Fremdsprache Deutsch Heft 12 I 1995
Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts
Aussprache
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I N H A L T Heft 12: Aussprache 31 Übungsvorschläge zu Phonetikschwerpunkten:
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Impressum, Editorial
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Zum Thema Phonetik: Einige Fragen an Sie
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Erklärung zur Stellung der Phonetik im Bereich Deutsch als Fremdsprache
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Lektion 1 32 NIRATH MEUNMANY/ LOTHAR SCHMIDT: Sprechmelodie
URSULA HIRSCHFELD: Phonetik im Unterricht Deutsch als Fremdsprache – Wie der Lehrer so der Schüler?
Lektion 2 36 INES BOSE: Spielerisches zum Rhythmus
11 WOLFGANG R. FISCHER: Wagnis Aussprache oder Wie man sich am Gummiseil in die Lehre stürzt 12 EVA HANKE: Körper – Sprache 13 EVELYN FREY: Phonetikunterricht in heterogenen Lernergruppen – Ein Erfahrungsbericht 16 BARBARA SCHÖN: Ausspracheübungen mit Schulkindern 19 WOLFGANG R. FISCHER: Kontrastiv Aussprache unterrichten: Vorbild Gymnastik und Gesangsunterricht 22 Zungenbrecher 23 NIKOLAI KLIMOV: Zur Bewußtmachung rhythmischer Strukturen 26 GUDULA MEBUS: Erfolgskontrolle, Prüfung, Bewertung – auch für die Aussprache?
Lektion 3 42 STEFAN LAUTERBACH/BRIGITTE MERZIG DE KÜBL: Akzentuierung von Äußerungen Lektion 4 46 SWETLANA KIM: Wortakzentuierung Lektion 5 49 LARISSA KARPOVA: Ö- und Ü-Laute Lektion 6 51 KERSTIN REINKE: Konsonantenverbindungen 55 HANS-JÜRGEN KRUMM: Gegenrede – Korrektes Deutsch?
Zum Nachschlagen: 56 URSULA HIRSCHFELD: Kleines phonetisches Wörterbuch Literatur und Materialien zur Phonetik 58 NATALJA GOROSHANINA: Übersichten und Regeln zur deutschen Phonetik
Rubriken 60 Termine 61 Gewußt wie – erklärt warum: Unsere Sprachecke 62 Litfaßsäule 64 Unsere Autorinnen und Autoren Fremdsprache Deutsch 12 Fremdsprache Deutsch Heft 12/1995 – Aussprache, ISBN 978-3-19-889183-4, © Hueber Verlag 2007
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AUSSPRACHE
I M P R E S S U M Fremdsprache Deutsch Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts herausgegeben vom Vorstand des Goethe-Instituts und Hans-Jürgen Krumm Gerhard Neuner im Verlag Klett Edition Deutsch, München Schriftleitung: Elisabeth Lattaro, Ref. 41 Goethe-Institut Redaktionsbeirat des Goethe-Instituts: Klaus Fischer, Bernd Kast, Hendrik Kloninger, Jochen Neuberger, Ilsemarie Waechter Korrespondierendes Mitglied: Diethelm Kaminski (Zentralstelle für das Auslandsschulwesen) Verantwortliche Themenheftherausgeberin: Ursula Hirschfeld Redaktion: Eva-Maria Jenkins Satz und Gestaltung: Hans-Werner Klein Anzeigenleitung: Verlag Klett Edition Deutsch Druck: Ludwig Auer GmbH, Donauwörth Umschlagfoto: Heinz Kuzdas Zeichnungen: Andreas Flad Themen der nächsten Hefte: Manuskriptabgabe: Erscheint: Heft 13: Die ersten Stunden und Wochen Deutschunterricht 1.3.1995 Herbst 1995 Heft 14: Sprechen 1.9.1995 Frühjahr 1996 Heft 15: Phraseologie 1.3.1996 Herbst 1996 Sondernummer 1994: Neue Wege in der Deutschlehrerausbildung Juni 1995 Sondernummer 1995: Fremdsprachenlerntheorien 1.4.1995 Ende 1995 Für Fremdsprache Deutsch gibt es zwei verschiedene Jahresabonnements: Abonnement 1 umfaßt zwei reguläre Hefte pro Jahr zum Preis von DM 23,80 zuzüglich Versandkosten. Abonnement 2 umfaßt die beiden regulären Hefte wie in Abonnement 1. Dazu ein ebenfalls jährlich erscheinendes Sonderheft. Es kostet DM 37,80 zuzüglich Versandkosten. Die Hefte können auch einzeln bestellt werden. Einzelhefte kosten DM 14,80 zuzüglich Versandkosten. © Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Auch unverlangt eingesandte Manuskripte werden sorgfältig geprüft. Unverlangt eingesandte Bücher werden nicht zurückgeschickt. Die als Arbeitsblatt oder Material bezeichneten Unterrichtsmittel dürfen bis zur Klassen- bzw. Kursstärke vervielfältig werden. Adresse der Schriftleitung: Dr. Elisabeth Lattaro, Goethe-Institut, Referat 41, Postfach 190 419, D-8 0604 München (Tel.: 0 89/159 21-295; Telefax 0 89/159 21-523) Verlagsadresse: Klett Edition Deutsch GmbH, Kühbachstraße 11, D-81543 München, (Tel.: 0 89/62 30 84-0; Telefax 089/65 02 56)
Liebe Leserinnen, liebe Leser! FREMDSPRACHE DEUTSCH hat dieses Heft der Ausspracheschulung gewidmet. Und damit Sie das Übungsangebot in Ihrem Unterricht gleich verwenden können, gibt es zum Heft eine Kassette. Wir alle wissen, daß das Thema Aussprache/Phonetik im Unterricht oft ein wenig zu kurz kommt. Auch wenn manche älteren und viele neue Lehrwerke phonetische Übungen anbieten, fühlen sich viele Lehrkräfte doch überfordert, und zwar in zweifacher Hinsicht: erstens fehlt die Zeit – meint man. Und zweitens fühlt man sich oft etwas hilflos, denn Vormachen allein genügt meist nicht. Und in ihrer Ausbildung haben Lehrerinnen und Lehrer häufig auf diesem Gebiet nicht gerade viel Praktisches mit auf den Weg bekommen. Nun wissen wir aber alle, wie wichtig beim Fremdsprachenlernen die Ausbildung einer guten Aussprache ist, nicht nur um der sozialen Anerkennung willen. Das Gefühl, eine Sprache nicht nur grammatikalisch korrekt zu sprechen, sondern von Muttersprachlern auch Komplimente für eine gute Aussprache zu bekommen: das steigert das Selbstwertgefühl, und das motiviert Ihre Schülerinnen und Schüler zum Weiterlernen. Und wenn erst mal einige anfängliche Hemmungen überwunden sind, macht ihnen Phonetik häufig richtig Spaß! Wir hoffen und wünschen Ihnen und uns, daß dieses Heft wieder einige nützliche Beispiele für Ihren Unterricht bringt und Sie vor allem anregt, auf diesem Gebiet weiter zu suchen und zu experimentieren, so daß Sie auch mit der Phonetik Ihren Schülern einen anregenden und unterhaltsamen Unterricht bieten können. Das nächste Heft von FREMDSPRACHE DEUTSCH erhalten Sie im Juli. Wir sind sicher, daß Ihre Geduld mit interessanten und sehr aktuellen Beiträgen zum Thema „Deutschlehrerausbildung” belohnt wird. Übrigens: Das Titelbild zeigt ein Stück Berliner Mauerkunst, gemalt von Thierry Noir. Ihre
Bestelladresse für Einzelhefte: Ernst Klett Verlag für Wissen und Bildung, Abt. AW, Postfach 10 60 16, D-70049 Stuttgart Bestelladresse für Abonnements: Ludwig Auer, Postfach 1152, D-86601 Donauwörth ISBN 3-12-675525-9
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Zum Thema Phonetik: Einige Fragen an Sie Viele Probleme, die mit dem Thema Phonetik zusammenhängen, werden in diesem Heft angesprochen – sicher oft aus dem (engen?) Erfahrungsbereich der Autoren und Autorinnen gesehen. Wie ist die Situation in anderen Institutionen, in anderen Ländern, bei anderen Lehrenden und Lernenden? Vielleicht können wir zu einem Erfahrungsaustausch oder zu gemeinsamer Arbeit an Materialien kommen. Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele interessierte Kolleginnen und Kollegen auf unsere Fragen antworten. 1. Sehen Sie die Situation der Phonetik in Ihrem Arbeitsbereich so, wie sie in der nebenstehenden Erklärung dargestellt ist? Haben Sie andere Erfahrungen gemacht? In welchen Punkten? 2. Halten Sie Ihre Ausbildung in der Ausspracheschulung für ausreichend?
3. Was sollte unbedingt in das Ausbildungsprogramm für Deutschlehrer gehören? 앪 Aussprachekorrekturen und -übungen 앪 Grundkenntnisse in der Phonetik und Phonologie des Deutschen 앪 Kontrastive Phonetik (Muttersprache-Deutsch) 앪 Kenntnisse über die deutschen Dialekte 앪 Kenntnisse über die Didaktik des Phonetikunterrichts 4. Haben Sie an Fortbildungskursen zur Phonetik teilgenommen? Möchten Sie gern solche Veranstaltungen besuchen? Welche Themen wären für Sie besonders interessant? 5. Welche Nachschlagewerke, Fachbücher und Übungsmaterialien zur Ausspracheschulung stellt Ihre Institution (Bibliothek/Lehrerzimmer) zur Verfügung? Welche besitzen Sie selbst? Mit welchen sind Sie zufrieden? 6. Soll in der Schule/an der Universität überhaupt an der Aussprache gearbeitet werden? In welchem Umfang? 7. Sind an Ihrer Institution Phonetikstunden vorgeschrieben bzw. fest im Curriculum verankert? Führen Sie in Ihren Kursen Phonetikübungen durch? 8. Wie kann eine gute Aussprache erreicht werden? 앪 durch spezielle Phonetikstunden oder durch in den Sprachunterricht integrierte Übungen 앪 durch häufiges Hören von Texten 앪 durch Hörübungen (mit Kontrolle) 앪 durch genaues Nachsprechen 앪 durch ständiges Korrigieren 앪 durch Kenntnisse über die Phonetik 앪 durch Üben von Zungenbrechern 앪 durch Transkriptionsübungen
앪 앪 앪 앪 앪 앪
9. Was sollte besonders geübt werden? Vokale (welche?) Konsonanten (welche?) Melodie Betonung Rhythmus Was noch ?
10. Welche Beiträge dieses Heftes finden Sie besonders wichtig? Zu welchen Themen möchten Sie mehr erfahren? Bitte schicken Sie Ihre Antworten an M. Alvarez/U. Hirschfeld, Herder-Institut, Universität Leipzig, Lumumbastr. 2, D-04105 Leipzig, Fax: 0341-9737548. Schreiben Sie bitte auch, in welcher Institution und mit welchen Lernenden (Alter, Muttersprache, Ausbildungsziel) Sie arbeiten. Fremdsprache Deutsch 12
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Erklärung zur Stellung der Phonetik im Bereich Deutsch als Fremdsprache Am 25. und 26. Februar 1993 fand am Goethe-Institut in München ein Kolloquium „Zur Rolle der Phonetik im Bereich Deutsch als Fremdsprache“ statt. Die TeilnehmerInnen – u.a. FremdsprachenlehrerInnen, HochschullehrerInnen und LehrbuchautorInnen – kamen aufgrund theoretischer und empirischer Untersuchungsergebnisse zur Schlußfolgerung, daß die Phonetik mit ihren Teilgebieten Artikulation, Intonation und Sprechausdruck im Fremdsprachenunterricht Deutsch vernachlässigt wird. Leidtragende dieser Situation sind die Deutschlernenden, die sich nicht selten eine mangelhafte Aussprache aneignen. Dadurch wird einerseits die reale Kommunikation empfindlich beeinträchtigt, andererseits führt das oft - da Sprachbeherrschung häufig nach der Aussprache beurteilt wird - zu einer negativen sozialen Bewertung der Lernenden. Damit wird auch dem Ansehen des Faches Deutsch als Fremdsprache geschadet. Gründe für diese Situation werden in Defiziten in der Lehreraus- und -fortbildung erkannt, in der Gestaltung von Curricula, in den Prüfungsbestimmungen, im Lehrmaterialangebot, in der Forschung und in der Wissenschaftspublizistik auf diesem Gebiet. Um grundsätzliche Änderungen zu erreichen, sind vielfältige Aufgaben zu lösen: 1. Lehrerinnen und Lehrer müssen durch systematische Fortbildungsmaßnahmen befähigt werden, souverän, d.h. theoretisch begründet und methodisch variabel, mit phonetischen Problemen umzugehen. 2. Curricula und Lehrwerke für den Unterricht DaF (auf verschiedenen Stufen, für unterschiedliche Zielgruppen) müssen der Ausspracheschulung den ihr zukommenden Stellenwert zuweisen. Phonetik ist Unterrichtskomponente und Unterrichtsprinzip. In mündlichen Prüfungen ist auch die Ausspracheleistung zu bewerten. 3. Es müssen mehr spezifische Lehrmaterialien für den Phonetikunterricht erarbeitet und von den Verlagen angeboten werden. In das Angebot sollten verstärkt Tonträger sowie Videokassetten und Computerprogramme einbezogen werden. 4. Es ist erforderlich, phonetische und phonetisch-didaktische Forschungsprojekte zu initiieren, zu fördern und für die Unterrichtspraxis nutzbar zu machen. 5. In Zeitschriften- und Buchpublikationen sollten Fragen des Phonetikunterrichts und der Phonetik des Deutschen einschließlich der kontrastiven Phonetik für den DaF-Unterricht stärkere Beachtung finden. Die Probleme sind vielschichtig und grundsätzlicher Art. Sie lassen sich nur durch fachinterne und fachübergreifende Zusammenarbeit lösen. Die TeilnehmerInnen des Münchner Kolloquiums wenden sich deshalb mit diesem Appell an alle DaF-LehrerInnen, LehrbuchautorInnen, DidaktikerInnen, an MitarbeiterInnen von Verlagen sowie an die Verantwortlichen für Lehrprogramme, Prüfungsordnungen und Forschungsmittel, durch gemeinsame Anstrengungen dazu beitragen, eine Trendwende herbeizuführen. Für die Teilnehmer: Horst Breitung/ Hubert Eichheim. Goethe-Institut München
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AUSSPRACHE
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Phonetik im Unterricht
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Deutsch als Fremdsprache: b hen... lü
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Wie der Lehrer, so der Schüler?
ten blühen... Es grünt so grün
niens Blü a p S n n e so grün, w Von Ursula Hirschfeld
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1. Es grünt so grün ... Einige einführende Bemerkungen zum Thema Aussprache lü
ten blüh e
n... Es
Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Eliza Doolittle, dem Blumenmädchen aus Shaws „Pygmalion“. Eliza sprach den Dialekt der armen, ungebildeten Leute einer Londoner Vorstadt. Durch eine Wette des Phonetikprofessors Higgins lernte sie eine Aussprache, mit der sie schon nach wenigen Wochen als Dame in der Öffentlichkeit auftreten konnte – nichts erinnerte mehr an ihre sprachliche Herkunft. Ein Märchen, doch voller Bezüge zu unserem Thema. Denn die Probleme sind vergleichbar.
S p a n ien
o grünt s grün, w e n n
sB Bedeutung der Aussprache lüte nb lü ... Es grünt hen
Zu denken ist nicht nur an das Verstehen und Verstandenwerden in der Kommunikation, sondern auch an das soziale Prestige, das mit einer guten Aussprache wächst. Aussprache als „Visitenkarte“, nicht nur für Dialektsprecher, sondern auch für Deutschlernende. Untersuchungen haben gezeigt, daß Muttersprachler vom fremden Akzent auf den Bildungsstand, die soziale Zugehörigkeit, den Intelligenzgrad und sogar auf bestimmte Charaktereigenschaften schließen. Durch eine schlechte Aussprache wird die Persönlichkeit des Sprechers – sicher unbewußt, aber eben nachweisbar – abgewertet, er bzw. sie wird als Gesprächspartner und Mitmensch weniger akzeptiert.
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rün, so g
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Übungsinhalte „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen...,“ das ist einer der Sätze, die Eliza über Monate hinweg übt, typisch auch noch für heutige Ausspracheübungen: die zu lernenden Laute häufen sich auf ganz unnatürliche und nicht besonders sinnvolle Weise. Man kann und soll durchaus solche Nonsense-Beispiele einbeziehen, sie machen Spaß, sie sind auch schön, poetisch, klangvoll und - wie z.B. die Zungenbrecher - manchmal eine Herausforderung. Aber sie sollten „Bonbons“ bleiben, als „täglich Brot“ wird man ihrer schnell überdrüssig. Geübt werden muß zuallererst und am gründlichsten, was in der Sprachpraxis gebraucht wird, was angewendet werden kann. Für Beispiele wie „Oh Gott, Onkel Otto ist tot.“ oder „Plötzlich hatte Gretchen Zöpfe.“ (beide in einem Material für amerikanische Deutschlernende gefunden) kann man sich nur schwer eine passende reale Situation vorstellen.
Erfolg Oft wird gesagt, Aufwand und Nutzen stünden in der Ausspracheschulung in keinem Verhältnis zueinander. Je älter man ist, desto schwerer würde es, und mit vierzehn sei es schon nicht mehr möglich, eine akzentfreie Aussprache zu lernen. Das stimmt so nicht. Elizas Verwandlung macht deutlich, daß intensive Arbeit zum Erfolg führt, und sie ist kein Einzelbeispiel. Auch Jugendliche und Erwachsene können sehr gute Fortschritte machen, vorFremdsprache Deutsch 12
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ausgesetzt, sie nehmen sich Zeit, haben einen guten Lehrer oder eine gute Lehrerin, gutes Material und die richtigen Methoden.
Situation der Phonetik* Schließlich kann man das Bild vom „grünenden Grün“ auch auf die Situation der Phonetik im Fach Deutsch als Fremdsprache beziehen. Sie beginnt sich zu verbessern, nachdem die Aussprache zwei Jahrzehnte lang kein Thema war. Bei Lernenden und Lehrenden wächst das Interesse, auch bei Lehrbuchautoren und selbst bei den Verlagen. Hinsichtlich der fachlichen – phonologischen, phonetischen – Grundlagen und hinsichtlich der didaktischen Möglichkeiten gibt es viele offene Fragen, mit denen die Lehrenden sich oft alleingelassen fühlen. Auf einige soll im folgenden eingegangen werden.
2. Offene Fragen Man kann sich am Papagei ein Beispiel nehmen. Häufig spricht dieser Vogel einem das nach, was man ihm einübt, und er führt wiederholt das aus, was er einmal gelernt hat. Wenn er nicht gelehrsam ist, wird er mit dem Stock gezüchtigt, wenn er aber das wiederholt, was ihm vorgesagt wurde, bekommt er Futter als Belohnung. Man muß einen guten Lehrer hinzuziehen, der eine gute Sprache spricht; der muß wissen, wie er vorgehen soll: er muß bei Versuchen helfen, jedes Gelingen loben, aber beim Rückfall in alte Gewohnheiten häufig korrigieren. (Erasmus von Rotterdam, 16. Jahrhundert)
Schon seit Jahrhunderten macht man sich Gedanken darüber, ob und wie es gelingen kann, eine fremde Sprache so gut wie die eigene auszusprechen. Noch immer gibt es die gleichen Schwierigkeiten, noch immer gibt es die gleiche Lösung: es kommt auf die Lehrkraft an - sie ist der Schlüssel, auch der Schlüssel zum Erfolg. Das wird sich trotz der modernen Medien, die in die Klassenzimmer einziehen, auch in Zukunft nicht allzusehr ändern. Was sollte eine Lehrkraft können? Was muß sie wissen? Was hat sie zu berücksichtigen? Wie kann sie vorgehen? Wie also ist mit dem „Sorgenkind“ Phonetik, vor dem viele auch – unbegründete – Angst haben, im Deutschunterricht umzugehen? Hier sollen die mit diesen Fragen zusammenhängenden Hintergründe systematisiert dargestellt werden, auf einzelne Aspekte gehen mehrere der folgenden Beiträge ausführlicher ein.
Ideal wäre eine gut ausgebildete Lehrkraft mit einer guten Aussprache, eine Lehrkraft, die weiß, wie sie vorgehen soll, wäre ein Lehrplan, der Zeit für Phonetik läßt, in dem die Phonetik als Lerninhalt und Lernziel ausgewiesen wird, wären Bewertungsmaßstäbe, die eine objektive Leistungsmessung ermöglichen, wären Lehrwerke, die ausreichendes, gutes Übungsmaterial zur Phonetik enthalten.
Real sieht alles ganz anders aus, das ist oft festgestellt worden (vgl. Breitung 1994, Dieling 1992, Hirschfeld 1994, Vorderwülbecke 1992): Es gibt „Defizite“ in der Lehreraus- und -fortbildung. Sie betreffen sowohl das sprachliche Können als auch fachliche (phonologische, phonetische) und didaktische Kenntnisse. Viele Lehrkräfte sind zwar an phonetischen Fragen sehr interessiert, haben aber kaum die Möglichkeit, sich das notwendige Wissen selbst anzueignen. Sie werden alleingelassen, (fast) kein Studiengang, keine Ausbildung in Deutschland wie auch in anderen Ländern geht ausreichend auf die phonetischen Grundlagen des Deutsch als Fremdsprache-Unterrichts ein – dafür gab es wohl lediglich bis zu Beginn der 90er Jahre in Osteuropa und in der DDR breitere Ansätze. Selbst Mitarbeiter der GoetheInstitute und DAAD-Lektoren im Ausland sind oft überfordert, wenn Ausspracheschulung in ihren Kursen praktiziert oder in Fortbildungsveranstaltungen thematisiert werden soll. Im Deutschunterricht gibt es keine Zeit für Ausspracheübungen. Curricula und Lehrpläne schreiben vor, daß „Wichtigeres“ zu tun ist. Phonetik als Unterrichtskomponente wird deshalb nur ungenügend berücksichtigt, obwohl Fertigkeiten im (phonetischen) Hören und in der Aussprache sowie Kenntnisse über die Laut-Buchstaben-Beziehungen Voraussetzung für die Entwicklung des (verstehenden) Hörens, (freien) Sprechens, Lesens und Schreibens, also für die Aneignung der Fremdsprache Deutsch überhaupt und für jegliche Kommunikation sind. Bewertungsrichtlinien lassen den phonetischen Bereich oft aus oder umschreiben ihn nur ungenügend. Bei mündlichen Kontrollen im Unterricht wird nur selten auf die Ausspracheleistung eingegangen. Materialien fehlen oder, ob separat oder in Lehrwerke integriert, sie genügen den Anforderungen nur in Ausnahmefällen. Was für bestimmte Lerngruppen in bestimmten
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Lernphasen gebraucht wird, ist entweder gar nicht da – oder nicht am richtigen Platz (z. B. in einer viel späteren Lektion). Soll sich an diesem Zustand etwas ändern, und dafür ist nun die Zeit gekommen, ist ein Umdenken bei allen Verantwortlichen – Lehrplanmachern, Didaktikern, Lehrbuchautoren und Lehrkräften – notwendig.
3. Schwierigkeiten der Lernenden Jugendliche und erwachsene Anfänger machen oft (sehr) gute Fortschritte im Lexik- und Grammatikerwerb. An ihrer Aussprache ändert sich dagegen nur sehr langsam etwas. Ist Phonetik etwas Besonderes, etwas besonders Schwieriges? Es steht fest, daß die Muttersprache eine außerordentlich starke Interferenzwirkung ausübt. Laute, Melodie- und Rhythmusmuster werden in der Regel direkt und global in die Fremdsprache übertragen. Das hat folgende Ursachen:
Hörprobleme Für die Muttersprache bildet sich schon beim Kind eine Perzeptionsbasis, ein Raster oder „Sieb“, heraus. Gewohnte Klangbilder werden leicht aufgenommen, gespeichert und verarbeitet. Von der Muttersprache abweichende Laute und intonatorische Formen können dieses Raster nicht passieren, sie werden nicht wahrgenommen und durch bekannte Formen ersetzt. Wer z.B. in seiner Muttersprache die Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen nicht kennt, wird sie auch im Deutschen nicht hören.
Artikulationsprobleme Das Gleiche läßt sich für die unbewußt und automatisiert ablaufenden Sprechbewegungen sagen. Sie willentlich zu lenken ist außerordentlich schwierig.
Psychische Probleme Gerade im Sekundarschulbereich treten schon stärkere Hemmungen auf, die von der eigenen vertrauten Sprechweise völlig abweichenden Laut- und Intonationsformen hervorzubringen.
Viele Schülerinnen und Schüler schämen sich, sie sträuben sich gegen die Veränderung ihrer Identität. Das Alter spielt dabei eine wesentliche Rolle, die Probleme nehmen zu, je später der Fremdsprachenerwerb einsetzt. Im Sekundarschulbereich ist das günstigste Lernalter, die Vorschulund frühe Schulzeit, schon überschritten. Es kommt auf das pädagogische Geschick und das Einfühlungsvermögen des Lehrers bzw. der Lehrerin an, den biologischen Faktoren didaktische Mittel entgegenzusetzen. Das Besondere an der Phonetik ist also, daß es sich hier nicht nur um eine Gedächtnisleistung handelt, sondern daß in physische und psychische Prozesse eingegriffen wird, die eng an die Persönlichkeit(sentwicklung) gebunden sind.
4. Fertigkeiten und Kenntnisse der Lehrenden Auch wenn es im ersten Moment etwas überraschend oder sogar provozierend klingt:
Jeder Fremdsprachenlehrer ist auch Phonetiklehrer. An der Aussprache ihres Lehrers bzw. ihrer Lehrerin orientieren sich die Lernenden, sie brauchen Hilfe, allein werden sie mit den Ausspracheproblemen nicht fertig. Wenn der Lehrer eine gute Aussprache hat, fundiert und kenntnisreich korrigiert und Hinweise gibt, didaktisch geschickt vorgeht, dann werden bald anhaltende Lerneffekte erreicht.
Vorbildwirkung Fremdsprachenlernende übernehmen viel von der Aussprache ihres Lehrers bzw. ihrer Lehrerin, ob diese das nun wollen oder nicht. Sie vergleichen sie – sehr kritisch – mit der Aussprache anderer Deutschlehrer und derjenigen von Sprechern auf Kassetten und Videos, in Rundfunk und Fernsehen. Nicht alle Lehrer beherrschen den Aussprachestandard, viele ausländische Kolleginnen und Kollegen sprechen mit muttersprachigem, „fremdem“, und viele deutsche Kolleginnen und Kollegen mit mehr oder weniger starkem regionalem Akzent. Wer Deutsch unterrichtet, sollte deshalb auf jeden Fall den eigenen Schülern gegenüber „Farbe bekennen“, die eigene regionale Herkunft deutlich machen oder Schwierigkeiten zugeben und auf die standardsprachlichen Formen in den Medien verweisen.
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Auch durch ihr Korrekturverhalten tragen die Lehrenden Verantwortung. Korrigieren sie nicht, nehmen die Lernenden an, daß es an ihrer Aussprache nichts auszusetzen gibt, denn auf Grammatik- und Lexikfehler wird ja (ständig) hingewiesen.
Kenntnisse Aussprachefehler zu vermeiden und zu korrigieren verlangt auch Wissen. Dieses Wissen ist – bis auf einige zu vermittelnde Regeln – zwar nicht Gegenstand des Unterrichts, aber Grundlage und Hilfsmittel für die Lehrenden (vgl. Dieling 1992, Hirschfeld 1992). Dazu gehören Kenntnisse über: Akzentuierung, Rhythmus und Melodie, die Merkmale der Vokale und Konsonanten, die Laut-Buchstaben-Beziehungen und die Transkription (Internationales Phonetisches Alphabet); Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Mutter- und Zielsprache, um Übungsschwerpunkte festlegen zu können; didaktische Möglichkeiten, vorhandene Materialien und ihre Verwendbarkeit; die Voraussetzungen der Lernenden (individuelle Schwierigkeiten, bevorzugte Lernstrategien), die ein unterschiedliches Vorgehen, eine Individualisierung im Unterricht verlangen.
Vorgehen Ein guter Lehrer, eine gute Lehrerin ist nicht nur Vermittler von Wissen, gerade für die Ausspracheschulung muß er oder sie gleichzeitig ein wenig Logopäde, Psychiater und Unterhaltungskünstler sein, also auf die Schülerinnen und Schüler eingehen, nach unkonventionellen Wegen suchen, (sich und) sie motivieren. Phonetikunterricht ist ein wenig mit Leistungssport vergleichbar: es kommt nichts von allein, es muß viel trainiert werden, es macht Mühe. Lernende und Lehrende sollten das wissen. Sie sollten auch immer daran denken, daß es nicht darum geht, „schön sprechen“ zu lernen, sondern daß Aussprachefehler in der Kommunikation ihre Wirkungen haben, die von Verständnisschwierigkeiten bis zu (negativen) Emotionen reichen können.
Folgende Erfahrungen und Empfehlungen sollten bedacht und berücksichtigt werden: Intensive und systematische Arbeit besonders in der Anfangsetappe zahlt sich aus; etwas neu zu lernen ist einfacher und weniger zeitaufwendig als spätere Korrektur. Sensibilisierung und Aktivierung der Lernenden ist ganz wichtig – ohne sie geht nichts,
Ausspracheübungen sollten immer lernerorientiert angelegt sein. Differenzierung und Individualisierung sind notwendig und auch in der Klasse möglich. Die Lernenden haben oft ganz unterschiedliche Probleme (nicht nur, wenn sie verschiedene Muttersprachen sprechen) und bevorzugen möglicherweise auch verschiedene Arbeitsmethoden. Sehr anschaulich vorgehen heißt: Nutzung aller „Kanäle”, Einsatz von Gesten und Körperbewegungen, von (Laut-) Bildtafeln, Übersichten, Transkriptionszeichen. Geeignete Übungen müssen in ausreichender Zahl zusammengestellt oder selbst entwickelt werden – fast jeder Text, fast jede Übung läßt sich auch für die Phonetik nutzen; dabei sollten nicht nur schriftliche Materialien (Buch, Arbeitsblätter), sondern unbedingt Tonaufnahmen, nach Möglichkeit auch Videos und Computerprogramme verwendet werden. Methodische Vielfalt ist gefragt: nicht nur Imitationsübungen, die zweifellos sehr wichtig sind, sollten angeboten werden, sondern auch Umwandlungs-, Ergänzungs-, Antwortund Dialogübungen – um das Interesse der Lernenden wachzuhalten, ihre Aktivität zu fördern und an komplexere Sprachtätigkeiten anzuknüpfen. Die Verbindung mit Grammatik- und Lexikübungen ist in diesem Zusammenhang empfehlenswert und wichtig, z. B. Bewußtmachen und Üben der phonetischen Veränderungen bei der Pluralbildung (Tage-Tag, Buch-Bücher, Uhr-Uhren) oder bei der Verwendung bestimmter Verbformen (schreiben-schreibst). Hörtraining ist Voraussetzung für richtiges Aussprechen; die Hörergebnisse müssen für Lernende und Lehrende kontrollierbar sein, sonst bleiben Schwierigkeiten unerkannt. Kontrollmöglichkeiten sind Handzeichen, Markierungen, Lückendiktate, Sortieren und Einordnen von gehörten Beispielen und vieles mehr (vgl. Solmecke 1992). Intensive Arbeit an Akzentuierung, Rhythmus, Melodie, die für die Sprachverarbeitung
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Literaturempfehlungen: (siehe auch die Kurzrezensionen in der Rubrik „Literatur und Materialien zur Phonetik“) Breitung, H. (Hrsg.): Phonetik Intonation - Kommunikation. Standpunkte zur Sprach- und Kulturvermittlung, Bd. 2. GoetheInstitut. München 1994. Cauneau, I.: Hören – Brummen – Sprechen. Angewandte Phonetik im DaF-Unterricht. Klett Edition Deutsch: München 1992. Dieling, H.: Phonetik im Fremdsprachenunterricht Deutsch. Langenscheidt Verlag: Berlin und München 1992. Großes Wörterbuch der deutschen Aussprache. Enzyklopädie: Leipzig 1982. Hirschfeld, U.: Einführung in die deutsche Phonetik. Videokurs. Max Hueber Verlag: Ismaning 1992. Hirschfeld, U.: Untersuchungen zur phonetischen Verständlichkeit Deutschlernender. (Forum Phoneticum 57). Hector: Frankfurt am Main 1994. Solmecke, G. (Hrsg.): FREMDSPRACHE DEUTSCH, Heft 7/1992: Hörverstehen. Goethe-Institut & Klett Edition Deutsch: München. Vorderwülbecke, K. (Hrsg.): Phonetik, Ausspracheschulung und Sprecherziehung im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Materialien Deutsch als Fremdsprache 32, Regensburg 1992. Stock, E. u. a.: Phonothek DaF. (in Vorbereitung, Lehrerhandbuch, Übungsbuch, Kassetten). Langenscheidt Verlag: Berlin und München.
