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DDR FÜR ANGEBER
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ISBN: 978-3-641-01877-1 © 2007 by Bassermann Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, 81673 München Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne die Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Projektleitung: Sven Beier Lektorat: Anja Galic´, Köln Satz und Layout: Roland Poferl Print-Design, Köln Illustrationen und Umschlaggestaltung: Norbert Pautner, München Herstellung: Sonja Storz Druck und Bindung: GGP Media, Pößneck Printed in Germany 817263544536271
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Sachlexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Personenlexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Sprüche, Kampagnen und Parolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Die elf unverschämtesten Sätze von DDR-Funktionären . . . . 86 Die sozialistische Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Das Land, die Leute, das Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Das Land der knappen Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Das Leben nach Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Alles, was schmeckt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Ein trinkfestes Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Ost-Mimen, die man auch im Westen kennt . . . . . . . . . . . . 107 So klang die DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Heiße Bräute und Filmprinzessinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Ein Volk von Mitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Die Parteien und Massenorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Orden, Ehrentitel, Preise, Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Der Wessi und der Ossi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Woran man einen Wessi erkennt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Woran man einen Ossi im Westen erkennt . . . . . . . . . . . . . . 129 Quiz: Testen Sie Ihr Wissen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .132 Anhang
Kleine Chronik weniger bekannter Ereignisse . . . . . . . . . . . 136 Abkürzungen – und was sie bedeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Lösungen der Quizfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Inhalt
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Vorwort Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir begrüßen Sie auf dem geistigen Territorium der Deutschen Demokratischen Republik. Halten Sie bitte Ihre Personaldokumente bereit und zeigen Sie sie den Geistern der Vergangenheit, die Sie heimsuchen werden, auf Verlangen vor. Als tägliche Lesezeit steht Ihnen die Zeit von Montag bis Freitag zwischen 7 Uhr und 16.35 Uhr zur Verfügung. Der Samstag ist lesefrei, es sei denn, Sie wollen die Zeit als VMI-Stunden abrechnen. Arbeiten Sie das Buch gewissenhaft durch. Am Ende wird Ihre Arbeit mittels einer Leistungskontrolle überprüft. Das Buch entstand in sozialistischer Gemeinschaftsarbeit zwischen den Redakteuren des Verlags Bassermann, dem Autor und einem Kollektiv von Erinnerungsspezialisten, die ungenannt bleiben wollen. Es stellt weder einen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der DDR noch eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der dafür zuständigen Stellen dar. Behandeln Sie das Buch behutsam und pfleglich; wir wissen nicht, ob Sie angesichts der großen Nachfrage sofort ein neues Exemplar bekommen können, sollten Sie eins benötigen. Lassen Sie sich gegebenenfalls in eine Warteliste eintragen oder legen Sie sich schon jetzt einen kleinen Vorrat an, wenn Sie zufällig mehrere erwischen sollten. Mit sozialistischem Gruß Ihr Schöpferkollektiv
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Einleitung »Nie war die DDR so schön wie heute«, schrieb Holger Reischok schon 2003 in der Berliner Zeitung. In der Zwischenzeit sind noch etliche Motto-Shows über die Mattscheibe geflimmert, haben Stars von einst als Moderatoren von heute in Medien-Erinnerungen gekramt wie einst Willi Schwabe in der Rumpelkammer nach alten Filmschnipseln. Und schon sind wir mittendrin in der schönsten Ostalgie – Willi Schwabes Rumpelkammer, das war doch noch was, das war unpolitisch, das war Kultur, das war einfach nur schön. Nun werden die Erinnerungen an die DDR bei jedem Einzelnen anders ausfallen. Es muss aber einen Grund dafür geben, dass sich so viele gern an die DDR erinnern. Wahrscheinlich gibt es mehr als einen Grund. Aber ein wichtiger, vielleicht sogar entscheidender Grund wird selten genannt. Wer heute 50 ist und gern an die Siebzigerjahre in der DDR zurückdenkt, tut das nicht, weil diese Jahre besonders schön gewesen wären, er tut das, weil er in dieser Zeit jung war. Seine Erinnerungen an die Sechzigerjahre sind davon geprägt, dass er in die Schule gegangen ist. Und wenn er von Pioniernachmittagen schwärmt, sich an das Fach Heimatkunde erinnert und es putzig findet, dass alle hintereinandersitzenden Schüler einer Bankreihe eine sogenannte Brigade bildeten, dann will er damit nicht ein totalitäres System beschönigen, sondern er erinnert sich an seine Schulzeit. Jeder hat das Recht, sich seiner Schulzeit als einer angenehmen, anregenden und abwechslungsreichen Zeit zu erinnern. Denn er erinnert sich nicht in erster Linie an die Fakten, sondern an die Gefühle und Empfindungen, die diese Fakten – welche es auch immer gewesen sein mögen – damals in ihm auslösten. Man frage ihn nicht, wie er als Vier- oder Fünfjähriger die Aufrichtung von Mauer und Stacheldraht bewertet hat. Man frage ihn aber, wie ihm im Kindergarten das lauwarme Kübelessen geschmeckt hat, das er mit dem damals gebräuchlichen Aluminiumlöffel zu sich nahm. Darüber wird er wahrscheinlich Auskunft geben können. Einleitung
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Die Erinnerung arbeitet in uns auf zweierlei Weise. Der eine Erinnerungsstrang lässt das, was wir damals als völlig normalen Alltag hingenommen haben, mit wachsendem Abstand immer absurder aussehen. Die Erinnerung verzerrt; das tut sie immer. Die Frage ist nur, ob sie die Wirklichkeit bis zur Unkenntlichkeit verzerrt oder ob gerade die Verzerrung das, was war, erst wirklich kenntlich macht. Der andere Erinnerungsstrang verfährt genau umgekehrt. Was wir damals als störend, belastend, ja bedrohlich empfunden haben, erscheint in einem milderen Licht, je weiter der Abstand wird. Damit wir uns einig darüber sind, woran wir uns erinnern: Wir haben ein Land vor uns, das seine eigenstaatliche Existenz auf der Konkursmasse eines viel größeren Landes gründete, einem Land, das einmal das Deutsche Reich gewesen war. Auf dem Territorium der Sowjetischen Besatzungszone dieses im Zweiten Weltkrieg untergegangenen Reiches bestand die Deutsche Demokratische Republik etwas weniger als 41 Jahre, nämlich vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990. Gegründet auf Betreiben Stalins, der als Vater der Völker Staaten von der Landkarte zu tilgen und neue zu schaffen pflegte, wenn es ihm beliebte, genoss der neue Staat nur eine begrenzte Souveränität und eine begrenzte Lebenskraft. Begrenzt durch die Oder-Neiße-Grenze (bis auf den nordöstlichen Rand, wo Stalin in Jalta das Lineal ein wenig nach links gerückt und die Grenzlinie westlich der Oder gezogen hatte), umfasste es 108 179 Quadratkilometer. In ihm wohnten zu Beginn 18,36 Millionen Menschen; am Ende waren es noch 16,35 Millionen. Das Land ging mit denkbar schlechten Voraussetzungen an den Start: Außer Braunkohle und Kalisalzen kaum Rohstoffe, auf dem interessantesten Rohstoff, dem Uran, hatte die UdSSR ihre Hand; aus dem erzgebirgischen Uran war Stalins Atombombe gemacht. Kaum Schwerindustrie. Ein zerschlissenes Verkehrssystem (und die zweiten Gleise der Eisenbahn als Reparation demontiert). Keine modernen Werften, keine großen Seehäfen, keine Fischereiflotte, von Luftfahrt ganz zu schweigen. Eine Landwirtschaft, die nach einer Bodenreform in ineffektive Kleinproduktion zurückgefallen war. Und über allem schwebte eine Partei, die in ihren besten Tagen zwar 8|
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2,3 Millionen Mitglieder haben würde, von denen aber nicht wirklich viele aus vollstem Herzen und ohne jeden Vorbehalt die Politik bejahten, die da auch in ihrem Namen betrieben wurde. Die DDR war ein Land, das seinen Bürgern Sicherheit gab, und davon so viel, dass es ihnen aus Sicherheitsgründen manche erstrebenswerte Freiheit vorenthalten musste, ein Land, in dem »arm« und »reich« keine wichtigen Begriffe mehr waren, »arm an Beziehungen« und »einflussreich« aber schon, ein Land, das den Weg beschritten hatte, den gravierenden Mangel an Gütern mittels einer Planwirtschaft zu beheben, die in Wirklichkeit eine Kommandowirtschaft war. Ein Land auch, das auf jeden schoss, der es unerlaubt verlassen wollte, ein Land, das zerbrach, was sich nicht fügen wollte, ein Land, das die Hoffnungen zerstörte, die es gesät hatte, und mit den Hoffnungen den Mut und die Gesundheit und die Fröhlichkeit so vieler Menschen. Dem Grotesken, Komischen, Verdrehten des Alltags widmet sich dieses Buch. Dem Alltag, der lächerlich war und kleinlich und beschaulich. Oder erstaunlich. Bedenklich und bedenkenswert. Unversehens schneit große Politik in diesen Alltag hinein, wie es auch in der vergangenen Wirklichkeit dieses Landes war, und was da hineinschneit, wie trivial war es doch manchmal. Aus der Fülle der Daten puhlt es diejenigen heraus, die wenig bedeutsam klingen und die für die Menschen dennoch wichtiger waren als Staatsakte. Mancher wird etwas ganz Neues erfahren, mancher wird seine Erinnerung auffrischen: »Ach, tatsächlich, siehste, das gab es ja auch.« Stoff zum Plaudern und zum – dieses Wort muss hier einmal fallen – Erfahrungsaustausch sollte sich allemal finden. Subjektiv und eingeschränkt, wie die Erinnerungen. Es ist doch nicht alles schlecht gewesen. Nein, dieser Satz wird in diesem Buch nicht zu lesen sein. Gut und schlecht sind keine Kategorien der Erinnerung. Das Gedächtnis vergibt keine Zensuren. Es gibt nur Signale: »Hier war etwas. Nimm es oder lass es liegen. Wenn es wehtut, lass es. Wenn du lachen kannst, nimm es, du hast es besiegt. Das Land ist gestorben. Du lebst. Du kennst es noch. Es ist wirklich, wirklich vorbei. Es ist tot. Du kannst lachen.«
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Sachlexikon Abkindern DDR-Jargon für eine besondere Tilgungsform des zinslosen Ehekredits, der jungen Ehepaaren zur Verfügung stand. Bei der Geburt des ersten Kindes wurden 1000 Mark der Restschuld erlassen, beim zweiten Kind 1500 Mark und beim dritten 2500 Mark. Abschnittsbevollmächtigter ABV Angehöriger der Volkspoli-
zei mit ständigem Dienstsitz im Wohngebiet. Seine ständige Anwesenheit sollte die Präsenz der Staatsmacht demonstrieren. Was ein Abschnitt war und welche Vollmachten der Bevollmächtigte dort besaß, wurde dem Normalbürger allerdings niemals klar. Vergleichbar mit dem Kontaktbereichsbeamten bundesdeutscher Prägung; vergleichbar auch, weil die Berufsbezeichnung ähnlich irre klingt. Adel Neben den »imperialistischen Kriegstreibern« waren die
»Junker« so ziemlich das Schlimmste, was die SED-Propaganda als Feindbild aufzubauen vermochte. Junker galten als Klassenfeind, als Hort des Militarismus. Als gesellschaftliche Klasse wurden sie bereits während der Bodenreform seit Herbst 1945 aus der Gesellschaft völlig verdrängt. Daneben hielt sich Ulbricht aber einige Vorzeige-Adlige, wie den Wissenschaftler Manfred von Ardenne, den Rennfahrer Manfred von Brauchitsch und den Fernsehkommentator Karl-Eduard von Schnitzler. Aktendulli Bezeichnung für einen Heftstreifen aus Pappe oder
Kunststoff mit einer Metallklammer, mittels dessen Blätter nach Art des Schnellhefters zu einem Konvolut geheftet werden, das man seinerseits in einen Aktenordner einlegen kann. Von Schreibwarenhändlern auch Fisch oder Aktenfisch genannt; unter der Bezeichnung Akten-Dulli wurde das praktische Bürohilfsmitel 1939 von Carl Kohl in Chemnitz erfunden. 10 |
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Amiga Schallplattenlabel, auf dem überwiegend Unterhaltungsmusik, Schlager, Jazz, Rock- und Popmusik veröffentlicht wurden (Eterna). Neben Künstlern eigener Provenienz gab es auch in begrenztem Umfang Produktionen westlicher Musik; sie gehörten zur begehrtesten Bückware in der DDR und waren auch Tauschobjekte für andere begehrte Artikel. Schlagersängerinnen in der DDR wurden auch – wegen des typischen Stils der Studioproduktionen – Amiga-Drosseln genannt. Ampelmännchen Symbolische Figur auf Lichtsignalanlagen für Fußgänger. Das DDR-Ampelmännchen – sowohl in der roten wie in der grünen Ausführung – kann als grafisch wesentlich gelungener bezeichnet werden als das in der alten Bundesrepublik übliche Symbol. Das grüne Ampelmännchen schreitet sehr viel dynamischer aus, und das rote Ampelmännchen signalisiert mit ausgebreiteten Armen das Kommando Stopp!, wodurch es psychologisch effektiver ist als die schüchtern dastehende Westperson, die sich eher übersetzen ließe mit »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, empfehle ich Ihnen, jetzt einmal stehen zu bleiben«. Nach der Wiedervereinigung sollte das Ost-Ampelmännchen abgeschafft werden, was zu einer ungeahnt hohen Protestwelle und zu einer Publizität des Vorgangs geführt hat, die dem Ampelmännchen Kultstatus verschaffte. Bislang ist es jedenfalls gelungen, die putzigen Kerlchen im Straßenbild zu erhalten. Antifaschistischer Schutzwall Martialische und zugleich beschönigende Bezeichnung für die Sperrwerke der Berliner Mauer. Die Bezeichnung will suggerieren, dass die Mauer gegen einen äußeren Feind gerichtet ist, während doch die Sperrwerke sich allein gegen die Bürger des eigenen Landes richteten. Der Begriff war so wenig wirksam, dass ihn seine Erfinder schließlich fallen ließen; seit 1977 sprach selbst Erich Honecker von der Mauer. Arbeiterschließfach DDR-Jargon für die Neubauwohnungen
der Typen P 2 und WBS 70, die in ihrem gleichförmigen äußeren Erscheinungsbild an Schließfachanlagen der Post erinnerten. Sachlexikon
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Asche Soldatenjargon für Nationale Volksarmee (NVA). Aufgebot Im Familienrecht der DDR abgeschafft, führte der Begriff Aufgebot ein zweites Leben in der politischen Propaganda. Namentlich die FDJ versuchte mit Aufgebotskampagnen die junge Generation für den Aufbau des Sozialismus zu begeistern. So gab es 1955 ein Wilhelm-Pieck-Aufgebot, 1970 ein Lenin-Aufgebot, 1984/85 ein Thälmann-Aufgebot und 1989 ein Aufgebot DDR 40 – gewissermaßen das letzte Aufgebot. Wer hierbei militärische Assoziationen hat, liegt nicht verkehrt: Militärische Organisation und »Kampf«-Terminologie waren beabsichtigt und wurden als besonders »revolutionär« gepflegt. Behelfsetikett Provisorisches Etikett zur Kennzeichnung von Waren, das verwendet wurde, wenn Papier oder Druckkapazität oder Druckfarben oder eine andere notwendige Zutat für die Herstellung regulärer Etiketten nicht verfügbar waren. Behelfsetiketten enthielten meist nicht mehr als die notwendigsten Warenangaben und kamen grundsätzlich ohne grafische Gestaltung und Abbildungen aus. Da eine große Anzahl von Warenetiketten bereits in den Fünfzigerjahren entworfen worden war, hoben sich die schlichten Behelfsetiketten, die in den Achtzigern häufig anzutreffen waren, sehr angenehm von den regulären Etiketten ab, die im Grunde niemand vermisste. Beutelratten Abfällige Bezeichnung der Westler für DDR-Bür-
ger, die anfangs dadurch auffielen, dass sie stets und ständig einen Dederon-Einkaufsbeutel mit sich führten. Das war natürlich ein trainiertes Jagdverhalten, das der Dederoni auch in der Marktwirtschaft nicht sofort ablegen konnte. In der sozialistischen Planwirtschaft (Plan) musste man nämlich immer darauf gefasst sein, dass es »etwas gab«. Kein Mensch konnte vorhersehen, was dieses »Etwas« sein würde. Vorhersehbar war aber, dass es für dieses Etwas keine geeignete Verpackung im Geschäft geben würde. Was also tun, wenn es gerade frische Pflaumen gab? Oder Walnüsse? Jonglieren? In die Backentaschen stopfen? Also. 12 |
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Bierpfennig Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war der Bierpfennig eine Abgabe auf den Verbrauch von Bier (die es im Übrigen heute noch gibt). Aber er bezeichnete auch eine der kuriosesten Abgaben in der DDR, hervorgerufen durch die üblichen Festpreise: Ein kleines Glas Bier (0,25 l) kostete 51 Pfennig. Ein großes Glas Bier (0,5 l) kostete 1,03 Mark. Wer also vier kleine Glas Bier trank, hatte einen Liter zu 2,04 Mark getrunken, wer zwei große Bier trank, einen Liter zu 2,06 Mark. Der feste Literpreis von 2,06 Mark ließ sich nicht durch 4 teilen. Die Mindereinnahme, die durch das Ausschenken des Biers in Viertellitergläsern entstand, musste genau verbucht werden. Die Gastwirte waren angehalten, die Zahl der Viertellitergläser und die Zahl der Halblitergläser, die sie ausgeschenkt hatten, zu registrieren und den zuständigen Organen für Handel und Versorgung zu melden – dort wurden dann die Pfennigdifferenzen verrechnet und der Bierpfennig, der durch den Ausschank von Halbliterbieren überschoss, abgeführt. Bilanz Bestandteil des Plans. Der Begriff meinte in der DDR,
anders als im Handelsrecht der Bundesrepublik, die zahlenförmige Gegenüberstellung von wirtschaftlichen Größen, die einander bedingten (zum Beispiel Bedarf und Aufkommen an Material, Arbeitskräften, Rohstoffen, Halbfertigerzeugnissen usw.). Die Bilanz stellten Proportionen und Relationen der verschiedenen Wirtschaftskräfte dar, und oft zeigte sich, dass sich zentral vorgegebene Plankennziffern gar nicht bilanzieren ließen, weil die dafür erforderlichen Arbeitskräfte oder Rohstoffe nicht zur Verfügung standen. Blaue Fliesen Bezeichnung für D-Mark, wahrscheinlich abge-
leitet vom blauen Farbton des 100-DM-Scheins. Obwohl der 100-Mark-Schein der DDR ebenfalls blau war, galt die Bezeichnung nur für Westgeld. Bonbon Volkstümliche Bezeichnung für das Parteiabzeichen der SED; die Bezeichnung hatte in der elliptischen Form des Abzeichens ihren Ursprung (Existenzellipse). Sachlexikon
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Bonner Ultras Propagandaformel der Fünfziger- und Sechzi-
gerjahre, die gegen die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gerichtet war; sie nimmt den historischen politischen Begriff des Ultramontanismus (von ultramontan = jenseits des Gebirges; das bezeichnete jene Gruppe von Katholiken, die sich allein an Weisungen aus Rom gebunden fühlten) auf, um anzudeuten, dass die Bonner Regierung ausschließlich Anweisungen von außen, sprich: aus den USA, ausführe. Bonzenschleuder Kosename für Verkehrsmittel mit zwei Bedeutungen: 1. die Luxuslimousinen der Partei- und Staatsführung, in der Frühzeit sowjetischer Bauart (vor allem die Marken Tschaika und SIL waren der obersten Führung vorbehalten), später schwedischer Import (Volvo). 2. Die Städteexpress-Züge, die seit 1976 aus allen Bezirksstädten der DDR morgens nach Berlin und am Nachmittag wieder in die Bezirksstädte zurückfuhren, und zwar montags bis freitags. Die Fahrpläne waren so abgestimmt, dass Dienstreisende 10-Uhr-Termine in Berlin erreichten, ebenso nach dem üblichen Sitzungsschluss ihren Zug zurück in die Bezirke. Die Schleudern waren orange-beige lackiert und unterschieden sich allein dadurch auffallend vom damals üblichen Reichsbahngrün. Auch innen wirkte die Ausstattung gediegener und vor allem sauberer als bei gewöhnlichen Reichsbahn-D-Zügen (Reichsbahn). Der Städteexpress wurde als zentrales Jugendobjekt der FDJ geführt. Städteexpresszüge waren zuschlagspflichtig. Der Zuschlag kostete für die 2. Klasse 5 Mark (in normalen D-Zügen 3 Mark). Neben dem Transport von Funktionären und Dienstreisenden dienten die Züge – besonders montags früh und donnerstags nachmittags – dem Bauarbeiterverkehr von und nach Berlin. Bückware Gängige Bezeichnung für knappe Waren, die nicht of-
fen in den Regalen zu sehen waren, sondern unterm Ladentisch versteckt wurden, weshalb sich das Verkaufspersonal bücken musste, um besonders gute Kunden damit zu bedienen. Wer selbst etwas zu bieten hatte, das die Verkäuferin dringend brauchte, hatte die besten Chancen, an Bückware heranzukommen. 14 |
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Datsche Wochenendhaus im Grünen, nach dem russischen
Wort »datscha«, einer der wenigen Russizismen, die dauerhaft Eingang in die Sprache der DDR gefunden haben. Datschen waren besonders von Großstadtbewohnern heiß begehrte Wochenend- und Feriendomizile – das Spektrum der architektonischen Vielfalt reichte dabei vom Geräteschuppen mit Sitzplatz bis zum unterkellerten Sechs-Zimmer-Haus Marke KanzlerBungalow. In den Baugenehmigungen waren Datschen gewöhnlich als »Wohnlaube« ausgewiesen, der (manchmal) dazugehörige Swimmingpool als »Feuerlöschteich«. Manche Dörfer und Vororte im Weichbild der Großstädte hatten mehr als 15 Feuerlöschteiche. Dederon Bezeichnung für die Polyamidseide, die in den USA als Nylon, in der Bundesrepublik als Perlon und in der Schweiz als Grilon bekannt ist. Der Handelsname sollte von vornherein markenrechtliche Streitigkeiten, bei denen die DDR meist den Kürzeren zog, ausschließen. Er enthielt die drei Buchstaben der Staatsbezeichnung: DeDeRon. Dederoni teils abfällige Bezeichnung der Westler für DDR-Bür-
ger, teils selbstironische Selbstbezichtigung; abgeleitet von der DDR-Bezeichnung für Polyamidseide Dederon. DEFA Staatliche Filmproduktionsfirma, gegliedert in die selbst-
ständigen Studios für Spielfilme (Potsdam-Babelsberg), das Studio für Dokumentarfilme (Berlin, Potsdam) und das Trickfilmstudio (Dresden); außerdem gehörte noch das DEFA-Kopierwerk zum Firmenverbund. Im Alltagsverständnis verband man mit dem Begriff DEFA vor allem das Spielfilmstudio. Es produzierte in den letzten Jahren der DDR pro Jahr 16 Kinofilme (darunter in der Regel zwei Kinderfilme), übernahm aber im etwa gleichen Umfang die Produktion für große Fernsehfilme des DDR-Fernsehens als Dienstleister. Ferner wurden in den Babelsberger Studios in begrenztem Umfang auch internationale Produktionen realisiert. Der DEFA-Film, wie man ihn gemeinhin kannte, war ein typischer Studiofilm, die Eigenheiten der RegisSachlexikon
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seure und Autoren traten hinter den Produktionsmechanismen des ideologisierten Studiobetriebs zurück. DEFA-Filme wurden häufig gescholten, selten gelobt. Zu den heute gelobten gehören manche, über die man zur Zeit ihrer Entstehung bestenfalls milde gelächelt hat. Daran erinnert der folgende Witz: Ein Priesterseminarist wird von einem Bischof nach seinen Zukunftsplänen gefragt. »Ich will DEFA-Direktor werden«, antwortet er. »Aber warum nur das?«, fragt der Bischof irritiert. »Hochwürden, stellen Sie sich einmal vor: Erster Mai, Demonstrationszug, und dann verkündet der Sprecher: ›Und jetzt begrüßen wir das Kollektiv des DEFA-Spielfilmstudios mit seinem Direktor an der Spitze‹, da sagt doch alle Welt: ›Ach du lieber Gott …‹« Die DEFA drehte den ersten deutschen Nachkriegsfilm: Die Mörder sind unter uns (1946). Er setzt sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinander. Der erfolgreichste DEFAFilm aller Zeiten ist ein Märchen: Die Geschichte vom kleinen Muck (1953, Regie: Wolfgang Staudte). Eine bemerkenswert hohe Resonanz beim Publikum fanden die Indianerfilme der DEFA. Die Söhne der großen Bärin (1966, Regie: Josef Mach), Chingachgook die große Schlange (1967, Regie: Richard Groschopp), Spur des Falken (1968, Regie: Gottfried Kolditz), Weiße Wölfe (1969, Regie: Konrad Petzold), Tödlicher Irrtum (1970, Regie: Konrad Petzold), Osceola (1971, Regie: Konrad Petzold), Tecumseh (1972, Regie: Hans Kratzert), Apachen – Blutige Rache (1973, Regie: Gottfried Kolditz), Ulzana (1974, Regie: Gottfried Kolditz), Blutsbrüder (1975, Regie: Werner W. Wallroth), Severino (1978, Regie: Claus Dobberke), Blauvogel (1979, Regie: Ulrich Weiß), Der Scout (1983, Regie: Dshamjangijn Buntar, Konrad Petzold). 16 |
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Besondere Juwelen der Produktion sind – damals belächelt, heute Kult – die Science-Fiction-Filme. Der schweigende Stern (1960, Regie: Kurt Maetzig), Signale – Ein Weltraumabenteuer (1970, Regie: Gottfried Kolditz), Eolomea (1972, Regie: Hermann Zschoche), Im Staub der Sterne (1976, Regie: Gottfried Kolditz), Besuch bei van Gogh (1985, Regie: Horst Seemann). Delikat Ladenkette für Nahrungs- und Genussmittel mittlerer
bis höherer Qualität; sie wurde geschaffen, um den Unmut der Bevölkerung über die wachsende Zahl von Intershop-Läden einzudämmen, in denen nur Westgeld-Besitzer einkaufen konnten. In der Delikat-Kette wurden vorgeblich höherwertige Waren für DDR-Mark verkauft. Wirklich delikat waren vor allem die Preise – für niedrige und mittlere Gehälter schlicht unerschwinglich. Häufig wurden die Delikat-Läden vor Festen und Feiertagen aufgesucht, wenn das Geld etwas lockerer saß oder man seinen Gästen oder Besuchern aus dem Westen etwas bieten wollte. Nach und nach rutschten immer mehr normale Produkte aus dem HO- oder Konsum-Sortiment und landeten im Delikat-Programm, selbst Dosenmakrelen in Tomatensoße galten am Ende schon als delikat. Diskothek Anders als im Westen war sie in der Regel kein festes Etablissement, sondern eine mobile Einrichtung, die schnell aufgebaut und wieder abgebaut werden konnte. Diskotheken wurden veranstaltet von Schallplattenunterhaltern – meist in Kulturhäusern, Jugendklubs, Sälen von Gasthöfen, aber auch in Ferienlagern, am Ende von Schulungen, Ernteeinsätzen und ähnlichen Gelegenheiten. Abgespielt wurde die aktuelle Musik sowohl östlicher als auch westlicher Herkunft, wobei, solange die Gefahr einer Überwachung bestand, das Verhältnis von 60 (DDR und Ost) zu 40 (West) Prozent bei den Musiktiteln eingehalten werden musste. Die Schallplattenunterhalter hatten hierüber entsprechende Listen zu führen und bei der AWA (Anstalt zur Wahrung der Aufführungsrechte aus dem Gebiet der Musik) einzureichen. Wenn keine Kontrolle drohte, wurde in der Regel erheblich mehr Westmusik als Ostmusik gespielt, aber getreuSachlexikon
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lich Ostmusik in die Listen geschrieben. So mancher DDR-Rocker hat auf diese Weise Tantiemen bezogen, die nach bürgerlichem Recht eigentlich den Stones, Deep Purple, John Lennons Erben oder Dieter Bohlen zugestanden hätten. Die Diskothek war die Jugendunterhaltungsform erster Wahl spätestens seit Beginn der Siebzigerjahre. Dispatcher Neben dem Broiler ein weiterer Anglizismus, der
sich in der DDR offiziell durchgesetzt hatte; vom engl. Verb »to dispatch« = etwas erledigen, abschicken. Er wurde als Fachbegriff für Koordinatoren im Eisenbahnwesen (hier einem Disponenten der Betriebszentrale vergleichbar), im öffentlichen Personennahverkehr (hier in der Funktion eines Verkehrsmeisters), in der Schifffahrt und im Speditionswesen (hier einem Disponenten vergleichbar) verwendet. Wenn in der Hauptverkehrszeit eine Oberleitung riss und in einer Großstadt der Straßenbahnverkehr zusammenbrach, erschienen die Dispatcher, dispatchten wie verrückt, und nach ein, zwei Stunden lief ’s wieder. Elf 99 Jugendsendung des DDR-Fernsehens, die im Titel und im
Logo die Postleitzahl des Fernsehstudios in Berlin-Adlershof (1199) aufnahm. Erster Sendetermin war der 1. September 1989; in den Wendewochen fiel Elf 99 durch Frische, Frechheit und kritische Berichterstattung auf. Die Sendung erreichte große Popularität, wurde nach der Auflösung des Deutschen Fernsehfunks an RTL abgegeben und von dort an Vox weitergereicht, wo das Format schließlich im März 1994 eingestellt wurde. Erichs Lampenladen DDR-Jargon für den Palast der Republik; der Begriff kam zustande aufgrund der Vielzahl von Beleuchtungskörpern, mit denen das Hauptfoyer ausgestattet war. Eterna Schallplattenlabel, auf dem klassische Musik bzw. soge-
nannte E-Musik (stand nicht für Elektronik, sondern für »ernste Musik«) veröffentlicht wurde. Eterna-Aufnahmen mit den hervorragenden Solisten und Orchestern, über die die DDR verfügte, genossen auch international einen ausgezeichneten Ruf. 18 |
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Eulenspiegel Satirische Zeitschrift in der DDR, die seit 1954/55 erscheint und die längste Zeit ihres Daseins im Wochenrhythmus veröffentlicht wurde, nach 1990 dann als Monatsmagazin. Die Eule erreichte eine Druckauflage von durchschnittlich 360 000 Exemplaren und war immer ausverkauft. Für Neuabonnenten gab es kaum Zugang; Eule-Abos wurden innerhalb der Familie vererbt. Die satirisch-kritischen Beiträge wurden von der Parteiführung äußerst genau geprüft, aber immerhin als Ventil des Unmuts zugelassen. Bemerkenswert war die alle vier Wochen auf der letzten Seite erscheinende Nonsens-Beilage »Die Funzel«; hier durfte – einmalig für DDR-Verhältnisse – ein Aktfoto sogar offen (und nicht verschämt im Innenteil wie beim Magazin oder im »Foto-Kino-Magazin«) abgedruckt werden. Existenzellipse Weniger volkstümliche Bezeichnung für das Emblem der SED (Bonbon). Es zeigte zwei ineinandergreifende Hände auf hellem Grund, die von einem Schriftband (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) eingefasst waren. Das Händesymbol spielte auf die Vereinigung von KPD und SPD im April 1946 an, die mit einem Handschlag der beiden Vorsitzenden Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl symbolisch besiegelt worden war.
