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BURGENLAND-ROMANI / ROMAN
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2.2 AKZENT
Das Roman hat einen dynamischen Akzent (stress). Die Akzentstelle ist die vorletzte Silbe eines Wortes, wobei diese Paenultima-Betonung nicht als strikte Regel, sondern – wie die verschiedenen Abweichungen aufzeigen – eher als Tendenz aufzufassen ist: akárav 'ich rufe' barúno 'steinern' scheprúja 'Besen' Bei zweisilbigen Wörtern ist in der Regel die erste Silbe (= vorletzte) akzentuiert: ávas 'wir kommen' físo 'Band' trínto 'dritte' Von den Betonungsabweichungen im Nominalbereich seien hier die Genitivformen erwähnt, bei denen der Obliquusvokal, die vorvorletzte Silbe, betont ist: 4 dajákero gen. zu daj 'Mutter' dadéskero gen. zu dad 'Vater' manuschéngero gen. zu manuscha 'Menschen' Die Endsilbenbetonung im Nominativ und Akkusativ der Personalpronomina 1. und 2. Pers. Pl. amén 'wir/uns', tumén 'ihr/euch' ist höchstwahrscheinlich als Analogie zur Betonung der dreisilbigen Kasusformen zu sehen: aménca 'mit uns', tu- ménca 'mit euch'. Gleiches gilt für das Reflexivpronomen der 3. Pers. Pl.: pumén 'sich'. Die Betonung der dreisilbigen Kasusformen verursacht höchstwahrscheinlich auch die Endsilbenbetonung bei den maskulinen Nomiantivformen der Demonstrativpronomina adá 'dieser' und odá 'dieser, jener'. Abweichend von der Paenultima-Betonung ist weiters die Akzentuierung der Adjektiva auf {itiko}, bei denen der morphemanlautende Vokal betont ist: tsche- chítiko 'tschechisch', felítiko 'verschieden'. Endbetonung haben auch Pronominal-Komposita mit sávo 'welcher', die ursprünglich – ähnlich den Demonstrativpronomina adá und odá – dreisilbig sind und bei denen der durch die Kontraktion (intervokalischer /v/-Ausfall) entstandene wortauslautende Diphthong den Akzent trägt: asáj ← *asávo 'ein solcher' valasáj ← *valasávo 'mancher' adá 'dieser' ← *adáva odá ← *odáva 'dieser, jener' Aus dem Verbalbereich sei hier nur die Endbetonung der 1. Pers. Sg. Futur erwähnt, die zusammen mit allen anderen morphonologisch bedingten Akzentveränderungen im Rahmen der Behandlung der Verba ausführlicher besprochen wird. Sämtliche anderen hier nicht erwähnten Abweichungen von der PaenultimaBetonung werden ebenfalls im Rahmen der Morphologie behandelt. Daß der Akzent im Roman in einigen wenigen Fällen auch phonematisch distinktiv ist, demonstriert das Minimalpaar ákor 'Nuß' : akór 'dann'. 4 Nicht regelhafte Betonungen sind in der weiteren Beschreibung markiert.
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3 MORPHOLOGIE
Primäres Ziel dieses Abschnitts ist es, die Morphologie oder – um die traditionelle Terminologie zu verwenden – die Formenlehre des Roman zu beschreiben. Der Aufbau bzw. die Gliederung folgt in etwa dem Vorbild traditioneller Formenlehren: Nomen und Pronomen, Verb und Partikel. 3.1 NOMEN UND PRONOMEN
Unter dieser Überschrift sind sämtliche deklinablen Wortklassen – Substantiv, Artikel, Pronomen, Adjektiv und Numerale – subsumiert, die auch in dieser Abfolge behandelt werden. Die Kategorien des Nomens sind: – Genus: maskulin : feminin – Numerus: Singular : Plural – Belebtheit: [+ belebt] : −[ belebt] – Kasus: casus rectus : casus obliquus 3.1.1 SUBSTANTIV
Die Kategorie Kasus mit ihrer für alle Nomina geltenden Dichotomie – casus rectus : casus obliquus – bezeichnet Heinschink (1994) im Zusammenhang mit dem daraus resultierenden »zweistufigen Kasussystem« in der Deklination der Substantiva, das sich auch im »Hindi und anderen neuindischen Sprachen wiederfindet«, als »indisches Erbe« des Romani. Zur Illustration dieser Zweistufigkeit das folgende Beispiel nach Heinschink (1994: 119): Nominativ = casus rectus: gav 'Dorf' casus obliquus: gav-es- gav-es-ke 'dem Dorf' Dativ: gav-es-te 'ins Dorf' Lokativ: Ablativ: gav-es-tar 'aus dem /vom Dorf' Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Substantiv-Deklination zwischen dem Roman und dem Romani illustriert die folgende Tabelle: m. Sg./A Obl. -es Dat. -es-ke Abl. -es-tar Lok. Instr. Gen. Vok.
m. Sg./R f. Sg./A f. Sg./R Pl./A -e -a -a -en -es-ke -a-ke -a-ke -en-ge -es-tar -a-tar -a-tar -en-dar Präp. Präp. Präp. Präp. -es-te -a-te -en-de (-es-te) (-a-te) -e-ha -a-ha -en-ca -es-(s)a -a-sa -es-ko(ro) -es-kero -a-ko(ro) -a-kero -en-go(ro) -es-ki(ri) -es-keri -a-ki(ri) -a-keri -en-gi(ri) -es-ke(re) -es-kere -a-ke(re) -a-kere -en-ge(re) = Nom. -(ij)e = Nom. -ale(n) -(ej)a R = Roman; A = nach Boretzky/Igla (1994: 372 f.)
Pl./R -en -en-ge -en-dar Präp. Präp. (-en-de) -en-ca -en-gero -en-geri -en-gere = Nom.
Der auffälligste Unterschied zwischen dem Romani im allgemeinen und dem Roman ist der Vokativ-Verlust. Abgesehen von einigen fossilierten Formen – roma 'Rom!', phrala 'Bruder!' – wird ausschließlich die Nominativform verwendet. 7
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Akkusativ und Dichotomie [ belebt]
Der Akkusativ, der Kasus des direkten Objekts, ist Träger der Dichotomie [ ± belebt]. Bei belebten Sustantiva ist er immer gleich dem Obliquus und hat im mask. Sg. die Endung /-e/, fem. Sg. /-a/, Pl. /-en/: rom Nom.: 'Mann/Rom' [+ belebt] Akk. = Obl.: rome Nom.: phen 'Schwester' [+ belebt] Akk. = Obl.: phenja Nom.: manuscha 'Menschen' [+ belebt] Akk. = Obl.: manuschen Der Akkusativ unbelebter Substantiva ist in der Regel immer gleich dem Nominativ: tor Nom.: 'Axt' [− belebt] Akk. = Nom.: tor len Nom.: 'Fluß' [− belebt] Akk. = Nom.: len botschkori Nom.: 'Schuhe' [− belebt] Akk. = Nom.: botschkori Logischerweise sind alle Personen bzw. Menschen [+ belebt] und alle Dinge und Sachen [− belebt], wobei es jedoch eine Art soziokulturell determinierten Übergangsbereich gibt: Bei Tieren ist beispielsweise 'Pferd' [+ belebt], Nom.: gra , Akk.: graste , 'Käfer' hingegen [− belebt], Nom. = Akk.: bogari . Dativ
Der Dativ, der Kasus des indirekten Objekts, wird in der Regel gleich wie im Romani gebildet: mask. Sg. /-es-ke/, fem. Sg. /-a-ke/, /- a-ke/, Pl. /-en-ge/: Ov le pajtascheske parikerel. 'Er dankt dem Freund.' Ov la dschuvlake parikerel. 'Er dankt der Frau.' Ov le raklenge parikerel. 'Er dankt den Buben.' Wie aus einem Text von Knobloch (1953: 30) ersichtlich, wird statt Dativ manchmal der analytische Präpositionalkasus verwendet: raj fir o cilo Burgenland 'Herr für das ganze Burgenland' Solche analytischen Bildungen – Präposition + Nominativ – werden von kompetenten Romansprechern in der Regel als »Deutsch« klassifiziert und durch synthetische Dativkonstruktionen »korrigiert«: raj le cile Burgenlandeske 'Herr für das ganze Burgenland' Genitiv
Von den Möglichkeiten der Genitivbildung im Romani, nämlich einsilbige Kurzformen und/oder zweisilbige Langformen, treten im Roman ausschließlich Langformen bzw. zweisilbige Morpheme auf: Sg. {/kero/keri/kere/}, Pl. {/gero/geri/gere/}. Der Genitiv hat – wie die Numerus- und Genusdifferenzierung andeutet – eine Sonderstellung. Er wird formal wie ein Adjektivattribut behandelt und kongruiert mit dem jeweiligen Bezugsnomen in Genus und Numerus: 8
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'das Auto des Vaters' 'mit dem Auto des Vaters' 'die Bürste der Mutter' 'mit der Bürste der Mutter' 'die Fahrräder der Buben' 'mit den Fahrrädern der Buben'
le dadéskero auteri le dadéskere autoreha la dajákeri kefa la dajákera kefaha le rakléngere kereki le rakléngere kerekenca
Der bestimmte Artikel kongruiert in der determinierten Nominalphrase mit dem Possessivattribut und hat die obliquue Form. Ausnahme hiervon sind Nominalphrasen mit Possessivattribut, die in etwa deutschen Substantivkomposita entsprechen: i kanéskeri karika 'der Ohrring' o dandéngero badari 'der Zahnarzt' Instrumental / Soziativ
Die Singularformen des Instrumental, der auch als Soziativ fungiert, unterscheiden sich vom Romani durch den Prozeß /-VsV/ → /-VhV/: mask. Sg. /-es+sa/ → /-eha/, fem. Sg. /-a+sa/ → /-aha/. Die Pluralendung ist gleich dem Romani: /-enca/. Le vasteha marel. 'Er/sie schlägt mit der Hand.' Le svirenca buti keras. 'Wir arbeiten mit den Hämmern.' Beispiele für den Soziativ: Pre phraleha khelel Le pajtaschenca buti keren.
'Er spielt mit seinem Bruder.' 'Sie arbeiten mit den Freunden.'
Ablativ
Den romani-spezifischen synthetischen Bildungen des Ablativs, des Kasus der Herkunft und des Ursprungs mit den Endungen mask. Sg. /-es-tar/, fem. Sg. /-atar/, Pl. /-en-dar/, stehen im Roman analytische Bildungen gegenüber: gegenüber: barestar : andro bar 'aus/von Stein' daratar : andri dar 'aus Angst' gavendar : andro gava 'aus/von den Dörfern' Von Sprechern aller Altersgruppen werden beide Formen gleichermaßen akzeptiert, jedoch unterschiedlich oft verwendet: Je älter der Sprecher, desto häufiger ist die synthetische Bildung, manche jüngere, ungeübte Sprecher verwenden hingegen fast ausschließlich die analytische Bildung, den Präpositional. Eine Besonderheit ist die Verbindung der aus dem deutschen Dialekt entlehnten Präposition fa 'von' mit Ablativ bei Herkunftsangaben, wodurch sich drei konkurrierende Bildungsweisen ergeben: Erbatar : andar i Erba : fa Erbatar 'von/aus Oberwart' Lokativ
Eine Stufe fortgeschrittener im Abbau der synthetischen Bildungsweise ist der Lokativ, der Orts- und Richtungskasus mit den Endungen mask. Sg. /-es-te/, fem. Sg. /-a-te/, Pl. /-en-de/. Abgesehen von der Sprachverwendung der »Alten«, die 9
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noch relativ häufig Lokativformen verwenden, was ein Hinweis darauf ist, daß der Abbau der synthetischen Formen eine relativ junge Entwicklung ist, werden von der Mehrzahl jüngerer Sprecher nur noch lexikalisierte, fossilierte Formen verwendet, wie beispielsweise manuschende 'bei den Menschen'. Lokativformen bilden weiters integrierte Ortsnamen, Ort snamen, wie: Betschiste 'in / nach Wien' Erbate 'in / nach Oberwart' Pronomina bilden den Lokativ analytisch in der Form Präposition + Lokativ: use tute 'bei dir' use leste 'bei ihm' use amende 'bei uns' Bei den sonstigen Substantiva ist der Lokativ durch den Präpositional in der Form Präposition + Nominativ ersetzt: Ando Ungriko ladas . 'Wir fahren nach Ungarn.' O kher meri len terdschol. 'Das Haus steht neben dem Bach.' On priki granica atschen. 'Sie wohnen über der Grenze.' SUBSTANTIVKLASSEN
Was die Einteilung der Substantivea des Roman in Klassen anbelangt, ist wiederum die Trennung in Erbwort und Lehnwortschatz von Bedeutung. Maskulina
In der folgenden Auflistung der Maskulingklassen sind mA und mB die Erbwortdeklinationen, mC bis mG die der jüngeren Entlehnungen: Sg. Sg. Sg. mB Sg. mC Sg. Sg. mA
mD Sg. Sg. mE Sg. mF Sg. mG Sg.
/-C/ /-Diphtong/ /-o/ /-oro/ /-o/ /-i/ /-ari/ /-eri/ /-aschi/ /-oschi/ /-C/ /-o/ /-u/ /-l/
beng raschaj khoro tschavoro grofo kirali badari dineri genaschi botoschi farajn felhó fatschú schnicl
benga raschaja khore Pl. /-e/ tschavore Pl. /-ore/ Pl. /-i/ grofi kiraltscha Pl. /-tscha/ badartscha /-artscha/ Pl. /-ertscha/ dinertscha Pl. /-aschtscha/ genaschtscha /-oschtscha/ botoschtscha farajntscha Pl. /-tscha/ felhovtscha Pl. /-ovtscha/ fatschuvtscha /-uvtscha/ schniclini Pl. /-lini/
Pl. /-a/
'Teufel' 'Priester' 'Krug' 'Bübchen' 'Graf' 'König' 'Arzt' 'Diener' 'Leser' 'Kaufmann' 'Verein' 'Wolke' 'Kind' 'Schnitzel'
Die Deklination der beiden Erwortklassen zeigt die folgende Tabelle, wobei anzumerken ist, daß der synthetische Lokativ zwar möglich, in der Regel jedoch durch den analytischen Präpositional in der Form Präposition + Nominativ ersetzt ist: 10
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Sg. Pl. Sg. Nom. manusch manuscha raklo manuschen rakle Akk. manusche Dat. manuscheske manuschenge rakleske Abl. manuschestar manuschendar raklestar Lok. manuscheste manuschende rakleste manuschenca bureha Instr. manuscheha Gen. manuschéskero manuschéngero buréskero manusch 'Mensch'; raklo 'Bursch'
Pl. rakle raklen raklenge raklendar raklende raklenca raklengero
Die Lehnwortdeklinationen unterscheiden sich einerseits im Wegfall des Lokativs, der immer durch den Präpositional ersetzt wird, andererseits durch die Angleichung des Singular-Obliquusvokals an den vokalischen Nominativauslaut, wodurch aufgrund der Verhauchung – s-Ausfall im absoluten Auslaut – auch der Akkusativ belebter Substantiva gleich dem Nominativ ist. Singular Nom. dego kovatschi traktor butschu kovatschi traktor butschu Akk. dego Dat. degoske kovatschiske traktoriske butschuske Abl. degostar kovatschistar traktoristar butschustar kovatschiha traktoriha butschuha Instr. degoha Gen. degóskero kovatschískero traktorískero butschúskero dego 'Gauner', kovatschi 'Schmied', traktor 'Traktor', butschu 'Kirtag' Irreguläre Maskulina o srasta 'Eisen' mit /-a/ im Nom. Sg. und /-i/ Nom. Pl. Endung. In den Irregulär ist o srasta Singular-Kasusformen hat srasta in der Regel das Maskulin-Obliquus-Morphem /-es-/. Bei o koja 'das Ding, die Sache' tritt in der Regel das Feminin-ObliquusMorphem /-a-/ auf. Bei o verda 'der Wagen' steht zumeist eine Mischform des Obliquus-Morphems, nämlich /-as-/:
Nom. = Akk. srasta srasteske Dat.
verda verdaske
koja kojake
Ebenfalls irregulär sind die Nominativformen von o pani 'das Wasser' und o moji 'der Amboß' (Pl. pana, moja ), ), die nach dem Muster der Maskulina deklinieren. 5 Nom. = Akk pani paneske Dat.
moji mojeske
Aufgrund der Nom. Sg. Endung /-i/ und in Analogie zu den maskulinen Lehnwortklassen treten bei beiden Substantiva Kasusvarianten auf, wie beispielsweise: mojeske : mojiske 'dem Amboß' paneha : paniha 'mit dem Wasser' 5
Anzumerken ist, daß es sich bei pani um eine subgruppenspezifische Variante von paj handelt.
