LXXXV.
Übersetzung: "Dem Imperator Caesar, unserem Herrn Flavius Claudius Julianus, frommen und glücklichen Augustus, Oberpriester, Inhaber der tribunizischen Gewalt, Imperator zum siebten Mal, Konsul zum vierten Mal, Vater des Vaterlands, Prokonsul, geboren zum Wohl des Staates. 85 Meilen." Datierung: 1. Januar-26./27. Juni 363 n. Chr. Julian, der christlich erzogene Neffe Konstantins, wandte sich als Erwachsener heimlich einem am Neuplatonismus orientierten Heidentum zu, das er nach Erringung der Alleinherrschaft unverhohlen und reichsweit durchzusetzen versuchte. Aus diesen 20 Monaten ist derzeit die stattliche Zahl von rund 175 Inschriften bekannt. Ein Vergleich: Für Konstantins Regierungszeit (25. Juli 306 - 22. Mai 337) wären dementsprechend 3.255 Inschriften zu erwarten, 45
während unlängst nur 522 lateinische Konstantin-Inschritten ermittelt wurden. Vier Siebtel der Julian-Inschriftenfinden sich auf Meilensteinen, die fast alle recht flüchtig und teilweise in sehr eigenwilliger Weise ausgeführt sind. Wirkliche Bauarbeiten signalisierten sie gewiß nicht mehr; es handelte sich vielmehr um die propagandistische Flankierung der kaiserlichen Politik, dievermudich zentral angeordnet- vor Ort unterschiedlich vollzogen wurde: Die bis zur Beibehaltung gemeinsamer Fehler und weitgehend identischer Ordination reichende Vereinheitlichung des Formulars belegt, daß noch in dieser Spätzeit die Texte in aller Regel regional ausgegeben wurden. Zwischen Trient und Verona sowie an mehreren anderen Straßen in Venetia et Histria verwendete man bereits einen etwas anders lautenden Text: Imperatori Caesari domino nostro Flavio Claudio Iuliano pio felici, victori ac triumfotori, semper Augusto, pontifici maximo, imperatori VII, consuli !!!, bono rei publicae nato, patri patriae, proconsul?. In der anderen südlichen Nachbarregion Liguria et Aemilia (wo der Befund freilich weniger uniform ist) setzte man sogar noch domino nostro orbis terrarum hinzu4 • Geradezu ereifert hat sich schließlich der Statthalter der Dacia Mediterranea, indem er die kaiserlichen Siegestitel komplett aufnahm und hinzusetzte: recuperata re publica in antiquam censuram dignitatemque revocavit5 • Julian ~at also die (verlorene) Republik wiedererlangt und zur althergebrachten Sittenstrenge und Würde zurückgeführt. Vergleichsweise nüchtern war das in der Raetia Secunda angebrachte Formular. Zudem wurden hier die Steine anscheinend erst unter Julians 4. Konsulat, also nach Jahresanfang 363, gesetzt, während die übrigen Meilensäulen nach dem dritten Konsulat datieren. Erstaunlicherweise ließ man sich nördlich der Alpen etwas Zeit, das kaiserliche Mandat umzusetzen, und man tat dies auch weniger pathetisch als anderswo. Diegenauen Verhältnisse in Raetien um diese Zeit kennen wir nicht, aber eigendich mußte Julians Name hier einen guten Klang haben, war er doch mit den seit 355 geführten Kriegen gegen die (lentiensischen) Alamannen und mit der Zurückweisung des Juthungenüberfalls von 358 verbunden. Der Kaiser kannte die militärisch-strategische Bedeutung des obergermanisch-raetischen Raums aus eigener Anschauung, und nicht zuletzt der beginnende Bürgerkrieg 360, als Constantius II. Julians Einmarsch nach Italien erwartete, hatte die Wichtigkeit der Alpenpässe für Italiens Sicherheit wieder einmal vor Augen geführt. Gründe für den vergleichsweise geringen Enthusiasmus des raetischen Praeses im Jahr 363 lassen sich leider nicht mehr eruieren.