Das Parteiabzeichen, das dieses Emblem trug, war annähernd elliptisch geformt. Die Parteimitglieder waren angehalten, es offen zu tragen. Viele taten das nur mit Missvergnügen, setzte es sie doch bei den anderen dem Verdacht aus, das eigene Fortkommen (und damit die gesicherte materielle Existenz) mehr der politischen Gesinnung als dem fachlichen Können zu verdanken. Exquisit Ladenkette zum Verkauf von »Waren der höheren Preisklasse für Mark der DDR«. »Es handelt sich dabei um hochwertige eigene Erzeugnisse, Waren aus der GestattungsSachlexikon
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produktion und Importe.« (Erich Honecker 1977). ExquisitLäden gab es schon zu Ulbrichts Zeiten; damals hießen sie im Volksmund »Uwubu« (Akronym für »Ulbrichts Wucherbude«). Das Sortiment bestand überwiegend aus Konfektion, Lederwaren, Schuhen, Miederwaren, Parfümerie und Kosmetikartikeln. Das Pendant bei Nahrungs- und Genussmitteln war das Programm Delikat. Falten DDR-Jargon für das Verhalten am Wahltag. Da in der DDR auf den Wahlzetteln allein die »Kandidaten der Nationalen Front« standen, war eine Wahl nur theoretisch möglich: Man konnte erstens einzelne Kandidaten ausstreichen, zweitens alle Kandidaten ausstreichen, drittens weitere Namen hinzufügen, viertens den Wahlzettel ungültig machen. Man konnte das offen tun oder in einer Wahlkabine – in beiden Fällen hätte man sich als Wähler enttarnt, der nicht mit dem »Wahlvorschlag der Nationalen Front« übereinstimmte. Um tatsächliches Wahlverhalten zu verhindern, war kollektives Abgeben der Stimme (also im Verband der Hausgemeinschaft oder, bei Studenten, der Seminargruppe) erwünscht. So gingen die meisten ins Wahllokal, nahmen den Stimmzettel, falteten ihn, ohne noch einen Blick auf die Namen zu verschwenden, und warfen ihn durch den Schlitz der Wahlurne. Aus diesem Vorgang entstand die Floskel »falten gehen«. Familie »Die Familie ist die kleinste Zelle der Gesellschaft. Sie
beruht auf der für das Leben geschlossenen Ehe und auf den besonders engen Bindungen, die sich aus den Gefühlsbeziehungen zwischen Mann und Frau und den Beziehungen gegenseitiger Liebe, Achtung und gegenseitigen Vertrauens zwischen allen Familienmitgliedern ergeben.« So steht es als feierlicher Vorspruch im »Buch der Familie«, das frisch Verheiratete zusammen mit ihrer Eheurkunde auf dem Standesamt ausgehändigt bekamen. FDGB Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, Einheitsgewerk-
schaft in der DDR, gegründet im Februar 1946. Im Gegensatz zum DGB, der als Dachorganisation der Einzelgewerkschaften 20 |
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fungiert, bildeten die 16 Industriegewerkschaften und Gewerkschaften der DDR lediglich zentral gelenkte »Fachabteilungen« des FDGB. Da es im Sozialismus keinen Klassengegensatz zwischen kapitalistischen Unternehmern und Arbeitern geben konnte, fungierten die Gewerkschaften auch nicht als Arbeitnehmervertretungen im klassischen Sinne, sondern definierten sich als »Klassenorganisation der in der DDR herrschenden Arbeiterklasse«. FDJ Freie Deutsche Jugend, einziger zugelassener Jugendver-
band, 1946 als Organisation gegründet, ab 1947 uniformiert und zunehmend militarisiert, ab 1952 dem »demokratischen Zentralismus verpflichtet«, erklärte sich die FDJ 1957 zur »sozialistischen Jugendorganisation der DDR«, die fortan als »zuverlässiger Helfer und Kampfreserve der Partei« (gemeint war natürlich die SED, deren »führende Rolle« ausdrücklich anerkannt wurde) wirken wolle. Die FDJ organisierte die Messen der Meister von morgen, betrieb zahlreiche Jugend- und Studentenklubs, organisierte eine Singebewegung, richtete Poetenseminare und Wettbewerbe junger Solisten aus und war für eine Vielzahl von Jugendobjekten verantwortlich. Die FDJ organisierte 1988 2,3 Millionen. Jugendliche (88 Prozent Organisationsgrad); nach der Wende blieben um die 850 eingeschriebene Mitglieder übrig. In der Bundesrepublik war die FDJ als verfassungsfeindliche Organisation seit 1951 verboten; dieses Verbot gilt noch immer, wurde aber nach 1990 nicht auf das Gebiet der neuen Bundesländer ausgedehnt. FORUM 1. Zeitung für Studenten, die wegen kritischer Berichterstattung oder Abdruck unliebsamer Texte häufig im Blickpunkt der Funktionärskritik stand, erschien im Zwei-WochenRhythmus seit 1955 und wurde Anfang der Achtzigerjahre »wegen Papiermangels« eingestellt. 2. Handelsgesellschaft mbH (andere Schreibweise: forum), sie war ein Unternehmen des Bereichs Kommerzielle Koordinierung und der Hauptverwaltung II des Ministeriums für Staatssicherheit zugeordnet. Gegründet 1976 oblag forum die AbwickSachlexikon
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lung des Intershop-Handels. DDR-Bürger durften seit dieser Zeit im Intershop nicht mehr mit DM oder anderen frei konvertierbaren Währungen bezahlen, sondern waren angehalten, ihr Westgeld zuvor bei der Staatsbank in forum-Schecks einzutauschen, die dann wie Bargeld in den Intershops angenommen wurden. Damit war beabsichtigt, die Sparstrümpfe der DDRBürger vom Westgeld zu leeren, also eine Maßnahme der Devisenbeschaffung im eigenen Land. In der DDR gab es den folgenden Witz: »›Wie lauten die beiden ersten Fragen eines Handwerkers, bevor er überhaupt kommt?‹ – ›Forum geht’s denn? Westhalb rufen Sie mich an?‹« Für den Filmfreund ausgewählt Reihentitel für die Ausstrahlung des Montagsfilms im DDR-Fernsehen mit festem Sendeplatz um 20 Uhr nach der Aktuellen Kamera und vor dem Schwarzen Kanal. Ausgestrahlt wurden vor allem alte Filme aus der Zeit vor 1945, deren politische Unbedenklichkeit in der DDR oftmals weitaus großzügiger bewertet wurde als im Westen. Mit dem Filmfreund haschte das DDR-Fernsehen nicht nur nach Westzuschauern, sondern wusste auch ausnahmsweise mal eine beträchtliche Zahl Ostzuschauer vor dem eigenen Kanal. Die verschwanden natürlich augenblicklich vom Sender, sobald Der Schwarze Kanal begann. Gegenplan Dieser Plan war kein bisschen oppositionell, wie der Name vielleicht vermuten lässt, sondern zeitweilig (besonders Ende der Siebzigerjahre) Bestandteil und eine besondere Form des sozialistischen Wettbewerbs. In der Gegenplan-Bewegung wurden die Werktätigen und Arbeitskollektive (Kollektiv) aufgefordert, zu den staatlichen Planauflagen eigene Vorschläge (Gegenvorschläge) zu unterbreiten, die natürlich in nichts anderem bestehen durften als in einer Überbietung der staatlichen Planvorgaben. Das hatte zwar Methode, blieb aber dennoch Wahnsinn, denn der Plan mit seinen ohnehin oft unrealistischen Vorgaben wurde durch die gut gemeinten Gegenpläne noch mehr durcheinandergebracht. Nach relativ kurzer Zeit wurde diese Methode fallen gelassen, und das Wort Gegenplan
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verschwand aus der Propaganda vollständig. Jetzt hieß es: Was neben dem Plan ist, ist gegen den Plan, und was gegen den Plan ist, verstößt gegen das Gesetz. Genex Geschenkdienst Handelsunternehmen, über das gegen Valuta Waren aus dem westlichen Ausland, aber auch Produkte aus der DDR bezogen werden konnten. So bestand die Möglichkeit für wohlhabende Westverwandte, den armen Ostkusinen einen Wartburg, der normalerweise 20 000 Mark kostete, für 9000 DM zu besorgen – und das ganz ohne Wartezeiten. Sogar Fertigteil-Häuser konnten über Genex bezogen werden. Gestattungsproduktion Einladung der DDR-Regierung an westliche Firmen, die DDR als Billiglohnland zu benutzen. Wurde von Firmen wie Salamander, Trumpf (Kakao) und Triumph (Miederwaren), BAT (verschiedene Zigarettenmarken) und Beiersdorf (Nivea) dankbar angenommen und von der DDR gestattet (daher der Name). Ein Teil der Produkte – etwa die über die Vertragsverpflichtungen hinaus erzielte Überproduktion – verblieb im Lande und füllte das Sortiment der Exquisit- und Delikat-Läden sowie der Intershops. Circa 120 Artikel wurden in der DDR via Gestattungsproduktion hergestellt. Goldene Hausnummer Hausgemeinschaften, die besonders
tatkräftig an der Verschönerung des Wohnumfeldes mitgewirkt hatten und die sich auch sonst durch politische Aktivität und Einsatzbereitschaft auszeichneten (zum Beispiel indem sie einen Gemeinschaftsraum ausbauten, gemeinsam zur Wahl gingen oder bei Bedarf Privatquartiere für die Arbeiterfestspiele oder andere Großveranstaltungen stellten), konnten ihr Mietshaus mit der »Goldenen Hausnummer« schmücken. GST Gesellschaft für Sport und Technik. 1952 gegründete, pa-
ramilitärische Wehrsportorganisation, die ihre Hauptaufgabe in der vormilitärischen Ausbildung der 16- bis 18-Jährigen sah. Bestimmte Sportarten (Fallschirmspringen, Segel- und Motorflug, Tauchsport) waren als Wehrsport eingestuft und konnten überSachlexikon
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haupt nur innerhalb der GST ausgeübt werden. An den Erweiterten Oberschulen gehörte die vormilitärische Ausbildung durch die GST zum Lehrplan. Die NVA sicherte sich über die GST die frühzeitige Auswahl und Ausbildung ihres Führungsnachwuchses, besonders in hochspezialisierten und technischen Waffengattungen. Hausbuch Ein schmales Heftchen mit sensiblem Inhalt. Aufge-
führt waren mit Namen, Geburtsdatum, Beruf und Personalausweisnummer alle Bewohner des Hauses. Eingetragen werden mussten auch alle Besucher, die sich länger als 14 Tage im Haus aufhielten. Grundsätzlich wurden alle Westbesucher eingetragen und ihre Anwesenheit umgehend der zuständigen Polizeidienststelle gemeldet. Das Hausbuch musste der Volkspolizei und anderen »staatlichen Organen« (wie etwa der Stasi) auf Verlangen vorgelegt werden; es wurde vom Hausvertrauensmann oder einem eigens dafür Beauftragten geführt. Hausgemeinschaft Die Bewohner eines Mehrfamilienhauses
waren per Definition eine Hausgemeinschaft, ob sie das wollten oder nicht. Sie wählten eine Hausgemeinschaftsleitung (HGL) und aus deren Mitte einen Vorsitzenden. Der Hausgemeinschaft wurden von der Kommunalen Wohnungsverwaltung die Organisation von Treppen- und Hofreinigung und die Pflege der Grünanlagen übertragen. An Wahltagen waren die Hausgemeinschaften angehalten, gemeinsam (im DDR-Jargon: geschlossen) zur Wahl zu gehen (Falten). Die Hausgemeinschaften sollten miteinander in den sozialistischen Wettbewerb treten und den Titel »Vorbildliche Hausgemeinschaft« anstreben. Zu diesem Titel gab es eine Geldprämie, und die wurde meistens bei einer zünftigen Party im eigens dafür eingerichteten Gemeinschaftsraum auf den Kopp gehauen. Haushaltstag 1961 eingeführter zusätzlicher bezahlter freier Tag, der zunächst alleinstehenden und vollbeschäftigten Müttern einmal im Monat zustand. Die Regelung wurde 1976 auf alleinstehende vollbeschäftigte Frauen ohne Kinder ausgedehnt.
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Seit 1981 kamen alle berufstätigen Mütter, Ehefrauen und alleinstehenden Frauen über 40 Jahre in den Genuss eines bezahlten Haushaltstages pro Monat. Hausvertrauensmann Ehrenamtlich tätiges Mitglied der Hausgemeinschaftsleitung (Hausgemeinschaft). Hausvertrauens-
leute waren stets männlich, auch wenn sie Frauen waren, die offizielle Bezeichnung lautete Hausvertrauensmann. Der Hausvertrauensmann führte das Hausbuch und war Ansprechpartner für die Kommunale Wohnungsverwaltung, den Abschnittsbevollmächtigten und andere interessierte »Organe«. HO Abkürzung für Handelsorganisation; 1948 gegründete Handelskette im Volkseigentum. Zunächst wurden in den HO-Läden markenfreie Waren zu überhöhten Preisen verkauft; damit sollte der Schwarzmarkt ausgetrocknet werden. Später etablierte sich die HO als beherrschende Handelskette in Einzelhandel, Warenhaus, Gastronomie und Hotellerie, der nur der Konsum – allerdings mit kaum unterscheidbarem Angebot – eine vergleichbare Struktur entgegenzusetzen hatte. In den Sechzigerjahren betrieb die HO in Leipzig ein Versandhaus (der Konsum das Konsument-Versandhaus Karl-Marx-Stadt). Intelligenz In der DDR als sogenannte Schicht definiert, die im Klassenstrukturmodell des Sozialismus zwischen (oder neben) den beiden Hauptklassen der Arbeiter und Angestellten einerseits und den Genossenschaftsbauern andererseits bestand. Die Zugehörigkeit zu dieser Schicht war soziostrukturell nicht genau bestimmt, vom Intelligenzgrad war sie offenbar nicht abhängig, auch nicht in erster Linie von einem abgeschlossenen Hochschulstudium. Angehörige der bewaffneten Organe und Mitarbeiter der Staatsorgane gehörten per Definition der Arbeiterklasse an, auch wenn sie einen Hochschulabschluss besaßen, möglicherweise promoviert hatten und typische Schreibtischarbeiten versahen. Ingenieure hingegen, selbst wenn ihre Tätigkeit im Betrieb der eines qualifizierten Arbeiters weitgehend ähnelte, konnten zur technischen Intelligenz gezählt werden. Sachlexikon
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Internationale Solidarität Diese wurde in allfälligen Sprechchören immer mit »Hoch die« eingeleitet. Im Grunde ein positiver Wert, der von der DDR-Führung allerdings zur Bemäntelung sehr zweifelhafter Geschäfte (unter anderem Waffengeschäfte) verwendet wurde. Materielle Beiträge für die Solidarität wurden gleich mit dem FDGB-Beitrag mehr oder weniger automatisch eingezogen. Über die Verwendung dieser Mittel wurde bis zur Wende 1989 nie konkret Rechenschaft abgelegt. Intershop Handelseinrichtung für den Verkauf von Waren ge-
gen Devisen. Zunächst nur an Flughäfen, Häfen und ausgewählten Hotels eher verschämt eingerichtet, machten sich Intershops durchaus unverschämt auch im Stadtbild breit, was zu beträchtlichem Unmut bei der nichtdevisenbesitzenden Bevölkerung führte. In der Folge wurden die Delikat- und Exquisit-Geschäfte ausgebaut, die höherwertige Waren für DDR-Mark, aber zu exorbitant hohen Preisen anboten. Jahresendfigur Auch geflügelte Jahresendfigur oder Jahreswechselflügelpuppe genannt, stellt dieser Begriff eine der absurdesten Handelsbezeichnungen in der DDR für einen Weihnachtsengel dar. Man unterschied auch »Jahreswechselpuppe mit Flügeln« (also einen Engel) von einer Jahreswechselpuppe ohne Flügel (zum Beispiel einem Bergmann); Engel und Bergmann, die Kerzen trugen, waren traditionelle Figuren der erzgebirgischen Volkskunst, die in der Weihnachtszeit aufgestellt wurden.
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Jahresendprämie Im Prämiensystem der DDR verankerte Gra-
tifikation, die dem heute sogenannten 13. Monatsgehalt vergleichbar war. Jugendmode Ladenkette der HO, die ein spezielles Beklei-
dungssortiment für Jugendliche anbot. Die Konfektion sollte mehr Chic und mehr Mut zu modischen Details haben. Die Käufer und besonders Käuferinnen waren oft dem (im engeren Sinne) jugendlichen Alter entwachsen, hatten aber nicht genügend Geld, um im teuren Exquisit einzukaufen. Jugendweihe Weltliches Gegenstück zur evangelischen Konfir-
mation in der Tradition der Freidenker und der Jugendfeiern der Arbeiterbewegung. Im Lauf der DDR-Geschichte wurde die Jugendweihe immer stärker politisiert und immer deutlicher auf ein Bekenntnis zum Sozialismus hin orientiert. Dadurch stieß sie auf Widerspruch und Widerstand der Kirchen, die ein Weltanschauungsmonopol der SED nicht hinnehmen wollten. Zur Jugendweihe gehörte eine Folge von monatlichen Jugendstunden und die eigentliche Jugendweihe-Feier, die in der Regel an einem Samstag im Mai stattfand und in einem politischen Gelöbnis für Frieden und Sozialismus gipfelte (das allerdings keine bindende Rechtskraft hatte). Nach der Jugendweihe wurden die Schüler grundsätzlich mit »Sie« und Vornamen angesprochen. Fortgesetzt wurde die Jugendweihe-Feier nach dem offiziellen Teil in der Regel mit einer Familienfeier, manchmal auch mit einer Klassenparty. Großer Aufwand wurde bei der Auswahl der Garderobe betrieben. Die größte Bedeutung für die Geweihten selbst lag aber eindeutig bei den Geschenken. Die Jugendweihe entwickelte sich zum bedeutendsten Geschenkanlass im Leben eines Jugendlichen, der Weihnachten und Geburtstag weit überstrahlte. Mancher (männliche) Jugendliche erlebte aus Anlass der Familienfeier seinen ersten Vollrausch. Kader Wer einem Kader angehörte, dem galt bezüglich seiner
beruflichen und politischen Entwicklung eine besondere Aufmerksamkeit. Denn schon der Genosse Stalin hatte gesagt: Sachlexikon
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»Die Kader entscheiden alles.« Man sprach den Namen des Vaters der Völker zwar seit den Sechzigerjahren nicht mehr so gern aus, zitierte ihn auch nicht mehr als »Klassiker«, beherzigte aber durchaus seine Lehren und folgte im Parteiaufbau und im politischen System getreulich seinen Vorstellungen. Eine besondere Gruppe der Kader zum Beispiel stellten die Nomenklaturkader dar. In der Nomenklatura waren nach sowjetischem Vorbild alle Personen erfasst, die maßgebliche Leitungspositionen, Wahlfunktionen und hohe Ehrenämter innehatten. Die Besetzung solcher Ämter und Funktionen war ohne die Zustimmung höherer SED-Gremien (bis hin zu den Abteilungen des Zentralkomitees) nicht möglich. Das Einrücken in eine solche Nomenklatura-Position hatte aber nicht nur Vorzüge (höheres Gehalt, diverse Privilegien, Einfluss), sondern kostete auch einen Preis. Nomenklatur-Kader bekamen keinen Arbeitsoder Anstellungsvertrag, sondern sie wurden berufen und bekamen eine Berufungsurkunde. Sie konnten auch nicht kündigen, wenn sie ihre Position zu verlassen wünschten, sondern mussten einen Antrag auf Abberufung stellen. Das hatte schon etwas von feudalem Lehens- und Gefolgschaftswesen. Eine andere Sondergruppe waren die »Reisekader«, ein ausgewählter Kreis von Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sport, die für geeignet gehalten wurden, ins westliche Ausland reisen zu dürfen. Kaderakte Bezeichnung für ein Konvolut an Papieren, das man in der Bundesrepublik unter der Bezeichnung Personalakte kennt. Eine Kaderakte wurde offiziell über jeden geführt, der ins Arbeitsleben eintrat; vergleichbar der Kaderakte waren die Studentenakten, die an den Hochschulen und Universitäten geführt wurden. In die Kaderakten wurden nicht nur Vermerke eingefügt, die mit der Berufstätigkeit zu tun hatten, sondern auch Informationen über das Privatleben (Abhören von Westsendern, Westbesuche), das Verhalten im Straßenverkehr (sofern die Behörden Auffälliges feststellten), über politische Aktivität oder Inaktivität. Datenschutz war in der DDR ein unbekanntes Wort, darum konnten sich alle interessierten »Organe« – namentlich
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natürlich das Ministerium für Staatssicherheit, aber auch die SED oder Massenorganisationen wie FDJ oder FDGB – Einblick verschaffen, ohne dass der betroffene Werktätige überhaupt davon wusste. Ein einklagbares Recht des Bürgers auf Einsicht in seine eigene Kaderakte gab es nicht. Kaufhalle Einkaufseinrichtung des staatlichen (HO) und genossenschaftlichen (Konsum) Handels. Kaufhallen wurden in
allen Neubaugebieten – oft in direkter Nachbarschaft zu Klubgaststätten und Dienstleistungszentren (Komplexannahmestelle) – errichtet, zunehmend aber auch in bestehende Stadtstrukturen eingefügt. Sie führten das Standardsortiment der »Waren des täglichen Bedarfs« (sofern es verfügbar war) und in begrenztem Umfang Konfektion und Industriewaren (sofern dafür andere Einkaufsmöglichkeiten im Territorium nicht bestanden). Kinderkombination Hier handelt es sich nicht um ein Klei-
dungsstück oder die Jugendmannschaft einer Sportgemeinschaft, sondern um die Bezeichnung für einen Funktionsbau, der eine Kinderkrippe und einen Kindergarten beherbergte. In die Kinderkrippe konnten Kleinstkinder vom Alter weniger Wochen bis zum vollendeten dritten Lebensjahr aufgenommen werden; in den Kindergarten gingen Kinder von drei Jahren an bis zum Eintritt in die Schule. Kinderkombination war das DDR-Gegenstück zur westlichen Kindertagesstätte, deren Bezeichnung auch nicht viel eleganter wirkt. Kirche Unter diesen Begriff fielen die Evangelische Kirche, die
Katholische Kirche sowie weitere Kirchen- und Religionsgemeinschaften. Die Verfassung sicherte den Kirchen formal die Freiheit der Religionsausübung zu, doch sahen sich nicht nur kirchliche Amtsträger, sondern vor allem kirchlich stark engagierte Bürger von Staats und Partei wegen benachteiligt. Dabei wechselten sich Phasen, die an den Kirchenkampf zur BismarckZeit oder an sowjetische Verfolgungskampagnen erinnerten, mit Phasen der Verständigung und des regelrechten Kuschelkurses Sachlexikon
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ab. Auch waren aktive und bekennende Christen in bestimmten beruflichen Sphären stärker benachteiligt als in anderen. Man fand unter den höheren Offizieren der NVA oder unter Staatsbürgerkundelehrern nur wenige bekennende Christen, hingegen waren sie unter Berufsmusikern in der Mehrheit aus dem einfachen Grund, weil in christlichen, bürgerlichen Haushalten und in der Gemeinde das Musizieren einen hohen Stellenwert hatte und Begabungen früher erkannt und gefördert wurden. Kittelschürze Unverzichtbares Kleidungsstück für werktätige Frauen, meist aus Dederon oder einem Baumwollmischgewe-
be, einfarbig oder (häufiger) bunt gemustert. Die Kittelschürze wurde nicht nur während der Arbeit im Betrieb getragen, sondern auch zu Hause, gewissermaßen als Hauskleid. In ländlichen und kleinstädtischen Gegenden bestanden auch keine Bedenken, die Kittelschürze auf der Straße zu tragen. Frauen trugen sie sowohl über ihrer gewöhnlichen Oberbekleidung als auch anstelle derselben. Klub der Intelligenz Einrichtung des Kulturbunds der DDR, die als Veranstaltungsort für Intellektuelle in der DDR, die dem Kulturbund angehörten, diente; für die Klubs der Intelligenz wurde aus diesem Kreis noch einmal eine besondere Auswahl getroffen. Gewöhnlich waren die Klubs mit einer gastronomischen Einrichtung von beachtlicher Qualität verbunden. Einen besonders guten Ruf genoss in Berlin der Künstlerklub »Die Möwe«. Kollektiv Hier haben wir es mit einem der wichtigsten Propagandabegriffe in der DDR zu tun. Neben der konkreten Bedeutung als »Arbeitskollektiv« (in der Bundesrepublik mit dem Anglizismus »Team« bezeichnet) hatte Kollektiv auch eine übertragene, quasireligiöse Bedeutung. Das Kollektiv schwebte immer als höhere Instanz über dem Interesse des Individuums. Der Einzelne hatte sich dem Kollektiv unterzuordnen, sich bestenfalls darin einzuordnen. Aber die Berufung auf das Kollektiv erlaubte es dem Einzelnen auch, sich vor persönlicher Verantwortung zu drücken.
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Kombinat Eine »grundlegende Wirtschaftseinheit der materiel-
len Produktion« und eine »moderne Form der Leitung und Organisation in Industrie und Bauwesen sowie weiteren Bereichen der Volkswirtschaft auf der Grundlage des einheitlichen staatlichen Volkseigentums«. Nachdem in den Sechzigerjahren mit verschiedenen Modellen der Wirtschaftslenkung experimentiert worden war, kehrte man unter Honecker zur strikten Zentralisierung zurück, deren höchster Ausdruck die Bildung von Kombinaten war. Die Struktur der Kombinate wurde per Verordnung des Ministerrats vom 8. November 1979 in Gesetzesform gegossen. »Haste schon gehört, Mittag hat sich den Arm gebrochen.« – »Nee, wie issn das passiert?« – »Er hat sich zu sehr auf die Kombinate gestützt.« Das Kombinat bestand aus mehreren Kombinatsbetrieben oder Betriebsteilen und wurde in der Regel über einen Stammbetrieb geleitet; der Generaldirektor des Kombinats war zugleich Direktor des Stammbetriebs. Darüber hinaus hatte das Kombinat die »Erzeugnisgruppenarbeit als eine Form der überbetrieblichen sozialistischen Gemeinschaftsarbeit« auch mit solchen Betrieben zu organisieren, die nicht zum Kombinat gehörten, aber »Erzeugnisse gleicher oder ähnlicher Zweckbestimmung bzw. mit technologisch verwandtem Herstellungsprozess produzieren«. Dass so etwas überhaupt funktionierte, grenzt noch heute an ein Wunder. Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) Im jeweiligen Territorium der größte und maßgebliche Wohnungsverwalter. Der KWV unterstanden nicht nur Wohnungen aus dem Staatseigentum, sondern auch zahlreiche Immobilien, die formal in Privatbesitz waren und treuhänderisch verwaltet wurden. An die KWV wandte man sich wegen Reparaturen, Reinigung und Fragen der Haustechnik. Mit der KWV schloss man den Mietvertrag, sie besaß aber nicht, wie oft irrtümlich angenommen, das Monopol für die Verteilung von Wohnraum. Dafür waren die Sachlexikon
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Organe der Staatlichen Wohnraumlenkung zuständig. Bevor die KWV einen Mietvertrag abschließen durfte, musste der künftige Mieter eine Zuweisung des örtlichen Wohnraumlenkungsorgans vorlegen. Komplexannahmestelle Obwohl der Begriff es nahelegt, handelt es sich hierbei nicht um eine Beratungsstelle für psychisch Geschädigte. Es gehört zu den größten Geheimnissen der deutschen Behördensprache, wo die Schöpfer solcher Wortmonster ihre Ausbildung genossen haben. Hier wurden jedenfalls keine Komplexe angenommen, sondern kaputte Schuhe, schmutzige Wäsche und Fotoarbeiten. Komplexannahmestellen waren somit ein wichtiger Umschlagpunkt für Dienstleistungen, die nicht mehr dezentral von einzelnen Handwerksbetrieben angeboten wurden, sondern in großen Dienstleistungskombinaten (Kombinat). Dafür mussten in den Wohngebieten Annahmestellen geschaffen werden, die kaputte Schuhe, schmutzige Wäsche usw. annahmen, an den Dienstleister weiterleiteten, von dem sie nach Dienst und Leistung reparierte Schuhe und saubere Wäsche usw. wieder entgegennahmen und an die Kunden ausgaben. Ein aufwendiges und teures (und manchmal auch langwieriges) Verfahren, bei dem mancher eine Macke bekam, die man auch Komplex nennen konnte, den Dienstleistungskomplex. Der Name leitete sich aber nicht davon ab, sondern von der Tatsache, dass die Annahme nicht für einzelne Gewerke getrennt, sondern für alle Gewerke komplex (ha, jetzt haben wir’s!) erfolgte. Konsum 1. Kurzbezeichnung für die Handelskette der Konsumgenossenschaft, die trotz des Namensbestandteils -genossenschaft keine echte Genossenschaft war, sondern als Massenorganisation galt. Die Mitglieder der Konsumgenossenschaft erwarben mit ihrem Eintritt keine wirklichen Anteile an der Handelskette, sondern lediglich das Recht, für jeden Einkauf Rabattmarken zu beziehen, die gesammelt und am Jahresende vergütet wurden. Etwas abfällig wurde im Volksmund der Name Konsum als Akronym für »Kauft Ohne Nachzudenken Schnell Unseren
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Mist« bewitzelt. Das Wort ist anders auszusprechen als das geläufige Fremdwort für Verbrauch: Betont werden muss hier die erste Silbe, das »u« der zweiten Silbe wird kurz ausgesprochen und bleibt unbetont. 2. Verkaufsstelle der Konsumgenossenschaft; der Name wurde übertragen auf alle Verkaufsstellen mit einem Gemischtwarenangebot, besonders in ländlichen Regionen. Man sprach auch dann vom Dorfkonsum, wenn er gar nicht von Konsum betrieben wurde. 3. Bezeichnung für das Ministerium für Staatssicherheit und seine inoffiziellen Mitarbeiter. »Ich glaube, der ist auch im Konsum« bedeutete, man nahm an, der Betreffende reiche Informationen an die Stasi weiter. 4. »Aus dem Konsum austreten« war eine euphemistische Umschreibung für gestorben, dahingegangen, den Löffel abgegeben, über den Jordan gegangen usw. Kriegsminister Propagandabegriff; Bezeichnung für den Vertei-
digungsminister der Bundesrepublik, namentlich in Person von Franz Josef Strauß, der von der DDR-Propaganda grundsätzlich als »Kriegsminister« tituliert wurde, wiewohl er natürlich auch in der Bundesrepublik umstritten war und sich manche heftige Kritik gefallen lassen musste. Kulturschaffender In der Propaganda und in Verlautbarungen
ein Begriff, der dem Künstler gleichgestellt war und meist in einem Atemzug mit ihm genannt wurde (»die Künstler und Kulturschaffenden der DDR«). Geschaffen wurde dieser Begriff, um das im engeren Sinne nicht künstlerisch tätige Personal, etwa der Theater (Bühnenarbeiter, Mitarbeiter in den Werkstätten, Beleuchter, Verwaltungsangestellte), nicht gegenüber den Künstlern zu benachteiligen. Da der Begriff nach und nach immer weiter gefasst wurde, wurde er natürlich auch immer fragwürdiger. So wurden zum Beispiel organisiert Briefmarkensammelnde oder Zierfischepflegende ebenfalls zu Kulturschaffenden erhoben, was jedenfalls für eine beachtliche Weite des Kulturbegriffes spricht. Sachlexikon
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Kundschafter Offizielle Propagandabezeichnung für einen Spion, sofern er für einen östlichen Geheimdienst im Westen spionierte. Kundschafter kundschafteten immer für den Frieden. Spione des Westens waren hingegen immer Spione oder Agenten und sollten den Krieg vorbereiten. Kundschafter der DDR wurden vom Ministerium für Staatssicherheit geführt. Kundschafter im eigenen Land hießen nicht Kundschafter, sondern Führungsoffiziere. Sie führten »Inoffizielle Mitarbeiter« oder waren selbst als »Offiziere im besonderen Einsatz« konspirativ im Zivilleben tätig; die bekannteste Gestalt aus der letztgenannten Kategorie war Alexander Schalck-Golodkowski. LPG Abkürzung für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft. Bei der Bodenreform im Herbst 1945 wurden absichtlich so kleine Betriebsgrößen für die Neubauern geschaffen, dass eine wirtschaftliche Führung der Höfe nahezu unmöglich war. So bekam man die Neubauern relativ leicht dazu, in Produktionsgenossenschaften einzutreten. Diese Genossenschaften wurden wirtschaftlich durch den Staat bevorzugt; das wiederum übte wirtschaftlichen Druck auf die alteingesessenen Bauern aus, ebenfalls in die Genossenschaften einzutreten. Bis zum Frühjahr 1960 war die Kollektivierung – zum Teil unter Anwendung oder zumindest Androhung brachialer Methoden – abgeschlossen. Magazin, Das Einziges literarisch-kulturell-erotisch-unterhalt-
sames Magazin der DDR, das darum zu Recht die Bezeichnung Das Magazin trug; eine Zeitschrift mit diesem Namen erschien schon von 1924 bis 1941; die 1954 in der DDR begründete Zeitschrift stand damit aber in keinem inhaltlichen und verlegerischen Zusammenhang. Das Magazin wurde vor allem, aber nicht nur wegen seiner künstlerischen Aktfotos geschätzt. Mit einer Spitzenauflage von 560 000 Exemplaren im Jahr 1989 gehörte es zur absoluten Bückware. Mainelke Kultblume der Arbeiterklasse, politischste Blume der DDR, die besten und am echtesten wirkenden wurden im VEB Kunstblume Sebnitz hergestellt und gediehen am besten
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mit echtem Sebnitzer Kunstblumendünger; Exemplare mit Anstecknadel wurden in Betrieben und Institutionen vor dem Ersten Mai verkauft. Die Mainelke war in begrenztem Ausmaß auch als Winkelement geeignet. Ein DDR-Bonmot bezeichnete – in Anspielung auf die Fülle der Orden und Auszeichnungen, die es in der DDR gab – einen Menschen, der noch nie einen Orden bekommen hatte, als einen »Träger der roten Mainelke«. Malimo Textilprodukt und Verfahrenstechnik auf Welthöchst-
stand, wenigstens zur Zeit seiner Entwicklung; abgeleitet vom Namen des Erfinders und dem Ort der Erfindung (Mauersberger aus Limbach-Oberfrohna). Malimo-Textilien werden nicht gewebt, sondern in einem Nähwirkverfahren hergestellt. Der Vorzug gegenüber Webware ist, dass nicht nur immer ein Schussfaden nach dem anderen durch die Kette geschossen werden kann, sondern mehrere Nadeln gleichzeitig (theoretisch unendlich viele) das Kettgut übersteppen können. Außerdem kann man mehrere Fasern miteinander kombinieren und anstatt Fäden auch Vlies oder Filz als Kettgut verwenden. Für Trikotagen und Freizeittextilien setzte sich das Verfahren nicht wie gewünscht durch. Für Gebrauchs-, Deko- und Küchentextilien wurde es aber und wird es auch heute noch – auch in den USA – gern genutzt. Malimo war eines der wenigen technologischen Verfahren, mit denen die DDR international Furore machte. Mark der DDR Offizielle Bezeichnung für die Währung der
DDR seit dem 1. Januar 1968, emittiert von der Staatsbank der DDR. Die offizielle Abkürzung war M, der IUSO-4217-Code lautete DDM. Die Mark der DDR war eine reine Binnenwährung und trotz eines formell festgelegten Goldgehalts nicht konvertierbar. Vom 01. 08. 1964 bis zum 31. 12. 1967 hieß die Währung Mark der Deutschen Notenbank (abgekürzt MDN), emittiert von der Deutschen Notenbank, ab dem 31. 10. 1951 hatte die Währung Deutsche Mark der Deutschen Notenbank (abgekürzt DM) geheißen. Das noch vor Gründung der DDR während der Währungsreform Ost im Juni 1948 emittierte Geld hieß ebenfalls Deutsche Mark. Die Scheine der 1948erSachlexikon
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Serie wurden im Oktober 1957 in einer Sonntagsaktion umgetauscht, der nächste Geldumtausch erfolgte im Sommer 1964, als die MDN-Geldscheine eingeführt wurden, die grafisch vielleicht am besten gelungene Geldschein-Kreation der DDR. Seit 1971 wurden die einzelnen Werte erneut ausgetauscht. Die Geldscheine der Serie 1971–1975 in Stückelungen von 5, 10, 20, 50 und 100 Mark der DDR blieben bis zum Ende der DDRWährung am 30. Juni 1990 in Umlauf. Nach der Währungsunion tauchten im Münzhandel auch Scheine zu 200 und 500 Mark auf. Sie waren 1985 angesichts der schleichenden Inflation entworfen worden und nicht mehr in Umlauf gekommen. Mauer Im engeren Sinne das am 13. August 1961 errichtete
Sperrwerk rund um die Westsektoren von Berlin, das im Laufe der Zeit zu einer kaum überwindbaren Betonmauer ausgebaut wurde. Im übertragenen Sinne die Gesamtheit der Grenzbefestigungen, neben der Berliner Mauer also auch die Befestigung der »Staatsgrenze West«, die mit Sperrzäunen, Drahthindernissen, Selbstschussanlagen, Hundelaufanlagen und ähnlichen Perversitäten gesichert war. Messe der Meister von morgen Jugendwettbewerb und Leis-
tungsschau für wissenschaftlichen und technischen Nachwuchs in der DDR. Sie war, das ideologische Beiwerk abgerechnet, vergleichbar mit dem Wettbewerb »Jugend forscht« in der Bundesrepublik. Ministerrat Formell die Regierung der DDR, aber man musste
einen anderen Begriff von Regieren haben, wenn man sie als vollwertige Regierung akzeptieren wollte. »Der Ministerrat ist als Organ der Volkskammer die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik«, heißt es im Gesetz über den Ministerrat von 1972. Die Crux liegt aber im zweiten Satz, der der Eingangsdefinition unmittelbar folgt: »Er arbeitet unter Führung der Partei der Arbeiterklasse im Auftrage der Volkskammer die Grundsätze der staatlichen Innen- und Außenpolitik aus und leitet die einheitliche Durchführung der Staatspolitik der Deut36 |
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schen Demokratischen Republik.« Der Verfassung nach das Exekutivorgan der Volkskammer, in der Wirklichkeit das Exekutivorgan des Politbüros und der regierenden ZK-Abteilungen. Mitropa Gegründet 1916, als Catering noch nicht Catering hieß, für den Betrieb von Speise- und Schlafwagen (das Akronym bedeutet Mitteleuropäische Schlaf- und Speisewagen Aktiengesellschaft). Nach 1945 blieb die Mitropa als Aktiengesellschaft erhalten und war für die Bewirtschaftung in Häfen, auf Flughäfen und Bahnhöfen, der Speise- und Schlafwagen der Deutschen Reichsbahn und der Schiffe der Weißen Flotte zuständig. Berüchtigt war die Mitropa für die zweifelhafte Qualität ihrer Speisen und Getränke; dem Mitropa-Kaffee sagte man nach, die Tasse sei stärker gewesen als das Getränk. Mumpelspritze Soldatenjargon für den AK 47 (Awtomat Kalaschnikow 47), die Standardschützenwaffe in der NVA. Nationale Front Sie wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in