Anmerkung: *Phonetik bedeutet in diesem Beitrag – und auch sonst immer häufiger – sowohl Aussprache und Ausspracheschulung als auch Wissenschaft von den Sprechlauten.
primär sind, haben Vorrang – also nicht nur Einzellaute üben. Situative Einbettung der Übungen macht das Lernen effektiver und interessanter. Deshalb sollten thematische Zusammenhänge geschaffen werden (nicht irgendwelche Einzelwörter aneinanderreihen); auch Dialoge und Spielszenen sind gut geeignet – so können auch landeskundliche Aspekte eingebracht werden. Alltagslexik soll im Mittelpunkt der Übungen stehen, d.h. den Lernenden bekannte, sinnvolle, für die Sprachpraxis wichtige Übungsbeispiele – Zungenbrecher und NonsenseSätze bleiben „Bonbons“. Regelmäßige Tonbandaufnahmen helfen, die Ausspracheleistungen zu kontrollieren und zu bewerten sowie Fortschritte festzustellen. Selbstlernen in Mediotheken oder zu Hause ist erst dann möglich, wenn die Lernenden für bestimmte Probleme sensibilisiert sind und ihre Aussprache mit der des Musters vom Tonband vergleichen und sich korrigieren können.
Welchen Stellenwert die Phonetik im Unterricht einer konkreten Lerngruppe einnehmen soll, wie die genannten Anforderungen dabei berücksichtigt werden können, wieviel Zeit vorzusehen ist, kann und muß jeder Lehrer, jede Lehrerin selbst festlegen, es kommt auf die aktuelle Situation an.
5. Übungen und Materialien Neben Korrekturen in bestimmten Unterrichtsphasen (bitte nicht beim Lesen oder Sprechen unterbrechen, lieber „Fehler sammeln“, z. B. auf einer Folie, und am Stundenende auswerten) ist es ab und zu notwendig, sich in einem längeren Unterrichtsabschnitt mit phonetischen Problemen zu beschäftigen (vgl. auch Dieling 1992, Cauneau 1992). Es gibt viele Möglichkeiten, an einem phonetischen Schwerpunkt zu arbeiten, einige sind in den Beiträgen dieses Heftes beschrieben. Als Grundlage für Variationen könnte folgende Schrittfolge dienen: 1. vorbereitende Hörübung (eintauchen, sensibilisieren, auf das zu übende Element, z.B. Melodie, orientieren); 2. Problem bewußtmachen, Erklärungen, Regeln, Beispiele geben; 3. kontrollierbare Hörübungen zur Diskrimination und Identifikation; 4. Automatisierungsübungen (nachsprechen, synchron mit dem Tonband mitlesen, lesen);
5. Einsetz-, Ergänzungs-, Antwortübungen (Verbindung mit Grammatik und Lexik); 6. gestaltendes Lesen, Vortragen, freies Sprechen, Variieren, Sprachspiele, Spielszenen. Wichtig ist es, die Lernenden zu aktivieren, ihre Kreativität herauszufordern. Wenn Übungsbeispiele nicht immer vorgegeben, sondern von der Klasse gefunden werden, macht es mehr Spaß, und auch aus der Situation geborene Nonsense-Sätze (Peter und Paul packen Pakete für Papas Papierkorb.) sind nicht lächerlich, sondern lustig. Wichtigster Grundsatz:
Phonetik soll Spaß machen – den Lernenden und den Lehrenden auch!
6. Zu den Beiträgen in diesem Heft In diesem Heft werden einige der oben benannten Probleme aufgegriffen. Es geht vor allem um praxisnahe Fragen und Anregungen, theoretische Aspekte sind dem untergeordnet. Lediglich am Ende des Heftes werden einige Regularitäten zusammengefaßt (Goroshanina, Hirschfeld). Deutschlehrer, Sprechwissenschaftler und Phonetiker berichten über ihre Ideen und Erfahrungen aus dem Unterricht mit jüngeren Schulkindern (Schön) und mit heterogenen Erwachsenengruppen (Frey). Sie machen Vorschläge für neue Ansätze im Unterricht (Fischer, Hanke), setzen Schwerpunkte (Klimov), geben Empfehlungen für die Kontrolle und Bewertung von Ausspracheleistungen (Mebus) und stellen Übungen, ja ganze Lektionen zu bestimmten, wesentlichen Schwerpunkten vor (Meunmany/ Schmidt, Bose, Lauterbach/Merzig de Kübl, Kim, Karpova, Reinke). Gerade darin, in diesem umfassenden Übungsangebot, unterscheidet sich dieses Heft von FREMDSPRACHE DEUTSCH von den vorangegangenen. Die Lektionen (S. 31 ff.) folgen einer bestimmten, vorgeschlagenen Typologie, einer Schrittfolge, wie sie in diesem Beitrag in Abschnitt 5 beschrieben wurde. Die Autorinnen und Autoren haben mit viel Phantasie Material zusammengestellt, das Sie mit Hilfe der Übungskassette direkt im Unterricht einsetzen können. Probieren Sie alles aus, stürzen Sie sich am Gummiseil in die Lehre. Es lohnt sich.
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Von Wolfgang R. Fischer
Der Lärm wird zwar den Buchgelehrten bei der Stillarbeit, den traditionellen „Arbeits“-Kollegen im Nachbarraum und die überkommenen Vorstellungen manches Vorgesetzten vor den Kopf stoßen. Der dann heftig auf den Tisch haut. Oder „Scht“,„Scht“ macht. Oder sonorig brüllt. Wenn er deutscher Muttersprachler ist, soll er das ruhig tun – weil er da endlich seinen Energieaustausch in Schwung bringt: aber rhythmisch, nachhaltig und beschwörend muß es sein. Und wenn dann noch ein paar freche Kinder den Singsang nachmachen und die Klassenkameraden ihn verinnerlichen – haben Sie gewonnen. Ein wichtiges Ziel des Ausspracheunterrichts ist erreicht: das Eindringen in den suprasegmentalen Bereich: Rhythmus, Melodie, Akzent, Emotion, Intention. Alles was nicht im Lehrbuch steht. Haben Sie auch an die Atempausen gedacht – beim Lesen dieser Sätze – beim lauten Lesen natürlich? Ausspracheunterricht ist Turn-, Musik-, Theater- und Tanzstunde zugleich. Er schließt grundsätzlich den ganzen Körper, Stimme, Atmung, Gestik, Gefühle und Bilder ein. Er macht abstrakt nur unzulänglich Beschreibbares durch eigenes Nachvollziehen verfügbar: spielerisch, anschaulich, suggestiv,
Gummiseil
Auszugehen ist von Marktschreiern, Pferdegetrappel, Kaspertheater. Dazu rhythmisches Brüllen der Fußballfans und Hammerschläge auf die erste Silbe des Bürgermeisters. Natürlich immer laut. Pate stehen Opernsänger, Clowns, Sprecherzieher – und wer will, kann auch einfach klatschen. Rhythmisch natürlich.
Wagnis Aussprache oder Wie man sich am
Foto: dpa/Augstein
Am Anfang ist ... ein Lehrer oder eine Lehrerin. Sie müssen Neues versuchen, unkonventionelle Wege gehen, sie zunächst an sich selbst ausprobieren. Anstöße dazu – ein wenig provozierend – geben Wolfgang R. Fischer und Eva Hanke von der Arbeitsgruppe „Aussprache“ am Goethe-Institut Lyon.
in die Lehre stürzt
unangepaßt mit der Zunge schnalzend. Er verstärkt durch Freude. Lust an Deutsch. Die Kirsche kauen. Langsam im Munde zergehen lassen. FFFT: den Kirschkern ausspucken. (Falls Sie es nicht gemerkt haben: das war hocheffizienter Phonetikunterricht!) „L'allemand, c'est super !“ sagen Schüler, die von einem Kollegen nach diesen Methoden unterrichtet werden – oder wie man in Deutschland so treffend sagen würde: Einfach „Fun“.
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(Aus-)Sprechen ist viel mehr als die Bildung und Kombination von Lauten, es ist verbunden mit Atmung, Bewegung und Emotion. Beispiele aus der Schauspielarbeit zeigen, wie man über das Fühlen und Spielen zum richtigen Sprechausdruck findet. Der Körper braucht die Sprache. Und die Sprache braucht den Körper. Wenn beide sich mögen, ist's einfacher, lebendiger und macht mehr Spaß.
SKp ör ra pc ehre Von Eva Hanke
In einer fremden Sprache ist das nicht immer selbstverständlich und schon gleich gar nicht von vornherein gewährleistet. (Vielleicht darf man in diesem Zusammenhang ganz kurz daran erinnern, daß die emotionale Einstellung zur deutschen Sprache trotz der 50 verstrichenen Jahre nicht immer und überall mit Spaß verbunden ist. Frankreich ist ein traditionsgebundenes Land, und allein das neue Image als „Wirtschaftserfolgssprache“ ist kein wirkliches Gegengewicht.) Ich gehe davon aus, daß jeder Gedanke, jedes Gefühl meinen Blutdruck verändert, meine Muskelspannung beeinflußt – lächeln Sie jetzt oder sehen Sie diesen Text mit skeptischem Zug um den Mund an? Ihre Atmung stockt auf alle Fälle, sie kann gar nicht außerhalb bleiben, denn Atmung ist Leben. So sehr ein Tänzer, ein Schauspieler, ein Musiker, ja ein Maler seine Atmung zum Umsetzen der schöpferischen Idee und Kraft braucht, so sehr braucht ein Sprecher, jeder, der etwas zu sagen hat oder einfach etwas sagen will, seine Atmung, um den anderen überzeugend ansprechen zu können. Auch Langeweile beeinflußt unseren Körper, aber nicht positiv. Daher die Idee, mit der Schauspielarbeit an den Deutschunterricht heranzugehen. Zuerst an den Lehrer, an die Lehrerin und zunächst nur zu deren eigenem Vergnügen. Wir pflücken Kirschen, schieben Autos, werfen uns imaginäre Schneebälle gegenseitig an den Kopf, werden ganz klein
und ganz groß, werden zur Statue, beobachten unsere Atmung, unsere Körpermitte, die Intensität und Gefühlslage unserer Gedanken. Last not least entspannen wir uns. Anschließend, hoppla, schwupp di wupp, schwop und pop geht's zu den Sprechübungen. Sprache als sinnlicher Genuß. Worte in den Mund nehmen. Bitte fühlen Sie sie doch wie ein Feinschmecker. Nicht wie ein Vielfraß. Dabei können Sie die Lautfarben der deutschen Sprache voll auskosten. Stellen Sie sich vor einen Spiegel und flüstern Sie „Feinschmecker“, wobei Sie die Laute mit den Lippen deutlich nachvollziehen und den Sinn des Wortes im Mund schmecken. „Versuchen“ Sie dann das Wort „Vielfraß“. Machen Sie dasselbe mit „flüstern“ und „schreien“. Die deutsche Sprache ist sehr lautmalerisch und kann äußerst sinnlich sein. Atmung, Aussage, Mitteilungsbedürfnis und Lautformung durch die Muskulatur haben einen direkten Zusammenhang. So arbeiten wir zunächst an der Verstärkung der Aussage durch Intonation, Blick und Körperhaltung. Wenn ich „ja“ sage, meine ich das in diesem Falle auch so. Anwendungsphase ist das Spielen selbsterfundener Szenen. Viel Text ist dazu nicht nötig. Hauptsache ich weiß, was ich wem, wie und warum sagen will. Mit „Dankeschön“ kann ich von der hellen Freude, über pure Höflichkeit bis zur tiefsten Ablehnung schon jede Menge ausdrücken. „Oh, da ist ein Hund!“ Ob der Hund, dem ich begegne, groß und Angst einflößend oder klein und niedlich und - warum nicht - bissig ist, kann ich auch ohne zusätzlichen Text mit ein wenig Phantasie und Körperspiel (oder -energie) deutlich machen. Kommunikation entsteht, wenn plötzlich der Hundebesitzer erscheint oder ein Nachbar, der nun kein Hundefan ist, oder wenn einer der beiden Gesprächspartner nun aus Versehen in eine Hundekacke tritt, während er gerade das niedliche Hündchen streichelt... Phantasie und spontanes Reaktionsvermögen sind erwünscht, und das Lachen ist entspannend und wohltuend. Durch Spiel und Entspannung eine Fremdsprache anzugehen, erweist sich als hilfreich beim Abbau von Sprechhemmungen, beim Verbessern der Aussprache und beim Aufbau von Motivation. Es wird oft behauptet, Motivation sei die erste und wichtigste Komponente beim Erwerb einer Fremdsprache. Etwas wirklich tun, fühlen, ausdrücken… motiviert mehr als das Lesen abstrakter Zeichen oder das Hören von Impulsen. Die Erinnerung an emotional besetzte Sprache ist intensiver, langfristiger und weniger kopflastig: sie geht unter die Haut.
Foto: Petra Schramek Fremdsprache Deutsch Heft 12/1995 – Aussprache, ISBN 978-3-19-889183-4, © Hueber Verlag 2007
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Verschiedene Muttersprachen in einer Gruppe machen den Unterricht interessant. Aus phonetischer Sicht gibt es aber vieles zu bedenken. Es ist nicht so einfach, Übungsinhalte und -formen zu finden, die für alle Lernenden – bei ihren unterschiedlichen Schwierigkeiten – gleichermaßen interessant und wirkungsvoll sind.
1. Die Situation in heterogenen Gruppen Phonetikunterricht in heterogenen Lernergruppen konfrontiert die Lehrperson immer mit ganz spezifischen Schwierigkeiten: 쏆 Der Lehrperson ist es nicht möglich, auf eine von allen Kursteilnehmern gesprochene Bezugssprache zurückzugreifen und phonetische Phänomene (Aussprachefehler der Lernenden und notwendige Erklärungen bzw. Übungsschritte) in dieser Sprache bewußtzumachen. 쏆 Die Lehrperson kennt in der Regel auch nicht die phonetischen Grundlagen aller im Kurs vertretenen (Mutter-)Sprachen, so daß sie nicht auf alle Aussprachefehler (und hier insbesondere auf die Interferenzfehler) gezielt eingehen kann. 쏆 Niemand aus der Lerngruppe darf sich langweilen, es muß also – trotz der unterschiedlichen Interferenzprobleme – ein für alle interessantes Übungsprogramm angeboten werden. Dies beinhaltet ein zweifaches Problem: zum einen sollen Sprecher recht exotischer Muttersprachen, die in Kursen immer zahlenmäßig „unterlegen“ sind (z. B. Sprecher des Tagalog oder einer afrikanischen Sprache), nicht den Eindruck gewinnen, auf ihre Ausspracheprobleme würde nicht dieselbe Sorgfalt verwendet wie z. B. auf die meist häufiger vertretenen Sprecher des Englischen oder Italienischen. Zum anderen darf sich die Lehrperson sowieso grundsätzlich nicht mit einer Lerner-Sprachgruppe und deren Schwierigkeiten zu lange befassen, da die anderen Kursteilnehmer (gerade im phonetischen Training)
Phonetikunterricht in heterogenen Lernergruppen. Ein Erfahrungsbericht Von Evelyn Frey zu der Auffassung gelangen könnten, man beschäftige sich zu wenig mit ihnen und zuviel mit den anderen. 쏆 Dem phonetischen Training wird im Unterricht meist nicht viel Zeit und Interesse eingeräumt. Ursache mag zum einen die oft vorgebrachte Angst vieler Lehrer vor der großen Unbekannten „Phonetik“ sein (m. E. aber sicher nur zum Teil), zum anderen – und dies scheint mir viel wesentlicher zu sein – bieten Lehrbücher und Fachliteratur viel zu wenig passende, schnell anwendbare, leicht umzusetzende und dennoch effiziente phonetische Übungen. 쏆 Neben den Unterschieden in den Ausgangssprachen können – auch innerhalb einer sprachlich (und evtl. kulturell) homogenen Gruppe – weitere Faktoren der Heterogenität auftreten, an die der Phonetikunterricht anzupassen ist. Hier nur zwei Beispiele: a) Das Alter der Lernenden Die Teilnehmer der Lerngruppe können zu unterschiedlichen Altersgruppen gehören, das verlangt von der Lehrperson unterschiedliche „didaktische Umgangsformen“. b) Das sprachliche Niveau der Lernenden Während in konventionellen Sprachkursen von einem einheitlichen Niveau ausgegangen werden kann, bietet sich in reinen Phonetikkursen oft das Problem, daß Fortgeschrittene mit Anfängern zusammen in einer Lerngruppe sind, weil sie immer noch dieselben Ausspracheschwierigkeiten haben. Phonetische Übungen müssen deshalb leicht verständlich und auch für den Anfänger einfach umsetzbar sein, ohne dabei den Fortgeschritteneren zu langweilen.
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2. Anforderungen an ein Phonetikprogramm Angesichts der geschilderten spezifischen Situation beim Unterricht in heterogenen Lerngruppen werden auch an ein Phonetikprogramm besondere Anforderungen gestellt:
Im folgenden werden Übungsformen vorgestellt, die sich in der Unterrichtspraxis bewährt haben.1 Das Hauptgewicht liegt dabei auf „universellen“ Übungen, die unabhängig von der Muttersprache der Lernenden einsetzbar sind. Es wird zusätzlich auf „individuelle Übungen“ verwiesen, die bei besonderen Fehlern einzelner Kursteilnehmer empfehlenswert sind. Alle hier beschriebenen Methoden2 wurden im Erwachsenen- und im Jugendunterricht erprobt und jeweils entsprechend modifiziert. In allen Stufen wurden vergleichbare Erfolge erzielt, und bei Umfragen zeigte sich erstaunlicherweise auch eine überzeugende Übereinstimmung in der Beurteilung von Beliebtheit und Effektivität.
3. Universelle Übungen „Universelle Übungen“ sind immer, unabhängig von der Muttersprache, einsetzbar. Gerade solche Übungen sind für heterogene Gruppen von enormer Bedeutung, da sie alle Kursteilnehmer ansprechen und nach längerer und regelmäßiger Anwendung auch recht gute Erfolge zeigen. 쏆 Um die Lernenden für phonetische Besonderheiten des Deutschen zu sensibilisieren, können Wortgruppen, Sätze und kleine Texte geflüstert werden. Damit werden sowohl die Deutlichkeit der Aussprache als auch die Atemtechnik positiv beeinflußt. 쏆 Die Lehrperson muß auf leicht anwendbare Übungen zurückgreifen können, die im Sprachunterricht schnell „zur Hand“ sind, d. h. immer dann, wenn ein Ausspracheproblem auftaucht. 쏆 Die Lehrperson braucht Übungen, die alle Mitglieder der Lerngruppe mitmachen können (und die Spaß machen sollen), damit sich niemand beim phonetischen Training ausgeschlossen fühlt. 쏆 Es muß ausreichend Material vorhanden sein, und die Übungen müssen für längere Arbeitsabschnitte geeignet sein, damit Phonetik zu einem ebenso festen Bestandteil des Unterrichtens wird, wie es z. B. Übungen zur Grammatik oder zum Lesen und Hören sind. 쏆 Die Lernenden sollen Übungen und Übungsmechanismen kennenlernen, die sie auch außerhalb des Unterrichts selbständig anwenden können, denn Ausspracheproblemen wird immer dann effektiv entgegengewirkt, wenn die Lernenden täglich (und sei es auch nur für kurze Zeit) bestimmte Übungen machen.
쏆 Um Melodie und Rhythmus bewußtzumachen, können kürzere Äußerungen „gesummt“ oder „gebrummt“ werden. Cauneau (1992) verwendet diese Methode: Durch Entfernen bestimmter Frequenzen von normal gesprochenen Aufnahmen wirken Texte (Dialoge) „gebrummt“. Die Lernenden sollen erkennen, ob es sich um deutsche Frage- oder Aussagesätze handelt, ob ein Mann oder eine Frau spricht, was der Inhalt des Dialogs sein könnte usw. In meinem Unterricht habe ich die Erfahrung gemacht, daß diese Didaktisierungsmethode meist nur in recht fortgeschrittenen Lernergruppen anwendbar ist, viele andere Kursteilnehmer werden leicht überfordert und verlieren schnell die Lust an der Phonetik. In modifizierter Weise scheint „Brummen“ aber eine gute Methode zu sein, sich mit der deutschen Intonation zu beschäftigen, ohne auf eine korrekte Bildung von Einzellauten achten zu müssen. Besonders zu empfehlen ist, den Lernenden eine Liste mit Sätzen vorzulegen, die von ihrem Intonationsmuster her leicht zu unterscheiden sind. Ein Kursteilnehmer brummt einen Satz, die anderen müssen erraten, welcher Satz das war usw.
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쏆 Eine Kombination aus Phagophonetik (mit vollem Mund sprechen) und Zungenbrechern3 erweist sich im Unterricht immer als „der Renner“. Die Lernenden versuchen, mit vollem Mund (gut geeignet sind Brötchen) möglichst deutlich zu sprechen. Es gibt genügend Zungenbrecher für die typischen Schwierigkeiten der Lernenden (für Griechischsprachige z. B. „Zwischen zwei Steinen zischen zwei Schlangen.“ mit der Häufung von [∫]-Lauten, für Italiener z. B. „In Ulm und um Ulm und um Ulm herum.“ mit der Häufung von festen Vokaleinsätzen usw.). Durch das Sprechen mit vollem Mund wird die Konzentration auf das Erfühlen der richtigen Artikulationsstelle gelenkt. Werden die Zungenbrecher anschließend mit leerem Mund gesprochen, zeigt sich eine wesentliche Verbesserung in der Artikulation. Schwierige Lautkombinationen werden nun ohne größere Probleme bewältigt. 쏆 Beliebt sind Texte ohne Groß- und Kleinschreibung und ohne Interpunktion, d. h. eine Aneinanderreihung von Buchstaben, die in korrekte Orthographie zu übertragen und laut vorzulesen ist. Die Kursteilnehmer müssen sich dabei sehr intensiv mit dem Text beschäftigen und besonders über die Gliederung und die Verbindung von Wörtern zu rhythmischen Gruppen nachdenken. Positives Nebenprodukt könnte auch die Beschäftigung mit Orthographie und grammatikalischen Strukturen sein. 쏆 Alle phonetischen Übungen können durch Gesten oder Klatschen/Klopfen begleitet werden. Bestimmte Gesten untermalen z. B. gut die steigende Intonation im Fragesatz oder die Länge eines Vokals. Durch Klatschen/Klopfen kann die Silbenzahl und die Hervorhebung der betonten Silbe verdeutlicht werden. 쏆 Spiele können die Freude an der (zuweilen recht trockenen) Materie fördern. Ein gutes Beispiel dafür ist das „Vokale-Spiel“ (auch: „Namenspiel“): Jeder erhält ein Schild mit einem deutschen Familiennamen. Die Namen unterscheiden sich nur in einem Bestandteil, sie sind ihrer Struktur nach Minimalpaare (z.B. Müller, Mühler, Maller, Mäller usw.). Beim gegenseitigen Aufrufen („Ich rufe Herrn/Frau Mahler“ etc.) lernen die Kursteilnehmer zum einen, recht genau hinzuhören, zum anderen ist der Aufrufende um eine deutliche Aussprache bemüht, da er ja verstanden werden möchte. Ob er richtig verstanden wurde bzw. ob er deutlich genug gesprochen hat, zeigt sich umgehend daran, wie viele Namensschil-
der hochgezeigt werden. Im optimalen Fall sollte sich nur ein Kursteilnehmer angesprochen fühlen.
4. Individuelle Sprechübungen Gut geeignet für individuelles Üben sind z. B. die in Cauneau (1992) für jeden einzelnen Laut zusammengestellten Übungssätze4. Zu empfehlen sind z.T. auch Minimalpaar-Übungen, das Üben vor dem Spiegel, zuweilen auch der Hinweis auf bestimmte Artikulationsbesonderheiten usw. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß nahezu jede Lehrperson (und auch überraschend viele der Lernenden) die eine oder andere Methode aus einem anderen Unterricht, z. B. der Gesangsschulung, kennt („Gurgeln“ zum Erlernen des Unterschieds von Ich- und Ach-Laut im Deutschen; U-Lippenrundung und I-Zungenstellung zur Aussprache der Ü-Laute; „Schnurren wie eine Katze“, den „Laut der Tse-Tse-Fliege nachmachen“ usw.). Diese und ähnliche Mechanismen haben m.E. einen guten Platz bei den individuellen Sprechübungen. Ganz besonders hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch die umfangreiche Fachliteratur zum Ausspracheunterricht mit Angehörigen einer bestimmten Sprachgruppe (u.a. Eismann 1976; Kelz 1982; Hirschfeld 1984, 1985, 1991; Dieling 1993 usw.), in der sich meist ganz ausgezeichnete Übungen zu bestimmten individuellen Aussprachefehlern finden lassen.
5. Schlußbemerkung Die hier beschriebenen Übungen (universelle und individuelle) eignen sich zum Einsatz im konventionellen Sprachunterricht und auch in eigenständigen Phonetikkursen. Auf Vollständigkeit kann ich selbstverständlich keinen Anspruch erheben, und gerade in der Phonetik wäre dies mehr schädlich als nützlich. Denn in keinem anderen Unterrichtsbereich ist unsere Phantasie so gefordert wie hier. Alle hier vorgestellten Übungen sollten als Anregungen verstanden werden; für die jeweils neuen Anforderungen in den unterschiedlichen Gruppen können und müssen sie modifiziert werden.
Anmerkungen: 1 Für eine vollständige Zusammenstellung aller von mir entwickelten bzw. modifizierten Übungen und eine ausführliche, für den Unterricht aufbereitete Darstellung vgl. Frey 1995. 2 Für die genauen statistischen Erhebungen und Umfrageergebnisse bei den Teilnehmern konventioneller Sprachkurse und reiner Phonetikkurse vgl. Frey 1993, 200-202. 3 auch „Frey-Methode“, ausführlich dazu und zu einer umfangreichen Zusammenstellung geeigneter Zungenbrecher vgl. Frey 1993, 200. 4 Weitere ausführliche Übungssätze incl. Tonmaterial in Frey 1995.
Literaturverzeichnis: Barry, W. J.: Ausspracheunterricht mit heterogenen Lernergruppen. In: Materialien Deutsch als Fremdsprache 30/1991, 69-77. Cauneau, I.: Hören - Brummen Sprechen. Klett Edition Deutsch: München 1992. Dieling, H.: Probleme der deutschen Phonetik für Sprecher asiatischer Tonsprachen. In: DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE 1/1993, 35-39. Eismann, W.: Für eine phonologische Basis der Ausspracheschulung im Russischunterricht. In: PRAXIS DES NEUSPRACHLICHEN UNTERRICHTS 2/1976, 178-185. Frey, E.: Kursbuch Phonetik. Lehr- und Übungsbuch der deutschen Phonetik. Max Hueber Verlag: Ismanning 1995. Frey, E.: Angewandte Phonetik im Unterricht Deutsch als Fremdsprache: Methoden und Erfahrungen. In: ZIELSPRACHE DEUTSCH 4/1993, 195202. Hirschfeld, U.: Auswahlbibliographie zu Phonologie und Phonetik verschiedener Ausgangssprachen unter besonderer Berücksichtigung der Konfrontation mit dem Deutschen. In: DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE 3/1984, 186-192. Hirschfeld, U.: Theoretische Grundlagen für phonetische Übungen mit Vietnamesischsprechenden. In: Grundlagen für phonetische Übungen 2/1985, 74-90 (HerderInstitut). Hirschfeld, U.: Verständlich sprechen. In: DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE 3/1991, 156-160. Kelz, H.-P.: Deutschunterricht mit Südostasiaten. Dümmler Verlag: Bonn 1982. Kreuzer, U./Pawlowski, K.: Deutsche Hochlautung. Ernst Klett Verlag: Stuttgart 1971.
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Foto: Andreas Fischer
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Rhythmusübung: Ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm
Mit Einfühlungsvermögen und Ideen können „trockene“ phonetische Korrekturen in Spiele verwandelt werden, die Lernenden (und Lehrenden) Spaß machen, die motivieren und einen anhaltenden Lerneffekt erzielen.
Ausspracheübungen mit Schulkindern Von Bárbara Schön „Warum sprechen die Kinder das schon wieder falsch aus?“ Das war eine brennende Frage, die mich vor einiger Zeit veranlaßte, mir darüber Gedanken zu machen und auf Abhilfe zu sinnen. Artikel und Fachbücher, Erfahrungsaustausch mit Kollegen und eigene Versuche halfen mir auf den Weg. Meine Schüler sind zwischen vier und vierzehn Jahre alt. Je älter die Lernenden sind, desto gefestigter sind in ihnen das Lautsystem und die Sprechgewohnheiten ihrer Muttersprache, und desto schwerer tun sie sich im unbefangenen Nachsprechen der fremdsprachigen Laute.
Selbst das Wahrnehmen der Zielsprache ist durch den muttersprachig strukturierten Filter beeinträchtigt. Uns Lehrern wäre sehr geholfen, wenn wir Fehlerquellen voraussehen und Aussprachefehler kontinuierlich und konsequent angehen könnten. Uns muß bewußt werden, daß unsere Schülerinnen und Schüler etliche Laute und Intonationsmuster völlig neu lernen müssen und sie nicht mit den ihnen aus ihrer Muttersprache bekannten identifizieren dürfen. Auch wenn eine lautreine Aussprache wohl kaum zu erreichen ist, sollten wir Aussprachefehler nicht bagatellisieren und Hör- und Ausspracheübungen nicht vernachlässigen. Fremdsprache Deutsch 12
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Fehlerquellen Jede Sprache hat ihre besonderen Hürden, die für die Lernenden, je nach deren Muttersprache, leichter oder schwerer zu überwinden sind. Zu den häufigsten Fehlerquellen gehören die Interferenzen aus der jeweiligen Muttersprache. Aber auch Kontrastmangel, Übergeneralisierung, eine eventuell vorhandene Interimsprache u.a. sind Ursachen für Abweichungen. Helga Dieling (1991) nennt folgende, unabhängig von der Muttersprache der Lernenden häufig auftretende Fehler: Wort- und Satzakzentfehler, Verstöße gegen die Regeln der Koartikulation, ungenügende Differenzierung von Lang- und Kurzvokalen, Substitutionen lang – kurz („Wall“ statt „Wahl“), fehlender Neueinsatz („verreisen“ statt „vereisen“, Substitutionen von Vokalen, z. B.: [y][i] („Tier“ statt „Tür“), Substitutionen von Konsonanten, z. B. [s][∫] („Tasche“ statt „Tasse“), Hinzufügen von Lauten, z. B. [N] [Ng](in „lange“) oder [e] („Espanien“ statt „Spanien“), Weglassen von Lauten, z. B. „Eis“ statt „heiß“, oder das Verschlucken von Lauten in Konsonantenhäufungen, z. B. „Wolfbur“ statt „Wolfsburg“, „Franfur“ statt „Frankfurt“. Diese Fehlerliste stellt keine Rangordnung dar und will auch nicht vollständig sein, obwohl, so Helga Dieling, Akzentfehler bewußt an den Anfang gesetzt worden sind, da sie tatsächlich zu den „schlimmen“ Fehlern gehören.
Vorstufe: Hörübungen Wie Ilse Cauneau (1992) darlegt, ist die Hörschulung eine unerläßliche Vorstufe auch zum guten Sprechen. Die allerersten Schritte sind:
Atemübungen: Sie stärken das Gefühl für Konzentration und bewußtes Sprechen.