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Abb. 3: Mittenwald. Römischer Meilenstein von 250 n. Chr. , Höhe 1,45 m.
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Der Meilenstein des Kaisers Decius von 250 n. Chr. (Erstveröffentlichung) Wegen seiner ungewöhnlich flachen Form und der stark verwitterten Oberfläche war der zweite kleinere Stein kaum als Meilenstein zu erkennen (Abb. 3). Herrn v. Brocke ist die Entdeckung der Beschriftung zu verdanken. Der Stein stammt vom an dieser Stelle 700 m breiten Talgrund der Isar, 1,8 km südlich der Kirche von Mittenwald. Herr Gschwendtner hatte ihn vor Jahren aus der Wiese entfernt, weil er aus dem Boden schauend die alljährliche Mahd sehr behinderte. Er steckte in der Wand einer flachen Rinne, die eine ehemalige Hochwasserschleife der Isar darstellen dürfte. Vom heute gefaßten Flußbett ist die Fundstelle etwa 80 m entfernt. Wie der Julianusstein ist er auf die römische Brennerstraße zu beziehen, die hier wohl im Verlauf der heutigen Bundesstraße in etwa 50 m Entfernung vorbeizieht. Auch hier dürfen wir davon ausgehen, daß eines der immer wiederkehrenden Hochwasser den Stein vom römischen Straßenrand riß und ein Stück mitschleifte. Die Entfernung von 1,5 km zur Fundstelle des Julianussteines entspricht einer römischen Meile (1,478 km) und bekräftigt die Annahme, daß beide Steine wohl nicht allzuweit von ihrem ursprünglichen Aufstellungsort verlagert wurden. Der ungewöhnlich flache Stein aus grauem Glimmerschiefer ist unten und oben alt abgebrochen. Er weist eine natürliche und horizontal kaum gewölbte Oberfläche, die nicht geglättet ist, auf. Die in vertikaler Richtung etwas wellige Vorderseite scheint kaum zum Aufbringen der Inschrift vorbereitet worden zu sein. Nicht nur in die schiefrig abgeplattete Oberfläche wurden die Buchstaben eingemeißelt, sondern deutliche Meißelspuren des ersten G in Zeile 10 befinden sich noch unterhalb der linken Bruchkante. Wir dürfen also damit rechnen, daß der flache Stein nicht etwa ein Oberflächenfragment darstellt, sondern daß wir weitgehend ein Original vor uns haben, das von der üblichen Säulenform abweicht.
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Abb4: Mittenwald. Römischer Meilenstein. Inschriftfragment der Zeilen 2-11 nach Durchzeichnung auf PVC-Folie. Maßstab 1 : 4. Zeichnung M. Pietsch.
Maße: Höhe 145 cm; größte Breite 39 cm; Dicke 10-16 cm. Buchstabenhöhen meist 3,5-4 cm.
49
Dem schlechten Stein entspricht die Beschriftung (Abb. 4). Die unterschiedlich stark eingerieften und geformten Buchstaben halten z.T. die Zeilen nicht und steigen teilweise nach rechts an. Die Lesung auf der schiefrig zerklüfteten Oberfläche wird zusätzlich durch stellenweise Sinterauflagen erschwert. Ohne die sorgsame Entfernung einiger Partien durch Herrn Hermann Hess, Steinrestaurator an der Prähistorischen Staatssammlung in München, wäre eine einigermaßen sichere Lesung nicht möglich gewesen. In Ergänzung durch die zwei gleichzeitigen Deciusinschriften im Lapidarium in Innsbruck6 ergibt sich schließlich folgende Lesung7 • 1 2
3 4
5 6
7 8 9 10 11
[Imp(eratort) Caes(art)]
[ q a (io) Mes[s(io) Q(uinto) T-] [r]a(iano) Decio p(io) j(elicz) i nv(icto) Aug(usto) p(ontiflcz) m(aximo) tr(ibunicia) p(otestate) I! p(atrt) p(atriae) et Messis D[e-] cio et Quin[t-] o nobiliss[i-] mis Caess( aribus) Aug g(ustis). AB m(ilia) p(assuum) LXXXIII[ Jj.