der Sowjetischen Besatzungszone gegründet, um als »Bündnis aller patriotischen Kräfte« zu wirken. Der martialische Name sollte auch im Westen Eindruck und national und antiamerikanisch eingestellten Deutschen ein einheitliches Deutschland unter kommunistischer Führung schmackhaft machen. Tat er aber nicht. Der Name blieb, und keiner dachte mehr darüber nach. Die Nationale Front war Trägerin der Wahlen auf nationaler Ebene sowie auf den Ebenen der Bezirke, Kreise, Städte und Gemeinden. Sie stellte eine Kandidatenliste auf, die offiziell »Wahlvorschlag der Nationalen Front« hieß und im Westen Einheitsliste genannt wurde. Auf dieser Einheitsliste waren alle Parteien und Massenorganisationen nach einem bestimmten Proporz vertreten. Führungsorgan der Nationalen Front war der Nationalrat. Er sollte eigentlich vom Kongress gewählt werden, doch fand der letzte reguläre »Nationalkongress« 1969 statt. Im März 1990 versuchte ein außerordentlicher Kongress, die zerfallende Front als Nationale Bürgerbewegung neu zu formieren, doch war es schon im April 1990 damit endgültig vorbei. Sachlexikon
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Nationale Volksarmee Was im Westen der Bund, war im Osten die Fahne oder auch Asche: seit 1962 Pflichtübung für alle männlichen Jugendlichen bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres – es sei denn, man hatte einen zuverlässigen und anerkannten Orthopäden, der einen Morbus Scheuermann glaubhaft nachweisen konnte. Die NVA wurde mit Gesetz vom 18. Januar 1956 gegründet, offizieller Gründungstag ist der 1. März (als Tag der Nationalen Volksarmee alljährlich begangen). Die NVA knüpfte in ihrem äußeren Erscheinungsbild auffällig an »nationale Traditionen« an (steingraue Uniformen, Kragenspiegel und Schulterstücke, die denen der Reichswehr und der Wehrmacht ähnelten, die Form des Stahlhelms ist einem späten Versuchsmodell der Wehrmacht entlehnt) und nahm stärker als offiziell eingestanden die Hilfe von ehemaligen Offizieren und Unteroffizieren der Wehrmacht in Anspruch. Die allgemeine Wehrpflicht wurde 1962 eingeführt; der Grundwehrdienst dauerte 18 Monate. Gegliedert war die NVA in die Landstreitkräfte (ca. 113 000 Mann), die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung (ca. 38 000 Mann) und die Volksmarine (ca. 16 000 Mann). Neben den aktiv Dienenden standen rund 385 000 gediente Reservisten bereit, sodass die NVA im Verteidigungsfall etwa 560 000 Mann – nicht gerechnet die Kontingente der Bereitschaftspolizei, der Staatssicherheit (11 000 Mann) und der Grenztruppen (47 000 Mann) unter die Fahnen rufen konnte. NAW Abkürzung für Nationales Aufbauwerk; zu Beginn des Jah-
res 1952 ins Leben gerufene Masseninitiative, um Baufreiheit für den Neubau der Stalinallee zu schaffen. Träger des NAW war die Nationale Front. Allein 1952 wurden 4 Millionen freiwillige »Aufbaustunden« – hauptsächlich mit Enttrümmerungs- und Aufräumungsarbeiten – im Umfeld der späteren Stalinallee geleistet. Später wurde das Nationale Aufbauwerk auf die gesamte DDR ausgedehnt. Typisch für NAW-Objekte waren Arbeitseinsätze für Gemeinschaftsbauten – etwa Sportplätze, Kulturhäuser, Schwimmbäder. Bekanntestes NAW-Objekt ist der 1955 errichtete Tierpark in Berlin-Friedrichsfelde. In den Sechzigerjahren verlagerten sich die NAW-Schwerpunkte weg von den Großob38 |
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jekten hin zu Garagenbauten und Wohngebiets-kosmetik, bevor die Bewegung mangels Massenbasis sang- und klanglos (und von der Staatsführung, die längst Ideen für neue Masseninitiativen im Köcher hatte, ziemlich unbetrauert) entschlief. Neubauern Nach der Bodenreform im Herbst 1945 auf Bodenreformland angesiedelte Landwirte, die in vielen Fällen weder über geeignete Maschinen, Zugtiere und Saatgut noch über hinreichende Erfahrung bei der Bewirtschaftung verfügten. Zahlreiche Umsiedler aus den abgetretenen Ostgebieten wurden als Neubauern angesiedelt. Ihre Hofstellen wurden absichtlich so klein gehalten, dass ein wirtschaftlicher Betrieb kaum möglich war. Auf diese Weise hoffte man, die Neubauern schnell in Genossenschaften zu organisieren, was auch wenige Jahre später geschah. Neuererbewegung Ständige Form der »schöpferischen Masseninitiative« der Werktätigen im sozialistischen Wettbewerb. Of-
fiziell standen der wissenschaftlich-technische Fortschritt, die Weiterentwicklung der Erzeugnisqualität sowie die Einsparung von Material, Energie und Arbeitszeit im Blickpunkt. In der Praxis drehte es sich aber oft um Kleinrationalisierung an veralteten Anlagen, um Aushilfen und Improvisationslösungen. Darin aber waren die Arbeiter tatsächlich findig. Innerbetrieblich wurden sogenannte Neuerervereinbarungen abgeschlossen und entsprechende Leistungen auch mit Geldprämien honoriert. Neues Deutschland Größte Tageszeitung (abgekürzt ND) der DDR. Was im ND stand, hatte immer einen offiziellen Anstrich. Manchmal so offiziell, dass selbst die Offiziellen davon überrascht wurden. So erfuhr zum Beispiel in den späten Achtzigern der Minister für Post- und Fernmeldewesen der DDR aus dieser Zeitung, dass er soeben die Einfuhr der sowjetischen Zeitschrift »Sputnik« verboten hatte, weil sie nach seiner (ihm bis dahin unbekannten) Ansicht keinen Beitrag zur deutsch-sowjetischen Freundschaft liefere. Dergleichen Vorgänge waren nicht ungewöhnlich für eine Zeitung, die eigentlich keine Zeitung war, Sachlexikon
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sondern ein Zentralorgan, genauer gesagt das »Organ des Zentralkomitees der SED«. Im ND wurden folglich die Ansichten des obersten Führungsgremiums der SED dargestellt, und die wurden häufig verkörpert von den Ansichten des Generalsekretärs. In der Sputnik-Affäre darf man wohl auch davon ausgehen, dass die Ansichten des Generalsekretärs zu den Vorgängen in der Sowjetunion so stark von der sowjetischen Sicht auf diese Vorgänge abwichen, dass der gütige Landesvater seinem Staatsvolk eine weitere diesbezügliche Belastung der deutsch-sowjetischen Freundschaft ersparen wollte. Auch in allen übrigen Belangen war das Neue Deutschland immer offiziell. Betrüblich war nicht nur die Verlogenheit der Berichterstattung, sondern auch der Schematismus des Stils und die Langeweile, die das Blatt regelrecht atmete. Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung (NÖSPL)
Auf dem VI. Parteitag der SED (1963) beschlossene Neuorientierung der Wirtschaftspolitik. Das Wirtschaftssystem sollte modernisiert und rationalisiert und im Ganzen flexibler gestaltet werden, um den Anschluss an die wissenschaftlich-technische Revolution nicht zu verlieren. Ansätze zur Dezentralisierung und zur relativen Autonomie der Betriebe wurden erprobt, jedoch nicht konsequent durchgeführt. Ab 1967 sprach man vom »Ökonomischen System des Sozialismus«, aber nach 1970 brach man die Entwicklung vollständig ab und kehrte zu starrer Zentralisierung und Reglementierung zurück. NSW Offizielle Abkürzung für »Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet«, umfasste alle nichtsozialistischen Staaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland. Durch die Formulierung »Wirtschaftsgebiet« ersparte man sich die Diskussion darüber, ob die Bundesrepublik nun im eigentlichen Sinne Ausland sei oder nicht. Offenstall Auch Schuppenstall genannt, bezeichnet dieser Be-
griff eine nach sowjetischem Modell seit Anfang der Fünfzigerjahre vorgenommene Haltungsform von Rindern, die angeblich 40 |
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Seuchen vorbeugen sollte. Zweifellos waren zahllose alte Stallanlagen aus tierhygienischer Sicht ungenügend. Die vorherrschende Baustoffknappheit und die mutwillige Zerstörung der großen Gutsbetriebe im Zuge der Bodenreform machten eine schnelle Wende unmöglich – da kamen die »sowjetischen Erfahrungen« mit den Rinderoffenställen wie gerufen. Kritische Stimmen, die die Offenställe schlicht als »überdachte Dungplätze« bezeichneten, wurden unterdrückt. Wer gegen Offenställe war, war gegen den Frieden! Die Bauern haben gelitten, als sie ihre Rinder in den Offenstall stellen und zusehen mussten, wie die Kühe erfroren, wenn sie im Winter bei minus 10 und minus 20 Grad in ihrem eigenen Mist standen. Aber um der Ideologie willen nahm die DDR-Führung sogar eine Ernährungkatastrophe billigend in Kauf. Ökonomisch-kultureller Leistungsvergleich (Ökulei) Teil des
sozialistischen Wettbewerbs mit Resultaten, die manchmal so kurios waren, wie das Akronym »Ökulei« klang. Die Initiatoren dieser Maßnahme gingen davon aus, dass im Sozialismus nicht nur das Materielle zählen sollte, sondern auch die Kultur, deren Höhen bekanntlich nach Ulbrichts Aufforderung zu erstürmen waren. Folglich bemühten sich die Arbeitskollektive (Kollektiv), auch kulturell etwas auf die Beine zu stellen. Wenn es zu mehr reichte als zum jährlichen Pflichtbesuch im Theater, konnte es durchaus passieren, dass die Grenze zum künstlerischen Volksschaffen überschritten wurde. Ökonomischer Hebel Nein, hier handelt es sich nicht um ein
Maschinenteil und auch nicht um das Gegenteil eines – Achtung, Kalauer! – politischen Senkels, sondern um die Bezeichnung für ein wirtschaftliches Steuerungsinstrument im Rahmen der zentralen Planwirtschaft. Der Hebel sollte sowohl im volkswie im betriebswirtschaftlichen Rahmen angesetzt werden. Da sich die materielle Interessiertheit der Menschen durch Plan und Propaganda allein nicht ersetzen ließ, öffneten die DDRÖkonomen ihren Werkzeugschrank und zogen Kosten, Preis, Umsatz und Gewinn als produktivitätsfördernde Hebel sowie Sachlexikon
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verschiedene Lohnformen und Prämiensysteme als schwere Stemmeisen der Arbeiterklasse heraus. Besonders während der wirtschaftspolitischen Reformversuche in den Sechzigerjahren wurde kräftig mit diesen Hebeln hantiert. Seit 1971 war von Reformen nicht mehr die Rede; an den Hebeln wurde weiter gespielt. Bald hießen sie »sozialpolitische Maßnahmen« und hebelten die gesamte Ökonomie des Landes nach und nach aus. Olsenbande Dänisches Gaunertrio, das außerhalb Dänemarks nur in der DDR durchschlagenden Erfolg hatte. Warum ausgerechnet hier die Kinobesucher darauf abfuhren, wird ein soziologisches Geheimnis bleiben. Und warum die Filmverantwortlichen mit besonderer Sorgfalt und mit Spitzenkräften an die Synchronisation gingen und die für DDR-Verhältnisse doch eigentlich subversive Moral der Streifen nicht bemerkten, auch. Bewundert wurden die Improvisationsgabe der Olsenbande, die geradlinige Unverfrorenheit, mit der sie sich mit Großen und Mächtigen anlegte, und die Hartnäckigkeit des Stehaufmännchens, mit der sie sich nach allen Pleiten wieder aufrichtete. »Was haben die FDJ und die Olsenbande gemeinsam?«, fragte ein Witz in den späten Siebzigern. »Beide Chefs heißen Egon«, lautete die Antwort. »Und worin liegt der Unterschied?« – »Die Olsenbande hört auf Egon.« Palast der Republik Zentrales Gebäude in Berlin, Grundsteinlegung 1973, fertiggestellt bereits 1976 (an der Stelle des früheren Berliner Stadtschlosses); im Volksmund auch Palazzo prozzo oder Erichs Lampenladen genannt, geschlossen 1990 wegen Asbest-Verseuchung, wird seit Anfang 2006 schrittweise abgerissen. Beliebt war der Palast wegen seiner vergleichsweise anspruchsvollen Gastronomie, der Kulturveranstaltungen (Sinfoniekonzerte, Rock-Events, große Unterhaltungsshows), die im großen Saal stattfanden, und der Post, die auch am Sonntag geöffnet hatte und von deren Telefonen aus man relativ leicht nach dem Westen telefonieren konnte. Daneben war auch der Plenarsaal der Volkskammer untergebracht (von der Volkskammer nur zweimal im Jahr genutzt). Der große Saal war seit 1976 Ver-
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anstaltungsort der Parteitage der SED und anderer großer Kongresse (die ja nun auch nicht so häufig stattfanden). Ansonsten ist die offizielle Charakterisierung als »Palast des Volkes« einmal ausnahmsweise nicht daneben gegriffen, denn er wurde tatsächlich vom Volk ziemlich unbefangen und selbstverständlich genutzt. Parteigruppenorganisator Ehrenamtlicher Funktionär auf der
untersten Ebene der Parteihierarchie, der eine Parteigruppe leitete, die in den Betrieben auf unterer Strukturebene gebildet wurde. Personenkennzahl 1970 eingeführte, unverwechselbare Kenn-
zahl (abgekürzt PKZ) für jeden Bürger der DDR, die in den Personalausweis eingetragen wurde. Die ersten sechs Ziffern verschlüsselten das Geburtsdatum (zum Beispiel 230856 = 23. August 1956), die siebente Ziffer das Geschlecht (zum Beispiel 4 = männlich, nach 1900 geboren; 5 = weiblich, nach 1900 geboren) und die letzten fünf Ziffern (zum Beispiel 22812) setzten sich zusammen aus der dreistelligen Schlüsselnummer des Melderegisters, einer fortlaufenden Nummer des Geburtstages und einer Prüfziffer. PGH Abkürzung für Produktionsgenossenschaft des Hand-
werks. Die PGHs waren ein wichtiger Wirtschaftssektor, besonders für Kleinreparaturen (in der PGH »Hans Sachs« wurden – wer hätte es gedacht – beispielsweise Schuhe repariert) und Dienstleistungen (in der PGH »Figaro« waren die Friseure zusammengefasst). Picasso-Euter Kosename für die Tetraeder, in denen seit den
Siebzigerjahren H-Milch, Kakaotrunk, Kaffeesahne und andere flüssige Milchprodukte angeboten wurden. Die Verpackungsart in foliebeschichteten Kartons ging auf ein Patent der schwedischen Firma Tetrapack zurück. Der Kosename spielte auf die kubistische Phase im Schaffen Picassos und den Inhalt der Tetraeder an. Sachlexikon
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Pioniere Sammelbezeichnung für Kinder der Altersstufe 6 bis
14 Jahre, die der »Pionierorganisation Ernst Thälmann« (einer Gliederung der FDJ) angehörten. Die Pioniere des ersten bis dritten Schuljahres wurden Jungpioniere genannt. Sie trugen das blaue Halstuch. In der vierten Klasse wechselte man zu den eigentlichen »Thälmann-Pionieren«; das Halstuch war anfangs ebenfalls blau, nach 1973 wurde es gegen ein rotes Halstuch ausgetauscht. Im Alter von 13 oder 14 Jahren konnte man in die FDJ aufgenommen werden. Die Pionierorganisation pflegte Pfadfinderromantik (daran erinnerte die Staffage aus Wimpel, Halstuch und Marschgesängen), hielt zu Altstoffsammlungen an und bemühte sich um die sozialistische Erziehung. Reichte anfangs das blaue Halstuch als Erkennungsmerkmal, kam später die Pionierbluse/das Pionierhemd dazu, dann ein Käppi und eine uniformähnliche Jacke. Pionierrepublik Vollständige Bezeichnung: »Pionierrepublik
Wilhelm Pieck«, 1951/52 aufgebaut und am 16. Juli 1952 in Anwesenheit des Namenspaten, des Präsidenten Wilhelm Pieck, feierlich eröffnet. Nach dem Vorbild des sowjetischen Allunions-Pionierlagers »Artek« gestaltet, umfasste dieses größte und bekannteste Pionierlager zahlreiche Wohn- und Funktionsgebäude, ein Stadion, weitere Sport- und Freizeitanlagen, ein Strandbad und Bootsstege. 1954 wurde der zweite Teil des Lagers übergeben und das Gelände nach und nach – bis zu einem Umfang von 1,1 Quadratkilometern – ausgebaut. Heute ist es die »Europäische Jugenderholungs- und Begegnungsstätte Werbellinsee«; die Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Personenkult Verherrlichung führender Persönlichkeiten in der
Politik nach dem sowjetischen Muster der Stalin-Verehrung (Stalin) war auch in der DDR anzutreffen. Personenkult wurde meist aus zwei Elementen aufgebaut: der Verehrung toter Helden und der Verehrung der Nachfolger der toten Helden, wobei die Letzteren den noch Lebenden als Legitimationsbasis dienen mussten. In der Sowjetunion war es der Leninkult, den Stalin benutzte, um seinen eigenen Kult darauf aufzubauen; Stalin erfand 44 |
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den Leninismus als den »Marxismus unserer Tage«, um sich, darauf gestützt, als »Lenin der Gegenwart« feiern zu lassen. In der DDR war es Ernst Thälmann, den die Nationalsozialisten 1944 ermordeten, was seinen Heldenstatus begründete und alle Fragen nach seinem Verhalten 1933 und der charakterlichen, politischen und intellektuellen Befähigung, die KPD zu führen, im Keim erstickte. Im Lichtschein des unsterblichen Toten wuchsen Ulbricht und die Seinen aus dem »Thälmann’schen Zentralkomitee« (soweit sie Stalins mörderische »Säuberungen« überlebt hatten) empor: Sie ließen Stadien (Walter-Ulbricht-Stadion, 1951) und Fabriken (Leuna-Werke »Walter Ulbricht« 1951) nach sich benennen, ein Pionierlager (»Pionierrepublik Wilhelm Pieck«, 1952) und Schiffe (Segelschulschiff »Wilhelm Pieck«), auch der ehemalige Sozialdemokrat Otto Grotewohl bekam etwas ab (Otto-Grotewohl-Stadion Aue, 1951). Mit Honeckers Machtübernahme hörte die Verkultung lebender Personen schlagartig auf. Sogar Walter Ulbricht musste noch zu Lebzeiten sein Stadion wieder hergeben. Von nun an wurden »revolutionäre Vorbilder«, sofern sie gestorben waren, für die Benennung von Betrieben, Brigaden oder Straßen freigegeben, wobei ein strenges System der Rangordnung eingehalten werden musste. Politbüromitglieder und Spitzenfunktionäre waren für Hauptstraßen reserviert. Nebenstraßen mussten mit »einfachen« Widerstandskämpfern oder Schriftstellern Vorlieb nehmen. Plan Eine der heiligen Kühe im politischen System des Sozialismus in der DDR. »Der Plan ist Gesetz« hatte schon etwas von »L’état c’est moi«. Der Begriff Plan war Ausdruck für den gesamten bürokratischen Vorgang der Planung und Bilanzierung der Volkswirtschaft. An oberster Stelle wurde der Planungsvorgang von der staatlichen Plankommission gelenkt. Indes wurde auch in deren Entscheidungen politisch – das heißt direkt aus dem Politbüro – hineinregiert. Bis auf wenige Ausnahmen hatten zentrale Planentscheidungsverfahren den Vorrang gegenüber Formen dezentraler Planentscheidung. Die zentrale Planung drückte sich aus in einem komplizierten System der Bilanzen und Kennziffern. Sachlexikon
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Platte DDR-Jargon für die Neubausiedlungen, die meist am
Rand der bestehenden Städte in Großblock- oder Tafelbauweise gebaut wurden. Praktisch wurde der gesamte Wohnungsbau seit 1970 in dieser Bauweise durchgeführt. Typische Großsiedlungen, die in den Siebzigerjahren entstanden und als Synonyme für die Plattenbauweise genannt wurden, sind Berlin-Marzahn, Leipzig-Grünau, Dresden-Prohlis und Rostock Lütten Klein. Poliklinik Einrichtung des staatlichen Gesundheitswesens für
die ambulante medizinische Versorgung, etwa dem Ärtzehaus in der Bundesrepublik vergleichbar. Vom Grundsatz ist die Zusammenfassung aller Allgemein- und Fachmediziner, der Zahnärzte, Kinderärzte und Fachabteilungen wie Radiologie, Physiotherapie und Labor ökonomisch sinnvoll und kann – theoretisch – die Wege für die Patienten verkürzen und den bürokratischen Aufwand senken, sofern die Poliklinik über genügend Kapazität für das Einzugsgebiet verfügt, für das sie zuständig ist. In der Praxis erreichten nur wenige Polikliniken den Idealzustand. Große Unternehmen und Kombinate unterhielten eigene Betriebspolikliniken. Postmietbehälter Mehrfach verwendbarer Faltbehälter aus gepresster Hartpappe, der bei der Post gegen Entgelt entliehen werden konnte. Postmietbehälter waren in drei Größen erhältlich und sollten der Verpackungsmittelknappheit aufhelfen. practic Ratgeber-Zeitschrift, die vom FDJ-Zentralrat heraus-
gegeben wurde und einmal im Quartal erschien. Mit Tipps und Bauanleitungen für praktische Dinge des Alltags wurde Versorgungsengpässen zu Leibe gerückt. Was die Industrie nicht auf die Reihe kriegte, baute sich der gelernte DDR-Bürger halt selbst. Beispielsweise eine Scheibenwaschanlage aus Plast-Senfbechern nebst diversen Fahrradersatzteilen für den Trabant (lange bevor Sachsenring Zwickau so etwas serienmäßig anbot). Oder eine Trockenhaube für die Haarpflege aus alten Lampenständern, Föhn und Plastfolien. Oder eine zünftige Disko-Beleuchtung für den Partykeller der Hausgemeinschaft. 46 |
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Präsent 20 Textilprodukt, das auf Großrundstrick-
maschinen aus synthetischen Fasern gewonnen wurde. Das Verfahren wurde 1969 entwickelt und war ein Geschenk der Textilindustrie an den Staat zum 20. Geburtstag oder ein Geschenk des Staates an seine Bürger – je nachdem. Präsent 20 war für Konfektion nicht besonders gut geeignet, wurde aber zu Anzügen und Kostümen verarbeitet. Man fing in dieser Plastikkluft zwar schnell zu müffeln an, konnte aber dafür seinen Anzug in der Waschmaschine waschen. Was man diesen Anzügen allerdings dann ansah. Besser eignete sich Präsent 20 für den Bezug von Kinderwagen, die in der DDR ja doch relativ häufig gebraucht wurden. Protokollanstrich Besondere Art des Hausanstrichs
in Berlin, Hauptstadt der DDR. Dort wurden die Häuser – meist Altbauten aus der Zeit vor 1940 – entlang der Protokollstrecke (der Route, die die Limousinen der Politbüromitglieder von Wandlitz zum Gebäude des Zentralkomitees nahmen) nur so weit gestrichen, wie der Farbanstrich aus den Seitenscheiben der Limousinen gesehen werden konnte – also in der Regel bis zur Höhe des ersten Obergeschosses. Protzkeule DDR-Jargon für den Berliner Fernseh-
turm, offenkundig von Berlinern erfunden und von Berlinern verbreitet (Telespargel, Sankt Walter). Raufutter verzehrende Großvieheinheit Offizielle
Bezeichnung (abgekürzt RVG) für eine statistische Kuh. In der DDR-Landwirtschaft diente sie als Maßstab, um eine vergleichbare Größe für den Bestand an Rau- und Saftfutter verzehrendem Vieh – Rinder, Schafe, Pferde (auch Schweine, soweit sie Rau- und Saftfutter erhielten) – in einem landwirtschaftlichen Betrieb zu ermitteln. Sachlexikon
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Reichsbahn (eigentlich: Deutsche Reichsbahn) Der Name des Reichsunternehmens aus der Zeit der Weimarer Republik und des Dritten Reiches wurde beibehalten, nachdem ein Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Deutsche Reichsbahn damit beauftragt hatte, den geregelten, schienengebundenen Güter- und Personenverkehr im Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone wieder aufzunehmen (Befehl Nr. 8 der Transportabteilung der SMAD). Der Name blieb auch deshalb erhalten, weil Sonderrechte in den Westsektoren Berlins an die Deutsche Reichsbahn geknüpft waren. Für den Personen- und Güterverkehr besaß die Reichsbahn in der DDR, nicht zuletzt wegen des geringen Motorisierungsgrades, eine überragende Bedeutung. Mit der Quantität – der Dichte des Eisenbahnnetzes und der hohen Zugfrequenz auf bestimmten Strecken – konnte die Qualität nicht mithalten. Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit waren ein Problem, das die Reichsbahn aufgrund des überstrapazierten Schienennetzes und des veralteten bis verschlissenen rollenden Materials zeit ihrer Existenz nicht in den Griff bekam. Auch die Sauberkeit in den Zügen und der Zustand der sanitären Anlagen – vom Service der Mitropa ganz zu schweigen – gaben häufig Anlass zu Klagen. Dem gegenüber stand im Personenverkehr ein überaus niedriger Fahrpreis (8 Pfennig pro Kilometer in der 2. Klasse, 11,6 Pfennig in der 1. Klasse). Die Fahrt von Dresden nach Berlin im D-Zug kostete 17,40 Mark und dauerte rund zwei Stunden. Heute kostet die Fahrt im EuroCity 34 EUR und dauert ebenfalls rund zwei Stunden. Rennpappe DDR-Jargon für den PKW Trabant. Rotlichtbestrahlung DDR-Jargon für besondere politische Veranstaltungen, Schulungen politischen Inhalts u. Ä. Rote Woche Inoffizielle Bezeichnung für die sogenannte Ein-
führungswoche an Universitäten, Hoch- und Fachschulen, während der es hauptsächlich politische Veranstaltungen, ideologische Schulungen u. Ä. zu genießen galt. 48 |
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Willi Schwabes »Rumpelkammer« ging zum ersten Mal am 13. Dezember 1955 auf Sendung und brachte es bis zum Sommer 1990 auf 387 Folgen; sie dürfte damit die weltweit langlebigste Sendereihe vergleichbaren Formats gewesen sein. Schwabe kletterte im Vorspann mit einer altertümlichen Laterne eine Treppe zum Dachboden hinauf; dazu erklang der »Tanz der Zuckerfee« aus Tschaikowskis Ballett »Der Nussknacker« – dadurch verbinden viele dieses Musikstück mehr mit der »Rumpelkammer« als mit klassischem Ballett. Schwabe »kramte in alten Filmerinnerungen«: Gezeigt wurden Filmausschnitte alter Produktionen aus der Zeit vor 1945, die Schwabe humorvoll und sachkundig kommentierte. Anfangs stolperte er noch über Requisiten, die ihn stets zuverlässig an einen bestimmten Film erinnerten, später ließ er es bei verbalen Stöbereien bewenden und nahm in einer ziemlich aufgeräumt wirkenden Rumpelkammer Platz. Kenner meinen, die später produzierten farbigen Rumpelkammern hätten nie mehr den gleichen Charme besessen wie die alten, in Schwarzweiß aufgenommenen.
Rumpelkammer
Sandmännchen Figur des DDR-Fernsehens, die den Wettlauf gegen den West-Sandmann knapp gewann und am 22. November 1959 (neun Tage vor dem West-Sandmann im SFB) erstmals Traumsand verstreute. Das Ost-Sandmännchen – immer beliebter als sein westliches Brüderchen – bekam 1960 seine endgültige Form mit dem Spitzbart und brachte es im Lauf der Jahrzehnte zu einem beachtlichen Fuhrpark, zu dem außer Fahrzeugen aus dem DDR-Alltag (Straßenbahn, Traktor, Straßenkehrmaschine) auch märchenhafte und futuristische Gefährte gehörte (Raumfahrzeuge, sogar ein Mondmobil). Der Auftritt der Handpuppe mit dem charakteristischen Sandmännchenlied (vielleicht das meist gespielte Lied im deutschen Sprachraum) bildete den Rahmen für eine Gute-Nacht-Geschichte, die manchmal nett, manchmal betulich, manchmal kindgerecht und manchmal nur einfach pädagogisch peinlich war. Sandmännchenfolgen werden heute vom RBB für die ARD produziert. Sachlexikon
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Sankt Walter Volkstümliche Benennung des Berliner Fernsehturms, die aufgrund der unmittelbaren Nähe der Marienkirche und der eigenartigen Metallbeplankung der Turmkugel, die das Sonnenlicht in Form eines Kreuzes zu reflektieren pflegt, zustande kam. (Protzkeule, Telespargel) Schallplattenunterhalter Dem Wortsinne nach ein Mann, der Schallplatten unterhält, wobei dann immer noch zu fragen wäre, ob er für den Unterhalt der Schallplatten aufkommt oder ob er den Schallplatten Unterhaltung im Sinne von Zerstreuung bietet. Die Frage ist freilich müßig, denn der Schallplattenunterhalter unterhielt mittels Schallplatten: nämlich tanzbeinschwingende Jugendliche in der Diskothek. Er war ein Diskjockey, sollte aber nicht so heißen. Schwarze Husaren Das preußische Husarenregiment Nr. 5 trug den Titel Schwarze Husaren vor allem wohl wegen ihrer Uniformierung. In der DDR-Volkswirtschaft nahm die Farbbezeichnung Bezug auf eine besondere Form der Schwarzarbeit. Schwarze Husaren waren Arbeitskräfte, die in keiner Bilanz und in keinem Stellenplan auftauchten. Man gewann sie durch »temporäre interne Freisetzung« – etwa wenn ein Diplomingenieur, der früher Schlosser war, zeitweilig eine uralte abgeschriebene Maschine bediente, um am Monats- oder Quartalsende die Planerfüllung (Plan) zu sichern. Das war möglich, weil zum Beispiel ingenieurtechnisches Personal und Verwaltungskräfte zeitweilig entbehrt werden konnten. Schwarze Husaren waren gewissermaßen die »schnelle Eingreiftruppe« der Betriebsleitung. Sie bildeten häufig die Besatzungen für U-Boote. Schwarze Kanal, Der Sendung von und mit Karl-Eduard von
Schnitzler, die von 1960 bis zur Absetzung am 30. Oktober 1989 lief. In der letzten Sendung verabschiedete sich von Schnitzler von den Zuschauern mit der Drohung, er werde seine journalistische Arbeit für den Sozialismus fortsetzen. Im Schwarzen Kanal wurden Ausschnitte aus westdeutschen – vornehmlich publizistischen – Fernsehsendungen aus dem Zusammenhang 50 |
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gerissen, in neue Zusammenhänge gestellt und vom »Klassenstandpunkt« aus kritisch kommentiert. Von Schnitzlers Kommentarstil galt als giftig, gehässig und zynisch. Der Schwarze Kanal wurde eigentlich nur im »Tal der Ahnungslosen« in nennenswertem Umfang gesehen und hier weniger wegen der Kommentare des Herrn von Schnitzler als wegen der Hoffnung, wenigstens ein paar Minuten Original-Westfernsehen auf dem Schirm zu haben. Sekundärrohstoffe Offizielle Bezeichnung für Altstoffe, denen
in der DRR, als einem rohstoffarmen Land, große Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Erich Honecker erklärte noch 1987: »Die Wiederverwendung der Sekundärrohstoffe und industriellen Abprodukte im betrieblichen und volkswirtschaftlichen Kreislauf ist noch effektiver zu gestalten. Bekanntlich sieht der Fünfjahrplan (Plan) vor, im Jahre 1990 14 Prozent unseres Bedarfs an wichtigen industriellen Rohstoffen aus dieser Quelle zu decken.« Zu dieser Zeit kamen 43 Prozent des Altpapiers, 24 Prozent der anfallenden Buntmetalle und 64 Prozent der Alttextilien, die verarbeitet wurden, aus privaten Haushalten der DDR. Für die Altstoffsammlungen wurden besonders die Kinder mobilisiert. Dabei brach zuweilen ein regelrechtes Wettbewerbsfieber aus. Außerdem waren die Ankaufpreise für Sekundärrohstoffe nicht zu verachten: Für ein Kilo gebündeltes Altpapier gab es immerhin 30 Pfennig. Und eine Monatsportion abgelegtes Neues Deutschland wog ganz schön. Für Flaschen und Gläser gab es durchweg 5 Pfennig das Stück. Das war zwar ein höllisches Geklapper, aber man hatte doch schneller als gedacht ein paar Mark zusammen, die das Taschengeld aufbesserten. Später wurden auch Kronkorken, leere Spraydosen, Kleinschrott aller Art (zusammengedrückte Konservendosen) und Metallfolien angenommen. Singebewegung Mitte der Sechzigerjahre entstandene Musikrichtung, die Jugendlichen eine musikalische Selbstbetätigung jenseits klassischer Hausmusik und kommerzieller Popmusik ermöglichen sollte. Musikalische Hauptquelle war die amerikaSachlexikon
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nische Protestsong-Bewegung, in der DDR hauptsächlich vermittelt über den kanadischen Sänger Perry Friedman. Der Berliner Hootenanny-Club nannte sich 1967 in »Oktoberklub« um und wurde unter der Regie der FDJ zu einem politischen wie musikalischen Vorbild für weitere Klubs und Gruppen dieser Art aufgebaut. Einige der damaligen Gründungsmitglieder machten in der DDR im Partei- und Staatsapparat Karriere. Auf Initiative des Oktoberklubs fand in Berlin von 1970 bis 1990 das »Festival des politischen Liedes« statt, das das Flair der Internationalität verbreitete. Neben den Vorzeige-Klubs wurden Singegruppen an nahezu allen Hochschulen, in Großbetrieben sowie an Schulen aufgebaut. Die Bewegung nahm einen teils kampagneartigen, teils stark durchorganisierten Charakter an. Im Klima der offiziellen Förderung gediehen aber auch eigenständige künstlerische Leistungen, die sich rasch professionalisierten wie die Folk-Gruppe »Wacholder« oder Gruppen wie »Karls Enkel«, das Liedertheater »SCHICHT« und die »Brigade Feuerstein«. Sozialismus Am treffendsten definiert als Methode zur Überwindung von Problemen, die es ohne den Sozialismus gar nicht gäbe. Der Sozialismus sollte laut Beschluss der II. Parteikonferenz der SED »aufgebaut« werden. »In Übereinstimmung mit den Vorschlägen aus der Arbeiterklasse, aus den Reihen der werktätigen Bauern und aus anderen Kreisen der Werktätigen hat das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands beschlossen, der II. Parteikonferenz vorzuschlagen, dass in der Deutschen Demokratischen Republik der Sozialismus planmäßig aufgebaut wird«, verkündete Walter Ulbricht im Juli 1952. Elf Monate später flog den Funktionären ihr Sozialismus um die Ohren, und die Arbeiterklasse unterbreitete ein paar Vorschläge – freie Wahlen, Streikrecht, Wiedervereinigung –, die den Funktionären nicht so gut gefielen. Damit der Sozialismus, der nach Meinung der SED in der DDR herrschte, nicht mit einem Sozialismus verwechselt wurde, den sich die Menschen vorstellten oder wünschten, erfanden die führenden Ideologen in der DDR – man munkelte, es sei Kurt Hager
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selbst gewesen; nach anderen Quellen wurde dabei nur eine Begrifflichkeit westlicher Medien aufgegriffen – den Begriff des »real existierenden Sozialismus«. Dieser Begriff hat einen gewissen Nonsensfaktor, denn er impliziert, dass es auch einen real nicht existierenden Sozialismus oder einen irreal existierenden Sozialismus geben könne. Sozialistische Wartegemeinschaft Der Begriff parodierte die weit verbreitete Neigung der Funktionäre, die Dinge nicht beim richtigen Namen zu nennen und stattdessen beschönigende, verschleiernde Ausdrücke zu finden. Hier trieb es der Volksmund auf die Spitze: Gemeint ist die Schlange, die sich vor einem Geschäft bildete, wenn es »was gab«. Sozialistischer Wettbewerb In vielfältigen Formen geführte politische Dauerkampagne, die zu höheren Leistungen – besonders in der Produktion – führen sollte. Da der Ökonomie des Sozialismus wirtschaftliche Wettbewerbsanreize wie Markt und Konkurrenz im Wesentlichen fehlten, mussten moralische und politische Anreize geschaffen werden, um das starre System in Bewegung zu halten. Der sozialistische Wettbewerb wurde häufig »aus Anlass und zu Ehren« (eines Jahrestags, eines Parteitags, der Wahlen) geführt und mit wechselnden Losungen ausgestattet. Spalier Am besten mit »Menschenmauer zu beiden Seiten der Straße« umschrieben. Spalier wurde gebildet (sofern man es als Außenstehender betrachtete), und Spalier stand man (sofern man als Betroffener Teil der Menschenmauer war). Der Aufforderung, Spalier zu bilden, folgte die Bevölkerung bereitwillig, solange es sich um die heimkehrenden Olympiahelden von 1960 handelte (Ingrid Krämer wurde im offenen Wagen durch die Stalinallee gefahren; nur wenigen Staatsoberhäuptern wurde diese Ehre zuteil) oder um die ersten sowjetischen Kosmonauten. Als Ende der Siebzigerjahre hingegen Nikolae Ceausescu die DDR besuchte, war es schon sehr schwer, in Dresden genügend Leute auf die Straße zu bringen, die dem transsilvanischen UnSachlexikon
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geheuer zujubelten. Schließlich behalf sich die Partei damit, dass sie die Betriebe anwies, Arbeiter und Angestellte während der Arbeitszeit abzustellen, doch häuften sich auch hierbei orthopädische Leiden und spontane Erkrankungen des Verdauungstraktes so stark, dass das Spalier sehr dünn ausfiel. Sport war das Aushängeschild der DDR. Leistungssportler waren die Ersten, die den Namen DDR im Ausland bekannt machten. In den Sechzigerjahren leisteten Sportler mehr für die Anerkennung der DDR als alle Diplomaten und Politiker. DDRSportler leisteten Erstaunliches – auch schon zu Zeiten, als die DDR noch zu arm zum Doping und die eigene Pharma-Forschung noch nicht weit genug für »unterstützende Mittel« war. Erich Honecker ließ es sich nie nehmen, persönlich Orden an die Brust erfolgreicher Sportler – und noch lieber Sportlerinnen – zu heften. Der Sport war fast das einzige Feld, auf dem die DDR dauerhaft den Weltstand mitbestimmte. Davon profitierte auch der Breitensport, in dem eine sehr gut ausgebaute Leistungsund Auswahlpyramide gründete. Nur auf dem Fußballfeld – Fußball war auch der Ostdeutschen liebste Sportart – klappte es nie so recht, bis auf jene 78. Minute im Hamburger Volksparkstadion vielleicht … Dafür hatten die DDR-Fußballvereine Namen, von denen der westdeutsche Ballsportler nur träumen konnte.