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Gleiches gilt für das Substantiv armi 'Sauerkraut', das jedoch aus semantischen Gründen keinen Plural bildet. Grundsätzlich der Klasse mA sind die drei Lexeme di 'Tag', gra 'Pferd' und va 'Hand' zuzurechnen, deren konsonantischer Auslaut nur im Nom. Sg. verloren gegangen ist. gra va Nom. = Akk. di diveske grasteske vasteske Dat.
Auch die Pluralformen bewahren den urprünglichen Stammauslaut und haben regelmäßige Endung: divesa , grasta , vasta , wobei in letzterem Fall eine Variante ohne Stammauslaut und Pluralendung auftritt, die gleich dem Nom. Sg. va ist. Ebenfalls nur im Nom. Sg. weicht tschau 'Bub, Sohn' ab, das in allen anderen Kasusformen nach der zur Klasse mB gehörigen Vollform tschavo dekliniert. Irreguläre Pluralformen – Nom. Pl. = Nom. Sg. – haben bal 'Haar, Haare' und dand 'Zahn, Zähne'. Bei Einzelangaben im Nom. Sg. wird zur Disambiguierung meist die Kardinalzahl jek 'eins' als Quantifikator vorangestellt: jek bal 'ein Haar' jek dand 'ein Zahn' Wie das oben erwähnte armi 'Sauerkraut' bilden mehrere andere Maskulina aus semantischen Gründen keinen Plural, wie beispielsweise: dschiv 'Schnee' dschiv 'Weizen, Getreide'6 khas 'Heu' phus 'Stroh' rup 'Silber' rusch 'Trotz' somnak 'Gold' thud 'Milch' Abstrakta
Ebenfalls durchwegs maskulin sind die Abstrakta des Roman, bei denen dem ererbten Derivationssuffix /-ipe/ das aus dem Ungarischen entlehnte /-(t)schago/ gegenübersteht, bei dem der Oliquusvokal ebenfalls an den vokalischen Nominativauslaut assimiert wird: birovtschagostar 'vom Amt'. soharipe AB1 Sg. /-ipe/ Pl. /-iptscha/ sohariptscha 'Heirat' /-schago/ kiralschago /-schage/ kiralschage 'Königreich' AB2 Sg. Pl. /-tschago/ birovtschago /-tschage/ birovtschage 'Amt' Feminina
Bei den Feminina lassen sich ebenfalls Erbwortklassen – fA & fB – von Lehnwortklassen – fC & fD – unterscheiden, wobei – neben der Lokativmöglichkeit bei Erbwörtern – nur die Nominativendungen als Unterscheidungskriterium fungieren. 6
'Schnee' und 'Weizen' sind Homonyme: dschiv < *giv (< pk. gohu ma < ai. godhu ma 'Weizen') dschiv < *(j)iv (< pa. & ai. hima 'Kälte, Frost, Schnee').
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Sg. Sg. Sg. fB Sg. Sg. fC Sg. Sg. fD Sg. fA
/-C/ /-Diphtong/ /-i/ /-ori/ /-a/ /-ina/ /-kija/ /-C/
len daj kuni dschuvlori baba gaslina genaschkija roas
lenja daja /-a/ kunja /-ora/ dschuvlora babi /-i/ gaslini /-ini/ genaschkiji /-kiji/ /-tscha/ roastscha
Pl. /-a/ Pl. Pl. Pl. Pl. Pl. Pl.
'Fluß' 'Mutter' 'Ellenbogen' 'Frauchen' 'Großmutter' 'Gasse' 'Leserin' 'Reise'
Die Feminindeklination von Erbwörtern – phen 'Schwester'– und von Lehnwörtern – banda 'Musikgruppe' – zeigt die folgende Tabelle, wobei anzumerken ist, daß es wie im Fall von phenja häufig zu Palatisierung vor dem Plural- und Obliquusvokal /a/ kommt, die dann, was den Plural anbelangt, auf alle Formen übertragen wird: Sg. Nom. phen Akk. phenja Dat. phenjake Abl. phenjatar Lok. phenjate Instr. phenjaha Gen. phenjákero
Pl. phenja phenjen phenjenge phenjendar phenjende phenjenca phenjéngero
Sg. banda banda bandake bandatar
Pl. bandi bandi bandenge bandendar
bandaha bandenca bandákero bandéngero
Irreguläre Feminina
Irregulär ist nur jak bzw. tschak 'Auge' mit dem Plural atscha , das regelhaft nach der Klasse fA dekliniert. Aus semantischen Gründen keinen Plural haben u. a: bast / bibast 'Glück / Unglück' bok 'Hunger' boba 'Mais' lim 'Rotz' mel 'Schmutz' schil 'Kälte, Frost' trusch 'Durst' tschik 'Dreck, Kot' Kollektiva
Substantiva, die formal maskuline oder feminine Plurale sind und semantisch gesehen entweder Kollektiv- oder Singular-Bedeutung haben, sind u. a.: duka ← duk ← 'Schmerz' (f.) 'Wehen' ← karo kare (m.) 'Dornenhecke' ← 'Dorn' mirikli ← mirikla (f.) 'Perlenkette' ← 'Perle' dschene ← dscheno (m.) ← Person (m.) 'Leute' portscha ← pori (f.) 'Eingeweide' ← 'Darm' sirimtscha ← sirimi ← 'Riemen' (m.) 'Zügel' 13
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3.1.2 ARTIKEL
Der bestimmte Artikel dekliniert nach der Kategorie Genus und der Kategorie Kasus – casus rectus : casus obliquus – und hat sowohl im Singular, maskulin und feminin, als auch im Plural jeweils Nominativ- und Obliquusformen. m. Sg. f. Sg. Pl. i o Nom. o Obl. le la le Die Verwendung des definiten Artikels als Kontext-Marker bzw. als Determinator zeigen die folgenden Beispiele: 'Ich fragte den Mann.' 'Der Großvater liebt die Kinder.'
Le murschestar phutschlom. O papu le fatschun f atschun kamel .
Determinierte Nominalphrasen in Funktion des direkten Objekts, das an sich Akkusativ erfordert, stehen häufig dann im Nominativ, wenn semantisch oder aufgrund des Kontexts die Subjekt- und Objektfunktion eindeutig sind: 'Der Arbeiter sucht den Hammer.' 'Der Nachbar schlägt den Hund.'
O butschaschi o sviri rodel. O nochberi o dschukel marel.
Direkte Objekte im Nominativ sind bei unbelebten Substantiva logischerweise die Regel. Unbelebte determinierte Substantiva in anderen Kasus als dem Akkusativ erforden jedoch durchwegs die obliquue Form des Artikels: Arti kels: 'Sie arbeitet mit dem Messer.' 'Er arbeitet mit den Händen.'
Oj la tschuraha buti kerel. Ov le vastenca buti kerel.
Indeterminierte Nominalphrasen sind in der Regel artikellos: 'Ich besitze ein Haus.' 'Ich frage einen Mann.'
Man kher hi. Murschestar phutschav.
Die Kardinalzahl jek 'eins' in der Funktion des unbestimmten Artikels wird in Übertragungen aus dem Deutschen verwendet, in spontansprachlichen Texten fungiert jek hingegen als Quantifikator bzw. nach dem deutschen Vorbild ein gewisser : 'Ich besitze ein (einziges) Haus.' 'Ein gewisser Mann kam gestern.'
Jek kher man hi. Jek mursch idsch alo. 3.1.3 PRONOMEN Personalpronomen
Die Personalpronomina sind – wie Possessiva und Reflexiva – neben den anderen Nominalkategorien zusätzlich durch die Kategorie Person gekennzeichnet: 1., 2., 3. Sg. und Pl., wobei die 3. Sg. in maskulin und feminin differenziert ist.
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1.Sg. Nom. me Akk. man Dat. mange Abl. mandar Lok. mande Instr. manca
2.Sg. tu tut tuke tutar tute tuha
3.Sg.m. ov le leske lestar leste leha
3.Sg.f. oj la lake latar late laha
1.Pl. amén amén amenge amendar amende amenca
2.Pl. tumén tumén tumenge tumendar tumende tumenca
3.Pl. on len lenge lendar lende lenca
Neben ov, oj, on werden in der 3. Person auch klitische Formen verwendet, die wie die regelhaften Nominative obiger Suppletivparadigmata erscheinen: m. Sg. f. Sg. Pl. li le Nom. lo Die ausschließlich anaphorische Verwendung dieser Sekundärformen, die funktional als Wiederaufnahme bzw. Verdeutlichung des Besprochenen zu interpretieren ist, zeigt das folgende Beispiel: O mursch leske cuj diklahi. 'Der Mann schaute ihm zu.' (längere Sprechpause)
'Dann sagte er ...'
Akor lo phentscha ... Possessivpronomen
Possessiva kongruieren in Numerus und Genus mit dem »Besitz«. Sie werden formal, da hauptsächlich attributiv verwendet, wie Adjektiva behandelt; d. h. daß abgesehen vom Nominativ vor allen Kasus die Obliquusform als Attribut steht. 1. P. Sg. Nom. Obl. 2. P. Sg. Nom. Obl. 3. P. Sg. m. Nom. Obl. 3. P. Sg. f. Nom. Obl. 1. P. Pl. Nom. Obl. 2. P. Pl. Nom. Obl. 3. P. Pl. Nom. Obl.
m. Sg. mro mre m. Sg. tro tre m. Sg. léskero léskere m. Sg. lákero lákere m. Sg. amaro amare m. Sg. tumaro tumare m. Sg. lengero lengere
f. Sg. mri mra f. Sg. tri tra f. Sg. léskeri léskera f. Sg. lákeri lákera f. Sg. amari amara f. Sg. tumari tumara f. Sg. lengeri lengera
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Pl. mre mre(n) Pl. tre tre(n) Pl. léskere léskere(n) Pl. lákere lákere(n) Pl. amare amare(n) Pl. tumare tumare(n) Pl. lengere lengere(n)
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Reflexives Possessivpronomen
In der 3. Pers. sind eigenständige reflexive Possessivpronomina in Verwendung: 3. P. Sg. Nom. Obl. 3. P. Pl. Nom. Obl.
m. Sg. pro pre m. Sg. pumaro pumare
f. Sg. pri pra f. Sg. pumari pumara
Pl. pre pre(n) Pl. pumare pumare(n)
'Er liest sein (eigenes) Buch.' 'Er liest (xy) sein Buch.'
Ov pri kenva genel. Ov leskeri kenva genel. Reflexivpronomen
Die Formen der 3. Pers. zeigt die folgende Tabelle: Akk. Dat. Abl. Lok. Instr. Gen.
Sg. pe peske pestar peste peha péskero
Pl. pumen pumenge pumendar pumende pumenca puméngero 'Der Hund kratzt sich.' 'Sie waschen sich.'
O dschukel harul pe. On thon pumen.
Als Reflexipronomina der 1. 2. Pers. werden die Personalpronomina verwendet. Me harujav man. 'Ich kratze mich.' Amen dschilas amenge. 'Wir singen für uns.' Demonstrativpronomen
Von der Verwendung her kann man die Demonstrativ-Pronomina des Roman – adá/odá – nicht analog dem Deutschen in Nah- und Fernpronomen unterscheiden. Adá hat in etwa die Bedeutung 'dieser bestimmte', fungiert somit als Intensifikator bzw. hat emphatische Funktion. Odá steht sowohl in der Bedeutung 'dieser' als auch 'jener' und hat – wie das folgende Beispiel zeigt – in der Regel anaphorische Funktion. Die folgende Tabelle zeigt die Formen der beiden Demonstrativpronomina in substantivischer Verwendung: Sina jek dschuvli taj jek mursch. 'Es waren ein Mann und eine Frau. Odolen sina deschudúj fatschuvtscha . Diese hatten zwölf Kinder.' Demonstrativpronomen werden sowohl substantivisch als auch adjektivisch verwendet. In attributiver Verwendung stehen, nachdem die Demonstrativa ebenso wie die Possessiva formal als Adjektiva fungieren, die folgenden Formen, wobei die Variantenschreibung andeutet, daß hier die Tendenz zu einer genus- und numerusindifferenten Obliquusform besteht: 16
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m. Sg. f. Sg. Pl. m. Sg. f. Sg. Pl. Nom. adá aja adala odá oja odala Obl. adale adala/-e adale(n) odole odola/-e odole(n) Schon eher der Unterscheidung in Nah- und Fernpronomen entspricht der semantische Unterschied zwischen adá/odá und ka , das für den Anderen, vom Sprecher aus gesehen räumlich und emotional Entfernten, steht. Die attributiven Formen von ka , für die dasselbe gilt wie für die von adá/odá , sind die folgenden: f olgenden: m. Sg. f. Sg. Pl. Nom. ka kija kole kola/-e kole(n) Obl. kole Im attributiven Gebrauch des Demonstrativpronomens asavo/asáj 'so einer' wird in der Regel nur die aufgrund der intervokalischen /v/- Elision entstandene Form asáj verwendet, die man als indeklinables attributives Demonstrativum auffassen kann: Asáj dschuvli suboton ali. 'So eine Frau kam am Samstag.' Asáj gavestar avav. 'Aus so einem Dorf komme ich.' Als letztes Demonstrativum ist atschi 'soviel' zu nennen, das in attributiver Funktion ebenfalls als indeklinabel aufzufassen ist. Da es sich um einen Plural handelt, gibt es (theoretisch) nur zwei Formen – Nom. atschi , Obl. *atsche(n) – die beide als atschi realisiert werden: atschi murscha 'soviele Männer' atschi murschenca 'mit sovielen Männer' Relativpronomen
Bei den Relativa gibt es zwei Formen: eine Bildung mit indeklinablem so + Personalpronomen und das Pronomen savo 'welcher, der'. m. Sg. f. Sg. Pl. savi save Nom. savo Akk. save save saven Dat. saveske savake savenge Die häufiger verwendete Form des Relativpronomens ist eine Lehnprägung nach deutsch-dialektalem Vorbild – so bedeutet 'was' –, wie beispielsweise: O mursch, so le diklom, ... 'Der Mann, den (was) ich gesehen habe, ...' Odá, so leha li vakerel, ... 'Der, mit dem (was) sie spricht, ...' Interrogativpronomen
Die Interrogativa ko 'wer' und so 'was' unterscheiden sich nach [ ± belebt]. [+ belebt] Nom. ko Akk. kas Dat. kaske 17
[− belebt] so so soske
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Attributiv und substantivisch wird savo in der Bedeutung 'welcher' verwendet, wobei attributiv fast ausschließlich nur die indeklinable Kontraktionsform saj gebraucht wird. Saj murschen prindschartschal? 'Welche Männer hast du gekannt?' Save dikéhahi? 'Welchen hast du gesehen?' Zu den Interrogativa ist weiters kitschi 'wieviel' zu rechnen, das – ebenso wie sein Gegenstück atschi 'soviel' – attributiv als indeklinabel zu werten ist, substantivisch hingegen auch Singularkasus mit dem Obiquusvokal /-i/ bildet: bildet : Kitschi murschen díklahi? 'Wieviele Männer hat er gesehen?' Kitschiske odá biknes? 'Für wieviel verkaufst du das?' Indefinitpronomen
Die Indefinitpronomina gliedern sich nach ihrer Semantik in drei Gruppen: — Unbestimmtheit: 'jemand, irgendwas, irgendwelcher' irgendwelcher' — Abwesenheit: 'niemand, nichts, kein solcher/nicht so einer' — Gesamtheit: 'alle, alles, jeder' Innerhalb der ersten beiden Gruppen sind Pronominalsubstantiva von Pronominaladjektiva zu unterscheiden. Die Pronomina mit der Bedeutung 'jemand, irgendwas, irgendwelcher' setzen sich aus dem ungarischen Präfix vala und den Interrogativpronomina ko, so und savo zusammen, wobei die beiden Pronominalsubstantiva valako 'jemand' und valaso 'etwas, irgendwas' sich in der Kategorie [ ±belebt] unterscheiden, während das Pronominaladjektiv valasavo 'irgendwelcher' kategorieneutral ist. [+ belebt] Nom. válako Akk. válakas Dat. valakaske
[− belebt] válaso válaso valasoske
Beim Pronominaladjektiv valasavo tritt in attributiver Verwendung in der Regel nur die Kontraktionsform valasáj auf: Valasáj mursch alo. 'Irgendein Mann kam.' Valasáj dschuvlaha fuat gelo. 'Er ging mit irgendeiner Frau fort.' Die Indefinitpronomina für 'niemand, nichts, kein solcher' setzen sich aus dem slawischstämmigen Präfix ni und den Interrogativpronomina ko, so bzw. dem Demonstrativum asavo zusammen Die Form *niso ist aufgrund der oliquuen Kasusformen erschlossen und wird nicht verwendet. Sie ist durch das sslaw. Lexem niš- ta , Roman nischt(a), ersetzt. [+ belebt] [− belebt] nischt(a) Nom. niko nischt(a) Akk. nikas Dat. nikaske nisoske niko 'niemand'; nischta 'nichts' 18
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Im attributiven Gebrauch wird die Kontraktionsform nisaj gebraucht. Nisaj mursch adáj hi. 'Kein solcher Mann ist da.' Nisaj dschuvlaha khelahi. 'Ich tanzte mit keiner solchen Frau.' Was die 'Gesamtheit' anbelangt, tritt in der Funktion des unbelebten Pronominalsubstantivs das indeklinable sa 'alles' auf, welches auch attributiv verwendet wird: Sa pujsto hi. 'Alles ist hin (kaputt).' Sa diklom. 'Ich habe alles gesehen.' Sa le trinenca buti kertschom. 'Mit allen dreien arbeitete ich.' Als belebtes Pronominalsubstantiv 'alle' fungieren die substantivischen Pluralformen des Pronominaladjektivs cilo : Cilenca na vakerav. 'Mit allen rede ich nicht.' Cilenge na muschika kerav. 'Für alle musiziere ich nicht.' Als Adjektiv hat cilo die Bedeutung 'ganz', wobei im Obliquus wiederum die Tendenz zu einer numerus- und genusindifferenten Form auf /-e/ besteht. m. Sg. f. Sg. Pl. cili cile Nom. cilo cila/-e cile(n) Obl. cile Cilo di pujsto hi. 'Der ganze Tag ist hin.' Cile manuschenca avral terdschijom. 'Mit allen Leuten stand ich draußen.'