Klatschen und Klopfen: Hier sollen die Lernenden unterschiedliche Klatsch- und Klopflaute im Raum lokalisieren und dann wiedererkennen: 1. „Wer hat geklatscht?“ Ich stelle in jede Ecke des Klassenraumes und auch an die Wand je einen Schüler. Die restlichen schließen die Augen und müssen hören, welches der stehenden Kinder (auf ein Handzeichen von mir) geklatscht hat.
2. „Wie habe ich geklatscht?“ Vier unterschiedliche Arten zu klatschen sollen wiedererkannt werden: in die hohle Hand, die gestreckten Handflächen gegeneinander, nur mit den Fingern auf die untere Handfläche, die Handrücken gegeneinander. 3. „Wie habe ich geklopft?“ Unterschiedliche Arten zu klopfen sollen wiedererkannt werden (z. B. auf den Tisch, an die Wand, an die Tafel, auf den Boden). 4. Rhythmusklatschen Ich klatsche zunächst einen einfachen, später einen komplexeren Rhythmus. Die Schüler nennen mir alle ihnen bekannten Wörter oder Satzsegmente, die darauf passen, z. B.: • •: al-lein, sei still, gib her, ver-flixt.
Brummen: Nach Ilse Cauneau erleichtert „gut brummen“ das Hörverständnis und die Aussprache. Satzmelodie, Akzente, Pausen können viel leichter erfaßt werden. Also: Vor dem Sprechen den Satz erst brummen (lassen).
Sinnenbetont – spielerisch – exotisch In unserer Arbeit mit Schulkindern, vor allem mit jüngeren, müssen wir folgendes beachten: sie können nicht allzulange ihre Konzentration aufrechterhalten, und die Motivation, ihre Aussprache zu verbessern, ist auch nur begrenzt. Aus diesen Gründen haben wir mehr Aussicht auf Erfolg, wenn wir die Hör- und Ausspracheübungen sinnenbetont, spielerisch und exotisch gestalten. Wenn neue Laute – isoliert oder im Kontext – nicht nur akustisch, sondern auch durch optische und motorische Hilfen unterstützt dargeboten werden, gelangen sie über unterschiedliche Kanäle ins Gehirn und verankern sich leichter im Gedächtnis. Eine unschätzbare Hilfe ist der Einsatz von Gebärden, die z.B. die Lippenrundung von einigen Vokalen und dem Laut [ ∫ ] hervorheben oder die Dehnung der langen Vokale verdeutlichen.
Kinderzeichnung
Die Adjektive „spielerisch“ und „abwechslungsreich“ sind wichtige Faktoren in der Arbeit mit Schulkindern. Und „exotisch“ bezieht sich besonders auf die Art der Verbesserung, die über das wiederholte Richtig-Vorsprechen des Lehrers hinausgehen sollte. Dazu gehört die „korrektive Verzerrung“, die den zu übenden Laut im
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Anmerkungen (Verbesserungsstrategien): Den zu übenden Laut isoliert oder im Kontext, im Chor, in Kleingruppen, freiwillig einzeln oder pro Bank nachsprechen lassen. Tonfall, Tempo, Intensität, Tonlage, Kontext variieren. Nicht zu lange Übungsphasen ansetzen, dafür aber häufig und regelmäßig üben.
Zu 2. Echoübungen Den Laut im Logatom, im Wort, im Satzsegment und schließlich in ganzen Sätzen üben. Dabei die Sätze von hinten aufbauen: > Wanne? > Badewanne? > Die wunderbare Badewanne? > Ist das die wunderbare Badewanne? Die Verbesserungsstrategien sind die gleichen wie bei den Diskriminationsübungen. Kinderzeichnung
Kontext besonders hervorhebt, z. B. durch unterschiedliche Lautstärken und Tonhöhen wie flüstern, schreien, quieken, murmeln,... oder durch Variation des Sprechtempos oder des Tonfalls, z.B. fragend, schläfrig, ärgerlich, befehlend. Eine weitere Hilfe ist das gedehnte Sprechen bestimmter Laute wie Vokale, Frikative und Nasale. Doch vor und auch nach dieser ungewöhnlichen Sprechweise sollten die Kinder den zu übenden Laut im normalen Sprechtempo und im Kontext hören und sprechen.
Ausspracheübungen – ganz konkret
Literaturverzeichnis: Baur, A.: Bli -Bla -Blu. Verse und Lieder, die bei Kindern Freude am schönen Sprechen wecken wollen. Mellinger Verlag: Schaffhausen 1976. Cauneau, I.: Hören – Brummen – Sprechen. In: FREMDSPRACHE DEUTSCH, 7/1992, 28-30. Dieling, H.: Nicht bagatellisieren. Phonetische Fehler im Fremdsprachenunterricht. In: DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE 2/1991, 111-115. Göbel, H./Graffmann, H./Heumann, E.: Ausspracheschulung Deutsch. Inter Nationes: Bonn 1986. Schön, B.: Warum sprechen die Kinder das schon wieder falsch aus? In: DER DEUTSCHE LEHRER IM AUSLAND 1/1984, 40-46.
Als Grundabfolge – immer vom Einfacheren zum Schwierigeren – üben die Lernenden, einen Laut 1. wiederzuerkennen (Diskriminationsübungen), 2. nachzusprechen (Echoübungen), 3. zu reproduzieren, ohne ihn unmittelbar vorher gehört zu haben.
Beispiele: Zu 1. Diskriminationsübungen a) Wo hörst du das „we“ ? Aus einer Folge von Logatomen (Silben ohne Sinn) soll der „richtige“ Laut herausgehört werden. Je nach Konzentrationsfähigkeit der Kinder kann man die Logatomreihe verlängern oder verkürzen: be – fe – ze – we – pe b) Wann ist es falsch? Die Kinder sollen heraushören, wann es „falsch“ war. Sie zeigen mir an den Fingern, ob es das erste, zweite, dritte oder vierte Mal war: we – we – fe – we
Zu 3. Reproduzieren, ohne den zu übenden Laut unmittelbar vorher gehört zu haben Diese Übungen sind als dritte Übungsphase gedacht, als Wiederholung und Festigung von vorher Geübtem. a) Lückensätze, z. B.: Sieben Uhr morgens. Der ...................... klingelt. b) Nonsense-Sätze und Kinderreime: Humor, Reim und Rhythmus bereiten Freude am Sprechen und bauen Hemmungen ab. Schulkinder malen auch gern Bilder dazu, die später als stummer Impuls dienen. Beispiele: [e:] Es steht ein Reh im Schnee am See. Oh weh! Oh weh! [ ∫ ] Zwei Schweine schwimmen schlecht. [o:] Oh! Oh! Mich beißt ein Floh. Wo? Wo? Am Po! [ts] Die Ziege steht hinterm Zaun. Was tut sie? Was tut sie? Sie frißt vom Zwetschgenbaum. Ziege, meck, meck, geh weg! [h] Hans hat hundert Hosen an. [z] Sieben liebe Riesen liefen durch die Wiesen. Als die Winde bliesen, kriegten sie das Niesen. Alle Übungen sind in der Praxis erprobt und machen nicht nur Schulkindern Spaß. Wenn uns Lehrern die besondere Bedeutung von Hör- und Ausspracheübungen bewußt wird, brauchen wir nicht mehr so oft zu stöhnen: „Warum sprechen die Kinder das schon wieder falsch aus ?“
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Die hier für das Sprachenpaar Französisch – Deutsch dargestellten „Stolpersteine“ und vor allem die ganzheitlich und kraftvoll angelegten Techniken, sie beiseite zu räumen, lassen sich sehr gut auf andere Lerngruppen übertragen. Man atme tief ein, und los geht es ... Der Lehrer schiebt seine beiden angewinkelten Arme in einer bestimmten Weise nach vorne und folgt dem fliehenden „h“, das den Vokal mitzieht… Er breitet seine Arme relativ weit aus und läßt – lust- und klangvoll – einen langen Vokal ertönen. Er preßt – als ob er einen riesigen, prall aufgeblasenen Luftballon mit gleichem Volumeninhalt wie bei der vorigen Geste zusammenzudrücken hätte – seine Hände gegen das imaginäre Hindernis (das bis zu einem bestimmten Punkt nachgibt) und stößt den kurzen, betonten Vokal aus. Seine Schüler und Schülerinnen folgen ihm, wie man im Sportunterricht Gymnastikübungen nachmachen und beim Gesangsunterricht atmen würde. Solche und ähnliche Gesten und Körperbewegungen helfen einem Sprecher, der von den quantitativ immer gleichförmigen Betonungsregeln des französischen Vokalsystems herkommt, artikulatorisch und atmungstechnisch die so nahen und doch so schwer zu erfassenden deutschen (Vokal-)Nachbarn deutlich, bewußt und richtig zu imitieren. (Wird später ein Fehler gemacht, zeigt der Lehrer lediglich die Geste, und die Schüler korrigieren sich selbst.)
Kontrastiv Aussprache unterrichten: Vorbild Gymnastik und Gesangsunterricht Von Wolfgang R. Fischer
Durch Gesten verdeutlichen Für die betonten und unbetonten Silben – besonders in mehrsilbigen Wörtern – hilft notfalls ein Schlag mit der flachen Hand oder dem Bleistift auf den Tisch zur Verdeutlichung. Ein imaginärer Hammerschlag beim Sprechen der Haupttonsilbe ist noch wirkungsvoller, um den von frankophonen Sprechern oft bis zur Unkenntlichkeit entstellten deutschen Mehrsilbern wieder zu ihrer ursprünglichen Identität zu verhelfen. Haupt- und Nebenakzent in zusammengesetzten Wörtern lassen sich in einem zweiten Durchgang mit großen – Bergplateau oder Wasserspiegel zeichnenden – Gesten auf unterschiedlicher Höhe verdeutlichen ... und so weiter. Die Methode, die diesem Vorgehen zugrunde liegt, entstand und entsteht aus der Praxis. Sie wäre wohl am ehesten nach ihrem Hauptmerkmal als „kontrastive Aussprache“ zu charakterisieren, da diejenigen Merkmale der deutschen Sprache, die in der Ausgangssprache Französisch grundlegend anders sind oder nicht existieren, zunächst angesprochen, überbetont, übertrieben und nachhaltig geübt werden.
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Es geht hier nicht um ästhetische Korrekturen, sondern um die Bearbeitung solcher Ausspracheprobleme (Sensibilisierungs- und Fertigkeitsebene gleichzeitig), die die Entwicklung des Hörens und Sprechens in der Fremdsprache Deutsch behindern und die damit mittel- und langfristig in der Sprecher-Hörer-Relation Franzosen /Deutsche zu echten Kommunikationsstörungen führen würden.
Für deutsche Muttersprachler nicht zu verstehen Bei der Arbeit in französichen Schulklassen und als Prüfungsvorsitzender bei Deutschprüfungen in Frankreich wurde mir deutlich, wie unverständlich für ein deutsches Ohr teilweise von französischen Schülerinnen und Schülern ausgesprochenes „Deutsch“ sein kann (auch wenn es manchmal charmant klingt). Daß hier etwas getan werden könnte, wird offensichtlich bislang außer von einigen sehr qualifizierten Lehrkräften und der „Inspection“ kaum gesehen. Es ist symptomatisch, daß Phonetik bei einer Umfrage auf einer Fortbildnertagung in der Themenwunschliste weit abgeschlagen auf dem letzten Platz landete! Im Falle des deutsch-französichen Sprachenpaars wird ganz besonders deutlich, wie sehr die Ausgangssprache – und hier insbesondere Rhythmus und Betonung – die Aussprache der neu zu erlernenden Fremdsprache prägen. (Vom Schriftbild, das – einmal verinnerlicht – beson-
ders im fortgeschrittenen Lernerstadium zusätzliche Interferenzen schafft, soll hier zunächst abgesehen werden.) Von Deutschland nach Frankreich ergibt sich dann oft das berühmte „Stakkato-Französisch“ (von den Einheimischen als bäurisches Getrampel empfunden). Und umgekehrt ist ein auch noch so charmant weiblich dargebotenes „Gásnftäär“...nicht nur für germanische Ohren unverdaulich („Katzenfutter“ auf halbem Weg von Frankreich nach Deutschland!!).
Völlig unterschiedlich in Rhythmus und Betonung Ausführlichere Versuche bestätigten, daß nicht etwa einzelne Laute Probleme bereiten, sondern – speziell im Falle des Französischen – die unterschiedlichen Betonungs-, Rhythmus- und Vokallängengesetze Aussprache- und Verständigungsschwierigkeiten weitgehend überhaupt erst schaffen. Probleme wie die Aussprache von „h“, „p“, „t“, „k“,„ng“,„v“, „ch“, Tonfarbe des „i“ usw. sind demgegenüber zweitrangig und leichter zu bewältigen, wenn Satzmelodie, Dynamik und Vokallänge stimmen. Die Typologie der spezifischen Ausspracheschwierigkeiten von Deutschlernenden in französichen Lehranstalten sieht etwa wie folgt aus:
Germanische Stolpersteine für Gallier (und einige elementare Hilfen zum Wegräumen derselben)
1. Der deutsche Initialakzent Daß man ein deutsches Wort auf der ersten Silbe oder der Stammsilbe betont oder bei Fremdwörtern noch anderswo, ist für den Sprecher germanischer Sprachen einsichtig oder natürlich. Der Natur eines französischen Sprechers läuft eine solche Bewegung völlig zuwider: Er betont (wenn er nicht aus den germanisch beeinflußten Randgebieten des französischen Sprachraums kommt) systematisch hinten. Und zwar nicht nur auf der Wortebene. Also muß der Stolperstein des Akzentanstoßes mit Kraft – und zunächst mit mehr Kraft als ein deutscher Sprecher dafür einsetzen würde, denn es handelt sich um eine ungewohnte Bewegung – dorthin verschoben werden, wo er hingehört: nach vorn nämlich! Einzeln und im Chor sprechen, mit der Hand durch die Luft fahren, auf den Tisch klopfen. Tonhölzer, Kugelschreiber, Triangel u.ä. sind empfehlenswert. Rhythmusinstrumente sind sogar für komplexere Strukturen geeignet. Fremdsprache Deutsch 12 Fremdsprache Deutsch Heft 12/1995 – Aussprache, ISBN 978-3-19-889183-4, © Hueber Verlag 2007
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2. Die Wortsegmentierung „Dasisdmainúnt“ (C'est mon chien) wird völlig natürlich behandelt, als sei es ein einziges Wort (und demzufolge auch hinten betont – was dem Hund hier, wegen der deutschen Satzmelodie im vorliegenden Fall, weniger weh tut als sein abgeschnittenes „Ha“). Dem Lehrer bleibt wohl anfangs nichts anderes übrig, als nach jeder deutschen Wortgrenze systematisch „mit der Handkante dazwischen zu fahren“ … pardon: „mit dem Tortenheber den Kuchen in mundgerechte Stücke zu zerteilen“. (Eine Schere geht übrigens auch, und die Feinheiten und Verzierungen kommen später.)
3. Sprechrhythmus, Dynamik Erscheinungen wie Hebungen und Senkungen, Stakkato-Rhythmus des Deutschen u.ä. sind die Fortsetzung des artikulatorischen Springreitens über Hecken und Gräben, Hindernisse und Wassergruben – und nicht zu vergessen: die flankierenden Strohballen. All das kennt das Französische nicht: hier geht es immer wieder regelmäßig und gleichförmig auf einer Schiene abwärts-aufwärts wie bei der Achterbahn, und oben fällt der Wagen plötzlich eine Etage tiefer ... Wie immer, wenn nichts Genaues über den Ausgang bekannt ist, helfen auch beim „Deutschen Handicap“ (oder ist es ein Parforce-Rennen?) Musikbegleitung, Volkslieder, rhythmisches Klatschen, Anfeuerungsrufe. Und, warum eigentlich nicht, ...laute Gebete und das Absingen von Chorälen. Luthers Bibelübersetzung und das protestantische Kirchengesangbuch verkörpern die rhythmischen Eigenschaften der deutschen Sprache und deren Geist. („Be-fiel Du Deine We-e-ge/und was Dein Her-ze kränkt...“)
4. Die germanische Füllungsfreiheit Die hängt mit dem Sprechrhythmus eng zusammen. Die unterschiedliche Silbenzahl, die sozusagen im gleichen Atemholen oder zwischen zwei Taktstrichen im Satz untergebracht werden kann (Häschen hüpf / Haas hüpf) stellt eine weitere Klippe für den regelmäßigen galloromanischen Redefluß dar. Im Kleinen kein Problem, wird sie bei komplexeren längeren Strukturen zum wahren Korallenriff. Für diese z.T. extrem schwierigen Fahrwasser ist die Hinzuziehung eines muttersprachlichen Lotsen anzuraten.
5. Unterschiedliche Vokallänge und Vokalfärbung Das Deutsche unterscheidet lange betonte Vokale, kurze betonte Vokale und unbetonte Vokale, davon als Sonderfall das „stumme e“. Das französische System kennt nur (gleichlange) Vokale und – frei nach Brecht – wieder anders schwei-
gende „e“s. Vorrangig muß die Länge und Kürze der betonten Vokale eingeschliffen werden, wobei die eingangs erwähnten Turnübungen sehr hilfreich sein können. SZENISCHE ÜBERZEICHNUNG: Bewährt hat sich das Verfahren der „szenischen Überzeichnung“, wie es beim Theaterspiel Anwendung findet. Ist für einen Deutschen bereits die – wenigstens angedeutete – Unterscheidung zwischen kürzerem und längerem Vokal semantisch relevant, so muß für einen französischen Sprecher zumindest in der Einübungsphase dieser Unterschied vergrößert werden, damit er überhaupt wahrgenommen wird. Wenn beispielsweise für das betonte lange „o“ (Hose) eine halbe Note angesetzt würde, so entspricht dem kurzen „o“ (Koffer) eine Viertelnote usw. In der Praxis hat es sich als günstig erwiesen – ohne Rücksicht auf die Vokalfärbung – mit dem kurzen Vokal (als französischem Normal-Vokal sozusagen) zu beginnen, dann die Länge zu verdoppeln oder pathetisch zu verdreifachen und anschließend mit den eingangs genannten Gesten den langen betonten Vokal zum kurzen betonten Vokal zu pressen, wobei sich das Problem der Vokalfärbung – ganz zufällig! – in fast allen Fällen von selber löst. VOKALFÄRBUNG: Für die Vokalfärbung als solche – z. B. bei „i“ – kann man – analog zu Techniken des Chorsingens – Vokale zum Einüben durch benachbarte Vokale ersetzen, um insgesamt zur gewünschten Klangwirkung zu kommen. Einen Franzosen beim „i“ also beispielsweise „ü“ sagen lassen, wobei für einen deutschen Muttersprachler als Hörer praktisch ein deutsches „i“ ankommt... GEFÜHLE: Eine weitere Technik, ebenfalls aus der Gesangsausbildung: Durch entsprechende Gefühle beim Singen/Sprechen eines Wortes/einer Silbe – wie Ekel, Bissigkeit, Haß, oder Wohlsein, Genuß, Freude – wird der Raum der Lautbildung nach vorne oder nach hinten verschoben, wobei sich bekanntlich der Vokalcharakter erheblich verändert. Mit etwas Intuition und Experimentieren wird man schließlich zum gewünschten Ziel kommen.
6. „h“ Neben dem bekannten Papierblatt oder der Hand, die in bestimmtem Abstand vor den Mund gehalten werden, hat sich die ganz am Anfang beschriebene Bewegung mit angewinkelten Armen nach vorn bewährt. Sie sorgt, richtig ausgeführt, offenbar für die gleiche Muskelspannung und die Atemtechnik, die auch ein Mutter-
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sprachler zur Hervorbringung seiner „h“s unbewußt und sozusagen „integriert“ zur Anwendung bringt.
7. „Stummes e“
Foto: U. Hirschfeld
nur im Verbund mit Sprechakten, Gedichten, Liedern, Theaterstücken, Texten, Zeichnungen, Musik – also ganzheitlich – sinnvoll sind. Als Rahmenbedingung für die Anwendung der genannten Techniken ist außerdem unerläßlich, daß zwischen Lehrenden und Lernenden eine echte Kommunikation hergestellt wird, daß – wenn beispielsweise im Chor gesprochen wird – echte Sprechchöre mit viel Energie und Dynamik entstehen, an denen Schüler und Lehrer sichtbar gemeinsam Spaß haben. Auch die typische Lehrerrolle wandelt sich eher in die eines Chorleiters, Showmasters, Tai-Shi-Lehrers oder Clowns. Ebenfalls erforderlich ist die Verkörperlichung des Wortes: in Gesten, Bewegungen, lautem, rhythmischem Sprechen und in Verbindung mit bildlichen Vorstellungen oder Gefühlen.
Großes Volksgemurmel ist zwar in den Klassenzimmern Frankreichs traditionell noch weniger erwünscht als beim rechtsrheinischen Nachbarn. Der Ersatz aller unbetonten Vokale durch einen beliebigen Murmelvokal – bei voller Aufrechterhaltung der betonten Vokale (und: bei voller semantischer Verständlichkeit) – macht einem französischen Muttersprachler so vieles über das Wer meint, die kognitive Aneignung oder der Wesen der deutschen Phonetik klar, daß diese Technik trotzdem zu empfehlen ist, besonders akademische Diskurs seien auch nur annähernd geeignet, in die Realität des Deutsch-Sprechens auch für das „stumme e“. und des Deutsch-Hörens einzuführen, irrt. Hier schafft nur eigenes Tun – also selber Sprechen – die Wirklichkeit. Und selber „Laut-Sprecher“ sein Genannt wurden einige Techniken und Tricks, die zu dürfen und auch noch Spaß dabei zu haben, Aussprache zu erlernen und zu korrigieren. Es kann für manchen bisher weniger motivierten versteht sich von selbst, daß diese Techniken nie- Schüler das Sprungbrett werden zum Erfolg mals isoliert am Einzellaut oder -wort, sondern beim Fremdsprachenlernen.
Ganzheitliches Vorgehen
Zungenbrecher (Die Zungenbrecher finden Sie auch auf der Kassette am Ende des Übungsprogramms.)
Der Potsdamer Postkutscher putzt den Potsdamer Postkutschkasten, den Potsdamer Postkutschkasten putzt der Potsdamer Postkutscher. Der Potsdamer Postkutscher putzt den Potsdamer Postkutschkasten. Der Potsdamer Postkutscher putzt den Potsdamer Postkutschkasten, den Potsdamer Postkutschkasten putzt der Potsdamer Postkutscher. Der Potsdamer Postkutscher putzt den Potsdamer Postkutschkasten. Der Potsdamer Postkutscher putzt den Potsdamer Postkutschkasten, den Potsdamer Postkutschkasten putzt
schers Fritze. Fischers Fritze fischte frische Fische, frische Fische fischte Fischers Fritze. Fischers Fritze fischte frische Fische, frische Fische fischte Fischers Fritze. Fischers Fritze fischte frische Fische. frische Fische ….
Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach. Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach. Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach. Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach. Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach. Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach. …
der Potsdamer Postkutscher. Der …
Der Mondschein schien schon schön. Der Mondschein schien schon schön. Der Mond-
Fischers Fritze fischte frische Fische, frische Fische fischte Fischers Fritze. Fischers Fritze
schein schien schon schön. Der Mondschein schien schon schön. Der Mondschein schien
fischte frische Fische, frische Fische fischte Fischers Fritze. Fischers Fritze fischte frische Fi-
schon schön. Der Mondschein schien schon schön. Der Mondschein schien schon schön. Der Mond-
sche, frische Fische fischte Fischers Fritze. Fischers Fritze fischte frische Fische, frische Fische fischte Fi-
schein schien schon schön. Der Mondschein schien schon schön. Der Mondschein schien schon schön.…
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Zur Bewußtmachung rhythmischer Strukturen Von Nikolai Klimov
Das wohl charakteristischste Merkmal einer Sprache ist ihr Rhythmus. Er bestimmt mit dem Wechsel von Betontheit und Unbetontheit, Gespanntheit und Ungespanntheit auch den typischen Klang des Deutschen. Es gibt bisher nur wenige Ansätze, den Rhythmus im Deutschunterricht zu beschreiben und zu erarbeiten. Neben den folgenden, mehr theorieorientierten Bemerkungen werden im Beitrag von Ines Bose Übungen zum deutschen Rhythmus vorgestellt.
Merkmale des deutschen Rhythmus Der sprechsprachliche Rhythmus ist unter zwei Aspekten zu sehen. Auf der einen Seite ist er eine Erscheinung der Sprachnorm: jede Sprache hat ihren eigenen Rhythmus. Der fremdsprachige Akzent im Deutschen ist in einem bedeutenden Maße auf die Interferenz des muttersprachigen Rhythmus zurückzuführen. Es liegt deshalb nahe, daß eine effektive Arbeit am Rhythmus kontrastive Vergleiche mit der Muttersprache des jeweiligen Schülers voraussetzt und aus diesem Grunde in sprachlich heterogenen Schulklassen nicht unproblematisch ist. Aber auch der zweite Aspekt darf nicht unberücksichtigt bleiben: der Rhythmus ist gleichzeitig eine Erscheinung der Redenorm. Hier sind für das Deutsche zwei Hauptmerkmale zu nennen: gebunden-fließende Artikulation der Silben (und Wörter) innerhalb eines Wortblocks oder einer rhythmischen Gruppe,
eine kontrastive (starke) Hervorhebung der hauptbetonten Silbe in jedem Wortblock. Die kennzeichnenden Merkmale des Rhythmus bei vielen Deutschlernenden sind dagegen: eine verlangsamte und aneinandergereihte Artikulation der Silben (Wörter) innerhalb der Wortblöcke, das sogenannte silben- bzw. wortreihende Sprechen und eine Verflachung des dynamischen Unterschiedes zwischen der betonten Silbe (dem betonten Wort) und den unbetonten Silben (Wörtern). Diese zwei Normabweichungen haben negative Auswirkungen sowohl auf der Seite des Sprechers als auch auf der Seite des Hörers. Für den Sprecher sind sie ein wesentliches Merkmal des muttersprachigen Akzents, für den Hörer eine Beeinträchtigung des Hörverstehens. Die rhythmische Struktur ist ein wesentliches Identifikationsmerkmal gesprochener Sprache. Eine optimale Sprachauffassung kann somit erst dann erfolgen, wenn sich die phonetische Beschaffenheit dieser Struktur in den Grenzen der Norm hält und damit den Hörgewohnheiten und Erwartungen der Muttersprachler entspricht. Eine verlangsamte Sprechweise und silbenweise Realisation der rhythmischen Strukturen erschwert die Identifikation der Spracheinheiten. Auf der Satzebene zerstört das wortreihende Sprechen die sinnmäßige Gruppierung der Wörter und beeinträchtigt dadurch die Sinnerfassung. Aus psychologischer Sicht hängen die Abweichungen vom normativen Rhythmus mit unzureichend entwickelten Automatismen zusammen. Darüber hinaus können sie auch auf das vorherrschende Lernparadigma zurückgeführt werden, bei dem die Lernenden von vornherein angehalten werden, nicht in rhythmischen Gruppen, d.h. in relativ festen Redeeinheiten, sondern in einzelnen Wörtern, also kleineren Einheiten des linguistischen Sprachmodells zu sprechen.
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Hinweise für die Arbeit am Rhythmus Wie kann die rhythmische Gestaltung von Äußerungen erarbeitet werden? Dafür sind mehrere Schritte denkbar. 1. Übung der Artikulationsgeläufigkeit in der Fremdsprache: Lernende, die die ungewohnten Lautkombinationen der Fremdsprache mit der Geläufigkeit - und der dazugehörigen rhythmischen Strukturierung - eines Muttersprachlers artikulieren wollen, brauchen eine entsprechende phonetische Schulung. 2. Kontrastive Hervorhebung der betonten Silbe (des betonten Wortes): Im Phonetikunterricht ist auf die Einprägung einer transparenten und kontrastiven rhythmischen Struktur zu achten, in der sich betonte und unbetonte Silben, also Vorlauf, Schwerpunktsilbe und Nachlauf, deutlich voneinander unterscheiden. Es ist sinnvoll, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf die betonte Silbe in der Akzentgruppe (auf das hauptbetonte Wort im Satz) zu lenken: Schon vor der Artikulation des Wortblocks muß der Sprechende eine klare Vorstellung über die Stellung der betonten Silbe (des betonten Wortes) haben. 3. Eine wichtige Rolle für die Herausbildung eines authentischen Rhythmus spielt die Pause. An und für sich ist die Dauer der Pause kein Authentizitätskriterium, sondern eher ein phono-
stilistisches Merkmal. In der Fremdsprache kann die Pause aber zu einer effektiven Stütze bei der Herausarbeitung der zwei oben genannten Rhythmuseigenschaften werden. Die „Programmierung“ der zu sprechenden Wortblöcke, die Wahl und Kombination der adäquaten Wörter vollzieht sich in der Muttersprache sehr schnell und fast gleichzeitig mit dem Denken. Fremdsprachenlernende müssen sich dafür aus verständlichen Gründen mehr Zeit nehmen. Sie müssen das passende Wort finden, syntaktische Regeln beachten, an die Flektionsformen denken usw. Im Prinzip haben sie zwei Möglichkeiten, Zeit zu gewinnen, wobei die zweite dem natürlichen Kommunikationsverhalten der Muttersprachler näherkommt: a) Die Suche nach dem richtigen Wort bzw. der grammatischen Form erfolgt erst im Prozeß der Wortblockbildung. Dadurch entstehen jedoch Staupausen zwischen einzelnen Wörtern. Die Rede hört sich wie Wortreihung an. b) Beim Sprechen machen sie vor der Artikulation des Wortblocks eine Pause, in der sie versuchen, nicht nur den ganzen Wortblock bis zur nächsten ähnlichen Pause vorzuprogrammieren, d.h. die erforderlichen verbalen Mittel und betonten Silben festzulegen, sondern ihn auch stumm durchzusprechen. Die Einhaltung von größeren (ca. zwei oder sogar mehr Sekunden langen) Pausen kann bei den Lernenden das Gefühl des Unbehagens, einer gewissen Unnatürlichkeit hervorrufen. Das ist meist dann der Fall, wenn sie versuchen, die Pausierung rein mechanisch auszuführen. Die Vergrößerung der Pausendauer bereitet dagegen keine psychologischen Schwierigkeiten, wenn es den Lernenden gelingt, sich innerlich auf einen Redestil einzustellen, bei dem längere Pausen natürlich wirken. Praktisch geht es hier darum, daß die Lernenden beim Sprechen eine Person vorspielen, die bedächtig und wohlüberlegt spricht, „jedes Wort auf die Goldwaage legt“. Dieser Sprechstil sollte unserer Meinung nach in der Anfangsphase des Fremdsprachenunterrichts vorherrschen, denn er ermöglicht es den Lernenden einerseits, die zusätzliche Zeit zu gewinnen, die sie naturgemäß bei der Produktion einer fremdsprachigen Äußerung brauchen, und andererseits, rhythmische Authentizität zu bewahren.
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Übungsvorschläge A. Vorbereitende Hörübungen Sinn der Übungen: Die Lernenden sollen für den Unterschied zwischen einem fehlerhaften und dem authentischen Rhythmus im Deutschen sensibilisiert werden: Sie hören Paare von Einzelwörtern, von denen eins mit Akzent, das andere rhythmisch akzentfrei ausgesprochen wurde. Sie sollen erkennen, welches Wort „typisch deutsch“ klingt. Sie hören zwei Wortgruppen mit diesen Merkmalen, sie finden heraus, welche akzentfrei (typisch deutsch) ausgesprochen wurden. Sie hören einen Text mit starkem Akzent im rhythmischen Bereich. Sie sollen beurteilen, ob sie ihn als natürlich (deutsch) empfinden. Wie charakterisieren sie die Sprechweise des Sprechers? Durch welche phonetischen Gestaltungsmittel unterscheidet sich dieser Text von einem „normal“ vorgelesenen?
