘, he explained later, ,I allowed a borderless stupidity take hold of myself.‘“ Manchmal möchte Van de Velde raus aus dem ewigen Weiß und Schwarz seiner Kohlezeichnungen, aber er hat noch keinen Weg gefunden. Er versucht es zwar, doch bisher stets vergeblich. So kämpft er weiterhin gegen seine Arbeiten an. Ein wenig wie Don Quichotte. 165
„I try to shake off the feeling that I’m trapped in this enclosure, this wooden world this satire written by a stranger“ 70 cm x 100 cm, Kohle auf Leinwand, 2013, Courtesy Tim Van Laere Gallery
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Hemd Ralph Lauren Black Label
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Jackett Prada Hemd Carven Hose Louis Vuitton Grooming Terry Saxon @ Jed Root Fotoassistenz Grégoire Machavoine Stylingassistenz Elodie Baruchel
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AM INFINITY POOL Seit knapp einem Jahrhundert ist der Swimmingpool ein Symbol der modernen Popkultur. Seine schillernde Oberfläche weckt unser Begehren nach Luxus, Hedonismus und Jugend. Gleichzeitig ist er ein Sinnbild für die Suche nach der eigenen Identität und Spiegel innerster Abgründe. Text: Robert Grunenberg
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Drei Arschbomben, drei Monde und ein Motel-Swimmingpool mitten in der Salzwüste einer fast vergessenen Dinosaurierwelt. Das ist das surreale Motiv in Brad Silberlings absurder Abenteuerkomödie „Land of the Lost“. Klingt Banane? Es geht noch schräger: Aus dem Motel-Pool steigen die Übercomedians Will Ferrell, Danny McBride und eine affenartige Kreatur. Gemeinsam feiern sie ihre angedickten Körper, trinken außerirdische Kokosmilch, die sie halluzinierend auf einen Trip schickt, von dem Albert Hofmann, Erfinder des LSD, nicht mal vage geträumt hat. Wirft man alle Poolbilder aus Pop, Underground und Kunst in einen gurgelnden Jacuzzi, dann ist Silberlings die mit Abstand bizzarste Inszenierung einer Poolparty. Doch als sein Film 2009 erschien, war der Swimmingpool längst so etwas wie eine heilige Insignie der Popkultur, Paradies der Moderne, säkularisierter Garden Eden und hatte
bereits seit knapp einhundert Jahren unsere Vorstellung von Hedonismus, Jugend und Luxus geprägt. In Filmen, Fotografien und in der Malerei erzählt der Swimmingpool uns Geschichten von altem Hollywood-Glamour und exzessiven Partys, weckt Begehren nach Exotik, Exklusivität und heißen Küssen im Vollrausch. Doch unter der schillernden Wasseroberfläche gibt es noch mehr zu entdecken. Alles begann in den 1920er-Jahren mit Filmschönheiten auf opulenten Poolpartys zwischen Champagner, Bling-Bling und ausgefallener Bademode. Der Mythos Los Angeles als Ort der Träume und spektakulärer Lebensentwürfe wurde hier fabriziert. Stars nutzen ihre privaten Poolpartys, um ihr öffentliches Image zu überhöhen. Der Trick ist durchtrieben wie einfach: ein Fotograf, viele Stars, ein paar halb nackte Sternchen in einem Anwesen in den Hollywood-Hills. Fertig ist der Glamour-Effekt. Funktioniert heute HOMMES
immer noch, nur mit Instagram. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Aufkommen der amerikanischen Suburbia, der Demokratisierung des Wohlstandes, kamen die Babyboomer. Sie waren nicht zu stoppen auf der Überholspur des amerikanischen Traums – plötzlich gab es Swimmingpools überall und in jeder Form: Infinitypools in Resorts, auf dem Dach von Einkaufszentren, in Herzform in den Lovehotels wie in jedem dritten Garten kalifornischer Reihenhäuser. Spätestens in den 80ern erhielt der Pool dann das beliebte Pop-Siegel „Trash“, in Reinform zu erleben während des amerikanischen Springbreak. In lagunenartigen Megapools gibt es dann komatöse Mengen Mojitos aus Eimern, wässriges Bier, Collegedudes und Tanga-Girls, die dem DJ „yolo“, „you only live ones“ zuschreien. Cooler war dann schon „Miami Vice“. Art-déco-Architektur am Ocean Drive, Ray Bans und eiskremfarbende Maßanzüge, das 171
alles zwischen den berühmten Swimmingpools der „Fountainebleau“-, „Delano“- und „Raleigh“-Hotels in Miami Beach. Kultiger wird’s nicht: hochgewachsene Kokospalmen, dann immer wieder langhaarige Bikini-Schönheiten in Alabasterkörpern und aus Muskeln geflochtene Ganoven mit Kokain im Blut und einer Cheetah-Knarre in der Hand. Genau diese Bilder aus Brian de Palmas „Scarface“ (1983) mit Al Pacino als Tony Montana gingen um die Welt, gefilmt am Pool des „Fountainebleau Hilton Hotel“. Doch nicht nur in Miami. Der unbestrittene König ist der fast 40 Meter lange Neptun-Pool im Hearst Castle in Kalifornien. Weniger groß, doch genauso mythisch ist der Hotelpool des skandalumwitterten „Chateau Marmont“ am Sunset Boulevard in Hollywood. Jeder Rock- und Filmstar, der was auf sich hält, bekam hier schon mal Hausverbot. Von San Francisco bis Los Angeles – Kalifornien ist das Königreich des modernen Swimmingpools. Wer über dem Golden State aus dem Flugzeugfenster schaut, sieht es: ein Meer aus schillernden blauen Perlen, die zwischen schäbigen Motelanlagen, weißen Bungalows oder megalomanen Villen funkeln. Am schönsten zeigt sich die Poolbesessenheit der amerikanischen Westküste in den architektonischen Leckerbissen des „California Modernism“. Architekten wie Richard Neutra, Rudolph M. Schindler oder Pierre Koenig kombinierten organische Strukturen mit Bauhaus-Minimalismus. Man denkt an Thomas Manns Exilheimat Pacific Palisades oder an Palm Springs, hier stehen sie, diese unglaublich ästhetischen Hybride aus Architektur und Palmengärten, die stilprägend für den exzentrischen Lifestyle Kaliforniens 172
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1 Michael Childers, The Hockney Swimmer, 1978 2 Bill Owens, Hockney Painted This Pool, 1980 3 Mel Roberts, Rich Thompson and Mike Kelley, 1962
geworden sind. Den Pools dieser Region wurden mehrere Denkmäler gesetzt. Mal glamourös wie in den Celebrity-Fotografien von Lawrence Schiller, dessen laszive Poolaufnahmen von Marilyn Monroe jedem ein Funkeln ins Auge treiben. Dann verführerisch wie bei Mel Roberts inszenierten Poolmomenten, in denen ein sonnengebräunter und noch blutjunger Mike Kelley und Rich Thompson Zeit in der Mittagssonne verschwenden und man sich fragt, wann sie übereinander herfallen. Fotografen wie Mel Roberts, Michael Childers oder Billy Owens feiern den jugendlichen Körper, machen den Pool zur Arena für Freude an der Nacktheit und hedonistisches Begehren. Wie Magneten holen die Bilder einen in ihre idealisierten Welten und ehe man sich versieht, hebt man ab vom Sprungbrett, streckt den Rücken kraftvoll, spürt noch kurz die massive Sonne Malibus im Nacken, bevor man die gespannte Wasseroberfläche durchbricht, um gleich wieder kopfschüttelnd aufzutauchen und die Lungen mit frischer Luft zu füllen. Ohne Frage, dieser Blick auf die Fotografien ist camp; verortet er sich selbst in einer Tradition von Poolbildern, die mit homoerotischen Anspielungen arbeiten. In seinen populären Bildern wie „A Bigger Splash“ (1967) fängt der britische Maler David Hockney diese Momente ein, zeigt junge Männer, die ihre Nachmittage am Pool verbringen, meist alleine und isoliert. Das einsame Tauchen im Swimmingpool wird zum Sinnbild für die Ausgrenzung Homosexueller im prüden Kalifornien der 1970er-Jahren; das sich in Bewegung gesetzte Wasser gleichzeitig zum Hoffnungsbild für die sich abzeichnenden Veränderungen, welche die sexuelle BefreiHOMMES
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ung der Gegenkultur noch bringen sollte. Auch in Mike Nichols’ Filmklassiker „Die Reifeprüfung“ (1967) wird der Pool zum Symbol für die Suche nach der eigenen Identität nach dem verflixten Erwachsenwerden. Dustin Hoffman machte die Rolle des hadernden College-Absolventen Benjamin Braddock weltberühmt, der am Grund des elterlichen Schwimmbadbodens sitzt, verlassen, umgeben vom Wasser wie ein Kristall, der noch nicht von der Gesellschaft gehärtet ist. Der Swimmingpool signalisiert nicht nur schillernde Oberfläche und strahlendes Blau, gefasst in einer soliden Form. Unter der ruhigen Oberfläche gibt es Abgründe und unsicheres Terrain, schlummern bedrohliche Kräfte. Bei Francois Ozons Film „Swimming Pool“ kommt es zum Konflikt der Generationen, wenn die Hauptfiguren, gespielt von Charlotte Rampling und Ludivine Sagnier, einander begegnen. Was sich am Rande des 174
Schwimmbadbeckens zwischen den beiden abspielt, ist ein delikates und tiefgründiges Spiel, das unbequeme Fragen nach der eigenen Existenz und den innersten Ängsten aufwirft. Am Ende steht der Tod. Im surrealen Filmdrama „Der Schwimmer“ (1968) wird der Pool hingegen zum Plateau für die heißen Flirts und die romantischen Beutezüge des Womanizers Ned Merrill, gespielt von Burt Lancaster. Ned bekam nicht genug von Frauen, hangelte sich von Liaison zu Affäre, brach dabei unzählige Herzen, bis er von allen verlassen und schließlich verstoßen wird. Zurück bleibt ein Schwimmbecken voller Tränen. Viele Gesichter zeigt der Swimmingpool. Zu Recht hat er es deshalb ins Museum geschafft: im Museum für zeitgenössische Kunst des 21. Jahrhunderts in Kanazawa, Japan, hat der argentinische Künstler Leandro Erlich einen begehbaren Swimmingpool HOMMES
installiert. Eine Arschbombe sollte man hier jedoch nicht wagen. Das Wasser hat gerade eine Pooltiefe von wenigen Zentimetern, wird von einer Glasplatte getragen, damit der Pool darunter begehbar ist. Bei aller Vieldeutigkeit, die den Pool zur Ikone des Pop macht, das Erste, was einem hier im Whitecube bei hartem Kunstlicht durch den Kopf schießt, ist, wo ist das Sonnenbett, der Poolboy, mein Long Island Ice Tea? Die Bilder im Artikel stammen aus dem Ausstellungskatalog „Backyard Oasis: The Swimming Pool in Southern California 1945-1982“, erschienen bei Prestel und wurden uns freundlicherweise vom Palm Springs Art Museum zur Verfügung gestellt.