Ligaturen (zusammengeschriebene Buchstaben): AE (Zeile 9), AV (Zeilen 4,9), ET (Zeilen 6,7), ME (Zeilen 2,6), TR (Zeile 5) Übersetzung: "Dem Imperator Caesar, Gaius Messius Quintus Traianus Decius, dem frommen, glücklichen und unbesiegbaren Augustus, Oberpriester, Inhaber der tribunizischen Gewalt zum zweiten Mal, Vater des Vaterlandes, und Messius Decius und Quintus, den vornehmsten Caesaren und Augusti. Von (Augsburg) 84 (?) Meilen." Der Text ist vom Formular her vollkommen identisch mit dem zweier heute im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck aufbewahrter Meilensteine. Der eine davon wurde kurz vor 1756 in Unterberg am Fuß des Schönbergs8 gefunden, der andere im August 1835 bei Zirl 9 • Die Verwendung des Glimmerschiefers und auffallende paläographische Übereinstimmungen in 50
den teilweise zur Kursive neigenden Buchstabenformen und den Ligaturen könnten die Annahme nahelegen, daß die Steine in einer Werkstatt erstellt und anschließend an ihre Aufstellungsorte transportiert wurden. Wie auf einer Weihinschrift werden die ·Kaiser im Dativ angesprochen. Logischerweise fehlt daher am Schluß jedwelche BauformeL Es kann sich daher um bloße "Propagandainschriften" gehandelt haben 10 • Genannt werden die Kaiser C. Messius Quintus Decius Traianus (Valerianus) und seine beiden Söhne Q. Herennius Etruscus Messius Decius und C. Valens Hostilianus Messius Quintus. Trotz der komplizierten Nomenklatur wird als Familiennamen richtig Messius angegeben 11 • Der im vicus Budalia bei Sirmium in der Provinz Niederpannonien geborene Vater war nach einer grandiosen senatorischen Laufbahn 12 , die ihn bis in die Stadtpräfektur geführt hatte, im Sommer 249 in der Nähe seiner Heimat vom Heer zum Kaiser gegen Philippus Arabs ausgerufen worden, von demer-nicht ohne Zwang- nach Moesien und Pannonien geschickt worden war, um die Truppen zu disziplinieren13. Die kurze Regentschaft des Decius (Sommer 249- Juni 251)'\ von der Abwehr der im unteren Donauraum eingefallenen Goten gekennzeichnet, ist vor allem auch deshalb besonders bemerkenswert, weil dieser bewußt an Trajan anknüpfende Kaiser aus Staatsräson und zur Förderung der Reichseinheit die Wiederherstellung der pax deorum förderte, indem er als restitutor sacrorum et libertatis'S von jedem Bürger ein Bittopfer ( supplicatio ) für Imperium und Imperator forderte, dessen Vollzug schriftlich durch eine Opferbescheinigung ( libellus) bestätigt wurde. Da viele Christen dem Opferzwang nicht nachkamen, löste Decius eine große Christenverfolgung aus' 6 • Die Betroffenen konnten es als gerechte Strafe des Himmels betrachten, daß Decius schon Anfang Juni 251 im Kampf gegen die Goten fiel' 7 • Unsere Inschrift ist etwas älter. Datiert wird sie ins fortgeschrittene Jahr 250 aufgrundder zweiten Tribunengewalt des Decius, die auch auf den gleichzeitig aufgestellten raetischen Meilensäulen von Zirl und Unterberg deutlich lesbar ist. Ein noch genauerer Ansatz der tribunica potestas II ist allerdings umstritten, denn eine Theorie datiert sie von ca. Mai/Juni bis ca. September 250 18 , eine andere von ca. Juni bis 9. Dezember 250 