B. Automatisierungsübungen 1. ÜBUNGEN ZUR ENTWICKLUNG DER SPRECHGELÄUFIGKEIT: Die Lernenden hören sich Zungenbrecher an und sprechen sie in demselben Tempo und Rhythmus nach, z. B.: Fischers Fritz fischt frische Fische, frische Fische fischt Fischers Fritz. Hinter Hermanns Hinterhaus hackt Hans Holz. Kleine Kinder können keine Kirschkerne knacken. Kaiser Karl kann keine Kartoffelklöße kochen. Die gebundene und schnelle Aussprache wird an zusammengesetzten Wörtern geübt: der Zeitungsleser, das Preisausschreiben, das Kreuzworträtsel, die Theaterkritik. Die Lernenden lesen kurze Texte, die jeweils ein bestimmtes Sprechtempo, eine bestimmte Pausensetzung, bestimmte Hervorhebungen und damit eine unterschiedliche rhythmische Gestaltung verlangen, z. B. einen „normalen“ Lehrbuchtext, ein Märchen, eine Sportreportage: Und nun zum 10 000-m-Lauf. Die Läufer laufen bereits die letzten 1000 m. Ein Bulgare, ein Finne und ein Deutscher sind an der Spitze. Jetzt beginnt der Endspurt. Der Finne bleibt etwas zurück. Unser Läufer wird schneller und schneller und schneller …
2. ÜBUNGEN ZUR HERVORHEBUNG DER BETONTEN SILBE: Die Lernenden lesen Komposita und Wortgruppen vor. Sie achten darauf, daß die betonte Silbe kontrastiv, also besonders stark hervorgehoben wird. Als Mittel der kontrastiven Hervorhebung machen sie vor der betonten Silbe zusätzlich eine kleine Pause. Die unbetonten Silben im Vor- und Nachlauf werden schwach gesprochen und gerafft. Zur Erleichterung kann man eine grafische Stütze geben, z. B.: die-UM-weltverschmutzung der-Indus-TRIE-betrieb in-der-SCHU-le in-der-FREI-zeit Die Lernenden lesen von rhythmischen Gruppen zuerst nur die betonte Silbe vor, sie achten dabei auf die phonetischen Merkmale der Betonung – die Dauer und die Intensität (Lautstärke). Danach lesen sie den ganzen Wortblock vor, z. B.: sich für FREMDsprachen interessieren am UNterricht teilnehmen die HAUSaufgaben machen 3. ÜBUNGEN ZUR PAUSIERUNG: Die Lernenden teilen einen kurzen Lehrbuchtext in Wortblöcke auf (setzen vertikale Striche zwischen die einzelnen Blöcke). Sie lesen den Text vor, machen dabei an den markierten Stellen größere (ca. 2 sec.) Pausen und lassen den Ton ansteigen. Die Lernenden hören Sätze aus möglichst natürlich gesprochenen Lehrbuchdialogen vom Band. Sie versuchen, sie im gleichen Tempo und Rhythmus auszusprechen. Anschließend wiederholen sie die gleichen Sätze mit je einer und dann je zwei größeren Pausen. Das Sprechtempo innerhalb der Wortblöcke soll dabei unverändert bleiben. 4. SITUATIVE ÜBUNGEN UND FREIES SPRECHEN: Die Lernenden bilden aus Stichwörtern Sätze, sie achten dabei auf den Rhythmus, z. B.: Ich – haben – leider – kein – Zeit Ich – müssen – schnell – weg Wo – können – man – hier – Eintrittskarte – kaufen? In – Zeitung – geben – ein interessanter Artikel – zu – Probleme – die Jugend. Du – haben – heute – kein – Unterricht? Die Anforderungen können gesteigert werden, wenn die Lernenden einen kurzen (4-–5 Sätze) spontanen Bericht zu einem vorgegebenen Thema (über sich selbst, Freizeitgestaltung, Arbeit an der deutschen Sprache usw.) sprechen. Sie sollen sich auch dabei um einen authentischen Rhythmus bemühen.
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Erfolgskontrolle, Prüfung, Bewertung – auch für die Aussprache? Von Gudula Mebus
Wie bewertet man Aussprachefehler? Welche Maßstäbe setzt man an? Wie soll ein Test aussehen? Diese Fragen wurden in der Fremdsprachendidaktik nur selten aufgegriffen, jeder Lehrer, jede Lehrerin muß sie aber für den eigenen Unterricht beantworten. Der folgende Beitrag stellt Probleme und Lösungen zur Diskussion.
Die Aussprache ist nur in wenigen Lehrwerken explizites Unterrichtsthema, und die Unterrichtenden finden nur bescheidene Anregungen. „Phonetik“ wird auch heute noch oft als Spezialisierung von wenigen angesehen. Dabei gab es schon vor dreißig Jahren bei Lado ausführliche Hinweise zur Testkonstruktion auch für Ausspracheprobleme. Was also ist zu tun? Auf richtige Aussprache achten und dies zu jeder Zeit ist gut, aber es reicht nicht. Genauso wie in anderen Teilbereichen des Fremdsprachenunterrichts muß es systematische Übungen zu den einzelnen phonetischen Problemen geben – und entsprechend auch Überprüfungen, durch die unsere Bemühungen eine größere Verbindlichkeit bekämen. Ob das als Teil von institutionalisierten Prüfungen geschehen soll, mag hier offenbleiben. Sucht man nach Maßstäben für eine Bewertung oder gar nach einer Meßlatte für die Elemente, die eine gute Aussprache ausmachen, so wird man auch in der speziellen Fachliteratur den gewünschten konkreten Leitfaden für die morgige Unterrichtsstunde nicht finden. Wir müssen uns also mit Hilfe unseres gesunden Menschenverstandes dort Anregungen suchen, wo wir sie finden. Setzen wir uns deshalb mit Problemen auseinander, die erstaunlicherweise weitgehend ungeklärt sind: Registrieren wir eigentlich Unzulänglichkeiten der Aussprache so, daß wir jederzeit wissen, worin der Fehler besteht? Was wollen wir überhaupt bewerten – die Korrektheit im Hinblick auf eine bestimmte Norm oder die Fähigkeit zu einer möglichst störungsfreien Kommunikation? Welche Fehler sollen korrigiert werden: alle, oder nur diejenigen, die zu Unverständnis oder Mißverständnis führen? Sind Aussprachefehler je nach Stand der allgemeinen Sprachkenntnisse unterschiedlich zu bewerten? Verfügen wir über entsprechend differenzierende Verfahren? Wie könnte eine „Prüfung“ aussehen?
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Mindestens zwei Beobachtungen wird jeder schon gemacht haben: a) Eine falsche Aussprache beeinträchtigt die Kommunikation oft in höherem Maße als grammatische Fehler. „Fahren das Zug zu Hannover?“ ist bei angemessener Aussprache trotz der grammatischen Fehler leichter verstehbar als [f4rt d4r sUk nak @anOver]. b) Der Sprecher (möglichst: die Sprecherin!) muß schon vor Charme glänzen und einen als „niedlich“ eingestuften ausländischen Akzent haben (dänisch, französisch?), um trotzdem vom unbekannten deutschen Ansprechpartner für voll genommen zu werden. Normalerweise ist die Gefahr eher groß, daß mit der „defizitären“ Aussprache auch eine soziale Einstufung – und zwar in der Regel eine sozial niedrige – verbunden wird. Dennoch sollte man nicht verzagen! Ermutigung – und womöglich auch Erleichterung bei schlechtem Gewissen über die oft angenommene eigene Unzulänglichkeit – möge die folgende Bearbeitung von drei Fragen bieten: 1. Welche Probleme ergeben sich bei der Überprüfung der Aussprache? Nicht nur die Definition des Fehlers spielt hier eine Rolle, sondern der Blick muß auch genau auf die Lerngruppe gerichtet werden. 2. Wie könnten Kontrollverfahren aussehen? Einige Beispiele sollen zeigen, wie es gehen könnte. 3. Wie sollen die Leistungen der Schüler und Schülerinnen bewertet werden?
1. Schwierigkeiten der Bewertung
Schwierigkeiten bereitete, nun erst zu einem Fehler geworden? Welche Ausspracheeigenheiten als phonetische „Fehler“ anzusehen sind, ist nicht pauschal zu entscheiden. Der Rostocker findet die Sprache des Nürnberger Feriengastes vielleicht komisch, aber nicht fehlerhaft.
Wie ist die Lerngruppe zusammengesetzt? Grundsätzlich ist es leichter, Aufgaben sowohl für Übungs- als auch für Kontrollzwecke zusammenzustellen, wenn die Lernenden eine gemeinsame Ausgangssprache besitzen. Dann können die unterschiedlichen Ausprägungen von Intonation und Lauten zwischen der jeweiligen Ausgangssprache und der Zielsprache Deutsch besonders geübt werden. Für die Lernenden mit gemeinsamer Ausgangssprache sind die Schwierigkeiten eingrenzbar. Daher ist die Auswahl von Übungen und auch Kontrollen, die für alle sinnvoll sind, vergleichsweise einfach. Schwieriger ist es bei heterogen zusammengesetzten Lerngruppen. Wenn der Lehrer bzw. die Lehrerin sich überfordert fühlt, Übungen für die speziellen Probleme der einzelnen Lerner zusammenzustellen, so sollte er oder sie auf Materialien und Zusammenstellungen von Lernschwierigkeiten zurückgreifen, die es inzwischen für diverse Ausgangssprachen – zumindest für die Laute – gibt (vgl. z. B. Ortmann).
Mit der „defizitären“ Aussprache ist oft auch eine soziale Einstufung verbunden.
2. Wie könnte eine Überprüfung aussehen?
Was ist ein „Fehler“?
Aus dem Gesagten geht hervor, daß es keine allgemeinverbindlichen Ratschläge geben kann. Dennoch soll hier der Versuch gemacht werden, Überprüfungsmöglichkeiten darzustellen.
Lehrerinnen und Lehrer sind geübte Zuhörer ihrer Schülerinnen und Schüler. Aus ihrer Sicht machen die Lernenden möglicherweise keinen (schweren) Aussprachefehler. Außerhalb des Klassenzimmers gibt es natürlich noch andere, sehr unterschiedliche Personen. Die einen haben öfter mit Ausländern zu tun und haben mehr Übung darin, diese trotz ihrer Akzenteigentümlichkeiten zu verstehen, andere haben darin keine Übung, sind aber wohlwollend und geduldig – heißt das, daß unser Lerner also keine (schweren) Fehler macht? Dann gibt es aber auch Leute, die haben keine Antenne für sprachliche Besonderheiten und fühlen sich womöglich noch zusätzlich verunsichert durch die ungewohnte Kommunikationssituation. Sie verstehen gar nichts – ist dasselbe Ausspracheproblem, das den obengenannten Gesprächspartnern keine
Die Lernkontrolle sollte selbstverständlich alle Bereiche erfassen, die zuvor von den Lernenden als aktive Lernleistungen im intonatorischen und artikulatorischen Bereich gefordert worden sind, also beim Hören die Fähigkeiten der Diskrimination und Identifikation von phonetischen Elementen und beim Sprechen die Reproduktion von fremdsprachlichen Lautketten und die Imitation von Melodie, Rhythmus usw. Den meisten Lehrerinnen und Lehrern liegt die Behandlung der Laute näher als die der Intonation. Das ist verständlich, denn zu diesem Bereich gibt es weit mehr Veröffentlichungen, und in jedem guten Wörterbuch ist die Aussprache in der IPA-Umschrift angegeben. Man beginne dennoch mit Aufgaben und Kontrollen zur Intonation. Für die Verstehbarkeit ist sie meist
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Wortakzent, Satzakzent(e) und die
A. Hören
Melodieführung müssen geübt und überprüft werden.
wichtiger als die „absolut korrekte“ Aussprache eines Lautes. Was aber ist für die deutsche Intonation typisch und daher zu üben und zu überprüfen? Die wesentlichen Elemente sind die Akzente – Wortakzent, Satzakzent(e) – und die Melodieführung, dabei insbesondere die Tonbrüche und der Stimmabfall. Zu empfehlen sind Kassettenaufnahmen, die von Muttersprachlern besprochen wurden. Einige Lehrwerke enthalten solche Aufgaben. Um einen Laut annähernd korrekt auszusprechen, muß das Ohr in der Lage sein, gleiche Laute als solche zu erkennen (identifizieren) bzw. einen Laut von einem anderen zu unterscheiden (diskriminieren). Für die Intonation gilt dieses gleichermaßen. Während sich für Übungen häufig Aufgaben in zwei Schritten anbieten, können wir sie zur Überprüfung als Erkennungsaufgaben zusammenfassen. Für die Intonation hat sich z. B. folgendes Verfahren bewährt:
ANZAHL DER SILBEN IN EINEM WORT ERKENNEN: Mehrsilbige Einzelwörter vorspielen und Silbenzahl bestimmen – z. B. durch Bewegung: Silben klatschen lassen, – z. B. schriftlich: pro Silbe ein Punkt. Gemischte Reihen aus zweisilbigen und dreisilbigen – zur Erhöhung der Schwierigkeit auch mehrsilbigen – Wörtern vorspielen: die Lernenden nennen die Zahl der Silben oder schreiben sie auf. WORTAKZENT HÖREN: Mehrsilbige Einzelwörter vorspielen und Akzent markieren lassen, z. B. durch Bewegung: – Schritt 1: Silben klatschen lassen, – Schritt 2: unbetonte Silben andeutungsweise, Akzentsilbe laut klatschen lassen. z. B. schriftlich: Möglichkeiten ohne Text in Normalschrift: Einfachste Form: Kästchen in der Anzahl der Silben, Reihen von zweisilbigen, dreisilbigen und viersilbigen Wörtern vorbereiten, Wortakzentsilbe ankreuzen lassen. Schwierigere Form: Auch die Anzahl der Silben muß erkannt werden: pro Silbe ein Punkt, Akzentsilbe mit Strich. – Oder: Wörter schriftlich vorgeben, Akzentsilbe (oder deren Vokal) unterstreichen lassen, nach Silbenzahl sortierte, später nichtsortierte Reihen von Wörtern mit Akzenten auf unterschiedlichen Silben.
– außerdem z. B. Gegenüberstellung von einfachen und zusammengesetzten Nomen, Verben etc. mit sich dabei ändernden Akzentuierungen. SATZAKZENT(E) HÖREN: Bei den Satzakzenten kann man ähnlich verfahren. Hier kommt es auf ein selektives Hören an. Nur wenige Wörter im Satz sind so wichtig, daß der Hörer sie unbedingt aufnehmen muß. Nur sie sind akzentuiert. Neben den genannten Überprüfungsformen sei noch auf eine zusätzliche Möglichkeit verwiesen: Man kann gleiche Sätze präsentieren, die bei unterschiedlichem Sprechanlaß unterschiedliche Satzakzente tragen. Beispiel: „Haben Sie im letzten Sommer einen Sprachkurs besucht?“ und: „Haben Sie im letzten Sommer einen Sprachkurs besucht?“ MELODIE: HÖHERE VON TIEFERER LAGE UNTERSCHEIDEN: Man geht von einer mittleren Tonhöhe als normaler Sprechstimmebene aus. Davon sollten Veränderungen nach oben und unten zu erkennen sein. Es handelt sich also um drei Tonstufen, wobei besonders Tonhöhenverläufe nach oben (interrogativ, z. B. bei Entscheidungsfragen) oder nach unten (terminal, z. B. bei Aussagen) wichtig sind. Melodiesprünge hängen mit Wort- bzw. Satzakzenten zusammen. Übungsmöglichkeiten: Einfache Form: Mehrsilbige Einzelwörter vorgeben und Tonhöhe der Silben zeigen lassen (für viele Lernende ist es schwierig, „höher“ und „tiefer“ zu hören!): – z. B. durch Bewegung der Hand (zuerst nur zwei Stufen wählen, der Melodiesprung ist entscheidend, nicht die kleinen Melodiebewegungen!); – z. B. schriftlich durch schräge Linien oder Pfeile. Schwieriger: Silben(zahl) markieren lassen und Melodiesprung durch schräge Linien oder Pfeile zusätzlich einzeichnen lassen. Mit Schrift: Wörter vorgeben, Melodiesprung einzeichnen lassen. Zu empfehlen sind auch Satzbeispiele, die unterschiedliche Tonsprünge aufweisen (je nach ihrer Funktion im Kontext).
B. Sprechen Die erste Form ist die Imitation, das Nachsprechen. Hierbei sind die vorher genannten Elemente für eine Bewertung zu beachten, die Aufgaben also entsprechend zu strukturieren. Haben die Fremdsprache Deutsch 12
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Lernenden hier große Probleme, so ist zu vermuten, daß sie in den beiden vorangegangenen Schritten noch Übungsbedarf haben. Weitere Formen der Überprüfung können sein: Nachsprechen mit emotionalen Variationen, Vorlesen von (einfachen) Texten (nach Vorbereitungszeit), Nacherzählen eines Textes anhand eines Wortgeländers oder – schwieriger zum Vergleichen – in freier Rede. All dies ist möglich in direkter mündlicher Prüfung oder mit Hilfe einer Bandaufnahme, die für die Bewertung angenehmer ist, da man sie mehrfach abhören kann. Zu bewerten sind nach den oben angegebenen Schritten beim Sprechen also: 1. Beachten die Lernenden den Wortakzent? Dazu müssen sie ein Gespür für den silbischen Charakter deutscher Wörter haben. 2. Beachten sie den (Haupt-)Satzakzent? Dazu rücken die Wortakzente der Wörter, die keinen Satzakzent tragen, in den Hintergrund. 3. Sind sie in der Lage, Melodiesprünge nachzuahmen? Übertreibungen sind bei Übungen und Prüfungen erlaubt. Je nach Progressionsgrad des Spracherwerbs sind natürlich unterschiedlich schwierige Aufgaben zu stellen. Ein schwierigeres Kontrollmuster ist sinnvoll, wenn bestimmte Regeln behandelt worden sind, z. B. der unterschiedliche Melodieverlauf bei den verschiedenen Fragetypen. Hier bieten sich Kurzdialoge an. Der Lehrer oder die Stimme auf der Kassette gibt den Stimulus, die Lernenden weisen durch ihr Sprechen nach, daß sie den angemessenen Melodieverlauf verwirklichen können. Beispiel 1: Fragetypen: Informationsfragen / W-Fragen (vor der Satzakzentsilbe steigend, danach fallend): L: Sie fragen, wann es in Deutschland richtig kalt ist. S: Wann ist es in Deutschland richtig kalt? Entscheidungsfragen (vor der Satzakzentsilbe fallend, danach steigend): L: Sie möchten wissen, ob es heute draußen windig ist. S: Ist es heute draußen windig? Bestätigungsfragen (vor der Satzakzentsilbe fallend, danach steigend): L: Sie greifen einen Satz des Gesprächspartners auf und fragen nach, ob es morgen schneit. S: Morgen schneit es?
Beispiel 2: Sinn verändern: Schriftlich vorgegeben: Variieren Sie bitte die Frage, ohne die Satzstruktur zu verändern: wann, wo, wer, was, ja/nein. L: Haben Sie im letzten Sommer in Hamburg einen Sprachkurs besucht? S spricht die Frage in fünf verschiedenen Versionen. Es würde zu weit führen, Beispiele für die vielen weiteren Satztypen an dieser Stelle zu zeigen. Hier müssen die Lehrenden selbst entscheiden, was sich in ihrem Unterrichtsmaterial gerade für das Ziel einer angenäherten Intonation anbietet, mag es die erweiterte Nominalgruppe sein, das Rezitieren eines Gedichts, die Sonderverneinung oder die Partikeln, emphatische Ausrufe oder verschiedene emotionale Stimmungslagen … Wichtig ist allerdings: Überprüfen sollte man nur das, was explizit mit Übungsangeboten bearbeitet wurde. Wir verzichten an dieser Stelle auf die Darstellung der Kontrollmöglichkeiten zur Artikulation der Laute. Für sie gelten im Prinzip dieselben Verfahren. Konkrete Anregungen findet man beispielsweise bei Kreuzer/Pawlowski, Kohler, Rausch/Rausch und in einigen Lehrbüchern (vgl. Literaturliste). Dort gibt es auch Übungen zu Reduktionen, Verschleifungen, Konsonantenhäufungen usw., die sich auch zur Überprüfung eignen. ZWEI ANMERKUNGEN NOCH: Da die Laut-Schrift-Relation ein Problem ist, sollte sie explizit behandelt werden. In Kontrollaufgaben kann man Wörter, die unsortiert vorgegeben werden, z. B. nach den Eigenschaften lang/ geschlossen oder kurz/offen sortieren lassen und auch Rechtschreibmerkmale abfragen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß es sehr hilfreich ist, wenn die Lernenden eine gewisse Vertrautheit mit der IPAUmschrift erlangen. Gerade im Hinblick auf die Laute ist eine korrekte Kennzeichnung ohne die Umschrift kaum möglich.
Es ist sehr hilfreich, wenn die Lernenden eine gewisse Vertrautheit mit der IPAUmschrift erlangen.
3. Hinweise für die Leistungsbewertung Über den Stellenwert der Ausspracheschulung entscheidet die Antwort auf die Frage: Was für Schüler unterrichte ich? Welches Lernziel ist für meine Schülerinnen und Schüler besonders wichtig? Nicht für alle muß es gleich sein: Wer Deutsch lernt, um in seinem Heimatland deutschsprachige Texte zu lesen oder deutschsprachige Korrespondenz zu erledi-
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gen, für den steht korrekte Aussprache nicht notwendigerweise im Mittelpunkt seiner Sprachbemühungen. Wer in seinem Land viele Kontakte zu deutschsprachigen Touristen oder Geschäftsleuten erwartet, für den ist eine verständliche Aussprache wünschenswert. Wer als Tourist in deutschsprachige Länder reisen will, wird ein großes Interesse an verständlicher Aussprache haben. Wer in deutschsprachigen Ländern längere Zeit leben will, der verbessert mit einer guten Aussprache seine gesamte Lebenssituation. Wer Deutsch als Fremdsprache unterrichten will, in dessen Ausbildung müssen Übungen und Lernkontrollen zur Phonetik einen sehr hohen Stellenwert haben.
Es gibt eine nicht entschiedene Diskussion darüber, ob das Ziel der Ausspracheschulung und damit der Bewertungsmaßstab - die Norm oder die Kommunikativität sein soll. Für die Mehrzahl der Lernenden steht wahrscheinlich als Lernziel die Fähigkeit zur Kommunikation im Vordergrund. Grundlage der Bewertung wäre dann folgende Fragestellung: Kann der Schüler Intonation und Artikulation beim Hören gut erfassen und beim Sprechen gut reproduzieren? Bewährt hat sich ein Dreiersystem: gut – ausreichend – nur mit Schwierigkeiten. Das Bewertungsmodell läßt sich folgendermaßen darstellen:
Intonation Hören
Sprechen gut ausreichend schwierig
Artikulation Hören
Sprechen gut ausreichend schwierig
Diese drei Bewertungsstufen halten wir für ausreichend und praktikabel gerade für mündliche Prüfungen, in denen oft wenig Zeit ist, sie sind auch günstiger als Zensuren. Vor der Bewertung steht allerdings die Registrierung der Fehler. Sehr empfehlenswert ist die hilfreiche Übersicht zur Fehlerregistrierung in Rausch/Rausch (1988: 70 –73).
Literaturverzeichnis: Dieling, H.: Phonetik im Fremdsprachenunterricht Deutsch. Langenscheidt Verlag: Berlin und München 1992. Hirschfeld, U.: Zur Bewertung phonetischer (Fehl-)Leistungen im Fremdsprachenunterricht. In: DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE 4/1987, 228-233. Kohler, K. J.: Einführung in die Phonetik des Deutschen. Erich Schmidt Verlag: Berlin 1977. Kreuzer, U./Pawlowski, K.: Deutsche Hochlautung. Ernst Klett Verlag: Stuttgart 1971. Lado, R.: Testen im Sprachunterricht. Max Hueber Verlag: Ismaning 1971. Mebus, G. et al.: Sprachbrücke, Bd. 1-2. Klett Edition Deutsch: Stuttgart 1987 ff. Ortmann, W. D. (Hrsg.): Lernschwierigkeiten der deutschen Aussprache. München 1976. Rausch, R./Rausch, I.: Deutsche Phonetik für Ausländer. Enzyklopädie Verlag: Leipzig 1988. Stock, E. / Zacharias, C.: Deutsche Satzintonation. Enzyklopädie Verlag: Leipzig 1982. Vorderwülbecke, A. / Vorderwülbecke, K.: Stufen. Klett Edition Deutsch: Stuttgart 1986 ff.
Kluge Sprüche
„Solange sie mich nicht ansprach, sprach sie mich an. Als sie mich aber dann ansprach, sprach sie mich nicht mehr an.“ (G. E. Lessing )
„Es ist reizend, ein ausländisches Frauenzimmer unsere Sprache sprechen und mit schönen Lippen Fehler machen zu hören. Bei Männern ist es nicht so.“ (G. Ch. Lichtenberg)
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Übungsvorschläge zu Phonetikschwerpunkten Die folgenden sechs Beiträge enthalten Übungsangebote in Form von Lektionen zu jeweils einem Schwerpunkt. Im Mittelpunkt stehen Melodie, Rhythmus und Akzentuierung, weil sie a) für Lernende fast aller Ausgangssprachen Probleme darstellen, b) in Lehrmaterialien bisher nur ungenügend behandelt werden und c) für das Verstehen und Verstandenwerden besonders wichtig sind. Für die Vokale und Konsonanten ist exemplarisch jeweils ein Thema (Ö- und Ü-Laute, Konsonantenverbindungen) vertreten. Übungen oder auch ganze Lektionen zu anderen Ausspracheproblemen können Sie selbst in ähnlicher Weise gestalten. Im Unterricht kann sowohl ein ganzer Schwerpunkt zusammenhängend als auch eine einzelne Übung bearbeitet werden. Es empfiehlt sich, die Übungen nach und nach mehrmals zu wiederholen, um eine Automatisierung zu erreichen. Dabei können die angebotenen Varianten genutzt und neue gefunden werden. Die Arbeit an einem Thema beginnt in der Regel mit einer einführenden Hörübung, die auf den Schwerpunkt vorbereitet und später auch als Leseübung dienen sollte. Es folgen Hörübungen mit Kontrollmöglichkeit, in denen etwas zu markieren oder zuzuordnen ist. Die Beispiele sollten später auch nachgesprochen und gelesen werden. Die anderen Übungen dienen der Festigung. Der Schwierigkeitsgrad nimmt zu, neben dem Nachsprechen und Lesen werden auch andere sprachliche Aktivitäten der Schüler gefordert und gefördert. Die letzte Übung zeigt die Anwendung des Lektionsschwerpunkts bei der Arbeit an einem zusammenhängenden Text (Lied, Gedicht, modernes Märchen …). Zu den Lektionen gibt es eine Kassette, so daß man die Übungen (blau markiert) direkt im Unterricht einsetzen kann. Manche Texte werden dort von mehreren Sprechern in unterschiedlichen Versionen angeboten. Sie können die Version, die Sie am meisten anspricht, auswählen! Die Lektionen sollen Sie auch dazu anregen, weitere Übungen zu entwickeln oder die vorliegenden an die jeweilige Lernsituation anzupassen. Die Autoren gehen ganz unterschiedliche Wege, finden Sie Ihren Weg. Viel Spaß dabei!
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LEKTION 1
Sprechme lod i e Von Nirath Meunmany und Lothar Schmidt Vielfach und eindringlich wurde empfohlen, daß die Arbeit an Akzentuierung, Rhythmus und Melodie im Unterricht Deutsch als Fremdsprache gegenüber der Übung an Einzellauten eine vorrangige Rolle spielen sollte. Aber noch immer, das zeigen Lehrmaterialien und Unterrichtspraxis, wird diesen Eigenschaften der Sprache und insbesondere der Sprechmelodie zu wenig Beachtung geschenkt, obwohl der Erfolg mündlicher Kommunikation nicht zuletzt auch von deren angemessenem Gebrauch abhängt. Dabei kann eine erfahrene Lehrperson für die Übung und bewußte Anwendung der bestehenden Normen und Regeln eigentlich jeden Text nutzen. Die Beispiele im zweiten Teil unseres Beitrags sind in diesem Sinne eine Anregung und eine Auswahl aus vielfältigen methodischen Möglichkeiten. Die Sprechmelodie, die Intonation im eigentlichen (engeren) Sinne, umfaßt die Tonhöhenverläufe gesprochener Äußerungen. Sie ist keineswegs, auch wenn das in vielen Lehrmaterialien so dargestellt wird, auf den Melodiefall oder -anstieg am Satzende beschränkt. Sie ist mit dem für das Deutsche typischen Wechsel von starker Betonung, präziser Lautbildung, lauter Stimme einerseits und unbetonter, undeutlicher, leiser Aussprache andererseits eng verbunden (Stelzig 1978, 143). Hier entstehen die Probleme, die Deutschlernende oft in diesem Bereich haben. Diese Probleme lassen sich aber durch Bewußtmachen der Besonderheiten des Deutschen (z. B. anhand der Lektion 1 des Videokurses, Hirschfeld 1992) und der Unterschiede zwischen Mutter- und Fremdsprache sowie durch gezieltes Üben überwinden. So ist die Intonation in vielen Ausgangssprachen weniger kontrastreich als im Deutschen, und die Tonintervalle sind deutlich kleiner (vgl. Dieling 1992, 66ff.). Andererseits gibt es Sprachen, bei denen der Tonhöhenverlauf noch eine
andere Funktion hat. In den Tonsprachen – hier meinen wir z. B. das Chinesische, das Laotische oder das Vietnamesische – ist die Silbe, d.h. in der Regel das (einsilbige) Wort, an eine bestimmte Tonhöhe gebunden, die dem Wort dann seine spezielle Bedeutung verleiht (Dieling/Hirschfeld 1986, 40f.). Melodische Bögen oder Tonhöhenveränderungen wie bei der deutschen Fragemelodie sind in diesen Sprachen so nicht möglich. Dort übernehmen zahlreiche Partikeln diese Funktion, die zwar selbst mit einem bestimmten Ton verbunden sind, diesen aber je nach Kommunikationsziel an den jeweiligen steigenden (bei interrogativer Melodie) oder fallenden (bei terminaler Melodie) Ton der Aussage anpassen (vgl. Meunmany 1991, 108).
Steigend-fallender Melodieverlauf: Die muttersprachigen Intonationsgewohnheiten äußern sich nun z. B. darin, daß viele Lernende die mit dem steigend-fallenden Melodieverlauf (Intonem 1) geforderte Ton(„Lösungs-“)tiefe am Satzende nicht erreichen. Eine andere Schwierigkeit tritt auf, wenn die Muttersprache einem silbenzählenden, also einem sehr ausgeglichenen und wenig kontrastreichen Rhythmus folgt. Hier kann man eine – für das Deutsche irreguläre – Melodisierung, also entweder sehr große Tonhöhenschwankungen bei den einzelnen Silben (Tonsprachen-Sprecher), oder eine gewisse melodische Gleichförmigkeit (Nicht-Tonsprachen-Sprecher) feststellen. Die unbetonten Silben erscheinen oft fälschlicherweise auch als betont, die Äußerungen wirken stark zergliedert, die Melodie verläuft sehr sprunghaft. Zur Abhilfe liest und übt man Sätze, z. B. Aussagen wie Sie kommt nicht. oder Imperative wie Warten Sie hier!, mit strengem, kategorischem Tonfall und entsprechender Handbewegung. Dabei sind die auf die hervorgehobene Silbe folgenden unbetonten Silben durch eine stark fallende Satzmelodie charakterisiert.
Fallend-steigender Melodieverlauf: Ähnliche Probleme treten beim fallend-steigenden Melodieverlauf (Intonem 2) auf: In Sätzen wie Er kommt aus Indonesien? sind die unbetonten Silben nicht genügend abgeschwächt und wirken deshalb betont. Viele Deutschlernende haben außerdem Hemmungen, den heftigen Melodieanstieg bis an die obere Grenze des Sprechstimmbereichs nachzuahmen. Oft gelingt es auch nicht, die Stimme in und nach Fremdsprache Deutsch 12
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der Akzentsilbe zu heben. Die folgenden Silben bleiben vielmehr auf dem Niveau der Akzentsilbe „kleben“, und der Fragecharakter der Äußerung wird vom Hörer nicht erkannt.