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4 Herb Ritts, Richard Gere Poolside, 1982 5 Lawrence Schiller, Marilyn Monroe, 1962 6 Kenda North, Untiteled, 1982 HOMMES
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Artwork: Franz Graf Fotos: Irina Gavrich Text: Maja Hoock
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Franz Graf ist kein Freund vieler Worte. Dafür hat er aber ganz schön viel zu sagen. Von einem Künstler, der gern im Glashaus sitzt.
Herr Graf, Sie sagen von sich, dass Sie wortkarg sind. Liegt es daran, dass Kunst überbegrifflich funktioniert? Franz Graf: Eine Antwort, einsilbig, wortlos, wortarm, kurz, meint auch: Konzentrat, Reduktion, Wesen. Sie haben einen interessanten Umgang mit Sprache, schreiben stets in Großbuchstaben und wählen Ihre Bildtitel assoziativ. Weshalb? F.G.: Wortfragmente und Headlines sind ja vielleicht auch komprimierte Geschichten und Mitteilungen, die da erst das Denken auslösen, wo sie weitergehen.
Sie wählen oft diese Klarheit in Ihren Bildern, harte Linien und Kontraste. Schätzen Sie Eindeutigkeit? F.G.: Die Armut von Extremsituationen. Woran arbeiten Sie gerade? F.G.: An der aktuellen Schau, da diese ja vier Monate geht und Künstler eingeladen sind, die diese auch verändern werden. Sind Sie zufrieden mit dieser neuen Ausstellung im Wiener 21er Haus? F.G.: Ja sehr. Bevor es nicht stand, konnte ich überhaupt nicht sagen, ob das Gebäude überhaupt brauchbar ist. Die Schau befindet sich in einem leeren Glashaus, das erst durch
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temporäre Besetzung und Folgeeinladungen von anderen Künstlern zu einem offenen Feld, einem offenen Haus wird – einem Gästehaus. Da ich nicht alleine bin. Reanimation. Von fast 300 Arbeiten stammen 21 von Ihnen. Wie haben Sie die anderen Exponate ausgewählt? F.G.: Ich habe sie aus der historischen Sammlung des Museums Belvedere und meiner eigenen Sammlung ausgewählt und gemeinsam mit dem Kurator Severin Dünser weitere Künstler eingeladen. Trauen Sie Kuratoren? F.G.: Ja, schon. Welche Kunst passt zu Ihrer Kunst? F.G.: Die Kunst, die mir begegnet ist. Ist Ihnen der Gesamteindruck wichtiger als das einzelne Werk? 180
F.G.: Nein, die einzelnen Werke sind sehr wesentlich. Kann sich Kunst gegenseitig potenzieren? F.G.: Ja, sie kommuniziert. Wie viele Werke besitzen Sie in Ihrer Kunstsammlung? F.G.: Es ist irgendwie sehr viel, das mir begegnet ist. Ich könnte das nicht so einfach Sammlung nennen, da, was ich verehre, sehr schätze oder auch liebe, Dokumente meines Lebens, meiner Arbeit, von Begegnungen und Ereignissen sind. Manchmal sind es scheinbar wertlose Dinge. Wer ist für Sie der wichtigste Künstler, der jemals gelebt hat? F.G.: Es ist für mich eher ein Gesamtorganismus, in dem alle wichtig sind. Sie haben lange an der Wiener KunstakaHOMMES
demie gelehrt. Was haben Sie persönlich aus dieser Zeit gezogen? F.G.: Ich habe großen Respekt vor allen jungen Künstlern, die da in die Akademie gekommen sind und das eigentliche Programm schon mitgebracht haben. Eine sehr schöne Zeit. Haben Ihre Studenten, die Sie ja sehr zu schätzen scheinen, Sie auch im Haus im Waldviertel besucht? F.G.: Ja. Ich würde das aber eigentlich gar nicht Studenten nennen, sondern Gemeinschaft. Ein offener Prozess. Es hat immer wieder Zusammenarbeiten und gemeinsame Projekte gegeben. Ich habe von ihnen genauso viel gelernt wie umgekehrt. Es war eher eine offene Laborsituation, in der viele Leute aus verschiedenen Bereichen zusammenge-
kommen sind: Literatur, Bildende Kunst und Musik. Sie sind Musikliebhaber, oder? F.G.: Ich liebe die Stille, den Lärm. Was hören Sie momentan? F.G.: Mémoires Paramoléculaires von Vromb, einem kanadischen Industrial-Act. Was berührt Sie beim Hören von Industrial-Musik? F.G.: Jede Art von Konzentration, Achtsamkeit, Hypnose und Wachheit. Ist das auch der Grund, weshalb Sie Fetisch- und SM-Motive in Ihrer Kunst wählen? F.G.: Es ist Schönheit. Wegen welchem Moment? Können Sie das präzisieren? F.G.: Die Verwandlung oder die vielen Kör-
per, die in einem Körper wohnen; anwesend sichtbar werden. Erinnern Sie sich an Ihre Träume? F.G.: Meine Anatomie ist traumlos. Ist Erinnerung für Sie genauso wichtig wie gegenwärtiges Erleben? F.G.: Vor allem auch das, was ich verloren habe. Was ist für Sie morbide? F.G.: Der Tod ist hier sicher auch eine Art Festgewand. Ist Wien morbide? Man sagt es der Stadt hierzulande nach. F.G.: Das ist wohl wesentlich mit der Geschichte des Untergangs der Stadt und der Vertreibung des Geistigen aus Österreich in vergangenen Kriegen zu verstehen. Eine grundsätzliche Trauer über Verlorenes und Abwesendes. HOMMES
Was meint „Austrian Gothic“ in Bezug auf Ihre Arbeiten? F.G.: Zunächst bezeichnet es die gotischen Bauwerke; begehbare Verbildlichung von Ideenwelten, schwarze Szenen und dann, wo das alles hingewandert ist: Visual Cyber, BDSM, Punk, Noise, Industrial, Future. Das hat sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten und länderübergreifend unabhängig voneinander entwickelt. War Wien in den 80er-Jahren aufregender oder anders als heute? Inwiefern? F.G.: Ich glaube, Wien ist sehr offen geworden. Viele Künstler sind weggegangen, dafür sind viele andere gekommen. Alles ist in Bewegung. Kürzlich durfte ich Hermann Nitsch interviewen, ebenfalls für dieses Magazin. Er 181
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alle Looks Brioni Brille Sara Glaxia Styling Götz Offergeld, Max Märzinger Haare und Make-up Patrick Glatthaar @ Ballsaal (using Chanel) Fotoassistenz Patrick Melech
lebt auch bei Wien auf dem Land. Kennt man sich? Was halten Sie voneinander? F.G.: Ich mag Hermann Nitsch und seine Kunst über alles. Insbesondere auch seine Musik. Nitsch wurde erst ausgestoßen, jetzt scheint ihn das Establishment zu lieben. Was sagen Sie dazu? Sind Künstler und die Art, wie mit ihnen umgegangen wird, Indikatoren für den Zustand der Gesellschaft? F.G.: Ich glaube schon, dass Hermann Nitsch, aber auch viele andere Künstler seiner Generation, wesentlich für das Verständnis von Kunst in Österreich beigetragen haben. Sie haben auch Raum für alle nachfolgenden Künstler geschaffen, was weit über das Land hinausgeht. An welchem Ort der Welt können Sie sich noch vorstellen, zu leben? Wie stehen der Ort, an dem man lebt, und Kreativität zueinander im Verhältnis? F.G.: Fast alle Orte, an denen ich mich länger
als kurz aufgehalten habe: Manaus, Reykjavik, Bologna, Brügge, Berlin, Ostende, Warschau, Moskau, Los Angeles und auch viele kleine Orte, die mich verändern oder sogar auslöschen, mag ich besonders. Sehr. Ist das Spießige, das man in Wien findet, ein guter Nährboden für die Kunst, weil es Widerstände bietet? F.G.: NEIN. Franz Graf ist 1954 in Tulln geboren. Er kombiniert Zeichnung, Fotografie und Installationen. Von 1997 bis 2006 hatte er eine Gastprofessur an der Wiener Akademie der bildenden Künste und ist Mitglied der Wiener Secession. Seine Ausstellung „Franz Graf – Siehe was dich sieht“ ist bis 25. Mai 2014 im 21er Haus (Arsenalstraße 1, 1030 Wien) zu sehen. Gezeigt werden 270 Werke von Franz Graf, aus der Sammlung des Künstlers und aus dem Belvedere.
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ISLÄNDER Auf Island erwartete unser Autor Feuer und Eis. Aber es war ein unsportli1 cher, abgründig-zynische Lieder singender Buddha, der ihn in existenzielle Not brachte. Eine Liebeserklärung.