19 • Als sicher darf gelten, daß beide Söhne des Decius bereits zu Caesares ernannt waren, als die raetischen Milliarien gesetzt wurden. Nun wird nicht ausgeschlossen, daß Decius seine Tribunengewalt zum ersten Mal weiterzählte, als sein älterer Sohn im Mai/Juni 250 zum Caesar erhoben wurde und dann erneut, als der jüngere Hostilianus wohl im September 250 20 den gleichen Rang erhielt. Wenn letzteres zuträfe, fragt sich freilich, warum dann auf mehreren Inschriften aller drei Personen, wie auf unseren raetischen Meilensäulen auch, noch die zwei51
te tribunicia potestas beibehalten ise 1• Im Grunde spräche das für eine Geltung der zweiten Tribunengewalt bis in den Dezember 250. Da indessen zuverlässige Texte mit offiziellen Titularuren nicht unter diesen Zeugnissen sind (auch Meilensteine sind solche niche 2), ist eine endgültige Entscheidung derzeit nicht möglich.
Route der Via Oecia durch das Gaistal, Außerfern und Allgäu
J.
Meilensteine des Oecius
Varianten über Fernpaß und Kempten Route über den Arlberg
Abb 5: Karte mit den für die "Via Decia" vorgeschlagenen Routen.
Dagegen falsifiziert der Neufund die Hypothese der sog. Via Decia auch von der epigraphischen Überlieferung her definitiv. Die beiden Meilensteine aus Zirl und Unterberg hatte Th. Mommsen 1873 nicht der von Verona über den Brenner nach Augsburg führenden Straße zugewiesen; vielmehr löste er die Buchstaben AB 23 vor MP zu a B(rigantio) auf und machte damit Brigantium/Bregenz zum Ausgangspunkt (caput viae) einer von dort angeblich nach Veldidenallnnsbruck- Wilten strebenden Reichsstraße 2\ die in der Regionalforschung seit R. Heuherger als "Via Decia" ihr Dasein fristete (Abb. 5). Die Autorität des Urhebers hat dieser von der Fundsituation her25 an sich nicht sonderlich wahrscheinlichen Hypothese viel namhafte Zustimmung26 und 52
trotz dezidierter Zweifel27 ein langes Leben beschert. So konnte nicht ausbleiben, daß man diese "Via Decia" auch im Gelände aufzuspüren suchte. Erst neuerdings wurde ihre Existenz von G. Grabherr zurecht verworfen 28 • Die epigraphische Evidenz bestätigt die Richtigkeit dieser Zurückweisung: Da Mittenwald ganz sicher an der alten Brennerstraße (an deren unterer Trasse, Anm. d. Redaktion) lag, kann nicht länger zweifelhaft sein, daß der neugefundene Meilenstein mit seinen 82 (+ x) Meilen ebenso wie die Steine aus Zirl und Unterberg vom Ausgangspunkt Augsburg aus zählten, was mit 98 Meilen von Zirl und den 112 Meilen für Unterberg ohnehin schon immer besser konvenierte als eine unterstellte Zählung von Bregenz aus. Somit beweist der Mittenwalder Neufund auch, daß W. Schleiermacher die Buchstaben AB zurecht nicht zu a B ( rigantio ) erweitern wollte, und er erledigt selbstredend alle etwa aus dieser Auflösung gezogenen Folgerungen29 • Wie aber haben wir dieses merkwürdige AB dann zu erklären? G. Grabherr hat drei Lösungsvorschläge angeboten30 • Sicher zu verwerfen ist davon die Vermutung, der decische Text stehe auf einem älteren, weil 1. keinerlei Anzeichen einer solchen Zweitverwendung auf dem Mittenwalder Stein zu erkennen ist (und dasselbe gilt allem Anschein nach