Fallend- bzw. steigend-gleichbleibender Verlauf: Beim fallend- bzw. steigend-gleichbleibenden Verlauf (Intonem 3) vor Pausen kommt es häufig zu einem zu starken Anstieg oder Abfall der Stimme, so daß die begonnene Äußerung abgeschlossen erscheint (als Frage, Aussage usw.) und die Fortsetzung verwirrend wirkt, hier z. B. wie eine Frage, die der Sprecher gleich selbst beantwortet: Er kommt nicht, weil er krank ist. Für die Melodieführung im Deutschen ist – wie die Beispiele oben zeigen – der sog. Tonbruch in der Akzentsilbe entscheidend. Achten Sie bei der Übung deshalb vor allem darauf, daß die betonte Silbe a) bei Äußerungen mit ansteigender Melodie (Fragen) möglichst stark und tief, b) bei Äußerungen mit fallender Melodie (Aussagen, Aufforderungen) möglichst hoch angesetzt wird. Insgesamt betrachtet herrscht also im Deutschen eine ziemlich strenge Melodieführung, d.h. sie ist nicht wellenförmig wie im Englischen (Dieling 1992, 75), nicht stereoytp wie im Französischen (Dieling, 1992, 8O) und gleich gar nicht lebhaft und bewegt wie im Russischen (Dieling 1992, 104; Stock/Zacharias 1982, 77f.). Um ihre Redeabsicht zu gestalten, müssen deshalb die meisten Deutschlernenden lernen, den Wechsel von starker Spannung (in der Akzentsilbe) und Entspannung zu realisieren und damit auch größere Intervalle in der Satzmelodie als in ihrer Muttersprache zu gebrauchen. Sprecher von Tonsprachen dagegen müssen die Silbe als Element des Wortes erkennen sowie beim Hören (auditiv) und beim Aussprechen (artikulatorisch) zwischen betonten und unbetonten Silben unterscheiden. Übungen für solche Lerner beginnen am besten mit zweisilbigen Beispielen und führen über drei- und mehrsilbige Wörter zu kurzen Sätzen, die nur allmählich anwachsen dürfen (Dieling 1992, 72). Empfehlenswert ist es auch, „rückwärts“ zu sprechen, d.h. Äußerungen von hinten aufzubauen, z. B.: kommen. noch kommen. schon noch kommen. wird schon noch kommen. Er wird schon noch kommen.
Oder: morgen? erst morgen? kommt erst morgen? Er kommt erst morgen? Schon wenn man diese Hinweise bei der Arbeit an der Melodie beachtet, sind bei vielen Schülern sehr rasch gute Erfolge zu erzielen.
Übungsvorschläge A. Sensibilisierung Bei der Arbeit an der Sprechmelodie sollte – wie bei anderen Gegenständen auch – mit sog. Eintauchübungen begonnen werden, bei denen die Aufmerksamkeit der Lernenden bewußt auf bestimmte Phänomene gerichtet wird. ÜBUNG 1 Die Lernenden sollen den Text hören und dabei auf den Verlauf der Sprechmelodie (steigend-fallend, fallend-steigend oder gleichbleibend) achten. In einer späteren Übungsphase kann der Melodieverlauf an Pausen (d.h. an den Satzzeichen) von den Schülern benannt oder eingezeichnet werden (, , , wie im Beispiel vorgegeben). A: Guten Tag, ich heiße Thavi. Und du? B: Ich heiße Müller. A: Ist Müller dein Vorname? B: Nein, mein Vorname ist Manfred. Ich bin Manfred Müller. Und ist Thavi dein Vorname? A: Ja, richtig. Mein Familienname ist Santiphone.
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ÜBUNG 2 Die Lernenden hören das Märchen und achten auf die Satzmelodie (steigend-fallend, fallendsteigend oder gleichbleibend), vor allem an den Stellen, wo die Sprecherin eine Pause macht! Auch hier kann später wieder markiert werden.
Der süße Brei Es war einmal ein kleines Mädchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Wie sollte es weitergehen? Da ging das Kind in den Wald, und da begegnete ihm eine alte Frau, die wußte schon alles und schenkte ihm ein Töpfchen. Zu dem sollte es sagen: „Töpfchen koche!“, dann kochte es guten, süßen Brei. Und wenn es sagte: „Töpfchen steh!“, so hörte es wieder auf zu kochen. Das Mädchen brachte den Topf seiner Mutter, und nun aßen sie süßen Brei, sooft (nach den Brüdern Grimm) sie wollten.
B. Hörübungen Die nächste Etappe ist die der kontrollierbaren Hörübungen. Sie dienen der bewußten Identifikation (Wiedererkennen) von Intonemen und der Diskrimination (Unterscheidung) der Melodieverläufe untereinander. Zu dieser Übungsphase gehören auch die Markierungen ,, , die für die Übungen 1 und 2 vorgeschlagen wurden. ÜBUNG 3 Von den schriftlich vorgegebenen Satzpaaren wird nur eins gesprochen. Die Aufgabe der Lernenden ist es, die Äußerung zu markieren, die sie beim Hören erkannt haben. Man kann auch vereinbaren, daß alle aufstehen oder die Arme heben, wenn die Melodie ansteigt, daß sie die Arme senken und/oder sitzenbleiben, wenn die Melodie am Ende fällt. Diese Beispiele eignen sich gut, die grundsätzlichen Unterschiede in den Melodieverläufen bewußtzumachen. Sie sollten deshalb auch in Nachsprech-, Sprech- und Leseübungen verwendet werden. In einem zweiten Schritt werden beide Formen gegenübergestellt. Man kann das als FrageAntwort-Spiel anlegen. Sie kommen? Sie kommen. Sie kommen schon? Sie kommen schon. Er arbeitet? Er arbeitet. Er arbeitet noch? Er arbeitet noch. Sie warten? Sie warten. Sie warten nicht? Sie warten nicht. Wir beginnen jetzt? Wir beginnen jetzt.
ÜBUNG 4 Die Lernenden sollen auf die Melodie achten und – daraus ableitend – die richtigen Satzzeichen eintragen. Klaus und Peter spielen im Park und unterhalten sich Klaus erzählt daß er eine kleine Schwester bekommen hat Peter möchte gern wissen wie sie heißt Klaus überlegt und dann sagt er zu Peter ich weiß es nicht sie spricht noch so undeutlich
C. Produktive Übungen Automatisierungsübungen schließen alle Sprachtätigkeiten ein. Nach dem Hören und Nachsprechen folgt das „Ablesen“ der schriftlichen Vorlage und ggf. auch das Schreiben, z.B. nach (Lücken-)Diktat. Es kann variiert und ergänzt werden. Die Schüler können z.B. aus Aussagen oder Aufforderungen Fragen machen und umgekehrt: Kommen Sie! Kommen Sie? Sie kommen? Sie kommen. ÜBUNG 5 Die Lernenden sollen die Sätze hören und wiederholen. Dabei sollen sie auf die Unterschiede in der Verwendung der Melodie achten. Anschließend können sie die Sätze selbst lesen und sprechen (auch als Dialog) und noch andere Beispiele finden. 1 Sie kommt nicht. Sie kommt nicht? Sie kommt nicht, weil es regnet. 2 Sie gehen jetzt. Sie gehen jetzt? Sie gehen jetzt, weil sie müde sind. 3 Er liegt im Bett. Er liegt im Bett? Er liegt im Bett, weil er krank ist. 4 Sie warten. Sie warten? Sie warten, bis der Bus kommt. 5 Sie telefonieren. Sie telefonieren? Sie telefonieren, um ein Taxi zu bestellen. 6 Sie sprechen nicht. Sie sprechen nicht? Nein, sie sprechen nicht, denn sie machen Hausaufgaben.
ÜBUNG 6 Den steigend-fallenden Melodieverlauf übt man am besten in Imperativen und Ausrufen. Die Lernenden sollten die Beispiele hören und so nachdrücklich wie möglich wiederholen.
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Imperative Hören Sie! Antworten Sie! Kommen Sie bitte herein! Nehmen Sie doch Platz! Singt bitte alle mit! Tanz doch mit mir! Die Schüler können dann auch Aufforderungen finden, die andere Schüler ausführen sollen, z. B. Steh(t) auf!, Heb(t) den Arm!, Sagt alle „Hilfe“, o. ä. Ausrufe Toll! Klasse! Spitze! Halt! Vorsicht! Schrecklich! ÜBUNG 7 Die Fragemelodie mit fallend-steigendem Verlauf wird in gleicher Weise geübt. Zuerst sollen die Lernenden hören und nachsprechen. Anschließend könnten sie diese Fragen selbst stellen und vom Angesprochenen eine Antwort verlangen. Schließlich sollten sie eigene Fragen formulieren. Im Zug Ist der Platz noch frei? Bist du Ausländer? Sprichst du Deutsch? Kommst du aus ... (Indonesien)? Bist du schon lange in Deutschland? Fährst du auch nach München? ÜBUNG 8 Mit Frage und Nachfrage verbindet man beide Melodieformen sehr lebensnah. Die Lernenden sollen die Sätze hören und wiederholen. Wie heißt du? Heißt du Peter? Wo wohnst du? Wohnst du auch hier? Wie alt bist du? Bist du schon fünfzehn? Woran denkst du jetzt? Denkst du an zu Hause? Wie geht es deiner Familie? Geht es ihr gut? Wie spät ist es? Schon zehn Uhr?
D. Gestalten und freies Sprechen Besonders die freie Anwendung setzt die schrittweise Erarbeitung der intonatorischen Gestalt von Äußerungen und deren produktive Beherrschung voraus.
Die Aneignung kann in drei Etappen erfolgen. Man kann mit einem vorgegebenen Text beginnen: 1. Festlegen und Eintragen von Pausen. 2. Markieren von betonten Silben. 3. Bezeichnen der Melodieverläufe. Als Vorbereitung auf die Arbeit im Unterricht könnten die Lernenden den Text – im Sprachlabor oder zu Hause vom Kassettenrekorder – solange abhören, bis sie alle wesentlichen Merkmale erkannt und bezeichnet haben (vgl. Schmidt 1989, 48). ÜBUNG 9 Bei der Erarbeitung eines Gedichts oder ähnlicher Texte sollte man mindestens in vier Schritten vorgehen. Die Lernenden sollten 1. den Text hören, 2. die Zeilen mitsummen, 3. den Text synchron mitsprechen und 4. wesentliche Merkmale im Text (Pausen, Betonungen, Melodieverlauf) markieren. Dann sollten sie versuchen, das Gedicht – hier eins von Bertolt Brecht – selbst zu sprechen. Es macht ihnen auch großen Spaß, selbst ein Gedicht über ihre „Vergnügungen“ zu schreiben und sprechend zu gestalten. (Der Text wird auf der Kassette von zwei Sprechern unterschiedlich gestaltet.)
Vergnügungen Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen Das wiedergefundene alte Buch Begeisterte Gesichter Schnee, der Wechsel der Jahreszeiten Die Zeitung Der Hund Die Dialektik Duschen, Schwimmen Alte Musik Bequeme Schuhe Begreifen Neue Musik Schreiben, Pflanzen Reisen Singen Freundlich sein. ÜBUNG 10 Anwenden müssen die Lernenden die Kenntnisse natürlich auch in der freien Rede. Dazu eignen sich Aufgaben wie 1. Erzähle etwas über dich! 2. Beschreibe dein Zimmer! 3. Diskutiert über Vor- und Nachteile des Fernsehens.
Literaturverzeichnis: Brecht, B.: Vergnügungen. In: Werke in 5 Bänden, Band 3, Aufbau Verlag: Berlin und Weimar 1981. Brüder Grimm: Märchen. Vollständige Ausgabe. Berlin 1987. Dieling, H.: Phonetik im Fremdsprachenunterricht Deutsch, Langenscheidt Verlag: Berlin und München 1992. Dieling, H./Hirschfeld, U.: Phonetikunterricht für Lernende aus Südostasien. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, 35 (1986), Heft 1, 40 – 46. Hirschfeld, U.: Einführung in die deutsche Phonetik (Videokurs). Max Hueber Verlag: Ismaning 1992. Meunmany, N.: Konfrontative phonetisch-phonologische Untersuchung des Laotischen und des Deutschen als Bezugsbasis für den Fremdsprachenunterricht (Deutsch) bei Laotischsprechenden. Dissertation, Univ. Halle, 1991. Schmidt, L.: Phonetische Übungen im Sprachlabor? In: DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE, Band 26 (1989) Heft 1, 44 – 50. Stelzig, H. u.a.: Einführung in die Sprechwissenschaft. Enzyklopädie Verlag: Leipzig 1978. Stock, E./Zacharias, C.: Deutsche Satzintonation. Enzyklopädie Verlag: Leipzig 1982.
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LEKTION 2
Spielerisches zum Rhythmus Von Ines Bose
ist. Die Silben werden dadurch zu rhythmischen Gruppen zusammengefaßt. Jeder Sprache ist eine spezifische Rhythmisierung eigen, die von Fremdsprachenlernenden wahrgenommen, erfühlt, angeeignet und produziert werden muß, wenn die Fremdsprache „aus ihrem Mund“ einigermaßen echt klingen soll. Das Deutsche hat einen stoßenden, ruckhaften Rhythmus, der durch den starken Kontrast zwischen akzentuierten und nichtakzentuierten Silben entsteht. In den unbetonten Silben fallen Lautheit, Tonhöhe, Tempo und Artikulationspräzision deutlich ab. Übungen dazu sollten immer am Beginn der Fremdsprachenausbildung stehen. Das Gefühl für den Rhythmus der fremden Sprache, die Realisierung ihrer rhythmischen Regeln bilden gleichsam das Fundament für die Aneignung von Phonetik, Lexik, Grammatik usw. Allerdings ist der Rhythmus in bisherigen phonetischen Lehrund Übungsmaterialien nur selten thematisiert worden. Foto: Andreas Fischer
Über den Rhythmus ist in der Wissenschaft ausgiebig und sehr kontrovers diskutiert worden. Es gibt viele Definitionsversuche, aber noch immer erscheint er als verwirrendes Phänomen, dessen Merkmale schwer eingrenzbar und beschreibbar sind. Für die frei gesprochene Sprache kann der Rhythmus gekennzeichnet werden als zeitliche Gliederung der Rede, als zeitliche Organisation des Gesprochenen, die im wesentlichen durch den Wechsel von akzentuierten und nichtakzentuierten Silben bestimmt
Im folgenden wird eine Sammlung von Übungen vorgestellt, die sich durchaus auch für die Arbeit an anderen phonetischen Schwerpunkten eignen (z. B. Melodie, Pausierung, aber auch Vokale und Konsonanten), wenn in den Übungen Beispiele verwendet werden, die diese Schwerpunkte gehäuft enthalten. Da sich rhythmische Gesetzmäßigkeiten in Versen besonders ausprägen und dort oft leichter zu realisieren sind als in freier Rede, enthält diese Lektion auch einfache, stark rhythmisierte, fast formelhafte Texte mit spielerischem Charakter. Die Verflechtung von Fremdsprache Deutsch 12
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verbalen mit gestischen und körperlichen Aktionen ist sehr wichtig: durch energisches Klatschen oder Springen z.B. können die Lernenden den typischen Staccato-Charakter des Deutschen (der für viele Lernende eine psychische Barriere darstellt) viel besser erfassen als nur durch Nachsprechen. Es kommt darauf an, die gesamte Sprechenergie auf die Akzentsilben zu konzentrieren, der starke Spannungsabfall in den unbetonten Silben kommt dann fast von selbst zustande.
1. Übungen zum Einführen, Hören, Nachsprechen und Automatisieren ÜBUNG 1: KLATSCHKREIS (vgl. Naegele/Haarmann 1991, 3; Broich 1993, 82)
Alle Teilnehmer sitzen im Kreis, die Lehrperson bietet einen Klatschrhythmus an, der von der Gruppe übernommen, d. h. nachgeklatscht wird: unbetonte Silben – und betonte Silben sind dabei deutlich voneinander abzusetzen. wird z. B. mit den Fingern geschnipst, wird geklatscht. Oder wird mit zwei Fingern auf den Tisch geklatscht, mit der ganzen flachen Hand. Oder wird geklatscht, mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen (es kann auch ein Tamburin verwendet werden).
Ich heiße Ines. Wie heißt du?
Du heißt Ines. Ich heiße Anna.
Wie heißt du?
Du heißt Ines. Du heißt Anna.
Ich heiße Ines. Wie heißt du? Du heißt Ines.
Dieser Rhythmus wird zunächst von der Lehrperson, dann auch von der Gruppe gesummt, während weitergeklatscht wird. Das Rhythmusschema kann nun an die Tafel geschrieben werden. Dann wird es mit einer sprachlichen Sequenz gefüllt (s. o.), d. h. vorgesprochen und von den Lernenden wiederholt. Nun kann sich ein rhythmisierter, schematisierter Dialog entwickeln, z.B. ein Vorstellungsspiel. ÜBUNG 2: VORSTELLUNGSSPIEL Die Lehrperson beginnt mit der Vorstellung, ihr Nachbar wiederholt den Namen, stellt sich vor und fragt wiederum seinen Nachbarn. Es wird immer in der beschriebenen Weise dazu geklatscht, am besten von der ganzen Gruppe, wenn sie nicht so groß ist, daß die Beiträge der einzelnen Sprecher darin untergehen.
Ich heiße Peter.
Wie heißt du?
Der zu sprechende Text wird also immer länger. Verheddert sich ein Teilnehmer, dann beginnt die Reihe mit seiner Vorstellung von vorn, der Text ist also wieder ganz kurz. Variation für eine spätere Stunde: Geklatscht werden nur noch die Sinnkerne, d. h. die hauptbetonten Silben. Wiederum die stark rhythmisiert gesprochene Vorstellungsrunde, aber nun mit folgender Formel:
Ich heiße Ines und mache so: …
Die Schülerin macht eine entsprechende Handbewegung: zieht sich an den Haaren, steckt den Daumen in den Mund, winkt mit der linken Hand o. ä. Der Nachbar wiederholt Vorstellungstext und -geste, es geht wie eben die Reihe herum:
Es sollten solche rhythmischen Muster angeboten werden, die für deutsche Sprachsequenzen typisch sind, z. B.:
Du heißt Ines und machst so: …
Ich heiße Anna und mache so: …
ÜBUNG 3: RHYTHMUSFORMELN Nach demselben gewählten Klatschmodus werden von der Lehrperson bestimmte Schemas angeboten, von den Lernenden übernommen, an die Tafel geschrieben, mit Beispielsätzen gefüllt, z. B.:
Guten Tag! Guten Morgen! Gute Nacht! Guten Abend! Komm her! Lauf weg!
Nun komm doch! Komm bitte! Lauf doch weg!
Nun lauf doch!
Mach das mal!
Die benutzten Muster können an die Tafel geschrieben und numeriert werden. Daraus kann sich ein Ratespiel entwickeln.
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RATESPIEL: Die Lehrperson klatscht oder summt ein bestimmtes Muster, die Schüler sagen, um welches es sich handelt. Die Lehrperson spricht ein Satzbeispiel, die Schüler geben das entsprechende rhythmische Muster an. Ein Schüler klatscht ein rhythmisches Muster, die anderen müssen sagen, um welches es sich handelt. Danach summt der Schüler sein Muster, die anderen prüfen die Richtigkeit ihrer Angabe. Zuletzt gibt der Schüler einen Beispielsatz, die anderen prüfen, ob er mit dem gewählten Muster übereinstimmt. Andere Muster, andere Beispiele sind selbstverständlich möglich. Sie sollten aber nicht zu lang und rhythmisch nicht zu kompliziert sein. Hier soll nur ein Übungsprinzip gezeigt werden. Querverbindungen zur Melodisierung lassen sich ohne weiteres herstellen, man kann alle Beispiele auch nach melodischen Gesichtspunkten noch einmal abhandeln (mit steigend-fallender oder fallend-steigender Melodie). Rhythmushölzer. Foto: Andreas Fischer
ÜBUNG 4: RHYTHMISCHES ZÄHLEN (Vgl. auch Broich 1993, 89)
Es wird reihum im Kreis gezählt, dabei werden die Zahlen z. B. in Dreier- oder Vierergruppen zusammengefaßt.
a) 1–2–3
1–2–3–4
b) 4–5 – 6
5 – 6 –7–8
c) 7–8–9
9–10 –11–12
d) 10 –11–12
13–14–15 –16 usw.
Es kann dabei wiederum geklatscht werden. Wichtig ist, daß die Gruppenmitglieder aufeinander reagieren, die Zählerei kann also schneller, langsamer, lauter, leiser, gespannter, entspannter u. a. m. werden. VARIATIONEN: Andere rhythmische Gruppierungen sind möglich (Zweier-, Fünfergruppen). Die Schüler können auch immer nur eine Zahl nennen, aber mit der Maßgabe, daß jeweils eine Dreier- oder andere Gruppe entstehen soll, der dritte Sprecher gibt dann z. B. die betonte Zahl an. Gezählt werden kann auch paarweise statt im ganzen Kreis. Auch hier bietet sich eine Verbindung zur Melodisierung an, denn die einzelnen Zahlengruppen können in melodischen Mustern gesprochen werden: immer drei Dreiergruppen werden mit Hochschluß, die vierte wird mit Tiefschluß gesprochen. ÜBUNG 5: RHYTHMISCHES CHORSPRECHEN Die Wochentage werden rhythmisiert aufgezählt. Dabei stehen alle Kinder im Kreis. Bei der jeweils betonten Silbe eines Tages geht der ganze Kreis in die Hocke, bei den unbetonten Silben kommt er wieder hoch. Die betonte Silbe kann wiederum geklatscht werden. Gruppierungen der Tage können vereinbart werden: immer drei Tage bilden eine Gruppe, der Sonntag steht extra da. Die beiden Dreiergruppen enden dann jeweils mit Hochschluß, der Sonntag bildet mit Tiefschluß das Ende der Aufzählung. Montag,
Dienstag,
Mittwoch,
Donnerstag,
Freitag,
Sonnabend,
Sonntag.
VARIATIONEN: Es wird paarweise gezählt, dabei werden die Tage auch in Zweiergruppen gegliedert (Montag – Dienstag, Mittwoch – Donnerstag … der
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erste Tag mit Hochschluß, der zweite mit Tiefschluß). Es lassen sich Situationen denken, in denen die Namen der Wochentage häufig verwendet werden (Vereinbarung eines Kinobesuchs zum Beispiel: Es entsteht eine Auseinandersetzung über den geeigneten Tag). Die Übung kann auch mit Monatsnamen ausgeführt werden, die Monate werden in rhythmischen Gruppen gesprochen. Das Lied „Laurentia, liebe Laurentia mein“ (vgl. Übung 14) kann den Abschluß dieser Übungssequenz bilden. Zum Chorsprechen bieten sich auch Formeln aus dem Sport an, die anfeuernd gerufen werden können. Die Schüler bilden dabei zwei Gruppen, die sich gegenseitig diese Formeln zurufen und jeweils Lautstärke und Tempo steigern: Auf die Plätze – fertig – los! Schneller, Tempo, Erik,
schneller! Tempo! Erik!
Klasse! Toll! Tor!
ÜBUNG 6: SPIELEN MIT SPRECHAUSDRUCK Kleine Texte können rhythmisiert gesprochen und emotional verschieden gestaltet werden. Durch die Situationsanbindung erscheint die Rhythmisierung nicht mehr als formale Übung, und der dem Deutschen eigentümliche StaccatoCharakter kommt durch die Emotionalisierung fast von selber. Die Lehrperson kann z. B. als Situation vorgeben, daß eine Schülergruppe in der Schulküche sitzt, aufs Essen wartet und das angekündigte Gericht kommentiert. Sprechausdrucksvariationen sind z. B.: begeistert – maulend, gleichgültig – wütend usw.; auch Spielen mit sprecherischen Mitteln ist denkbar: schnell – langsam, laut – leise, hoch – tief, immer lauter, immer schneller. Man kann jedesmal andere Speisen einsetzen (vgl. Baur 1991, 18). Knödel haben wir gestern gehabt, Knödel haben wir heute. Knödel werden wir morgen haben, hei, das ist eine Freude!
ÜBUNG 7: ECHOÜBUNGEN UND REIMERGÄNZUNGEN Dabei stehen sich zwei Gruppen in einiger Entfernung gegenüber, die erste ruft die Frage, die zweite antwortet als Echo und ruft danach die nächste Zeile. Jetzt antwortet die erste Gruppe als Echo. Auf die besondere Hervorhebung der Sinnkerne ist zu achten. Was ißt der Herr Meier? Was essen die Studenten? Was gibt es zum Reis? Wie heißt der Bürgermeister von Wesel? Wie ist hinten der Zeisig? Wer lacht da über mich? Wer war in der Turnhalle? Was wollen wir vergessen?
Eier! Enten! Eis! Esel! Eisig! Ich! Alle! Essen!
Man kann ähnlich vorgehen, wenn in einem Gedicht die Reimwörter weggelassen und von den Schülern erraten/ergänzt werden.
2. Einsetz- und Ergänzungsübungen (Verbindung mit Grammatik) ÜBUNG 8: WORTGRUPPEN ERWEITERN Äußerungen werden systematisch erweitert, die dadurch immer größer werdenden rhythmischmelodischen Spannbögen müssen von den Lernenden gehalten werden (vgl. Göbel u. a. 1985, 96): Zahlen!
Halten!
Bezahlen!
Anhalten! Bitte anhalten! Aber bitte anhalten!
Erst bezahlen! Bitte erst bezahlen!
usw. Oder Erweiterung des Nachlaufs:
Geh! Geh bitte!
Komm! Komm doch!
Geh jetzt bitte!
Komm doch mal! Komm doch nun mal!
Geh doch jetzt bitte!
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ÜBUNG 9: SITZKREIS Die Kinder bilden einen Sitzkreis mit einem überschüssigen Stuhl. Das Kind links neben dem leeren Stuhl wechselt auf diesen und beginnt mit der ersten Zeile. Der Nachbar oder die Nachbarin zur Linken rückt nun ebenfalls auf und fährt mit der zweiten Zeile fort, danach rückt der oder die nächste auf und ergänzt die dritte Zeile usw. Wichtig ist wiederum, daß der Gesamtsinn des Spruches trotz der Aufteilung in mehrere Zeilensprecher gewahrt bleibt (vgl.Naegele/Haarmann 1991, 8): Ich sitze – im Grünen – und liebe ganz heimlich ... (die Nina).
In der Badewanne – sitzt die kleine Hanne – und reibt sich ... (die Nase)
Die jeweiligen Namen (Peter) und Körperteile (das Ohr, den Arm) können gegen andere ausgetauscht werden. ÜBUNG 10: KOFFERPACKEN Alle Kinder sitzen im Kreis und planen eine Reise nach XY (passenden Ort einsetzen). Das erste Kind beginnt: „Wenn wir nach Berlin fahren, packe ich in unseren Koffer … “ (z. B. einen Pullover.) Das zweite Kind setzt fort: „Wenn wir nach Berlin fahren, dann packe ich in unseren Koffer einen Pullover und …“ (einen Fußball.) usw. (z. B. Buch, Telefon, Jacke, Katze …). Wieder wird also ein zu sprechender Text immer länger, der Spannungsbogen ist zu halten, die besondere Hervorhebung des letzten Aufzählungsgliedes mit melodischem Tiefschluß ist zu beachten. VARIATIONEN Der Koffer darf nur mit bestimmten Dingen gefüllt werden (z. B.: nur mit Lebensmitteln, nur mit Anziehsachen für den Winter usw.). In jüngeren Klassen bietet sich folgende rhythmisierte Umrahmung an; die Lehrperson schlägt den Rhythmus mit dem Tamburin, die Kinder klatschen oder hüpfen im Wechselschritt dazu.
Tamburin, Tamburin,
wenn wir auf die Reise gehn,
was nehmen wir dann mit?
Was mitgenommen werden soll, wird zunächst pantomimisch dargestellt (schwerer Koffer wird geschleppt, Hose wird angezogen usw.). ÜBUNG 11: KOMPOSITABILDUNG Aus zwei Einzelwörtern wird ein Determinativkompositum gebildet. Zu beachten ist der Rhythmuswechsel: In der Aufzählung wird das zweite Glied hervorgehoben, es wird mit Hochschluß gesprochen. Im Kompositum wird der erste Bestandteil hervorgehoben, das Kompositum wird mit Tiefschluß gesprochen (vgl. auch Göbel u. a. 1985, 96).
Fuß Kopf Haus
und und und
Ball Ball Hund
Fußball
Kopfball
Haushund
Zopf Tor Fuß
und und und
Halter Bogen Boden
Zopfhalter
Torbogen
Fußboden
Gartenhaus
Kellerschloß
Zimmertür
Garten und Keller und Zimmer und
Kinder und Puppen und Fenster und
Haus Schloß Tür Zimmer Wagen Scheibe
Kinderzimmer
Puppenwagen
Fensterscheibe
3. Situative Übungen ÜBUNG 12: PARTYGESPRÄCH Die Lehrperson gibt folgende Situation vor: Auf einer Geburtstagsfeier sind viele Gäste, der Raum ist sehr voll. Ein Kind will seiner Freundin etwas von der Bar oder vom kalten Büfett mitbringen, die sich in einer Ecke des Raumes befinden. Das Kind drängelt sich also durch den vollen Raum und ruft dann seiner Freundin zu, was es alles gibt, fragt auch, was die Freundin haben will, z. B.:
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Andere sprachliche Floskeln sind selbstverständlich genauso möglich, die Kinder können ihrer Phantasie freien Lauf lassen.
Hallo, Inga!
Ja?
4. Arbeit am Text
Saft? Tee? Kakao? Cola? Limo?
ÜBUNG 14: RHYTMISCHE TEXTE Geeignet sind alle Texte mit klaren rhythmischen Strukturen, also mit kürzeren Satzteilen und deutlicher Hervorhebung jeweils einer Silbe. Die Texte können in folgenden Schritten erarbeitet werden: a) hören b) hören und stumm bzw. halblaut mitlesen c) hören und zu den betonten Silben klatschen, dazu stehen die Kinder im Kreis d) Die Kinder stehen im Kreis, fassen sich an den Händen, sprechen und singen das„Laurentia“-Lied. Bei „Laurentia“ und den Wochentagen gehen sie in die Hocke:
Kakao? Kakao, bitte!
Mach ich!
Danke!
He, Carmen!
Ja?
Brote oder Salat?
Brote? Salat? Ach, Salat und Brote, bitte!
Käsebrot oder Wurstbrot oder Schmalzstulle?
Schmalzstulle? Nein, Käsebrot, bitte!
Ist gut.
Danke sehr!
Diese Minidialoge sind in der beschriebenen Art zu gestalten und sprachlich auch zu variieren. Wichtig ist, daß sie wirklich gerufen werden, weil dann die rhythmisch-melodischen Muster deutlicher werden. ÜBUNG 13: STREITFRAGMENTE Vorgegeben werden Versatzstücke von Streitgesprächen. Mit diesen Floskeln sollen sich die Kinder paarweise verständigen, dabei einen Streit vom Zaune brechen, sich entweder wieder beruhigen oder wütend auseinandergehen. Die Kinder sollen sich vor der Übung über eine genaue Situation klar werden (Streit auf dem Schulweg zwischen Freunden, Feinden; Streit zwischen Lehrer und Schüler usw.)
Komm her!
Ich gehe!
Komm doch her!
Ich gehe aber!
Sei still!
Ich rede!
Sei doch still!
Ich rede aber!
Laurentia, liebe Laurentia mein, wann werden wir wieder beisammen sein? – Am Montag. Ach wenn es doch erst wieder Montag wär, und ich bei meiner Laurentia wär, Laurentia wär!
In den beiden mittleren Zeilen werden nach und nach alle Wochentage ergänzt, d. h. der Text hat sieben Strophen, die immer länger werden bis zu: Laurentia, liebe Laurentia mein, wann werden wir wieder beisammen sein? – Am Sonntag. Ach wenn es doch erst wieder Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Sonnabend, Sonntag wär, und ich bei meiner Laurentia wär, Laurentia wär!
Literaturverzeichnis: Baur, A.: Sprachspiele für Kinder. Eine heitere Hilfe zu richtigem Reden. Mellinger: Stuttgart 1991. Broich, J.: Sprachspiele. Gruppenspiele mit Körper und Stimme. Maternus: Köln 1993. Göbel, H. u. a.: Ausspracheschulung Deutsch. Phonetikkurs. Inter Nationes: Bonn 1985. Naegele, I. M./Haarmann, D.: Darf ich mitspielen? Kinder verständigen sich in vielen Sprachen - Anregungen zur interkulturellen Kommunikationsförderung. Beltz: Weinheim und Basel 1991.