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Du hast dich stets gewundert, wenn sie plötzlich anfingen zu stammeln: das Licht ... das Eis ... der Wind ... die Geysire ... die Lava ... das Meer. Alles elementar und fremd. Unvergleichlich. Einzigartig. Außerirdisch schön. Nach deiner Rückkehr aus Island kannst du solch raunende Beschwörungen besser nachvollziehen. Island, Ende März, ist tatsächlich mit wenig zu vergleichen, jedenfalls mit nichts, das du kennst. Es bläst dort ein gewaltiger Wind, vor dem man auf freien Flächen, um nicht umzufallen, besser in die Hocke geht. Es gibt eine donnernde Brandung, die einen begreifen lässt, warum isländische Fischer traditionell nicht schwimmen können, einfach weil selbst russische Kampfschwimmer in der sich an spitzen Felsen brechenden Brandung umkommen würden. Am schwarzen Lavastrand liegen seeelefantengroße Brocken aus Eis, die geheimnisvoll blau und grün schimmern. Der Sonnenuntergang dauert vom Mittag bis zum Abend. Er bescheint eine Landschaft, die sich von einem Augenblick zum nächsten theatralisch verdichten kann: von apokalyptischen, zu surrealen, zu lichtdurchfluteten Szenen. Aber Island ist nicht der Süden, den du liebst, weil ja bereits Berlin in deinen Augen für ein menschenwürdiges Leben zu weit im Norden liegt. In Island würzt kein Duft nach wilden Kräutern die Luft. Auf Island riechst du entweder nichts oder den Schwefel aus den heißen Quellen, der das Aroma faulender Eier über die Landschaft legt. Es gibt keinen sanften Windhauch, der durch Meerespinien streicht. Es gibt auch kein Licht, das alle Farben intensiviert, die Dinge verklärt und selbst die Verzweifelten mit neuer Hoffnung belebt. Island ist nicht mild, nicht weich, nicht lieblich, es ist elementar und hart. Island ist ein hundertdreitausend Quadratkilometer großer Vulkanauswurf im unwirtlich kalten Nordatlantik, keine Bäume, kaum Menschen. Angeblich ist der Millionste Isländer bis heute nicht geboren. Vor fünfzig Jahren noch lag die Einwohneranzahl bei fünfzigtausend. Island ist mit 3,1 Einwohnern pro km2 hinter der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (1,8) eines der am wenigsten besiedelten Länder der Erde. Die Vorfahren der meisten Isländer waren irische Mönche, die sich in einsamen Klöstern kasteiten, und nicht Wikinger, wie es so oft heißt. Vermutlich wärest du ein wenig enttäuscht aus
Island zurückgekehrt. Du hättest gedacht, Island ist halt für Menschen, die es kalt und rau mögen, die es gerne eisig haben und am liebsten Outdoor-Kleidung tragen. Oder für Menschen mit einem Hang zur Gemütlichkeit, die sich mit Vorliebe wollenes Zeug überstreifen und dann in heimelig-warmen Cafés zusammendrängen, die es mögen, Waffeln mit heißen Kirschen und Sahne zu essen und dabei auf ein Meer zu schauen, in dem Eisberge schwimmen. Doch tatsächlich bist du nicht enttäuscht, sondern beschwingt aus Island zurückgekehrt, was du in erster Linie Dadi zu verdanken hast. Die Persönlichkeit eines Betreuers auf Pressereisen gleicht in der Regel der eines Stewards in der Businessclass oder eines Concierges in einem Luxushotel – von Menschen also, die aus beruflichen Gründen mit jedem zurechtkommen müssen. Denen Zynismus im Umgang fremd ist. Die immer unverfänglich bleiben. Die nur Harmlosigkeiten aussprechen. Denen ein Service-Lächeln bei jeder Gelegenheit auf den Lippen steht. Die Verstellung auf zwei Beinen, wenn man so will. Auch Dadi kam mit jedem zurecht. Er war nie zynisch. Sagte über nichts und niemanden etwas Schlechtes. Lächelte immer und wirkte auf dich doch, nachdem der erste falsche Eindruck überwunden war, als der am wenigsten verstellte Mensch seit Langem. Seine Aufgabe war es, euch, einer Gruppe von Journalisten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Neuseeland und den USA, Island als Filmstandort nahezubringen. Auf der Insel hat Clint Eastwood „Flags of Our Fathers“ gedreht, war Pierce Brosnan James Bond in „Die Another Day“, erfand Ridley Scott seine Version von „Noah“ und haben die Macher der Fernsehserie „Game of Thrones“ viele Szenen aufgenommen, die in ihrer Fantasiewelt nördlich der großen Mauer spielen. Ein solches Programm, bei dem man in drei Tagen in Flugzeugen, Kettenfahrzeugen, Schneemobilen und Super-Jeeps von West nach Ost und zurück über die Insel fegt, Drehorte im Zweistundentakt besichtigt und zwischendurch in von den lokalen Touristenbehörden ausgesuchten Restaurants immer dieselbe Menüfolge aus Cremesuppe, Lammgericht und Kuchennachtisch vorgesetzt bekommt, würde deine Nerven überstrapazieren, wäre da nicht Dadis sanfter Enthusiasmus, der auf dich wie eine fernöstliche Meditationstechnik wirkt. Tatsächlich sieht Dadi einem Buddha ähnlich.
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Großer Kopf, runder Körper, ein kindliches Gesicht. Alles an ihm wirkt harmlos. Ein Mann, der unter dreißig bereits zweifacher Vater ist. Der sich rührend um jedes Bedürfnis kümmert, morgens beim Frühstück Zuckersatzstoff für die dicke Kanadierin besorgt, den Franzosen, dessen Koffer nicht am Flughafen angekommen ist, im Einkaufscenter neu einkleidet und wie selbstverständlich die schwere Filmkamera eines Engländers umherschleppt, der offenbar vor Jahren ein bekannter Moderator war,
Dieses Muster wiederholt sich. Dadi sorgt sich um alles und jeden, nur nicht um sich selbst. Am schwarzen Strand der Jökulsárlón-Lagune hält er euch davon ab, zu nahe an die Brandung heranzugehen, weil hier im Winter jederzeit Wellen auftauchen könnten, die euch vom Strand ins eiskalte Meer reißen. Doch weil euch die riesigen, unwirklich schimmernden Eisbrocken inmitten der Wellenausläufer faszinieren, läuft er mit seiner Kamera nahe an die sich haushoch auftürmende Brandung heran, um die gestrandeten Eisberge für euch zu fotografieren. Bei einer Gletscherwanderung mit eisengespickten Schneeschuhen begleitet er die im Kletterparadies Queenstown aufgewachsene Neuseeländerin in eine kaum zugängliche Höhle aus Eis, weil er spürt, dass sie doch nicht davon abzuhalten ist und er sie keinesfalls alleine in Gefahr wissen will. Du staunst über diesen dicklichen, unsportlichen Mann, der sich scheinbar furchtlos einen gefrorenen Wasserfall hinunterwagt. Am zweiten Abend dann verblüfft er erneut, als er in einem Restaurant eine Gitarre von der Wand nimmt und dich daran erinnert, dass ausgerechnet aus dem kleinen Island so unerhört viele, auch international erfolgreiche Musikbands kommen. Wie sich herausstellt, singt er in einer Band und sein Traum ist es, einmal von der Musik leben zu können. Was dir nicht mal ausgeschlossen erscheint. Schließlich singt und spielt er besser als viele, die
„Island ist nicht mild, nicht weich, nicht lieblich, es ist elementar und hart“ damals durch zu viele Assistenten verwöhnt wurde, und nun, verlebt und verbraucht, als Ein-MannTeam kleine Reisefilmchen mit der Attitüde eines Großregisseurs aus Hollywood dreht, die er einem halb bankrotten Kabelsender verkauft. Dadi wirkt wie die Harmlosigkeit in Person. Doch als ihr am ersten Tag der Reise von Reykjavik nach Höfn fliegt, um mit Schneemobilen über den Vatnajökul-Gletscher zu fahren, schnappt er sich den waghalsigsten Fahrer und steuert mit diesem Wege und Gipfel an, die er euch verbietet, weil sie zu gefährlich sind. 190
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du auf Berliner Bühnen spielen und singen gesehen hast. Und seine Texte sind abgründig und zynisch, so sehr, dass du Tränen lachst und nicht aufhörst, begeistert zu staunen. Die größte Lektion aber erteilt dir Dadi am letzten Tag. Ihr besucht die Blaue Lagune, das weltberühmte Wellnessbad. Es ist für dich völlig unverständlich, was daran erholsam sein soll, sich im Gedränge der Touristen aus aller Welt mitten in einem Raum auszuziehen, die eigenen Kleider in einen dafür viel zu kleinen Spind zu stopfen und sich anschließend Körper an Körper mit Leuten, von denen viele Hautkrankheiten haben, für die sie hier Linderung erhoffen, durch das schwefelig riechende Wasser treiben zu lassen, das an manchen Stellen so heiß ist, dass du dich wie ein Brühwürstchen fühlst. Du bist nur froh, als dieser Badespaß endlich vorüber ist, und willst dich schnell anziehen. Dabei stellst du entsetzt fest, dass deine Uhr, ein unersetzliches Erbstück, verloren gegangen sein muss. Du beginnst verzweifelt zu suchen. Dadi müsste eigentlich bereits auf dem Weg zurück zu seiner Familie sein. Schon seit Tagen spricht er davon, dass ihn seine Frau an diesem Tag wegen einer dringenden Angelegenheit pünktlich zu Hause erwarte. Dennoch ist er dir sogleich beim Suchen behilflich und lässt sich durch kein noch so eindringliches Zureden davon abbringen. Über zwei Stunden vergehen, der Rest der Gruppe ist bereits auf dem Weg zum Flughafen oder zum Hotel, bis du zum dritten Mal die Taschen deiner Kleidung
abklopfst und dabei die Uhr in einer versteckten Tasche deines Jacketts entdeckst, deren Existenz dir nicht bewusst war. Es ist dir peinlich, doch Dadis Freude über die wiedergefundene Uhr ist so ungebrochen und aufrichtig, dass du alle Scham vergisst und dich mit ihm mitfreust. Natürlich lässt sich Dadi nicht davon abhalten, dich noch zu deinem Hotel zu fahren, obwohl seit geraumer Zeit Nachrichten im Minutentakt auf seinem i-Phone eingehen. Zu allem Unglück ist das Hotel wegen des gerade stattfindenden Food-Festivals überbucht, sodass Dadi noch einmal zwanzig Minuten telefonieren muss, bis er im „Hilton“ ein allerletztes Zimmer aufgetrieben hat. Später sitzt du in diesem Zimmer, schaust auf die Silhouette blauer Berge, trinkst mittelmäßigen spanischen Wein aus der Hotelzimmerbar, den sie in Island zum Preis erstklassigen Bordeaux ausschenken, und denkst, dass du eine solche souveräne Selbstlosigkeit, eine so elegante Menschenfreundlichkeit wie bei Dadi bei noch niemanden erlebt hast. Du nimmst dir vor, an diesem Vorbild in Zukunft Maß zu nehmen, und noch am nächsten Tag glaubst du, dass es dir gelingt. Doch dann landest du in Schönefeld und dir wird klar, wie schwer ein Leben als besserer Mensch fern des isländischen Lichts, des Eises, der Geysire, der Lava, des Meeres wird. Text: Martin Simons Fotos: Dadi Gudjónsson, Matt Rubin
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James Franco polarisiert wie kaum jemand sonst. Ist er nun der legitime Erbe Andy Warhols oder nur ein weiterer Zaungast beim Begräbnis der freien Kunst? James Francos mediale Dauerpräsenz ist schon so was wie eine eigene Facebookseite wert, ach was, eine eigene Ausstellung, eine Doktorarbeit, warum nicht gleich einen eigenen Film oder eine ganze Fernsehserie? Egal auf welcher Hochzeit er gerade tanzt, alle schauen zu, alle reden drüber, alle ärgern sich, alle machen ein Instagram und wirklich alle teilen es. Franco ist ein echter Internetvirus, hoch ansteckend, anpassungsfähig und kaum totzukriegen. Warum? Weil er ein begnadeter Narziss ist, hemmungslos verliebt in sein Image als Liebling der Medien und seit Neustem als strahlendes Leuchtgestirn der Kunstwelt. Wer Francos Facebook- und Instagram-Seite abonniert, wird unaufhörlich von einer Flut vermeintlich intimer Selbstportraits überschwemmt, mal verkatert, mal als Transe, mal komplett nackt und er liefert die Interpretation dazu gleich mit. An Weihnachten 2013 erklärte er als Gastautor in der „New York Times“, was das Selfie-Phänomen für soziokulturelle Ursprünge hat. Das entsprechende Vokabular dazu hatte er wohl an der Eliteuniversität Yale aufgeschnappt, wo er als Doktorand eingeschrieben ist.
In diesem Frühjahr gab die legendäre PaceGalerie in New York dem Kalifornier eine eigene Show, in der Franco – Überraschung – 65 Selbstporträts zeigte. Franco trägt Perücke, Make-up und Hausfrauenfummel. Das ist nicht originell und noch weniger provokativ, höchstens ein bisschen anmaßend, weil sich Franco explizit auf die Fotografin Cindy Sherman bezieht, die Meisterin des modernen Selbstporträts. Warum ist er aber dennoch so erfolgreich damit? Francos anscheinend müheloser Aufstieg in die oberen Sphären der Kunstwelt begann im Juni 2010 mit einer Show in der New Yorker Clocktower Gallery. In der Ausstellung „The Dangerous Book Four Boys“ ging es um seine Kindheit, irgendwie um Nostalgie, die amerikanische Landschaft und die zerstörerische Kraft von Kinderspielen, das alles geformt in einem medialen Rambazamba aus experimentellen Filmen, Fotografien und Zeichnungen. Die ersten Reaktionen reichten von Aha bis Wow, irgendwie erfrischend, ein ironisches Augenzwinkern. Doch Franco meinte es ernster, als viele dachten. Nachdem er die Kunstszene Manhattans in die Tasche gesteckt hatte, ging er nach Berlin.