Ebenfalls als Pronominaladjektiv wird sako 'jeder' verwendet: m. Sg. f. Sg. Pl. Nom. sako saki sake Obl. sake saka/-e sake(n) 'Jeden Tag arbeite ich.' 'Er fährt mit jedem Wagen.' 'Zu jedem geht er nicht.'
Sako di buti kerav. Sake auteriha ladel. Use sakeste na dschal. Adjektiv
Wie im vorigen Abschnitt angedeutet, sind Pronomina und Adjektiva nicht klar voneinander abzugrenzen. So sind die zuletzt behandelten cilo und sako strukturell-funktional Adjektiva, semantisch gesehen Pronomina, weshalb sie auch als Pronominaladjektiva bezeichnet werden. Umgekehrt müßten, würde man ausschließlich semantische Kriterien anwenden, manche unter die Wortklasse der Adjektiva subsumierte Lexeme wie but 'viel' und tschulo 'wenig' zu den Pronomina gerechnet werden. Die Adjektiva lassen sich in zwei Gruppen unterscheiden: 1. in deklinable deklinable Adjektiva wie tschulo, kalo 'schwarz' und 2. in indeklinable Adjektiva wie but , schukar 'schön', wobei die Subgruppe der Lehnadjektiva aus dem Deutschen unterschieden werden muß. kalo gra 'schwarzes Pferd' (dekl.) schukar gra 'schönes Pferd' (indekl.) brauni gra 'braunes Pferd' (indekl. LW) 19
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Deklinable Adjektiva
Im attributiven Gebrauch haben die deklinablen Adjektiva Genus-, Numerus- und partielle Kasuskongruenz mit dem Bezugsnomen; d. h. vor allen obliquuen Kasus steht das Adjektivattribut immer im Obliquus. m. Sg. f. Sg. Pl. Nom. tikno tikni tikne Obl. tikne tikna tikne(n) 'mein kleiner Bruder' 'meine große Schwester' 'meine jungen Katzen'
mro tikno phral mri bari phen amare terne matschki
Die prädikative Verwendung zeigen die folgenden Beispiele: O raklo thulo hi. 'Der Bub ist dick.' O raklo thule hi. Mri daj nasvali hi. 'Meine Mutter ist krank.' Mri daj nasvale hi. Wie die Varianten in den Beispielen zeigen, können Adjektiva in prädikativer Verwendung auch in einer genus- und numerusindeterminierten »Neutralform« auf /-e/ gebraucht werden. Die beiden Möglichkeiten stehen in der heutigen Sprachverwendung gleichberechtigt nebeneinander. Nur im kotextabhängigen anaphorischen Gebrauch werden – wie das folgende Beispiel demonstriert – fast immer die genus- und numerusdifferenzierenden Formen verwendet: Sina jek mursch taj jek dschuvli. Ov 'Waren ein Mann und eine Frau. Er kalo taj schukar sina. Oj parni taj war schwarz und schön. Sie war blond schukar sina . und schön.' Im substantivischen Gebrauch flektieren die Adjektiva nach dem Muster der femininen und maskulinen Erbwortklassen B. Den anaphorisch-substantivischen Gebrauch zeigt das folgende Beispiel: Tikni tschaj taj baro tschau man hi. 'Ich habe eine kleine Tochter und einen La tiknaha khere khelav taj le bareha großen Sohn. Mit der Kleinen spiele ich meresch ando vesch schetalinav. zu Hause und mit dem Großen spaziere ich gerne im Wald.' Im genusindifferenten, allgemeinen Gebrauch wird ausschließlich die maskuline Pluralform verwendet: O latsche le tschoren but pomoschinen. 'Die Guten helfen den Armen viel.' Deklinable Adjektiva sind – wie die folgenden Farbbezeichnungen zeigen – sowohl Erbwörter als auch Entlehnungen: kalo k ā < ai. āla 'schwarz' lolo lohita 'rot' < ai. parno < ai. pa ṇ ḍ u- 'weiß' modro < sslaw. modar 'blau' seleno < sslaw. zelen 'grün' 20
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Einen Überblick über die Bildungsmöglichkeiten – Derivation und Kompostition – deklinabler Adjektiva gibt die folgende f olgende Tabelle: bok 'hungrig' → bok-alo kultura → kultur-ano 'kulturell' dad → dad-ikano 'väterlich' historija → histor-uno 'historisch' → fescht-utno feschto 'farbig' india → ind-itiko 'indisch' kereko → kerek-aschno 'rund' droto → drot-oschno 'drahtig → bersch-eskero bersch 'jährlich' bare+mujeskero → baremujeskero 'großmäulig' jek+berscheskero → jekberscheskero 'einjährig' Indeklinable Adjektiva
Die Subgruppe der auf Konsonant auslautenden indeklinablen Adjektiva besteht, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen – z. B. vojatar 'freudig, lustig'7 – aus Erbwörtern. Wie die folgenden Beispiele zeigen, werden sie – ebenso wie die deklinablen – attributiv und prädikativ verwendet: o sik auteri 'das schnelle Auto' la schukar tschajake 'für das schöne Mädchen' Als thematische Wiederaufnahme bzw. in anaphorischer Funktion sind, wenn auch selten, Kasusformen dieser grundsätzlich indeklinablen Adjektiva zu beobachten: Odoj godschar taj diline manuscha 'Dort waren kluge und dumme Menschen. sina. Godscharenca but vakerahi. Mit den Klugen habe ich viel gesprochen.' Deutsche Entlehnungen
Die ebenfalls indeklinablen Lehnadjektiva aus dem Deutschen enden im Singular wie im (süd)burgenländischen Dialekt auf /i/: o brauni gra : /s'brauni pfead/ 'das braune Pferd'. Die Pluralform wird gleich dem Singular gebildet: o brauni grasta 'die braunen Pferde' Komparation
Die zweistufige Komparation der Adjektiva ist von ihrer Bildungsweise her heterogen. Einem synthetischen Komparativs steht ein analytischer Superlativ gegenüber. baro : bareder : lek bareder 'groß : größer : am größten' hor : horeder : lek horeder 'tief : tiefer : am tiefsten' Das Komparativmorphem /-eder/ ist ererbt. Die Superlativpartikel lek hingegegen entspricht dem ungarischen Superlativpräfix /leg-/. Daneben werden, wenn auch sehr selten, die slawischstämmigen Superlativpartikel Superlativpartikel naj oder maj verwendet: lek bareder : naj/maj bareder 'am größten' 7 Bei vojatar 'freudig' handelt es sich um den Ablativ von voja 'Freude', der in Analogie zur /-ar/Endung von z. B. schukar 'schön' als Adjektiv verwendet wird.
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Eine Ausnahme bzw. Suppletivbildung – wie übrigens auch im Deutschen – ist latscho : feder : lek feder 'gut : besser : am besten'. Weiters ist die ungarische Elativpartikel igen 'sehr, besonders, äußerst' zu erwähnen, die neben der allgemeinen Verwendung bei Einzelsprechern die Komparation der aus dem deutschen Dialekt übernommenen indeklinablen Adjektiva ersetzt: igen barvalo 'sehr reich' igen schukar 'sehr schön' igen flajsi 'sehr fleißig' Numerale
Numeralia sind neben adverbialen Multiplikativzahlen auch die Numeraladjektiva, d. s. Kardinal- und Ordinalzahlen, die von der Anzahl her überwiegen, weswegen diese Wortklasse unter die Nomina subsumiert wird. Indefinitzahlen sind, da größtenteils bereits im Rahmen der Pronomina und Adjektiva behandelt, nicht aufgenommen. An Fraktionalzahlen verfügt das Roman nur über epasch 'halb'. Kardinalzahlen
Die Kardinalzahlen werden aus 14 Lexemen unterschiedlicher Herkunft gebildet: jek 'eins' < ai. ekaduj 'zwei' < ai. d(u)vā trin ṇi < ai. tr ī ṇi 'drei' schtar < ai. catvāra 'vier' pantsch < ai. pañca'fünf' schov < ai. ṣaṣ -/ ṣaṭ 'sechs' efta < gr. efta 'sieben' ofto < gr. oxto 'acht' enja < gr. ennja 'neun' desch < ai. daśa- 'zehn' < ai. viṁśati bisch 'zwanzig' tranda < gr. trianta 'dreißig' schel 'hundert' < ai. śata eser(i) < ung. ezer 'tausend' Die Zahlenwerte zwischen den Zehnern werden mit dem Infix /-u-/ gebildet: deschujék 'elf' deschudúj 'zwölf' bischutrín 'dreizehn' bischuschtár 'vierundzwanzig' Bei den Zehnern ab 'vierzig' wird /-var/-val/ 'mal' zwischen Einer und desch bzw. bisch infigiert. Sie werden also in der Form 'x mal zehn bzw. zwanzig' gebildet, wobei 'fünfzig' eine Sonderform hat. Hunderter und Tausender haben kein Infix: schtarvaldésch : dujvarbísch 'vierzig (4 x 10 : 2 x 20)' pantschvardésch 'fünfzig (5 x 10)' epaschél 'fünfzig' (= 'halb hundert'). schovardésch : trinvalbísch 'sechzig (6 x 10 : 3 x 20)' enjavardesch 'siebzig' 22
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'einhundert' 'vierhundert' 'achthundert' 'eintausend' 'sechstausend'
jekschel schtarschel oftoschel jekeser(i) schoveser(i)
Alle anderen Kardinalia sind analytische Bildungen mit der Konjunktion taj , wie: dujschel taj schtarvaldeschujek 'zweihunderteinundvierzig' jekeser taj trinschel taj epascheluduj 'eintausendreihundertzweiundfünfzig' Ordinalzahlen
Ordinalia sind deklinable Adjektiva. Die Bildung ist Kardinalzahl + /-to/: dujto 'zweite' tri(n)to 'dritte' pantschto 'fünfte' deschto 'zehnte' deschudujto 'zwölfte' bischto 'zwanzigste' trandato 'dreißigste' epaschelto 'fünfzigste' schelto 'hundertste' Ausnahme ist das Lexem für 'erster'. Die regelhafte Form *jekto wird im Roman – wie auch in anderen Romani-Varianten – durch ein Lexem aus der primären Kontaktsprache ersetzt: a erschti 'erste' < dtschdial. /e ʃ ti/ Multiplikativzahlen
Multiplikativa sind durch Suffigierung von /-var/-val/ 'mal' gebildete Adverbia: efkar ← *jekvar 'einmal' dujvar : dujar 'zweimal' trinval : trijal 'dreimal' deschvar 'zehnmal' deschudujvar : deschudujar 'zwölfmal' bischvar 'zwanzigmal' epaschelvar 'fünfzigmal' schelvar 'hundertmal' eservar : eserval 'tausendmal' Mit Ausnahme von érschtimol 'erstemal' wird /-var/-val/ auch an Ordinalia suffigiert, wodurch sich Lexeme mit der Bedeutung 'x-te mal' ergeben: dújtovar 'zweitemal' pántschtovar 'fünftemal' déschtovar 'zehntemal' trandatovar 'dreißigstemal' dujbischtovar 'viezigstemal' schéltovar 'hundertstemal' esértovar 'tausendstemal' 23
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3.2 VERB
Kategorien des Verbs sind: Person, Numerus, Tempus, Modus sowie Genus Verbi, d. s. Aktiv und Passiv. Die überwiegend analytisch gebildeten Modi werden ebenso separiert behandelt, wie das analytische Passiv. Einen Überblick über die Konjugation gibt das folgende Paradigma: 1. Sg. 2. Sg. 3. Sg 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl.
Präs. phirav phires phirel phiras phiren phiren
Fut. phirá phireha phírla phiraha phírna phírna
Imp. Kond. pot. Perf. phirahi phirahi phirtschom phiréhahi phiréhahi phirtschal phírlahi phírlahi phirtscha phiráhahi phiráhahi phirtscham phírnahi phírnahi phí rnahi phirtschan phírnahi phírnahi phirde phirav 'wandern, gehen'
Kond. irr. phirtschomahi phirtschalahi phirtschahi phirtschamahi phirtschanahi phirtschanahi
3.2.1 TEMPUS
Synthetisch gebildete Tempora des Roman sind: Präsens, Präteritum 8 und Futur. Präsens Von den beiden Möglichkeiten des Romani, präsentische Kurz- oder Langformen zu bilden, werden im Präsens Indikativ aktiv des Roman die Kurzformen verwendet.9
1. Sg. 2. Sg. 3. Sg. 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl. phir-av phir-es phir-el phir-as phir-en phir-en Zur Demonstration der Verwendung des Präsens reicht wohl jeweils ein Beispiel für ein Vollverb und 'sein' in Funktion der Kopula: Adí o kham tharel. 'Heute scheint die Sonne.' Gurumna marhi hi. 'Kühe sind Tiere.' Weiters gibt es das narrative bzw. historische Präsens, und darüberhinaus die FuturFunktion für die Beschreibung zukünftiger Handlungen und Zustände verwendet:
Taha Betschiste ladav taj odój buti ke- 'Morgen fahre ich nach Wien und arbeirav. Akór khino som taj papal khere te dort. Dann bin ich müde und fahre ladav. wieder heim.' Futur
Das zuletzt gebrachte Beispiele könnte ebensogut mit Futurformen realisiert sein, wodurch die Zukünftigkeit der Handlungen und Zustände betont wird: Taha Betschiste ladá taj odój buti kerá. 'Morgen werde ich nach Wien fahren Akór khino ová taj papal khere ladá. und dort arbeiten. Dann werde ich müde sein und wieder nach Hause fahren.' 8 Die Bezeichnung Präteritum wird hier in in seiner ursprünglichen bzw. »archaischen« Bedeutung Bedeutung als Überbegriff für Perfekt, Imperfekt und Plusquamperfekt verwendet. 9 Präsens-Langformen sind um den den Vokal /a/ erweitert, beispielsweise beispielsweise phirava, phiresa, etc.