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LEKTION 3
Akzentuierung von Äußerungen Von Stefan Lauterbach und Brigitte Merzig de Kübl
Vorüberlegungen Wenn wir die Akzentuierung als Teilbereich der Ausspracheschulung isolieren, geschieht dies im vollen Bewußtsein darüber, daß es zu Überschneidungen mit anderen Teilgebieten kommt. Hier ist zunächst die Tonhöhenbewegung zu nennen, die sich in großem Maße an den Satz- und Ausspruchsakzenten orientiert. Auf der anderen Seite leitet sich die rhythmische Gestaltung von größeren sprachlichen Einheiten (Sätze, Äußerungen) von den Akzentverhältnissen in kleineren Einheiten – nämlich Wort und Akzentgruppe – ab. Letztlich kann der Akzent eines Satzes nur da liegen, wo er aufgrund der Akzentuierungsregeln bei Wörtern und Wortgruppen eben „hinfallen“ kann. Auch die Vokalquantität ist nur sinnvoll im Zusammenhang mit dem Wortakzent bzw. dem Akzent in Akzentgruppen zu erklären. Zwar muß die Distinktion lang - kurz immer beachtet werden, aber geschlossene Vokale werden erst dann richtig lang, wenn sie in einer betonten Silbe stehen, und offene, kurze Vokale treten erst dann sinnvoll dazu in Opposition, wenn sie akzentuiert sind. Auch beim Üben der Akzentuierung spielt die Wahrnehmung eine Schlüsselrolle, und das Grundprinzip des Ausspracheunterrichtes – „Was nicht wahrgenommen wird, kann auch nicht (re)produziert werden“ – bekommt hier zusätzliches Gewicht. Weil die Akzentuierung für viele Schüler und Lehrer häufig abstrakt und schlecht greifbar bleibt, hat man versucht, die Regularitäten an syntaktische und morphosyntaktische Einheiten zu binden (Wort, Satzglied) dies ist für die Didaktisierung ein wichtiges Hilfsmittel, sollte aber ein Hilfsmittel bleiben. Im folgenden präsentieren wir Texte und Übungen zur Akzentuierung. Dabei legen wir besonderes Gewicht auf Wahrnehmung und Bewußtmachung der Regularitäten. Unter Bewußtmachung verstehen wir eine „Kognitivierung“ im Sinne der kognitiven Psycholinguistik, also eine möglichst plausible Repräsentation der Regularitäten im Gedächtnis der Lernenden. Das spiegelt sich in einigen typischen Übungsformen wider, die man unter den Überbegriffen „diskriminieren“ und „markieren“ (mit dem Ziel der Konzeptualisierung) zusammenfassen könnte. Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten: Fremdsprache Deutsch 12
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Das Spektrum reicht vom klassischen Ankreuzen und Unterstreichen über das Einsetzen (betonter Silben) in Lückentexte bis zur Erstellung von Tabellen und Zuordnungsübungen, umfaßt aber ebenfalls Tätigkeiten wie Klatschen, Summen, Hand- und Körperbewegungen usw. Auch hier sollte Wert darauf gelegt werden, daß möglichst viele Wahrnehmungskanäle angesprochen werden.
Sensibilisierung – Wörter und Akzentgruppen Eine spielerische Art, sich dem Thema zu nähern, ist das bekannte Lied „Auf der Mauer, auf der Lauer ...“ (vgl. Übung 6). Hier wird ja bei wiederholtem Singen immer ein Element mehr weggelassen, wobei die rhythmische Struktur erhalten bleibt: Es ist gleichsam eine akustische Einsetzübung. Ähnliche Lieder gibt es in vielen Ausgangssprachen, so daß man im Unterricht auch weitergehende „interkulturelle“ Aspekte erwarten darf. Bei kurzen sprachlichen Einheiten, die nicht mehr als ein oder zwei Akzentgruppen umfassen, kann man Übungen zum Markieren und Diskriminieren durchführen lassen. Hier eignen sich vor allem Dialogbausteine, wie sie in den Anfangslektionen der gängigen Lehrwerke zu finden sind. Wir möchten hierzu betonen, daß die Markierungs- bzw. Diskriminierungsaufgabe in dieser Phase lediglich der Wahrnehmungssteuerung dienen und nicht etwa zur Evaluierung herangezogen werden sollte. ÜBUNG 1 Die Lernenden hören kurze Äußerungen und markieren den Akzent: Woher kommst du? Was machst du hier? Wie geht es dir? Hast du Zeit? Ich liebe dich. Der Junge heißt Maier. Sein Vorname ist Christian. Seine Schwester heißt Christiane. Ich kenne sie nicht. Was wollen Sie? Wie bitte? Wo bitte? Was bitte? usw. Hier kann man verschiedene Markierungsvarianten anwenden, z. B. Unterstreichen des betonten Wortes oder Markieren des betonten
Vokals (Strich unter langen, Punkt unter kurzen Vokal), auch andere Kontrollmöglichkeiten bieten sich an, z. B. Nachbrummen, Klatschen an der akzentuierten Stelle usw. ÜBUNG 2 Ein geeigneter Originaltext mit der Möglichkeit zur weiteren thematischen Entfaltung ist das Gedicht Erziehung von Uwe Timm. Die Lernenden sollten es erst hören, dann hören und stumm mitlesen. (Der Text wird auf der Kassette von zwei Sprechern unterschiedlich gestaltet.)
Erziehung laß das komm sofort her bring das hin kannst du nicht hören hol das sofort her kannst du nicht verstehen sei ruhig faß das nicht an sitz ruhig nimm das nicht in den Mund schrei nicht stell das sofort wieder weg paß auf nimm die Finger weg sitz ruhig mach dich nicht schmutzig bring das sofort wieder zurück schmier dich nicht voll sei ruhig laß das wer nicht hören will muß fühlen Folgende Aufgaben können gestellt werden: a) Die Lernenden hören das Gedicht und klatschen die einzelnen Zeilen nach. b) Sie hören den geklatschten Rhythmus und lesen dazu das Gedicht laut vor. ÜBUNG 3 Eine weitere Quelle für Äußerungen mit ein bis zwei Akzentgruppen sind Ausrufe. Hierbei ist von Vorteil, daß Ausrufe sowohl aus einzelnen Wörtern als auch aus Akzentgruppen bestehen können, die die gleiche Akzentstruktur aufweisen. Dabei ergibt sich zugleich ein landeskundlicher Aspekt. Es bietet sich auch an, zu den einzelnen Ausrufen Situationen erfinden zu lassen, oder Bildreize mitzuliefern. Wir haben hier nur ein paar dieser Ausrufe gesammelt:
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Größere Akzentgruppen und Kombinationen von Akzentgruppen
Ach Gott! Ach so! Na ja! Na und! Na so was! Der schon wieder! Mannometer! Verdammt! Verdammt nochmal! Du lieber Himmel! Verflixt! Um Gottes Willen! Ach du Sch...! So ein Mist! Klasse! Spitze! Was soll das? Bleib doch da! Vielen Dank! Ich komme! Vorsicht! Zurückbleiben! Ausgerechnet! Nicht so schnell!
Sprachliche Einheiten, die meist nur aus wenigen Akzentgruppen bestehen, aber auch eine ausgeprägte Akzentuierungsstruktur haben, sind sogenannte Sprüche oder Sprichwörter, die nebenbei auch einen motivierenden Effekt haben und zur Eigenproduktion anregen können. Natürlich sollte man das Niveau der Zielgruppe anpassen. In Themen 2 Neu sind einige Sprüche für Erwachsene gesammelt und in Deutsch Konkret 1 findet sich eine sehr gelungene Sammlung von Schülersprüchen, die zudem graphisch gut dargestellt ist. Die Übungen sollten auch hier zunächst mit der Diskriminierung und Markierung beginnen und über Automatisierungen zur „freien“ Produktion leiten. ÜBUNG 4 a) Die Lernenden hören die Sprüche und klatschen zu den Akzenten:
Lösung
Mit mir und Klaus ist es aus. Doofe Witze find ich spitze. Ich heiße Carola und spiele Viola. Unser Hund Jonathan pinkelt an den Caravan. Annette, Annette, da ist die Toilette. Albrecht Dürer war ein Schmierer, hat im Zeichnen einen Vierer. Ich fliege jetzt zum Mars. Auf Wiedersehn. Das war’s.
a) Die Lernenden hören die Ausrufe und bewerten, ob sie positiv oder negativ sind (zeichnen die Gesichter). b) Sie versuchen, den Rhythmus nachzubrummen. c) Sie ordnen das Gebrummte zu1: m m 1, 4, 8, 11 m m 2, 3, m m 15, 16 b) Was paßt? Die Lernenden ergänzen das richtim m 21 ge Ende: m m m 17, 20 m m m 5 Annette, Annette da ist die Toilette m m m 19, 24 Albrecht Dürer war ein Schmierer ist es aus m m m 18 Charlotte Richter liebt einen Schornsteinfeger m m m 13 Unser Hund Jonathan find ich spitze m m m 14 Ich heiße Carola Auf Wiedersehn. Das war’s m m m m 9, 22 Doofe Witze hat im Zeichnen einen Vierer m m m m 6, 23 m m m m m 12 Ich fliege jetzt zum Mars und spiele Viola m m m m 7 Karin Steeger frißt einen Kamm m m m m m 10 Mit mir und Klaus macht doofe Gesichter Emine Tamm pinkelt an den Caravan (1 m: betont und kurz. m: betont und lang.)
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c) Die Lernenden ergänzen aus dem Gedächtnis die Sprüche mit den entsprechenden Wortgruppen oder erfinden neue Enden: Annette, Annette ... Mit mir und Klaus .... Ich heiße Carola ...
(wer geht um die Ecke) (geht keiner nach Haus) (und trinke gern Cola)
d) Sie suchen neue Anfänge: ... und spiele Viola. (z. B.: Ich trinke Cola ... ... macht doofe Gesichter. (Der singende Richter... ... pinkelt an den Caravan. (Der mit der Jacke an,
Die neuen Sprüche werden gesammelt und auf Band gesprochen. Man sollte die Lernenden daran gewöhnen, die eigenen Äußerungen aufzunehmen. Das ermöglicht die Evaluation durch die Lehrperson, vor allem aber die Selbstkontrolle durch die Schüler.
Der „wandernde“ Akzent Das Prinzip, den Akzent in einer Aussage wandern zu lassen, um den Sinn zu verändern, kann mit vielen Sätzen praktiziert werden – auch mit Ausschnitten aus Dialogen. Die Tatsache, daß eine Frage mit bestimmtem Betonungsmuster eine bestimmte Antwort verlangt, kann man für folgenden Übungstyp ausnutzen: ÜBUNG 5 Die Lernenden lesen die Fragen rechts und hören mögliche Antworten. Welche Frage paßt zur Antwort? (Lösung: 1 c, 2 d, 3 h, 4 b, 5 e, 6 a, 7 i, 8 g, 9 k) Die Lernenden hören Frage und Antwort vom Band. Sie fragen und antworten dann selbst.
immer ein weiterer Laut weg (Wan - tan, Wa - ta, W - t), bis die Wörter ganz verschwunden sind. Dann kann man sie wieder schrittweise zusammensetzen. Auf der Mauer, auf der Lauer, sitzt ‘ne kleine Wanze, auf der Mauer, auf der Lauer, sitzt ‘ne kleine Wanze. Sieh dir mal die Wanze an, wie die Wanze tanzen kann. Auf der Mauer, auf der Lauer, sitzt ‘ne kleine Wanze.
Literaturverzeichnis: Aufderstrasse, H. u. a.: Themen 2 Neu. Kursbuch. Max Hueber Verlag: Ismaning 1993. Cartagena, N./Gauger, H. M.: Vergleichende Grammatik Spanisch Deutsch. 2 Bde, Reihe: Duden. Vergleichende Grammatiken. DUDENVERLAG: Mannheim 1989. Cauneau, I.: Hören, Brummen, Sprechen. Angewandte Phonetik im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Klett Edition Deutsch: München 1992. Dieling, H.: Phonetik im Fremdsprachenunterricht Deutsch. Langenscheidt Verlag: München und Berlin 1992. Duden 4. Die Grammatik. DUDENVERLAG: Mannheim 1984. Duden 6. Das Aussprachewörterbuch. DUDENVERLAG: Mannheim. 21974. Göbel, H./Graffmann, H./Heumann, E.: Ausspracheschulung Deutsch: Phonetikkurs für Schüler. Inter Nationes: Bonn 1985. Kelz, H. P.: Phonetische Probleme im Fremdsprachenunterricht. Buske Verlag: Hamburg 1976. Kohler, K.: Einführung in die Phonetik des Deutschen. Erich Schmidt Verlag: Berlin 1977.
1) Sie heißen doch nicht Müller! 2) Wie heißen Sie? 3) Wer heißt denn hier Müller? 4) Was für ein Hemd wollen Sie denn? 5) Wie viele schöne Hemden willst du denn? 6) Was wollen Sie denn Schönes? 7) Welches Auto willst du? Das schöne oder das schnelle? 8) Die sind beide schnell – also welches willst du? 9) Du kannst wählen: ein schnelles Auto oder ein schnelles Motorrad.
Arbeit am zusammenhängenden Text ÜBUNG 6 Im folgenden Beispiel wird ein Liedtext zugrunde gelegt, der gleichzeitig ein Spiel ist. Der Text soll erst gelesen, dann frei gesprochen und schließlich gesungen werden. Der Vers wird mit folgenden Variationen mehrmals wiederholt: beim ersten Mal singen die Schüler die Wörter „Wanze“ und „tanzen“ vollständig, beim zweiten mal wird das „-e“ (Wanz) bzw. das „-en“ (tanz) weggelassen. Bei den nächsten Wiederholungen fällt
a) Ich möchte ein schönes Hemd. b) Ich möchte ein schönes Hemd. c) Doch, ich heiße Müller. d) Ich heiße Müller. e) Ich möchte wenigstens ein schönes Hemd. g) Ich möchte das schnelle Auto. h) Ich heiße Müller. i) Ich möchte das schnelle Auto. k) Ich möchte das schnelle Auto.
LIEDERREISE – 77 deutsche Lieder. Klett Edition Deutsch: München 1989. Meinhold, G./Stock E.: Phonologie der deutschen Gegenwartssprache. Enzyklopädie Verlag: Leipzig. 21982. Mummert, I.: Nachwuchspoeten. Jugendliche schreiben literarische Texte im Fremdsprachenunterricht. Klett Edition Deutsch: München 1991. Neuner u.a.: Deutsch konkret 1. Ein Lehrwerk für Jugendliche. Langenscheidt: Berlin u. München 1983, S. 40. Ramers, K. H./Vater, H. (Hrsg.): Einführung in die Phonologie. Gabel Verlag: Köln 1991. Rausch, R. und I.: Deutsche Phonetik für Ausländer. Langenscheidt Verlag: München und Berlin 1991. Schmidt, L./Schramm, E.: Übungen zur deutschen Aussprache. Enzyklopädie Verlag: Leipzig 31981. Slembek, E.: Lehrbuch der Fehleranalyse und der Fehlertherapie. Agentur Dieck: Heinsberg 1986. Solmecke, G.: Ohne Hören kein Sprechen. In: FREMDSPRACHE DEUTSCH 7, 1992, S. 4–11. Timm, U.: Gedicht „Erziehung“. In: bundesdeutsche lyrik zur sache grammatik. Hammer Verlag: Wuppertal 1974. Vorderwülbecke, A./Vorderwülbecke, K.: Stufen 4. Klett Edition Deutsch: München 1986 ff.
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LEKTION 4
Wortakzentuierung Von Swetlana Kim Der Wortakzent prägt ganz entscheidend Klang und Rhythmus der deutschen Sprache. Die richtigen Silben hervorzuheben und dafür die richtigen Mittel einzusetzen (Lautstärke, Tonhöhe, Dauer), fällt manchen Lernenden sehr schwer. Im Beitrag von Lauterbach/Merzig de Kübl werden Merkmale und Besonderheiten der Akzentuierung im Deutschen beschrieben, die auch für die Wortebene gelten. Hier werden Übungen vorgestellt, mit denen spielerisch und zugleich bewußt an der Wortakzentuierung gearbeitet werden kann. Beim Sprechen der betonten Silben sollten die Lernenden den Rhythmus mit den Händen schlagen. ÜBUNG 1 Hier sollen die Lernenden dafür sensibilisiert werden, die betonte Silbe richtig zu sprechen: laut, deutlich, mit fallender Melodie und kräftiger Handbewegung nach unten. Dafür werden zunächst einsilbige Wörter verwendet, die die Lehrperson vorgeben oder von den Lernenden finden lassen kann, z.B. Reimwörter auf -and und -und. In einem zweiten Schritt sollen die Artikel ergänzt werden, so daß der betonten Silbe eine unbetonte vorangeht. Beispiele zum Nachsprechen auf der Kassette: 1. Land Rand Sand Wand Hand 2. Mund Hund rund Bund wund
das Land der Rand der Sand die Wand die Hand der Mund der Hund der Bund
Eine andere Möglichkeit, vor allem in höheren Klassen, besteht in der Bildung zweisilbiger Ableitungen, bei denen der betonten Silbe eine unbetonte folgt: Land – Landung, Rand – Ränder, Sand – sandig, usw.
ÜBUNG 2 Die Lernenden hören zweisilbige Wörter (Verben) und unterstreichen die Akzentsilbe: malen, lehren, spielen, fahren, laufen, siegen, verlieren, schwimmen, dichten, springen, singen Dann bilden sie die dazugehörigen Substantive: malen – Maler spielen – laufen – dichten – singen –
lehren – fahren – schwimmen – springen – turnen
Die Lernenden können auch noch die femininen Formen ergänzen, so daß das Wort jeweils um eine unbetonte Silbe verlängert wird, z. B.: malen – Maler – Malerin lehren – Lehrer – Lehrerin spielen – Spieler – fahren – Fahrer – laufen – Läufer schwimmen – Schwimmer dichten – Dichter – springen – Springer – singen – Sänger – turnen – Turner – Danach hören sie die Wörter von der Kassette und sprechen sie nach. Dabei markieren sie deutlich den Wortakzent auf der Stammsilbe. Von den femininen Formen kann man den Plural bilden und hat noch eine Silbe mehr. Schließlich lassen sich den Substantiven noch die Artikel beigeben. Der Akzent bleibt immer auf der Stammsilbe, der betonte Vokal kann lang oder kurz sein (das festzustellen wäre eine weitere Aufgabe). Dieses schrittweise Erweitern von Akzentmustern kann durch die Lernenden besser nachvollzogen werden als ein ungeordnetes Angebot längerer und kürzerer Wörter mit ganz unterschiedlichen Hervorhebungen.
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ÜBUNG 3 Auch in den folgenden Beispielen wird die Stammsilbe betont. Die Lernenden suchen Wörter mit dem Präfix Ge-/ge oder Be-/be-, die in zwei oder mehr vorgegebene Akzentmuster passen, z. B. und und . Beispiele: geschafft, Geschenk, bereit, Betrag geblieben, bekommen, Geschichte, Beratung gelegentlich, Genauigkeit, bedauerlich, Besonderheit ... ÜBUNG 4 Trennbare Verben sind präfixbetont. Die Lernenden ordnen den folgenden Verbstämmen die Präfixe ab-, auf-, mit- zu und sprechen die Wörter. Sie finden weitere Wörter mit diesen Präfixen. gehen – mitgehen sichern – absichern bringen – mitbringen bauen – aufbauen nehmen – mitnehmen geben – aufgeben warten – abwarten schließen – aufschließen schreiben – abschreiben ÜBUNG 5 Wörter auf -ei sind endbetont. In einer Rätselpyramide können die Lernenden solche Wörter – mit unterschiedlich vielen vorangehenden Silben finden. Das Anfangswort kann mit einem Rätsel gefunden werden: Ich weiß ein kleines weißes Haus, hat keine Fenster, keine Tore, und will der kleine Wirt heraus, so muß er erst die Wand durchbohren. _EI_ ____.._EI_ ____..____.._EI_ ____..____..____.._EI_ Die eingesetzten Wörter sollen laut gesprochen werden. Die letzte Silbe ist deutlich hervorzuheben. Man kann auch einzelne Buchstaben, z. B. die Konsonanten vorgeben, um die Suche etwas zu erleichtern. Beispiele: Arznei, Partei, vorbei Papagei, Polizei, Schweinerei Konditorei, Angeberei, tausenderlei ÜBUNG 6 Zusammengesetzte Substantive werden auf dem Bestimmungswort betont. Die Lehrperson
kann zwei Bilder zeigen, die ein Kompositum ergeben, z. B.: Haus und Schuh der Hausschuh Hand und Schuh Tisch und Lampe Lampe und Schirm Bücher und Schrank Küche und Tisch Ferien und Zeit usw. Die Lernenden sollen diese Komposita bilden und laut sprechen. Sie können auch selbst Bilder mitbringen oder zeichnen und die anderen Schüler raten lassen. Zum Nachsprechen auf der Kassette: Haus und Schuh Hand und Schuh Tisch und Lampe Lampe und Schirm Bücher und Schrank Küche und Tisch Ferien und Zeit
der Hausschuh der Handschuh die Tischlampe der Lampenschirm der Bücherschrank der Küchentisch die Ferienzeit
ÜBUNG 7 Die Lernenden finden zu vorgegebenen Bestimmungswörtern ein gemeinsames Grundwort bzw. zu verschiedenen Grundwörtern ein Bestimmungswort, z.B.: Sommer-marke Garten-papier Wohn___?___ ___?___ -träger Kranken-wechsel Hoch-kasten (Lösung: -haus, Brief-)
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ÜBUNG 9 Die Lernenden suchen Antonyme. Es geht darum, die Silbe un- zu betonen. ________ normal klug ________ klar ________
– – – – – –
unglücklich __________ __________ ungenau __________ ungesund
glücklich normal klug genau klar gesund
– unglücklich – unnormal – unklug – ungenau – unklar – ungesund
Die Wörter können in kurzen Sätzen verwendet werden, z.B.: Zwei Diktate an einem Tag sind unnormal. Ich bin glücklich.
Die Aufgabe kann auch lauten: Sucht Wörter mit dem Bestimmungswort Sommer- oder Schulbzw. mit dem Grundwort -haus oder -zeit. Hier gibt es viele Möglichkeiten. Zum Nachsprechen auf der Kassette: das Sommerhaus das Gartenhaus das Wohnhaus das Krankenhaus das Hochhaus
die Briefmarke das Briefpapier der Briefträger der Briefwechsel der Briefkasten
ÜBUNG 8 Die Lernenden hören und lesen einen kurzen Text, suchen zusammengesetzte Substantive heraus und unterstreichen sie, z. B. in diesem Text: Großmutter sitzt am Küchentisch. Sie will einen Brief an ihre Enkeltochter schreiben. Sie nimmt Briefpapier und einen Kugelschreiber und fängt an. Da klingelt es an der Wohnungstür, der Briefträger bringt einen Eilbrief. Die Enkeltochter schreibt. Sie will am Wochenende zur Großmutter kommen. Die Lernenden lesen diese Wörter mit der richtigen Betonung. Für solche Übungen eignen sich viele Texte. Die Aufgabenstellung kann auch variieren, man kann z.B. Wörter mit bestimmten Akzentmustern heraussuchen lassen:
Eilbrief Großmutter, Küchentisch, Briefpapier, Wohnungstür, Briefträger Enkeltochter, Wochenende
ÜBUNG 10 Gut geeignet zum Üben und leicht zu behalten sind Reime und Sprichwörter. Sie haben einen ausgeprägten Rhythmus und zeichnen sich durch Wiederholungen und Kontraste aus. Einzelwörter spielen hier eine größere Rolle als im ungebundenen Sprechen, es gibt viele Hervorhebungen, so daß auch hier das Phänomen Wortakzentuierung in den Vordergrund tritt. In mehrsilbigen Wörtern sollte zunächst die Akzentsilbe bestimmt werden, ehe das Wort im Kontext gelesen wird. Beispiele: Blätterfall, Blätterfall, Gelbe Blätter überall.
***
Weil Frankfurt so groß ist, drum teilt man es ein in Frankfurt an der Oder und Frankfurt am Main.
***
Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute.
***
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
***
Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen, der liest sie ein, der bringt sie heim, und der Kleine hier ißt sie ganz allein. Für das Weiterüben ist es günstig, normale Sätze lesen oder sprechen zu lassen und dabei die Akzentsilbe besonders stark hervorzuheben. Auch hier kann die Handbewegung helfen.
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LEKTION 5 I
n vielen Sprachen gibt es keine Ö- und Ü-Laute, und die Lernenden haben Schwierigkeiten, diese Laute richtig zu hören und auszusprechen. Eine Möglichkeit, die Lautbildung bewußtzumachen, ist, von den E- und I-Lauten auszugehen und – ohne die Mundöffnung und Zungenstellung zu verändern – jeweils die Lippen nach vorn zu stülpen. Das kann mit dem Spiegel kontrolliert und mit Handbewegungen unterstützt werden. Die folgenden Übungen sollen helfen, Wahrnehmung und Artikulation anzubahnen und zu automatisieren. ÜBUNG 1 Die Lernenden hören einen Text oder ein Gedicht, um sich auf die darauffolgenden Übungen einzustellen. Das könnte z. B. ein Liedtext von Louis Fürnberg sein:
Frühlingslied Der Frühling zündet die Kerzen an In den grünen Kastanienkronen Und die Wiesen sind gelb vom Löwenzahn Und rot von Anemonen. Am Abend tollt ein junger Wind, Bläst in die Apfelblüten, Die schnein auf die, die mürrisch sind Und immer Trübsal brüten. (Der Text wird auf der Kassette von drei Sprechern unterschiedlich gesprochen.) ÜBUNG 2 Die Lernenden hören Wortpaare, sehen sie aber nicht. Sie geben an, ob sie gleich (=) oder unterschiedlich (≠) sind. ≠
Höhle – Hölle Höhle – Höhle Röslein – Rößlein könnte – konnte können – kennen Schlösser – Schlösser Mutter – Mütter Hüte – Hüte Tür – Tier lügen – lügen Hülle – Hölle
ÜBUNG 3 Die Lernenden hören Wortgruppen mit Ö- und ÜLauten und unterstreichen den Vokal, wenn er lang ist, sie setzen einen Punkt darunter, wenn er kurz ist, z.B.: fröhliche Söhne.
fröhliche Söhne schöne Töchter zwölf Lösungen geröstete Brötchen höfliche Österreicher größere Dörfer
fünf Übungen hübsche Schülerinnen müde Schüler berühmte Künstler süße Früchte kühle Flüsse jüngere Brüder
Die Lernenden sprechen die Wortgruppen nach und versuchen, sie in einem Satz zu verwenden. Sie können die Adjektive, Zahlen und Substantive auch neu kombinieren. Dabei ergeben sich oft lustige Zusammensetzungen. Die Sätze werden an die Tafel geschrieben und von allen laut gelesen. ÜBUNG 4 Die Lernenden hören Adjektive und bilden die Steigerungsformen. Die Lösungen sind auf Kassette. schön – höflich – groß – hoch – hübsch – müde – jung – kurz – Sie können Sätze mit Vergleichen bilden, z. B.: der Winter, der Frühling, der Sommer Der Winter ist schön, der Frühling ist schöner, der Sommer ist am schönsten. Lutz, Uwe, Jürgen das Dorf, die Stadt, die Hauptstadt der Turm, die Kirche, der Dom Emma, Eva, Monika er, du, ich die Mutter, die Tochter, der Sohn ein Roman, eine Geschichte, ein Satz
Öund
ÜLaute Von Larissa Karpova
Beispiele auf der Kassette: Der Winter ist schön, der Frühling ist schöner, der Sommer ist am schönsten. Lutz ist höflich, Uwe ist höflicher, Jürgen ist am höflichsten. Das Dorf ist groß, die Stadt ist größer, die Hauptstadt ist am größten. Der Turm ist hoch, die Kirche ist höher, der Dom ist am höchsten. Emma ist hübsch, Eva ist hübscher, Monika ist am hübschesten.
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Er ist müde, du bist müder, ich bin am müdesten. Die Mutter ist jung, die Tochter ist jünger, der Sohn ist am jüngsten. Ein Roman ist kurz, eine Geschichte ist kürzer, ein Satz ist am kürzesten. ÜBUNG 5 Die Lernenden hören Substantive im Singular und bilden den Plural. Vom Band kommt die richtige Lösung. der Ton – der Sohn – der Vogel – der Ofen – das Volk – der Kopf – das Loch –
der Gruß – der Fuß – das Buch – der Zug – der Wunsch – die Frucht – die Mutter –
ÜBUNG 6 Die Lernenden hören Städte- und Familiennamen und sprechen sie nach: Düsseldorf, Köln, München, Göttingen, Mühlheim, Lübeck, Göhren, Löbau Krüger, Schröder, Böhm, Bürger, Böll, Schöne, Müller, Rühl Sie stellen sich gegenseitig Fragen und antworten in zwei Varianten. Vom Band hören sie ein Beispiel: a) – Kommt Familie Krüger aus Göhren? + Ja, aus Göhren. b) – Kommt Frau Müller aus Mühlheim? + Nein, aus Köln. ÜBUNG 7 Die Lernenden schreiben ein Diktat. Sie hören einen Text, zunächst als Ganzes, dann in Teilen zum Mitschreiben. Der Text kann auch als Lückentext vorgegeben werden, dann können die unterstrichenen Wörter weggelassen werden. Diktattext mit Pausen:
Literaturverzeichnis: Fürnberg, L.: Die Kinder haben ein schönes Land. Kinderbuchverlag: Berlin o. J. Spender, W.: Die Eisenbahn hat Stiefel an. Kinderbuchverlag: Berlin 1981.
Familie Müller // wohnt in München. // Vater Jürgen // und Mutter Monika // haben zwei Söhne // und zwei Töchter. // Sie haben // eine schöne große Wohnung // im fünften Stock. // Sie stehen // immer früh auf // und frühstücken // in ihrer gemütlichen Küche. // Sie trinken Früchtetee // und essen Brötchen // mit Konfitüre.
Die Lernenden hören und üben, jeweils zu zweit, einen kurzen Dialog. Sie versuchen dann, ihn möglichst natürlich vor der Gruppe vorzuspielen. – Entschuldigung, können Sie einen Fünfzigmarkschein wechseln? + Ja, natürlich. Was brauchen Sie denn? – Zehn Fünfmarkstücke. + Zehn Fünfmarkstücke? Tut mir leid, ich habe nur fünf Zehnmarkscheine. – Na schön, das geht auch. ÜBUNG 9 Die Lernenden entwickeln selbst kleine Dialoge aus Fragen und Antworten und Gegenfragen zum Thema Frühstück, zuvor kann gemeinsam an der Tafel das Wortmaterial zusammengetragen werden: Es sollen möglichst viele Wörter mit Ö- und Ü-Lauten gefunden werden – auch wenn das Ganze nicht sehr ernst zu nehmen ist. • wann: früh um fünf, früh um sieben, fünf vor acht, ... • wie lange: fünf Minuten, fünfzehn Minuten, ... • mit wem: mit den Brüdern, für sich allein, ... • was ißt man: Brötchen, Würstchen, Früchte, Gemüse, ein schönes Stück Kuchen, Rührei, Konfitüre, ... • was trinkt man: Früchtetee, Möhrensaft, Hühnerbrühe, fünf Tassen Milch, ... Ein Beispiel auf der Kassette: – Wann frühstückst du? – Wie lange? – Mit wem? – Was ißt du? – Was trinkst du?
früh um fünf fünfzehn Minuten mit den Brüdern Brötchen, Rührei, Konfitüre, ein schönes Stück Kuchen Früchtetee, Möhrensaft
ÜBUNG 10 Die Lernenden hören einige Verse aus einem Gedicht von Waldemar Spender, sie lesen leise mit und sprechen es dann zeilenweise nach. Sie tragen es laut vor. (Auf der Kassette werden die Verse von drei Sprechern vorgetragen.)