auch für die Steine aus Zirl und Unterberg), und 2. es ganz unwahrscheinlich und daher erläuterungsbedürftig wäre, daß bei einer unterstellten Neubeschriftung unter Decius immer gerade beim Namen des caput viae der Fehlerteufel gewütet hätte. Mit anderen Worten: diese Erklärung schafft im Grunde einen erneuten Erklärungsbedarf Daßandererseits die Nennung des caput viae entfallen sei, "weil der Bestimmungsort der Straße als selbstverständlich ... vorausgesetzt" wurde, scheidet gleichfalls sicher aus, weil die Buchstabenreste AB ja doch sicher irgendwie zur Angabe des caput viae gehört haben. Was sonst sollten sie sein? Bleibt somit nur die Annahme eines schon vom Verfasser des Textes und nicht erst vom Steinmetz verursachten Formularfehlers, wie ihn schon Schleiermacher postuliert hat: da das Formular "vor AB mit nobilissimus Caess. Augg." schloß, könnte "das letzte Wort Augg .... die Ursache des Ausfalls von dem zu erwartenden Aug. hinter AB geworden sein" 31 • Dies ist aus mehreren Gründen mehr als nur eine Vermutung: Die Zählung der Deciussteine von Augsburg steht jetzt fest. Da diese regulär AB AVG heißen müßte, enthalten unsere Steine ganz deutlich den ersten Teil dieser Angabe. Der zweite Teil dieser Angabe ist im Grunde, wie Schleiermacher gesehen hat, vorhanden und zwar im Wort AVGG unmittelbar vor AB. Man könnte an Haplographie denken, d. h. an die verseheutliehe Weglassung des zweiten AVG in einer Formel AVGG AB AVG, wäre da nicht die Tatsache, daß auch die erhaltenen Buchstaben AVGG im höchsten Maße 53
problematisch sind, denn die Söhne des Decius waren nach ihrer Erhebung zu Caesaren korrekt als nobilissimi Caesares benannt worden 32 • Dagegen ist ihre Bezeichnung als Augusti für 250 staatsrechtlich zumindest ungenau und allenfalls proleptisch, da beide erst im Folgejahr zu Augusti ernannt wurden 33 • Nun könnte man vielleicht darauf hinweisen, daß die Söhne des Decius auf griechischen Dokumenten in eigenwilliger Weise als crcßacrJ..LtffitatOt bezeichnet wurden, was lateinisch mit Augustissimi wiederzugeben wäre 34 ; jedoch ist dieses griechische Rangprädikat so ungewöhnlich und sein lateinisches Äquivalent unbezeugt und in lateinischen Ohren so unerhört, daß das AVGG unserer Inschriften unmöglich zu Augg ( ustissimis) erweitert werden darf. Eine vermeintliche Erklärung geht wiederum auf Mommsen zurück, der den Augustustitel auf unseren raetischen Meilensteinen als Zeugnisse dafür gewertet hat, daß die Decius-Söhne als Caesaren zu Mitregenten gemacht worden seien 35 • Tatsächlich wurden auch sonst im 3. Jh. n. Chr. immer wieder Caesares bereits als Augusti bezeichnet36 , wobei man darüber streiten kann, ob sich dahinter lediglich falsche Zuweisungen auf ,inoffiziellen' Inschriften oder wirkliche staatsrechtliche Akte verbergen 37 • In unserem Fall ist die Sache freilich recht klar, weil es außer den raetischen Meilensteinen vor 251 keine anderen Zeugnisse für die drei Decier gibt, in denen die Söhne als nobilissimi Caesares und Augusti firmieren 38 • Umgekehrt gesagt: Wäre ihre Benennung als Augusti staatsrechdich korrekt gewesen, wäre die