Zehn der abgefahrensten Vereinsnamen BSG Veritas Wittenberge BSG Landbau Bad Langensalza BSG Glückauf Sondershausen BSG Kali Werra Tiefenort BSG Lok/Armaturen Prenzlau BSG Robotron Sömmerda BSG Empor Tabak Dresden BSG Hydraulik Nord Parchim BSG Motor Warnowwerft Warnemünde BSG Motor Ascota Karl-Marx-Stadt
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Sputnik 1. Serie künstlicher Erdtrabanten der UdSSR; aus dem
Russischen = Begleiter, Weggefährte: Sputnik 1 (Oktober 1957), Sputnik 2 (November 1957, mit Hündin Laika), Sputnik 3 (Februar 1958); löste in der DDR eine ehrlich gemeinte RaumfahrtEuphorie aus, was wiederum zu einem bedeutenden Aufschwung der Science-Fiction-Literatur führte. 2. Offizieller Kosename für die Zugverbindungen auf dem Berliner Außenring, die geschaffen werden mussten, um Städte wie Potsdam oder Henningsdorf mit Berlin, Hauptstadt der DDR, zu verbinden, als in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 die durch Westberlin führenden S-Bahn- und Eisenbahnverbindungen unterbrochen bzw. für Bürger der DDR nicht mehr zu benutzen waren. 3. Name einer Zeitschrift, herausgegeben von der sowjetischen Nachrichtenagentur Nowosti in verschiedenen Sprachen, Digest der sowjetischen Presse, die seit Gorbatschows Amtsantritt immer kritischer wurde. Zu kritisch für die DDR, sodass Honecker ab Dezember 1988 die deutschsprachige Ausgabe des Sputnik in der DDR nicht mehr zuließ. Staatsrat Als Organ der Volkskammer kollektives Staatsoberhaupt der DDR, 1960 nach dem Tod des Präsidenten Wilhelm Pieck von Walter Ulbricht geschaffen, der sich auch zum Vorsitzenden des Staatsrats wählen ließ. Die Verfassung von 1968 formulierte die überragende staatsrechtliche Stellung des Staatsrats gegenüber allen anderen Verfassungsorganen. Ihm oblagen zeitweise sowohl legislative als auch exekutive Aufgaben sowie die Funktionen eines Verfassungsgerichts. Der Sturz Ulbrichts aus den Parteiämtern hatte auch eine weitgehende Entmachtung des Staatsrats zur Folge. Sie kam im Gesetz über den Ministerrat (1972) und in der Verfassungsänderung von 1974 zum Ausdruck. Vorsitzende des Staatsrats waren Walter Ulbricht (1960– 1973), Willi Stoph (1973–1976), Erich Honecker (1976–1989) und anschließend für ein paar Tage Egon Krenz; nach dessen Rücktritt stand Manfred Gerlach (LDPD) als amtierender Vorsitzender dem Staatsrat vor, der praktisch keine Bedeutung mehr hatte und im März 1990 seine Tätigkeit einstellte. Sachlexikon
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Staatssicherheit Offiziell Ministerium für Staatssicherheit, ge-
gründet 1950; Inlands- und Auslandsgeheimdienst der DDR; nach dem 17. Juni 1953 zeitweilig (bis 1955) zum Staatssekretariat heruntergestuft. Trotz offizieller Einbindung in den Ministerrat war der Minister für Staatssicherheit (Erich Mielke, von 1957 bis 1989) nur einem engen Kreis höchster Funktionäre (letztlich nur dem SED-Generalsekretär) rechenschaftspflichtig. Im Volksmund hieß die gefürchtete Behörde »die Stasi«. Subbotnik Aus dem Russischen übernommene Bezeichnung für einen freiwilligen Arbeitseinsatz am an sich arbeitsfreien Samstag (russ. subbota). Tal der Ahnungslosen Im DDR-Jargon Bezeichnung für das Elbtal bei Dresden – nahezu die einzige Gegend, in der ein Empfang westdeutscher oder von Westberlin abstrahlender Fernsehsender nicht möglich war. Tausend Tele-Tips Werbesendung des DDR-Fernsehens, als es noch Deutscher Fernsehfunk hieß. Neben Produktwerbung wurden auch Verbraucherinformationen ausgestrahlt – etwa für die pflegliche Behandlung von Autoreifen durch angemessenes Fahrverhalten (»Pneumant-Reifen sind deine treuen Freunde. Behandle sie auch so!«) oder die richtige Benutzung der Nachttankboxen an Minol-Tankstellen (»Stets dienstbereit zu Ihrem Wohl, ist immer der Minol-Pirol«). Leider ist von den TV-Spots kaum etwas erhalten; die damaligen Speichermedien ließen eine langfristige Konservierung wohl nicht zu. Man ist auf die Erinnerung angewiesen, auf Bilder und Slogans, die sich festgesetzt haben (wie der eigenartige Vogel namens Minol-Pirol). »Baden mit Badusan« und »Beine brauchen Beline« oder »aka electric – in jedem Haus zu Hause« gehören ebenfalls dazu. War Werbung in einer Planwirtschaft ohnehin schon absurd, so wurde sie in einer Mangelwirtschaft pervers: Die beworbenen Produkte waren oft gar nicht mehr zu haben, wenn sie beworben wurden, oder die Produktionszeiten der Werbespots waren so lang, dass die Produktinnovation (auch so etwas gab es in der DDR) den
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Spot überholt hatte, bevor er ausgestrahlt wurde. Oder die Produkte waren so schlecht, lieblos verpackt oder einfach unbeliebt, dass sie mit Werbung genauso unverkäuflich in den Regalen vor sich hin gammelten wie ohne Werbung. So wurde den Tausend Tele-Tips 1975 offiziell das Licht ausgedreht. Telefon Eines der begehrtesten Güter im Sozialismus, aber fast
so schwer, wenn nicht noch schwerer, zu bekommen als ein Auto. Konnte man sich beim Auto noch mit einem sündhaft überteuerten Gebrauchtwagen behelfen, schied diese Möglichkeit beim Telefon aus. Wer einen Telefonanschluss beantragte, besorgte sich zunächst eine Dringlichkeitsbescheinigung der Kombinatsleitung, des Industriezweig-Ministeriums oder des Bezirkskrankenhauses, praktisch jedem Telefonantrag lag eine Dringlichkeitsbescheinigung bei. Auch dann dauerte es Jahre, oft Jahrzehnte, bis die Deutsche Post einen Anschluss legte. Seit den Siebzigerjahren behalf man sich damit, mehrere Endgeräte auf einen Anschluss zu legen. Wenn der Nachbar telefonierte, war der eigene Anschluss tot, und wenn man selber telefonierte, hatte der Nachbar das Nachhören. Man arrangierte sich, das stärkte die Hausgemeinschaft. DDR-Telefone besaßen bis auf Ausnahmen die klassische Wählscheibe und funktionierten nach dem Impulswahlverfahren. Der Gleichstromunterbrecher erzeugte das bekannte Knacken. Wenn es einmal öfter und heftiger knackte als üblich, dann war es nicht der Gleichstromunterbrecher und nicht der Nachbar, sondern der Große Bruder. Das Fernmeldegeheimnis wurde zwar in Artikel 31 der Verfassung garantiert, der Artikel schränkte es aber ein, »wenn es die Sicherheit des sozialistischen Staates« (also die Staatssicherheit) erforderte. Telespargel Offiziell geprägter Spitzname für den Berliner Fernsehturm, der sich gegenüber der volksläufigen Protzkeule aber nicht durchsetzen konnte (Sankt Walter). Sachlexikon
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Trabant Weit verbreiteter Fahrzeugtyp und das eigentliche Symbol der Massenmotorisierung Made in GDR. Der Streit begann freilich schon allein darüber, ob es sich beim Trabant um ein Auto oder um eine Gehhilfe handelte. Technisch basierte die Entwicklung von 1957 auf den Erfahrungen der Auto-Union mit Zweitaktmotoren. Der neue Drehschiebermotor machte besonders Tuning-Spezialisten Spaß. Die Karosserie war mit Duroplast beplankt. Technisch überarbeitet und mit neuer Karosserie blieb der Trabant von 1964 bis 1989 im Wesentlichen unverändert, sieht man von so ungeheuren Innovationen wie einer Kraftstoffanzeige ab, die bereits in den Achtzigerjahren den Kunststoffmessstab ablöste. Insgesamt wurden über drei Millionen Fahrzeuge gebaut; die letzten waren mit einem 1,1-Liter-VW-Motor ausgerüstet, dadurch wurde der Trabant 1.1 zu einer Mumie mit Herzschrittmacher. Für den Trabant waren außer der Koseform Trabi noch die Spitznamen Asphaltblase sowie Rennpappe oder kurz Pappe gebräuchlich. Trasse Sogenannte Drushba-Trasse (ab 1974) und Erdgastrasse
(ab 1982); Erdgasleitung vom Ural zur Westgrenze der UdSSR. Da die DDR an sowjetischen Gaslieferungen partizipieren wollte, musste sie wie die anderen »Bruderländer« im Gegenzug mit Bauleistungen für die Pipeline in Vorleistung treten. Alle teilnehmenden Länder mussten, neben der Pipeline und den Verdichterstationen in ihrem Bauabschnitt (DDR: von Krementschug am Dnepr bis Bar in der Westukraine) auch Wohnungen, Kindergärten, Kaufhallen und andere Gesellschaftsbauten errichten. Diese Bauten waren für das Bedienungspersonal der Verdichterstationen gedacht. Das Projekt war 1979 abgeschlossen. 1982 wurde die Erdgastrasse nach Westeuropa in Angriff genommen. Die DDR bekam nun, nachdem sie sich bei der Drushba-Trasse gut bewährt hatte, an der viermal längeren Leitung zwischen Urengoi und Ushgorod zwei Bauabschnitte zuge58
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teilt: einen in der Ukraine und einen südlich von Moskau; 1984 kam ein dritter Bauabschnitt im Ural dazu. Wieder waren neben der Leitung und den Verdichterstationen Wohnungen, Krankenhäuser, Kindergärten und kommunale Gebäude zu errichten und entsprechende Straßen anzulegen.Wieder wurde das Projekt zum Jugendobjekt der FDJ erhoben. Die Trassenarbeiter verpflichteten sich zunächst für zwei Jahre, viele verlängerten aber ihren Vertrag. An den einzelnen Standorten waren ständig zwischen 800 bis 2000 Arbeiter beschäftigt. Insgesamt wurden zwischen 12 000 und 15 000 Arbeiter am Zentralen Jugendobjekt Erdgastrasse eingesetzt – neben den eigentlichen »harten« Gewerken natürlich auch Köche, Krankenschwestern u. Ä. U-Boote besaß die Volksmarine der NVA nicht. Als U-Boote
bezeichnete man – inoffiziell natürlich – abgeschriebene Grundmittel, die nicht mehr in den Grundmittelfonds der Betriebe bilanziert waren, kurz: Maschinen und Anlagen, die es eigentlich gar nicht mehr gab (und auch nicht hätte geben dürfen, wäre bei der Erfüllung des Schrottplans alles mit rechten Dingen zugegangen). Diese U-Boote wurden aktiviert, wenn es ans Quartalsoder Monatsende ging und die Planerfüllung (Plan) gefährdet war, ohne in der Bilanz »aufzutauchen« (daher der Name). Dann konnte zusätzliche Warenproduktion erwirtschaftet werden, die bei der Berechnung der Fondsintensität auf die offiziell vorhandenen Grundmittel bezogen wurde. U-Boote wurden meist mit Schwarzen Husaren besetzt. unverbrüchlich Dieses eigenartige Wort war in der Propaganda ausschließlich positiv besetzt. Unverbrüchlich war die »Freundschaft zur Sowjetunion«, unverbrüchlich war auch die Treue zur Partei. Zu unverbrüchlich gibt es kein sinnvolles Antonym (verbrüchlich?) und kein Substantiv (Unverbruch?). VEB Abkürzung für Volkseigener Betrieb; übergreifende Bezeichnung für Wirtschaftsunternehmen, die sich im sogenannten Volkseigentum befanden. Das Volkseigentum ist dabei eine besondere Form des Staatseigentums. Offizieller Eigentümer Sachlexikon
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waren dabei alle Menschen – das Volk. Das Volk als Eigentümer wurde aber ausschließlich durch den Staat vertreten. Das bildete den Nebensinn des Worts Volksvertretung. Viele Bürger hatten eine etwas andere Auffassung vom Volkseigentum. Sie meinten, wenn sie schon Eigentümer wären, könnten sie auch dieses oder jenes, was zum Bau einer Datsche sinnvoller einzusetzen wäre als im Volkseigenen Betrieb, dezent auf die Seite bringen. Die Gerichte sahen das anders und ahndeten solche Materialbeschaffung als Verbrechen gegen das sozialistische Eigentum. Sozialistisches Eigentum als Rechtsbegriff umfasste neben dem Volkseigentum auch das genossenschaftliche Eigentum und das Eigentum gesellschaftlicher Organisationen. So waren zahlreiche Druckereien und Verlage in der DDR nicht – wie von vielen dort Arbeitenden vermutet – Volkseigentum, sondern das Eigentum der SED oder anderer Parteien und Organisationen. VBE Abkürzung für Vollbeschäftigten-Einheit; übliche Berechnungseinheit für den Arbeitskräftebedarf und -einsatz. Nicht zu verwechseln mit einer Planstelle. Im Stellenplan wurden die strukturellen Erfordernisse beschrieben. Auch in der DDR gab es – familienbedingt und aufgrund spezieller Arbeitsaufgaben – Teilzeitbeschäftigung; zwei Halbtagskräfte hatten möglicherweise zwei Planstellen, bildeten aber zusammen eine VBE. So war die Zahl der Planstellen in einem Betrieb in der Regel größer als die Zahl der Vollbeschäftigten-Einheiten. Vitamin B Übliche und nicht nur DDR-spezifische Umschrei-
bung der förderlichen Wirkung guter Beziehungen. In einer Gesellschaft, in der der Markt nicht richtig funktionierte, war ein Geflecht von Beziehungen allerdings unerlässlich, um sich mit knappen oder schwer beschaffbaren Gütern zu versorgen. VMI Abkürzung für Volkswirtschaftliche Masseninitiative, was
kein Mensch vernünftig aussprechen konnte, weswegen es meist beim Kürzel VMI blieb. Unter diesem Begriff wurden freiwillige Arbeitseinsätze zusammengefasst, die beispielsweise von den 60 |
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Hausgemeinschaften zur Verschönerung der Wohnumgebung
oder von Studenten zur Renovierung ihrer Wohnheime geleistet wurden. Oft wurden Sportanlagen oder Wanderwege mittels solcher VMI-Einsätze geschaffen. Volkskammer Der Verfassung nach höchstes staatliches Machtorgan. Die Volkskammer entstand aus der (kommunistisch orientierten, aber noch gesamtdeutschen) Bewegung des Deutschen Volkskongresses, dessen 3. Tagung im Mai 1949 einen sogenannten Deutschen Volksrat wählte, der sich am 7. Oktober 1949 zunächst als Provisorische Volkskammer konstituierte; die ersten regulären Wahlen fanden 1950 und von da an im Vierjahresrhythmus statt. Seit 1963 waren die Volkskammerwahlen mit den SED-Parteitagen synchronisiert; seit 1971 fanden sie alle fünf Jahre statt. Die letzte Volkskammer (Wahlen am 18. März 1990) war zugleich die erste frei gewählte; ihr oblag die Konkursverwaltung und Liquidation des Staatsgebildes, dem sie vorstand, und dessen ordnungsgemäße Überführung in den Staatsverband der Bundesrepublik Deutschland. Volkspolizei Bis 1970 lautete die offizielle Bezeichnung Deut-
sche Volkspolizei, danach trug sie zwar immer noch diesen Namen, wurde aber in der offiziellen Umgangssprache ohne Nation genannt. Sie wurde am 1. Juli 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht als Länderpolizei gegründet und stellte das Machtorgan der herrschenden Klasse dar, mit dem der Normalbürger am häufigsten konfrontiert war. Sie unterstand dem Minister des Innern, der sich seit 1963 auch »Chef der Deutschen Volkspolizei« nannte. Die SED hielt es lange nicht für nötig, die Befugnisse der Volkspolizei und die Rechte der Bürger gesetzlich zu regeln; man nutzte einfach das preußische Polizeigesetz aus der Zeit vor 1933 stillschweigend weiter; erst 1968 gab es ein eigenes Volkspolizeigesetz. Volkssolidarität Im Osten Deutschlands bereits im Oktober
1945 gegründete Hilfsorganisation, die sich der Linderung der dringendsten Nachkriegsnot widmete. In der DDR entwickelte Sachlexikon
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sie sich zu einer Massenorganisation, die sich vor allem die Betreuung der Rentner zum Ziel gesetzt hatte. Berühmt und geliebt wurde sie für ihre Kaffeefahrten und Seniorenausflüge, bei denen noch keine Rheumadecken und Lammfelljacken verkauft wurden. An diesem Ziel hält sie auch heute fest, da sie im Paritätischen Wohlfahrtsverband mit 330 000 Mitgliedern zu den größten Organisationen gehört. Wandlitz 1. Ort in der Mark Brandenburg; 2. Waldsiedlung in
der Nähe des Ortes Wandlitz, die 1961 als Wohnsitz für das SEDPolitbüro eingerichtet wurde. Wartburg Frontgetriebener PKW mit Dreizylinder-Zweitaktmotor, produziert im VEB Automobilwerke Eisenach von
1956 bis 1991. Der Wartburg entstand auf der Basis des F 9, der auf eine Vorkriegsentwicklung von DKW zurückging, die kriegsbedingt nicht in Serie gegangen, aber etwa zeitgleich mit dem F 9 in der Bundesrepublik als DKW-Modell »Meisterklasse« gebaut worden war. Der Wartburg erfuhr 1965/66 eine grundsätzliche Karosserie- und Fahrwerksüberarbeitung, wurde jedoch sonst nahezu unverändert bis 1988 gebaut. Wartburgfahrer galten zuweilen als neurotisch, man sagte ihnen nach, sie kämen schwer damit klar, ein hochgezüchtetes Moped in Form einer Limousine zu fahren. Dann aber verordnete Günter Mittag dem Wartburg einen VW-Viertaktmotor, der in Lizenz gebaut werden sollte. Mit diesem Motor und dem stolzen Preis von 30 000 Mark der DDR tuckerte der Wartburg durch die Wende. Spätestens Mitte 1990 begann der Motor der Eisenacher zu stottern, der Absatz des einst begehrten Vehikels tendierte gegen null, und 1991 wurde die Produktion eingestellt. Wehrsportgruppe Hoffmann Nachdem in der Bundesrepublik eine paramilitärisch bewaffnete Neonazi-Formation unter diesem Namen aufgetreten war, kursierte in der DDR, wo der Verteidigungsminister bis 1985 Heinz Hoffmann hieß, für die NVA der Spitzname »Wehrsportgruppe Hoffmann«.
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Wende Bezeichnung für die Zeit zwischen dem 7. Oktober 1989,
als der Widerstand gegen das SED-Regime eskalierte, und dem 3. Dezember, als sich das Politbüro auflöste und die Herrschaft der SED faktisch aufhörte zu bestehen. Wendehals In Anspielung auf die Vogelart gleichen Namens ge-
brauchte Bezeichnung für einen Funktionär, der sich von einem vorbehaltlosen Befürworter der bisherigen SED-Politik zu einem besonders eifrigen Neu-Demokraten gewendet hatte. Man muss allerdings sagen, dass SED-Funktionäre seit Mitte Oktober 1989 keine Chance mehr hatten, sich »richtig« zu verhalten. Sie galten entweder als Wendehälse, wenn sie ihre frühere starre Position aufgaben, oder sie galten als Betonköpfe, wenn sie das nicht taten. Sie wurden einfach nicht mehr akzeptiert, ganz gleich wie sie sich verhielten. Wertzuwachs Täuschungsmanöver aus der Trickkiste Günter Mittags. Als die wirtschaftliche Situation Ende der Siebzigerjahre sehr schwierig wurde und sich die geplanten Steigerungsraten nicht erreichen ließen, kam Mittag auf die Idee, durch vorgetäuschte Qualitäts- und Gebrauchswerterhöhung bestimmte Konsumgüter »attraktiver« zu machen und damit Preiserhöhungen zu rechtfertigen. Ein simples Kinderfahrrad, das vorher 350 Mark kosten sollte, wurde auf 750 Mark verteuert. Bettwäsche lag plötzlich mit 133 Mark pro Garnitur in den Regalen – Bettwäsche war der Aufreger des Jahres 1979 –, und für ein simples Handtuch »mit erhöhten Gebrauchswerteigenschaften« sollte der DDR-Bürger auf einmal 33 Mark hinlegen. Zum Vergleich: Das monatliche »Bruttoarbeitseinkommen der vollbeschäftigten Arbeiter und Angestellten der sozialistischen Wirtschaft« lag zu diesem Zeitpunkt bei 1006 Mark, und brutto war auch in der DDR nicht gleich netto. Mittag hoffte, dass sich die höheren Preise in einer wertmäßigen Erhöhung der Kennziffer Warenproduktion niederschlagen würden. Er gab den Industrieministerien Ziele für den »Wertzuwachs« in Höhe von zehn Milliarden Mark vor, die aber von den verantwortlichen Praktikern auch bei größter Fantasie und krimineller Energie nicht in Sachlexikon
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materialisierbare Vorschläge umgesetzt werden konnten. Im Grunde war es eine Aufforderung zum Volksbetrug im nationalen Ausmaß – und genauso wurde es auch empfunden. In manchen Fällen überklebten Verkaufsstellenleiter, die den Schwindel nicht billigten, die alten Preisschilder schluderhaft mit den neuen oder strichen die alten Preise aus und schrieben die neuen drüber, sodass der Kunde gut verfolgen konnte, was mit ihm gespielt wurde. Sie wurden gemaßregelt und zu den eigentlich Schuldigen gemacht. Nicht die waren für den Unmut der Bevölkerung verantwortlich, die den Betrug veranlasst hatten, sondern diejenigen, die ihn nicht ordentlich genug ausführten, sodass er offenkundig wurde. Eine verkehrte Welt. Winkelement Massenhaft ausgegebene Papierfähnchen, mit denen die Bevölkerung an Feiertagen der Partei- und Staatsführung oder hohen Ehrengästen begeistert zuwinken musste. Statt Fähnchen konnten auch Friedenstauben oder andere winkbare Objekte als Winkelement dienen. Wurst am Stengel Chruschtschow, der den Maisanbau in der Sowjetunion förderte, hatte in seiner lebhaft-bildhaften Sprache verkündet, Mais sei die Wurst am Stengel, weil sich mit dem Mais die Viehbestände füttern ließen, aus denen dann wieder köstliche Wurst gemacht werde. Zu dieser Zeit pflegte man noch alles nachzuplappern und allem nachzueifern, was in der UdSSR verzapft wurde; folglich wurde auch in der DDR Mais angebaut, von dem es hieß, er sei die Wurst am Stengel. Stengel wurde damals mit »e« geschrieben, und ausnahmsweise lassen wir es einmal dabei. Zentrale Erntetechnik Hier handelt es sich um ein Jugendob-
jekt, dessen Ziel es war, die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen zwischen dem Norden und dem Süden der Republik zu nutzen und aufgrund der unterschiedlichen Erntetermine Schwerpunkte für die Erntetechnik zu bilden. Das Jugendobjekt wurde am 20. Juni 1966 offiziell an 13 Jugendkomplexbrigaden übergeben, doch was militärisch vernünftig gedacht war, war 64 |
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wirtschaftlicher Wahnsinn – hier rächte sich die Überbetonung des Kampf-Gedankens, der den Funktionären mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen war. Kolonnen von Mähdreschern und Kartoffelerntemaschinen wurden mit Beginn der Erntezeit über die ohnehin stark belasteten Landstraßen von Süd nach Nord und von Nord nach Süd verschoben. Kilometerlange Staus waren die Folge, die Straßen gingen noch schneller kaputt als sonst, und allein für die Fahrten zum Einsatzort – Mähdrescher sind nun mal keine Straßenfahrzeuge – wurden Hunderttausende Tonnen Diesel verbraucht. Nach dem großen Medienrummel in den frühen Siebzigern wurde dem Jugendobjekt spätestens mit der Brennstoffverknappung am Ende dieses Jahrzehnts der stille Garaus gemacht. Heute findet man kaum noch Informationen über dieses Jugendobjekt. Zivilgesetzbuch Das »BGB« der DDR; die Textausgabe mit Ein-
führungsgesetz und Sachregister umfasste ganze 141 Druckseiten. In nur 480 Paragrafen war alles geregelt, was in der DDR zivilrechtlich geregelt werden musste. Und, fast unerhört, die Paragrafen waren auch noch so formuliert, dass jedermann sie verstehen konnte. Zuweisung Unscheinbarer Zettel im Format A5, gewöhnlich auf schlechtem Papier gedruckt, aber das wertvollste Dokument, das man auf der Wohnungssuche erjagen konnte. »Zur Gewährleistung des Grundrechts der Bürger auf Wohnraum und zur Sicherung einer gerechten Verteilung unterliegt der gesamte Wohnraum der staatlichen Lenkung«, hieß es in Paragraf 96 des Zivilgesetzbuches der DDR. Rechtsgrundlage für diese staatliche Lenkung war die »Wohnraumlenkungsverordnung« von 1967. »Voraussetzung für die Begründung eines Mietverhältnisses ist die Zuweisung des Wohnraums durch das zuständige Organ. Auf der Grundlage der Zuweisung sind Vermieter und Mieter verpflichtet, einen Mietvertrag abzuschließen«, sagte das Zivilgesetzbuch in Paragraf 99. Mit anderen Worten: Wenn man die Zuweisung in der Hand hatte, hatte man praktisch schon die Wohnung; der Rest war mehr oder weniger Formsache. Sachlexikon
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Personenlexikon Adenauer, Konrad (1876–1967), kein Bürger der DDR, sondern
erster Kanzler (»Ur-Kanzler«) der Bundesrepublik Deutschland; für die DDR-Propaganda als Bundeskanzler die bevorzugte Figur für das Feindbild vom bösen Kapitalismus. Selbst Otto Grotewohl, der sich sonst eher in intellektueller Pose gefiel, verlor bei Adenauer die Beherrschung und sprach von »schmutzigen Machenschaften der Bonner Landesverräter«, die Bundesrepublik werde »durch die Adenauer-Politik ein Hort des deutschen Militarismus und Faschismus«, weil das »Adenauer-Regime die reaktionären und faschistischen Kräfte auf allen Gebieten wiederbelebt«. Die »Terrorwelle Adenauers« habe »einen neuen Höhepunkt erreicht«. Das auf kaum einer halben Druckseite. Und nicht bei einer Biertisch-Diskussion, sondern in einer Rede vor der Volkskammer. Ardenne, Manfred von (1907–1997), Physiker, Techniker, Insti-
tutsleiter und Wissenschaftsunternehmer, genannt: der Rote Baron vom Weißen Hirsch. Der standesbewusste Baron erwarb im Laufe seines Lebens über 600 Patente. Er hatte in den Dreißigerjahren großen Anteil an der Entwicklung des Fernsehens, arbeitete schon im Dritten Reich in der Atomforschung, ging 1945 mit seinen engsten Mitarbeitern in die Sowjetunion und kehrte, mit dem Stalin-Preis geehrt, 1955 in die DDR zurück. In Dresden gründete er ein – in dieser Art einzigartiges – privates Forschungsinstitut, das sich Problemen der Teilchenphysik, der Werkstoffkunde und schließlich der Medizintechnik zuwandte. Ardenne war Ulbrichts Vorzeigeadliger (Adel), von dem er hoffte, er werde, wenn die große UdSSR das Raumfahrtproblem löse, für die kleine DDR das Krebsproblem lösen. Axen, Hermann (1916–1992), Parteifunktionär der DDR, Sekretär des Zentralkomitees der SED und seit 1970 Mitglied des Politbüros, zuständig für internationale Beziehungen und seit
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dieser Zeit der eigentliche Architekt der Außenpolitik der DDR; die außenpolitische Anerkennung Honeckers war im Wesentlichen sein Verdienst; er verfügte bis zum Ende der SED-Herrschaft über ausgezeichnete Kontakte nach dem Westen, besonders zu maßgeblichen Kreisen der SPD. Biermann, Wolf (geboren 1936), Liedermacher, Lyriker, Kom-
munist, siedelte als Siebzehnjähriger in die DDR über, studierte Ökonomie, Philosophie und Mathematik und begann um 1960, auf Veranlassung Hanns Eislers, der ihn förderte, Lieder und Gedichte zu schreiben. Seit 1965 trat Biermann in den Kabarettprogrammen von Wolfgang Neuss auf. Seine kritischen Lieder waren für die SED-Funktionäre Anlass, ein Auftrittsverbot in der DDR über ihn zu verhängen. Biermann behauptete standhaft seine Ansicht vom Kommunismus, die sich von derjenigen der Vertreter des real existierenden Sozialismus unterschied. Seine Arbeit wurde in der DDR bis 1976 nur von kleinen Zirkeln Intellektueller wahrgenommen. Im November bürgerte ihn die DDR nach einem Konzert in Köln für die IG Metall aus. Dieser hoheitliche Akt gegen einen kritischen Künstler markierte einen einschneidenden Bruch zwischen Partei und Kunstszene in der DDR. In der Folge verließen viele prominente Künstler – Filmemacher, Schauspieler, Schriftsteller, Komponisten – das Land. Brecht, Bertolt (1898–1956), Schriftsteller, Dichter, Dramatiker, Theaterleiter, kehrte über die Schweiz nach Deutschland zurück und nahm seinen Wohnsitz in Berlin/DDR. Er brachte Weltruhm und Welterfahrung mit; den Ruhm nutzte die DDR gern propagandistisch aus, während sie mit der Welterfahrung wenig anzufangen wusste. Brecht stellte – als der Parteidichter Kuba (Kurt Barthel) nach dem 17. Juni 1953 behauptet hatte, das Volk habe das Vertrauen der Regierung verloren und müsse sich nun eifrig mühen, es zurückzugewinnen – die Frage, ob es nicht einfacher wäre, die Regierung löse das Volk auf und wähle ein neues. Dieser Vorschlag muss den Parteioberen in die falsche Gehirnwindung geraten sein, jedenfalls bemühten sie sich seither nach Kräften, das für die jeweilige Gelegenheit passende Personenlexikon
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Volk auszuwählen. Am Ende stellte sich heraus, dass das Volk, das sie davonjagte, ein ganz anderes Volk war als das, von dem sie sich am 1. Mai huldigen ließen. Und doch waren es die gleichen Menschen. Buchwitz, Otto (1879–1964), sozialdemokratischer Parteifunk-
tionär, von den Nazis verfolgt und inhaftiert, nach 1945 einer der Aktivisten der Vereinigung von KPD und SPD zur SED, die im Landesverband Sachsen schon im Februar 1946 vollzogen wurde. Danach hatte Buchwitz seine Schuldigkeit getan; persönlich integer und Demokrat aus Überzeugung, gehörte er dem Parteivorstand und dem ZK der SED bis zu seinem Tod an, war völlig einflusslos, aber hochgeehrt. Nach seinem Tod wurden Betriebe und Straßen nach ihm benannt; fast alle diese Benennungen wurden seit 1990 wieder beseitigt. Dallmann, Fritz (geboren 1923), Bauer, Agraringenieur, machte als LPG-Vorsitzender (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) der LPG Priborn den Ort zu einem Muster- und Vorzeigeort, Mitglied des Zentralkomitees der SED seit 1964, 1982 bis 1990 Vorsitzender der VdgB (Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe); spielte 1968 in dem Fernsehfilm Wege übers Land einen Dorfschmied. Dathe, Heinrich (1910–1991), Zoologe, Tierparkdirektor, durch
Sendungen in Rundfunk und Fernsehen außerordentlich populär. Hinreißend waren seine in breitem Sächsisch vorgetragenen Vogelstimmen-Imitationen. Eisler, Hanns (1898–1962), Komponist, vor allem bekannt als Komponist der Nationalhymne der DDR, doch geschieht die Reduzierung darauf zu Unrecht. Eisler war Schüler Schönbergs, wandte sich um 1927 der Arbeiterbewegung und den Kommunisten zu, ohne je Mitglied der KPD zu werden. In seinem Schaffen verband er avancierte musikalische Techniken mit politischem Engagement. Zeit seines Schaffens suchte er nach einer neuen Musikästhetik jenseits des bürgerlichen Konzertbetriebes
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und kämpfte gegen die Dummheit in der Musik. Dumme Musik pflegte er »Misuk« zu nennen. Der Ruhm der Nationalhymne schützte ihn nicht vor harscher und unberechtigter Kritik der SED-Funktionäre, etwa als Ulbricht ihn wegen seiner FaustOper verunglimpfte. Eisler blieb immer Österreicher und wurde nie SED-Mitglied. Er ist eine der schillerndsten Gestalten der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Als sein Freund Brecht in den Dreißigerjahren einmal auf dem Broadway aus einer Theaterprobe geworfen wurde und Hausverbot erhielt, beschwerte er sich bei Eisler: »Dabei habe ich den Herren nur meine Meinung gesagt!« Eisler, der Mann mit dem feinen Gehör, fragte zurück: »Aber wie laut, mein lieber Brecht, wie laut?« Ewald, Manfred (1926–2002), der Turnvater der DDR, einflussreichster Sportfunktionär, 1961 bis 1988 Präsident des DTSB (Deutscher Turn- und Sportbund), 1973 bis 1990 Präsident des NOK der DDR. Unter seiner Verantwortung wurde der Spitzensport der DDR als Spritzensport ausgebaut; seine maßgebliche Beteiligung am systematischen Doping von Sportlern, das zum Teil ohne deren Wissen geschah, ist gerichtsnotorisch. Geggel, Heinz (1921–2000), Journalist, Abteilungsleiter Agitati-
on beim ZK der SED, leitete seit 1973 die berüchtigten »Argus«, zu denen alle Chefredakteure jeden Donnerstag um 10 Uhr einbestellt wurden. Hier wurde bis in die Einzelheiten der Seitengestaltung festgelegt, worüber wie zu berichten ist und welche Formulierungen zu unterlassen sind. Promoviert und daher hinter vorgehaltener Hand auch »Dr. Geggels« genannt. Grotewohl, Otto (1894–1964), sozialdemokratischer Politiker, Mitbegründer der SED, erster Ministerpräsident der DDR. Der Braunschweiger war einer der wenigen Wessis in den obersten Führungspositionen. Viele Parteimitglieder hofften, er würde sozialdemokratische Traditionen in der SED bewahren helfen, doch ordnete er sich der stalinistischen Linie vollständig unter. Als die Arbeiter am 17. Juni 1953 skandiertem »Spitzbart, Bauch und Brille sind nicht Volkes Wille«, war mit »Brille« er gemeint. Personenlexikon
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Hager, Kurt (1912–1998), Parteifunktionär der SED, nach einem Dozentenlehrgang an der Parteihochschule wurde er 1949 sofort ordentlicher Professor für Philosophie an der HumboldtUniversität; seit 1955 Sekretär des Zentralkomitees der SED und verantwortlich für Wissenschaft, Kultur und Bildung. Hager galt als Chefideologe der SED, war bei Künstlern und Wissenschaftlern gefürchtet und bei niemandem beliebt. »Was macht die Kunst?«, fragt ein Schriftsteller den anderen. »Hager, hager«, antwortet der. Berüchtigt ist seine arrogante Äußerung gegenüber der Perestroika in der Sowjetunion, wenn der Nachbar tapeziere, müsse man selbst seine Wohnung nicht auch tapezieren. Hockauf, Frieda (1903–1974), Maschinenweberin aus Zittau, die durch die nach ihr benannte Frieda-Hockauf-Methode (das zeitversetzte Bedienen mehrerer Webstühle) sowie durch die Losung »Wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben« bekannt wurde. Hoffmann, Heinz (1910–1985), Spanienkämpfer, Kommunist,
Armeegeneral, Verteidigungsminister der DDR von 1960 bis 1985. In dieser Funktion und als Politbüromitglied (seit 1973) trug er die Verantwortung für das Grenzregime an der »Staatsgrenze West« und den sogenannten Schießbefehl. Honecker, Erich (1912–1994), saarlän-
discher Dialektsprecher, Parteifunktionär und Vorsitzender des Staatsrats (1976–1989). Wurde im Alter von 34 Jahren Mitbegründer und erster Vorsitzender der FDJ, wodurch er den Stand der Berufsjugendlichen begründete. Stürzte 1971 Ulbricht mithilfe moskautreuer Frondeure. Erreichte als Partei- und Staatschef die außenpolitische Anerkennung der DDR, führte das Land aber in den wirtschaftlichen Ruin. 70 |
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Jähn, Sigmund (geboren 1937), Militärflieger, Kosmonaut; einziger Träger des Titels »Fliegerkosmonaut der DDR«. »Der erste Deutsche im All – ein Bürger der DDR« titelte die Sonderausgabe des ND (Neues Deutschland). Das war, einem Witz zufolge, der Grund, warum Jähn und nicht sein Double Eberhard Köllner geflogen war. Die Zeile hätte sonst lauten müssen: »Der erste Deutsche im All ist Köllner«. Der Rummel, der nach dem Flug um Jähn gemacht wurde, war beträchtlich. Er hat ihn mit soldatischer Disziplin ertragen, ohne seine persönliche Bescheidenheit aufzugeben. Der Himmel wurde vom DDR-Witz umbenannt: »Jähnseits«. Der brutalste Jähn-Witz: »Was wäre gewesen, wenn die Sojus-Kapsel beim Wiedereintritt verglüht wäre? – Dann hätte die DDR endlich mal einen glühenden Patrioten gehabt.« Kein Witz: 2001 wurde der Planetoid 1998 BF 14 nach ihm benannt. Krenz, Egon (geboren 1937), letzter Generalsekretär der SED, letzter Staatsratsvorsitzender (Staatsrat) der DDR – im
Grunde derjenige, dem es bestimmt war, das Licht auszumachen, was er denn auch tat, indem er den Hauptschalter umlegte und am 9. November 1989 die Mauer öffnete. Krenz machte nach Lehrerstudium und freiwilligem Armeedienst in der FDJ Karriere, war von 1971 bis 1974 oberster Thälmann-Pionier, danach bis 1983 Erster Sekretär des Zentralrats der FDJ. Vom Amt des ersten Berufsjugendlichen wurde er mit 46 Jahren erlöst, als Benjamin ins Politbüro befördert und nach Wandlitz umgesiedelt. Als Vollmitglied des Politbüros seit 1983 galt er als Kronprinz Honeckers, doch scheint der gewittert zu haben, dass Krenz an einer Fronde gegen ihn beteiligt war, und machte, als er erkrankte, nicht Krenz, sondern Mittag zu seinem Stellvertreter. Am 18. Oktober 1989 gelang einer Palastrevolte unter Krenz der Sturz Honeckers, doch war die Oppositionsbewegung in der DDR bereits zu stark und zu selbstbewusst geworden, um sich von einem Generalsekretär, der gerade erst aus dem Schatten Honeckers getreten war, ruhigstellen zu lassen. Die Demonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz in Berlin erteilte Krenz eine eindeutige Absage. Krenz Personenlexikon
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warf am 3. Dezember 1989 das Handtuch als Generalsekretär und drei Tage später auch als Staatsratsvorsitzender (Staatsrat) und schrieb seine Memoiren. Matthes, Roland (geboren 1950), Schwimmer der Weltklasse;
seine Paradedisziplin war das Rückenschwimmen. Hier errang er 19 Weltrekorde und blieb von 1966 bis 1973 ungeschlagen. Auch auf den Lagen- und Schmetterlingsstrecken mussten seine Konkurrenten ihn fürchten. Zum besonderen Vergnügen der DDR-Oberen durchbrach er die Dominanz der USA-Schwimmer. Nicht zuletzt ihm ist es zu verdanken, dass es im Sport drei Supermächte mit »U« gab: die USA, die UdSSR und Unsere Deutsche Demokratische Republik. Mielke, Erich (1907–2000), mutmaßlicher Polizistenmörder und späterer Minister für Staatssicherheit im Rang eines Ge-
nerals. Richtete bereits in Spanien von 1936 bis 1939 im Auftrag Stalins viel Unheil an, setzte sein Wirken dann in der DDR fort, »zum Wohle des Volkes«, dessen Überwachung und Einschüchterung er organisieren ließ. Die gefürchtetste Figur des Politbüros war zugleich die lächerlichste: Unvergessen bleibt seine gestammelte Liebeserklärung vor der Volkskammer im Herbst 1989 (»Ich liebe doch, ich liebe doch alle Menschen«), mit dem er unfreiwillig, aber folgerichtig sein Ministerium dem »Ministerium der Liebe« in Orwells »1984« gleichstellte. Mittag, Günter (1926–1994), Wirtschaftsexperte im Politbüro, dem er von 1966 bis 1989 angehörte. Für viele war er der Hauptschuldige an der Wirtschaftsmisere der DDR. Fuhr zunächst unter Ulbricht das NÖSPL (Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung) gegen die Wand, schwenkte dann auf den Honecker-Kurs um und machte sich dem neuen Generalsekretär unentbehrlich. Er galt neben Mielke als der Einzige, der uneingeschränkt zu Honecker Zugang hatte. Sein Führungsstil war gefürchtet und nicht gerade von Menschlichkeit und Warmherzigkeit geprägt. Kein Sozialist aus dem Bilderbuch. Eher ein real existierender Sozialist.