ÜBUNG 8
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LEKTION 6
Konsonantenverbindungen Von Kerstin Reinke
Problembeschreibung Es gibt im Deutschen zahlreiche Verbindungen von zwei, drei oder auch mehr Konsonanten (z.B. braun, Stein, Straße, Kopf, Wurst usw.). Einige dieser Konsonantenverbindungen verdienen im Phonetikunterricht Deutsch als Fremdsprache besondere Aufmerksamkeit, weil sie für Lernende verschiedener Muttersprachen schwer zu realisieren sind. Es handelt sich dabei z.B. um [pf] (Pfennig), [pfl] (Pflanze), [ts] (Zoo, rechts) und [tsv] (zwei). Darüber hinaus weist das Deutsche – vor allem am Silbenende – umfangreiche, bis zu fünfgliedrige Konsonantenverbindungen auf ([mpfst]: schimpfst). An Silbengrenzen können sogar bis zu sechs Konsonanten zusammentreffen ([rbst∫t]: Herbststurm). Das dürfte vor allem denjenigen Lernenden Anstrengung bereiten, deren Muttersprache nur oder überwiegend einsilbige Wörter und einfache Silbenstrukturen hat. Artikulationsschwierigkeiten äußern sich folgendermaßen: Konsonanten werden weggelassen: Zoo so, Du weinst viel. Du weißt viel. Sie werden vertauscht: Würze Würste; Sie werden ersetzt: Zeit seit, Straße [∫tr] [str]; Vokale werden eingefügt: Arzt [rtst] [rtset], braten beraten.
Mißverständnisse, die sich durch das Weglassen oder Vertauschen von Konsonanten oder durch das Einfügen von Vokalen ergeben, sollte dabei eingegangen werden. Und schließlich muß die Aussprachegeläufigkeit durch Übungen zur Automatisierung trainiert werden, indem die Konsonantenverbindungen zunächst Stück für Stück „aufgebaut“ werden (Kurs – Kurt – kurz). Die deutsche Sprache bietet hierfür die vielfältigsten Möglichkeiten: Flexion: ich lerne – du lernst; Komposita: Markt, Marktstraße, Marktkreuzung; Nebeneinanderstellen phonetisch ähnlicher Wörter: Eis – ein – eins – eines – einst.
Übungsvorschläge Die hier vorgestellten Übungen können als Lektion oder auch einzeln erarbeitet werden. In der vorliegenden Reihenfolge stehen sie in einer Progression und gleichzeitig in einer didaktisch
Die genannten Fehlerbeispiele zeigen, daß die Verständlichkeit ziemlich stark beeinträchtigt sein kann. Gezielte Ausspracheübungen zu den Konsonantenverbindungen sind daher zu empfehlen. Zunächst sollten die Lernenden mit den – mitunter schwierigen – Laut-Buchstaben-Beziehungen vertraut gemacht werden. In dieser Hinsicht ist die Kenntnis der Transkriptionszeichen sicher eine große Hilfe. Ohne Transkription ist schwer deutlich zu machen, daß die Wörter rechts, Zoo, Katze und Nation alle die Lautverbindung [ts] enthalten. Weiterhin sollten die Lernenden mit geeigneten Hörübungen für das Erkennen und Unterscheiden der Laute (wie viele, welche?) sensibilisiert werden. Auf mögliche Fremdsprache Deutsch 12 Fremdsprache Deutsch Heft 12/1995 – Aussprache, ISBN 978-3-19-889183-4, © Hueber Verlag 2007
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begründeten Abfolge: Einhören, Hörkontrolle, Nachsprechen, Verbindung mit Grammatik- bzw. Lexikübung, Lesen, Sprechen, Spielen, Gestalten. ÜBUNG 1 dient zum Einhören und Sensibilisieren. Die Lernenden sollen das Gedicht von Alfons Schäfer hören und dabei vor allem auf die markierten Buchstaben achten, die die Lautverbindung [ts] repräsentieren.
Schmerzlich befristet Zeit zu leben Zeit zu sterben Zeit sich etwas zu erwerben Zeit zu leben Zeit zu sterben Zeit um etwas zu vererben Zeit zu sterben Zeit zu leben Zeit um alles herzugeben (Das Gedicht wird auf der Kassette von drei Sprechern vorgetragen.) ÜBUNG 2 dient ebenfalls zum Einhören und Sensibilisieren. Die Lernenden sollen hier vor allem auf die Lautverbindung [pf] achten. Der Arzt (A) fragt Herrn Zapf (Z): A: Wie geht’s, Herr Zapf? Z: Danke, mir fehlt nichts. Ich habe immer noch Schnupfen. Ich habe immer noch Kopfschmerzen. Ich habe immer noch Herzklopfen. Wie gesagt: Mir fehlt nichts. ÜBUNG 3 ist eine Hörübung zur Lautdiskrimination (Unterscheidung), hier zwischen [s] bzw. [t] und [ts]. Die Lernenden hören zwei Wörter und sollen angeben, ob sie gleich (=) oder verschieden (≠) sind. ≠
seit Zoo Teile Kasse Schuß Schutt Kurs Kurt recht
– – – – – – – – –
Zeit Zoo Zeile Katze Schuß Schutz kurz kurz rechts
Die Beispiele können später auch noch durch in die Reihe passende Wörter oder andere Reihen ergänzt, gegenübergestellt, gehört (diskriminiert) oder gelesen/gesprochen werden: seit so Teile Schuß Kurs recht platt
– – – – – – –
Zeit Zoo Seile Schutt Kurt rechts Platz
– Zeile – Schutz – kurz
ÜBUNG 4 ist eine Hörübung zur Lautidentifikation (Wiedererkennen). Es geht um [p] und [pf]. Die Lernenden hören bekannte oder vielleicht auch unbekannte Schimpfwörter mit -kopf oder -kopp (als umgangssprachliche Form) und sollen die fehlenden Buchstaben ergänzen. Alter Dummkopf. – Selber Dummkopp! (pf) – (pp) Du bist vielleicht ein Schafsko__. (pp) Dieser Eierko__. (pp) Na, du alter Dickko__! (pf) Holzko__, du bist wirklich ein Holzko__. (pp) Alter Quatschko__. (pf) Du bist und bleibst ein Querko__. (pf) ÜBUNG 5 ist ebenfalls eine Hörübung zur Lautdiskrimination. Die Lernenden sollen das gehörte Wort markieren.
(du) wirst ruhst weißt reist warst lebst sprichst trinkst kämpfst
(du) wirfst rufst weinst reichst warnst (er) lebt spricht trinkt kämpft
Vom Band hört man: wirfst ruhst weinst reichst warst lebst spricht trinkst kämpft
ÜBUNG 6 ist eine Hörübung, die die zu unterscheidenden Wörter im Satzkontext enthält. Die Lernenden hören einen der beiden Sätze und sollen ihn unterstreichen. Du liest Bücher. – Du liebst Bücher. Du schreist „Hallo!“ – Du schreibst „Hallo“. Du gießt Blumen. – Du gibst Blumen. Du kaust Äpfel. – Du kaufst Äpfel. Du weißt viel. – Du weinst viel. Du siehst Sand. – Du siebst Sand. Du sahst Peter. – Du sagst „Peter“.
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konjugieren die Konjugation organisieren (die Organisation) reagieren (die Reaktion) produzieren (die Produktion) gratulieren (die Gratulation) operieren (die Operation) demonstrieren (die Demonstration)
Vom Band hört man: Du liebst Bücher. Du schreist „Hallo“! Du gibst Blumen. Du kaufst Äpfel. Du weißt viel. Du siehst Sand. Du sagst „Peter“. Auch die Übungen 4, 5 und 6 eignen sich als Nachsprech- oder Leseübung, die Beispiele können ergänzt und variiert werden, die Verben der Übung 5 können in kurzen Sätzen verwendet werden. ÜBUNG 7 ist eine Hör- und Nachsprechübung, bei der die Lautverbindung [pf] geübt wird. Die Lernenden hören die Reime und sprechen sie nach. Im zweiten Durchgang wird nur ein Wort vorgesprochen, und die Lernenden finden selbst die passenden Reimwörter. Erster Durchgang: Zweiter Durchgang: Köpfe Kopf Köpfe Knöpfe Tropfen legen Licht
– – – – – – –
Köpfe Kopf Köpfe Knöpfe Tropfen legen Licht
Töpfe Topf Zöpfe Töpfe klopfen pflegen Pflicht
ÜBUNG 8 ist eine Hör- und Nachsprechübung, bei der besonders die Lautverbindung [ts] geübt wird. Die Lernenden hören die Wortgruppen und sprechen sie nach. Danach können sie selbst erzählen, was in einer schwarzen Kiste alles drin sein kann (Gegenstände mit [ts] oder [pf]).
Meine schwarze Kiste so viel Zeug, ein alter Anzug, zwei Geburtstagskarten von Tante Luzi, ein altes Notizbuch, Holzspielzeug, mein letztes Zeugnis, zwanzig Streichhölzer, eine Zeitung vom Dezember, zwei schmutzige Tassen, zehn Pfennig, Kinderzeichnungen und – meine Katze Mauz. ÜBUNG 9 verbindet das Trainieren der Lautverbindung [ts] mit grammatischen Aspekten. Die Lernenden sollen aus Verben Substantive auf -tion bilden.
ÜBUNG 10 verbindet nun das Automatisieren der Lautverbindung [pf] mit grammatischen Aspekten. Die Lernenden sollen den Plural der Substantive ergänzen. der Apfel die Äpfel das Pferd der Pfennig die Pflanze der Kopf der Kampf der Knopf
(die Pferde) (die Pfennige) (die Pflanzen) (die Köpfe) (die Kämpfe) (die Knöpfe)
ÜBUNG 11 beschäftigt sich mit den oft schwer aussprechbaren Zahlen. Die Lernenden sollen die Ordnungszahl ergänzen. 11 der elfte 5 6 12 18 22 66 78 82
(der fünfte) (der sechste) (der zwölfte) (der achtzehnte) (der zweiundzwanzigste) (der sechsundsechzigste) (der achtundsiebzigste) (der zweiundachtzigste)
ÜBUNG 12 stellt wiederum die Verbindung zwischen Phonetik- und Grammatikübung her. Die Lernenden bilden Komposita mit dem Bestimmungswort „Geburtstag“ und trainieren gleichzeitig mehrgliedrige Konsonantenverbindungen. Gäste die Geburtstagsgäste Karte (die Geburtstagskarte) Feier (die Geburtstagsfeier) Kuchen (der Geburtstagskuchen) Blumen (die Geburtstagsblumen) Geschenk (das Geburtstagsgeschenk) Kind (das Geburtstagskind) ÜBUNG 13 dient der Bewußtmachung der Laut-BuchstabenBeziehungen bei mehrgliedrigen Konsonantenverbindungen. Die Lernenden hören zunächst Straßennamen und ergänzen die fehlenden Konsonanten.
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Schmidt: Schultze: Willms: Kunz: Haupt: Sturm: Starke:
Reichsstraße Ma______atz Po______aße Ku______aben Fu______ad Geri______eg Sa______aße
(Marktplatz) (Poststraße) (Kunstgraben) (Fuchspfad) (Gerichtsweg) (Salzstraße)
Daraus läßt sich ein Dialogspiel entwickeln, ein Schüler fragt z. B., wo die Familie Starke wohnt, ein anderer antwortet. ÜBUNG 14 ist eine sogenannte produktive Übung. Die Schüler spielen „Einkaufen“, sie kombinieren das vorgegebene Wortmaterial und verwenden es in Wortgruppen oder kurzen Sätzen. zwei, zehn, zwölf, zwanzig, zweiundzwanzig Liter, Kilo Zeitungen, Zeitschriften, Zitronen, Benzin, Zucker, Zahnbürsten... Zum Beispiel: zwei Zitronen (Ich möchte zwei Zitronen.) zehn Zeitungen zwei Kilo Zucker zwanzig Liter Benzin zwölf Zahnbürsten zweiundzwanzig Zeitschriften
Deutschunterricht mit Aussiedlern
Sie
geben Aussiedlern – Frauen und Männern, Jungen, Alten, Kindern – Deutschunterricht. Sie wollen die Bedingungen und Ziele Ihres Unterrichts reflektieren. Sie suchen Informationen, Materialempfehlungen, Unterstützung und Anregungen für Ihren Unterricht. Das alles sowie konkrete Unterrichtsvorschläge für Intensivkurse, Wortschatzarbeit, Ausspracheunterricht, Alphabetisierungskurse, Arbeit mit Kindern, Projekte, Landeskunde finden Sie in der Sondernummer 1991 von FREMDSPRACHE DEUTSCH , die dem Deutschunterricht mit Aussiedlern gewidmet ist. Bestelladresse: Ernst Klett Verlag für Wissen und Bildung, Abt. AW, Postfach 106 016, D -70049 Stuttgart
ÜBUNG 15 bezieht emotionale Varianten ein. Die Lernenden sollen erst höflich und dann immer nachdrücklicher sprechen. (Die Anzahl der Konsonanten am Silbenende nimmt zu.) 1 Such bitte das Foto! Such's doch endlich! Suchst du es endlich? 2 Zeig mir bitte das Bild! Zeig's mir doch endlich! Zeigst du es mir endlich? 3 Schreib das Wort auf! Schreib's schon auf! Schreibst du es jetzt endlich auf! 4 Pack das Buch ein! Pack's ein! Packst du es bald ein? 5 Hilf mir bitte! Hilfst du mir mal? Hilfst du mir jetzt? 6 Du darfst nicht schimpfen! Schimpfst du schon wieder? Du schimpfst schrecklich viel! ÜBUNG 16 Die Lernenden hören eine „moderne Sage“ (frei nach R. W. Brednich), sie lesen erst still, dann halblaut mit dem Sprecher mit. Dann kann der Text laut vorgelesen werden. (Auf der Kassette wird der Text von zwei Sprechern gelesen.) Eine Familie in Leipzig besitzt seit vielen, vielen Jahren eine Katze. Als sie nach Chemnitz umzieht, der Möbelwagen gepackt ist und abfahren will, ist die Katze nicht da. Alles wartet, doch der Möbeltransporter muß schließlich fahren. Die Familie hofft, daß sie die Katze irgendwie nachholen kann, und verläßt ihren alten Wohnort. Die Familie versucht mehrmals, die Katze in Leipzig abzuholen, aber sie ist nicht zu finden. Vier Wochen später miaut es plötzlich vor der Wohnungstür in Chemnitz: die Katze ist fast 100 Kilometer gelaufen, um zu „ihrer Familie“ zu kommen.
Literaturverzeichnis: Schäfer, A.: In: Seismogramme, St. Benno Verlag: Leipzig 1981, S. 179. Stock, E. u. a.: PHONOTHEK (erscheint bei Langenscheidt, München und Berlin). Aus diesem Material wurden die Übungen 4, 7, 11, 14 (z.T. auszugsweise) zitiert. Brednich, R. W.: Das Huhn mit dem Gipsbein. Neueste sagenhafte Geschichten von heute. Beck Verlag: München 1993. (leicht verändert)
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en meisten Deutschsprachigen hört man an, woher sie kommen: Rheinisch, Sächsisch oder Bairisch sind regionale Akzente, die sich auch Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer nicht ohne weiteres abgewöhnen. Ist es schlimm, wenn Deutschlernende solche Färbungen der Aussprache und Intonation übernehmen, wenn man ihnen anmerkt, ob sie in Leipzig studiert oder viel Zeit in München zugebracht haben? Und was ist mit der Sprache der Österreicher – ist das gleichfalls ein Dialekt, den sich die Österreicher am besten abgewöhnen, vor allem wenn sie unterrichten? Viele Phonetiker propagieren, daß die Lernenden ein möglichst „lautreines“, „korrektes“ Deutsch erwerben sollen, eventuell sogar „korrekter“ als das des Lehrers. Auch der Lehrer sollte „unmarkiertes“ Deutsch sprechen und die Lernenden auf die „korrekten“ Formen verweisen. Seit langem schon gibt es jedoch auch Gegenpositionen, die davon ausgehen, daß es für die deutsche Sprache den einen, korrekten Standard nicht gibt. Im Gegensatz zu anderen Sprachen läßt sich Deutsch als eine plurizentrische Sprache charakterisieren, in der es nicht nur regionale, dialektale Varianten, sondern mehrere Standards gibt, so z. B. neben dem norddeutschen auch einen süddeutsch-österreichischen, also ein „Standarddeutsch österreichischer oder schweizerischer Ausprägung“. „Die Folgen der Auflösung und Teilung des von 1871 bis 1945 bestehenden Deutschen Reiches ließen mehr und mehr deutlich werden, daß die Annahme einer einheitlichen, monozentrisch regelbaren deutschen Sprache von einer mit Hegemoniepolitik zusammenhängenden Sprachideologie beeinflußt war. Mit dem heutigen Nebeneinander und Miteinander der deutschsprachigen Staaten finden sich die Deutschsprachigen auf ein mehr plurizentrisches, inkongruentes Verhältnis von Sprach- und Nationalbewußtsein zurückgeführt ...“ (v. Polenz 1990, S. 6). Die Einsicht, daß Lehrer und Lehrerinnen, was die eigene sprachliche Herkunft betrifft, „Farbe bekennen“ dürfen, hat sich inzwischen durchgesetzt – wenn wir aber von Deutsch als einer plurizentrischen Sprache reden, so meint das, daß auch die Lernenden Klangfarbe zeigen dürfen. Daß wir uns nicht mißverstehen: niemand soll im Deutschunterricht Dialekte aktiv zu beherrschen lernen, und auch ein eigener Sprachkurs für „Österreichisches Deutsch“ wird
hier nicht empfohlen – aber der Standard, der im Aussprache-Unterricht vermittelt wird, muß nicht der des Bühnen-Deutsch sein. Wer in Österreich oder der Schweiz, bei einem Lehrer oder einer Lehrerin aus einem dieser Länder oder auch in der Grenznähe zu einem dieser Sprachräume Deutsch lernt, dem darf man diese „Nachbarschaftsvarietät" durchaus anhören,
Gegenrede Von Hans-Jürgen Krumm
Korrektes Deutsch? dies sind keine korrekturbedürftigen Fehler. Bislang sind diese verschiedenen Standards aber noch keineswegs brauchbar für den Deutschunterricht beschrieben. Nichtdeutschsprachige Lehrerinnen und Lehrer werden daher vielfach auf die „norddeutsch-hochsprachliche“ Varietät als Orientierung (nicht als starre Norm) angewiesen sein und sich an ihr orientieren. Die nationalen Varietäten Österreichs und der Schweiz sollten aber im Unterricht (z.B. im Hörmaterial) zugelassen, eventuell sogar bewußt aufgenommen werden, um auf die Vielfalt des gesprochenen Deutsch außerhalb des Klassenzimmers vorzubereiten. „Es ist falsch zu glauben, daß in gewissen Landschaften das beste Deutsch gesprochen werde, also etwa die norddeutsche Aussprache ohne weiteres besser wäre als die süddeutsch-österreichische… . Überall ist von der ortsüblichen gebildeten Umgangssprache aus zum abstrakten Bühnendeutsch eine Linie zu ziehen und auf ihr so weit vorzudringen, als es, ohne affektiert zu werden, möglich ist" (Karl Luik 1923, S. 59 f, S. 63).
Literaturhinweise: Michael Clyne: Die österreichische Nationalvarietät des Deutschen im wandelnden internationalen Kontext. In: Rudolf Muhr (Hrsg.): Internationale Arbeiten zum österreichischen Deutsch und seinen nachbarsprachlichen Bezügen. Wien 1993, S. 1– 6. Karl Luik: Deutsche Lautlehre. Mit besonderer Berücksichtigung der Sprechweise Wiens und der österreichischen Alpenländer. 2. Aufl. Leipzig, Wien 1923. Peter von Polenz: Nationale Varietäten der deutschen Sprache. International Journal of the Soviology of Language 83 (1990), S. 5 –38.
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K LEINES Affrikate: enge Verbindung zweier Konsonanten (Explosiv mit Frikativ), die an der gleichen bzw. unmittelbar benachbarten Artikulationsstelle gebildet werden, z.B. [pf] in Pfennig, [ts] in Zeit, rechts. Akzent: a) betonte, d. h. hervorgehobene Silbe (Laut, Lautgruppe) in Wörtern und Wortgruppen; b) (fremder) Akzent: aus der Muttersprache übertragene Aussprachemerkmale, die die (sprachliche) Herkunft des Sprechers erkennen lassen. Akzentuierung: Betonung/ Hervorhebung von Silben in Wörtern und Wortgruppen durch Veränderung der Tonhöhe, größere Lautstärke, geringeres Sprechtempo sowie größere Spannung und damit Deutlichkeit. API/IPA: Association Phonétique Internationale / International Phonetic Association; internationale Gesellschaft, die die gebräuchlichste Lautschrift entwikkelt hat (API-Transkription). Artikulation: Lautbildung. Aspiration/Aspirierung: Behauchung der Explosive vor betontem Vokal und im Wortauslaut, z.B. in Tag [tha:kh]. Assimilation: Angleichung benachbarter Laute; nach der Wirkungsrichtung ist die Assimilation regressiv (= die vorangehenden Laute werden beeinflußt) oder – für das Deutsche typisch – progressiv (=die nachfolgenden Laute werden beeinflußt), z.B. in mitgehen [tg°], leben ['le:bm]. ' Auslautverhärtung: an Wort- und Silbenende treten im Deutschen in der Regel stimmlose Fortiskonsonanten, z.B. Hand [t], aber Hände [d].
PHONETISCHES distinktiv: bedeutungsunterscheidend, z.B. die Länge der Vokale (Staat – Stadt) oder die Artikulationsstelle der Konsonanten (leben – legen). Distribution: Auftreten von Lauten und Lautverbindungen in bestimmten Positionen (Silbenanlaut, Wortauslaut usw.) bzw. in Kombination mit anderen Lauten, z.B. kommt [h] nur vor einem Vokal vor. Elision: Ausfall eines Lautes, z.B. des unbetonten Endsilben-E in lesen ['le:zn]. ' Fortis: mit starker Spannung und starkem Geräusch gebildeter stimmloser Konsonant, z.B. [p, t, s]. Intonation: im engeren Sinne: Sprechmelodie; im (gebräuchlicheren) weiteren Sinne: Gesamtheit der suprasegmentalen (prosodischen) Merkmale, d.h. Tonhöhe, Lautstärke, Dauer, Tempo und Spannung – auch Akzentuierung, Rhythmus, Gliederung. Intonem: bedeutungsunterscheidender melodischer Verlauf, z.B. Sie warten hier! (terminal = fallend), Sie warten hier? (interrogativ = steigend), Sie warten hier, ... (progredient = weiterweisend).
W ÖRTERBUCH *
Lautkontext zu Lautkontext variieren. Lenis: mit geringer Spannung und geringem Geräusch gebildeter, oft stimmhafter Explosiv oder Frikativ, z.B. [b, d, z]. Minimalpaar: Wörter bzw. Sätze mit verschiedener Bedeutung, die sich nur in einem Merkmal unterscheiden, z.B. Staat – Stadt, Sie kommen? – Sie kommen. Phon: a) Synonym für Laut, b) Maßeinheit der Lautstärke. Phonem: kleinste bedeutungsunterscheidende sprachliche Einheit, eine Abstraktion, der gesprochene Laute zugeordnet werden können. Phonetik: a) Lehre bzw. Wissenschaft von den physiologischen (artikulatorischen) und akustischen (physikalischen), d.h. den meßbaren Eigenschaften der Laute, unabhängig von ihrer Funktion im sprachlichen System; b) Synonym für „Ausspracheschulung” im (Fremdsprachen-)Unterricht. Phonologie/Phonematik: Lehre bzw. Wissenschaft, die die bedeutungsunterscheidende Funktion von Lauten im Sprachsystem untersucht.
Koartikulation: Ineinandergreifen der Artikulationsbewegungen benachbarter Vokale und Konsonanten, z. B. werden in dem Wort kommen schon bei der Bildung des [k] die Lippen gerundet (im Wort kamen dagegen nicht).
Reduktion: Abschwächung, Verkürzung und Ausfall von Lauten, tritt vor allem und sehr häufig in unbetonten Silben bei hohem Sprechtempo und niedriger Spannung (d.h. in niedrigeren phonostilistischen Ebenen, wie z. B. im Gespräch) auf.
Laut: konkrete Realisation eines Phonems durch einen Sprecher; die Zahl der Laute ist also unendlich, da die konkreten physiologischen und physikalisch-akustischen Merkmale von Sprecher zu Sprecher und von
Rhythmus: regelmäßige Aufeinanderfolge betonter und unbetonter Silben und Wörter, durch die der Redestrom gegliedert wird; die rhythmischen Muster sind sprachabhängig, es wird zwischen silbenzählenden
(hier liegen etwa gleich viele Silben zwischen zwei Akzenten) und akzentzählenden Sprachen (mit – je nach Sprechtempo – unterschiedlich vielen Silben, aber etwa gleichen Zeitspannen zwischen zwei Akzenten) unterschieden; das Deutsche gehört zu den akzentzählenden Sprachen, das Französische z.B. zu den silbenzählenden. Transkription: Lautschrift/ Umschrift, mit deren Hilfe gesprochene Sprache verschriftet werden kann, wenn – wie im Deutschen – Schreibung und Aussprache voneinander abweichen bzw. Aussprachevarianten erfaßt werden sollen; Phoneme werden in Schrägstriche gesetzt (/ /), Laute in eckige Klammern ([ ]). Vokalqualität: Vokalspannung/-klang, gespannte/geschlossene und ungespannte/offene Vokale stehen sich im Deutschen gegenüber, z.B. Beeren – Bären. Vokalqualität und Vokalquantität sind im Deutschen in der Regel miteinander verbunden. Vokalquantität: Vokallänge, lange und kurze Vokale stehen sich im Deutschen gegenüber, z.B. Staat – Stadt; in der Regel sind die langen Vokale gespannt/geschlossen, die kurzen ungespannt/ offen. URSULA HIRSCHFELD
*Ausgewählte Termini, die in den Beiträgen dieses Heftes und der empfohlenen Literatur häufig verwendet werden; weitere Bezeichnungen werden in den „Übersichten und Regeln“ verdeutlicht.
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LITERATUR UND MATERIALIEN ZUR PHONETIK 1. Publikationen für die Unterrichtenden Helga Dieling: Phonetik im Fremdsprachenunterricht Deutsch. Langenscheidt Verlag: Berlin und München 1992. Grundlegende Publikation für die Lehreraus- und -fortbildung, die – gut verständlich und unterhaltsam geschrieben – auf alle wesentlichen Fragen zur Didaktik des Phonetikunterrichts eingeht und kontrastive Vergleiche von ca. 30 Ausgangssprachen in Kurzform enthält (ausführliche Varianten bei Kelz/Müller).
✔ Ursula Hirschfeld: Einführung in die deutsche Phonetik. Videokurs (deutsche, englische und polnische Fassung). Max Hueber Verlag: Ismaning 1992. Dieser Kurs ist ebenfalls für die Lehreraus- und -fortbildung entwickelt worden. Er gibt einen Überblick über die wichtigsten phonologischen und phonetischen Grundlagen sowie über die Laut-Buchstaben-Beziehungen. Er zeigt, wie Vokale und Konsonanten gebildet werden, gibt didaktische Hinweise und Regeln. Jeweils bestimmte Teile der acht Lektionen (Demonstration von Beispielen, Spielszene, Straßenszene) lassen sich schon im Unterricht der Grundstufe einsetzen.
✔ Heinrich P. Kelz / Ursula Müller (Hrsg.): Deutsch im Kontrast. Dümmler Verlag: Bonn 1994 (im Druck). Dieser Sammelband enthält mehr als 30 kontrastive Studien, in denen phonetische Besonderheiten der Ausgangssprachen dem deutschen gegenübergestellt werden und Hinweise für den Ausspracheunterricht
mit Lernenden aus diesen Sprachen gegeben werden.
✔ DUDEN Band 6: Aussprachewörterbuch. Mannheim, Wien, Zürich 1990. Großes Wörterbuch der deutschen Aussprache. Enzyklopädie: Leipzig 1982. Beide Wörterbücher können nicht nur zum Nachschlagen benutzt werden. Neben dem Wörterverzeichnis (mit Transkription) gibt es eine Einführung in die deutsche Phonetik, Hinweise zur Lautbildung sowie Ausführungen zum Aussprachestandard im Deutschen und zur Lautschrift.
✔ • Materialien Deutsch als Fremdsprache 32: Phonetik, Ausspracheschulung und Sprecherziehung im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Regensburg 1992. • Horst Breitung (Hrsg.): Phonetik – Intonation – Kommunikation. Standpunkte zur Sprach- und Kulturvermittlung, Bd. 2. Goethe-Institut: München 1994. • FREMDSPRACHE DEUTSCH, Heft 7/1992: Hörverstehen. In den Beiträgen dieser Publikationen geht es um theoretische und didaktische Fragen der Phonetik in Deutsch als Fremdsprache, zum Teil werden konkrete, anwendbare Unterrichtsbeispiele und -empfehlungen gegeben. 2. Phonetik-Materialien für den Unterricht Ilse Cauneau: Hören – Brummen – Sprechen. Angewandte Phonetik im Unterrichtsfach Deutsch als Fremdsprache. Klett Edition Deutsch: München 1992.
(Lehrerhandbuch, Begleitheft mit den Dialogen und Kassette) Dieses Material, ab Mittelstufe einsetzbar, geht von Dialogen aus, die nicht nur in „normaler“, sondern – durch Frequenzbeschneidung – teilweise auch in „gebrummter“ Version angeboten werden und so Betonung, Gliederung und Melodie besonders deutlich machen wollen. Im Handbuch werden didaktische Fragen diskutiert und Hinweise zur Arbeit an der Aussprache gegeben.
✔
Heinz Göbel / Heinrich Graffmann / Eckhard Heumann: Ausspracheschulung Deutsch. Phonetikkurs. Inter Nationes: Bonn 1985. (Textbuch mit Tests und Lösungen/Kassetten) Neben einer Einführung in die Arbeit an der Aussprache mit Schülern bestimmter Ausgangssprachen (ergänzt durch Folien) enthält dieses sehr empfehlenswerte Material abwechslungsreiche, wirkungsvolle Hör-, Nachsprech- und Sprechübungen für Kinder.
✔
Ilka u. Rudolf Rausch: Deutsche Phonetik für Ausländer. Langenscheidt Verlag Enzyklopädie Berlin, München, Leipzig 1991. Dieses Lehrbuch für die Lehreraus- und -fortbildung behandelt die physiologischen Grundlagen, Ursachen und Analyse phonetischer Fehler und die Intonation. Im praktischen Teil werden Übungen zur Akzentuierung sowie zu Vokalen und Konsonanten angeboten, leider ohne Tonkassette und mit oft sehr anspruchsvoller Lexik.