Umschreibung der nobilissimi Caesares als filii Augusti nostri (oder ausführlicher) auf Inschriften in Rom, Oberpannonien und Sardinien39 doch vollkommen überflüssig gewesen. Damit erweist es sich, daß AVGG auf unseren raetischen Meilensteinen fehlerhaft und in der gesamten sonstigen Überlieferung singulär ist. Diese Feststellung erzwingt geradezu die Folgerung, daß hier ein ursprünglich hinter AB (und vielleicht etwas zwischen den Zeilen) stehendes AVG durch Unkenntnis zu AVGG verschlimmbessert und vor AB gesetzt wurde. Natürlich kann man nur spekulieren, an welcher Stelle des Produktionsvorgangs diese Veränderung erfolgte, sie muß jedenfalls den oder dem Steinmetz(en) bereits in die Hand gegeben worden sein. Daß Kaiser Decius versuchte, noch einmal die Hauptverbindung zwischen dem Durchgangsland Raetien und Italien auszubauen, oder den Anwohnern und Reisenden dieser Straßen wenigstens seine fürsorgliche Präsenz zu erweisen, bedarf keiner weiteren Erläuterung40 •
54
Die Autoren des Beitrages über die römischen Meilensteine: Prof. Dr. Karlheinz Dietz, Universität Würzburg, Seminar für Alte Geschichte, Residenzplatz 2, 97070 Würzburg Kurzbiographie: Prof. Dr. Karlheinz Dietz, geboren 1947 in Regensburg, studierte Geschichte, Vor- und Frühgeschichte und Philosophie. Er lehrt seit 1985 an der Universität Würzburg und hat sich durch eine Vielzahl von Schriften als Kenner römischer Geschichte in Bayern erwiesen.
Dr. Martin Pietsch, Wissenschaftlicher Angestellter, Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Hofgraben 4, 80539 München Kurzbiographie: Dr. Martin Pietsch, geboren 1953 in Woltersdorf bei Berlin, studierte Provinzialrömische Archäologie, Vor- und Frühgeschichte und Alte Geschichte. Seit 1993 ist er beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in München, Referat Oberbayern, angestellt und betreut dort insbesondere die römischen Denkmäler.
Abbildungsnachweise: 1. bis 4. M. Pietsch, Bayer. Landesamt für Denkmalpflege München. 5. Grabherr G., Die sogenannte Via Decia, Bayerische Vorgeschichtsblätter 61, 1996, 230 Abb. 1. Literaturverzeichnis und Anmerkungen: Verwendete Abkürzungen: CIL Corpus inscriptionum Latinarum IBR Vollmer F., Inscriptiones Baivariae Romanae sive inscriptiones prov. Raetiae adiectis aliquot Noricis ltalisque (München 1915) ILS Dessau H., lnscriptiones Latinae selectae, 3 Bde. (Berlin 1892-1916)
55
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II
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1.l
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17
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Dietz K. u. Pietsch M. , Ein neuer Meilenstein des Julian Apostata aus Mittenwald, Landkreis Garmisch-Partenkirchen, Oberbayern. Erstveröffentlichung in: Das archäologische Jahr in Bayern 1996 (Stuttgart 1997) 129 ff. Walser G., Die römischen Straßen und Meilensteine in Raetien. Kleine Sehr. Kenntnis Röm. Besetzungsgesch. Südwestdeutschland 29 ; Itinera Romana 4 (Stuttgart 1983) 68 Nr. 10; 70 Nr. 12. Basso P., I miliari della Venezia romana. Arch. Veneta 5 (Padua 1986) 37 f. Nr. 12; 44 f. Nr. 17; 77 f. Nr. 