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Möglich machte das der Exil-New-Yorker Javier Peres, der Franco einen seiner Berliner Galerieräume überließ. Als dieser persönlich zur Eröffnung seiner Show „GAY TOWN“ auf der Karl-MarxAllee aufkreuzte, ging ein mediales Gewitter los. Alle empörten sich, waren aber gleichzeitig scharf darauf, ein bisschen Franco-Glamour zu erhaschen. Wieder zeigte er einen wilden Multimedia-Mix aus Video, Malerei und Fotografie. Anders als der Titel behauptete, ging es in „GAY TOWN“ nicht um Camp- oder Queerästhetik, auch nicht darum, sich als schwul zu outen. Was Franco im Bett treibt, ist langweilig, spannend ist, dass er suggeriert, alles gleichzeitig zu sein, damit Spekulationen anheizt, die er im nächsten Atemzug ironisiert – zum Beispiel zusammen mit Kollege Seth Rogen in der Persiflage eines übersexualisierten Videos von Kanye West. In „GAY TOWN“ ging es genau um dieses Spiel mit seinem Image: Franco als rebellischer Celebrity, als glamouröser Künstler, als Sexsymbol für Frauen und Männer gleichermaßen. Dabei zeigt sich sein dreistes Talent, Kontexte zu erzwingen, indem er ordentlich Namedropping seiner berühmten Freunde und Kollegen betreibt: Franco und Sean Penn in „Milk“, Franco singt Selena Gomez auf Youtube, Franco, der von Spider-Man in den Arsch gefickt wird. Was folgte, war die obligatorische Frage nach der „Kunst”, was Schlitzohr Franco natürlich mit keinem Wort kommentiert. Seine Freundin und – behaupten wir einfach – mal Kollegin Marina Abramovic brachte es 2013 auf den Punkt, indem sie rhetorisch fragte: „Wer ist James Franco?” und „Warum macht er, was er macht?” Genauso war es auch bei seiner Show in der Pace Galerie im Frühling 2014. Nachdem Franco die willkürliche Verbindung zu Cindy Sherman herstellte, antworte diese sofort und sagte: „Ich fühle mich geschmeichelt. Ich weiß nicht, ob ich sagen kann, dass es Kunst ist, aber ich denke, es ist seltsamer, dass Pace seine Arbeiten zeigt, als dass er sie macht.” Das ist doch genial. Franco schweigt sich aus und lässt andere berühmte Künstler über seine Arbeit nachdenken. Durch Äußerungen wie der von Sherman ist Franco immunisiert gegen jede inhalt-
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liche Kritik. Den Kunstgehalt seiner Arbeit schafft ganz einfach der Kontext: die Galerien, die seine Arbeiten ausstellen, Kommentare von bereits etablierten Künstlern oder einflussreiche Freunde aus der Kunstwelt wie Klaus Biesenbach und HansUlrich Obrist, die ihm auf seiner Facebookseite Happy-Birthday-Videos posten. Schließlich noch die Presse, die versucht, Franco zu durchschauen. Von ganz alleine erwächst da eine Aura, ein Mythos um Franco, dem viele bereit sind, einen künstlerischen Wert abzugewinnen. Nicht unähnlich zu Andy Warhol verkauft Franco konsequent eine glänzende Oberfläche und viel heiße Luft. Während Warhol seine Arbeiten noch selbst kommentierte, schafft Franco ein äußerst widersprüchliches Image und lässt dieses für sich selbst arbeiten. Ist das jetzt Kunst? Pop? Trash? Vielleicht ist das gar nicht die Frage. Die Show von Pace zeigt vielmehr, was zurzeit die amerikanische Kunstwelt antreibt. Sie ist Ausdruck eines Zeitgeists, in dem Geld, Celebrities, Kommerz und Pop eine neue, machtvolle Synthese eingegangen sind. Wenn Pace eine Show mit Ikonen des Pop wie James Franco oder kürzlich Jay-Z macht, ist das eine marktorientierte Entscheidung. Im nicht enden wollenden Retrospektivenwahnsinn, den die amerikanischen Museen seit fast einer Dekade betreiben, ist ein Franco oder Jay-Z etwas, das überrascht, einen Effekt erzeugt und damit Öffentlichkeit. Längst hat der Pop unaufhaltsam Einzug in die elitären Kreise der Hochkultur gehalten. Möglicherweise wird er diese bald völlig infiziert haben. Warum also gibt es bislang keine guten Ansätze dafür, wie man mit diesen Hybriden aus Pop, Kommerz, Internet und Kunst produktiv umgeht? Man braucht kein Orakel, um zu sehen, dass die Zukunft voll dieser Mischformen sein wird. Insofern ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Klaus Biesenbach als Chefkurator am Museum of Modern Art eine James-Franco-BlockbusterShow initiiert. Ob es ein Skandal wird? Ja. Das endgültige Ende der Kunst? Nein. Text: Robert Grunenberg Bilder: © 2014 James Franco, courtesy Pace Gallery
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Fotos: Stefan Armbruster Text: Robert Grunenberg
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60 Jahre lang hatte Ron Gallela jeden großen Star vor der Linse. Dafür brach man ihm den Kiefer und steckte ihn in den Knast. Es hat sich gelohnt.
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it dem Auto geht es über den Hudson River, dann durch ein paar Kleinstädte, bis die Skyline Manhattans ganz im Rückspiegel verschwindet. Es wird grüner, die Abstände zwischen den Anwesen werden größer. Der Fahrer erzählt, die Gegend gehöre laut des „Money Magazin“ zu den „15 best places to live in the US“. 40 Minuten westlich von New York City fahren wir in Montville, New Jersey, durch die prächtige Nelson Lane. Hier reihen sich die Villen wie an einer Perlenkette auf. Am äußeren Bogen einer Kurve liegt das Grundstück von Ron Galella. Große Auffahrt, scharfkantige Hecken, ein Springbrunnen vor dem mehrstöckigen Haus. Den Eingang bildet ein Säulenportal mit trashigen Faux-Antiken-Skulpturen, darüber weht die Stars-and-Stripes-Flagge. Amerikanisches Selbstbewusstsein und Italienromantik. Wir klingeln. Es öffnet ein Mitarbeiter. Dann sind wir drin im Paparazzo-Palast. In einem acht Meter hohen Galerieraum wird man bombardiert mit den Ikonen der amerikanischen Celebrity-Kultur. Vom Boden bis zur Decke hängen hier Galellas Prints mit Gesichtern von Robert Redford, Jackie Kennedy oder David Bowie. Eine Dauerausstellung seines Lebenswerks. Genau hier empfängt uns Galella. Er geht am Stock, trägt Schwarz und alte Birkenstocks. Er reicht uns riesige feiste Hände zur Begrüßung. Anfangs ist es schwer zu glauben, dass der inzwischen 85-Jährige immer noch auf Bilderjagd geht. Doch Galella ist agil, hat ein Glitzern in den Augen. Ohne Zeit zu verlieren führt er uns durchs Haus, in dem er seit über zehn Jahren wohnt. Er ist gebürtiger New Yorker, wuchs in der Bronx auf, ging nach der Highschool zur Luftwaffe. Mit Anfang 20 zog er nach Los Angeles und ließ sich zum Fotojournalisten ausbilden. Mit kräftiger Entertainerstimme erzählt er, dass seine Mutter vom Glamour Hollywoods begeistert gewesen sei. Das habe ihn inspiriert, Stars zu fotografieren. Galella verstand schnell, dass es in der Bevölkerung einen tiefen Wunsch nach Glamour gibt und dass sich damit ein Geschäft machen lässt. So begann er Mitte der 50er-Jahre, seine Bilder an die Yellowpress zu verkaufen. „Eine Starkultur wie heute gab es nicht“, sagt er. Heute
kann man auch ohne Talent berühmt werden, bestes Beispiel sind Reality Shows wie „The Real Housewives“. Als Galella anfing, waren Stars ein knappes Gut. Doch mit dem wachsenden Erfolg der Hollywood-Studios, der Ausbildung internationaler Filmstars wie Marlon Brando, Steve McQueen oder Robert Redford entwickelte sich symbiotisch das Paparazzo-Phänomen. Ron Galella zählt zu den Mitbegründern der Sensationspresse und ist heute wahrscheinlich der bekannteste Paparazzo der Welt. Belustigt erzählt er, dass er heute manchmal selbst von Fotografen gejagt werden würde. Dass dies ein langer Weg war, wird klar, wenn man sich die knapp 1000 Bilder in seinem Haus ansieht. Hier wird eine Zeitspanne von über 50 Jahren Starkultur und Boulevardfotografie dokumentiert. Im Keller des Hauses
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hat Galella ein Archiv eingerichtet, in dem über drei Millionen Negative verstaut liegen und von vier Mitarbeitern verwaltet werden. Stars von A - Z lagern in Kisten bis unter die Kellerdecke. Galella sagt, dass es zehn Jahre dauerte, diese Menge Material zu scannen, fünf Tage die Woche, um sie in einem digitalen Archiv zu ordnen. Es gibt eine riesige Nachfrage. Immer wenn ein Star stirbt, wird ein Buch veröffentlicht und dafür wollen die Herausgeber Bilder. Neben dem Verkauf seiner Prints ist das ein gutes Geschäft. So etwas sagt Galella ganz offen, obgleich er natürlich weiß, dass viele Leute argwöhnisch und verächtlich über ihn und seine Arbeit berichten. Schließlich liegt die Hauptaufgabe eines Paparazzo darin, kreative Wege zu finden, in die Privatsphäre anderer einzudringen: „Ich wurde schon als Parasit beschimpft, als Best of the Pest. Das