✔
Eberhard Stock u.a.: Phonothek. (in Vorbereitung: Leh-
rerhandbuch, Übungsbuch, Kassetten). Erscheint bei: Langenscheidt Verlag: Berlin und München. Dieses 26 Lektionen umfassende Material enthält Übungen zu allen phonetischen Problemen in der Fremdsprache Deutsch. Es ist in besonderem Maße um die Aktivierung der Lernenden (ab Mittelstufe) bemüht. Es ist didaktisch abwechslungsreich und interessant, und es ermöglicht durch das große Angebot an Übungen das Zusammenstellen von Übungsprogrammen nach den jeweiligen Erfordernissen. Das Handbuch führt in die didaktischen und phonetischen Grundlagen der Ausspracheschulung ein. 3. Lehrwerke Anne Vorderwülbecke/Klaus Vorderwülbecke: Stufen 1-4. Klett Edition Deutsch: München 1986 ff. Ulrich Häussermann u.a.: Sprachkurs Deutsch Neufassung. Diesterweg Verlag: Frankfurt 1989 ff. Gudula Mebus u.a.: Sprachbrücke 1, 2. Klett Edition Deutsch: München 1987 f. Ursula Nebe-Rikabi u. a.: Fremde Sprache Deutsch (früher: Deutsch intensiv). Verlag Harald Schubert: Leipzig 1993. Hans Jürg Tetzeli von Rosador u.a.: Wege. Max Hueber Verlag: Ismaning 1988. Volker Eismann u.a.: Die Suche. Langenscheidt: München u. Berlin 1993. Diese Lehrwerke enthalten ein interessantes, mehr oder weniger umfangreiches Angebot an phonetischen Übungen, die sich auch verwenden lassen, wenn man mit anderen Lehrbüchern arbeitet. URSULA HIRSCHFELD
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ÜBERSICHTEN UND REGELN ZUR DEUTSCHEN PHONETIK Von Natalja Goroshanina
Einige Regeln zu den LautBuchstaben-Beziehungen:
Die deutschen Vokale im Überblick LANG
Lange Vokale erkennt man im Schriftbild an der Doppelschreibung des Vokalbuchstabens (aa, ee, oo, ie) und am nachfolgenden : Staat, Tee, Boot, viel, sehen. Kurze Vokale erkennt man an nachfolgenden doppelt geschriebenen Konsonanten: bitte, kommen. Oft ist der Vokal auch kurz, wenn ihm drei oder mehr Konsonanten folgen: Wurst, Herbst. Die Buchstaben werden am Wort- und Silbenende wie [p, t, k] ausgesprochen (Auslautverhärtung): gelb [p] aber: gelbe [b] Kind [t] Kinder [d] Tag [k] Tage [g] Haus [s] Häuser [z] Motiv [f] Motive [v] Der Konsonant R wird frikativ – d.h. als Reibe-, Zäpfchenoder Zungenspitzen-R – gesprochen [r]: a) am Anfang eines Wortes oder einer Silbe: Rose, Büro b) nach Konsonanten: grau c) nach kurzen Vokalen: Mark d) bei Doppelschreibung: Herr R wird vokalisiert ([ää]): a) in der unbetonten Verbindung er-, ver-, zer-, -er: erzählen, versuchen, zerstören, Arbeiter, besser b) nach langen Vokalen: Uhr, Meer, ihr Die Buchstaben werden gesprochen als a) [x] nach „u“,„o“,„a“,„au“: Buch, noch, Fach, auch b) [ç] nach allen anderen Vokalen, nach „l“,„n“,„r“ und in „-chen“: nicht, Bücher, Fächer, euch, durch, manchmal, Mädchen c) [k] in der Verbindung sowie am Anfang einiger Fremdwörter und deutscher Namen: sechs, Chor, Chemnitz
vorn i e 3
y ø
ı 4
Y œ
hinten u o
a: KURZ
U O
a E
unbetont rund
rund
Die deutschen Konsonanten im Überblick EXPLOSIV fortis lenis FRIKATIV fortis lenis NASAL ISOLIERT
vorn
p b
t d
f v m
s z n l
∫ S
hinten k g ç j
x r N h
Betonung im Wort und in der Akzentgruppe Die Stammsilbe wird betont: , , , ... 1. in einfachen deutschen Wörtern: Schule, kommen, hören 2. in Wörtern mit den Vorsilben „be-“, „ge-“, „er-“, „ver-“, „zer-“: bekommen, erholen, Gehör, verabschieden 3. in untrennbaren Verben und davon abgeleiteten Substantiven auf „-ung“: wiederholen - Wiederholung
Der Wortanfang (Präfix) wird betont: , , … 1. in trennbaren Verben und davon abgeleiteten Substantiven: mitkommen, Aufsatz, Vorbereitung (weiter auf S. 60)
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Die Laut-Buchstaben-Beziehungen im Deutschen 1. Vokale und Diphthonge langes A
Laut [A]
kurzes A langes, gespanntes E
[a] [e]
kurzes, ungespanntes E
[4]
langes, ungespanntes E
[3]
Murmelvokal langes, gespanntes I
[E] [i]
kurzes, ungespanntes I langes, gespanntes O
[ı] [o]
kurzes, ungespanntes O [O] langes, gespanntes Ü [u] kurzes, ungespanntes U langes, gespanntes Ö
[U] [ø]
kurzes, ungespanntes Ö [œ] langes, gespanntes Ü [y]
kurzes, ungespanntes Ü
[Y]
Diphthonge
[5]
[6] [7]
Schrift a ah aa a e eh ee ä e ä äh e i ih ie ieh i o oh oo o u uh u ö öh ö ü üh y ü y ei ai ey ay au eu äu
Beispiele Abend Zahl Staat Stadt lesen zehn Tee Männer schnell Mädchen zählen bitte wir ihr vier sieht bitte holen ohne Boot kommen Schule Stuhl Mutter hören Söhne zwölf Schüler Stühle Typ fünf Ägypten eins Mai Meyer Mayer Augen neun Häuser
Schrift p pp -b b bb t tt th dt
Beispiel Papier Lippe gelb Bus Hobby Tür Wetter Theater Stadt
2. Konsonanten Explosive
Laut [p] [b] [t]
[d] [k]
[g] Frikative
[f]
[v] [s] [z] [∫] [S] [ç]
R-Laute, frikativ
[j] [x] [r]
vokalisiert
[ä]
Nasale
[m] [n] [N]
L-Laut
[l]
Hauchlaut Verbindungen
[h] [pf] [ts]
[ks]
[kv]
-d d dd k ck kk ch c -g q(u) g gg f ff v ph v w s ss ß s sch s(t) s(p) g j ch -(i)g j ch r rr rh er-er r m mm n nn ng n(k) l ll h pf z tz ts -tion x chs ks -gs qu
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Kind denken addieren Kind dick Akkusativ Chor Computer Tag Quadrat gut Egge Foto Schiff vier Phonetik Vase Wand Haus müssen Füße sehen Schule Straße spielen Etage jonglieren Licht fleißig ja auch rot Herr Rhythmus erzählen Schüler Meer Mutter kommen Name können lange danke holen schnell haben Kopf Zahl Satz rechts Situation Präfix sechs links montags Quadrat
60 A U S S P R A C H E
T E R M I N E 1995 8.–10. Juni in Dresden/ Deutschland
13.–19. August in Vancouver/ Kanada
4.– 6. Oktober in Halle/ Deutschland
21.– 23. September in Graz/Österreich
Jahrestagung des FaDaf (Fachverband Deutsch als Fremdsprache): DaF für die Zukunft. Eine Zukunft für DaF. Info: Prof. Dr. Dagmar Blei Techn. Universität Dresden Konferenz-Service der TUD Mommsenstr. 13 D-01069 Dresden Tel.: (0)351/463-6228/6281 Fax: /463-7131. IX. Weltkongreß der Internationalen Vereinigung für germanische Sprachund Literaturwissenschaft (IVG): Alte Welten – Neue Welten. Sprache und Literatur in Zeiten soziokultureller Umbrüche. Info: IVG Sekretariat 3415 Granville St. Dept. 33 Vancouver B.C. Kanada V6P 4Z9. 16. Kongreß für Fremdsprachendidaktik (DGFF): Fremdsprachliches Handeln im Spannungsfeld von Prozeß und Inhalt. Info: Dr. Norbert Lademann Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften, Institut für Anglistik und Amerikanistik D-06099 Halle (Saale) Tel.: (0)345/21 90 -26 31 Fax.: /202-12 59. Internationale Forschungszentren Kulturwissenschaften: Österreichisches Deutsch. Linguistische, sozialpsychologische und sprachpolitische Aspekte einer nationalen Variante des Deutschen. Info: Dr. Rudolf Muhr Institut für Germanistik der Karl-FranzensUniversität Graz Mozartgasse 8/11 A-8010 Graz.
Landeskunde – Schweiz: 3.–14./21. Juni; 2 –3 wöchige Fortbildungskurse für 14.–25. August/ Lehrerinnen und Lehrer. 1. September. Info: Kursort: Zürich Institut für Interkulturelle Kommunikation Holbeinstr. 34 CH-8008 Zürich Tel.: 0041/1/2 62 30 88 Fax: 0041/1/2 6160 26.
2. in Zusammensetzungen mit „un-“ und „ur-“: Urlaub, unbekannt
Das Bestimmungswort wird betont: , , … in zusammengesetzten Substantiven und Adjektiven: Schulkind, dunkelblau, Musikschule
Die letzte Silbe wird betont: , , … 1. in deutschen Wörtern mit der Nachsilbe „-ei“: Arznei, Polizei, Konditorei 2. in Buchstabenwörtern: EG, ABC, GmbH 3. in Fremdwörtern, die auf langen Vokal enden: Allee, Energie, Biologie 4. in Fremdwörtern, die auf einen oder mehrere Konsonanten enden: Student, Fakultät, interessant 5. in Fremdwörtern, die auf „-ion“ enden: Nation, Explosion
Die vorletzte Silbe wird betont: , , , … 1. in Fremdwörtern, die auf „-e“, „-ieren“, „-el", „-er“ enden: Maschine, informieren, Vokabel 2. in Fremdwörtern, die auf kurzen Vokal vor einem Konsonanten enden (außer „e“): Museum, Organismus
Betonung in der Akzentgruppe: , , , , … 1. Pronomen + Verb: du kommst, wir lernen, sie studieren 2. Pronomen + Verb + Pronomen: er weiß es, wir verabschieden uns 3. Präposition + Artikel + Substantiv: am Mittwoch, mit dem Lehrer, unter dem Regal
Melodische Grundmuster (Intoneme) 1. Fallende Melodie am Satzende (terminal) in – Aussagesätzen: Das ist mein Heft. – Ergänzungsfragen (W-Fragen): Wo ist mein Heft? – Imperativen: Gib mir das Heft! 2. Steigende Melodie am Satzende (interrogativ) in: – Entscheidungsfragen (Ja-Nein-Fragen): Ist das mein Heft? – freundlichen Ergänzungsfragen, Imperativen und Aussagen: Wo ist mein Heft? 3. Gleichbleibende Melodie vor Pausen in unabgeschlossenen Äußerungen (progredient): Der Lehrer fragt , wo mein Heft ist.
Literaturverzeichnis: Großes Wörterbuch der deutschen Aussprache. Enzyklopädie Verlag: Leipzig 1982. Hirschfeld, U. u.a.: Zur Phonetik der deutschen Sprache. Folienserie. IFBT Berlin 1986. Hirschfeld, U.: Einführung in die deutsche Phonetik. Begleitheft zum Video. Max Hueber Verlag: Ismaning 1992. Schmidt, L./Hirschfeld, U.: Deutsche Phonetik. Übersichten und Regeln. Herder-Institut: Leipzig 1987. Schmidt, L/Hirschfeld, U.: Deutsch für Anfänger. Phonetische Übungen. Herder-Institut: Leipzig 1988.
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stillen Stunde jemandem etwas anvertrauen – ��� seine Uhr geht nach dem Mond – 쐅 die Uhren gehen hier anders – 쐈 in einer schwachen Stunde – 쐉 dabei ist keine goldene Uhr zu gewinnen – 씈 keine gute Stunde bei jemandem haben Zeitpunkt
UHR – STUNDE Die Unterscheidung „Uhr - Stunde" bereitet vielen Lernenden Schwierigkeiten. Sie wurde als Problem auch in unserer Umfrage genannt. Das Problem entsteht für die Sprecher solcher Sprachen, in denen es für die beiden deutschen Begriffe nur ein Wort gibt. Zum Beispiel: FRANZÖSISCH: SPANISCH: POLNISCH: Ich wartete drei Esperé tres horas. J'ai attendu trois Czekal˜em trzy Stunden. heures. godziny. Il est trois heures. Jest godzina Es ist drei Uhr. Son las tres trzecia. (horas) de la tarde. Die Unterscheidung ist eigentlich ganz einfach: Neben dem Gerät 'Zeitmesser' bedeutet „Uhr“ auch einen Zeitpunkt, Angabe der vollen Stunde, während „Stunde" eine Zeitdauer bezeichnet. Beispiele: Zeitmesser: Zeitpunkt: Zeitdauer:
Ich hab heute meine Uhr vergessen. Kannst du mir sagen, wieviel Uhr es ist? – Es ist 2 Uhr. Heute mußte ich beim Zahnarzt über eine Stunde warten. Die Fahrt dauerte 4 Stunden.
Das kann man nun immer wieder üben. Wir möchten allerdings vorschlagen, es doch einmal mit Ausdrücken und Redewendungen zu versuchen, in denen „Uhr“ bzw. „Stunde“ die o.g. Bedeutung klar ausdrücken.* 1. Schreiben Sie die folgenden Ausdrücke in die entsprechen Rubriken; ��� rund um die Uhr im Einsatz sein – ��� eine knappe Stunde warten – ��� keine ruhige Stunde haben – ��� seine Uhr ist abgelaufen – ��� wieviel Uhr ist es? – ��� manch schwere Stunde durchgemacht haben – ��� es ist sieben Uhr – ��� in einer
Zeitdauer
Gerät „Zeitmesser“
2. Klären Sie die Bedeutung der Ausdrücke. Gibt es diese Ausdrücke mit ähnlicher Bedeutung auch in Ihrer Sprache? 3. Welcher Ausdruck paßt? a. schlecht behandelt werden: ________________________ b. er muß sterben: ____________________________________ c. die Uhr geht absolut falsch: __________________________ d. Tag und Nacht arbeiten: ____________________________ e. das lohnt sich nicht: ________________________________ f. nicht ganz eine Stunde: ______________________________ g. Das Land hier ist mir fremd: ________________________ h. da war ich nicht gut in Form: ________________________
Lösungen: Aufgabe 1: Zeitpunkt Wieviel Uhr ist es? es ist sieben Uhr
Zeitdauer in einer schwachen Stunde eine knappe Stunde warten manch schwere Stunde durchgemacht haben keine ruhige Stunde haben in einer stillen Stunde
Gerät „Zeitmesser“ rund um die Uhr im Einsatz sein seine Uhr ist abgelaufen die Uhren gehen hier anders seine Uhr geht nach dem Mond dabei ist keine goldene Uhr zu gewinnen
Aufgabe 3: a 13; b 4; c 9; d 1; e 12; f 2; g 10; h 11 * Wendungen, die eher Verwirrung stiften können, wie z.B.: „wem die Stunde schlägt“, „die Stunde Null“, „zu nächtlicher Stunde“, „seine große Stunde ist gekommen“ lassen wir jetzt weg. Hier schimmert nämlich noch die andere, ursprüngliche Bedeutung von Stunde = Zeitpunkt durch. Zur Ethymologie: Stunde aus germ. *stundo = Zeitabschnitt, Zeitpunkt. Uhr bezeugt seit dem 14. Jh. aus altfranzösisch „(h)ore“ = Stunde.
ELISABETH LATTARO
Verwendete Literatur: Kluge, F.; Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. de Gruyter: Berlin 1989. Küpper, H.: lllustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache. Bde 7 und 8. Klett: Stuttgart 1984. Röhrich, L.: Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd 3. Herder: Freiburg 1 992. Schemann, H.: PONS – Deutsche Idiomatik. Ernst Klett Verlag für Wissen und Bildung: Stuttgart 1993.
„Stunde“ Fremdsprache Deutsch 12 Fremdsprache Deutsch Heft 12/1995 – Aussprache, ISBN 978-3-19-889183-4, © Hueber Verlag 2007
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Kurzrezensionen
I N F O
Gert Henrici/Claudia Riemer (Hrsg.) mit Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache Bielefeld-Jena: Einführung in die Didaktik des Unterrichts Deutsch als Fremdsprache mit Videobeispielen. 2 Bände, zus. 583 Seiten. Schneider Verlag Hohengehren: Baltmannsweiler 1994. Unter den zahlreichen Einführungen in das Fach Deutsch als Fremdsprache nimmt die vorliegende eine Sonderstellung ein: • Sie ist aus der Zusammenarbeit zwischen 0st (Jena) und West (Bielefeld) entstanden und spiegelt ein Stück weit auch die unterschiedlichen fachlichen Akzentuierungen . • Sie versucht, konkrete Unterrichtsbeispiele einzubeziehen: es wird auf drei Videokassetten verwiesen, die in Bielefeld bzw. Jena abzurufen sind. • Sie versteht sich als Anleitung zum Selbststudium, weshalb der Leser direkt an-
(Können), den Bereich von Wissen und Kenntnissen (Phonetik, Grammatik, Lexik), die Landeskunde, die allerdings mit 9 Seiten (gegenüber 18 für Literatur und 31 für Fachsprachen) entschieden zu kurz kommt, Fehlerbehandlung, Tests und Prüfungen, Lehrmittel und Nachschlagewerke, Unterrichtsmethoden sowie die Unterrichtsplanung. In der Regel werden in diesen Kapiteln konkrete Beispiele ebenso vorgestellt wie theoretische Grundlagen. Die Kapitel über Unterrichtsbeobachtung, Zweitsprachenerwerbsforschung und die Referenzwissenschaften der Fremdsprachendidaktik geben auch Hinweise auf die Erforschung des Deutschunterrichts. Als Arbeitsbuch im Seminar oder Fortbildungskurs möchte
Seit 1994 gibt es eine neue Prüfung für Deutsch als Fremdsprache: Das Österreichische Sprachdiplom (ÖSD). Dieser Prüfung liegt die Vorstellung von Deutsch als einer plurizentristischen Sprache zugrunde. Ausgehend vom süddeutsch-österreichischen Standard berücksichtigt sie die großräumigen Standartvarianten des Deutschen. Die Prüfung besteht aus drei Stufen: Grundstufe 1, Grundstufe 2 ( vergleichbar Zertifikat Deutsch als Fremdsprache), Mittelstufe. Informationen erhalten Sie im ÖSD-Prüfungsbüro, Berggasse 21/141 A-1090 Wien.
gesprochen und immer wieder aufgefordert wird, vorgegebene Aufgaben zu bearbeiten, Stellungnahmen zu entwickeln oder mit den Videobeispielen zu arbeiten. Die von verschiedenen Autoren verfaßten Einzelbeiträge decken einen großen Teil der für die Praxis des Deutschunterrichts wichtigen Bereiche ab: die sprachlichen Fertigkeiten
ich die beiden Bände empfehlen, einmal, weil sie auf aktuellem Stand (etwa 1992) eine gute Darstellung aller wichtigen unterrichtsbezogenen Aspekte des Faches geben, zum andern weil Literaturhinweise und Aufgabenstellungen zur Weiterarbeit anregen. Für die individuelle Anschaffung und Lektüre aber würde ich die beiden Bände nicht empfehlen, weil sie den einzelnen Leser ärgerlich allein lassen
und manchmal auch in die Irre führen: • Im Unterschied zu den 'Fernstudieneinheiten', die das Goethe-Institut und die Gesamthochschule Kassel publizieren, enthält die vorliegende Einführung dem Leser mögliche Lösungen der gestellten Aufgaben vor, so daß für ein erfolgreiches Bearbeiten zumindest eine Lerngruppe, möglichst aber auch eine kompetente Fachperson zu Rate gezogen werden muß. Wie soll z.B. der Leser/Lehrer eine Aufgabe wie die folgende ohne Hilfestellung bearbeiten und seine gefundene Lösung überprüfen: „Lesen Sie und geben Sie eine Grobeinschätzung dieser beiden Kriterienlisten ... Zu welchen Zwecken wurden sie konzipiert? Werden sie begründet oder sind sie begründbar? (Bd 2, S. 413) • Die weiterführenden Literaturhinweise im Anschluß an einzelne Kapitel sind unkommentiert; oft wird auf schwer zugängliche oder vergriffene Titel verwiesen; auch im Text haben es sich die Verfasser da zu einfach gemacht (so werden in Bd. 1, S. 234– 235, um ein besonders krasses Beispiel zu nennen, 88 Literaturverweise gegeben – das erwartet man in einer Dissertation, nicht aber in einer Einführung). • Die „Collage-Technik“, nach der die Verfasser Auszüge aus Lehrbüchern und Fachtexten in ihre eigenen Texte mischen, führt zu vielen Brüchen, und nicht immer sind die Grenzen der 'Zitate' sauber markiert (ich schätze, daß mindestens 50% der
beiden Bände aus ‚Fremdzitaten' bestehen). • Die beiden Bände sind außerordentlich Deutschland-zentriert geschrieben: es fehlen nicht nur wesentliche Fachliteratur und Fachentwicklungen etwa aus Österreich und der Schweiz, auch die Situation der Lehrenden und Lernenden in nichtdeutschsprachigen Ländern wird kaum reflektiert. Die Videoaufzeichnungen stammen (mit einer Ausnahme) aus Deutschland, im Kapitel 'Tests' tauchen ausschließlich bundesdeutsche Sprachprüfungen auf; und ähnlich Deutschland-zentriert sind die Aussagen über die Struktur eines Deutsch als Fremdsprache-Studiums (S. 532 ff). Ein Buch also, das zwar in die Lehrer- und Seminarbibliothek gehört, bei der Planung von Seminaren und als ergänzende Lektüre viele Anregungen liefert, das aber wegen der unterschiedlichen Gewichtung und mancher Einseitigkeiten auch mit Vorsicht zu genießen ist. HANS -JÜRGEN KRUMM Deutsch – warum nicht? Ein Radiosprachkurs von Herrad Meese. Die Deutsche Welle, das Goethe-lnstitut und Inter Nationes haben sich zusammengetan, um diesen Radiosprachkurs gemeinsam mit der Autorin zu entwickeln. Der Kurs ist für Anfänger/innen konzipiert und wird zweisprachig (in ca. 35 Sprachen) von der Deutschen Welle in Köln ausgestrahlt. Er besteht aus vier Serien mit je 26 Lektionen à 15 Minuten. Zu jeder Serie Fremdsprache Deutsch 12
Fremdsprache Deutsch Heft 12/1995 – Aussprache, ISBN 978-3-19-889183-4, © Hueber Verlag 2007
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gibt es ein zweisprachiges Begleitbuch und eine deutschsprachige Kassette mit den Dialogen (letztere erhältlich im Goethelnstitut vor Ort). Die durchgehende Handlung mit immer wiederkehrenden Hauptfiguren spielt an verschiedenen Orten in Deutschland mit Abstechern nach Österreich und in die Schweiz. Begleitet werden die Lernenden von einem kleinen weiblichen Kobold, der die Handlung mit Kommentaren würzt. Informationen über Sendezeiten und Frequenzen: Programmheft (Radio) der Deutschen Welle, D-50588 Köln. Die Begleitbücher können bestellt werden bei: Inter Nationes, Kennedyallee 91 -103, D-53175 Bonn. Sigrid Müller/Claudia Fuchs Handbuch zur nichtsexistischen Sprachverwendung in öffentlichen Texten. (Tb 1690) Fischer Taschenbuch Verlag; Frankfurt/M. 1993. Das Handbuch wurde im Auftrag des Magistrats der Stadt Frankfurt erstellt. Die Verfasserinnen sollten zum einen sprachliche Modelle erarbeiten, mit denen Frauen und Männer in öffentlichen Texten ihren Beruf, ihre Stellung, ihr Amt usw. mit einem Wort bezeichnen können, das auch das Geschlecht der jeweiligen Person benennt (z.B. Amtmann/Amtfrau; Bauherr/Baufrau); zum andern sollten für Formulare und Gesetzestexte geeignete genusmarkierte oder geschlechtsneutrale Formulierungen entwickelt werden. Beispiele: Statt „Inhaber des Führerscheins“ - „Inhaber/lnhaberin des Führerscheins“; statt „Beschwerdeführer“ „Beschwerdeführende Person“; statt „Wohngeldempfänger“ – „Wohngeld erhält (Name ...)“; statt „Ist das Kind bei einem Dritten in Pflege“ – „lst das Kind bei Dritten in Pflege“; statt „Traumberuf Lektor“ -„Traumberuf Lektorat“. Schon diese wenigen Beispiele
lassen ahnen, welche reichen Möglichkeiten die Sprache hier bietet. Die den Umformulierungen zugrunde liegenden sprachlichen Operationen lassen sich auch auf andere Bereiche übertragen. Deshalb sei das Buch all denen wärmstens empfohlen, die das Argument nicht gelten lassen wollen, daß die männliche Form „geschlechtsneutral“ sei und deshalb stellvertretend für beide Geschlechter stehe, und die bei Ihrer Formulierungsarbeit nach gelungenen Lösungen suchen.
Thema Geschichte Joachim Warmbold/E. Anette Koeppel/Hans Simon-Pelanda (Hrsg.): Zum Thema Nationalsozialismus im DaF-Lehrwerk und -Unterricht. iudicium: München 1993. Das Buch ist eine Dokumentation des ersten Kongresses zu diesem Thema im Oktober 1991 in Tel Aviv. Untersucht wurden Deutschlehrwerke für die Schule in Spanien, Afrika, Amerika und Frankreich. Das Buch enthält weitere Beiträge mit Vorschlägen zur Behandlung des Nationalsozialismus anhand literarischer Texte, zum Einsatz von Filmen und Zeitungstexten, über die Auseinandersetzung im Deutschunterricht mit den geschichtlichen Erfahrungen des Nationalsozialismus in Griechenland, Bulgarien und im Elsaß/Frankreich. Angekündigt ist ein zweiter Band mit ausgearbeiteten Unterrichtssequenzen zu diesem Thema. Über die Darstellung des Nationalsozialismus in Lehrwerken Deutsch als Fremdsprache für Erwachsene aus der Bundesrepublik Deutschland (Themen, Deutsch aktiv, Sprachbrücke, Sprachkurs Deutsch) informiert Christian Thimme: Zeitgeschichte in Lehrwerken des Deutschen als Fremdsprache. In: Info DaF, H. 4/August 1994.
Renate Luscher: Deutschland nach der Wende. Daten. Texte. Aufgaben. Für Deutsch als Fremdsprache. Verlag für Deutsch: Ismaning/München 1994. Ein Lesebuch soll es sein, eine Sammlung von Daten und Fakten. Das Buch enthält fürwahr eine Fülle von Informationen, die zu verstehen häufig genug selbst wieder eine Menge an Hintergrundwissen bei Leser und Leserin voraussetzt. Von der Autorin beschrieben (und manchmal auch unmerklich bewertet) werden die Lebenswelten (die Bundesländer, die Städte, die Welt der Wirtschaft, Umwelt und Verkehr) die Lebensverhältnisse (Familie, Wohnen, Jugendliche) in Ost- und Westdeutschland. Eingestreut finden sich Statistiken, Grafiken, kleinere Texte aus Zeitung und Literatur, dazu Aufgaben an ausgewählten Punkten, die die Lehrenden dazu verführen sollen, das Material auch im allerdings sehr fortgeschrittenen Deutschunterricht einzusetzen. Für Deutschlehrerinnen und -lehrer
gewiß eine Fundgrube an neueren Informationen über das vereinigte Deutschland. Ob das Buch allerdings auch mit Gewinn im Unterricht eingesetzt werden kann, scheint fraglich. Um „Ost-West-Geschichten“ von 1945-1990 ging es auch im 'Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten 1995'. Jugendliche fragten Zeitzeugen (Verwandte, Bekannte), deren Leben durch die Teilung Deutschlands beeinflußt wurde. Sie sammelten Dokumente (Fotoalben, Tagebücher, Briefe). Sie verglichen die persönlichen Erlebnisse und Erinnerungen ihrer Informanten mit Zeitungsberichten, Darstellungen der Ereignisse in Filmen, in Geschichts- und Schulbüchern. Im Herbst 1995 werden die Preisträger bekanntgegeben. Auszüge der besten Arbeiten werden in der nächsten Ausgabe von „Spuren Suchen“ veröffentlicht. Bestelladresse: Körberstiftung, Kampchaussee 10, D-21033 Hamburg. emj
Fremdsprache Deutsch 12 Fremdsprache Deutsch Heft 12/1995 – Aussprache, ISBN 978-3-19-889183-4, © Hueber Verlag 2007
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UNSERE AUTORINNEN Mariana Alvarez Herder-Institut Lumumbastr. 2 D-04105 Leipzig Studentin in Deutsch als Fremdsprache, hat in Argentinien als Deutschlehrerin gearbeitet. Dr. Ines Bose Cansteinstr. 4 D-06110 Halle/Saale Mitarbeiterin am Institut für Sprechwissenschaft und Phonetik der Martin-Luther-Universität Halle. Wolfgang R. Fischer Goethe-Institut 16, rue Francois Dauphin F-69002 Lyon FRANKREICH Fachberater für Deutsch als Fremdsprache, Mitarbeit in der „Arbeitsgruppe Aussprache“ am Goethe-Institut Lyon. Andreas Flad Kohlhaasstr. 1 D-04849 Bad Düben Zeichner; Diplom-Fachlehrer für Kunsterziehung. Dr. Evelyn Frey Goethe-Institut München Helene-Weber-Allee 1 D-80637 München Mitarbeiterin des Goethe-Instituts; Lehrbeauftragte u.a. für Phonetik an der Universität München; Lehreraus- und -fortbildung. Natalja Goroshanina Universität Woronesh Lehrstuhl für deutsche Philologie Universitätsplatz 1 394693 Woronesh RUßLAND Assistentin, arbeitet an ihrer Promotion zum Thema „Vergleich der phonetischen Variation im Russischen und im Deutschen“. Eva Hanke Goethe-Institut 16, rue Francois Dauphin F-69002 Lyon FRANKREICH
UND
Schauspielerin mit Lehrerausbildung, veranstaltet Fortbildungsseminare zu „Theatertechniken im Fremdsprachenunterricht“, Mitarbeit in der Arbeitsgruppe „Aussprache“ am Goethe-Institut Lyon. Dr. phil. habil. Ursula Hirschfeld Herder-Institut Lumumbastr. 2 D-04105 Leipzig Hochschuldozentin an der Universität Leipzig, Lehrveranstaltungen zu Phonologie und Phonetik im Magisterstudiengang Deutsch als Fremdsprache und in Kursen für ausländische Studenten und Lehrer. Dr. Larissa Karpova Moskauer Staatliche Linguistische Universität Ostoshenka, 3 Moskau RUßLAND Dozentin für Phonetik an der Linguistischen Universität Moskau. Dr. Swetlana Kim Universität Almaty Fakultät der Internationalen Beziehungen Muratbajew-Str. 200 480076 Almaty KASACHSTAN Dozentin für Deutsch als Fremdsprache an der Kasachischen Staatlichen Universität für Weltsprachen. Dr. Nikolai Klimov Moskauer Staatliche Linguistische Universität Ostoshenka, 38 Moskau RUßLAND Dozent für Phonetik und Sprecherziehung an der Staatlichen Linguistischen Universität Moskau sowie an der Neuen Humanistischen Universität Moskau. Prof. Dr. Hans-Jürgen Krumm Institut für Germanistik/Deutsch als Fremdsprache Universität Wien Dr. Karl Lueger-Ring 1 A-1010 Wien Universitätsprofessor für Deutsch als Fremdsprache Dr. Stefan Lauterbach Universidad Nacional de Córdoba
AUTOREN Escuela Superior de Lenguas Av. Vélez Sarsfield 187 5000 Córdoba ARGENTINIEN DAAD-Lektor, gibt Phonetikunterricht für Lehramtsstudenten in Deutsch als Fremdsprache. Gudula Mebus Am Weiher 11 D-20255 Hamburg Dozentin am Institut für Lehrerfortbildung Hamburg, Mitautorin des Lehrwerks „Sprachbrücke“. Prof. Brigitte Merzig de Kübl Universidad Nacional de Córdoba Escuela Superior de Lenguas Av. Velez Sarsfield 187 5000 Córdoba ARGENTINIEN Deutsch- und Spanischlehrerin an verschiedenen Schulen und Instituten, jetzt Professorin für Phonetik an der Universität. Dr. Nirath Meunmany Deutschabteilung der Pädagogischen Universität Vientiane Vientiane LAOS Nach vierjährigem Forschungsaufenthalt an der Universität Promotion zur vergleichenden Phonetik Laotisch-Deutsch. Dr. Kerstin Reinke Herder-Institut Lumumbastr. 2 D-04105 Leipzig Lektorin für Phonetik in Sprachkursen für ausländische Studenten und in der DaF-Lehreraus- und -fortbildung. Lothar Schmidt Julian-Marchlewskistr. 12 D-04347 Leipzig Phonetiklektor in Aus- und Fortbildungskursen von „interDaF“ am Herder-Institut/Leipzig. Bárbara Schön c/o Pradillo, 17 E-28002 Madrid SPANIEN Deutschlehrerin an der deutschen Schule in Madrid.
Fremdsprache Deutsch 12 Fremdsprache Deutsch Heft 12/1995 – Aussprache, ISBN 978-3-19-889183-4, © Hueber Verlag 2007