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Naumann, Konrad (1928–1992), Parteifunktionär, nach typischer FDJ-Karriere über Hochschule des Komsomol, Sekreta-
riatsfunktionen im Zentralrat zum Politbüromitglied und 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin aufgestiegen. Bekannt und berüchtigt für seine Trinkfestigkeit und seine nicht ganz astreinen Umgangsformen. Fiel im November 1985 für viele überraschend in Ungnade – angeblich wegen einer fünf Wochen zuvor gehaltenen Rede vor der Akademie für Gesellschaftswissenschaften –, und zwar so gründlich, dass er aus sämtlichen Ämtern flog und sich als Archivar im Staatsarchiv Potsdam wiederfand. Wanderte 1991 nach Ecuador aus. Pieck, Wilhelm (1876–1960), kommunistischer Politiker, Mit-
begründer der SED, erster Präsident der DDR. Als er 1949 zum Präsidenten gewählt wurde, kamen Spaßvögel auf die Idee, ihn Wilhelm III. zu nennen. Doch von imperialer Prächtigkeit war sein Regierungsstil weit entfernt. Persönlich bescheiden und gutmütig würdevoll – so wurde er von den meisten gesehen. Sein politisch einflussloses Amt wurde, obwohl in der Verfassung der DDR verankert, nach seinem Tod von Walter Ulbricht umgehend abgeschafft. Quandt, Bernhard (1903–1999), kommunistischer Funktionär, Widerstandskämpfer, Landrat in Mecklenburg, später Mitglied des Zentralkomitees, Protagonist der sogenannten Demokratischen Bodenreform, später Mitglied des ZK der SED; führte zuletzt ein Leben als Parteiveteran, fiel im Dezember 1989 dadurch auf, dass er vor dem Zentralkomitee die Wiedereinführung der Todesstrafe und die standrechtliche Erschießung der »Verbrecherbande« des alten Politbüros forderte.
(geboren 1929), SED-Parteifunktionär, Politiker, war als Politbüromitglied und 1. Sekretär der Bezirksleitung Berlin maßgeblich an der Entmachtung Honeckers beteiligt. Dank der Fernsehübertragung einer Pressekonferenz am Rande der ZK-Tagung vom 8. bis 10. November wurde er weltberühmt; er verkündete dort faktisch die Öffnung der
Schabowski, Günter
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Mauer. Nach der vollständigen Entmachtung der SED aus der
Partei ausgeschlossen. Als einziges ehemaliges Mitglied des SED-Politbüros flüchtete er sich nicht in Selbstmitleid und Rechtfertigungsphrasen, sondern analysierte mit sehr weitgehender Selbstkritik seine eigene Rolle im Machtsystem des real existierenden Sozialismus und vollzog einen grundlegenden Bruch mit der Ideologie der Vergangenheit. Als Einziger der in den Mauerschützenprozessen Angeklagten akzeptierte er seine moralische Verantwortung für die Opfer des Grenzregimes. Schalck-Golodkowski, Alexander (geboren 1932), Staatssekretär und Oberst der Staatssicherheit mit dem Gehalt eines Generalleutnants; gilt als wichtigster Devisenbeschaffer der DDR, half der DDR-Führung aus mancher Klemme, nicht nur weil er deren Sonderversorgungssysteme mit Westwaren beschickte, sondern weil er auf offizieller Ebene Kreditverhandlungen einfädelte und auf inoffizieller Ebene durch ein unüberschaubares Geflecht von Firmen im Westen gefragte Güter und Hochtechnologie, die auf der westlichen Embargo-Liste bestanden, zu beschaffen wusste. Seine Hausmacht war der Bereich »Kommerzielle Koordinierung«. Dieses Unternehmen betrieb mit größter Energie und Fantasie die Ausplünderung der DDR, und zwar wurde alles geplündert, was sich in Devisen umsetzen ließ: von privaten Kunstsammlungen und Museumsbeständen angefangen über Massen alter Klaviere und Flügel bis zu historischem Straßenpflaster aus den Innenstädten der DDR. Als seine Tarnung in der DDR aufflog, floh er mit seiner Frau in den Westen. Beim Bundesnachrichtendienst machte er unter dem Decknamen »Schneewittchen« weitgehende Aussagen; spätere Ermittlungen gegen ihn verliefen extrem schleppend und endeten mit Bewährungsstrafen. Ein Schalck, wer Golodkowski dabei denkt. Schnitzler, Karl-Eduard von (1918–2001), Fernsehkommenta-
tor, nach 1945 zunächst mit britischer Protektion beim NWDR, dort wegen seiner kommunistischen Gesinnung entlassen, machte er im Osten und später in der DDR schnell Karriere, zunächst beim Berliner Rundfunk, später beim Fernsehen. Seine 74 |
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berüchtigte Sendung Der Schwarze Kanal lief von März 1960 bis 30. Oktober 1989 immer montags nach dem alten Film. Von Schnitzler stellte Ausschnitte westdeutscher Fernsehpublizistik in die ihm genehmen Zusammenhänge und kommentierte sie gehässig. Im Volksmund hieß er Sudel-Ede, was aber, von Schnitzler zufolge, gar nicht Volksmund, sondern eine Erfindung des RIAS gewesen sein soll. Wenn dem so war: Bravo, RIAS! Ein Dresdner Entertainer hat den Chefkommentator einmal mit dem Bonmot verulkt: »Wenn meine Frau böse mit mir ist, sagt sie immer Karl-Eduard zu mir«, und, in das Gelächter des Publikums hinein: »Oh, bitte verzeihen Sie diesen Schnitzler!« Schöbel, Frank (geboren 1942), Schlagersänger und Sterndeu-
ter; erreichte mit »Wie ein Stern in einer Sommernacht« (1971) eine überdurchschnittliche Publikumsresonanz, bildete zeitweilig mit seiner zeitweiligen Ehefrau Chris Doerk das »Traumpaar des DDR-Schlagers« – für manche Hörer eher ein traumatisierendes Paar. Zum Kaputtlachen sind heute die Musikfilme, an denen er mitwirkte: Heißer Sommer (1968), Nicht schummeln, Liebling (1972). Schwabe, Willi (1915–1991), Schauspieler und Moderator, von
1949 bis 1990 am Berliner Ensemble; sein eigentlicher Ruhm gründet sich aber auf die Sendereihe »Rumpelkammer«, die er seit 1955 moderierte. Sindermann, Horst (1915–1990), Journalist, Parteifunktionär, Politiker; begann seine Laufbahn als Parteijournalist in Dresden und Halle und war von 1963 bis 1971 Erster Sekretär der Bezirksleitung Halle. Aus dieser für den Chemiebezirk sehr wichtigen Zeit des Aufschwungs stammte sein Ruf, ein Mann zu sein, mit dem man reden kann. Dieser Ruf und sein Hang zu einer gewissen Liberalität wurden ihm zum Verhängnis, als er für drei Jahre (1973–1976) Ministerpräsident war. Honecker ließ ihn ablösen und auf das bedeutungs- und einflusslose Amt des Volkskammerpräsidenten (Volkskammer) versetzen, in dem er bis zum November 1989 ausharrte. Personenlexikon
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Stalin, Josef Wissarionowitsch (1878–1953), kein Bürger der DDR, aber als Vater der Völker natürlich auch der Vater der DDR, die ohne seinen persönlichen Segen nicht hätte aus der Taufe gehoben werden können. Voller Dankbarkeit widmeten ihm die DDR-Dichterfürsten Erich Weinert, Johannes R. Becher und Louis Fürnberg Oden und Hymnen, und auf den Parteiversammlungen landauf, landab wurde ihm an jedem Montag am Präsidiumstisch ein Stuhl frei gehalten, weil doch der Genosse Stalin ehrenhalber in jedes Präsidium gewählt wurde, und wenn er denn nun einmal erschienen wäre, hätte er sich landauf, landab zwischen alle Stühle setzen können. Später hatten viele Menschen sehr große Erinnerungslücken und konnten sich unter Stalin gar nichts Rechtes mehr vorstellen. Die Dichter ließen ihre Hymnen auf den Vater der Völker fortan ungedruckt, manche änderten den Text und einer – Louis Fürnberg – dichtete das Lied »An die Partei« sogar Jahre nach seinem eigenen Tod noch um. »Wächst« die Partei in der Originalausgabe von 1951 noch »von Stalin geschweißt«, so gedeiht sie in der Neuauflage von 1961 »von Lenin geschweißt«; Fürnberg starb übrigens 1957, vier Jahre bevor er sein Gedicht änderte. Stalin – das erweist sich auch daran – tat eben allerorten und zu allen Zeiten Wunder. Ulbricht, Walter (1893–1973), sächsi-
scher Dialektsprecher, Parteifunktionär und Vorsitzender des Staatsrats (1960–1973). Wurde sofort nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit maßgeblicher Unterstützung Moskaus als starker Mann in der sowjetischen Zone und späteren DDR etabliert. Ließ 1961 die Mauer bauen. Scheiterte, als er seine These vom Sozialismus als relativ selbstständiger Gesellschaftsformation in die Tat umsetzen wollte, am Einspruch Moskaus. Von Honecker 1971 gestürzt. 76 |
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Vogel, Wolfgang (geboren 1925), Rechtsanwalt, war als Bevollmächtigter der DDR für humanitäre Fragen tätig. Vogel war seit 1954 in Berlin (DDR) und seit 1957 auch an Westberliner Gerichten zugelassen. 1962 fädelte er den ersten Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke ein, bei dem der abgeschossene U2Pilot Powers gegen den KGB-Agenten Rudolf Abel ausgetauscht wurde. Als »Persönlicher Beauftragter des Staatsratsvorsitzenden für die Lösung humanitärer Probleme« organisierte er den Freikauf und die Ausreise politischer Häftlinge (die es nach offizieller Lesart gar nicht gab, aber nach offizieller Lesart hätte es auch gar keine humanitären Probleme geben dürfen, die eines Persönlichen Beauftragten bedurften) aus der DDR. Nach dem Ende der DDR gab es Ermittlungen gegen ihn, Vorwürfe der Erpressung und Bereicherung ließen sich vor Gericht nicht halten. Dass seine Handlungen im weitesten Sinne »undurchsichtig« waren, lag in der Natur der Sache. In diesem Sinne bekam er namhafte Unterstützung von Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher. Witt, Katarina (geboren 1965), Eiskunstläuferin, Schmuckge-
stalterin, Talkshowgast. Das Time-Magazine fand, sie sei »das schönste Gesicht des Sozialismus«. Und das, nachdem sie bei den Olympiaden 1984 und 1988 die Amerikanerinnen besiegt hatte. In der Folge zeigte sie, dass sie amerikanischer sein konnte als die Amis und lief bei »Holiday on Ice« show. Keine DDRGedächtnis-Fernsehunterhaltungsshow kommt ohne ihre Anwesenheit und ihren süß säuselnden Chemnitzer Dialekt aus.
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Sprüche, Kampagnen und Parolen Altstoffe sind wichtige Rohstoffe
Wenn irgendetwas in der DDR gut organisiert war, dann war es die Erfassung von Altstoffen. Mit der Losung sollten Altstoffe dem Stoffkreislauf wieder zugeführt werden – an sich ein ganz vernünftiger Gedanke. Anscheinend aber lässt er sich, wie ein Vergleich zwischen der DDR und der Bundesrepublik nahelegt, nur durchsetzen, wenn akuter Rohstoffmangel herrscht. Leider wurde später das Wort Altstoffe durch Sekundärrohstoffe ersetzt; das sind nicht nur drei Silben mehr, das spricht sich auch schlecht, besonders in Wortverbindungen: Bei einer Altstoffsammlung wusste jeder, wozu er gebeten war, was es mit der Sekundärrohstoffgewinnung auf sich hat, musste man erst erklären. Arbeite mit! Plane mit! Regiere mit! Eine Parole aus der späten Ulbricht-Zeit, die eigentlich ganz
gut klingt, oder? Sie hatte aber einen Haken. Und der Haken war das kleine Wörtchen »mit«. Arbeite! Plane! Regiere! Das wäre ja noch schöner. Da könnte ja jeder kommen und regieren wollen. Und die, die da die Arbeit verteilten, die Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft durchplanten und das Volk regierten, wären am Ende überflüssig? Ulbricht bewahre! Durch das »mit« rückte alles schön an seinen Platz. Oben die, die regierten, unten die, die mitregieren durften – als freiwillige Helfer der Volkspolizei, als Hausvertrauensleute oder Parteigruppenorganisatoren. Oben die, die planten, unten die, die sich dann darüber Gedanken machen durften, wie man die oft lebensfremden Pläne halbwegs vernünftig in die Praxis umsetzen konnte. Aus jeder Mark, jeder Stunde Arbeitszeit und jedem Gramm Material einen höheren Nutzeffekt Mit dieser Losung eröffneten 1978 die Werktätigen des VEB
Oberlausitzer Textilbetrieb den sozialistischen Wettbewerb zum 30. Jahrestag der DDR. Zunächst verpflichteten sich die Arbeiter 78 |
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ganz harmlos, »die Produktion hochwertiger, modischer Textilerzeugnisse zur stabilen und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung und für den Export« zu steigern. Dann aber nahm der Wettbewerb unter dieser Losung den Charakter einer typischen Propaganda-Kampagne an. Bassow-Methode
Kampagne nach sowjetischem Vorbild, in den Siebzigerjahren eingeführt. Sie besagte schlicht, dass Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit am Arbeitsplatz die Häufigkeit von Arbeitsunfällen vermindern können. In den Siebzigerjahren arbeitete faktisch jedes Kollektiv, das ein Kollektiv der sozialistischen Arbeit werden (und die entsprechende Prämie abfassen) wollte, nach der Bassow-Methode. Auch der Zwölf-Quadratmeter-Laden namens Flacon in unserer Nachbarschaft. Allerdings wusste keine der beiden Parfümverkäuferinnen, worum es sich dabei handelte. Später kam das Gerücht auf, selbst der sowjetische Genosse Juri Bassow, der angebliche Schöpfer dieser Methode, habe nicht gewusst, worum es sich dabei handelte. Da Ordnung und Sauberkeit das spontane Überführen von Baumaterial und anderer Bückware aus der sozialistischen Produktion in die private Konsumtion behinderten, war die Methode bei den Werktätigen nicht sonderlich beliebt. Im sächsischen Sprachraum wurde sie entsprechend umgedeutet: »Bass off, dass geener gommt« oder »Bass off, dassdn Feierobnd ni vorbasst«. Bitterfelder Weg
Parteigesteuerte Kampagne, die angeblich dem besseren gegenseitigen Verständnis von Künstlern und Arbeitern dienen sollte. Den Namen hat die Kampagne von den Bitterfelder Konferenzen (1959, 1964), ursprünglich Autorenkonferenzen des Mitteldeutschen Verlages mit Arbeitern des Chemiekombinats Bitterfeld. Chemie gibt Brot, Wohlstand, Schönheit
Auf der Chemiekonferenz 1958 ausgegebene Losung. Die Produktion von Chemiefasern, Kunststofferzeugnissen und chemischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sollte forciert entwiSprüche, Kampagnen und Parolen
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ckelt werden. Die Losung sollte dem schlechten Ruf (vor allem dem schlechten Geruch) entgegenwirken, den die Chemieindustrie bei der Bevölkerung hatte. Der Sozialismus siegt!
Eine Behauptung, für die die Schöpfer dieser Losung – sie prangte an allen möglichen und unmöglichen Stellen als Plakat oder als Leuchtschrift – den Beweis schuldig bleiben mussten. An Rilke geschulte Schöngeister erwiderten auf diese Losung: »Wer spricht von Siegen, überstehn ist alles.« In Sachsen sprach man die Losung breit, aber wahrheitsgetreu so aus: »Drr Sozialismus siecht!« Die Ostsee soll ein Meer des Friedens werden
Losung anlässlich der Rostocker Ostseewoche 1958. Sie war propagandistisch gegen die NATO, namentlich aber gegen die Bundesrepublik gerichtet, der man reflexartig aggressive Absichten unterstellte. Ferner sollten die nichtpaktgebundenen Ostsee-Anrainer (Finnland und Schweden) auf die Seite des »Friedens und des Sozialismus« gezogen werden. Abgesehen davon, dass man sich für die Ostsee nichts Besseres wünschen konnte als Frieden, erzielte die Losung immer dann komische Wirkungen, wenn sie völlig zusammenhangslos in völlig küstenfernen Situationen gebraucht wurde: Ging es in einem Büro drunter und drüber, glättete vielleicht einer die Wogen mit dem Spruch: »Aus all dem muss ein Meer des Friedens werden.« Regte sich ein Meister über die Ausschussproduktion auf, erwiderte der Arbeiter, so er Sinn für Unsinn hatte: »Die Werkbank soll ein Meer des …« Greif zur Feder, Kumpel, die sozialistische deutsche Nationalkultur braucht dich! Auf Veranlassung Walter Ulbrichts ins Leben gerufene Kam-
pagne zur Förderung des künstlerischen Volksschaffens. Sie fand ihren Ausdruck in zahlreichen Zirkeln schreibender Arbeiter, und zwar im Schreiben von Betriebschroniken und Brigadetagebüchern. Die SED erhoffte sich von dieser Bewegung schriftstel80
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lerischen Nachwuchs, der ihren Vorstellungen von Klassen und Schichten in der DDR entsprach. Die Kampagne erreichte ihr Ziel nicht. Freitag ab eins macht jeder seins
In der DDR galt, bei einer Fünftagearbeitswoche, eine wöchentliche Arbeitszeit von 43 Stunden und 45 Minuten. Schichtarbeiter und nach und nach weitere Beschäftigte kamen in den Genuss der 40-Stunden-Woche. Die tägliche Büroarbeitszeit dauerte offiziell bis 16 Uhr 45. Offiziell auch am Freitag. Aber am Freitag war mancherorts manches anders. Am Freitag waren Besorgungen zu machen, war für das Wochenende einzukaufen, waren Schuhe zur Reparatur oder Mäntel zur Reinigung zu bringen. Das schaffte man nicht mehr vom Büroschluss bis zum Ladenschluss, der in Berlin um 19 Uhr war, im größten Teil des Landes aber bereits um 18 Uhr. Also gingen die Werktätigen von sich aus zur 40-Stunden-Woche über und verschwanden freitags, sobald es irgendwie möglich war. Freitags ab eins macht jeder seins ist außerdem ein trefflicher Ausdruck für den Vorrang des Privaten vor dem Gesellschaftlichen. Der Spruch hat längst gesamtdeutsche Dimensionen, und es ist nicht mehr klar auszumachen, ob er eher im Westen oder eher im Osten in Umlauf kam. Heute wird er ergänzt durch den Zusatz: Freitag ab zehn soll’s auch schon gehn. Ich leiste was – ich leiste mir was
Losung aus den Siebzigerjahren. Sie war, wegen des unverhohlen ausgesprochenen Konsumgedankens, auch in der SED zunächst umstritten. Sie wurde dann doch auf Plakate gedruckt, und zwar im Zusammenhang mit einem noch viel schlimmeren Spruch, der dem Anschein nach direkt aus der Hausväterliteratur des 18. Jahrhunderts herangekrochen kam: »Fleiß ist des Glückes Vater: Ich leiste was – ich leiste mir was.« Unfassbar, bis heute unfassbar. Jeder jeden Tag mit guter Bilanz
Losung, die die Initiativen »aus Anlass und zu Ehren« des X. Parteitags der SED 1981 bündeln sollte. Sprüche, Kampagnen und Parolen
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Jeder liefert jedem Qualität
Wettbewerbslosung von 1977; Erika Steinführer, Wicklerin im VEB Berliner Glühlampenwerk NARVA, war auserkoren worden als Urheberin der Aufforderung »Jeder liefert jedem Qualität – ein Anspruch an uns alle« aufzutreten. In der Folge wurde Frau Steinführer von Erich Honecker zum Empfang anlässlich des Nationalfeiertags eingeladen und von Akademiemitglied Walter Womacka in Öl gemalt. Jeder Mann an jedem Ort, einmal in der Woche Sport Von Walter Ulbricht, der sich gern als Sportsmann – auf
Skiern und beim Volleyball – präsentierte, sehr geschätzte und angeblich 1958 von ihm selbst ausgegebene Losung. Wurde später modifiziert in »… mehrmals in der Woche Sport«. Junkerland in Bauernhand
Unter dieser Losung startete im Herbst 1945 die größte Enteignungskampagne der deutschen Agrargeschichte. Klug gespart ist Arbeiterart
Losung vom Dezember 1977. Der Porzellangießer H. Steinbach aus dem VEB Vereinigte Porzellanwerke Kahla musste als Autor dieser Losung herhalten. Mit ihr wurde dazu aufgerufen, täglich ein Prozent Material- und Energiekosten einzusparen. Max braucht Wasser
Unter dieser Losung entfaltete die FDJ 1948 eine Initiative zum Bau einer Wasserleitung für die Maxhütte Unterwellenborn – es entstand eines der bekanntesten Jugendobjekte in der DDR; die Wasserleitung konnte am 1. April 1949 in Betrieb genommen werden. Mein Arbeitsplatz – ein Kampfplatz für den Frieden
Da immer irgendwie um irgendetwas gekämpft werden musste, damit einen die Funktionäre in Ruhe arbeiten ließen, stellten die Verkäuferinnen kleine rote Mini-Transparente mit dieser Losung ins Schaufenster. Die Losung wurde besonders in der Zeit 82 |
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des NATO-Doppelbeschlusses gepflegt und sollte wohl eher Kampfbereitschaft als Friedensbereitschaft fördern. Meine Hand für mein Produkt
Diese Losung wurde in den Zusammenhang zum Parteiabzeichen der SED gestellt; die beiden symbolischen Hände wurden zu abgehackten Händen umgedeutet, weil jemand die Losung allzu wörtlich genommen hatte. Eine etwas makabre, aber durchaus verständliche Deutung, denn die Probleme mit der Produktqualität waren während der gesamten Existenz der DDR Diskussionsstoff. Nimm ein Ei mehr!
Aus den Sechzigerjahren. Kam immer dann auf, wenn es eine Überproduktion an Eiern gab oder die Qualität der Kühlhauseier so miserabel war, dass das Kaufinteresse deutlich nachließ. Die Frage des Cholesterinspiegels spielte damals noch keine Rolle. Privat geht vor Katastrophe
Reaktion der DDR-Bürger auf das ständige Bombardement mit Aufrufen, Initiativen und Kampagnen. Der »Rückzug aufs Private«, von Ost- wie Westlinken naserümpfend kritisiert, war vor allem das Insistieren auf dem Recht, einen privaten Raum zu behaupten. Aus der Gesinnung, die hinter diesem Spruch steckte, sprach also weniger ein Rückzug als ein Angriff – ein Angriff, der sich in Verweigerung äußerte –, der der politischen Ideologie des real existierenden Sozialismus an die Wurzel ging. So wurde diese Haltung vom Staat und seinen Funktionären auch verstanden. Robotron schlägt IBM
Slogan aus den späten Sechzigerjahren. Es ist nicht mehr zu ermitteln, wer so geistesschwach gewesen war, ihn in Verkehr zu bringen. Und im Himmel ist Jahrmarkt. Der legendäre robotron r 300 mag für DDR-Verhältnisse ein erfreuliches und brauchbares Instrument gewesen sein; zu IBM verhielt sich das Kombinat Robotron aber wie ein Hansa-Keks zu einer Sachertorte. Sprüche, Kampagnen und Parolen
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Schöner unsere Städte und Gemeinden. Mach mit!
Masseninitiative in der Nachfolge des Nationalen Aufbauwerks (NAW), mit der seit den Siebzigerjahren zur Verschönerung öffentlicher Anlagen, der Wohnumgebung und des Ortsbildes aufgerufen wurde. So wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben
Losung aus der Nachkriegs- und Aufbauzeit, die im November 1953 eingeführt wurde, um die Wettbewerbsbewegung in den sozialistischen Betrieben, die man nach dem 17. Juni eingestellt hatte, kurzfristig wieder anzukurbeln. Die Urheberschaft an dieser Losung schrieb die SED-Propaganda einer Lausitzer Weberin mit dem bemerkenswerten Namen Frieda Hockauf zu. Wie reagierten die Arbeiter, wenn ihnen Stoßbrigaden und Normbrecher vor die Nase gesetzt wurden, um den »Sozialistischen Wettbewerb« anzuheizen? »Bleib ruhig, Kalle, und setz dir erst mal. Und merk dir: Wie die heute arbeiten, werden wir morgen leben.« Sozialistisch arbeiten, lernen und leben
Diese 1959 entstandene Losung blieb der Leitsatz für den Wettbewerb um den Titel »Kollektiv der sozialistischen Arbeit«. Sie wurde auch auf der Verleihungsurkunde abgedruckt. Zuerst nachweisbar, als die Jugendkomplexbrigade »Nikolai Mamai« des VEB Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld am 3. Januar 1959 beschloss, um den Titel »Brigade der sozialistischen Arbeit« zu kämpfen. Stürmt die Höhen der Kultur!
Losung, die auf eine Forderung Walter Ulbrichts auf dem V. Parteitag der SED zurückging. Wörtlich führte Ulbrich aus: »In Staat und Wirtschaft ist die Arbeiterklasse bereits der Herr. Jetzt muss sie auch die Höhen der Kultur stürmen und von ihnen Besitz ergreifen.« Offenbar musste die Kultur wohl der Arbeiterklasse besonders hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt haben; auf dem Parteitag wurden ihre Höhen sturmreif geschossen und zum Sturm geblasen. Anders als kriegerisch und in Form blutiger Gemetzel konnten sich die Klassenkampfneurotiker an 84
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der Spitze der Parteihierarchie den Fortschritt gar nicht mehr vorstellen. Auch der Arbeiterklasse ging es gehörig auf den Zeiger, ständig zum Sturm auf irgendetwas gerufen zu werden. Die Leidtragenden waren die Künstler und »Kulturschaffenden«. Überholen ohne einzuholen
Parole aus den späten Sechzigerjahren. Aber wie sollte das gehen? Gemeint war ungefähr Folgendes: Wenn der Klassenfeind im sterbenden faulenden parasitären (man muss das wie ein Wort aussprechen) Kapitalismus einen technologischen Vorsprung vor dem Sozialismus hat, soll man nicht versuchen, ihn einzuholen, weil man das sowieso nicht schafft (richtig!), sondern eine Abkürzung nehmen (wie bitte?), einen anderen Weg finden, den der Kapitalismus nicht kennt, noch besser einen, den er nicht betreten kann, damit er nicht auf die Idee kommt, den vorauseilenden Sozialismus einzuholen. Auf diesem gedanklichen Mist wuchsen kürbisgroße Erkenntnisse wie die des sowjetischen Polit-Ökonomen Pokrytan, der Kapitalismus könne, weil er an das Marx’sche Wertgesetz gebunden sei, die komplexe Automatisierung nicht verwirklichen. Leider konnte man den sterbenden faulenden parasitären Kapitalismus nicht davon überzeugen, sich daran zu halten. Der kampagnengeplagte Sozialist verballhornte die Losung folgerichtig zu »Überstürzen ohne einzustürzen«. Wählt die Kandidaten der Nationalen Front
Ja, welche denn sonst? Weniger produzieren mehr
Mit dieser Losung von 1978 ist die viel genannte Schwedter Initiative verknüpft. Acht Schichtkollektive (Kollektiv) der Salpeter- und Kalkammonsalpeterproduktion der Schwedter Düngemittelfabrik des VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt werden als Urheber dieser Initiative genannt. 2400 Arbeitskräfte sollten freigesetzt und für andere Aufgaben vorbereitet werden. Mit dieser Kampagne hoffte die DDR-Führung, den Arbeitskräftemangel in den Griff zu bekommen. Sprüche, Kampagnen und Parolen
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Die elf unverschämtesten Sätze von DDR-Funktionären Viele Äußerungen einst führender DDR-Politiker bewarben sich um Aufnahme in diese Sammlung. Es fiel schwer zu entscheiden, welche Sätze ausgewählt werden sollten. Aufgenommen wurden schließlich die Äußerungen mit der größten Verlogenheit und dem höchsten Peinlichkeitsfaktor. Wilhelm Pieck am 16. Dezember 1949 zum 70. Geburtstag Stalins:
»Stalin ist der Lenin von heute. Wie Lenin die russischen Arbeiter und Bauern zum Sieg über die Herrschaft des Zarismus führte, so führt Stalin die ganze unterdrückte Menschheit zum Sieg über die finsteren Kräfte des Krieges und der Reaktion.« Otto Grotewohl am 20. März 1953 vor der Volkskammer:
»Das deutsche Volk betrachtet die schmutzigen Machenschaften der Bonner Landesverräter mit tiefer Verachtung und steigendem Kampfeswillen, weil die westdeutsche Bundesrepublik durch die Adenauer-Politik ein Hort des deutschen Militarismus und Faschismus und der revanchelüsternen deutschen Monopolherren geworden ist.« Walter Ulbricht am 27. Mai 1953 zu Angehörigen der Intelligenz:
»In der Deutschen Demokratischen Republik sind alle Bedingungen für eine wirklich freundschaftliche Zusammenarbeit der Arbeiterklasse mit der Intelligenz gegeben: Ein gesichertes Leben der Angehörigen der Intelligenz und ihr ungehindertes Schaffen wird gewährleistet, damit sie große wissenschaftliche Leistungen vollbringen können.« Otto Grotewohl am 18. September 1958 auf der 2. Tagung des Zentralkomitees der SED über Wahlen in der DDR:
»Unsere Wahlen sind wahrhaft demokratische Wahlen, weil die ökonomische Ordnung der Deutschen Demokratischen Republik eine wahrhaft demokratische Ordnung ist, weil das Volk die Herrschaft unmittelbar ausübt.« 86 |
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Karl-Eduard von Schnitzler am 21. März 1960 anlässlich der ersten Sendung des Schwarzen Kanals:
»Der Schwarze Kanal, den wir meinen, meine lieben Damen und Herren, führt Unflat und Abwässer; aber statt auf Rieselfelder zu fließen, wie es eigentlich sein müsste, ergießt er sich Tag für Tag in Hunderttausende westdeutsche und Westberliner Haushalte. Es ist der Kanal, auf dem das westdeutsche Fernsehen sein Programm ausstrahlt: der Schwarze Kanal. Und ihm werden wir uns von heute an jeden Montag zu dieser Stunde widmen, als Kläranlage gewissermaßen.« Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 auf die Frage einer westdeutschen Journalistin, ob er meine, dass am Brandenburger Tor eine Staatsgrenze verlaufen solle:
»Ich verstehe Ihre Frage so, dass es in Westdeutschland Menschen gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR dazu mobilisieren, eine Mauer aufzurichten. Mir ist nicht bekannt, dass eine solche Absicht besteht. Die Bauarbeiter unserer Hauptstadt beschäftigen sich hauptsächlich mit Wohnungsbau, und ihre Arbeitskraft wird dafür voll eingesetzt. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!« Walter Ulbricht am 18. August 1961 in einer Fernsehansprache zu den Folgen des Mauerbaus:
»Es wird nun noch eine Weile in der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik und ihrer näheren Umgebung Leute geben, die sich durch den Westberliner Frontstadtsumpf haben beeinflussen lassen – und sprechen wir es ganz offen aus: haben verderben lassen. Manche Jugendliche haben die ehrliche Arbeit verlernt. Manche Leute haben seit Jahren keine ehrliche Arbeit mehr angefasst. Diesen Menschen muss man helfen, wieder ehrlich zu werden und sich an geregelte Arbeit zu gewöhnen.« Erich Honecker am 12. Juni 1986 auf der 2. Tagung des ZK:
»In unserer Deutschen Demokratischen Republik ist ein für alle Mal der für alle Ausbeuterordnungen typische Gegensatz zwischen Staat und Bürger beseitigt.« Die elf unverschämtesten Sätze
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Erich Honecker am 19. Juni 1986 gegenüber schwedischen Journalisten zur radioaktiven Kontamination nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl:
»Wir hatten rund um die Uhr die Messwerte kontrolliert, um Schäden festzustellen, aber es gab keine Gefahren. Unser Gemüse und Salat konnte verkauft werden, und das wird ja immer gewaschen. Gemüse und Salat müssen gut gewaschen werden. Zu Hause waren wir sechs Kinder, und unsere Mutter hat immer den Salat gewaschen.« Kurt Hager 1987 in einem Stern-Interview zu Glasnost und Perestroika in der UdSSR:
»Würden Sie, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?« Erich Honecker am 9. Oktober 1987 vor belgischen Journalisten über Pressefreiheit in der DDR:
»Freiheit der Meinungsäußerung und der Presse sind verfassungsmäßig garantiert und als elementare Menschenrechte anerkannt. Wir erachten die Mannigfaltigkeit der Meinungen und Ideen, eine rege geistige Kommunikation sowohl in unseren eigenen Reihen als auch mit Andersdenkenden als lebensnotwendig, weil nur so alle Potenzen unseres Volkes freigesetzt und erschlossen werden können.«
Ende 1986 bereiste Erich Honecker die Mongolei, China und Nordkorea. Was hat er dort gelernt? In der Mongolei, dass ein Volk durchaus auch in Zelten und Jurten leben kann, in China, dass man die Mauer noch viel höher bauen kann, und in Nordkorea, wie man den Staatschef mit einer goldenen Kolossalstatue angemessen ehrt.
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Die sozialistische Moral Der sozialistische Moralkodex, der für den »neuen Menschen«, wie er der SED vorschwebte, verbindlich sein sollte, wurde von Walter Ulbricht auf dem V. Parteitag der SED 1958 verkündet. Das moralische Gesicht des sozialistischen Menschen, der sich im edlen Kampf um den Sieg des Sozialismus entwickelt, wird bestimmt durch die Einhaltung der grundlegenden Moralgesetze: 01. Du sollst Dich stets für die internationale Solidarität der Arbeiterklasse und aller Werktätigen sowie für die unverbrüchliche Verbundenheit aller sozialistischen Länder einsetzen. 02. Du sollst Dein Vaterland lieben und stets bereit sein, Deine ganze Kraft und Fähigkeit für die Verteidigung der Arbeiter-und-Bauern-Macht einzusetzen. 03. Du sollst helfen, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen. 04. Du sollst gute Taten für den Sozialismus vollbringen, denn der Sozialismus führt zu einem besseren Leben für alle Werktätigen. 05. Du sollst beim Aufbau des Sozialismus im Geiste der gegenseitigen Hilfe und der kameradschaftlichen Zusammenarbeit handeln, das Kollektiv achten und seine Kritik beherzigen. 06. Du sollst das Volkseigentum schützen und mehren. 07. Du sollst stets nach Verbesserungen Deiner Leistungen streben, sparsam sein und die sozialistische Arbeitsdisziplin festigen. 08. Du sollst Deine Kinder im Geiste des Friedens und des Sozialismus zu allseitig gebildeten, charakterfesten und körperlich gestählten Menschen erziehen. 09. Du sollst sauber und anständig leben und Deine Familie achten. 10. Du sollst Solidarität mit den um ihre nationale Befreiung kämpfenden Völkern üben.