35; 108 Nr. 43; 128 ff. Nr. 59-60; 216 Nr. 99. Bonora Mazzoli G. in: Milano capitale dell'impero romano 286-402 d. C. (Milano 1990) 238 Nr. 3; 241 f. Nr. 4a.2e; 241 f. Nr. 4a.2d; H. E. Herzig, Le reseau routier des regions VI et VIII d'Italie (Bologna 1970) 85 f. Nr. 34b; 86 f. Nr. 35; 100 f. Nr. 48. Gerasimova-Tomova V/ Hollenstein L. in: H. E. Herzig/R. Frei-Srolba (Hrsg.), Laboromnibus unus. Festschr. G. Walser (Stuttgart 1989) 50 ff. Walset G., Die römischen Straßen und Meilensteine in Raetien. Kleine Sehr. Kenntnis Röm. Besetzungsgesch. Südwestdeutschland 29 ; Itinera Romana 4 (Stuttgart 1983) 65 Nr. 7; 68 Nr.9. Das in der Epigaphik übliche Zeichensystem bedeutet: Eckige Klammer: Rekonstruktion verlorener Stellen; Runde Klammern: Ergänzung von Abkürzungen; Punkt unter einem Buchstaben (in diesem Text unterstrichene Buchstaben): Unsichere Lesung. CIL III 5989; IBR 455 Taf. 62; Plank L., Römische Funde entlang der Via Decia, Bayerische Vorgeschichtsblätter 28, 1963, 166 Taf. 32; Walser G. [2] 68 Nr. 9. CIL III 5988 (ILS 515); IBR 453 Taf. 62; Plank [8]165 Taf. 31; Walser G. [2]65-6 Nr. 7. Abgedruckt und kommentiert auch bei ~iebcr V. in: Günther R., Köpstein H. (Hrsg.), Die Römer an Rhein und Donau (Wien, Köln, Graz 1975) 444 Nr. 61. Die Texte sind wieder besprochen bei Grabherr G., Die sogenannte Via Decia, Bayerische Vorgeschichtsblätter 61, 1996, 229-44, bes. 229-31 Zum Nominativ bzw. Dativ auf Meilensteinen nur Schneider H.-Chr., Altstraßenforschung (Darmstadt 1982) 108-9. Prosopographia Imperii Romani saec. I-III, Editio altera M 520. - Vgl. Kienast D., Römische Kaisertabelle (Darmstadt 1996) 204-8; Birley A. R., in: Der Neue Pauly III (1997) 348-9. Ferner lesbarEder W., in: Clauss M. (Hrsg.), Die römischen Kaiser (München 1997) 216-22; König I., Der römische Staat, II: Die Kaiserzeit (Stuttgart 1997) 180-4. Siehe vor allem Birley [ 11] Zu den Umständen der Erhebung Strobel K., Das Imperium Romanum im 3. Jahrhundert (Stuttgart 1993) 191-4 mit Hinweisen auf die jüngere Diskussion. Vgl. Rathbone W D., Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 62, 1986, 112-4 Annee Epigraphique 1973, 235; dazu zurecht Marelli U., Aevum 58, 1984, 52-6. Die neuerlichen Versuche bei Selinger R. [16] 27-8, das Zeugnis dem Decius ab zusprechen (und dem Julian zuzusprechen), überzeugen mich nicht. Hierzu jetzt Selinger R., Die Religionspolitik des Kaisers Decius. Anatomie einer Christenverfolgung, (Frankfurt a. M. 1994). Todeszeit: Clarke G. W., Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 37, 1980, 114-6; Todesort Hisarlaka bei Razgrad in Nordost-Bulgarien: Ivanov T., Archeologija (Sofia) 2.3/3, 1981, 48-53. Vgl. Bleckmann B., Die Reichskrise des III. Jahrhunderts in der spätantiken und byzantinischen Geschichtsschreibung. Untersuchungen zu den nachdionischen Quellen der Chronik des Johannes Zonaras (München 1992) 157-73. WittigK.,REXV1 (1931) 1257-64
19
Fronza L., Annali Triestini 21, 1951, 238-41
20
Loriot X., Nony D., Bulletin de Ia Societe Francaise de Numismatique 21, 1971, 128-9
21
CIL VIII 10051; lii 3746 (; ILS 516); lediglich ergänzt VI 1100.