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Im Gegensatz zu den Balkanvarianten des Romani, die das Futur analytisch mit der aus kamel 'lieben, wollen' entstandenen Partikel ka/kam/kama + PräsensKurzform bilden, verfügt das Roman über ein synthetisches Futur: Präsens Indikativ + /-a/. Bei den einzelnen Formen treten für das Roman typische phonologische Prozesse auf: 1. Sg. phirá ← phirav +a 'ich werde gehen' 2. Sg. phireha ← phires +a 'du wirst gehen' 3. Sg. phirla ← phirel +a 'er/sie wird gehen' 1. Pl. phiraha ← phiras +a 'wir werden gehen' 2. Pl. phirna ← phiren +a 'ihr werdet gehen' 3. Pl. phirna ← phiren +a 'sie werden gehen' Präteritum
Das Präteritum hat zwei semantisch-funktional determinierte Formen: Perfekt und Imperfekt.10 Das Imperfekt kennzeichnet demnach usuelle, habituelle, durative, frequentative, iterative, etc. Handlungen und Zustände, wie z. B.: Sako di molináhahi. 'Jeden Tag haben wir gebetet.' Mro papu pipa duhasnínlahi. 'Mein Großvater hat Pfeife geraucht.' Agún Betschiste átschnahi. 'Damals haben sie in Wien gewohnt.' Butvar hohávlahi. 'Oft hat er gelogen.' Die Imperfekt-Formen werden durch Suffigierung von /-ahi/ an die Präsensformen gebildet, wobei dieselben phonologischen Prozesse wie beim Futur auftreten: auft reten: 1. Sg. phirahi ← phirav +ahi 'ich bin gegangen' 2. Sg. phiréhahi ← phires +ahi 'du bist gegangen' 3. Sg. phírlahi ← phirel +ahi 'er/sie ist gegangen' 1. Pl. phiráhahi ← phiras +ahi 'wir sind gegangen' 2. Pl. phírnahi ← phiren +ahi 'ihr seid gegangen' 3. Pl. phírnahi ← phiren +ahi 'sie sind gegangen' Das Perfekt kennzeichnet punktuelle (nicht-durative, ...) Handlungen und fungiert als narratives Tempus, wenn über Ereignisse in ihrer natürlichen Abfolge berichtet wird: Betschiste ladijam taj pajtaschtschen 'Wir sind nach Wien gefahren und hatalalintscham. Akór khetane ando mo- ben Freunde getroffen. Dann sind wir jákero gejam. ... zusammen ins Gasthaus gegangen. ...' Die Bildung des Perfekts zeigt die folgende Tabelle: 1. Sg. 2. Sg. 3. Sg. 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl. phir-tsch-om phir-tsch-al phir-tsch-a phir-tsch-am phir-tsch-a phir-d-e Wie in den meisten Romani-Varianten weicht die Bildung der 3. Pers. Pl. von den anderen Formen ab: phirde 'sie wanderten' ist formal der Plural des Partizips Perfekt Passiv. 10 Unter Einbeziehung diskurspragmatischer Kriterien lassen sich die beiden Formen auch aspektuell als perfektives und imperfektives Präteritum klassifizieren (siehe Halwachs 1998: 125ff.).
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Bewegungsverba und »echte Passiva« – z. B. gejom 'ich ging' und bartschijom 'ich wuchs/wurde groß' – bilden in der Regel auch die Formen der 3. Pers. Sg. mit den genusdifferenzierenden Singular-Partizipial-Formen auf /-o/, /-i/: 1. Sg. 2. Sg. 3. Sg 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl.
gejom gejal gelo/gelii gejam gejan gele
bartschijom bartschijal bartschilo/bartschilii bartschijam bartschijan bartschile
Daß es sich dabei um keine strikte Regel handelt, zeigt u. a. die Variante geja : gelo/geli 'er/sie ging / er/sie ist gegangen'. Wie die bisher gebrachten Beispiele andeuten, treten zwischen Stamm und Endung verschiedene, morphonologisch bedingte Formantien, wodurch sich drei Präteritalklassen unterscheiden lassen: – Formans /l/ bei Verbalstämmen Verbalstämmen mit /k/, /g/, /s/, /sch/, /tsch/ im Auslaut: Auslaut: dik-l-om 'ich sah' phag-l-om 'ich brach' khos-l-om 'ich wischte' nasch-l-om 'ich lief' phutsch-l-om 'ich fragte' – Formans /j/ bei vokalischem Stammauslaut: a-j-om 'ich kam' pi-j-om 'ich trank' Subgruppe: Verba mit Stammauslaut /d/ bilden das Perfekt analog dem Verb dav 'ich gebe' d-ij-om 'ich gab' fad-ij-om 'ich vergab' khand-ij-om 'ich stank' lad-ij-om 'ich fuhr' trad-ij-om 'ich trieb' Ausnahmen sind u. a. phandav und phudav : phand-l-om 'ich band' phud-l-om 'ich blies' – Formans /tsch/ nach nach Nasal, Nasal, Liquid Liquid und und (ursprünglichem) (ursprünglichem) /v/: phen-tsch-om 'ich sagte' khel-tsch-om 'ich spielte' ker-tscho-m 'ich machte' garu-tsch-om (garujav ← *garuvav) 'ich versteckte' sika-tsch-om (sikavav) 'ich zeigte' tho-tsch-om (thojav ← *thovav) 'ich wusch' Im Gegensatz zu anderen Romani-Varianten, bei denen das erweiterte Perfekt als Plusquamperfekt fungiert,11 verfügt das Roman formal über kein Plusquamperfekt. Die Vorzeitigkeit wird aus dem Kontext deutlich und/oder aufgrund der Semantik der verwendeten Konjunktionen. 11 Diese Formen mit /-omahi/, /-alahi/ etc. werden im Roman als Konditionalis irrealis verwendet.
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'Nachdem sie ausgelernt hatten, kamen sie nach Hause.' Dschi idsch nana len loj. Adí pumaro 'Bis gestern hatten sie kein Geld gehabt. dad alo taj akór le ando mojakero gele Heute kam ihr Vater und danach gingen sie ins Gasthaus essen.' te hal.
Kada ar siklile, khere ale.
3.2.2 VERBKLASSEN
Die Verba des Roman lassen sich aufgrund der Präsensbildung in drei Klassen gliedern: E-Verba, A-Verba und die sogenannten Ø-Verba, d. s. Kontraktionsformen. Einen Überblick über diese drei Verbalklassen und ihre Subklassen gibt die folgende Tabelle: E-1 E-2 E-3-1 E-3-2 E-4 A Ø-1 Ø-2 Ø-3 Ø-4
Präsensvokal /-e-/ Präsensvokal /-e-/ Präsensvokal /-e-/ Präsensvokal /-e-/ Irregularia Präsensvokal /-a-/ Kontraktionsformen Kontraktionsformen Kontraktionsformen Irregularia
Perfektformans /tsch/ Perfektformans /tsch/ Perfektformans /tsch/ Perfektformans /tsch/
Adaptionsmorphem /-in-/ Derivationsmorphem /-ar-/ Derivationsmorphem /-er-/
Perfektformans Perfektformans /j/ /tsch/ Perfektformans /tsch/ Perfektformans Perfektformans /tsch/ /j/ Kausativmorphem Perfektformans /j/ Passiv-Intransitiva
/-av-/ /-ojav/
E-Klasse
Diese zahlenmäßig umfangreichste Klasse des Roman weist in der 2. und 3. Pers. Präs. durchgehend den Vokal /e/ auf: 1. Sg. 2. Sg. 3. Sg 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl.
Präs. kerav keres kerel keras keren keren
Fut. Imp./K.p. Perf. kerá kerahi kertschom kereha keréhahi kertschal kerla kérlahi kertscha keraha keráhahi kertscham kerna kérnahi kertschan kerna kérnahi kerde kerav 'tun, machen'
Kond. irr. kertschomahi kertschalahi kertschahi kertschamahi kertschanahi kertschanahi
Die Subklasse E-1, die in der überwiegenden Mehrzahl aus Erbwörtern besteht und zu der auch das in der bisherigen Darstellung verwendete Verb phirav zu rechnen ist, hat in der Perfektform das am häufigsten vorkommende Formans /-tsch-/, ohne daß Varianten mit anderen Formantien auftreten. Keinerlei Varianz bezüglich der Formantien der Perfektformen tritt auch bei den Subklassen E-2 und E-3 auf. Primäres Kennzeichen der ausschließlich aus jüngeren Entlehnungen bestehenden Subklasse E-2 ist das Lehnverbadaptionsmorphem /-in-/. < sslaw. pis-in-av pisati 'schreiben' gondol-in-av < ung. gondol 'denken' a roas-in-av < dtschdial. /ro sn/ 'reisen' 27
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Von ihrer Semantik her in der überwiegenden Mehrzahl Faktitiva, sind die transitiven Verba der Klasse E-3 durch das Morphem /-er-/-ar-/ gekennzeichnet.12 Diese Subklasse setzt sich aus deverbalen und denominalen Verba zusammen: besch-ar-av ← beschav ← 'sitzen' 'setzen' but-er-av ← but 'vermehren' ← 'viel' dand-er-av ← dand ← 'Zahn' 'beißen' dilin-ar-av ← dilino ← 'dumm' 'blödeln' phag-er-av ← phagav 'zerbrechen' ← 'brechen' Innerhalb dieser Subklasse treten höchstwahrscheinlich morphonologisch bedingte Varianten des Suffixes auf: /-isar/ und /-isajar/, wie beispielsweise: kor-isar-av : kor-isajar-av ← koro 'blenden, blind machen' ← 'blind' Innerhalb der Subklasse E-4 sind alle e-Verba zusammengefaßt, deren Perfektformen sich entweder im Stammvokalismus vom Präsensstamm unterscheiden oder deren regelhafte Präteritalendungen nicht mit dem Formans /-t S-/ gebildet werden. Zur ersten Gruppe gehören einige wenige Verba, deren Präsensformen von der Silbenkürzung /CeC/ → /CC/ gekennzeichnet sind, deren Präteritalformen hingegen den Vokal bewahrt haben. biknav : bikentschom 'verkaufen' mutrav : mutertschom 'urinieren' putrav : putertschom 'öffnen, (auf)trennen, lösen' Im Fall ledschav : legetschom 'tragen' dürfte auch der seltene Wechsel /g/ → /dsch/ beteiligt sein. Aufgrund ihrer geringen Anzahl sind auch die e-Verba mit den Perfektformantien /-l-/ und /-j-/ unter die Irregularia subsummiert; d. s. neben den bereits angeführten u. a.: atschav : atschlom 'bleiben, wohnen', beschav : beschlom 'sitzen', lakav : laklom 'finden', resav : reslom 'treffen', sungav : sunglom 'riechen'; Weiters sind die beiden Wurzelverba dav und lav , Präfixverba und Verbalkomposita mit dav und das Verb merav als Ausnahmen aufzulisten: dav : dijom 'geben' lav : lijom 'nehmen' khandav : khandijom 'stinken' odav : odijom '(sich) abgeben' rodav : rodijom 'suchen' merav : mujom 'sterben' A-Klasse
Die Zahl der Verba mit Themavokal /a/ in allen Präsenssuffixen ist in sämtlichen Romani-Varianten eng begrenzt und annähernd gleich. Sie bilden auch im Roman eine zahlenmäßig kleine Klasse: 12 Man kann /ar/er/ zusammen mit /av/, das primär Kausativa bildet (Klasse Ø-2), als TransitivDerivation bezeichnen, der die Intransitiv-Derivation auf /-ojav/ (Klasse Ø-3) gegenübersteht.
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'lachen' 'fürchten' 'gehen' 'es schmerzt' 'husten' 'essen' 'schämen' 'glauben' 'spotten' 'dürfen' 'fliegen'
asav darav dschav dukal hasav hav ladschav patschav prasav tromav urtschav
Die Verba darav und ladschav sind Reflexiva, die manchmal auch mit Reflexivpronomina gebraucht werden, das Verb dukal wird nur impersonal gebraucht: daral : daral pe 'er fürchtet sich' ladschav : ladschav man 'ich schäme mich' dukal 'es schmerzt, es tut weh' Suppletion zwischen Präsens- und Perfektstamm tritt beim Verb 'gehen' auf: 1. Sg. 2. Sg. 3. Sg 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl.
Präs. dschav dschas dschal dschas dschan dschan
Fut. dschá(ja) dschaha dschala dschaha dschana dschana
Imp./K.p. dschahi dscháhahi dschálahi dscháhahi dschánahi dschánahi
Perf. gejom gejal gelo/-i (geja) gejam gejan gele
Kond. irr. gejomahi gejalahi ge(lo)jahi gejamahi gejanahi gejanahi
Bei allen a-Verba treten in der 1. Pers. Sg. Fut. Varianten mit -aja auf: haja 'ich werde essen'. Höchstwahrscheinlich aufgrund des mit der Kurzform homophonen Imperativs ha! 'iß!' ist zwar das /v/ elidiert, nicht jedoch das Futurmorphem mit der Endung verschmolzen. Mit Ausnahme von dschav treten in den Perfektformen der a-Verba Varianten mit dem Formans /-tsch-/ auf: asajom : asatschom 'ich lachte' hajom : hatschom 'ich aß' patschajom : patschatschom 'ich glaubte' urtschajom : urtschatschom 'ich flog' Ø-Klasse
Diese Klasse der vom intervokalischen Konsonantenausfall geprägten Verba ist wiederum in Subklassen gegliedert. Das folgende Paradigma der Subklasse Ø-1 mit Perfektformans /-t S S-/ zeigt die sich graduell verstärkende Silbenkürzung in den Präsensformen aller Subklassen der Ø-Klasse: 1. Pers. Sg und Pl.: /v/-Ausfall; 2. Pers. Sg.: zusätzlich die Verschmelzung des Endungsvokals mit dem Vokal der stammauslautenden Silbe zu einem Diphthong; 3. Sg. und 2., 3. Pl.: Elision des auslautenden /v/ und des Endungsvokals. In der 3. Sg., 2. und 3. Pl. der vom Präsensstamm abgeleiteten Tempora und Modi (Fut., Imp., Kond. pot.) ist das /v/ aufgrund der Silbenkürzung, des /e/-Ausfalls, vor Konsonant erhalten: garuvla, garúvnahi, etc. 29
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1. Sg. 2. Sg. 3. Sg 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl.