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Früh wurde sozialistisches Verhalten eingeübt. Schon die Jungpioniere (Pioniere) bekamen, wenn sie am 13. Dezember ihres ersten Schuljahres in die Pionierorganisation aufgenommen wurden, auf ihrer Mitgliedskarte die folgenden zehn Gebote mit; sie wurden im Laufe der Jahre mehrfach geringfügig ergänzt. Die Gebote der Jungpioniere (Fassung von 1962) Wir Jungpioniere lieben unsere Deutsche Demokratische Republik. Wir Jungpioniere helfen mit, den Frieden zu schützen. Wir Jungpioniere lieben unsere Eltern. Wir Jungpioniere halten Freundschaft mit den Kindern aller Länder. Wir Jungpioniere lernen immer fleißig, treiben Sport und halten unseren Körper sauber. Wir Jungpioniere sagen die Wahrheit. Wir Jungpioniere helfen überall tüchtig mit. Wir Jungpioniere sind gute Freunde und helfen einander. Wir Jungpioniere singen und tanzen und spielen gern. Wir Jungpioniere tragen mit Stolz unser blaues Halstuch.
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Das Land, die Leute, das Leben War alles grau in grau? Liefen alle Muddis in Kittelschürzen herum? Waren alle in der SED? War die Wirtschaft marode? Gibt es irgendein Vorurteil, das bislang noch nicht bedient wurde? Grau war eine vorherrschende Farbe in der DDR, das fiel auf im Vergleich mit dem Westen, wo zwar nicht alles bunt, aber manches weiß war. Kittelschürzen waren ein beliebtes Kleidungsstück (und sind es noch heute); sie passten zu einer arbeitsdominierten Lebensweise und waren ungeheuer praktisch. Die SED hatte vor dem Zusammenbruch des Systems über 2,3 Millionen Mitglieder. Sie war darum aber kein Sammelbecken der Karrieristen – die gab es auch, und die liefen als Erste mit lautem Wehgeschrei aus der Partei wieder fort –, wie die Übelmeinenden glaubten, denn wie hätten solche Karrieren von rund einem Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung aussehen sollen? Sie war auch kein »Kampfbund der Arbeiterklasse« keine »Avantgarde«, keine Armee »aktiver Kämpfer an der ideologischen Front« und was sonst noch an propagandistischem Zinnober von den führenden Funktionären über sie verbreitet wurde. Das bewies ihr stilles Dahinscheiden in den Herbsttagen 1989. Sie war eher so etwas wie eine »staatstragende Vereinigung«. Partei und Staat waren so eng miteinander verflochten, dass das Schicksal des einen besiegelt war, wenn der andere unterging – und umgekehrt.
Das Land der knappen Ressourcen In der DDR gab es von allem – na ja, von fast allem – zu wenig. Und das Wenige wurde auf sagenhafte Weise verschwendet. Der Satz, mit dem jeder Dederoni den Mitleidbonus einzufahren trachtet, lautet (ausgesprochen in sächsischer Mundart): »Mir hadden ja nüschd.« Knapp waren Rohstoffe, Energie und Arbeitskräfte, Wohnraum, Ferienplätze und Konsumgüter und noch vieles andere mehr, Das Land der knappen Ressourcen
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was sich gar nicht im Einzelnen aufzählen lässt. Es gab buchstäblich nichts – na ja, fast nichts –, was es nicht irgendwann einmal nicht gab. In der Frühzeit der Republik konnte man Anlaufschwierigkeiten und den bösartigen aggressiven Klassenfeind dafür verantwortlich machen. Im Herbst 1952 erklärte Ministerpräsident Otto Grotewohl beschwörend: »Die Klagen über die Versorgung mit Zucker kommen im Wesentlichen einerseits daher, dass Zucker heute eine der beliebtesten Schieber- und Spekulationswaren ist und dass andererseits Zucker wegen seines hohen Nährwertes ein beliebtes Ausweichmittel gegen Fett ist. Ein Zuckermangel ist bei uns nicht vorhanden … Die Zuckerversorgung für unsere Bevölkerung ist völlig gesichert. Zucker und Süßigkeiten wird es zu Weihnachen geben. Es besteht keinerlei Grund zur Beunruhigung.« Dieses Muster sollte sich später immer mal wiederholen. Der Effekt war meistens: Sagte die Regierung, es bestehe kein Grund zur Beunruhigung, schrillten beim Volk alle Alarmglocken. Den Erklärungen, es gebe von allem genug, folgten Erklärungen, warum das, wovon es genug gab, nicht ausgereicht hatte. Gab es zum Bespiel genug Babybekleidung, die indes in den Geschäften nicht zu haben war, folgte als Erklärung allen Ernstes, mehr Babys als geplant seien im letzten Jahr geboren worden. Und merkwürdigerweise wurden immer genau im Hochsommer, wenn der Durst am größten war, die Abfüllanlagen der Getränkekombinate (Kombinat) rekonstruiert. Und die Anlagen, die gerade nicht rekonstruiert wurden, erlitten pünktlich zum Ferienbeginn im Juli die schwersten und nur langfristig behebbaren Havarien. Jedenfalls wurde dem durstenden DDR-Bürger Jahr für Jahr das Ausbleiben ausreichender Getränkemengen in den Kaufhallen so erklärt. Den Erklärungen folgte der Aufruf zum Sparen. Sparen sollten 92 |
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wir mit jedem Gramm Material, jeder Stunde Arbeitszeit und jeder Kilowattstunde Energie. Mit dem Aufruf allein war es nicht getan; die Verwaltung wurde in Bewegung gesetzt, um die Einsparung in geregelte Bahnen zu überführen. Und da man der Verwaltung allein nicht trauen darf (wie richtig, wie richtig! Das gilt – systemübergreifend – noch immer!), setzten sich gleich noch die politischen Organisationen in Marsch. Zum Beispiel die FDJ an den Hochschulen. Da sollte auch Arbeitszeit eingespart werden, weil ja überall Arbeitszeit eingespart werden sollte. Wie sollte das gehen? Der FDJ-Sekretär der Hochschule hatte das entsprechende Formular einfach weggeschmissen, weil er es für komplett blödsinnig hielt. Aber so ging das natürlich nicht! Der junge Mann wurde umgehend zu einer Anleitung in die Bezirksleitung bestellt, wo sich folgender Dialog zur Frage der Arbeitszeiteinsparung entspann: Hochschulsekretär: »Wie soll ich denn an einer Hochschule Arbeitszeit einsparen? Soll ich die Vorlesungszeiten verkürzen lassen?« Bezirkssekretär: »Sieh es doch mal anders. Ihr habt doch bestimmt keine Reinigungskräfte …« Hochschulsekretär: »Aber natürlich haben wir keine Reinigungskräfte, hatten wir noch nie, soweit ich mich erinnere.« Bezirkssekretär: »So, so. Und wer macht bei euch die Seminarräume sauber?« Hochschulsekretär: »Das machen die Studenten selber. Da gibt es seit Jahren einen Reinigungsplan und eine Vereinbarung mit dem Direktor für Studienangelegenheiten.« Bezirkssekretär: »Siehste: Da habt ihr also Reinigungskräfte eingespart.« Hochschulsekretär: »Aber wir hatten doch nie …« Bezirkssekretär: »Wie lange dauert denn die Reinigung eines Seminarraums?« Hochschulsekretär: »Halbe Stunde.« Bezirkssekretär: »Runden wir auf: eine Stunde. Nimmste
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jetzt einfach die Zahl der Seminargruppen, haste die Zahl der eingesparten Stunden Arbeitszeit.« Hochschulsekretär: »Aber wir haben doch gar keine … ich meine, nie … das ist doch Schwindel.« Bezirkssekretär: »Also ich muss doch bitten! Putzen eure Studenten die Seminarräume?« Hochschulsekretär: »Ja, aber …« Bezirkssekretär: »Erspart euch die Vereinbarung mit dem Direktor für Studienangelegenheiten die Arbeitskraft von, sagen wir, zwei Reinigungskräften?« Hochschulsekretär: »Schon, aber …« Bezirkssekretär: »Kein Aber! Schreib’s hin. Wir melden’s weiter, und ihr habt die Auflagen erfüllt.« Auf diese oder ähnliche Weise kamen landesweit und in allen Branchen die seltsamen Statistiken zustande, die allwöchentlich zur Volksbelustigung beitrugen, jene Mitteilungen im Neuen Deutschland über die Steigerung der Arbeitsproduktivität, verbunden mit der Einsparung an Material und Arbeitszeit. Sparen, sparen, nochmals sparen – koste es, was es wolle! Nach diesem Motto schienen die Kampagnen der Material- und Energieökonomie alle zu laufen. Doch allen Sparaufrufen zum Trotz wurde verschwendet, was das Zeug hielt. Wo funktionierende Thermostate nicht zu haben waren, regulierte man die Raumtemperatur mit dem Fensterflügel. Energiewirtschaftlich katastrophal – aber wie denn anders? Wenn das Benzinkontingent für den Kleintransporter Marke Barkas aufgebraucht war, wurden die vier Personen, die sonst im Barkas fuhren, mit einem Ikarus-Bus transportiert. Der war zwar für 50 Personen zugelassen, aber er fuhr mit Diesel, und das Diesel-Kontingent war noch nicht erschöpft. Klar war das Verschwendung, aber wie sollte es anders gehen? Einen der letzten Inlandflüge der Interflug nutzte eine Mitarbeiterin des VEB Deutsche Schallplatten, um im August 1978 einen brandeiligen Coverentwurf für eine Schallplattentasche von der Zentrale in Berlin in die Druckerei nach Gotha zu bringen. 94 |
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Die AN-24 der Interflug hatte 52 Sitzplätze. Die junge Frau flog allein in Begleitung zweier Stewardessen mit den Druckunterlagen im Handgepäck von Berlin nach Erfurt, dort wartete ein Wagen, der sie nach Gotha brachte. Der Rückweg erfolgte nach dem gleichen Prozedere. Und das alles nur, weil Sigmund Jähn gerade der erste Deutsche im All war und eine Sonderproduktion zu diesem Anlass keinen Aufschub duldete. Politik hatte immer Vorrang und schob ökonomische Erwägungen beiseite. Sogar den geheiligten Plan, wenn es sein musste. Das hatte Methode, aber es blieb dennoch Wahnsinn.
Das Leben nach Plan Das Dilemma eines Wirtschaftssystems, das der Wirklichkeit mit Plänen beikommen will, lässt sich in dem Satz des verirrten Wanderers zusammenfassen, der mitten im Wald von seiner Karte aufschaut und sagt: »Die Karte ist auf jeden Fall richtig; die Gegend muss falsch sein.« Die Planwirtschaft begegnete uns nicht erst in der Wirtschaft, der Plan umgab uns von Anfang an. Ich will nicht behaupten, dass die DDR tatsächlich das Land mit den meisten Plänen war, aber sie hätte verdient, es zu sein. Dass Schüler einen Stundenplan haben, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Auch dass sie angehalten werden, diesem Stundenplan pünktlich zu folgen, unterscheidet sie noch nicht von Schülern in der Bundesrepublik heute. Aber dass der Schüler den Stundenplan nicht einmal dann abschütteln konnte, wenn er die Schule verließ und eine Hochschule oder Universität bezog, wirkt nicht nur heute befremdlich. Das war es damals schon. Und wurde knurrend oder schulterzuckend hingenommen. Gehandhabt wurden die Studien-Stundenpläne durchaus restriktiv. Zweimaliges unentschuldigtes Fehlen in den Fächern des »marxistisch-leninistischen Grundlagenstudiums« zog unangenehme Fragen nach sich. Und unangenehme Fragen dieser Art beantwortete man besser nicht allzu offenherzig, wollte man seinen Hochschulabschluss nicht gefährden. Hielt zur gleichen Zeit Das Leben nach Plan
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ein Professor eine spannende Vorlesung, während das Fach »Politische Ökonomie« auf dem eigenen Stundenplan stand, hatte man denkbar schlechte Karten. Aber nicht nur nach der Schule schlug der Plan zu. Auch vor der Schule griff er schon nach den Kleinsten. Zum Beispiel in den Kinderkrippen. Man mag ja für oder gegen diese Kindereinrichtungen votieren. Es gab sie, und Hunderttausende Kinder durchliefen sie, und Hunderttausende Elternpaare und Alleinerziehende waren dankbar, dass es sie gab. Aber ob wirklich alles nach so strengen Plänen verlaufen musste? Der »Tagesablaufplan 2. Lebensjahr« ist jedenfalls authentisch und unbearbeitet: Tagesablaufplan 2. Lebensjahr
06:00–7:300 Annahme der Kinder 07:30–7:500 Frühstück 07:50–8:050 Ausziehen, Topfen 08:05–9:350 Schlaf 09:35–9:50 0Anziehen, Topfen 09:50–10:00 Beschäftigung 10:00–10:25 Spiel 10:25–10:40 Anziehen 10:40–11:40 Freiluftaufenthalt 11:40–11:55 Ausziehen 11:55–12:15 Mittagessen 12:15–12:30 Ausziehen, Topfen 12:30–14:30 Schlaf 14:30–14:45 Anziehen, Topfen 14:45–15:05 Vesper 15:05–18:00 Spiel im Freien oder Gruppenraum bis 18:00 Abholen der Kinder Planvoll ging es vor allem in den Betrieben zu. Und das nicht nur in der Produktion (wobei die Produktionspläne ein Kapitel für sich verdient hätten). Wer etwas werden wollte, wurde flugs zum Objekt eines Kaderentwicklungsplans (Kader). Einen Kultur- und Bildungsplan gab es und einen Plan Wissenschaft und Technik. Aber über allem stand der Plan. So stand es jeden96 |
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falls im Plan. Der Plan hatte nämlich das Problem, dass er aus vielen Einzelplänen auf unterschiedlichen Strukturebenen bestand. »So gab es zu keinem Zeitpunkt eine Übereinstimmung zwischen den zentralen Plangrößen und der Summe der Betriebspläne«, schildert ein Wirtschaftsfunktionär aus Mittags Umgebung die Situation. »Auch die im Plan quantifizierten Interessen von Zentrale und Bezirken waren nicht in Deckung zu bringen. Die Planwirtschaft beherrschte das Wechselverhältnis zwischen quantitativen und qualitativen Faktoren nicht.« Am schlimmsten war es, wenn die Zahlungsunfähigkeit der DDR vor der Tür stand; dann mussten Devisen aufgetrieben werden. Was sich irgendwie versilbern ließ, floss in den Westen, auch wenn damit Warenproduktion (eine heilige Kuh unter den Planpositionen) verloren ging. Die Autorität des Plans, der schon bei seiner Aufstellung utopisch war und folglich, um überhaupt erfüllt werden zu können, nach unten korrigiert wurde, litt darunter noch mehr. Wenn nichts mehr ging, rief die Partei danach, Reserven zu mobilisieren. Das klingt, wie es sich für eine Kommandowirtschaft gehört, sehr militärisch. Nur versteht das Militär unter Reserven etwas vollkommen anderes, als die Wirtschaftsfunktionäre aus dem Dunstkreis Günter Mittags darunter verstanden. Für das Militär sind Reserven verfügbare frische Kräfte, Material und Mannschaften, die bei entsprechender Notwendigkeit an einem Schwerpunkt eingesetzt werden und oft die Entscheidung bringen können; Reserven sind also das, was man in der Hinterhand hat. Für Mittag und die Seinen waren Reserven etwas, was man nicht hatte, etwas, das aus dem Nichts erschaffen werden musste. Maschinen, die länger liefen (obwohl es keinen Treibstoff für sie gab), Mitarbeiter, die intensiver arbeiteten (obwohl es an Material fehlte, mit dem sie hätten arbeiten können), Anlagen, die weit über ihre normative Nutzungsdauer hinaus betrieben wurden (obwohl ihnen dringend benötigte Ersatzteile fehlten). Wie sollten sonst diese »Reserven« erschlossen werden? Ende der Siebzigerjahre gab es die sogenannte Gegenplanbewegung (Gegenplan). Die Kollektive sollten sich verpflichten, ein Prozent mehr Warenproduktion zu erzeugen. Da sich ein Das Leben nach Plan
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Prozent aber propagandistisch nur schwer ausschlachten lässt, wurde es übersetzt in: drei Tage Planvorsprung. Das war etwas Konkretes, darunter konnten sich viele etwas vorstellen, mit dem Jahresplan drei Tage früher fertig zu sein. Was sie sich nicht vorstellen konnten, war, wie das gehen sollte. Denn hier schlug sich die Planwirtschaft mit ihren Kennziffern und Bilanzierungen selbst: Wo sollte das Material für drei Tage zusätzliche Produktion herkommen? Wie waren Zulieferer zu überzeugen, benötigte Halbfabrikate in größerer Zahl und auch noch eher zu liefern? Und wenn es tatsächlich gelungen war, mehr zu produzieren, wohin dann mit dem Zeug? Oft wurde der Plan, dessen Bestandteile ohnehin schon kaum miteinander harmonierten, durch solche verordneten Initiativen noch mehr durcheinandergebracht. Sie hatten nur geringen oder gar keinen volkswirtschaftlichen Effekt, aber sie verstimmten und verärgerten selbst die Gutwilligsten. Wenn es einem Betriebsleiter nicht gelang, mit Schwarzen Husaren die U-Boote zu besetzen, war er auf die Kreativität des Berichtswesens angewiesen oder darauf, dass der Plan nach unten korrigiert wurde. Wer sich bestimmte Zeitungen und Broschüren lange genug aufhob, um am Ende einer Planungsperiode die gemeldeten Ergebnisse mit den ursprünglichen PlanAuf dem Neujahrsempfang des Diplomatische Korps erläutert Erich Honecker aufgeräumt die Bedeutung der verschiedenen Städte in der DDR. »Berlin ist natürlich unsere Hauptstadt«, plaudert er. »Rostock ist unsere größte Hafenstadt, Leipzig unsere Messestadt, Magdeburg die Stadt des Schwermaschinenbaus, Erfurt ist wegen der IGA als Blumenstadt bekannt, und Dresden ist unsere Heldenstadt.« »Ja, wieso?«, fragt der französische Botschafter, »ist Dresden nicht die Stadt der Künste? Wieso ’eldenstadt?« »Seit 40 Jahren von der Versorgung abgeschnitten«, meint Honecker, »und die Leute leben immer noch und wählen mich mit 99,9 Prozent.« 98 |
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vorgaben zu vergleichen, konnte manche Überraschung erleben. Wenn man dann noch einen bestimmten Prozentsatz »normale« Schönfärberei abzog, weil grundsätzlich nur solche Wirtschaftszahlen veröffentlicht wurden, die Günter Mittag abgesegnet hatte, konnte man sich ein Bild machen, warum es mit der Wirtschaft ständig bergab ging. Erich Honecker hat zum 40. Jahrestag der DDR eine illustrierte Neuausgabe des Kapital von Karl Marx veranlasst. Mit Radierungen von Günter Mittag. Das Erstaunliche ist, dass es so lange gut ging. Und es ging, weil die Mehrzahl der Menschen einfach nur gute Arbeit machen wollte. Weil viele sich Mühe gaben und versuchten, das Beste aus der Misere zu machen, trotz Günter Mittags Chaos-Wirtschaft.
Alles, was schmeckt Kulinarische Erinnerungen gehören zu den schönsten Erinnerungen. »Schmeckt wie bei Muttern« steht sprichwörtlich für »unbeschreiblich, unübertrefflich, unwiederholbar«. Manches in der DDR verdiente (vielleicht) dieses Prädikat, manches bestimmt nicht. Dennoch hat sich die Geschmackserinnerung festgesetzt. Manches hat die Wende überstanden und ist mittlerweile zu Kultstatus gelangt, anderes ist verschwunden. Vielleicht schade drum. Vielleicht auch nicht. Hier eine Auswahl. Broiler Einer der wenigen Anglizismen, die fest im offiziellen
Sprachgebrauch der DDR verankert waren. Broiler ist ein angloamerikanischer Begriff, der in der Fachsprache der Geflügelzüchter ein Hähnchen bezeichnet, das zur Mast bestimmt ist. In der Umgangssprache der DDR war Broiler ein Brathähnchen. Der Begriff kam wahrscheinlich nicht auf direktem Wege aus dem Englischen, sondern auf dem Umweg über Bulgarien. Dort hatten Geflügelzüchter ein Mastverfahren entwickelt, mit dem sie Hähnchen innerhalb von zehn Wochen zu schlachtreifen 1,5 KiAlles, was schmeckt
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logramm aufpäppelten. Zur Unterscheidung von anderen Hühnern nannten die Bulgaren ihre Masthähnchen – nach dem englischen Begriff – Broileri. Die DDR, die Ende der Sechzigerjahre den Fleischbedarf der Bevölkerung nicht decken konnte, übernahm das bulgarische Schnellmastverfahren und den Namen. In den Siebzigerjahren entstanden in der DDR zahlreiche Broilergaststätten (ähnlich den Restaurants der Wienerwald-Kette), wo sich die Broiler in Goldbroiler verwandelten. Laut Mitteldeutschem Rundfunk soll Horst Zimmermann, der in den Sechzigerjahren persönlicher Referent des DDR-Landwirtschaftsministers war, die ministerielle Vorlage geschrieben haben, die den Begriff Broiler im Sprachgebrauch der DDR offiziell einführte. Cabinet Zigarettenmarke zu 3,20 Mark pro 20er-Päckchen; neben der F 6 die beliebteste Marke in diesem Preissegment,
wird mittlerweile von Reemtsma hergestellt und in den neuen Ländern weiterhin verkauft. Club-Cola Pepsi-, Coca-, Afri-Cola – alles steckt in Club-Cola; als Handelsmarke von mehreren Getränkekombinaten produziert. Sehr süß, sehr klebrig, sehr kultig und noch heute zu haben. Mit einem ordentlich Schuss Wodka drin als Partydrink der Bretterknaller schlechthin. (Vita-Cola). Dresdner Stollen Das Kultgebäck für die Weihnachtszeit – mit
einer Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Nach einer Reihe von Prozessen, die nach 1990 geführt werden mussten, wurde klargestellt, dass nur Bäcker und Backwarenbetriebe aus Dresden und Umgebung »Dresdner Christstollen« backen dürfen. Die anderen können es auch gar nicht. Nachahmer scheiterten kläglich oder versuchten, die Verbraucher mit marzipanverseuchten Fälschungen zu narren. Das Reinheitsgebot für Dresdner Stollen verbietet aber die Verwendung von Marzipan. Erichs Krönung DDR-Jargon für das Produkt »Kaffee Mix« (in
Anspielung auf »Jakobs Krönung«), das im Herbst 1977 in die Geschäfte, Gaststätten und Kantinen kam. Die Ursache hatte 100 |
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Erich Honecker mitgeteilt: »Ich möchte nur noch einmal er-
wähnen, dass uns allein der Import von Rohkaffee im Jahr rund 300 Millionen Dollar kostet.« Und er kündigte gleichzeitig an: »Unsere Berechnungen gehen davon aus, angesichts der von uns nicht zu beeinflussenden Weltmarktpreise für Rohkaffee die beste Lösung für den Verbraucher zu finden.« Die beste Lösung sah einen Mix aus 50 % Kaffee und 50 % »hochwertigen Kaffeesurrogaten« (allein bei diesem Wort dreht sich einem der Magen um) vor. Die 125-Gramm-Tüte kostete anfangs 6 Mark und niemand kaufte sie; später wurde der Preis auf 4 Mark reduziert, aber das Zeug wollte trotzdem niemand. In Gaststätten und Kantinen verstopften die Eiweißbestandteile der gemahlenen Erbsen (»hochwertiges Kaffeesurrogat«) die Druckdüsen der Kaffeeautomaten. Die DDR-Bürger verweigerten den Kauf und den Konsum einheitlich, konsequent und dauerhaft – ein einmaliger marktwirtschaftlicher Vorgang in der DDR. Nach relativ kurzer Zeit – manche meinen, nachdem Honecker selbst von der Plörre gekostet hatte – wurde das Produkt möglichst geräuschlos aus dem Angebot genommen. Weitere lebensmittelchemische Experimente dieser Art unterblieben. F 6 1. Bezeichnung für die Fernverkehrsstraße Nr. 6, die den Sü-
den der Republik in ost-nordwestlicher Richtung durchquerte (heute Bundesstraße 6). 2. Beliebte Zigarettenmarke in der DDR zum Preis von 3,20 Mark pro 20er-Päckchen – mehrfach vom Aussterben bedroht, als die Marken Cabinet und Semper ihr im gleichen Preissegment Konkurrenz machten. Geschmacklich ein Virginia-Klassiker mit leicht beißendem Abgang. Überlebte nicht nur die DDR-Konkurrenz, sondern auch Wende und Wiedervereinigung und wird in Dresden (nun unter der Regie von Philip Morris) immer noch hergestellt und in den neuen Ländern in einer Verpackung verkauft, die so aussieht wie vor 40 Jahren. Halberstädter Die erste deutsche Konservenfabrik, die es fertigbrachte, Würstchen in Blechdosen zu konservieren, stand in Halberstadt. In dieser Tradition produzierte die Fabrik auch in Alles, was schmeckt
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der DDR-Zeit Qualitätsware, die zur begehrten Bückware wurde. Halberstädter Würstchen werden heute nach strengen Qualitätskriterien hergestellt; die Fertigung kann in einer »gläsernen Fabrik« besichtigt werden. Hallorenkugeln Eine Leckerei aus dem VEB Halloren Schokoladenfabrik Halle (übrigens die älteste heute noch produzierende Schokoladenfabrik Deutschlands). Gefüllte Praline, bestehend aus einem hellen (Sahne) und einem dunklen (Kakao) Teil. Bekanntlich gibt es in Halle Hallenser, Halloren und Halunken. Bei Hallorenkugeln fällt einem aber nur »Halleluja!« ein. Juwel 1. Bezeichnung für zwei Zigarettensorten, die verschiede-
ner nicht sein könnten. Die eigentliche (oder sogenannte Alte Juwel) stammte aus DDR-Produktion, war kurz, stark und beißend. Die Marke Juwel 72, die sogenannte Neue Juwel, war parfümiert, im King-Size-Format und stammte aus Bulgarien. Beide Juwel-Sorten kosteten 2,50 Mark pro 20er-Päckchen. Wenn Juwel 72 geraucht wurde, erschnupperte man das bereits von Weitem an den heftig gesoßten Tabaken. Alte oder Neue Juwel – das war so eine Art Glaubensbekenntnis. Wichen Raucher im 3,20-Mark-Preissegment auch schon mal auf eine andere Marke aus, wenn ihre Lieblingsmarke gerade mal nicht zu haben war (was, wen wundert’s, relativ häufig vorkam), so war das im 2,50Mark-Segment nur äußerst selten der Fall; der Geschmack der beiden Edelsteinchen war einfach zu verschieden. 2. Klarer Weizenbrand aus Cottbus mit 32 Vol. % Alkohol zum Preis von 14,50 Mark pro 0,7-Liter-Flasche; wie andere Klare auch beliebt bei Soldaten der NVA, weil er sich in Seltersflaschen umfüllen ließ und den Jungs die Illusion gab, dass sie so ihre Vorgesetzten hinters Licht führen könnten. Karo Zigarettenmarke, kurz, rund und filterlos, stank wie die
Pest, verpackt in einer Pappschachtel mit Karomuster – auch genannt der »Schnelltod in der schwarz-weißen Geschenkpackung«. Auffallend heftige Kentucky-Note; wird noch heute produziert und in den neuen Bundesländern vertrieben. 102 |
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Radeberger Biersorte, nach der Traditions-Brauerei in Radeberg bei Dresden benannt, die neben mulchigem Vollbier für den heimischen Bedarf das allseits beliebte (und noch heute vertriebene) Export-Pils braute. Radeberger bekam man selten; es war in Interhotels vorrätig, wurde über Delikat vertrieben – oder man musste Beziehungen haben. Rotkäppchen Sektmarke aus dem Weinanbaugebiet Saale/Unstrut. Die Marke hatte einmal ausnahmsweise nichts mit der politischen Gesinnung zu tun, sondern war ein Traditionsname für einen Sekt, der hier schon seit 1856 abgefüllt wurde. Noch heute im Handel und als eine der wenigen überlebenden Handelsmarken der DDR überaus erfolgreich. Schlager-Süßtafel Schokoladenersatz; Ende der Siebzigerjahre entwickelt, als die DDR die steigenden Kosten für Rohkakao nicht mehr aufbringen konnte und Süßwaren mit geringem Kakaoanteil hergestellt werden mussten. Man experimentierte einerseits mit verschiedenen Füllungen und versuchte andererseits, Kakaobestandteile durch Fettgemische, Farbstoffe und Geschmacksverstärker zu ersetzen. Die Schlager-Süßtafel war so ein Geschmacks-Hit, der nicht unbedingt an klassische Schokolade erinnert, aber heutzutage wieder hergestellt wird und Kultstatus besitzt. Soljanka Russisch-ukrainischer Import, der sich in der Gastro-
nomie der DDR großflächig durchsetzte und behauptete; dickflüssige, würzige und säuerliche Suppe. Eine Soljanka schmeckte an jedem Ort anders – und war dennoch immer eine Soljanka. Wie viel Gurkenlake hineinkam, welche Fleischsorten verwendet wurden, wie lange der Kohl blanchiert worden war, ob die Zwiebeln glasig angeschwitzt oder schon hellbraun waren, das alles beeinflusste den Geschmack und entzog sich der industriellen Normierung. Mathematisch Gebildete sagten über die Soljanka, sie sei in vielen Lokalen eine Integralsuppe über die gesamte Speisekarte. Mag sein; aber geschmeckt hat sie trotzdem. Alles, was schmeckt
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Spreewälder Gurken Traditionelles landwirtschaftliches Pro-
dukt aus dem Spreewald (Lausitz); mittlerweile eine geschützte geografische Angabe gemäß Verordnung der Europäischen Kommission. In der DDR ausgesprochene Bückware, wurde auf Vorrat angeschafft, wenn man »herankam«, um zu besonderen Feierlichkeiten ein Glas zu öffnen. Findige bezogen Spreewälder Gurken aus dem »Russen-Magazin«, den Einlaufsläden für die sowjetischen Garnisonen auf dem Gebiet der DDR. Kultstatus erhielten die Spreewälder Gurken dank des Films Goodbye Lenin, in dem sie eine wichtige Rolle spielen. Vita-Cola Älteste Cola-Marke der DDR, am 14. Oktober 1954
als Patent angemeldet und seit 1957/58 als »Brauselimonade mit Frucht- und Kräutergeschmack« produziert. Die Produktion wurde nach der Wende vorübergehend eingestellt, Marke und Rezept aber 1994 wieder reaktiviert. Vita-Cola unterscheidet sich im Geschmack deutlich von anderen Cola-Sorten, vor allem aufgrund des Anteils an Zitronensäure und natürlicher ZitrusÖle. Heute ist das Getränk in Thüringen mit 44 Prozent Marktführer vor allen anderen Braunlimonaden. Würzfleisch Neben der Soljanka eines der typischen DDR-Ge-
richte, deren voller Genuss nur einem in der DDR kulinarisch sozialisierten Menschen möglich ist. Würzfleisch ist eine preiswerte Abart des Ragout fin, für das jedoch nicht Kalbfleisch, sondern Geflügelfleisch verwendet wurde. Würzfleisch wurde mit Worcester-Sauce vom VEB Excellent Dresden (im Westen auch weitgehend unbekannt) gereicht; dazu gab’s eine Scheibe Zitrone und eine halbe Scheibe Toastbrot. Würzfleisch eignete sich fantastisch als sättigende Zwischenmahlzeit, als sogenannter Ohnmachtshappen.