22
Auch wenn sich die gegenteilige Meinung immer wieder findet, z. B. bei R.-Alföldi M., [32] 343.
23
Der von Mommsen gesehene Punkt zwischen A und B auf dem Zider Stein ist nicht vorhanden, s. Grabherr [9] 231 Anm. 7 und die Zeichnung bei Walser (6] 66.
56
24
CIL III 2 S. 738. Siehe die Karten bei Grabherr [9] 230-1 Abb. 1-2.
26
27
28
29
Mommsens Auflösung zugestimmt haben etwa Dessau H., Vollmer F., Cartellieri W., Die römischen Alpenstraßen über den Brenner, Resehen-Scheideck und Plökenpaß mit ihren Nebenlinien (Leipzig 1926) 140-2; Heuherger R., Rätien im Altertum und Frühmittelalter, I (Innsbruck 1932) 119; 245-7; 321; 325; Schneider K., RE Suppl. VI (1935) 406; Bogaers J. E., Berichten van de Rijksdienst voor her oudheidkundig Bodemonderzoek 10-11, 1960-1961, 307 Anm. 236; Walser [6] 48-9; Würm H., Römisches Österreich 3, 1975, 319 Anm. 30; weitere Literatur nennt Haider P. W., in: Fontana J. (Hrsg.), Geschichte des Landes Tirol, I (Bozen, Innsbruck 1985) 240-1 Anm. 94. Schleiermacher W., A B(rigantio), Germania 43, 1965, 320-1; ders., Cambodunum-Kempten. (Bonn 1972) 108; siehe ferner Radn6ti A., Bayerische Vorgeschichtsblätter 37, 1972, 56; schwankend Weber E., Arheoloski Vesrnik 31, 1980, 208; ders., in: Vonbank E. (Hrsg.), Das römische Brigantium (Bregenz 1985) 84; ders., in Epigrafia. Acres du Colloque international d'epigraphie larine en memoire de A. Degrassi, Rome, 27-28 mai 1988 (Rom 1991) 544-5. Grabherr [9]; zustimmend Czysz W., in: Pölzl W., Schneider 0. (Hrsg.), Der Landkreis Augsburg, li: Vor- und Frühgeschichte, (Augsburg 1996) 265 Anm. 99. Vgl. etwa Weber [27] zum Stadtrecht von Brigantium.
50
Grabherr [9] 240.
51
Schleiermacher [27] 321.
32
MitthofF., Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 99, 1993, 108-9. Siehe allgemein R.-Alf öldi M., Nobilitas Augusti - nobilissimus Caesar. Ein Beitrag zum Selbstverständnis römischer Kaiser, in: Festschrift der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Wiesbaden 1981) 337-48. Siehe nur Kienast [11]
33
34
5\
37
38
Mitthof [32] 100. Mommsen Th., Römisches Staatsrecht, li 2 (Leipzig A3 1887) 1164-5 Anm. 5. Vgl. etwa die Hinweise bei Stein A., Die Legaten von Moesien (Budapest 1940) 102m. Anm. 3; dems., Die Reichsbeamten von Dazien (Budapest 1944) 61 Anm. 2. Zaccaria C., II cesarato di Gallieno e i Caesares Augusti del 111 sec. D.C., Labeo 22, 1976, 343-61. Peachin M., Roman Imperial Titularure and Chronology, A.D. 235-284 (Amsterdam 1990) 261-265.
3'!
Die Belege bei Peachin [38] 262-3 Nr. 152-3; 158.
40
Siehe Grabherr [9] 242.
57
MOHR + LÖWE + RAUTE
Beiträge zur Geschichte des Landkreises Garmisch-Partenkirchen
tierausgegeben vorn Verein für Geschichte, Kunst- und Kulturgeschichte im Landkreis Garrnisch-Partenkirchen e.V
1998