Präs. garujav garújs garúl garujas garún garún
Fut. Imp./K.p. Perf. garujá garujahi garutschom garujeha garujéhahi garutschal garuvla garúvlahi garutscha garujaha garujáhahi garutscham garuvna garúvnahi garutschan garuvna garúvnahi garude garujav 'verstecken'
Kond. irr. garutschomahi garutschalahi garutschahi garutschamahi garutschanahi garutschanahi
Bei der Subklasse Ø-2 handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl um deverbale Kausativa, 13 wobei Perfektvarianten mit dem Formans /-j-/ auftreten: kerajom : keratschom 'ich ließ machen', obwohl in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die /-tschom-/-Varianten verwendet werden. An Besonderheiten bei den folgenden Beispielen sind – neben dem bereits oben behandelten, nur noch impersonal verwendeten a-Verb dukal 'es schmerzt' mit der Ableitung dukavav 'verletzen' ('Schmerzen lassen/machen') – das Kausativum hahavav 'füttern' ('essen /fressen lassen') mit Stammreduplikation anzuführen sowie prastavav 'reiten' ('laufen lassen'), dessen in anderen Romani-Varianten vorhandene Derivationsbasis * prastav im Roman durch das e-Verb naschav 'laufen' ersetzt ist. duk-av-av ← duk-al ← 'schmerzen' 'verletzen' hah-av-av ← h-av ← 'essen' 'füttern' ker-av-av ← ker-av ← 'machen' 'machen lassen' lad-av-av ← lad-av ← 'fahren' 'fahren lassen' pij-av-av ← pij-av ← 'trinken' 'säugen, tränken' prast-av-av ← *prast-av ← 'laufen' 'reiten' Die Subklasse Ø-3 setzt sich hauptsächlich aus denominalen Verba zusammen. Zwischen den Stamm und /-ojav/ treten manchmal Formantien, deren Auftreten morphonologisch bedingt ist. 14 bar-tsch-ojav ← baro 'wachsen/groß werden' ← 'groß' phur-ojav ← phuro ← 'alt' 'altern/alt werden' thu(l)-j-ojav ← thulo 'zunehmen/dick werden' ← 'dick' ker-tsch-ojav ← kerav 'gekocht werden' ← 'machen' phutsch-l-ojav ← phutschav 'ge-/befragt werden' ← 'fragen' ← tato ← 'warm' tat-sch-ojav 'sich erwärmen' Weiters treten Varianten mit /-Vsaj-/ auf: kaschuk-ojav : kaschuk-osaj-ojav 'ertauben, taub werden' schudr-ojav : schudr-isaj-ojav 'erkalten, kalt werden' tschor-ojav : tschor-isaj-ojav 'verarmen, arm werden'
13 Nach dem Muster dieser Klasse flektiert u. a. auch das nicht-kausative Verb gi-/dschilavav 'singen' (Variante zu gi-/dschilabav). 14 Die Bildungsweise Verbstamm + ojav/ovav 'werden' entspricht der allgemeinen Passivbildung Passivbildung des Romani. Im Roman ist diese Bildung nicht mehr produktiv, weshalb man die Verba dieser Subklasse synchron gesehen auch als fossilierte, lexikalisierte Passiv-Formen auffassen kann.
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Deadjektivische Verba werden in der heutigen Sprachverwendung häufig durch die analytische Passivbildung ersetzt: phurojav : phuro ojav 'ich altere' : ich werde alt' thulojav : thulo ojav 'ich nehme zu' : 'ich werde dick' Sämtliche Verba dieser Klasse haben genusdifferenzierte Formen in der 3. Pers. Sg. Perf. Die dabei auftretende Varianz – /-lV/ oder /-nV/ – ist keineswegs regelhaft zu beschreiben. Es kann durchaus vorkommen, daß ein und derselbe Sprecher beide Realisationen verwendet: bartsch-ilo/-ili : bartsch-ino/-ini 'er/sie wuchs / er/sie wurde groß' Größte Gruppe der Irregularia Ø-4 sind die Verba mit Stammvokal St ammvokal /i/, d. s.: dschijav hijav pijav sijav tsch(ij)av
: dschivtschom : hintschom : pijom sijom : sitschom / sijom : tschi(v)tschom
'ich lebe' 'ich defäkiere' 'ich trinke' 'ich nähe' 'ich lege, ...'
: 'ich lebte' : 'ich defäkierte' : 'ich trank' : 'ich nähte' : 'ich legte, ...'
Ausnahmen sind weiters avav 'kommen' und butschojav 'heißen', deren Perfektformen mit dem Formans /-j-/ gebildet werden: ajom 'ich kam', butschijom 'ich hieß'; weiters rojav 'weinen' und sojav 'schlafen' mit Stammvokal /u/ in den Perfektformen: rujom 'ich weinte', sutschom 'ich schlief'. Morphologisch als Intransitiva markiert – auch die 3. Pers. Sg. Perf. ist mit den PPP-Formen gebildet – sind fünf der Irregularia: alo/-i 'er/sie kam', butschino/-i 'er/sie hieß', dschivdo/-i 'er/sie lebte', runo/-i 'er/sie weinte', suto/-i 'er/sie schlief'. 3.2.3 SONDERFORMEN
Unter der Überschrift »Sonderformen« zusammengefaßt sind 'sein' und 'werden', die 'haben'- und 'bekommen'-Konstruktione ' bekommen'-Konstruktionenn sowie die Impersonalia. 'sein'
Die Suppletivbildung des Verbs 'sein' entspricht grundsätzlich der des Romani im allgemeinen: 1. Sg. 2. Sg. 3. Sg 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl.
Präs. som sal hi sam san hi
Prät. somahi salahi sin(a) samahi sanahi sin(a)
Fut. ová/ojá oveha/oj(e)ha ovla ovaha/ojaha ovna ovna
Kond. pot. ovahi/ojahi ovéhahi/oj(é)hahi óvlahi ováhahi/ojáhahi óvnahi óvnahi
Kond. irr. ujomahi ujalahi ujahi ujamahi ujanahi ujanahi
Am auffälligsten ist die Tatsache, daß nur eine Präteritalform vorhanden ist, wobei die Lexeme des Präsens und des Präteritums mit dem Stamm {s-} und in der 1. u. 2. Pers. Sg. u. Pl. mit den Perfektendungen bzw. den davon abgeleiteten Formen des Konditional Irrealis gebildet werden. Die im Singular und Plural identischen Formen der 3. Pers. Präs., hi , zeigen den Prozeß /s/ → /h/. Sehr selten und wenn, dann fast ausschließlich nur bei alten Sprechern, stehen in der 3. Pers. Sg. u. Pl. 31
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Formen mit /s/, si : hi 'er/sie ist / sie sind', und in der 1. u. 2. Pers. Sg. u. Pl. mit /i/ vokalisierte Varianten, wie beispielsweise sijom : som 'ich bin', sijal : sal 'du bist'. Die anderen Formen werden, wie im übrigen auch der Ersatzinfinitiv te ol , die Imperative, Sg. ov Pl. oven , und das PPP ulo/-i//-e , mit dem Stamm {ov} gebildet und entsprechen denen des Verbs 'werden'. Die durch Klammern angedeuteten Varianten der 3. Sg. u. Pl. Prät. sin werden relativ häufig gebraucht und sind typische Kurzformen hochfrequenter Lexeme einer gesprochenen Sprache. Die Futur-, Imperfekt- und Potentialisformen sind Ergebnis der oben gezeigten regelhaften Bildungen, die Varianten Resultat der intervokalischen /v/-Elision. Tu Erbatar sal? 'Bist du aus Oberwart?' Amen Betschistar sam. 'Wir sind aus Wien.' Sina jek mursch taj jek dschuvli. 'Waren ein Mann und eine Frau.' Schukar dschuvli sin(a). 'Sie war eine schöne Frau.' Kitschi dschene sanahi? 'Wieviele Personen seid ihr gewesen?' Taha Betschiste ojá. 'Morgen werde ich in Wien sein.' Unregelmäßig ist die Negation von 'sein': In der 3. Pers. Sg. und Pl. Präs. u. Prät. existieren neben selten verwendeten Analogiebildungen zu den regulären Verba mit der Negationspartikel na höchstwahrscheinlich ältere Varianten: ov/oj nan : ov/oj na hi 'er/sie ist nicht' on nan(e) : on na hi 'sie sind nicht' ov/oj nana : ov/oj na hi 'er/sie war nicht' on nana : on na hi 'sie waren nicht' Wie in anderen Romani-Varianten auch, wird im Roman 'haben' mithilfe der Konstruktion Akk. + 'sein' ausgedrückt, wobei der »Besitzer« im Akk., der »Besitz« im Nom. und das Verb immer in der 3. Pers. stehen. st ehen. Man jek kher hi. 'Ich habe ein Haus.' Sik tumén auteri ovla. 'Bald werdet ihr ein Auto haben.' Agún amén grasta sin. 'Damals hatten wir Pferde.' Mre phrale tschaj sin. 'Mein Bruder hatte eine Tochter.' Handelt es sich um Existentielles, innere Zustände oder Krankheiten, so steht der »Besitzer« in der Regel im Dativ: Dar mange sina. 'Ich hatte Angst.' Na dschanav, so hi lake upro kolin. 'Ich weiß nicht, was sie auf der Brust hat.' Akór mre phraleske TBC sin. 'Dann hatte mein Bruder TBC.' Im Fall von »Besitz«, den man »bei sich hat bzw. bei sich trägt«, steht der durch ein Personlapronomen ausgedrückte Besitzer im Lokativ: Mande o lil hi. 'Ich habe den Brief bei mir.' O kipi amende hi. 'Wir haben die Fotos bei uns.' Mindig leste sin tschurtscha. 'Immer hatte er Messer bei sich.' Mit dem Verb 'sein' werden auch die Sekundärformen zu beschav 'sitzen' und paschlojav 'liegen' gebildet, wobei die Bildung PPP + 'sein' verwendet wird und die Partizipia wie Adjektiva behandelt werden, d. h. sie haben Numerus- und Genuskongruenz mit dem Subjektsnomen: beschto/-i hi : beschel 'er/sie sitzt' paschlo/-i hi : paschlol 'er/sie liegt' 32
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'werden'
Die Formen und verschiedenen Varianten des Verbs ojav/ ovav 'werden' sind bereits zum größten Teil im Rahmen der Beschreibung des Verbs 'sein' behandelt worden. Der Vokalwechsel zwischen Präsens und Perfektstamm /o/ → /u/ – ojav 'ich werde' : ujom 'ich wurde' – ist höchstwahrscheinlich etymologisch zu begründen. 1. Sg. 2. Sg. 3. Sg 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl.
Präs. ovav/ojav ojs ol ovas/ojas on on
Fut. ová/ojá oveha/oj(e)ha ovla ovaha/ojaha ovna ovna
Imp./K.p. ovahi/ojahi ovéhahi/oj(é)hahi óvlahi ováhahi/ojáhahi óvnahi óvnahi
Perf. ujom ujal ulo/-i ujam ujan ule
Kond. irr. ujomahi ujalahi ujahi ujamahi ujanahi ujanahi
Daß ojav nicht als bloßes Hilfsverb aufzufassen ist, sondern als Vollverb, zeigt seine Verwendung in der Bedeutung 'bekommen, erhalten', die – wie im Fall der Bildung für 'haben' – ebenfalls den Akkusativ erfordert: Idsch amén tro lil ulo. 'Gestern haben wir deinen Brief erhalten.' La dschukloro ulo. 'Sie bekam ein Hündchen.' Wie bei der Possessivkonstruktion, steht der »Betroffene bzw. Bekommende« bei existentiellen Zuständen etc. im Dativ: Upr'efkar mange dar uli. 'Plötzlich bekam ich Angst.' La dschuvlake duka ule. 'Die Frau bekam Wehen.' Idsch mange fiberi ulo. 'Gestern bekam ich Fieber.' In der Bedeutung 'etwas bekommen' wird auch das Verb uschtidav verwendet: Idsch o lil uschtidijom. 'Gestern bekam ich den Brief.' Impersonalia
Die Impersonalia pekal und dukal regieren ausschließlich den Dativ, wobei das Verb – wie im ersten Beispiel durch die Varianz angedeutet – manchmal auch Numeruskongruenz mit dem Bezugsnomen hat: O atscha mange dukálahi / dukánahi. 'Mir schmerzten die Augen.' Tuke pajtaschtscha pekal. 'Du brauchst Freunde.' Die Verba handschól und kiratisajól gehören der Klasse Ø-4 bzw. Ø-3 an, kerminel und vilamsinel der Klasse e-1. Taha sik kiratisajól. 'Heute dämmert es schnell.' O neve kapi handschól/-ón. 'Die neuen Decken jucken.' Idsch vilamsintscha taj kermintscha. 'Gestern hat es geblitzt und gedonnert.' Impersonal verwendet wird weiters dav 'geben': brischind del 'es regnet' (= 'es gibt Regen') 3.2.4 MODUS
'Modus' steht in dieser Beschreibung für jede Art von Modalbildung, die es einem Sprecher erlauben, epistemische Inhalte auszudrücken, Auf die Indikativformen wird nicht eingegangen, da diese bereits im Abschnitt Tempus abgehandelt sind. 33
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Imperativ
Der synthetisch gebildete Imperativ, der Modus der Handlungsaufforderung und des Handlungsverbots, hat zwei Formen: 2. Pers. Sg. und 2. Pers. Pl: av : av-en 'komm' : 'kommt' Die Imperative der jüngeren Entlehnungen der Klasse E-2 und der Faktitiva der Klasse E-3 sind um das jeweilige Adaptions- bzw. Derivationsmorphem erweitert: pis-in : pis-in-en 'schreibe' : 'schreibt' murd-ar : murd-ar-en 'töte' : 'tötet' Abweichend gebildet werden die Wurzelverba der Klasse E-4: d-e : d-en 'gib' : gebt' l-e : l-en 'nimm' : 'nehmt' Die A-Verba bilden den Sg. auf /-a/, den Pl. auf /-an/: h-a : h-an 'iß' : 'eßt' urtsch-a : urtsch-an 'flieg' : 'fliegt' Bei der Kontraktionsklasse Ø ist der in Präsensformen elidierte Konsonant, in der Regel /v/, erhalten: garuv : garuv-en 'verstecke' : 'versteckt' siklov : siklov-en 'lerne' : 'lernt' Die im Präsens von der Silbenkürzung betroffenen Verba, wie beispielsweise putrav 'öffnen, lösen, trennen', bilden den Imperativ mit der Vollform des Stamms: puter : puter-en 'trenne' : 'trennt' Im Gegensatz zur allgemeinen Negation der Verba mit na wird in der Verneinung des Imperativs die Negationspartikel ma verwendet: ma dscha : ma dschan 'geh nicht' : 'geht nicht' ma siklov : ma sikloven 'lern nicht' : 'lernt nicht' Konditional
Der Konditional setzt sich aus einer analytisch gebildeten Form, dem Realis, sowie zwei synthetischen Submodizusammen, wobei der Potentialis formal gleich dem Imperfekt ist und der Irrealis mit der um /-ahi/ erweiterten Perfektform gebildet wird: 1. Sg. 2. Sg. 3. Sg. 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl.
Potentialis phirahi phiréhahi phírlahi phiráhahi phírnahi phírnahi
Irrealis phirtschomahi phirtschalahi phirtschanahi phirtschamahi phirtschanahi phirtschanahi
Der Potentialis fungiert als Ausdruck der unsicheren oder auch unwahrscheinlichen Möglichkeit, wie u. a. die folgenden Beispiele zeigen: Das erste ist als Äußerung im Zusammenhang mit einem in der Regel »erfolgreichen Schwammerlsucher« zu sehen, das zweite als ironische Bemerkung über einen »Autonarren«: 34
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'Ich würde lachen, wenn er einmal nichts findet.' Mérlahi, te efkar pro auteri pujsto sina. 'Er würde sterben, wenn sein Auto einmal kaputt ist.' Asahi, te nischta efkar na lakla.