macht mir nichts aus, ich habe eine dicke Haut und ich empfinde keine Schuld, Stars zu fotografieren.“ Er hat eine Leidenschaft für seinen Beruf, das hat ihn erfolgreich gemacht. Mit kindlicher Hartnäckigkeit, unerschöpflicher Ausdauer und Jagdinstinkt ist er den Stars auf die Pelle gerückt. Durch Hotelküchen verschaffte er sich Zugang zu VIP-Events, lag mit falschen Bärten und Perücken im Parkgebüsch auf der Lauer. Auf der Jagd nach Stars fuhr er über jede rote Ampel und nahm stets die Bus-&-Taxi-Spur, die er in „Paparazzi-Lane“ umtaufte. Er scheute kein Risiko und seine Tricks waren gnadenlos: Er fädelte Dates mit den Kindermädchen von Stars ein, verbündete sich mit Rezeptionisten und Türstehern, um an brandheiße Informationen zu kommen. Galella ist der Prototyp eines Paparazzos, eine Karikatur seiner selbst. Wo die Celebrities waren, kam er als Erster und ging als Letzter. Es gibt wohl niemanden, der so erbarmungslos für seinen Job beleidigt und beschimpft wurde. Allein aus den Aufnahmen, auf denen ihm Prominente den gestreckten Mittelfinger entgegenhalten, könnte er eine eigene Ausstellung machen. Zwar brauchen Stars eine gewisse Boulevardpresse, den medialen Gossip, der die Popularität, den Marktwert steigert. Doch jeder Celebrity hat eine andere Toleranzgrenze und der Grad zwischen persönlicher Berichterstattung und Stalking ist schmal. Es ist eine delikate Angelegenheit: wo endet die Pressefreiheit, wo beginnt die Privatsphäre? Das ist oftmals eine Frage der Moral. Galella aber ist ein Draufgänger mit geringem Schamempfinden, bereit, seine Grenzen auszutesten und manchmal auch zu weit zu gehen. Zu seinen größten Abenteuern zählt, als er sich im Februar 1982 in einem mit Ratten verseuchten Dachgeschoss einer Güterhalle einquartierte. Die Halle stand direkt am Hafenbecken der Themse in London. Für drei Tage nur mit Konservendosen ausgestattet verharrte er hinter einem Vorhang im dritten Stock, um Richard Burton und Elizabeth Taylor auf ihrer Party-Jacht „Kalizma“ zu fotografieren, die hier vor Anker gegangen war. Für die Bilder bekam er damals ein paar Hundert Dollar, heute sind solche Aufnahmen Hunderttausende wert. Legendär ist Galellas Versuch, 1968 Jackie und
John Kennedy, Jr. im Central Park beim Fahrradfahren abzulichten. Es endete damit, dass Jackie den Geheimdienst rief, um seine Kamera zerschlagen zu lassen. Galella wurde damals verhaftet, was zu einem wochenlangen Gerichtsstreit führte, den Jackie natürlich gewann. Ron Galella rückte damit jedoch ins Licht der Öffentlichkeit. Der Beginn einer jahrelangen Hass-Liebe. Keinen Star hat Galella so obsessiv verfolgt wie die verwitwete First Lady. Von ihr schoss er sein Lieblings-Bild „Wind blown Jackie“. Ein Abzug des Bildes hängt prominent über dem Kamin im großen Empfangszimmer. Als wir davor stehen, sagt er pathetisch, „Ich nenne es das Mona-LisaLächeln“. Das Bild entstand 1971: „Ich sah Jackie am Central Park, griff mir ein Taxi und fuhr um den Block, um sie abzufangen. Wir holten sie ein und ich sagte zum Fahrer, hup! Er hupte, sie drehte den Kopf, lächelte, ich schoss das Bild. Hätte Jackie gewusst, dass ich sie fotografiere, dann hätte sie niemals gelächelt.“ Das ist der magische Moment, den Galella sucht. Er will die Stars fotografieren, wenn sie nicht damit rechnen, denn dann sind sie noch sie selbst. Das ist der Augenblick, wo sie noch nicht die Pressemaske aufsetzen. Wahrscheinlich sehen die meisten Stars gerade darin eine Verletzung und Beleidigung ihrer Privatsphäre. Was Jackie Kennedy mit Gerichtsklagen erfolglos zu unterbinden suchte, strafte Marlon Brando mit einem Faustschlag ins Gesicht ab. Dabei verlor Galella eine Handvoll Zähne. Das schüchterte ihn nicht ein. Immer, wenn Brando in New York war, näherte er sich ihm mit einem Football-Helm. Diese provokative und humorvolle Geste beschreibt den Spirit, mit dem der Paparazzo arbeitet. Auch seine Ehefrau Betty Burke gewöhnte sich an seine clownhafte Art. Als wir den Altmeister in seinem Haus fotografieren, liefert er den perfekten Entertainer: hält sich eine Linse vor die Augen, springt wie aus einem Hinterhalt um die Zimmerwand und schreit dabei laut „Action, Action“. Im gleichen Moment brüllt seine Frau Betty spaßig aus der Küche, „Oh, halt die Klappe, Ron und hör auf den Paparazzo zu spielen“. Die Intimität einer langen Partnerschaft. Betty Burke und Ron Galella lernten sich 1979 kennen. Sie arbeitete bei einer Sonntagszeitung und kaufte die Bilder von Ron übers Telefon.
Durch Zufall trafen sich beide bei einem Event, fünf Minuten später machte Ron Betty einen Antrag und nicht viel später waren sie verheiratet. Das fiel in die Zeit, in der die Paparazzi-Fotografie ihren ersten Höhepunkt erlebte. Mit der Eröffnung des „Studio 54“ in Soho 1977 begann die Disco-Ära, was zu einer Explosion in der Boulevardpresse führte. Wenn Mick Jagger oder Grace Jones betrunken oder halb nackt aus dem Club stürzten, dann war Ron Galella da, um sie abzulichten. Damit war die Büchse der Pandora geöffnet. Jedes schräge Partybild einer auf die schiefe Bahn geratenen Paris Hilton oder Lindsay Lohan haben hier ihren Ursprung. Ob Graus oder Spaß – die Paparazzi-Fotografie radikalisierte sich; immer privater und immer entlarvender wurden die Bilder. Skandalöse Aufnahmen von abgewrackten Stars beim Koksen, Bikinibilder mit Speckbauch
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und Cellulitis oder die berühmten „mit und ohne Make-up“-Vergleiche. Ron Galella findet, dass heute vieles außer Kontrolle geraten ist. „Das Gleichgewicht stimmt nicht mehr, bei dem die Stars genauso wie die Presse von der Hass-Liebe des Paparazzitums profitierten.“ Sowohl die Qualität der Stars wie die der Paparazzi befindet sich im Niedergang. Heute hat jeder ein Smartphone und ist potenzieller Fotograf. Zudem gibt es überall Überwachungskameras, die Stars genauso einfangen können. Mit einer ausladenden Geste sagt er, es habe alle Szenarien aus George Orwells „1984“ überschritten. Zum Ende der Führung zeigt Galella uns sein Andy-Warhol-Zimmer, eine kleine Bibliothek mit über 50 Warhol-Shots an den Wänden. Wir sprechen über Warhols Zitat von 1968 „In Zukunft wird jeder 15 Minuten berühmt sein“. „Ja,
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ja, auch das sei längst eingelöst“, sagt er nickend. „Heute kann jeder berühmt sein, ohne viel dafür zu tun. Es gibt heute Leute, die sind ausschließlich berühmt dafür, dass sie berühmt sind, zum Beispiel die Kinder von Stars.“ Eine amerikanische Fernsehjournalistin fragte Galella in den 1980ern, ob er selbst gerne berühmt wäre. Darauf antwortet er, als ob die Frage lautete, genießen Sie es, berühmt zu sein: „Ja, tue ich. Ich bin Ron Galella, Paparazzo Superstar“. Beim Verlassen seines Hauses bestätigt sich diese nicht ganz unironische und latent größenwahnsinnige Selbstdarstellung. Was wir bei der Ankunft übersehen hatten, springt uns plötzlich wie ein Blitzlicht ins Auge: auf dem Vorplatz ließ sich der Pionier der Paparazzo-Kultur selbst einen Hollywood-Stern setzen.
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ERLÖSER, ÜBERMENSCH, ALIEN Superman mag der langweiligste, weil immer moralisch handelnde und ungebrochene Held sein. Umso überraschender und subversiver ist die Geschichte des Comics und seiner Schöpfer, in der sich Utopie und Abgrund des American Dreams verbinden. Cleveland, Ohio. Der erste Donnerstag im Juni 1932. Mitchell Siegel, ein jüdischer Immigrant aus Litauen, will seinen SecondhandKleiderladen abschließen. Es ist kurz nach acht Uhr abends, als ein Einbrecher den Laden betritt und Siegel erschießt. Der damals 15 Jahre alte Jerry hat später nie über den Tod seines Vaters Mitchell gesprochen. Er schrieb Geschichten, klebte die Seiten zusammen und versuchte seine „Cosmic Stories“ an der Schule zu verkaufen. Er hatte damit das Fanzine erfunden. Sein bester Freund hieß Joe Shuster, Sohn jüdischer Einwanderer aus Russland. Klein, kurzsichtig, ängstlich, still, schlecht in der Schule und dazu noch bitterarm. Im Winter trug er drei Pullover, war die Miete fällig, wurde bei den Shusters gehungert. Joe zeichnete ununterbrochen. Das Papier kam aus dem Abfalleimer, noch blutig vom Fleisch, das darin eingewickelt worden war. In ihrer ersten, selbst verlegten Kurzgeschichte „The Reign of the Superman“, Jerry und Joe hatten sich den Namen von Nietzsches Übermenschen ausgeliehen, ist Superman noch ein böser Glatzkopf mit telepathischen und telekinetischen Kräften, der beinahe die ganze Welt erobert und zerstört. Die beiden hatten einen Traum, sie wollten auf die Funny Pages. In jeder amerikanischen Zeitung waren Comics abgebildet, kleine Fortsetzungsgeschichten in genau vier gleich großen Bildern, die als Lizenz in Comic-Heften nachgedruckt wurden. Unermüdlich schickten sie ihre Geschichten ein, jahrelang hagelte es Absagen. Bis eines Tages in New York Harry Do208
nenfeld und Jack Liebowitz, Söhne jiddisch sprechender Schneider aus Osteuropa, die Nacktmagazine wie „Spicy Stories“, „French Art and Models“ und „Gay Parisienne“ herausgaben, auf die Idee kamen, Originalcomics zeichnen zu lassen und so die Lizenzgebühren an die Zeitungsverleger zu sparen. Und hatten nicht zwei Jungs aus Cleveland, Ohio etwas Vielversprechendes eingeschickt? Auf dem Cover von „Action Comic Number One“ vom April 1938 stemmt ein muskulöser Mann mit rotem Cape, blauen Ganzkörperstrumpfhosen und einem S auf der Brust scheinbar mühelos ein Auto in die Luft und droht es zu zerschmettern. Die erste 200.000er-Auflage war schnell verkauft. Innerhalb weniger Monate wurde eine Millionenauflage vertrieben. Eine gut erhaltene Erst-
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ausgabe ist heute über drei Millionen Dollar wert. In den ersten Heften konnte Superman nur sehr weit springen, dann lernte er fliegen schnell wie das Licht, bekam einen Röntgenund Hitzeblick, einen Eisatem und ein Supergehör. Mit dem Erfolg von Superman kamen sie alle: Captain Future, Batman, Wonder Woman, Green Lantern. Donenfeld und Liebowitz strengten Plagiatsprozesse an, doch irgendwie, lange Geschichte, verloren sie das alleinige Copyright auf Helden mit Superkräften. Jerry Siegel und Joe Shuster verkauften Superman schließlich für 130 Dollar an Donenfelds Action Comics, eine Reihe im Verlag New Comics, der wenig später Detektiv Comics und dann DC heißen sollte. Verdienten aber weiter gut, sehr gut. 50.000 bis 75.000 Dollar im Jahr, heute wären das über eine halbe Million Euro. Ihre Verleger, Harry Donenfeld und Jack Liebowitz, jedoch mehr. Sehr viel mehr. 1941 über zweieinhalb Millionen Dollar. Jerry und Joe waren reich und berühmt, aber auch wütend. Denn vom Erlös an Superman, der Radio-Serie, den Bildern auf Milchtüten und Spielzeugpistolen und dem Nachdruck in 200 Sonntagszeitungen bekamen sie keinen Cent. Auch nicht, als sie sich darum bemühten. Ihr Verleger, der Buchhalter Jack Liebowitz, ein ehemaliger Funktionär der sozialistischen Damenbekleidungsgewerkschaft, pochte auf den Vertrag und sagte: Geht zurück zu euren Schreibtischen und arbeitet. Jerry und Joe, aufgestachelt von einem windigen Anwalt, klagten. Sie versuchten