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Ein trinkfestes Land Getrunken wird immer. Nur allzu oft heißt »getrunken« aber »gesoffen«. Wenn es in der Mangelwirtschaft DDR an einem keinen Mangel gab, dann waren es, neben überflüssigen Broschüren mit Parteibeschlüssen, Spirituosen aller Art. Das Bier war manchmal alle, der Schnaps nie. Getrunken wurde nicht nur immer, sondern auch überall. Alkohol war eine anerkannte »Kulturdroge«, er war Stimmungsmacher und Tröster, Muntermacher und Schlaftrunk – und nicht zuletzt Betäubungsmittel psychotischer Funktionäre und überforderter Kader. »Edel macht den Menschen hilfreich und gut«, sagte man in Anlehnung an ein Klassikerzitat, bevor man sich den Braunen hinter die Binde kippte. Der »Weinbrand Edel« gehörte zu den gehobeneren Marken der DDR-Eigenproduktion – die Flasche kostete immerhin 27 Mark. Man konnte ihn zu offiziellen Anlässen reichen, ohne sich zu blamieren. Man hatte auch gar keine Scheu, bei solchen Anlässen ein paar Klare und Braune zu kippen. Eher wurde man scheel angesehen, wenn man nicht trank. 1842 wurde in dem kleinen Städtchen Wilthen in der Oberlausitz eine Weinbrennerei gegründet. Dieses Unternehmen machte den Ort, der sich in seiner Vergangenheit eifrig bemüht hatte, Stadt zu werden, und doch immer nur Marktflecken blieb, zu einem weithin bekannten Markennamen. Ausgesprochen kreativ waren die Schnapsbrenner bei der Namensschöpfung für ihre Produkte: Goldkrone und Goldbrand sollten das Gesöff wenigstens vom Namen her veredeln, Blauer Bison hatte doch Temperament, oder? Ein beliebter Kräuterschnaps hieß Wilde Sau – das war irgendwie ehrlicher –, und der mit Abstand längste Name eines Magenbitters war Stichpimpulibockforcelorum. Ein Traditionsname, den man spätestens nach dem dritten Glas nicht mehr aussprechen konnte. Für die 27 Mark, die eine Flasche Edel kostete, hätte man auch 13 Liter Bier trinken können, aber mit Weinbrand kriegte man den Vollrausch schneller (und gewissermaßen auch trockener) hin. Bier war oft von so minderer Qualität, dass es schon im Geschäft schlierig wurde. Das lag an den vielen Zuschlagsstoffen, Ein trinkfestes Land
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die nach deutschem Reinheitsgebot verboten, für DDR-Vollbier aber erlaubt waren. Die typische Einkaufsbewegung des Bier trinkenden Mannes: Flasche aus der Kiste nehmen, umstürzen und gegens Licht halten. Wenn da der Bodensatz in Schlieren waberte, Flasche wegstellen und nächste Flasche nehmen. Wein war in der DDR immer ein Nischenprodukt. Wenn man nicht Glück und Beziehungen hatte und an das kleine Sortiment der einheimischen Lagen an Elbe, Saale und Unstrut herankam, war man auf Importe aus Freundesland angewiesen – oft nachgesüßte Produkte oder abenteuerliche Verschnitte mit Namen wie Goldener Nektar, Natalie oder Feuertanz. Schmeckte ungefähr so, wie es sich anhörte: billig. In einer der Nischen lauerte auch Gotano, ein Wermut, der nach altem italienischen Vorkriegsrezept in Gotha hergestellt wurde und der jedenfalls deutlich besser war als die anderen WermutExperimente, die mit diversen Ersatzstoffen von anderen Kellereien und Brennereien unternommen wurden. Mischgetränke und Liköre abenteuerlichster Art erfreuten sich großer Beliebtheit: Timm’s Sauerer war darunter und Serschins Apricot-Brandy. Aber Alternative blieb immer der Schnaps. Gesoffen wurde – was man wahrscheinlich als gut proletarische Tradition verstand – bis in die höchsten Funktionärskreise. Die Statistiker haben hochgerechnet: 1955 schluckte der DDRDurchschnittsbürger 4,4 Liter Weinbrand, Klaren und Likör, im letzten Jahr der DDR schon über 16 Liter – oder 23 Flaschen pro Kopf! Nur: Kinder, Abstinenzler, Wein- und Gelegenheitstrinker einmal abgerechnet, wird aus dem statistischen »Pro«-Kopf der reale Kopf eines Trinkers, der sich mindestens einmal die Woche einen Vollrausch zufügte. Im Jahr 1988 nahm der statistische DDR-Bürger 11 Liter reinen Alkohol zu sich. Pro-Kopf-Verbrauch in der DDR (1988):
Bier: 143 l Spirituosen: 16,1 l Wein und Sekt: 12,1 l Alkoholfreie Getränke: 103,3 l 106 |
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Ost-Mimen, die man auch im Westen kennt Eine Reihe von Schauspielerinnen und Schauspielern, die in der DDR bereits eine große Karriere hinter sich hatten, mussten um 1990 die Erfahrung machen, dass sie im Westen keiner kannte. Nicht nur den Zuschauern waren sie unbekannt (man kann den Westlern ja nicht übelnehmen, dass sie es sich verkniffen, regelmäßig DDR-Fernsehen zu gucken), sondern auch den meisten Produzenten, Redakteuren und Regisseuren (von denen man allerdings hätte erwarten können, dass sie die Leistungen ihrer Kollegen im Osten wenigstens zur Kenntnis genommen hätten). So mussten sich Künstler, die 30 oder 50 Hauptrollen in ihrer Filmografie aufweisen konnten, wieder wie Anfänger bewerben und die Regisseure davon überzeugen, dass sie ihr Handwerk beherrschten. Einige verkrafteten das nicht und zerbrachen daran, wie der große Brecht-Schauspieler und Charakterdarsteller Wolf Kaiser. Andere die in der DDR gerade erst an den Start gegangen waren, hatten jetzt ihre eigentliche Chance und legten nun richtig los. Viele, sehr viele schafften es, eine zweite Karriere zu machen; sie waren eben doch zu gut, als dass das deutsche Fernsehen, der deutsche Film auf sie hätte verzichten können. Karin Düwel (geboren 1954) war Sabine Wulff (1978) und die Cornelia in Blonder Tango (1986). Nach der Wende war sie eine Weile selten zu sehen, bis sie schließlich im Tatort, im Landarzt und am Bülowbogen wieder auftauchte – und in mehreren
sympathischen Werbespots. Winfried Glatzeder (geboren 1945) war der Christian in Zeit der Störche (1971), Der Mann, der nach der Oma kam (1971) und vor allem und für immer der Paul aus der Legende von Paul und Paula (1973). Er verließ, nachdem er mehrmals vergeblich ei-
nen Ausreiseantrag gestellt hatte, 1982 die DDR und spielte u. a. 1986 den Paul Levi in von Trottas Rosa Luxemburg und ist seitdem beständig auf dem Bildschirm, der Leinwand und der Bühne präsent. Ost-Mimen, die man auch im Westen kennt
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Michael Gwisdek (geboren 1942) tauchte schon in den frühen Indianerfilmen der DEFA auf, spielte 1983 in Olle Henry einen Boxer; im Westen kennt man ihn spätestens seit Goodbye Lenin
(2003) und wird sich bei dieser Gelegenheit erinnert haben, dass man dieses Gesicht schon viele Male im Fernsehen sah. Corinna Harfouch (geboren 1954), eine großartige Lady Macbeth in Heiner Müllers Macbeth an der Berliner Volksbühne, schaffte den Durchbruch im Film mit der Titelrolle in Die Schauspielerin (1988). Im Westen bekannt durch Charlie & Louise (1994), Das Versprechen (1995), Vera Brühne (2001), Der Untergang (2004), Das Parfüm (2006) und Eva Blond. Jürgen Heinrich (geboren 1945) sprang in Zum Beispiel Josef
(1974) brillant durch die Scheibe. Seit 1985 im Westen, wurde er besonders durch Wolffs Revier bekannt. Daniela Hoffmann (geboren 1963) wurde schon als Schauspielschülerin für Zille und ick (1983) entdeckt, war eine hinreißende Fahrschülerin in Bernhard Stefans Fahrschule (1988); spielte nach dem Ende der DDR in Serien wie Elbflorenz, Polizeiruf 110, Dr. Sommerfeld – Neues vom Bülowbogen und Der Landarzt. Rolf Hoppe (geboren 1930), war im DDR-Indianerfilm der
Lieblingsbösewicht der Zuschauer. Er wurde 1981 im Westen durch Szabos Mephisto-Verfilmung bekannt (Hoppe spielte den General) und spielte 1983 in Frühlingssinfonie mit Nastassja Kinski und Herbert Grönemeyer (Hoppe verkörperte Friedrich Wieck). Henry Hübchen (geboren 1947), spielte in der DDR u. a. in Jakob der Lügner (1974), Sonjas Rapport (1982); im Westen bekannt durch Der König von St. Pauli (1988), Sonnenallee (1999) und Alles auf Zucker (2004). Anja Kling (geboren 1970) startete ganz jung mit Grüne Hochzeit und als Moderatorin in Elf99; heute gehört sie zu den
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meist besetzten jungen Frauen, u. a. in Verschollen in Thailand (1997), (T)raumschiff Surprise (2004), Es ist ein Elch entsprungen (2005). Schwester von Gerit Kling. Gerit Kling (geboren 1965) startete schon in der DDR mit Grüne Hochzeit und Zwei schräge Vögel (1989). Im Westen auf dem Traumschiff und Unter weißen Segeln gern eingesetzt. Schwester
von Anja Kling. Herbert Köfer (geboren 1921) war von der ersten Sendeminute des DDR-Fernsehens bis zur letzten auf den Bildschirmen präsent, daneben in vielen wichtigen Filmen wie Nackt unter Wölfen (1963) oder Kleiner Mann – was nun? (1967) sowie als Moderator von Unterhaltungs- und Informationssendungen. Nach der Wende spielte er viel Boulevardtheater und tauchte auch wieder in TV-Serien (Elbflorenz, 1994) und in Fernsehfilmen auf. Renate Krößner (1945), von Konrad Wolf in Solo-Sunny (1980) besetzt, vielleicht die Rolle ihres Lebens. Im Westen in TV-Produktionen wie Bruder Esel oder Stubbe – Von Fall zu Fall bekannt geworden. Manfred Krug (geboren 1937) hatte in der DDR schon eine be-
achtliche Karriere hinter sich, nicht nur als Schauspieler (als der er Spanienkämpfer, Arbeiterhelden, Genossenschaftsbauern und verrückte Typen in Mantel-und-Degen-Filmen spielte), sondern auch als Pop-Sänger mit vier LPs (zusammen mit Günther Fischer). Ging nach der Biermann-Affäre in den Westen, war hier Tatort-Kommissar, Trucker und Anwalt Liebling. Gisela May (geboren 1924) war in der DDR die Interpretin von Brecht-Songs schlechthin und wird als Schauspielerin oft un-
terschätzt. Im Westen kennt man die begnadete Komödiantin vor allem als Rosa Müller-Graf-Kleditsch, die etwas zerstreute »Muddi« von Evelyn Hamann aus der Filmreihe Adelheid und ihre Mörder. Ost-Mimen, die man auch im Westen kennt
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Armin Mueller-Stahl (geboren 1930) machte in DDR-Produk-
tionen seinem zweiten Namensbestandteil alle Ehre (als Spanienkämpfer in Fünf Patronenhülsen, im Abenteuerfilm Flucht aus der Hölle und als Kundschafter Achim Deetjen in Das unsichtbare Visier), ging nach der Biermann-Ausbürgerung in den Westen, spielte u. a. in Oberst Redl (1985), Bittere Ernte (1986), Momo (1986) und den Thomas Mann in Die Manns (2001). Ein Multitalent, das auch malt, Geige spielt und Bücher schreibt. Ulrich Mühe (geboren 1953) war ein begnadeter Hölderlin in Hälfte des Lebens (1984), spielte die Hauptrolle in Das Leben der anderen (2006, Oscar 2007) und schneidet ansonsten in der TVSerie Der letzte Zeuge Leichen auf. Tom Pauls (geboren 1959), Schauspieler aus Dresden und Comedian; der vielleicht beste Honecker-Imitator, von dem die
Westler lernen können, dass Honecker kein Sachse war. Walter Plathe (geboren 1950) hatte schon ein Leben vor dem Landarzt, in der DDR spielte er in Märkische Chronik und in Serien wie Treffpunkt Flughafen. Katrin Saß (geboren 1956) spielte in Bis dass der Tod euch scheidet und Bürgschaft für ein Jahr, im Westen kennt man sie als Tatort-Hauptkommissarin Steiner und aus Goodbye Lenin. Walfriede Schmitt (geboren 1943) filmte in der DDR seit 1974 (am bekanntesten Das Schilfrohr, 1974); im Westen vor allem im weißen Kittel (Auf alle Fälle Stefanie, Stefanie – eine Frau startet durch, St. Angela) bekannt geworden. Jaecki Schwarz (geboren 1946) brillierte schon 1968 in Ich war neunzehn von Konrad Wolf; spielte viel, wurde aber im Westen
vor allem als Polizeiruf-Kommissar Schmücke bekannt. Wolfgang Stumph (geboren 1946) begann in Dresden an der
Herkuleskeule als Kabarettist und machte in Gunther Emmer110 |
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lichs »Showkolade« als Stumpi den Beutel aus Dederon bundesweit bekannt. Durchbruch im Westen mit Go Trabi go, danach in Salto postale und Salto kommunale zu sehen. Seit 1995 ermittelt er als Kommissar Stubbe für das ZDF. Katharina Thalbach (geboren 1954), Tochter der Schauspiele-
rin Sabine Thalbach und Mutter der Schauspielerin Anna Thalbach, spielte in Lotte in Weimar (1974) eine Nebenrolle, aber in den Leiden des jungen Werthers (1976) die Lotte. Ging nach der Biermann-Ausbürgerung in den Westen und wurde hier als Schauspielerin und Regisseurin auf der Bühne und im Film bekannt. Hilmar Thate (geboren 1931), Schauspieler am BE und am DT, große Fernseh- und Filmrollen in der DDR, ging nach der Biermann-Affäre in den Westen, spielte unter Faßbinder und Wedel (Der König von St. Pauli, 1998). Kathrin Waligura (geboren 1962) begann ihre Karriere als Charakterdarstellerin mit einem Kritikerpreis auf der Berlinale (1986 für Die Frau und der Fremde); richtig bekannt wurde sie im Westen aber als Schwester Stefanie.
Honecker ist gestorben, meldet sich an der Himmelspforte, wird erwartungsgemäß abgewiesen und landet in der Hölle. Nach zwei Wochen erscheinen zwei arme Teufel vor der Himmelspforte. »Ihr seid hier aber ganz falsch«, meint Petrus. »Was heißt hier falsch«, erwidern die Teufelchen. »Wir sind die ersten Flüchtlinge!«
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So klang die DDR Mit Musik ist es schwieriger als mit Literatur und Film; die Resultate sind flüchtiger und stärker der Mode unterworfen. Manches Pionierlied taucht in der Erinnerung auf. Dass wir die Titelzeile subversiv umdichteten und beim morgendlichen Singen »Blaue Windeln im Sommerwind, hängen auf der Leine, bis sie trocken sind« sangen, war kein Akt des Widerstandes. Hör ich auf den kleinen Mann im Ohr, singt er mir heute diese Lieder vor: Auf, auf zum Kampf Worte und Weise: mündlich überliefert Blaue Wimpel im Sommerwind Worte: Manfred Streubel/Wei-
se: Gerd Natschinski Brüder zur Sonne, zur Freiheit Worte: Radin/Weise: russisches
Studentenlied Dem Morgenrot entgegen Worte: Heinrich Eildermann/Weise:
»Zu Mantua in Banden« Heimatland reck deine Glieder (Thälmann-Lied) – Worte: Ku-
ba/Weise und Satz: Eberhard Schmidt Internationale Worte: Eugène Pottier/Weise: Pierre Degeyter Fritz der Traktorist – Worte: Walter Stranka/Weise: Eberhard
Schmidt Jugend erwach (Bau auf, bau auf …) – Worte und Musik: Rein-
hold Limberg Vorwärts, Freie Deutsche Jugend Worte: Karl-Heinz Thiele/
Weise: Erwin Thiele Wann wir schreiten Seit an Seit Worte: Hermann Claudius/Wei-
se: Michael Englert 112 |
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Spätestens seit dem Ende der Sechzigerjahre war es mit dem FDJ-Gesinge und dem fröhlichem Ringelreihen zu Ende. Der Klassenfeind in Form der Rockmusik (oder Beat-Musik »mit ihrem andauernden yeah, yeah, yeah«, wie Walter Ulbricht so treffend bemerkte) drang endgültig in die DDR-Jugendkultur vor. Nach einer Zeit des erbitterten Widerstandes, der unter anderem so seltsame Blüten trieb wie die Erfindung des überaus albernen Tanzes »Lipsi«, gaben die Funktionäre auf und entschlossen sich zur Adaption der neuen Kultur, um gegebenenfalls »feindliche Tendenzen« in der Umarmung zu ersticken. Bekannte Kultbands und Interpreten von Rang waren: Klaus Renft Combo (genannt: Renft) – gegründet 1958, verbo-
ten 1975 Stern-Combo Meißen (bekannt als: Stern Meißen) – gegründet 1964 (die heute älteste ununterbrochen aktive Rockband Deutschlands) Modern Soul Band – gegründet 1968 electra – gegründet 1969 Puhdys – gegründet 1969, vielleicht populärste Band der DDR Panta Rhei (mit Veronika Fischer) – gegründet 1971, aufgelöst
1975 City – gegründet 1972, größter Hit mit »Am Fenster« Lift – gegründet 1973, existiert noch heute Veronika Fischer & Band – gegründet 1974, bestand bis zum
Weggang Veronika Fischers in den Westen 1981 Karat – 1975 aus Panta Rhei hervorgegangen, größter Hit mit
»Über sieben Brücken« So klang die DDR
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Silly – gegründet 1977 mit Frontfrau Tamara Danz (†1996),
jetzt mit Anna Loos als Sängerin Pankow – gegründet 1981, wurde bekannt mit dem Rock-Musical »Paule Panke«, bestand bis 1998
Heiße Bräute und Filmprinzessinnen So richtige Stars wie in Hollywood gab’s ja eigentlich in der DDR nicht. Nicht dass das Land dafür zu klein gewesen wäre; aber zum Star gehört nun mal ein Kult, und dem stemmte sich die kollektivistische Ideologie lange Zeit mit großer Kraft entgegen. Der Kinofilm der DDR war alles andere als Starkino – im positiven Fall gut gemachter Studio-Film, der deutlicher die Spuren seiner Produktionsprozesse als die Handschrift des Regisseurs erkennen ließ. Aber auch hier gab es Ausnahmen: Wenn ein Ausnahme-Regisseur auf ein ausnahmsweise gutes Buch stieß, an dem die DEFA-Dramaturgen ausnahmsweise einmal nicht so lange herumgebessert hatten, bis es nichts mehr taugte, wenn Ausnahme-Schauspieler sich zusammenfanden und die Abnahmeverantwortlichen der Studioleitung, der Hauptverwaltung Film und gegebenenfalls der Parteizentrale ausnahmsweise einen schwachen Moment hatten und den Film passieren ließen. Dennoch gab es ein paar »heiße Bräute« auch im DDR-Kino. Wie bei jeder Auswahl wird der Leser finden, dass die eine, die er über alles verehrte, fehlt und dass diese oder jene, die ausgewählt wurde, hier nicht reingehört. Wie auch immer, die folgenden Schauspielerinnen, die eigentlich einen Oscar verdient hätten, sollen ersatzweise zumindest mit der Ehrenspange zur Roten Mainelke in Farbe und Cinemascope geehrt werden. Marijam Agischewa (geboren 1958) tauchte – wie aus dem Nichts – zwanzigjährig als neues Gesicht in Marta Marta auf, fas-
zinierend anders, berückend schön, wenn man sie ließ und sie nicht als uniformierte Stewardess in Treffpunkt Flughafen um die halbe Welt jetten und steife Dialoge abliefern musste. 114 |
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Renate Blume (geboren 1944), unvergessen ihre Augen in Der geteilte Himmel, das konnten auch die Sieben Affären der Dona Juanita nicht auslöschen und nicht die Indianersquaws und nicht das Archiv des Todes. Christel Bodenstein (geboren 1938) wurde 1960 vom Jugend-
magazin Neues Leben zur beliebtesten Schauspielerin gewählt; und da lagen die Franziska in Minna von Barnhelm und die Viola in Was ihr wollt noch vor ihr. Und die Filmrolle der Grit in Beschreibung eines Sommers an der Seite Manfred Krugs. Annekathrin Bürger (geboren 1937) begann als Uschi in der Berliner Romanze (1956) und als Traudel in Spur in die Nacht (1957), in He Du und Hostess war sie wirklich eine heiße Braut –
jedenfalls für DDR-Kino-Verhältnisse. Angelica Domröse (geboren 1941) wird, was sie auch gespielt hat und noch spielen wird, für immer und ewig unsere Paula bleiben. Jenny Gröllmann (1947–2006) war die Susette Gontard in Die Hälfte des Lebens und wurde später auch dem westdeutschen Pu-
blikum als Anwältin Isa Isenthal an der Seite Manfred Krugs in Liebling Kreuzberg ein Begriff. Eva-Maria Hagen (geboren 1934), die Erste des Hagen-Clans (nach ihr Tochter Nina und Enkelin Cosma Shiva) erschien 1957 mit Vergesst mir meine Traudel nicht und galt als die BB des Ostens. Jutta Hoffmann (geboren 1941), die Junge Frau von 1914 (1970), zeigte in Zeit zu leben, Der Dritte, Geschlossene Gesellschaft – ei-
gentlich immer, wenn sie auftrat –, dass sie Klasse hat, Weltklasse, die außerhalb der DDR leider niemand bemerkt hat. Traudl Kulikowsky (geboren 1943) lag neben Gunter Schoß auf der Wiese und träumte von Liebe – das war in Egon und das achHeiße Bräute und Filmprinzessinnen
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te Weltwunder (1964), drei Jahre später tanzte sie mit Frank Schöbel in der Hochzeitsnacht im Regen. Simone Thomalla (geboren 1965) war das Objekt der Begierde in Dietmar Hochmuths Film In einem Atem (1988) und umflatterte Zwei schräge Vögel (1989), bevor die DDR am Ende war
und Simone Thomalla damit am Beginn ihrer eigentlichen Karriere. Karin Ugowski (geboren 1943) spielte die Goldmarie in Frau Holle (1963), die Prinzessin in Die goldene Gans (1964) und die Prinzessin in König Drosselbart (1965, an der Seite Manfred
Krugs); gegen diese frühe Prägung war später schwer anzukommen. Angelika Waller (geboren 1944), die rotblonde Schöne, der man versuchte, den Film Rotfuchs (1973) gewissermaßen auf den Haarschopf zu schreiben. Ihr erster Film Das Kaninchen bin ich wurde verboten, mit dem zweiten, Schwarze Panther, wurde sie
Publikumsliebling. Heidemarie Wenzel (geboren 1945) war die Fanny in der Becher-Verfilmung Abschied und träumte sich, so blond, so blond, in Zeit der Störche in eine große Liebe. Wurde 1986 nach einem Ausreiseantrag kaltgestellt und 1988 ausgebürgert. Monika Woytowicz (geboren 1944) war die Gundel in der NollVerfilmung Die Abenteuer des Werner Holt, spielte in zahlreichen
Kino- und Fernsehfilmen in der DDR, übersiedelte 1983 in die Bundesrepublik. Simone von Zglinicki (geboren 1951) spielte in einem Jahr in zwei Kinofilmen, die sie auf einen Schlag berühmt machten: Für die Liebe noch zu mager und Liebe mit 16 – die Schauspielerin war allerdings 23, damit niemand Böses dabei denkt.
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Ein Volk von Mitgliedern Die Parteien und Massenorganisationen Nach dem Gesellschaftsverständnis der SED dienten die Parteien und Massenorganisationen als Stätten der politischen Aktivität und des gesellschaftlichen Engagements. Gesellschaftliche Arbeit war sehr hoch angesehen, wenn man beruflich vorankommen wollte, ihr Stellenwert war der fachlichen Qualifikation und beruflichen Leistungsfähigkeit in vielen Fällen gleichwertig, in ideologisch sensiblen Bereichen sogar überlegen. Daraus resultierte der sagenhafte Organisationsgrad der Bürger der DDR, und der wiederum führte zu einem Grundirrtum bei der Staats- und Parteiführung. Oben glaubte man nämlich, der hohe Organisationsgrad spreche für ein hohes gesellschaftliches Engagement und für eine breite Zustimmung zur offiziellen Politik. Unten sah man es anders. Man trat in Parteien und Organisationen ein, nicht um sich zu engagieren, sondern um in Ruhe gelassen zu werden. Alles zu tun, um in Ruhe gelassen zu werden, ist ein wahrscheinlich instinktgesteuertes, beinahe reflexhaftes Verhalten fast aller Menschen gegenüber ihrer politischen Führung oder der staatlichen Verwaltung. Unabhängig vom politischen System. Damals richtete sich das Verhalten gegen die SED-Funktionäre, heute gegen das Finanzamt. In der DDR war es aber nun einmal so, dass man nicht in Ruhe gelassen wurde, wenn man nicht dazugehören wollte. Getreu dem Motto »Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein«. Also trat man irgendwo ein, in die Gesellschaft für Deutsch-sowjetische Freundschaft, in die Gewerkschaft sowieso, oder, als nicht berufstätige Hausfrau (ja, die gab es vereinzelt auch) in den DFD (Demokratischer Frauenbund Deutschlands). Da hatte man nicht viel zu tun, mal einen Vortrag besuchen, vielleicht mal eine Zeitlang Beiträge kassieren, man gehörte dazu – und wurde in Ruhe gelassen. Die Parteien und Massenorganisationen
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Mancher entschied sich für eine Blockpartei, wenn sein Berufsstand von SED-Genossen überlaufen war, und fuhr ganz gut damit, denn die offizielle Blockpolitik sicherte in einem bestimmten Proporz auch den Mitgliedern dieser Parteien führende Positionen. Das System der Parteien und Massenorganisationen war ein geschlossenes System. Neue Organisationen mussten »von oben« geschaffen werden, wie der Freidenkerverband, der in den letzten Monaten der DDR nur noch ein Schattendasein führte. Organisationen, die »unten« entstanden, wurden entschieden bekämpft, wie zuletzt noch das Neue Forum. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Parteien und Massenorganisationen der DDR. SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, hervorgegangen aus der Vereinigung von KPD und SPD am 21. April 1946. Ihre »führende Rolle« wurde in der Verfassung sowie in allen grundlegenden Gesetzestexten (z. B. Gesetz über den Ministerrat) verankert, im Mai 1989 2 260 979 Mitglieder und 64 016 Kandidaten. Die Partei brach nach dem Sturz Honeckers rasch zusammen und war seit Anfang Dezember 1989 faktisch führerlos; der Sonderparteitag im Dezember sprach sich gegen die Selbstauflösung aus; die Partei wurde in die PDS (seit Februar 1990) überführt und hatte am Ende dieses Prozesses noch 300 000 Mitglieder. CDU Christlich Demokratische Union; gegründet am 26. 6.
1945 in Berlin, behauptete bis 1948 eine relative politische Selbstständigkeit, wurde dann in den »Demokratischen Block« eingegliedert und bekannte sich seit 1952 zum Sozialismus. 1987 etwa 140 000 Mitglieder. Im Februar ging die CDU ein Wahlbündnis mit den neu gegründeten Parteien »Demokratischer Aufbruch« und »Deutsche Soziale Union« ein und gewann die Wahlen vom 18. März 1990. Nachdem die DBD und der »Demokratische Aufbruch« der CDU beigetreten waren, gliederte sich die Ost-CDU am 1. 10. 1990 der Schwesterpartei im Westen an. 118 |
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DBD Demokratische Bauernpartei Deutschlands; nach Grün-
dungsaufruf vom 25. 04. 1948 gegründet und von Anfang an, als Vertreterin der Bauernschaft, in den »Demokratischen Block« einbezogen. Die Spitzenfunktionäre wurden aus der SED delegiert. 1963 erklärte die DBD das SED-Programm zu ihrer eigenen programmatischen Grundlage. 1987 etwa 117 000 Mitglieder. Im September 1990 vollzog die Partei den Anschluss an die CDU-Ost, mit der ihre Reste in die gesamtdeutsche CDU übergingen. Demokratischer Frauenbund Deutschlands, im März 1947 gegründet und aus den antifaschistischen Frauenausschüssen hervorgegangen; kümmerte sich seit 1964 verstärkt um Frauen, die nicht berufstätig oder nicht anderweitig organisiert waren. Mit eigenen Fraktionen in den Parlamenten vertreten. 1989 etwa 1,5 Millionen Mitglieder. Seit November 1989 Umbau zum »Demokratischen Frauenbund e. V.«, als der er noch heute existiert. DFD
DSF Gesellschaft für Deutsch-sowjetische Freundschaft; im Juni 1947 als »Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion« gegründet. Als einzige Freundschaftsgesellschaft zur Massenorganisation ausgebaut. 1989 etwa 6,3 Millionen Mitglieder. Nach Rücktritt des Zentralvorstandes im November 1989 zu einem Verbund regionaler Verbände umgebaut. 1994 wurde als Nachfolgeorganisation die Gesellschaft für West-Östliche Begegnungen gegründet. Sie hat heute etwa 20 000 Mitglieder. FDGB Sachlexikon S. 20. FDJ Sachlexikon S. 21. KB Kulturbund der DDR (zuvor bis 1972 Deutscher Kulturbund – DKB), gegründet 1945 als Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands; war als Organisation der Wissenschaftler, Künstler und Intellektuellen gedacht, wurde darüber hinaus zu einem Sammelbecken vielseitiger FreizeitinDie Parteien und Massenorganisationen
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teressen (von Aquarianern bis Winzern). Mit eigenen Fraktionen in den Parlamenten. 1987 etwa 237 000 Mitglieder. 1990 Umwandlung in einen gemeinnützigen Verein. LDPD Liberal-Demokratische Partei Deutschlands: Am 05. 07.
1945 gegründet und seit 1948 in den »Demokratischen Block« einbezogen, galt sie als eine Partei, die besonders die Interessen der Handwerker und Gewerbetreibenden vertrat. 1987 etwa 106 000 Mitglieder. 1990 formierte sich die Partei in einen »Bund Freier Demokraten – Die Liberalen« um, dem die NDPD korporativ beitrat. Im August ging dieser Bund neben weiteren neu gegründeten Parteien in der nun gesamtdeutschen F.D.P. auf. NDPD National-Demokratische Partei Deutschlands; am 12. 06. 1948 gegründet, sollte sie als Partei der Mittelschichten, unbelasteter ehemaliger NSDAP-Mitglieder und früherer Berufssoldaten dienen. Von Anfang an in den »Demokratischen Block« einbezogen. Mitgliederstand 1987 etwa 110 000. Anfang 1990 kam es zu schweren Richtungskämpfen innerhalb der Partei, in denen sich auch rechtsextreme Tendenzen zeigten. Die Mehrheit der Funktionäre beschloss den Beitritt zum Bund Freier Demokraten, mit diesem gingen die Reste der Partei im August 1990 in der gesamtdeutschen F.D.P. auf. VdgB Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe, im Herbst 1945 auf örtlicher Ebene entstanden und im Mai 1946 auf dem gesamten Gebiet der späteren DDR in Landesausschüssen organisiert. Die VdgB stellte Abgeordnete in den Gemeindevertretungen, Kreis- und Bezirkstagen und in der Volkskammer (1963 bis 1986 in der Volkskammer und in den Bezirkstagen nicht vertreten). 1988 etwa 646 000 Mitglieder. Im März 1990 wurde als Nachfolgeorganisation der Bauernverband der DDR e. V. gegründet. Volkssolidarität Sachlexikon S. 61.
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Orden, Ehrentitel, Preise, Urkunden Weil so viele schöne Dinge fehlten, die die Bürger gern besessen hätten, hatte sich die weise Führung einen Ersatz ausgedacht, der sich schon in der großen Sowjetunion – wie man meinte – glänzend bewährt hatte. Der Mensch lebt schließlich nicht vom Brot allein, er braucht auch Dank und Anerkennung für sein unermüdliches Voranschreiten auf dem Weg zum Sozialismus. Und wenn das Brot knapp wird, hart ist oder den Leuten einfach nicht mehr schmecken will, dann müssen Dank und Anerkennung auf besonders appetitliche Weise serviert werden. Also wurden Orden, Ehrenzeichen, Medaillen, Preise und Ehrentitel gestiftet, geprägt, ausgelobt und verteilt – und das in einem Ausmaß, dass einem schwindlig werden kann, wenn man die Übersicht über diesen Ordenskosmos gewinnen will. Da gab es Ehrentitel, die begannen mit »Hervorragender …« und eine noch viel größere Anzahl von Ehrentiteln, die begannen mit »Verdienter …« und reichten durch alle Berufsgruppen von »Verdienter Arzt« bis »Verdienter Züchter«. Dann gab es fünf verschiedene »Medaillen für ausgezeichnete Leistungen« und fünfzehn verschiedene »Medaillen für hervorragende Leistungen« und eine »Medaille für sehr gute Leistungen im Berufswettbewerb« und eine »Medaille für selbstlosen Einsatz bei der Bekämpfung von Katastrophen«, zwölf verschiedene »Medaillen für treue Dienste« in allen möglichen Einrichtungen, in denen man dienen konnte, und eine »Medaille für treue Pflichterfüllung«, sieben »Medaillen für Verdienste« und elf »Verdienstmedaillen« (neben der »Verdienstmedaille der DDR«). Auch Titel wie »Meisterbauer« gab es, verbunden mit einer Medaille, und »Meisterbauer der genossenschaftlichen Produktion«. Denn nicht nur der Staat, der Vater aller Dinge, namentlich in Gestalt seines höchsten Repräsentanten, vergab Orden und Preise, sondern auch der Ministerrat hatte ein eigenes Schatzkästlein dafür; schließlich beteiligten sich die Ministerien, Massenorganisationen und Kammern an dem Spiel mit dem klingelnden Blech und den geprägten Urkunden, und am Ende schütteten die Betriebe unmittelbar das Füllhorn segnenden Orden, Ehrentitel und Urkunden
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Dankes sowie materieller und ideeller Anerkennung über den Werktätigen aus. Jeder Sportverein und jedes Betriebsferienlager vergab am Ende Urkunden als Dank und Anerkennung; war wohl manches knapp in der DDR, gab es davon doch immer genug. Die Verleihung und das Prozedere, das der Verleihung vorausging, waren ritualisiert wie viele andere Dinge auch im gesellschaftlichen Leben – man nahm es als Alltag hin. Hier die wichtigsten Orden der DDR nebst einiger bedeutender Ehrentitel und hochdotierter Preise: Der Karl-Marx-Orden galt als höchste und als ehrenvollste
staatliche Auszeichnung der DDR und wurde »für hervorragende Verdienste« in der Arbeiterbewegung, bei der schöpferischen Anwendung des MarxismusLeninismus, bei der Gestaltung des Sozialismus, in Wissenschaft und Technik, in Kunst, Kultur, Bildung und Erziehung, im Kampf um die Sicherung des Friedens, in der Pflege und Förderung der Freundschaft zur Sowjetunion, zu den anderen sozialistischen Staaten und allen friedliebenden Völkern der Welt verliehen. Der Orden wurde 1953 (zum 135. Geburtstag von Karl Marx) gestiftet. Als Dotation wurden zuletzt 20 000 Mark ausgereicht. Der Vaterländische Verdienstorden wurde 1954 gestiftet. Ausge-
zeichnet wurden Personen und Institutionen, die sich besonders um die Einheit Deutschlands (solange das noch im politischen Kalkül der DDR lag) verdient gemacht oder hervorragende Leistungen auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens erbracht hatten. Verliehen wurden die Stufen Bronze, Silber, Gold sowie die Ehrenspange in Gold, und zwar immer nur einmalig in derselben Stufe. Mit Ausnahme der Träger der Ehrenspange erhielten alle Preisträger Geldzuwendungen. 122 |
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Der Orden Stern der Völkerfreundschaft wurde in »Würdigung außerordentlicher Verdienste um die Deutsche Demokratische Republik, um die Verständigung und die Freundschaft der Völker und um die Erhaltung des Friedens« verliehen. Er wurde in drei Klassen verliehen: 1. Großer Stern der Völkerfreundschaft in Gold, 2. Stern der Völkerfreundschaft in Gold, 3. Stern der Völkerfreundschaft in Silber. Der Orden wurde sehr häufig an ausländische Persönlichkeiten vergeben. Der Orden Banner der Arbeit wurde für »hervorragende und
langjährige Leistungen bei der Stärkung und Festigung der DDR, insbesondere für hohe Arbeitsergebnisse in der Volkswirtschaft« verliehen. Seit 1974 gab es den Orden in drei Klassen, die mit entsprechenden Prämien verbunden waren: Stufe III: 500 Mark, Stufe II: 750 Mark, Stufe I: 1000 Mark. Die Verdienstmedaille der DDR wurde 1959 vom Ministerrat gestiftet und von seinem Vorsitzenden verliehen. Die Medaille wurde für langjährige Verdienste, einschließlich umfassender gesellschaftlicher Aktivität, um die »Stärkung und Festigung der DDR« sowie für »Verdienste in der internationalen Zusammenarbeit mit der DDR« verliehen. Die Verleihung der Verdienstmedaille ging in der Regel einer Verleihung des Vaterländischen Verdienstordens voraus. Der Blücher-Orden für Tapferkeit war ein militärischer Tapferkeitsorden, er wurde 1968 gestiftet. Es gab diesen Orden in den Stufen Gold, Silber und Bronze. Bis zum Ende der SED-Herrschaft war die Existenz des Ordens kaum bekannt. Er war für den Verteidigungsfall vorgesehen. Der Ehrentitel Held der DDR wurde 1975 gestiftet und an Menschen verliehen, die »durch ihre außerordentlichen Leistungen und Verdienste Heldentaten für die DDR, für ihre Entwicklung und allseitige Stärkung, für die internationale Anerkennung und Autorität sowie für ihren sicheren militärischen Schutz vollbracht haben«. Eine Jahresquote von zehn Titelvergaben war Orden, Ehrentitel und Urkunden
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vorgesehen. Seit 1978 wurde der Titel zusammen mit dem KarlMarx-Orden verliehen. Der Ehrentitel konnte, wie der Titel »Held der Sowjetunion«, der als Vorbild gedient hatte, mehrfach vergeben werden. Der Ehrentitel Held der Arbeit wurde 1950 gestiftet und war mit einer Prämie von bis zu 10 000 Mark dotiert. Mit ihm wurden Werktätige ausgezeichnet, die »durch ihre besonders hervorragende, bahnbrechende Tätigkeit, insbesondere in der Industrie, der Landwirtschaft, dem Verkehr oder dem Handel oder durch wissenschaftliche Entdeckungen oder technische Erfindungen sich besondere Verdienste um den Aufbau und den Sieg des Sozialismus erworben haben und durch diese Tätigkeit die Volkswirtschaft und damit das Wachstum und das Ansehen der DDR förderten«. Der Nationalpreis der DDR war eine seit 1949 verliehene Auszeichnung für »hervorragende schöpferische Arbeiten auf den Gebieten der Wissenschaft und Technik, bedeutende mathematisch-naturwissenschaftliche Entdeckungen und technische Erfindungen, die Einführung neuer Arbeits- und Produktionsmethoden« sowie für »hervorragende Werke und Leistungen auf den Gebieten der Kunst und Literatur«. Er existierte in drei Klassen. Bei herausragenden wissenschaftlichen Leistungen oder bei künstlerischen Kollektivleistungen (zum Beispiel Filmen) wurden meist ganze Kollektive anstelle von Einzelpersonen ausgezeichnet. Der Nationalpreis wurde jedes Jahr am 7. Oktober verliehen. Die drei Klassen waren mit unterschiedlich hohen Geldpreisen verknüpft: III. Klasse: 25 000 Mark, II. Klasse: 50 000 Mark, I. Klasse: 100 000 Mark. Der Kunstpreis der DDR wurde 1959 vom Ministerrat gestif-
tet und jährlich im Oktober vom Minister für Kultur vergeben. Mit ihm wurden künstlerische Einzelleistungen, die als richtungsweisend für die Entwicklung der Kultur eingeschätzt wurden, gewürdigt. Man verlieh ihn insbesondere an Persönlichkeiten, die sich auf den Gebieten Musik, Bildende Kunst, Ange124 |
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wandte Kunst, Film, Fernsehen, Rundfunk und Unterhaltungskunst Verdienste erworben hatten. Der Preis konnte an Einzelpersonen und Kollektive verliehen werden, aber stets nur einmal. Eine Prämie von 6000 Mark für Einzelpersonen und bis zu 20 000 Mark für Kollektive war mit dem Preis verbunden. Der Lessing-Preis der DDR war ein angesehener Literaturpreis.
Er wurde 1955 gestiftet und vom Ministerium für Kultur jährlich (bis 1977; danach alle zwei Jahre) jeweils am Geburtstag Lessings am 22. Januar verliehen. Mit ihm sollten »hervorragende Werke auf dem Gebiet der Bühnendichtung sowie auf dem Gebiet der Kunsttheorie und Kunstkritik, die im Geiste für die Entwicklung der Kunst bedeutungsvoll sind«, gewürdigt werden. Die Auszeichnung konnte an Einzelpersonen oder Kollektive von bis zu sechs Personen vergeben werden. Der Preis war mit einer Geldzuwendung in Höhe von 10 000 Mark verbunden. Der Heinrich-Mann-Preis ist ein renommierter Literaturpreis,
der seit 1953 von der Akademie der Künste der DDR jährlich verliehen wurde. Der Preis wird zu Ehren von Heinrich Mann verliehen (jetzt von der Akademie der Künste Berlin). Er ist heute mit 8000 Euro dotiert. Mit dem Heinrich-Greif-Preis, der 1951 gestiftet wurde, sollten hervorragende Leistungen auf dem Gebiet des Films ausgezeichnet werden; er wurde zum Gedenken an den antifaschistischen Filmkünstler Heinrich Greif verliehen. Er wurde zunächst für hervorragende kollektive Leistungen, seit 1959 auch für hervorragende Einzelleistungen in drei Klassen verliehen. Die einzelnen Klassen waren von 3500 bis 20 000 Mark dotiert.