Demgegenüber steht der Irrealis für Möglichkeiten, die nicht wahrgenommen wurden oder werden können, deren Realisierung also mit Sicherheit auszuschließen ist. Agún barvalíjahi lo, 'Er wäre damals reich geworden, ham na sohartscha la. aber er hat sie nicht geheiratet.' 'Ich habe für vier Kinder gearbeitet. Me schtar fatschunge kerahi buti. Was hätten sie [denn sonst] gemacht?' So kertschanahi? Der Realis wird – wie erwähnt – analytisch gebildet, und zwar mit der Konjunktion te und dem Perfekt: 'Wenn du das Vaterunser kannst, Te dschantschal o Vaterunser, dann gebe ich dir einen Sack Kartoffel.' akór tuke dav jek gono bangore. Te gejal odój tel, 'Wenn du dort runter gehst, o trinto kher hi. ist es das dritte Haus.' Konjunktiv
Der Konjunktiv wird vorerst rein formal behandelt. Seine Verwendung im Zusammenhang mit verschiedenen Modi wird in den folgenden Abschnitten gezeigt. Die Bildung ist analytisch, wobei es sich um eine syntagmatische Verbindung zwischen der Partikel te und der Indikativform handelt: Indikativ kerel : Konjunktiv te kerel . Rein formal betrachtet ist der unter dem Einfluß der primären Kontaktsprachen Deutsch und Ungarisch entstandene »Ersatzinfinitv« des Roman eine Konjunktivform, nämlich die der 3. Pers. Sg. Präs.: te kerel 'machen' te hal 'essen' te siklol 'lernen' Die im folgenden aufgelisteten, analytischen Modi werden entweder mit dem Kon junktiv oder mit dem Infinitiv gebildet. 'Erlaubnis'
'Erlaubnis', deutsch 'dürfen', wird durch die Verbindung zwischen dem a-Verb tro- mav und dem Infinitiv gebildet: Mro phral Betschiste tromal te ladel. 'Mein Bruder darf nach Wien fahren.' Len khere tromajam upre te rodel. 'Wir durften sie daheim besuchen.' Tu tromáhahi te khelel, 'Du würdest spielen dürfen, ham tri buti nan kisni. aber deine Aufgabe ist nicht fertig.' 'Möglichkeit'
'Können' als Möglichkeit wird mithilfe der Verbindung zwischen den Partikeln schaj bzw. negiert naschtig und dem Indikativ ausgedrückt. Tre tschave meg efkar schaj dikes. 'Du kannst deinen Sohn noch einmal sehen.' Agún mro dad naschti(g) ávlahi. 'Damals konnte mein Vater nicht kommen.' 35
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Entsprechend dem deutsch-dialektalen Gebrauch, wo können häufig in der Bedeutung 'dürfen' steht, wird auch schaj/naschti(g) verwendet und steht damit quasi in Konkurrenz zu tromav 'dürfen'. Akán schaj dschas. 'Du darfst (kannst) jetzt gehen.' Akán tromas te dschal. 'Du darfst jetzt gehen.' Da 'Erlaubnis' ebenso wie 'Aufforderung' und 'Befehl' direktive Sprechakte sind, werden Bildungen mit schaj/naschti(g) auch imperativisch gebraucht. Der Unterschied zwischen der Verwendung von 'können' und der des Imperativs liegt dabei im Grad der Höflichkeit: Akán tu naschtig dschas! 'Du kannst jetzt nicht gehen!' Ma dscha akán! 'Geh jetzt nicht!' 'Fähigkeit'
Für 'können' als Fähigkeit steht das Verb dschanav 'wissen' mit dem Infinitiv: Ov dschanel kereko te ladel. 'Er kann Fahrrad fahren.' Mro dad dschánlahi te khujel. 'Mein Vater konnte flechten.' 'Notwendigkeit, Zwang, Nötigung'
Für 'müssen' wird – synchron gesehen – die Kombination aus der Partikel iste und dem Indikativ verwendet: Sako di iste buti kerav. 'Jeden Tag muß ich arbeiten.' Oj taha iste siklovla. 'Sie wird morgen lernen müssen.' Die Modalpartikel iste ist eine metathetische Kontamination aus si + te , worin die im Roman archaische Form si der 3. Sg. Präs. des Verbs 'sein' erhalten ist. Diachron gesehen ist die Bildung von 'müssen' folglich als si + Konjunktiv zu beschreiben, was durch einige wenige Beispiele in Texten älterer Sprecher bestätigt wird: Akán meg uso monari si te dschav. 'Jetzt muß ich noch zum Müller gehen.' Analog dem (süd)burgenländischen Dialekt wird 'müssen' häufig durch 'brauchen' ausgedrückt, was semantisch begründet ist, da sowohl 'müssen' als auch 'brauchen' 'Notwendigkeit' bezeichnen. Der dialektal-deutschen Verwendung entsprechend wird 'brauchen' zum Ausdruck der Notwendigkeit auschließlich negiert verwendet. Im Gegensatz zur positiven Form pekal 'brauchen', die auch in der Bedeutung 'nicht benötigen' als impersonales Verb mit Dativ realisiert wird, verfügt die Negation auch über Formen der 1. u. 2. Pers, wobei Kontraktionen analog denen der Ø-Klasse auftreten: Adí na pekamav te siklol. 'Heute muß ich nicht lernen.' Agún adá na pekámnahi te kerel. Früher mußten sie das nicht machen.' Wenn 'Zwang' bzw. 'erzwungene Notwendigkeit' ausgedrückt werden soll, wird häufig das aus dem Deutschen entlehnte Verb mujsinav 'ich zwinge' verwendet: On man mujsinen buti te kerel. 'Sie zwingen mich zu arbeiten.'
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'Auftrag, Aufforderung, Forderung'
'Forderung' steht 'Zwang' und damit 'Notwendigkeit' nahe. Die Abgrenzung zwischen 'müssen' und 'sollen' bzw. zwischen 'Auftrag, Forderung, Aufforderung' und 'Notwendigkeit, Nötigung, Zwang' ist im Roman gleich wie im Deutschen: Gebildet wird 'sollen' mit der bloßen Konjunktivform: me te kerav 'ich soll machen'. Tro vilago te al. 'Dein Reich soll kommen.' Me na te gentschomahi. gentschomahi. 'Ich hätte nicht rechnen sollen.' Me te na vakerav. 'Ich soll nicht reden.' In der weder durch Verba noch durch Partikeln differenzierten Verwendung der Konjunktivform dürfte auch die semantische Ambiguität von Aussagen mit 'sollen' begründet sein. So kann beispielsweise Tro vilago te al . auch als bloßer Konjunktiv, 'Dein Reich komme.', aufgefaßt werden. Ein weiteres Beispiel aus dem Vaterunser mit derselben Ambiguität ist das folgende: 'Das werde, was du willst.' Odá te ol, so tu kameha. bzw. 'Das soll werden, was du willst.' 'Wunsch'
Die regelhafte Bildung von 'wollen' ist die Verbindung des Verbs kamav 'lieben, wollen' mit dem Infinitiv: Me kamá te kerel. 'Ich will machen.' Wie auch das obige Beispiel – ..., so tu kameha . '..., was du willst.' – zeigt, werden im Präsens – synchron betrachtet – die Futurformen verwendet. Plane ov la kamla te talalinel. 'Er will sie mittags treffen.' Idsch adá kámlahi te siklol. 'Er wollte das gestern lernen.' 3.2.5 INFINITE FORMEN
Infinite Formen des Verbs sind der oben kurz behandelte Infinitiv sowie das Partizip Präsens (PP) und das Partizip Perfekt Passiv (PPP). Infinitiv
Wie in der Regel in allen europäischen Romani-Varianten, ist auch im Roman kein eigenständiger Infinitiv vorhanden. Von den verschiedenen z. T. auch sprachinhärenten Möglichkeiten der Ersatzinfinitiv-Bildung im Romani wird im Roman die Form te + 3. Pers. Sg. Präs. gebraucht, die – wie bereits oben erwähnt – synchron gesehen eine Form des Konjunktivs ist. Als Kontaktphänomen hat der Infinitiv im Roman verglichen mit dem Deutschen nur wenige Funktionen. Im Gegensatz zum Deutschen wird er u. a. in der Regel nicht substantivisch gebraucht: Deutsch: gehen das Gehen Roman: te dschal o dschajipe Ausnahmen von dieser Regel sind o te hal 'das Essen' und o te pil 'das Trinken', die manchmal alternativ zu den beiden Ausnahmen in der Abstraktabildung o habe 'das Essen' und o pibe 'das Trinken' verwendet werden. Der Infinitiv wird sowohl in 37
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analytischen Modi als auch in Verbindungen mit Vollverba verwendet – wie oben bereits ausreichend gezeigt –, hat aber ansonsten keine Funktionen im Roman, auch nicht als Nenn- und Zitierform. Me kamá te dschal. 'Ich will gehen.' Me molinav tut te dschal. 'Ich bitte dich zu gehen.' Ov mangel te pil. 'Er fordert zu trinken.' Partizip Perfekt Passiv / PPP
Das PPP wird mit zwei verschiedenen Suffixen gebildet: /-Co/ und /-imo/, die sich in ihrer Verteilung auf die einzelnen Verba nach den Entlehnstrata richten: /-imo/ kennzeichnet die jüngeren Entlehnungen der Klasse e-2, alle anderen Verba bilden das PPP grundsätzlich mit dem ererbten Suffix /-Co/. Das Suffix /-Co/ triit bei den Verba der Klasse E-1 nach Nasal und Liquid als /do/ auf, nach Frikativ, Affrikata und dem stl. Velarplosiv als /-lo/: kin-do 'gekauft' ker-do 'gemacht' khos-lo 'gewischt' nasch-lo 'gelaufen' phutsch-lo 'gefragt' muk-lo 'gelassen' Dem Endungskonsonantismus der Klasse E-1 folgend, tritt das PPP-Morphem bei den Verba dieser Klasse in der Form /-do/ auf: bandsch-ar-do 'gebogen' dand-er-do 'gebissen' Die im Präsens von der Silbenkürzung betroffenen Verba der Klasse e-4 bilden das PPP (wie alle Verba) vom Perfektstamm, wobei die Wurzelverba dav und lav Sonderformen haben: lege-do 'getragen' puter-do 'gelöst, geöffnet' d-ino 'gegeben' l-ino 'genommen' Von den weiteren Irregularia der e-Verba sind u. a. folgende f olgende zu erwähnen: atsch-ino 'gewohnt, geblieben' lak-lo 'gefunden' res-lo 'getroffen' sung-lo 'gerochen' Die A-Verba bilden das PPP unter Erhalt des Themavokals: dar-a-no 'gefürchtet' h-a-lo 'gegessen' pras-a-do 'gespottet' urtsch-a-do 'geflogen' Bei den Verba der Klassen Ø-1 / Ø-2 wird das PPP in der Regel mit /-do/ realisiert: garu-do 'versteckt' gila-do 'gesungen' haha-do 'gefüttert' sika-do 'gezeigt' 38
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Beipiele für die Varianz in der PPP-Bildung bei den Verba der Klasse Ø-3 zwischen den Allomorphen /-no/ und /-lo/, unter Beibehaltung des anlautenden Vokals der Perfektendung /i/ sind die folgenden: khin-i-lo 'ermüdet' korisa-ji-no 'erblindet' sikl-i-lo 'gelernt' thab-i-no : thab-i-lo 'verbrannt, versengt' Die jüngeren Entlehnungen der Klasse e-2 bilden das PPP mit dem Suffix /-imo/, das im Gegensatz zu anderen Romani-Varianten flektiert wird.15 dobol-imo ← dobol-in- 'getrommelt' kefal-imo 'gebürstet' ← kefal-in- mic-imo ← mic-in- 'gemessen' pis-imo ← pis-in- 'geschrieben' roas-imo ← roas-in- 'gereist' schepr-imo ← schepr-in- 'gekehrt' Partizip Präsens / PP
Das Suffix des PP ist /-Vndo/, wobei der Vokal analog zu anderen RomaniVarianten primär mit /i/ realisiert wird. Daneben existieren Allomorphe mit /u/ und /a/, deren Auftreten durch keinerlei Regel zu beschreiben ist. /-Vndo/ wird an den Präsensstamm des Verbs suffigiert: Bei vokalischem Stammauslaut tritt ein Transient /-j-/ auf, bei konsonantischem Auslaut sind – logischerweise bei folgendem Vokal – in der Regel keinerlei Formantien infigiert; zu berücksichtigen ist jedoch die Elision intervokalischer Konsonanten, in erster Linie wiederum der /v/-Ausfall. Bei den a-Verba tritt in der Regel Varianz zwischen /-indo/ und /-ando/ auf. patsch-ando : patsch-aj-indo 'glaubend' pras-ando : pras-aj-indo 'spottend' cid-indo 'ziehend' foj-indo 'rinnend, fließend' gil-ando 'singend' khel-indo : khel-undo 'spielend, tanzend' paschl-indo : paschl-undo 'liegend' rovl-indo : rovl-undo 'weinend' vrischtsch-indo : vrischtsch-ando 'schreiend' Eine seltene, indeklinable Form des PP auf /-Vndar/ zeigen die folgenden beiden Beispiele: Oj phentscha rovlindar, ... 'Sie sagte weinend, ...' Ov hálahi khelundar. 'Er aß spielend / im Spielen/während er spielte.' 3.2.6 PASSIV Synthetisches Passiv wird im Roman keines gebildet; Reste davon sind – wie erwähnt – die intransitiven Verba der Klasse Ø-3. In der heutigen Sprachverwendung gibt es zwei Möglichkeiten der Passivierung, nämlich ein analytisches und ein periphrastisches Passiv. 15 Aufgrund der Produktivität von /-imo/ werden in der heutigen Sprachverwendung manchmal auch die PPP-Formen der Verba anderer Klassen mit diesem Suffix gebildet. Umgekehrt, höchstwahrscheinlich von der Endung der 3. Pers. Pl. Perf. auf /-de/ motiviert, tritt als PPP jüngerer Entlehnungen auch das Allomorph /-do/ auf.