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„Bei Superman geht das Böse an sich selbst zugrunde, Tugend wird belohnt, Laster bestraft, Triebverzicht ist nötig“
Bob Kane, den Erfinder von Batman, zu gewinnen, ebenfalls zu klagen. Bob aber rannte sofort zu Harry Donenfeld, drohte ihm ebenfalls einen Copyright-Prozess an, er wäre nämlich bei Vertragsabschluss noch minderjährig gewesen, eine Geburtsurkunde gäbe es nicht, aber seine Eltern wären bereit das zu beschwören. Bob Kane bekam seinen neuen Vertrag. Jerry und Joe verloren. Den Prozess. Ihren hochdotierten Job bei DC. Ihren Namen unter den Superman-Comics. Jerry wurde von einem anderen ComicVerlag angestellt, in der Hoffnung, dem Superman-Erfinder würde eine neue ebenso übermächtige Figur einfallen. Doch in seinem Jungenhirn war wohl nur für einen großen Traum Platz. Er wurde gefeuert und schlug sich als Werbetexter einigermaßen durch. Sein alter Kumpel Joe hingegen lebte auf Parkbänken, verwahrloste und arbeitete als Laufbursche. Eines Tages lieferte er eine Druckvorlage bei seinem alten Arbeitgeber DC ab. Harry Donenfeld gab ihm 20 Dollar, unter der Bedingung, nie wieder im Verlag zu erscheinen. Eines Tages kam ein geheimnisvoller Fremder auf den allmählich erblindenden Joe Shuster zu: Clancy. Kein Vorname. Bis heute weiß man nicht, wer dieser Clancy war. Der geheimnisvolle Fremde heuerte Joe anonym für ein SM-Magazin an: „Nights of Horror“. Die 50er-Jahre waren keine gute Zeit für Joe, für Superman und für das Comicgenre. Der Gerichtspsychiater Fredric Wertham hatte einen verhängnisvollen Bestseller geschrieben: „Die Verführung der Unschuldigen“. Darin wies er nach, dass Jugendliche durch Radiosendungen und Comics zur Gewalt verführt werden können. Wie im Fall Jack Koslow. Er und drei andere Teenager waren nachts durch den Brooklyn-Park gezogen, hatten junge Frauen bis zur Bewusstlosigkeit ausgepeitscht und Obdachlose angezündet. Wertham besuchte den Anführer der Jugendgang, Jack Koslow, in seiner Gefängniszelle. Jack war bekennender Hitler-Fan, trug ein Hitlerbärtchen und war Jude. Wie seine drei Mittäter. Frederic Wertham hatte Comics
mitgebracht, unter anderem „Nights of Horror“. Ob er denn solche Comics lese, fragte Wertham den Jungen. Die Antwort war Ja. Sie hätten sogar eine Szene aus „Nights of Horror“ nachgespielt, bei der das Opfer zwischen den Schlägen die Füße des Täters habe küssen müssen. Ein eindeutiger Beleg für Werthams These! Wenn man denn außer Acht lässt, dass der hochintelligente Jack Koslov auch Nietzsche, Thomas Mann und Spinoza gern und ausführlich gelesen hatte. Wertham ahnte dabei nicht, dass „Nights of Horror“ vom Superman-Erfinder Joe Shuster stammte, der Psychiater und Adorno-Freund hielt Superhelden für faschistische Figuren, dabei waren ihre Schöpfer alle Kinder jüdischer Einwanderer. Wertham, in Nürnberg als Friedrich Wertheimer geboren, erkannte als Erster eine mögliche homoerotische Beziehung zwischen Batman und Robin – allerdings fand er das gar nicht gut.
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Bis vor wenigen Jahren war „Nights of Horror“ vergessen, bis ein paar Comicfreaks erkannten: Diese Zeichnungen, das ist der klare Stil Joe Shusters, die Figuren ähneln doch Clark Kent und Lois Lane! Doch damals setzte der US-Senat eine Untersuchung an, mit Wertham als Zeugen der Anklage. Die Comic-Verlage wurden gezwungen, sich entlang eines Comic-Codes selbst zu zensieren. Untersagt wurde, Gesetzeshüter und Regierungsbeamte als böse oder korrupt zu zeigen, auch Werwölfe, Vampire und Zombies wurden verboten. Es kam zu Buchverbrennungen. Blue Beetle, Green Mask, Silver Scorpion und all die anderen Superhelden von DC und Marvel gingen stapelweise in Flammen auf. ComicVerkäufe halbierten sich. Mit dem Comic-Code Mitte der 50er verschwanden die meisten Superhelden, sterben konnten sie ja nicht. Nur drei aus dem Goldenen Zeitalter überlebten: Superman, Batman, Wonder Woman. Die 60er-Jahre erlebten neue Superhelden. Sie ignorierten den bescheuerten Comic-Code. Das silberne Zeitalter der Comics begann: Spider-Man, die Fantastischen Vier, Hulk, Jerry Siegel klagte weiter gegen Warner Brothers, sie hatten DC aufgekauft, und versandte tausend Briefe an jede Zeitung. Nur ein kiffender 21-jähriger kalifornisch-philippinischer Hippie, Herausgeber eines sehr kleinen Underground-Comics, antwortete. Nach seinem Interview in „Cobblestone“ griff die erste Zeitung die alte Geschichte von Jerry und Joe auf, dann kam das Fernsehen. Es wurde ungemütlich für Warner. Das Recht hatten sie auf ihrer Seite, aber die Gunst der Leute, die in ihren neuen Superman-Film gehen sollten, die lagen bei zwei alten, armen Männern, die vor Äonen den Göttervater des amerikanischen Olymps geschaffen hatten. Ein anderer Jerry, er hatte Batmans jungen Freund Robin erfunden, dieser Jerry Robinson war Präsident der National Cartoonist Society und nahm sich in Superhelden-Ma211
nier der Armen und Schwachen an, in diesem Fall Siegel und Shuster. Er rief die Starautoren Norman Mailer und Kurt Vonnegut an. Das gute Amerika erwachte. Der Widerstand gegen Warner gewann an Momentum. Wenige Tage vor dem Filmstart von Superman ruft Robinson Jack Liebowitz an, der saß inzwischen im Aufsichtsrat von Warner, der ehemalige Buchhalter hatte seinen Anteil bei DC gegen einen Anteil bei Warner eingetauscht. Jack Liebowitz bot Jerry und Joe 10.000 Dollar Jahresrente an. Dann 15.000. Dann 20.000.
Kollektive Mythen In unserem kollektiven Gedächtnis ist nur Platz für eine sehr beschränkte Anzahl von Archetypen, überlebensgroße Figuren, die für jede Generation neu geboren werden, wie die morgendlich dem Meerschaum entsteigende Venus, und zum Weltkulturerbe unseres Geschichtenerzählens wurden: Moses, Parsifal, der Graf von Monte Christo, Frankensteins Monster. Der vielleicht letzte und jüngste Archetyp ist Superman
Aber nicht die Rechte. Nicht die Namensnennung. Das war sein letztes Angebot. Morgen würde es nicht mehr gelten. Joe und Jerry konnten nicht mehr. Sie waren krank. Doch Jerry Robinson gab nicht auf. Um Mitternacht rief er Jack Liebowitz an: Gib ihnen den Credit und Warner ist der good guy. Und Liebowitz gab nach: Okay, sie kriegen ihren Credit. In den Comics und den Filmen. Aber nicht auf Spielzeug und Merchandising. Und seitdem steht unter dem Mann aus Stahl wieder Shuster und Siegel. 1992 stirbt Joe Shuster, Jerry Siegel 1996. Liebowitz 2000, er wurde 100 Jahre alt.
Der Cowboy war ein Mythos des Landes. Superman hingegen kam aus der Kleinstadt in die Großstadt. Seine Wurzeln lagen weit, weit entfernt auf dem Planeten Krypton. Der Alien Superman war ein Immigrant wie die Väter aller SuperheldenErfinder: Jiddisch sprechende Neuankömmlinge, die mit ihrer doppelten Identität rangen, ihrer alten Kultur, die sich nicht verlieren wollten – die aber auch im Neuen ankommen wollten, Amerikaner sein, wie Clark Kent. All das verkörpert Superman.
Text: Lorenz Schröter Bilder: © DC Comics 212
Gottes Sohn Seit Anbeginn des Geschichtenerzählens gibt es Helden mit übernatürlichen Kräften, Gilgamesch, Herkules, Graf Dracula. Aber Superman war der erste Superheld. Ausgestattet mit übermenschlichen HOMMES
Kräften bekämpft er das Verbrechen und, das war neu, Superman besitzt eine geheime Identität. Alle anderen Superhelden, Batman, Spider-Man und andere verbergen ihre wahre, normale Identität, wenn sie ihre Abenteuer bestehen, nur Superman tarnt sich als Clark Kent, um als unsichtbarer Mann in der Masse aufzugehen. Das weiß man spätestens seit „Kill Bill 2“. Superman ist für das Gute und gegen das Böse. Tiefer geht seine Persönlichkeit nicht. Er hat keine Traumata wie SpiderMan oder Wolverine. Das macht ihn zu einer idealen Projektionsfläche, weniger zu einer Identifikationsfigur, mit der man mitleiden kann. Superman altert nicht. Er kann nicht sterben. Sein Liebesleben ist ein statisches Nicht-Können. Er macht keine Entwicklung durch, er lernt nichts hinzu, kommt nie in Versuchung und handelt stets moralisch. Wie übrigens auch Engel. Bei Superman geht das Böse an sich selbst zugrunde, Tugend wird belohnt, Laster bestraft, Triebverzicht ist nötig: eine klassische Theodizee also. Superman wurde von seinem überirdischen Vater auf die Erde geschickt. Supermans Geburtsname auf Krypton war Kal-el. Die zweite Silbe, El bedeutet im Hebräischen „von Gott“. Wie in den Namen der Erzengel: Ari-el, Rapha- el, Gabri-el und Micha-el. Im Hebräischen kann Ka-el „Stimme Gottes“ heißen oder, mit anders ausgesprochenem K: Alles, was Gott ist. Aufgezogen wurde er von den Kents, ursprünglich hieß die Mutter Mary, die wie die Jungfrau zu einem Kinde kam. Erst später wurde sie in Martha umbenannt. Der Vater hieß zwar nicht Josef, aber immerhin Jonathan. Als junger Mann zog Superman wie einst Jesus (auch er besitzt eine geheime Identität) von der Kleinstadt Smallville/ Bethlehem in die Hauptstadt Metropolis/ Jerusalem, wo er Wunder bewirkt, oft zum Unwillen der staatlichen Gewalt.