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Hier noch eine Sammlung bemerkenswerter Leistungen, für die man eine Urkunde bekommen konnte: Für 20 freiwillige Aufbaustunden im Nationalen Aufbauwerk wird … Dank und Anerkennung ausgesprochen und die Nadel des NAW verliehen. … hat erfolgreich an der 25. ABC-Mathematik-Olympiade teilgenommen und gehört zu den Besten der Klassenstufe. Es gratuliert die Redaktion der ABCZeitung. Für hervorragende schöpferische Leistungen in der Bewegung der »Messe der Meister von Morgen« wird … anlässlich der Bezirksmesse diese Urkunde verliehen. Für vorbildliche Arbeit bei der Entwicklung der Kraftfahrzeuginstandhaltung: »Bester Facharbeiter der Verwaltung«. Für sehr gute Leistungen im Wettbewerb des künstlerischen Volksschaffens zu den Festen der Freundschaft 1982. Für vorbildliche Ergebnisse bei der Erfüllung des Ferienspiels »Meine Heimat DDR« im Feriensommer 1984 (verliehen vom Leiter eines Pionierhauses). Dem Kollektiv … wird für hervorragende Leistungen beim Aufbau des Sozialismus und bei der Festigung und Stärkung der Deutschen Demokratischen Republik der Ehrentitel »Kollektiv der sozialistischen Arbeit« verliehen.
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Der Wessi und der Ossi Begriffsverwirrung, babylonische! Wie war das doch vor der Wiedervereinigung? Wessi hier der nach Westberlin zugereiste Westdeutsche, ein Provinzler, der sich in die Weltstadt verirrt hatte. Der Ossi, wie wir ihn heute kennen, hieß noch Zoni (nach der sowjetisch besetzten Zone) – auch der standesbewusste Ostberliner fuhr, wenn er die Stadtgrenze ins DDR-Umland überquerte, in die »Zone«. Nach Wende und Wiedervereinigung wurde der Westdeutsche aus der alten Bundesrepublik (vorher Bundi) genannt) zum Wessi und der Zoni zum Ossi, sofern er sich nicht in einer Aufwallung konstruktiver Selbstbezichtigung Dederoni nannte. Da der Wessi alles besser wusste und dem Ossi erklären musste, hieß er bei ihm bald Besserwessi. Und da der Ossi mit manchem Wandel nicht so schnell klarkam und sich darüber beklagte, hieß er beim Wessi Jammerossi. Das Schöne an Klischees ist, dass sie einen wahren Kern haben, darum sind sie ja so haltbar wie ein Zwieback. Und so delikat. Der Ossi im Westen wird überrascht feststellen, dass der Wessi weit heftiger zu jammern versteht als er und meist über Nichtigeres als den Abbruch eines kompletten Landes. Und der Wessi im Osten darf sich mal das Steuer- und Rentensystem erklären lassen: vom Ossi, der hat’s ja gerade frisch gelernt. »Wessi« als typisches DDR-Wort wird immer in der grammatikalisch maskulinen Form verwendet, unabhängig davon, welchen Geschlechts die Person ist, die mit diesem Begriff bezeichnet werden soll. Mit dem »Ossi« verhält es sich genauso; Versuche, mittels der westlich-feministischen »Ossa« die Sprachfront aufzuweichen, werden hiermit für gescheitert erklärt.
Woran man einen Wessi erkennt 1. Er hält das Wort Plaste für einen Singular. Ein Plasteeimer ist aber aus Plast (Singular), nicht aus Plaste (Plural). Woran man einen Wessi erkennt
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2. Er benutzt die Abkürzung Vopo, wenn er sich besonders kompe-
tent über die bewaffneten Organe der DDR äußern will. Meint man die Volkspolizei als Organ, heißt die VP und wird Vaupeh gesprochen, meint man die Polizisten als Individuen, waren sie Polizisten, Bullen oder Büttel, je nach Gemütslage und dem Grad der Wut, die man im Bauch hatte. 3. Er hält Angehörige der Grenztruppen oder der Zollverwaltung für Vopos, was der terminologische Supergau ist, denn erstens hat-
ten die Grenztruppen nichts mit der Volkspolizei zu tun, ebenso wenig wie die Zollverwaltung, und zweitens gab es Vopos im DDR-Sprachgebrauch überhaupt nicht (siehe 2.). 4. Er hält die Sorben für eine ethnische Gruppe in der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Dass in der Lausitz
(wat is dat denn?) eine nationale Minderheit mit dem Namen Sorben wohnt, ist im bislang unbekannt gewesen. 5. Ihm unterläuft der Lapsus, »der Stasi« anstelle von »die Stasi« zu sagen. Das Maskulinum Stasi war die Spezialität eines Journalis-
ten des Senders Freies Berlin, das sich als Abkürzung aus dem (männlichen) »Staatssicherheitsdienst« herleitete. Die Stasi war aber weder ein »Dienst« im westlichen Sinne noch wurde sie in der DDR jemals als Maskulinum im Munde geführt. 6. Er nennt Margot Honecker Ministerin für Volksbildung. Wahr-
scheinlich ist der Wessi in diesem Falle eine Frau oder ein von feministischer Grammatik angegammelter Mann. Das grammatische Femininum für die Bezeichnungen von Dienststellungen war in der DDR nicht nur unüblich, sondern sogar regelrecht falsch. Margot Honecker war die »Genossin Minister« für Volksbildung. 7. Er erzählt einen Honecker-Witz und gibt de Worte Honeckers dabei in sächsischer Mundart wieder. Honecker hatte aber nicht den lei-
sesten Anflug sächsischen Dialekts; er war unüberhörbar Saarländer. 128 |
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8. Er erzählt einen NVA-Witz und nennt dabei einen Vorgesetzten »Herr Oberleutnant«. Die richtige Anrede war in der NVA wie in
allen bewaffneten Organen natürlich »Genosse Oberleutnant«, unabhängig davon, ob der Oberleutnant selbst oder derjenige, der ihn dienstlich ansprach, Mitglied der SED waren. 9. Er schreibt den Trabi mit Doppel-b, also »Trabbi«, weil er nicht
weiß, dass Trabi die Abkürzung von Trabant ist. Tritt der Wessi in dieser speziellen Form auf, weiß er meistens auch gar nicht, dass außer dem Trabi (für ihn: Trabbi) in der DDR auch noch andere Fahrzeuge gebaut wurden. 10. Er schimpft auf die Ostrentner und verkündet am Biertisch, der Ossi habe im Gegensatz zu ihm ja nix eingezahlt. Er meint damit die
gesetzliche Rentenversicherung, aus der, wie er meint, der Ostrentner ungerechtfertigt hohe Renten beziehe. Es ist typisch für den Wessi, dass er sein eigenes Rentensystem nicht versteht. Er glaubt wirklich daran, dass er in einen Topf etwas einzahlt, aus dem er im Alter seine Rente bekommt.
Woran man einen Ossi im Westen erkennt 1. Er sucht im Büro einen Aktendulli. Nachdem seine Kollegen ihn völlig entgeistert angeschaut haben, fällt ihm auf, dass er besser nach einem Heftstreifen hätte fragen sollen. Und zwar einem Heftstreifen aus Pappe oder Kunststoff, mittels dessen sich Blätter, die gleichartige Vorgänge betreffen, nach Art des Schnellhefters zusammenheften lassen, wonach man das so geheftete Konvolut seinerseits in einen Ringordner einhängen kann. Nach dieser umständlichen Erklärung kommt es den Westkollegen so vor, als wäre Aktendulli doch das praktischere Wort gewesen. 2. Er wünscht am Brathähnchenstand einen Broiler zu essen. Wenn man ihn nicht versteht, wird er sich dem türkischen oder iranischen Verkäufer mittels Zeichensprache oder durch Zeigen auf das entsprechende Geflügelteil verständlich machen. Woran man einen Ossi im Westen erkennt
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3. Er lässt sich am Packtisch des Kaufhauses alles in eine Plastetüte packen. Die Damen am Packtisch werfen einander einen verständ-
nisinnigen Blick zu, der sagen will: Wieder so einer von der Firma Plaste und Elaste! 4. Er erkundigt sich in einem Geschäft, ob ein bestimmter Artikel im Angebot sei. Irritiert reagiert er auf die Antwort »Nein«, weil er
den gesuchten Artikel soeben in einem Regal entdeckt hat – da sei er doch. Nun, das schon, wird vielleicht der Verkäufer erwidern, im Regal ja, aber nicht im Angebot. Den Kunden erschüttert ein erstes nervöses Zucken. Ob der Artikel denn nicht zu kaufen sei. Doch, schon, aber er sei eben nicht im Angebot. Worauf der Kunde – nun völlig desorientiert – mit irrem Kichern das Geschäft verlässt. Läuft dieses Szenario ab, traf der westliche Verkäufer auf einen klassischen Dederoni, der unter Angebot Sortiment versteht, während der Westler darunter ein Sonderangebot, also preisgesenkte Ware, versteht. Hätte der Ossi danach fragen wollen, hätte er wissen wollen, ob der Artikel »vergünstigt« ist; das wiederum konnte der westliche Verkäufer nicht wissen usw. 5. Er fragt einen Makler, ob er ihm helfen könne, seine Wohnung zu tauschen. Der Makler bricht daraufhin das Gespräch sofort ab. 6. Zwei Busse hintereinander sind ausgefallen. Er fragt nach dem Dispatcher, um sich zu beschweren und sich zu erkundigen, wel-
che Ersatzverbindung eventuell besteht. Keiner versteht, dass er nach einem Kraftverkehrsmeister gefragt hat. 7. Er bekommt bei Erwähnung von »Hallorenkugeln« feuchte Augen.
Er ist bereit, eine größere Summe Geldes karitativen Zwecken zuzuwenden oder sich in einer Fernsehshow vor aller Welt zum Affen zu machen, nur um sich in den Besitz dieser erlesenen Köstlichkeit zu bringen. 8. Er bezahlt seine Rechnung sofort – oder gar nicht; Letztes nur, wenn er wirklich komplett pleite ist, was leider immer häufiger
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vorkommt. Er lebt nicht so selbstverständlich mit offenen Rechnungen nach dem Motto: Die werden mich schon mahnen, wenn ihnen was an mir liegt. 9. Er kauft in der Kaufhalle ein, obwohl er natürlich weiß, dass es
ein »Supermarkt« ist. Da aber der westliche Supermarkt eigentlich auch nichts anderes ist als die östliche Kaufhalle, nur so als wäre Weihnachten, Ostern, Geburtstag und der Besuch der Westverwandtschaft an einem Tag, hat er gar keinen Anlass, sich von der Kaufhalle zu verabschieden, mit der er aufgewachsen ist. 10. Er fragt in einem Geschäft »Haben Sie …?« Zwar hat man auch
schon gehört, dass Wessis diese Frage stellen, aber dann klingt sie so, dass der Verkäufer sich gefälligst schämen soll, wenn er nicht hat, denn dann trifft ihn die geballte Verachtung des Fragenden. Beim Ossi hingegen stößt man in der Art, wie er diese einfache Frage ausspricht, auf die Sedimente von jahrzehntelangem DDR-Alltag und es schwingt eine ganze Skala von Empfindungen mit, die von der Angst, etwas Begehrtes nicht zu bekommen, über das Aufflackern von Hoffnung bis zu Resignation reichen. Achten Sie also vor allem auf den Ton, in dem diese Frage ausgesprochen wird.
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Quiz: Testen Sie Ihr Wissen! Testen Sie Ihr Wissen. Oder testen Sie das Wissen Ihrer Gäste und Gesprächspartner. Wenn Sie das Buch durchgearbeitet haben, können Sie die Fragen mit Sicherheit (pardon, das war ein Lapsus Linguae, streichen Sie »mit Sicherheit«, wir kommen inzwischen ohne dieses »Ministerium der Liebe« aus) – beantworten. 01. Welche der vier Sportgemeinschaften gab es in Wirklichkeit nicht? a. BSG Empor Tabak Dresden b. BSG Umformtechnik Erfurt c. BSG Schrottannahme Neubrandenburg d. BSG Lok/Armaturen Prenzlau 02. Wie hoch war das Durchschnittseinkommen in der DDR im Jahr 1960? a. 495 Mark b. 558 Mark c. 612 Mark d. 798 Mark 03. Welcher der folgenden vier Produktnamen gehört zu einem Traktor? a. Famulus 36 b. RG 28 c. LO 3000 d. MKF 6 0 4. Zum we gehörte die Personenkennzahl 281207430153? a. Erich Honecker b. Erich Wendt c. Erich Mielke d. Erich Correns 05. Was ist ein Kombinat? a. eine Vollerntemaschine b. eine Kindertagesstätte c. eine Dienstleistungseinrichtung für Reparaturen und Reinigung d. eine Wirtschaftseinheit der Industrie und des Bauwesens
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06. Was bedeutet Zentralorgan? a. ein in der Körpermitte gelegenes Organ b. Führungsstelle aller bewaffneten Organe c. wichtigste Parteizeitung der SED d. die zentrale Parteileitung der SED 07. Was sind Schwarze Husaren? a. unbilanzierte Arbeitskräfte in Volkseigenen Betrieben b. ein Traditionsverband der NVA c. die Reiterstaffel der Deutschen Volkspolizei d. Osterreiter in der katholischen Oberlausitz 08. Was ist die Wurst am Stengel? a. DDR-spezifische Bezeichnung für Hotdog b. Bezeichnung für Thüringer Bratwürste an einem Holzspieß c. eine Art Schaschlikspieß aus verschiedenen Fleischund Wurstsorten d. Bezeichnung für Futtermais 09. Was sind Lausitzer Sorben? a. eine nationale Minderheit im Südosten Deutschlands b. eine vom Aussterben bedrohte Vogelart, die nur noch in der Lausitz vorkommt c. kleine Gewürzgürkchen aus dem Spreewald in der Niederlausitz d. eine spezielle Webtechnik aus der Oberlausitz 10. Welchen Gegenstand bezeichnete man als Picasso-Euter? a. ein Kunstobjekt, ähnlich der Fettecke von Josef Beuys, das auf der IX. Kunstausstellung der DDR gezeigt wurde b. eine tetraederförmige Getränkeverpackung, die vornehmlich für Milch und Milchprodukte benutzt wurde c. eine stark abstrahierte Darstellung von Picassos berühmter Friedenskuh d. künstliches Kuh-Euter für die Melker-Ausbildung
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11. Was ist ein Protokollanstrich? a. der Fassadenanstrich entlang der Protokollstrecke für die höchsten Repräsentanten der Partei- und Staatsführung der DDR b. der erneuerte Außenanstrich des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten c. eine farbige Markierung auf dem Straßenbelag, die bei Besuchen ausländischer Staatsgäste die Einhaltung des diplomatischen Protokolls erleichtert d. Hervorhebung in einem Protokoll oder Bericht mittels eines Längsstriches am Textrand 12. Von welchem jungen Mann welchen Berufsstandes handelt ein seinerzeit sehr bekanntes DDR-Lied? a. Sigmund der Kosmonaut b. Michael der Mechaniker c. Paul der Panzersoldat d. Fritz der Traktorist 13. Was bezeichnet der Name Minol? a. ein Flüssigwaschmittel b. ein Mineralölunternehmen c. ein Moped d. ein Pflanzenschutzmittel 14. Welches Bier wurde nicht in der DDR gebraut und abgefüllt? a. Pilsner Urquell b. Radeberger Pilsner c. Wernesgrüner Pilsner d. Dessower Pilsner 15. Was war laut SED-Propaganda der Arbeitsplatz? a. das erkämpfte Menschenrecht b. ein Ort der Selbstverwirklichung c. Garant für Qualitätsarbeit d. ein Kampfplatz für den Frieden 134 |
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16. Wie hieß das sozialistische Gegenstück zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in der Bundesrepublik Deutschland? a. Sozialistisches Gesetzbuch b. Gesetz über den Ministerrat c. Zivilgesetzbuch d. so etwas gab es gar nicht 17. Was war die Bassow-Methode a. eine Kampagne für mehr Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit am Arbeitsplatz b. eine Technologie der Bassow-Brauerei zur Umgehung des Reinheitsgebots c. sowjetische Erfahrungen bei der Metallbearbeitung mittels Drehen und Fräsen d. eine vom Institut Manfred von Ardenne entwickelte Methode zur Bedampfung von Flachglas 18. Welcher der vier genannten Politiker war niemals Vorsitzender des Staatsrats der DDR? a. Wilhelm Pieck b. Walter Ulbricht c. Willi Stoph d. Erich Honecker 19. Wer war Heinrich Mauersberger? a. Kreuzkantor in Dresden b. Thomaskantor in Leipzig c. Politbüromitglied und ZK-Sekretär für Wirtschaftsfragen d. Erfinder eines Nähwirkverfahrens für Textilien 20. Welches Unternehmen betrieb die Schlaf- und Speisewagen der Deutschen Reichsbahn? a. die HO b. die MITROPA c. die KONSUM-Genossenschaften d. die FORUM-Handelsgesellschaft Quiz
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Anhang Kleine Chronik weniger bekannter Ereignisse 1949 1. 12.: Die FDJ verleiht erstmalig das »Abzeichen für gutes Wissen«. 21. 12.: Umbenennung der Frankfurter Allee in Berlin in Stalinallee. 1950 4. 4.: Das Ministerium für Volksbildung verbietet das öffentliche Abspielen US-amerikanischer Tanzmusik. 15. 5.: Das Walter-Ulbricht-Stadion in Berlin wird fertig gestellt. 14. 7.: Das Denkmal Friedrichs des Großen unter den Linden wird abgebaut und nach Potsdam verbracht. 7. 9.: Der Abriss des Berliner Schlosses beginnt. 1951 2. 1.: Baubeginn für das erste Edelstahlwerk der DDR in Döhlen bei Freital. 14. 1.: Einweihung der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde durch Wilhelm Pieck. 25. 3.: Das erste Straßenradrennen für Frauen wird in der DDR ausgetragen. 26. 5.: Stapellauf des Segelschulschiffs »Wilhelm Pieck«. 26. 8.: Schloss Albrechtsberg in Dresden wird als »Pionierpalast« eröffnet. 19. 9.: Im Eisenhüttenkombinat Ost wird der Hochofen I in Betrieb genommen. 1952 2. 7.: Übergabe der Betriebspoliklinik auf der Volkswerft Stralsund. 21. 7.: Gründung der ersten PGH durch acht Berliner Stukkateure. 22. 7.: Das erste Statut einer LPG wird angenommen. 11. 11.: Eröffnung der Musikhochschule Dresden. 21. 12.: Die ersten 1148 Wohnungen in der Berliner Stalinallee werden feierlich übergeben. 1953 9. 4.: Die Rationierung von Schuhen wird aufgehoben. 15. 5.: Die Rechtsanwälte der DDR werden in Kollegien zusammengefasst. 25. 6.: Die erste Nummer der Frösi (»Fröhlich sein und singen«) erscheint. 7. 10.: Wilhelm Pieck wird als Präsident wiedergewählt. 19. 11.: Neue KfZ-Kennzeichnung, nach Bezirken gegliedert, wird eingeführt. 1954 25. 3.: Die UdSSR gesteht der DDR die volle staatliche Souveränität zu. 3. 9.: Eine allgemeine Preissenkung für Lebensmit-
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tel und Gebrauchsgüter wird durchgeführt. 1. 11.: Die Volkspolizei erhält anstelle der dunkelblauen jetzt grüne Uniformen. 1955 25. 1.: Die UdSSR erklärt den Kriegszustand mit Deutschland für beendet. 17. 3.: Der erste P-70 rollt in Zwickau vom Band. 27. 3.: Erste Jugendweihe in Berlin. 26. 9.: Die Volkskammer verabschiedet das Gesetz über Staatsflagge und Staatswappen der DDR. 1956 1. 1.: Gründung des Kernforschungszentrums Rossendorf bei Dresden. 19. 7.: Der Bezirk Cottbus beschließt ein Spreewald-Sonderprogramm. 23. 10.: Gründung des Büros für Urheberrechte in Berlin. 13. 12.: Die HO eröffnet in Berlin die erste Selbstbedienungsverkaufsstelle für Lebensmittel. 1957 15. 2.: Die erste Nummer der Kinderzeitschrift »Bummi« erscheint. 1. 8.: Ho Chi Minh besucht die Volkswerft Stralsund. 13. 10.: Umtausch der seit 1948 in Umlauf befindlichen Banknoten. 26. 10.: Erster Spatenstich zum Bau des neuen Überseehafens Rostock. 7. 11.: Der erste Trabant rollt in Zwickau vom Band. 13. 11.: Aufnahme des Rundflugdienstes der Deutschen Lufthansa der DDR. 1958 28. 5.: Die Lebensmittelkarten werden abgeschafft. 8. 12.: Die Volkskammer beschließt die Auflösung der Länderkammer. 1959 1. 5.: Das Braunkohlekombinat Schwarze Pumpe produziert die ersten Briketts. 1. 10.: Die Staatsflagge wird geändert und zeigt jetzt das Staatswappen auf Schwarz-Rot-Gold. 1960 1. 1.: Der Zentralzirkus der DDR (bestehend aus »Busch«, »Aeros« und »Berolina«) wird gegründet. 21. 3.: Erste Ausstrahlung des »Schwarzen Kanals«. 12. 9.: Das Amt des Staatspräsidenten wird abgeschafft und durch den Staatsrat ersetzt. 1961 28. 2.: Eröffnung des Armeemuseums im Marmorpalais zu Potsdam. 1. 5.: Jungfernfahrt des FDGB-Urlauberschiffes »Fritz Heckert«. 15. 6.: Walter Ulbricht bestreitet auf einer Pressekonferenz Absichten zum Mauerbau. 14. 11.: In Nacht- und Nebelaktionen werden Stalindenkmäler demontiert und Stalinstraßen umbenannt. 1962 3. 4.: Ruhrepidemie in Berlin. 17. 10.: Gründung der Chopin-Gesellschaft in Leipzig. 15. 11.: Eröffnung der wieder aufgebauten historischen Gaststätte »Zur letzten Instanz«. Chronik
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1963 24. 6.: Das »Neue ökonomische System der Planung und
Leitung« wird beschlossen. 27. 8.: Der Wiederaufbau des Dresdner Zwingers wird abgeschlossen. 5. 10.: Wolf Biermann eröffnet das Berliner Arbeiter- und Studenten-Theater (BAT). 14. 11.: Margot Honecker wird Volksbildungsminister. 1964 2. 1.: Neue Personalausweise werden ausgegeben, die als Staatsangehörigkeit »DDR« ausweisen. 15. 7.: Grundsteinlegung für Halle-Neustadt. 1. 8.: Neue Banknoten mit der Währungsbezeichnung »Mark der Deutschen Notenbank« werden ausgegeben. 1. 10.: Postleitzahlen werden in der DDR eingeführt. 1965 21. 12.: Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern und Aufhebung des Schuldprinzips bei Ehescheidungen. 22. 12.: Beschluss über den Arbeitsfreien Samstag in jeder zweiten Woche. 1966 31. 1.: Produktionsbeginn in der ersten Ausbaustufe von Leuna II. 1. 4.: Das Familiengesetzbuch tritt in Kraft. 16. 4.: Die Frauenhandballmannschaft des SC Leipzig gewinnt den Europacup. 9. 5.: Das erste Atomkraftwerk der DDR in Rheinsberg geht ans Netz. 24. 7.: Die 12. Kinder- und Jugendspartakiade der Sommersportarten wird eröffnet. 1967 21. 1.: Erstes Tischtennis-Turnier der Tausende (TTT) in Berlin. 3. 5.: Ministerrat beschließt Einführung der 5-Tage-Woche (bei 43 Wochenstunden). 31. 5.: In Potsdam wird der Grundstein für den Bau des Interhotels gelegt. 3. 10.: Richtfest auf der Baustelle des Berliner Fernsehturms. 8. 10.: Erste Laufdich-gesund-Veranstaltung in Zwickau. 1968 30. 5.: Die Leipziger Universitätskirche wird gesprengt. 10. 6.: Die Volkskammer verabschiedet das Polizeigesetz. 1969 3. 10.: Das 2. Programm des Deutschen Fernsehfunks beginnt zu senden, und der Berliner Fernsehturm nimmt den Sendebetrieb auf. 19. 11.: Die Puhdys geben ihr erstes Konzert. 1970 1. 1.: Einführung der Personenkennzahl. 1. 7.: Anstelle des »Made in Gemany« wird »Made in GDR« als Warenkennzeichnung eingeführt. 1971 27. 3.: Baubeginn am ersten Atlantik-Supertrawler in der Volkswerft Stralsund. 27. 6.: Erste Folge des »Polizeiruf 110« läuft im DDR-Fernsehen. 1. 7.: Gründung des Plastmaschinen138 |
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werks Schwerin. 15. 11.: Der Deutschlandsender wird in »Stimme der DDR« umbenannt. 1972 29. 1.: Erster »Kessel Buntes« wird ausgestrahlt. 9. 3.: Volkskammer schafft gesetzliche Regelung für die Unterbrechung der Schwangerschaft. 24. 6.: Erstmals Selbstwählfernverkehr zwischen Westberlin und 32 Ortsnetzen in der DDR. 1973 2. 3.: In Berlin wird das erste Parkhaus in der Nähe des Alexanderplatzes eröffnet. 21. 5.: Die ersten fünfgeschossigen Häuser der WBS 70 werden in Berlin-Lichtenberg montiert. 9. 9.: Die DDR übernimmt gegen Devisen Westberliner Müll in die Deponie Groß-Ziethen. 19. 12.: DDR-Bürgern wird der Einkauf mit westlichen Währungen im Intershop erlaubt. 1974 1. 1.: Das Länderkennzeichen »D« bei Kraftfahrzeugen wird durch das Kennzeichen »DDR« ersetzt. 22. 6.: Jürgen Sparwasser schießt das 1 : 0 im WM-Spiel der DDR gegen die Bundesrepublik. 1975 1. 1.: Alle DDR-Zeitungen stellen ihre Sonntagsausgabe ein. 23. 5.: In Berlin-Lichtenberg wird die erste Müllverbrennungsanlage der DDR in Betrieb genommen. 22. 9.: »Renft« (Klaus-Renft-Combo) wird verboten. 1976 25. 4.: Der Palast der Republik wird der Öffentlichkeit übergeben. 30. 7.: Der Mindestlohn wird von 350 auf 400 Mark angehoben. 17. 11.: Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR. 1977 6. 3.: Erste erfolgreiche Lebertransplantation der DDR in Dresden durchgeführt. 20. 6.: Manfred Krug verlässt die DDR. 30. 11.: Die DDR bestellt bei VW 10 000 PKW Golf. 1978 26. 8.: Sigmund Jähn startet als erster Deutscher ins Weltall. 1979 16. 4.: DDR-Bürger dürfen im Intershop nicht mehr mit Westgeld bezahlen, sondern müssen zuvor ihre Devisen in Forum-Schecks umtauschen. 6. 6.: Das Palast-Hotel in Berlin wird eröffnet. 3. 10.: Der Pionierpalast in der Berliner Wuhlheide wird eröffnet. 1980 1. 2.: Erich Mielke wird zum Armeegeneral befördert. 30. 10.: Der visafreie Reiseverkehr mit Polen wird ausgesetzt. 1981 26. 6.: Letztes Todesurteil in der DDR vollstreckt. 8. 10.: Chronik
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Das neue Gewandhaus in Leipzig wird eröffnet. 13. 12.: Besuch Helmut Schmidts in Güstrow. 1982 8. 1.: Erste Veranstaltung der Reihe »Rock für den Frieden« im Palast der Republik. 14. 6.: Der Charité-Neubau wird eingeweiht. 28. 7.: Erster Ro-Ro-Frachter von der Matthias-ThesenWerft Wismar ausgeliefert. 1983 25. 10.: Udo Lindenberg gibt ein Konzert im Palast der Republik. 1984 27. 4.: Der neue Friedrichstadtpalast wird eröffnet. 10.5.: Das NOK der DDR erklärt den Olympiaboykott der DDR in Los Angeles. 19. 5.: Der BFC Dynamo wird zum sechsten Mal in Folge Fußballmeister. 1985 2. 6.: Die Elektrifizierung des Berliner Außenrings der Eisenbahn ist abgeschlossen. 1986 7. 3.: Jugendstudio DT-64 wird in Jugendradio DT-64 umbenannt und ein eigenständiger Sender. 2. 10.: Eisenbahnfährverkehr zwischen Mukran (Rügen) und Klaipeda wird aufgenommen. 1987 9. 4.: Im »Stern« erscheint Kurt Hagers »Tapeten-Vergleich«. 17. 6.: Die Todesstrafe wird offiziell abgeschafft. 15. 12.: Der Berliner Ostbahnhof wird in Hauptbahnhof umbenannt. 1988 31. 3.: Westberlin und die DDR vereinbaren Gebietsaustausch. 18. 1.: Der sowjetische Digest »Sputnik« wird in der DDR nicht mehr ausgeliefert. 21. 11.: Fünf sowjetische Filme antistalinistischen Inhalts werden in der DDR verboten. 1989 19. 1.: Erich Honecker kündigt an, dass die Mauer noch 50 oder auch 100 Jahre stehen werde. 3. 4.: Der Schießbefehl an der Grenze zu Westberlin und zur Bundesrepublik wird ausgesetzt. 7. 5.: Die Ergebnisse der Kommunalwahl werden massiv manipuliert. 7. 12.: Erich Mielke wird verhaftet. 13. 12.: Die Stadtverordnetenversammlung von Berlin erkennt Erich Honecker die Ehrenbürgerrechte ab. 1990 11. 1.: Die Waffenkammern der Staatssicherheit werden geräumt. 20. 1.: Der Verkauf von Mauerteilen beginnt. 12. 3.: Der Runde Tisch verabschiedet einen Verfassungsentwurf für die DDR. 23. 5.: An den Hochschulen und Universitäten werden alle Lehrstühle für Marxismus-Leninismus abgeschafft. 140 |
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Abkürzungen – und was sie bedeuten Abkürzungen waren kein Monopol der DDR. Bürokraten in aller Welt neigen zu umständlichen Bezeichnungen, die abgekürzt werden müssen. Das Wort »Ampel« ist nicht sachgerecht; es muss »Lichtzeichenanlage« heißen, das wird dann LZA abgekürzt. In der DDR wurden Abkürzungen häufiger und selbstverständlicher anstelle der ausgeschriebenen Wörter benutzt, der ABV der VP hatte zum Beispiel den Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei ganz verdrängt. In der Propaganda hieß der westliche Nachbarstaat grundsätzlich BRD, so vermied man das in der ausgeschriebenen »Bundesrepublik Deutschland« enthaltene Wort, das nicht genannt werden durfte. ABF Arbeiter- und BauernFakultät ABI Arbeiter- und BauernInspektion ABM Artur-Becker-Medaille (Auszeichnung der FDJ). ABV Abschnitts-Bevollmächtigter (der Polizei) ACZ Agrochemisches Zentrum AFüSt Ausweichführungsstelle (meist ein Bunker) ASK Armeesportklub ASMW Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung AWA Anstalt zur Wahrung der Aufführungsrechte auf dem Gebiet der Musik AWG Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft AZE Arbeitszeiteinsparung BdVP Bezirksverwaltung der Deutschen Volkspolizei BGL Betriebsgewerkschaftsleitung BHG Bäuerliche Handelsgenossenschaft BPS Bezirksparteischule der SED BRD Bundesrepublik Deutschland BSG Betriebssportgemeinschaft
DFD Demokratischer Frauenbund Deutschlands DFF Deutscher Fernsehfunk DHfK Deutsche Hochschule für Körperkultur und Sport Leipzig DIAMAT Dialektischer Materialismus DMH Dringliche Medizinische Hilfe DSF Gesellschaft für Deutschsowjetische Freundschaft DTSB Deutscher Turn- und Sportbund DWT Dampfwirbelschichttrocknung EKO Eisenhüttenkombinat Ost EKZ Einkaufszentrum EOS Erweiterte Oberschule ESER Einheitliches System der elektronischen Rechentechnik der sozialistischen Länder EVP Einzelhandelsverkaufspreis FDGB Freier Deutscher Gewerkschaftsbund FDJ Freie Deutsche Jugend FKK Freikörperkultur FSU Friedrich-Schiller-Universität Jena Abkürzungen
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FZR Freiwillige Zusatzrentenversicherung GAP Großhandelsabgabepreis GAV Gesellschaftliches Arbeitsvermögen Gewi Gesellschaftswissenschaften GGG Gesetz über die Gesellschaftlichen Gerichte GHG Großhandelsgesellschaft GOL Grundorganisationsleitung GSOR Große Sozialistische Oktoberrevolution GSSD Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland GST Gesellschaft für Sport und Technik GÜSt Grenzübergangsstelle GUvD Gehilfe des Unteroffiziers vom Dienst HISTMAT Historischer Materialismus HO Handelsorganisation HOG HO-Gaststätte HSA Hochschulabsolvent HSG Hochschulsportgemeinschaft HWG Häufig wechselnder Geschlechtsverkehr IAP Industrie-Abgabepreis (ökonomische Kennziffer) IFA Industrieverwaltung Fahrzeugund Automobilbau IGA Internationale Gartenbauausstellung IHS Ingenieurhochschule ISPER Informationsspeicherungsund Informationsgewinnungssystem für eine einheitliche Personendatenbank KAP Kooperative Abteilung Pflanzenproduktion KdT Kammer der Technik (Ingenieurorganisation) KGD Konzert- und Gastspieldirektion KIM 1. Kombinat Industrielle Mast;
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2. Klinik für Innere Medizin KJS Kinder- und Jugendsportschule KMO Karl-Marx-Orden KMU Karl-Marx-Universität Leipzig KWO Kabelwerk Oberspree KWV Kommunale Wohnungsverwaltung LPG Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft LVZ Leipziger Volkszeitung MAS Maschinenausleihstation MEGA Marx/Engels Gesamtausgabe MEW Marx/Engels Werke MfS Ministerium für Staatssicherheit MHO Militärische Handelsorganisation ML Marxismus-Leninismus MLG marxistisch-leninistisches Grundlagenstudium MLU Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg MMM Messe der Meister von Morgen MTS Maschinen-Traktoren-Station NAW Nationales Aufbauwerk NfD Nur für den Dienstgebrauch NÖSPL Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung NSW Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet NVA Nationale Volksarmee OGS Obst Gemüse Speisekartoffeln (Großhandelsgesellschaft) OibE Offizier im besonderen Einsatz Ökulei Ökonomisch-kultureller Leistungsvergleich OWG Gesetz zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten PGH Produktionsgenossenschaft des Handwerks
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PKZ Personenkennzahl PolÖk Politische Ökonomie POS Polytechnische Oberschule PwF Produktionsgenossenschaft werktätiger Fischer PwP Produktionsgenossenschaft werktätiger Pelztierzüchter PWT Plan Wissenschaft und Technik PZV Postzeitungsvertrieb RAK Reise- und Auslandskader RAW Reichsbahnausbesserungswerk RFT Industrieverband Rundfunk und Fernmeldetechnik RGV Raufutter verzehrende Großvieheinheit RGW Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe RKV Rahmenkollektivvertrag ROA Reserveoffiziersanwärter SDAG Sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland SMD Sportmedizinischer Dienst SPK Staatliche Plankommission SPU Schallplattenunterhalter (Diskjockey) Stabü Staatsbürgerkunde (Unterrichtsfach) StGAO Anordnung zum Schutz von Staatsgeheimnissen SWE Sozialistische Wehrerziehung TAKRAF Tagebauausrüstungen, Krane und Förderanlagen (Warenzeichenverband) TBK Tiefbaukombinat Trapo Transportpolizei ÜLV Überbetrieblicher Leistungsvergleich UTP Unterrichtstag in der Produktion
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UvD Unteroffizier vom Dienst VBE Vollbeschäftigten-Einheit VEAB Volkseigener Erfassungsund Aufkaufbetrieb VEB Volkseigener Betrieb VEG Volkseigenes Gut VKE Verkaufseinrichtung VMI Volkswirtschaftliche Masseninitiative VOB Vereinigung organisationseigener Betriebe VPKA Volkspolizei-Kreisamt VVB Vereinigung Volkseigener Betriebe VVO Vaterländischer Verdienstorden VVS Vertrauliche Verschlusssache WBA Wohnbezirksausschuss (der Nationalen Front) WBK 1. Wohnungsbaukombinat; 2. Wehrbezirkskommando WiKo Wissenschaftlicher Kommunismus WKK Wehrkreiskommando WtB Waren des täglichen Bedarfs WTR Wissenschaftlich-technische Revolution WTZ Wissenschaftlich-technisches Zentrum ZBE Zwischenbetriebliche Einrichtung Zentrag Zentrale Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft (Dachgesellschaft der SEDeigenen Betriebe) ZFT Zentrum für Forschung und Technologie ZKD Zentraler Kurierdienst ZPKK Zentrale Parteikontrollkommission (in der SED Parteibehörde, die das statutengerechte Verhalten der Mitglieder kontrollierte) ZWK Zentrales Warenkontor
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Lösungen der Quizfragen: Folgende Antworten sind richtig:
1c, 2b, 3a, 4c, 5d, 6c, 7a, 8d, 9a, 10b, 11a, 12d, 13b, 14a, 15d, 16c, 17a, 18a, 19d, 20b Das bedeuten Ihre Punkte:
20 Treffer: Sie bekommen eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für die neuen Bundesländer. 18–19 Treffer: Man kann nicht alles wissen. 15–17 Treffer: Jeder hat mal einen Aussetzer. 10–14 Treffer: Das ist guter Durchschnitt. 6–9 Treffer: Das ist schlechter Durchschnitt. 3–5 Treffer: Wo haben Sie denn gelebt? Weniger als 3 Treffer: Das soll mir aber nicht wieder vorkommen!
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