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Analytisches Passiv Das Vorgangs-Passiv wird mithilfe einer syntagmatischen Verbindung aus dem PPP und dem Verb 'werden' gebildet: Me mardo ojav. 'Ich werde geschlagen.' Adá saj pisim(o) ulo. 'Das ist so geschrieben worden.' Wie das zweite Beispiel zeigt, werden PPP-Formen auf /-imo/ auch endungslos realisiert, was in der Bildung des Zustandspassivs bei weitem häufiger bzw. fast regelhaft auftritt. Das Zustands-Passivs wird mit dem Verb 'sein' gebildet und ist aufgrund der Suppletion formal nur im Präsens und Präteritum vom Handlungspassiv zu unterscheiden. O grasta hahade hi. 'Die Pferde sind gefüttert.' Me kefalim somahi. 'Ich war gebürstet.' Periphrastisches Passiv Das periphrastische Passiv ist formal gleich einem aktiven Aussagesatz, wobei als Agens ein unpersönliches, d. h. ein kontext-indeterminiertes Personal-Pronomen der 3. Pers. Pl. fungiert. Anzumerken ist, daß das periphrastische Passiv in der Regel nur das Vorgangs- und nicht das Zustands-Passiv ersetzt und anscheinend nur in Aussagen über bereits aus dem Kontext bekannte Personen verwendet wird, die formal durch Pronomina im Akkusativ repräsentiert sind. On man marde. 'Ich wurde geschlagen.' ('Sie haben mich geschlagen.') On bejg len lédschnahi. 'Sie wurden weggebracht.' ('Sie haben sie weggebracht.') 3.3 PARTIKEL Unter der Überschrift »Partikel« sind sämtliche unflektierbaren Wortarten zusammengefaßt; d. s. Adverbia, Präpositionen, Konjunktionen und andere Funktionswörter wie Negations-, Graduierungs-, Verbalpartikel, etc. Die Beschreibung der einzelnen Gruppen beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf Auflistungen. 3.3.1 ADVERB Neben abgeleiteten Adverbia enthalten die folgenden, alphabetisch geordneten und keineswegs vollständigen Listen auch Entlehnungen, wie beispielsweise: mindig < ung. mindig 'immer' dosta < sslaw. dosta 'genug' weiters einige wenige Erbwörter, wie akán < ai. ksana ('Augenblick') 'jetzt' und alte, auf das Sanskrit zurückführende, Lokativformen auf /-e/ sowie Ablativformen auf /-al/, die z.T. paarweise auftreten: andr-e : andr-al '(dr)innen' :'(von) innen (heraus) Kausaladverbia mistodá odoleske vaschodá / vaschoja
'darum, dafür, deswegen, deshalb' 'darum, dafür, deswegen, deshalb' 'darum, dafür, deswegen, deshalb' 40
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Lokaladverbia adáj adatar andral andre anglal angle a(v)ri avral avrete balutnon bejg dur dural kaj katar maschkaral maschkar(e) meral mere nikaj odój odotar palal pal(e) telal tele telutnon tschatschon upral upre valakáj valakatar
'hier, da' 'von hier, von da' '(von) innen (heraus)' '(dr)innen' '(von) vorne' 'vor, hervor' 'hinaus, heraus' 'draußen' 'anderswo, anderswohin' 'links' 'weg, fort' 'weit' 'von weitem' 'wo, wohin' 'woher' 'aus der Mitte (heraus)' 'inmitten, in der/die Mitte' 'woher' 'wo, wohin' 'nirgends' 'dort' 'von dort' '(von) hinten' 'hinten' '(von) unten' 'unten, hin-, herunter' 'untendrunter' 'rechts' '(von) oben (herab)' 'oben' 'irgendwo, irgenwohin' 'irgendwoher'
Modaladverbia
Indeklinable Adjektiva werden formal unverändert adverbial gebraucht: Oj schukar khelel. 'Sie tanzt schön.' O raklo sik naschel. 'Der Bub läuft schnell.' O murscha flajsi buti keren. 'Die Männer arbeiten fleißig.' Von deklinablen Adjektiva werden Modaladverbia mit der Endung /-e/ gebildet: Oj dilíne dikel. 'Sie schaut blöd.' O dschukel mirne sol. 'Der Hund schläft ruhig.' O murscha latsche buti kerel. 'Die Männer arbeiten gut.' Zu Varianz kommt es bei den Ableitungen von Adjektiva auf /-ano/, wobei – wie schon einleitend erwähnt – die auf Vokal auslautende Form, /-ane/ bei weitem seltener auftritt als die vokallose Form. hamischan : hamischane 'falsch' loschan : loschane 'freudig' pharikan : pharikane 'beschwerlich' 41
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Abweichende Bildungen bzw. Adverblexeme zeigt die folgende Liste, wobei ebenfalls keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann: anavestar 'namentlich' atschivar / atschival 'sovielmal' avrijal 'anders' bajder 'weiter' bastjake / bastake 'glücklicherweise, zum Glück' butvar 'oft' ('vielmal') dosta 'genug' holjake 'trotzhalber, zum Trotz' khetan(e) 'zusammen' korikan 'blindlings' kutscheval 'teuer, lieb' meresch 'gerne' prejendar / prendar 'zu Fuß' sar 'wie' terneval 'jugendlich, als Junger' ternon 'jung, als Junger' tikneval 'klein, als Kleiner' tschortschal 'heimlich' valasár 'irgendwie' Temporaladverbia
Um die Wochentagsbezeichnungen des Roman gesammelt darstellen zu können, sind die davon abgeleiteten Adverbia der alphabetischen Liste der Temporaladverbia vorangestellt: hetvinákero ← hetvin ← 'Montag' 'montags' kedenákero ← keden ← 'Dienstag' 'dienstags' sridon / sridakero ← srida 'mittwochs' ← 'Mittwoch' tschetertekon 'donnerstags' ← 'Donnerstag' ← tscheterteko paraschtujákero ← paraschtuja 'freitags' ← 'Freitag' ← subota ← 'Samstag' suboton 'samstags' kurke / kurkéskero ← kurko ← 'Sonntag' 'sonntags' adí 'heute' agún 'früher, damals akán 'jetzt' akór 'dann' anglodá 'vorher' averval 'ein anderes mal, noch einmal' avrikór 'früher einmal' berscheske 'unterm Jahr' dschende 'im Winter' dur 'lange' idsch 'gestern' kada 'wann' kiratískero 'abends' kurkeval 'wöchentlich' kurkon 'wochentags' linaje 'im Sommer' 42
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'sofort, sogleich' 'immer', 'mittags' 'morgens' '(früh)morgens' 'nie(mals)' 'bald' 'morgen' 'irgendwann'
mentesch mindig plane ratschaha ratscháskero schoha sik taha valakada Graduierung der Adverbia
Die Graduierung der Adverbia, die natürlich semantischen Restriktionen unterliegt, erfolgt mit dem Adjektiv-Komparativ-Suffix /-eder/, als Superlativpartikel fungiert meg 'noch', wobei anzumerken ist, daß es sich semantisch gesehen um keinen absoluten Superlativ, sondern bloß um eine weitere, zweite Steigerungsstufe handelt. angle 'vorn' angleder 'weiter vorn' meg angleder 'noch weiter vorn' but 'oft' buteder 'öfter' meg buteder 'noch öfter' Ebenfalls gleich den Adjektiva wird die aus dem Ungarischen stammende ElativPartikel igen zusammen mit Adverbia verwendet: igen but 'sehr oft' igen dur 'sehr lange, sehr weit' igen sik 'sehr schnell' 3.3.2 PRÄPOSITION
Von auf /-e/ auslautenden Adverbia abgeleitete Präpositionen, die in der Regel den folgenden Artikel kontrahieren, sind in der Maskulinform angeführt: ando 'in, nach' andar : andro 'aus' anglo 'vor' bi 'ohne' dschi 'bis' fa 'von' maschkar 'zwischen, inmitten' mero 'bei, neben' oni 'ohne' misto 'wegen' palo 'hinter, nach' pedar 'darüber, über' priko 'über, rüber, jenseits' telo 'unter' upro 'auf, am' uso 'zu, bei' vasch 'wegen' 43
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3.3.3 KONJUNKTION
Gleich den anderen Romani-Varianten verfügt auch das Roman über die koordinierende Konjunktion taj 'und' (mit der Realisation /te/ bzw. mit dem folgenden Wort kontrahiert t' wie beispielsweise t'akór 'und dann') sowie über die temporale Konjunktion kada 'als, sobald, nachdem'. Multifunktional ist die subordinierende Konjunktion te 'daß, wenn, falls', die im Romani als konjunktivische Konjunktion dem indikativischen kaj 'daß, weil' gegenübersteht: Dschanav, kaj bastalo ojs. 'Ich weiß, daß du glücklich wirst.' Kamav, te bastalo ojs. 'Ich will, daß du glücklich wirst.' Neben kaj wird auch das ungarischstämmige hot 'daß, ob, weil' (< ung. hogy ) indikativisch verwendet. 'So kommen sie nicht d'rauf, Na peren afka upre, daß du ein Rom bist.' hot Rom sal. Die Konjunktion te wird selten verwendet. Bei weitem häufiger treten in konjunktivischer Funktion kaj te und hot te in der Bedeutung 'daß, damit' auf, wobei offen ist, ob diese als zweigliedrige Konjunktionen oder als Konjunktionen in Verbindung mit dem Konjunktiv zu klassifizieren sind. 'Ich werde den Teufel bitten, Me moliná le devle, daß er uns hilft.' hot te pomoschinel amenge. Konjunktionen sind u. a. auch: dschimeg ham mint/ment sar vaj
'solange' 'aber' 'weil, denn' 'als, wie' 'oder'
3.3.4 NEGATIONSPARTIKEL
Die Negationspartikel na wird sowohl als Satzäquivalent in der Bedeutung 'nein' gebraucht – das positive Gegenstück ist he 'ja' –,als auch in der Bedeutung 'nicht'. Na, me na avav. 'Nein, ich komme nicht.' Me na dschav. 'Ich gehe nicht.' Die Partikel m a negiert – wie bereits gezeigt – ausschließlich den Imperativ. Ma dscha! 'Geh nicht!' Ma vrischtschanen! 'Schreit nicht! Die Partikel ni wird neben ihrer Funktion als Negationspräfix – nimeral 'von nirgendwo her' – in der Bedeutung 'weder ... noch' gebraucht: Me na dschanav, so hi odá, 'ich weiß nicht, was das ist, ni gra ni esa. weder ein Pferd, noch ein Esel.' 3.3.5 MODALPARTIKEL
Die Modalpartikeln zeigen – wie im übrigen der gesamte Partikelbereich – die Multifunktionalität einzelner Lexeme; einige der in der folgenden Auswahl aufgeliste44
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ten Partikeln fungieren auch als Adverbia etc. und sind z. T. auch als solche klassifiziert: bul : buj 'wohl' ham 'aber, doch' hos 'wirklich, tatsächlich' imar : ima : mar : ma 'nur, schon, bereits, aber auch' lafka : tafka 'wohl, ohnehin' meg 'noch, auch noch, sogar' muguli : mulugi 'sogar' nemik : menik 'nicht einmal' papal 'wieder' saj 'so' talam 'hoffentlich, wohl' te 'auch' tschak 'nur' 3.3.6 GRADPARTIKEL
Die ebenfalls zu dieser Gruppe zu rechnenden Superlativpartikeln lek , naj und maj sind bereits im Rahmen der Komparation der Adjektiva behandelt worden. afka 'ziemlich, so' bi 'wie sehr' bojd 'fast, beinahe' but 'sehr' buter 'mehr' eklík 'ein bißchen' igen 'sehr' 3.3.7 KONJUNKTIVPARTIKEL KONJUNKTIVPARTIKEL
Beispiele für die Konjunktivpartikeln– iste, naschti(g), ne(ka), schaj, te – finden sich im Kapitel »Verb«, Abschnitt »Modus. 3.3.8 KOMPARATIONSPARTIKEL KOMPARATIONSPARTIKEL
Als Komparationspartikel wird das multifunktionale Lexem sar 'wie, als' verwendet: Bischvar soraleder hi sar me. 'Er ist zwanzigmal stärker als ich.' 3.3.9 NARRATIVPARTIKEL
Die hochfrequente Narrativpartikel des Roman ist hat (< ung. hát ) 'und, denn, ...' mit der Variante hatek 'und einmal': Hat o rom kesdintscha te cidel. 'Und der Rom begann zu spielen.' Hatek mro tschau fuat gelo. 'Und einmal ist mein Sohn fortgegangen.' 3.3.10 INTERROGATIVPARTIKEL
Die einzige Interrogativpartikel ist pa , wie beispielsweise: Pa sar? 'Und wie geht's?' Pa na ajs? 'Kommst du nicht (auch)?' Pa naschtig tuke pomoschinav? 'Kann ich dir nicht helfen?' 45
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3.3.11 VERBALPARTIKEL
Die Verpalpartikeln des Roman sind entweder Lokaladverbia, die in ihrer Neutralform – endungslos, oder auf /-e/ auslautend – sogenannte Partikelverba bilden, oder Entlehnungen aus dem Deutschen: angle tschav 'einspannen (Pferde)' ar cidav 'ausziehen' aun asav 'anlachen' orde avav 'herkommen' tel pisinav 'unterschreiben' use tschav 'dazugeben' Untrennbar mit dem Verb verbunden und deshalb als Verbal-Präfixe klassifiziert sind /ca-/, /cam-/, /fa-/ und /o-/: cadscháv 'zergehen' cám perav perav 'zusammenfallen' falikerav 'verhalten' odav 'abgeben (sich)' 4 SYNTAX 4.1 WORTGRUPPEN 4.1.1 NOMINALGRUPPE
Die Nominalgruppe im Roman verfügt über prä- und postnominale Modifikatoren. Die pränominalen Modifikatoren werden im folgenden behandelt. Die postnominalen Modifikatoren (Nominalgruppen, Präpositionsgruppen, Nominalkomplemente und Attribute) sind in den entsprechenden Abschnitten dargestellt. Determination
Es gibt vier Möglichkeiten, Determination zu kodieren: Den bestimmten Artikel, den unbestimmten Artikel, die »Nullmarkierung« und deiktische Pronomen (Demonstrativ-, Possessivpronomen), welche syntaktisch ähnlich den Adjektive verhalten. Bestimmter Artikel
Im Roman wird ein referentielles Nomen dann definit kodiert, wenn der Sprecher annehmen darf, daß der Hörer diesem eindeutige Referenz zuweisen kann. Das gilt für physisch eindeutige Entitäten: o kham 'die Sonne', o them 'die Welt', für kulturell eindeutig definierte Identitäten: o Del 'Gott', o harengere 'die Gendarmen', und für Namen, und zwar sowohl für Eigennamen: o Dudum 'der Dudum', i Mirci-muam 'die Mirci-Tante', 46
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als auch für Namen16 im allgemeinen, etwa Gattungsbezeichnungen für Pflanzen, Tiere, etc. oder, wie im folgenden f olgenden Beispiel, Bezeichnungen Bezeichnungen für Krankheiten: Mulo peske, i krebs leske krebs leske sin. 'Er starb (sich), den Krebs hatte er.' Prinzipiell werden einmal in den Diskurs eingeführte Topiks in der Folge ebenso definit gesetzt, wie nominale Information zur Kontinuität von Zeit (selten Ort). O ka di na pekamas andi ischkola te 'Am nächsten Tag müssen wir nicht in dschal. die Schule gehen.' Nicht-referentielle, generische Nomen erhalten den bestimmten Artikel: O gadscho, te lo sechcg johr ulo, imar 'Ein Gadscho, wenn er sechzig Jahre na dschanel ov ... wird, weiß er schon nicht mehr ...' Ah, i tschordi boba lek feder boba hi. 'Ah, gestohlener Mais ist der beste Mais.' Generische Nomen im Plural stehen, sofern sie nicht Subjekte sind, indefinit: Amen afka marhi nana, marhi nana, amen 'Wir hatten so Tiere nicht, wir hatten dschukela sin . Hunde.' Nicht-generische, nicht-referentielle Nomen werden definit gesetzt: Alo andi hulchitn, taj o hokono prik 'Er kam in die Holzhütte, und er trug t rug die legetscha. Hacke hinüber.' Odoj, kaj o D. o kher kintscha. 'Dort, wo der D. das Haus kaufte.' Nullmarkierung und unbestimmter Artikel
Indefinitheit einer Nominalgruppe wird in der Regel nicht kodiert: Andar o huleri kertscha schipojka. 'Aus Holunder machte er eine Pfeife.' Ohne in der Referentialitätskodierung eine klar bestimmbare eigene Funktion zu erfüllen, erscheint auch jek in der Funktion des unbestimmten Artikels: Probalinen le jek verdaha. 'Sie versuchen es mit einem Wagen.' Mit einer gewissen Regelmäßigkeit tritt jek lediglich zur Einführung eines neuen Topiks auf, wobei die Diskursprominenz des neuen Aktanten nichts zur Sache tut. Anzumerken ist, daß jek , die Demonstrativa und daneben auch asaj 'ein(-e) solcher, solche, solches', zur Einführung von Topiks gebraucht werden können, von welchen sich der Sprecher distanzieren möchte. Quantifikation
Zu den Quantifikatoren zählen Numeralia, Numeraladjektive, Pronominaladjektive und Indefinitpronomen. Nichtvorhandensein wird im Roman mit Verb- bzw. Satznegation (Negationspartikeln) markiert: Nana amen gra. 'Wir hatten kein Pferd.' [Nicht war uns ein Pferd.] Es kann daher zu doppelter Verneinung kommen: Niko na diklom. 'Niemanden habe ich gesehen.' [Niemanden habe ich nicht gesehen.] 16
Ortsnamen allerdings werden gewöhnlich nicht determiniert.