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SUPERKRAFT
ICH MÖCHTE UNSICHTBAR SEIN Oscarpreisträger Matthew McConaughey ist ein gut erzogener Junge, dem seine Mutter Selbstrespekt eingebläut hat. Nach Jahren in albernen Komödien ist er zum gefeierten Charakterdarsteller gewachsen. Im Alltag würde McConaughey aber am liebsten unsichtbar werden.
Wenn ich mir nun eine Superkraft aussuchen müsste, dann würde ich mich gerne unsichtbar machen können, damit niemand weiß, was ich grade tue. Natürlich würde ich keine Bank ausrauben. Ich will meine Superkraft nicht dazu benutzen, an Geld zu kommen. Ich bin als Star einfach niemals privat und es wäre toll, einmal nicht auf der Straße erkannt zu werden. Ich liebe es, die Menschen um mich herum zu beobachten. Aber wenn man so exponiert und bekannt ist wie ich, dann weiß man gar nicht, wie sich Menschen normalerweise verhalten. Wenn ich in einer Bar bin, möchte ich aufrichtig und freundlich bedient werden und kein Theater erleben. Aber Leute spielen mir ständig Rollen vor und sind selten ehrlich mit dem, was sie sagen oder behaupten zu sein. Wenn ich unsichtbar wäre und sie nicht wüssten, dass ich zuhöre, könnte ich sie unverstellt erleben. Natürlich bringt es auch Vorteile mit sich, berühmt zu sein. Ich bekomme leichter Backstage-Pässe für Konzerte und werde überall gut umsorgt. Ich reise ständig um die Welt und fühle mich beinahe nie wie ein Fremder. Das mit der Superkraft hat aber noch einen weiteren Aspekt. In Amerika gehören Superhelden zur Kultur, denn wir sind ein junges Land. Cartoons sind Teil des Alltags. Wir haben keine Mythologie, wie in Europa oder Asien, sondern finden unsere Rituale im Umgang mit den Medien. Als ich ein Junge war, mochte ich den Hulk am liebsten, denn er macht nie jemanden wirklich fertig. Beim ers214
ten Mal, wenn sich jemand mit ihm anlegt, sagt er: „Nein danke, ich will nicht kämpfen.“ Beim zweiten Mal: „Nein wirklich, ich will nicht kämpfen.“ Und beim dritten Mal wird er erst riesig und grün und sagt: „Und, was jetzt?“ In Hollywood braucht man natürlich keine besonderen Superkräfte, aber im Gegensatz zu meiner Heimat Texas muss man sich schon anstrengen, um man selbst zu bleiben. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich das bisher geschafft habe, und arbeite täglich daran, dass es so bleibt. Meine Freunde würden dem zustimmen. Der wichtigste Charakterzug, den ich beibehalten habe, ist aber Selbstrespekt. Meine Mutter sagte immer: „Je mehr du dich selbst respektierst, desto mehr kannst du andere respektieren.“ Und je mehr man sich selbst respektiert, desto weniger braucht man von außen, um glücklich zu sein. Protokoll: Maja Hoock Illustration: Der Stör Wenn er nicht grade dreht, pendelt Matthew McConaughey zwischen Malibu und seiner Heimat Texas hin und her. Zuletzt spielte er in den Filmen „Magic Mike“, „The Wolf of Wall Street“ und „Dallas Buyers Club“, wofür er den Oscar als bester männlicher Hauptdarsteller gewann.
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„ES GING UNS IMMER UM DEN GENUSS“ 218
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Ihr gemeinsames Restaurant „Grill Royal“ ist ein Fixstern der Berliner Republik. Doch Stephan Landwehr und Boris Radczun sind nicht nur Geschäftspartner, sondern auch dicke Freunde. Ein Gespräch über Leidenschaft, Geschmack und Carlos Santana. Fotos: Mirjam Wählen HOMMES
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Herr Radczun, Herr Landwehr, es soll in diesem Gespräch um Freundschaft gehen. Wie haben Sie sich kennengelernt und was hat Sie aneinander interessiert? Stephan Landwehr: Wir haben uns durch unseren gemeinsamen Freund Thilo Wermke kennengelernt. Dann haben wir uns das erste Mal selbstständig an einem Samstagnachmittag getroffen, das ist jetzt siebzehn Jahre her. Und ehrlich gesagt haben wir da nur über Essen geredet und Tee getrunken. Das weiß ich noch genau.
etwa für Jonathan Meese oder Peter Doig. Für Maurizio Cattelan haben wir ein schönes Schnitzel-Essen gemacht. S.L.: Boris ist der beste Hobbykoch der Welt, ich durfte eigentlich immer nur sauber machen. Grenzen Sie sich mit Ihrem Faible für hochwertiges Essen bewusst anderen gegenüber ab? B.R.: Darum ging es nie, immer nur um den Genuss. Wir haben aber geglaubt, dass wir eine Minderheit sind und auch bleiben werden. Ich bin total erstaunt darüber, wie schnell sich die Menschen in Berlin und vor allem in Bezirken wie Mitte oder Kreuzberg verändert haben. Vor ein paar Jahren gab es noch zwei Olivenöle im Supermarkt, heute sind es siebzehn, dazu zwanzig Sorten Senf und Essig. Geschmack ist etwas, das sich herausbildet mit der Zeit ... BR: ... das ist die Frage! SL: Geschmack hat man oder hat man nicht. Aber durch das Zusammenwohnen ist sicher etwas Gemeinsames entstanden. BR: Ein gemeinsames Repertoire an Lösungsmöglichkeiten, etwa für die Gestaltung von Innenräumen. Wie wichtig ist in der Freundschaft ein gemeinsamer Geschmack? B.R.: Das weiß ich gar nicht, aber wir liegen, was Einrichtung und Essen anbelangt, ziemlich nah beieinander. S.L.: In der Freundschaft finde ich einen gemeinsamen Geschmack überhaupt nicht so wichtig. Wohl aber bei der Arbeit. Da würde es wenig Sinn machen, sich ständig über Stilfragen zu streiten. Wenn man zu zweit arbeitet, kommt es da nicht zwangsläufig zu halbgaren Kompromissen? S.L.: Dass etwas mittelmäßig oder weichgespült wird, versuchen wir immer zu verhindern. Es wäre nicht gut für das Geschäft. Also bemühen wir uns unbedingt, entschiedene Lösungen umzusetzen. Entweder eine von
„In der Freundschaft finde ich einen gemeinsamen Geschmack überhaupt nicht so wichtig“ Boris Radczun: Das war das erste Mal, dass ich mich wirklich mit dir unterhalten habe. Später haben wir oft zusammen gekocht. Ging es in Ihren Gesprächen um die Qualität des Essens? B.R.: Auch, aber vor allem über das Gesamterlebnis. Es gibt so komische Sachen, wie die Tatsache, dass die guten Restaurants in der Toskana immer ganz schlechtes Licht haben – grelles Neonlicht! Über so etwas haben wir geredet und darüber, welches Essen zu welchem Ort gehört und wie sich das bedingt. S.L.: Als wir uns kennengelernt haben, gab es in Berlin einfach nichts. Am Anfang, noch vor Boris’ Zeiten, bin ich immer ins „Exil“. Das kennst du nicht mehr, oder? B.R.: Nur die „Exil“-Geschichten. S.L.: Ich habe fünf Jahre lang jeden Abend dort gesessen. Außer montags, da war geschlossen. Als wir uns kennengelernt haben, das war Ende der Neunziger, sind wir viel ins „Borchardt“ gegangen. Boris wurde dann eine Wohnung versprochen, die ewig nicht fertig wurde, und ich sagte: „Du ziehst jetzt bei mir ein.“ So haben wir für ein halbes Jahr zusammen gewohnt und nur noch gekocht. B.R.: Das uferte schnell derart aus, dass nicht sechs oder sieben Leute zum Essen kamen, sondern fünfzehn. Wir haben zu Geburtstagen oder Ausstellungseröffnungen gekocht, 220
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Boris oder eine von mir. Im besten Falle deckt sich das. Geschäft und Freundschaft, geht das überhaupt zusammen? B.R.: Es sollte einem klar sein, dass man Dinge, die man sagt, nicht zurücknehmen kann, und dass Porzellan, das man zerdeppert, kaputt ist. Deswegen muss man versuchen, den anderen so anzunehmen, wie er ist. Wir beide haben unsere Vor- und Nachteile und das ist auch gut so. Was sind die Vorteile des jeweils anderen? S.L.: Körperlich oder geistig? (lacht) B.R.: Als wir den Standort für das zukünftige „Grill Royal“ besichtigt haben, da war das ein zugemauertes, völlig verwahrlostes, schreckliches Ladenlokal, das niemand haben wollte. Anders als Stephan war ich überhaupt nicht davon angetan. Ich hätte nicht den Mut gehabt, so einen Ort zu wählen. Aber ich habe ihm vertraut, mich von ihm begeistern lassen. S.L.: Das Geschäftliche ist bei uns ja aus der Freundschaft entstanden. Wir haben damals zusammen auf der Couch gelegen und überlegt, was man gemeinsam machen könnte. Das Kulinarische lag nahe, weil wir sowieso immer viele Leute verköstigt haben. Boris’ Idee für das „Grill Royal“ war ganz einfach: gegrilltes Fleisch, Fisch und Gemüse im Baukastensystem. Ich hätte andere Sachen auf die Karte genommen und das völlig verwässert. Wir ergänzen uns gut. Die große Kunst für einen Gastronomen ist doch, einen Rahmen zu schaffen, der sehr hochwertig ist, sich aber nicht piefig und eng, sondern leicht und vertraut anfühlt. B.R.: Sicher. Früher war es so, dass die guten Produkte wie Feinkost von Rungis nur von Leuten gekauft wurden, die es ganz ernst meinten und deswegen auch ernst waren. Das war alles völlig spaßfrei. In den 80er-Jahren konnte man in Deutschland in keinem Sterneladen ein Top-Produkt mit guter Laune und Leichtigkeit bekommen. Wir sind den Leuten entgegengekommen, die gutes Fleisch essen wollen, aber keine fünf Gänge mit ausuferndem Wein-Service und Silberhaube brauchen. Fällt es Ihnen eigentlich leicht, Abend für Abend mit Menschen zu tun zu haben? B.R.: Man darf nicht schlecht gelaunt ankommen, das ist klar. S.L.: Wenn ich merke, dass ich einen schlechten Tage habe, dann bleibe ich auch zu Hause. B.R.: Aber meistens freuen wir uns natürlich
auf die Arbeit. Wir haben großes Glück, wir mögen Menschen. S.L.: Ich habe eine große Familie mit fünf Geschwistern und einer riesigen Verwandtschaft. Da war immer was los bei uns und das brauche ich auch. Wie schwer war es in Berlin, Anschluss an die Szene zu bekommen, sich einen Namen zu machen? B.R.: Es wird immer viel von der Berliner Gesellschaft gesprochen, das sind für mich ganz verschiedene Milieus und Biotope von Leuten. Manche kenne ich noch vom Architekturstudium aus der Universität, manche Künstler von der Akademie, andere aus dem Nacht- und DJ-Leben. Das ist in Berlin ganz fragmentiert und ich finde es wunderbar so in dieser Vielfalt. S.L.: Grundsätzlich gilt, man muss bei allem, was man tut, mit großer Leidenschaft dabei sein. In der Freundschaft wie im Geschäft. Sie beiden führen also eine leidenschaftliche Freundschaft? S.L.: Auf alle Fälle. Wie zeigt sich das? S.L.: Indem man sich füreinander einsetzt und gegenseitig den Rücken freihält. B.R.: Ich würde diesen Job niemals alleine machen wollen. Ich brauche Stephan, um mich mit ihm auszutauschen, in guten wie in schlechten Zeiten. Gibt es den einen definierenden Moment in Ihrer Freundschaft, an dem Sie wussten, auf den kann ich mich verlassen? B.R.: Verlassen, das ist so eine deutsche Vorstellung von Freundschaft. Für mich ist das eher so, wenn ich mit dem jetzt was mache, dann werde ich eine gute Zeit haben, da kommt was Gutes bei raus und das macht mich zufrieden und glücklich. Da geht es nicht um den einen Moment, ob er mir jetzt die Tür aufgehalten oder mal ein Bier ausgegeben hat. Das ist doch alles völlig egal. Die deutsche Vorstellung von Freundschaft gleicht also einer Art Kosten-Nutzen-Rechnung? B.R.: Ja, mit Pflichten und all dem. Oh, ich muss anrufen oder eine Karte schicken. Das kommt mir sehr deutsch vor. So ist das bei uns überhaupt nicht. Was schenken Sie sich eigentlich zum Geburtstag? S.L.: Boris hat mir zuletzt einen MahagoniPlattenspieler geschenkt.
B.R.: Wir hören gerne gemeinsam Hippiemusik. So was wie „Abraxas“ von Santana? S.L.: Oh, schön. B.R.: Da ist doch „Samba Pa Ti“ drauf, ist mir insgesamt aber ein bisschen cheesy (lacht). Und Sie Herr Landwehr, was haben Sie Herrn Radczun geschenkt? S.L.: Zuletzt ein schönes Bild. Das lasse ich jetzt mal so stehen. B.R.: Das gefällt mir nämlich gar nicht (lacht).
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S.L.: Boris hat nächsten Monat wieder Geburtstag. Vielleicht läuft es dann besser. Neben dem „Grill Royal“ betreiben Boris Radczun und Stephan Landwehr noch das Sternerestaurant „Pauly Saal“ in der August- und die „King Size Bar“ in der Friedrichstraße in Berlin-Mitte. Interview: Maja Hoock, Ruben Donsbach
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GALLERY WEEKEND PA RT Y Zum Gallery Weekend am 2. Mai feierte L’Officiel Hommes gemeinsam mit Fräulein und Intersection in den Berliner Opernwerkstätten. Neben einem grandiosen Dinner tanzten bei der von Off One‘s Rocker Publishing Ltd. und B&O Play ausgerichteten Party 2.000 Gäste zum Klang der besten Musik bis spät in Nacht. Unser Dank gilt SKYY Vodka und Bentley für ihre großartige Unterstützug und den Jungs von keinemusik sowie Phil und seinem Team von BAM Berlin für die Organisation eines wunderbaren Events. 1
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1. Bentley 2. Jan Joswig 3. Maja Hoock, Robert Grunenberg, Sina Braetz, Revan Baysal, Adrian Fekete 4. Hendrik Lakeberg, Götz Offergeld 5. Ruben Donsbach, Philip Kohl 6. Keine Fotos, bitte! 7. Benny Eichelmann, Jan-Nico Meyer 8. Partylocation OLYMPUS Photography Playground in den Opernwerkstätten Berlin 9. Slater Bradley, Katja Eichinger, Anthony James 10. Vanessa Obrecht, Sven Hausherr, Olga Schlosser, Maria Giesecke
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11. Chi Cao Hanh, Juri Wagner, Sarnai Manschuk 12. Sarah Roth-Profenius, Benjamin Kesselbach 13. SKYY Vodka 14. Matthias Gebauer 15. Hendrik Lakeberg, Ines Wyst , Anna Katharina-Gebbers 16. Hien Le, Phil Gaedicke 17. Anna Klusmeier 18. Claire Brian, Tabassom Charraf 19. Reznik von keinemusik 20. Ulrich Bentele, Friederike Kempter 21. Sammy Voigt, Robert Siuda, Robert Grunenberg, Richard Fähnle, Matthias Thönnessen 22. Revan Baysal, Max Winter 23. Gregor Hildebrandt, Alicja Kwade 24. Marek Polewski 25. Kerstin Geffert 26. Dinner 27. Christian Eberhart, Sheila Single
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28. Andrea Rosso, Lia Fischer, Jens Piper, David Fischer 29. Heiko Richard, Luka Omoto 30. Party 31. Natalia Avelon 32. David Fischer, Jessica Valin 33. Adam Port, David Mayer 34. Mirjam Wählen, Jens Piper, Daniela Müller-Brunke, Billi Offergeld, Sven Peitzner 35. Maja Hoock 36. Toni Nüsse 37. Artpiece 38. Lorenz Schröter, Hendrik Lakeberg 39. Lukas Kai, Franziska Joch, Adam Port, Götz Offergeld 40. René Venghaus, Lutz Erkens, Robert Grunenberg, Katharina Domokosch, Richard Fähnle 41. Kitchen Guerilla 42. Bonnie Strange und Friends
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Fotos: Mareike Seifried, Micki Rosi Richter, Nils Krüger, Revan Baysal 40
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KÖLN Mittelstrasse 3 + 12 50672 Köln Tel +49 221 272 51 90 DÜSSELDORF Benrather Strasse 15 40213 Düsseldorf Tel +49 211 86 39 38 30 HAMBURG Neuer Jungfernstieg 16 20354 Hamburg Tel +49 40 280 08 77 50 MÜNCHEN Promenadeplatz 12 80333 München Tel +49 89 24 29 21 41 FASHION | COSMETICS | HOME | BOOKS | ACCESSORIES | SHOES | RESTAURANT
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AUF EIN POLAROID MIT:
PAT R I C K DEMARCHELIER Er liebt grünen Tee und spricht Englisch mit schwerem Akzent, seine Fotografien von Supermodels und Berühmtheiten wie Lady Diana sind Ikonen der 90er-Jahre. Doch Patrick Demarchelier will vor allem eins, in Ruhe die Schönheit der Welt betrachten. Herr Demarchelier, Sie wurden im August 1943 bei Paris geboren ... Patrick Demarchelier: ... das stimmt. Das war nicht einmal ein Jahr vor dem D-Day, der Alliierten-Landung in der Normandie. Haben Sie aus Ihrer Kindheit irgendwelche Erinnerungen an dieses Ereignis? P.D.: Nein, da war ich einfach noch zu jung. Aber natürlich ist die Normandie in dieser Zeit völlig zerstört worden. Noch als Kinder haben wir in den Bombenkratern gespielt. Le Havre ist eine typische Arbeiterstadt. Inwiefern hat Ihre Herkunft Ihr Verständnis von Schönheit und Mode beeinflusst? P.D.: Nicht besonders. Ich war einfach immer schon sehr neugierig. Die Kamera ist mein Auge. Blickt man durch die Linse, dann erschließt sich Schönheit auf eine unterschwellige, unbewusste Art. Die Aura eines Bildes, so Benjamins berühmter Satz, erschließt sich aus der „einmaligen Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag“. Das Magische liegt in der Flüchtigkeit, in der Distanz. P.D.: Das stimmt absolut. Manchmal kommen Fotos einem wie ein Traum vor. Man sieht Dinge, sie verschwinden wieder, doch irgendetwas bleibt. Ein Foto besteht aus Material, Licht, der Komposition, aber da ist mehr. P.D.: Für mich ist dies der Zufall. Ich plane eine Beobachtung nicht. Ich komme ins Studio und habe keine Ahnung, was ich machen werde. Ich entscheide im Moment, so wie ich mich grade fühle. Ein wenig wie Henri Cartier-Bresson? P.D.: Ich würde mich nie mit Cartier-Bresson vergleichen. 226
Liegt dem von der Kamera eingefangenen Moment Wahrheit inne? P.D.: Ich denke schon ... Nun bin ich ein kommerzieller Fotograf. Aber gute Arbeit entsteht oft aus einem Auftrag heraus. Das beste, unerreichte Beispiel dafür ist Andy Warhol. Andererseits ist jemand wie Cartier-
Bresson natürlich wahrhaftiger, sehr pur. Viele Fotografen arbeiten heute nur noch, um ihre Arbeit an eine Galerie zu verkaufen. Auf Ihren Fotos blicken nicht nur die Menschen, sondern grade auch die Tiere ganz außergewöhnlich in die Kamera. P.D.: Tiere sind das beste Sujet. Sie fühlen die Kamera nicht. Sie haben keine Angst. Sind sie Ihnen lieber als Models? P.D.: Ich liebe Mädchen, die einen eigenen HOMMES
Ausdruck finden. Oft aber steht so ein 19-jähriges hübsches Ding vor mir und fragt: „Was soll ich tun?“ Darauf antworte ich nie. Dann bekommt man nur noch Fake und Posen. 2008 gab es eine Ausstellung von 450 Ihrer Modefotos aus 40 Jahren Arbeit im Pariser Petit Palais. Hätten Sie sich als junger Mann eine solche Karriere vorstellen können? P.D.: Niemals. Ich komme aus einer kleinen Stadt. Ich wollte einfach einen guten Job finden, der die Miete bezahlt. Leute denken immer, da kommt der große Fotograf, der wahnsinnig viel Geld verdient, aber als junger Mann kämpft man einfach leidenschaftlich für das, was man liebt. Das ist ein großartiges, ein glückliches Gefühl. Man sollte daran festhalten. Sie haben Ihr Leben damit verbracht, schöne Dinge zu portraitieren. Was bedeutet wahre Schönheit? P.D.: Wahre Schönheit ist überall. In der Natur, den Dingen, den Tieren und den Menschen. Doch man muss auf sie achten. Vor einer Weile begegnete ich in New York einer alten Bekannten. Sie sagte mir, es sei ihr 100. Geburtstag. Sie sah fantastisch aus. Schönheit ist nichts Physisches, hat nichts mit einer Modelfigur zu tun. Sie sitzt tief in einem drin, im Leben, das man lebt, der Art und Weise, wie man sich gibt. Interview: Ruben Donsbach Foto: Fabian Zapatka 50 von Patrick Demarcheliers bekanntesten Arbeiten sind noch bis zum 12. Juli in der Galerie Camera Work in Berlin ausgestellt.
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