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Die verschiedenen Abstufungen gradueller Quantifizierung werden mit Pronominal- oder Numeraladjektiven kodiert, die sich wie die übrigen Adjektiva verhalten. Die Partikel sa 'alle, alles' verstärkt die Allquantifizierung: Sa o duj pumare va asdinen. 'Alle beide hoben ihre Hand.' Sa le trinenca buti kertschom. 'Mit allen dreien arbeitete ich.' Adjektivgruppe Bei mehreren Adjektiven in einer Adjektivgruppe steht dasjenige am nächsten zum Nomen, welches dieses am stärksten in seiner Bedeutung einengt: T'odoj gadscho sina, odole sina parno 'Und dort war ein Gadscho, dieser hatte gra, schukar parno gra, aun le diklam ein weißes Pferd, ein schönes weißes ... Pferd, wir sahen es an ...' asaj rafinirti phurane manuscha 'solche raffinierte ältere Menschen' Die Adjektivgruppe ihrerseits kann von Partikeln modifiziert werden: Asaj sik le sina. 'So schnell waren sie.' eklik feder 'ein wenig besser' saj flajsi 'so fleißig' Possessor Possessionsgruppen verhalten sich ähnlich wie Adjektiva; sie kongruieren gleich und stehen, so wie diese, eng am Nomen: leskeri phen 'seine Schwester' la mra dajakere phralenca 'mit den Brüdern meiner Mutter' 4.1.2 PRÄPOSITIONSGRUPPE Nomen stehen nach Präpositionen im Nominativ, Pronomen aber im Präpositional (ausgenommen vasch 'wegen', fa 'von', und fi 'für'; siehe unten): ando gav 'ins Dorf' andre lende 'aus/von ihnen' mer tute 'bei/neben dir' Wie vor Pronomen, zeigen manche Präpositionen vor Demonstrativa, unbestimmtem Artikel oder Nullmarkierung eine Endung -e . Diese Präpositionen kontrahieren den bestimmten Artikel: ando gav 'ins Dorf, im Dorf' usi buti 'bei der/zur Arbeit' Vokalisch anlautende Demonstrativa oder Pronomen werden zwar ebenfalls kontrahiert – us'amaro kher –, hier gilt hingegen die dissimilierte Form als korrekt: use amaro nipo 'bei/zu unseren Leuten' use oda gadscho 'bei/zu diesem Bauern' Bei obliquem Artikel in Präpositionsgruppen Präpositionsgruppen finden sich nur selten dissimilierte Formen: use le kiraleskeri dis 'bei/zu der Burg des Königs' use la Susakeri tschaj 'zu Susis Tochter' Weit öfter steht hier die Neutralform: ande raschajiskere bar 'im Garten des Pfarrers; in einem Pfarrersgarten'
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Wie im Abschnitt zur Determination gezeigt, werden Nomen, die nicht-topikalische Information zur Handlungskontinuität geben, oft definit gesetzt. Das geschieht auch in Präpositionsgruppen: (Die Erzählerin schildert ihre bittere Armut in früheren Jahren, und sagt:)
Ando vesch iste dschahahi te sol upro 'In den Wald mußten wir schlafen gepatra. hen, auf den Blättern.' (Wald und Blätter spielen im vorhergegangenen und nachfolgenden Diskurs keine Rolle.)
Definite Kodierung ist in der Präpositionsgruppe die Regel. Daher dürfte sich auch die Verwendung von Präposition mit Artikel in Fällen wie den folgenden erklären: uso sako kher 'zu jedem Haus' Te lakere fatschuske oda nasvalipe ulo 'Auch ihr Kind bekam diese Krankheit taj palo trin di mulo. und starb nach drei Tagen.' Nur alten Sprecher verwenden noch lokativische Nomen in Präpositionsgruppen: ande saste tschukleste 'von einem gesunden Hund' and'asaj tikne ortschoftende tikne ortschoftende 'in solche kleinen Ortschaften' Weiters gibt es, wie angemerkt, Präpositionen, die andere Kasus fordern. Vasch 'wegen, für' kann – neben Nominativ – sowohl Lokativ als auch Dativ verlangen: vasch schulate 'wegen der Schule' vasch leske 'seinetwegen' [wörtl.: wegen ihm] Fa 'von' fordert Nominativ oder Ablativ, fa Betschistar 'von/aus Wien', und fi 'für' Nominativ oder Dativ: fi leske 'für ihn'. Ortsnamen stehen häufig auch ohne Präposition: Adatar pejom Feldbach. 'Von da kam ich nach Feldbach.' T'odoj Najstodt priki rat sutscham. 'Und dort in Neustadt schliefen wir die Nacht über.' 4.1.3 ADVERBGRUPPE
Aus mehreren Adverben bestehende Adverbgruppen sind selten. Recht häufig aber stehen Präpositionsgruppe und Adverben in Adverbgruppen zusammen: upro turm upral 'auf dem Turm oben' upri plottn ari 'auf die Platte hinaus' 4.1.4 VERBGRUPPE
Hierzu zählen mehrteilige Verbformen sowie unmittelbar vom Verb abhängige Elemente, die nicht Satzgliedcharakter haben. Dazu gehören: a. Auxiliarkonstruktionen: Das analytische Passiv und die nur bei einigen Verben auftretenden Sekundärformen. Das analytische Zustandspassiv wird mit 'sein' und PPP gebildet: Me somahi upre pisim. 'Ich war aufgeschrieben.' Das Vorgangspassiv wird mit 'werden' und PPP gebildet: 49
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Ar ovlahi sa larim . 'Alles wurde ausgeleert.' Die Sekundärformen von terdschojav 'stehen', beschav 'sitzen', paschlojav 'liegen' sind ebenfalls som 'ich bin' + PPP, werden aber aktivisch übersetzt: Terdo somahi ando brischind. 'Ich stand im Regen.' Oj meri petscha beschti sina. 'Sie saß neben dem Ofen.'
b. Verbalpartikeln. Die Elemente dieser Klasse müssen nicht am Verb stehen. Vor allem in komplexeren Verbgruppen sind sie meist von diesem getrennt: Otscha le dija uso Hansi. 'Er gab es hinüber zum Hansi.' Naschi naschtig dschahahi . 'Wir konnten nicht abhauen.' Angaben zur Stellung in der Verbgruppe müssen auch in Zusammenhang mit der Satzgliedstellung gesehen werden. Im affirmativen Aussagesatz ist die Reihenfolge Verbalpartikel – Konjunktivpartikel/Auxiliar – Verb: auf schaj bauninas 'wir können aufbauen' tel ovnahi gende 'sie wurden abgezählt' Akkusativpronomen können in die Verbgruppe treten: And' iste le tekerines ando papruschi. 'Eindrehen mußt du es in Papier.' Die Negationspartikeln na und ma stehen meist unmittelbar vor dem Finitum: Ma dscha use! 'Geh nicht hin!' O gra ar man na likertscha. 'Das Pferd hielt mich nicht aus.' Bei scheinbaren Ausnahmen in der 'sollen'-Konstruktion handelt es sich nicht um eine Wortgruppe, sondern um ein Satzgefüge nach Vorbild des Deutschen ('nicht, daß du glaubst …'): Na te muanines, hot ... 'Du brauchst/sollst nicht glauben, ...' 4.2 SYNTAKTISCHE FUNKTIONEN
Neben dem Prädikat (das in etwa der Verbgruppe entspricht) verfügt das Roman über folgende syntaktische Funktionen: Subjekt, direktes Objekt, indirektes Objekt, Adverbial und prädikatives Attribut (zu letzterem let zterem siehe Kopulasatz). 4.2.1 SUBJEKT
Das Subjekt steht im Nominativ, ist das einzige Argument intransitiver Sätze und das Agens-Argument des transitiven sowie bitransitiven Satzes. Manche transitive Sätze zeigen allerdings auch andere semantische Subjektrollen, wie beispielsweise Patiens in: Desch fatschuvtscha hi man. 'Ich habe zehn Kinder.' Die Kongruenz zum Verb ist so stark, daß das Subjekt nicht unbedingt gesetzt zu werden braucht: Adalaha schajdintscha pe. 'Von dieser ließ er sich scheiden.' [mit dieser schied er sich] Nur das Subjekt kann reflexiviert werden: Oda irinlahi pe ando grobo. 'Der drehte sich im Grab um.' Ov mindig le tikneha pe khelel. 'Er spielt sich immer mit dem Kleinen.' 50
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Die Stellung des Subjekts im einfachen Satz ist initial. Nur selten steht es final: 17 Hos na diklahi latsche, ov. 'Hat halt nicht gut gesehen, er.' phenel ov/oj 'sagt er/sie' 4.2.2 DIREKTES OBJEKT
Das Direkte Objekt hat die semantische Rolle des Patiens inne. In manchen, weniger prototypischen, Fällen sind die DO Soziative: Me leha khetan pejom. 'Ich kam mit ihm zusammen.' oder, wie etwa bei 'haben/bekommen', Benefaktive: 'Er hatte den Krebs.'
I krebs leske sina.
bzw. Lokationen: 'Sie hatten immer das ganze Gold dabei.'
Mindig o cilo somnak pumende sina.
Pronominale DO sind stets im Akkusativ kodiert, nur in den angegebenen Ausnahmen im Dativ bzw. Lokativ; nominale, unbelebte DO im Nominativ können durch Pronomen im Akkusativ ersetzt werden. Daher ist der Akkusativ als Kasus des DO anzusehen. Das DO kann über Passivierung zum Subjekt angehoben werden: 18 Schuschardo lo ol. ← Schuscharav le. 'Er wird geputzt.' ← 'Ich putze ihn.' Pronominale DO stehen oft direkt nach dem Verb. Stehen sie davor, werden sie meist von der Verbgruppe inkorporiert: And' le tschapinde 'Sie sperrten ihn ein.' aber nicht: *LE and' tschapinde. Dagegen stehen nominale Objekte eher vor dem Verb bzw. der Verbgruppe: Amen o gadsche upre las . 'Wir nehmen die Gadsche auf.' Oj lakeri holev tel cidija . 'Sie zog ihre Hose runter.' 4.2.3 INDIREKTES OBJEKT
Die neben DO und S dritte ausschließlich von nominalen Wortgruppen wahrgenommene syntaktische Funktion ist das indirekte Objekt. Von den Adverbialen unterscheidet es sich weiters dadurch, daß es valenznotwendig ist: Dav le tuke. 'Ich gebe es dir.' Ruschto som leha. 'Ich bin böse mit ihm.' Bei IO gilt dieselbe stellungsmäßige Differenz zwischen pronominalen und nominalen Objekten wie bei DO. Im Unterschied zum DO ist das IO nicht subjektivierbar. 17 Das Subjekt in finaler Position ist meistens als nachträgliche Spezifizierung des primären Satztopiks zu werten, und nicht unbedingt als Hervorhebung. 18 Transitive Sätze Sätze wie wie legede man 'sie trugen mich', in dem das Prädikat in der 3.Pl steht, werden oft passivisch übersetzt: 'ich wurde getragen'. Obwohl also man als DO markiert ist und auch sonst dementsprechende Behandlung findet, wird es – unter bestimmten kontextuellen Voraussetzungen – als Subjekt analysiert (siehe zum periphrastischen Passiv Abschnitt …).
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Die semantische Rolle des IO ist prototypisch die des Benefaktivs; diese wird mit Dativ kodiert. Verben wie beispielsweise vakerav 'sprechen', khetan perav 'zusammenkommen' oder odav 'sich abgeben' fordern den Instrumental: Vakerav tuha. 'Ich spreche mit dir.' Taha khetan perav mre pajtaschenca. 'Morgen komme ich mit meinen Freunden zusammen.' Das Ablativ-Argument von phutschav 'fragen' ist ebenfalls als IO zu betrachten. Ein Genitiv-Objekt ist bis jetzt nur in einer feststehenden f eststehenden Wendung bekannt: bekannt: Ov dija leskero . 'Er gab es ihm.' ['das Seine'; gemeint sind Schläge]. Anhebung zum DO
Wenn das DO bitransitiver Verben unbelebt ist, und somit im Nominativ steht, dann kann das IO seine Position ein- und seine morphologische Markierung übernehmen: Dav tut ek gono. ← Dav le tuke. 'Ich gebe dir einen Sack.' ← 'Ich gebe ihn dir.' Angehoben wird das IO vor allem dann, wenn, wie im Beispiel, beide Objekte hinter dem Verb stehen und das DO nicht über ein klitisches Pronomen ausgedrückt ist. Nicht gestattet ist die Anhebung, wenn beide Objekte zwischen S und V stehen, wie in O gadsche lake gadsche lake sa denahi. 'Die Gadsche gaben ihr alles.' O X. auto tuke dija . 'Der X. gab dir ein Auto.' Die relative Ordnung der Objekte richtet sich, neben der Art ihrer Kodierung, auch nach anderen Kriterien (siehe Abschnitt 4.4). Durch die Anhebung ist, wie schon gesagt, auch die Abgrenzung des IO zu den Adverbialen gegeben: Tschortscha lestar eseri schiling . 'Er stahl (von) ihm tausend Schilling.' Hier nimmt das Pronomen zwar die Stellung des DO ein, kann aber dessen morphologische Markierung nicht übernehmen und ist infolgedessen als Adverbial zu sehen. Die einzigen IO, welche nicht angehoben werden können, sind diejenigen, deren semantische Rolle dem Agens nahekommt, also vor allem Soziative. Das IO in Vakertschom leha . 'Ich sprach mit ihm.' kann folglich nicht angehoben werden. 4.2.4 ADVERBIALE
Adverbiale sind alle Glieder des einfachen Satzes, die nicht S, DO, IO oder P sind, und die – mehr oder weniger – direkt vom Prädikat oder dem ganzen Satz abhängen, insofern sie es/ihn modifizieren. Die prinzipiell ebenso in diese Kategorie fallenden prädikativen Attribute werden im Rahmen der Kopulasätze behandelt. Nominale A sind nicht valenznotwendig und unterscheiden sich nicht zuletzt dadurch von DO und IO; nicht-nominale A können sowohl frei als auch valenznotwendig sein. 52
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Freier Dativ, Instrumental, Ablativ und Genitiv: A1
Die Adverbiale dieser Gruppe sind durch Nominalgruppen kodiert. Sie sind von den Dativ-/Instrumental-/Ablativ-IO zu unterscheiden, verhalten sich aber im Hinblick auf die Stellung ähnlich wie diese. Freier Dativ Dativus commodi In dieser Verwendungsart bezeichnet der Dativ Teilnehmer einer Handlung, die aus dieser Handlung einen Nutzen ziehen bzw. einen Nachteil erfahren; dazu ist auch der sogenannte dativus possessivus oder 'Pertinenzdativ' zu zählen. Entscheidend ist, daß in beiden Fällen die mit dem freien Dativ bezeichneten Personen immer bewußte Teilnehmer des Geschehens sind, also dieselbe Rolle wie IO im Dativ spielen. Der Unterschied zu IO liegt in der Valenznotwendigkeit des Arguments: In Oja cölt lenge tel phandla. 'Dieses Zelt band er ihnen hinunter.' [zur Erde] ist das Adverbial frei, das heißt, nicht vom Verb gefordert. In Anlahi lenge but te hal. 'Sie brachten ihnen viel zu essen.' hingegen wäre der Dativ durchaus als IO zu beschreiben. Zwischen diesen beiden Polen liegt das Feld des dativus commodi : T'oda le kolenge le kolenge nana recht. 'Und das war den anderen nicht recht.' Alo amenge le kijiloha. 'Er kam uns mit dem Holzscheit.' Zu derartigen Adverbialen gehören auch die Ausdrücke des Befindens, sofern sie nicht als IO zu sehen sind: Oda latsche mange kertscha . 'Dies tat mir gut.' Dativus ethicus Als solcher dient der Dativ, über die Hervorhebung des Sprecherstandpunktes bzw. die Einbeziehung des Hörers, dem Sprecher dazu, dem Hörer klarzumachen, daß eine Handlung besonders wichtig, bemerkenswert, dringend, gewünscht, bedauerlich etc. ist: Kesdinen tuke te rol. 'Sie begannen dir zu weinen.' Schunav tuke larma. 'Ich höre dir Geschrei.' Ham desmol na peres mange saj lasne 'Aber diesmal kommst du mir nicht so furt. leicht davon.' Freies Dativ-Reflexivpronomen Der Dativ des Reflexivpronomens kommt der Reflexivierung – die im Akkusativ kodiert wird – recht nahe: tschav man 'ich gehe' [eigentlich: 'ich werfe mich'] steht beispielsweise neben dschav mange 'ich gehe mir, ich gehe'. In solchen Fällen – wie in der Abgrenzung zum IO – ist wiederum die Verbsemantik für die Klassifikation ausschlaggebend. Freies Dativ-Reflexivpronomen: O Lagi mulo peske.
'Der Lagi starb sich.' [merav fordert nur S] 53
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Indirektes Objekt: Oda ov peske merkinel.
'Das merkt er sich.' [merkinav fordert S, DO und S-identen Benefaktiv]
Reflexiv: Amaro tschau ladschal pe.
'Unser Sohn schämt sich.' [ladschav fordert S und S-identes Patiens (= Reflexivpronomen)] Das freie Dativ-Reflexivpronomen betont, anders als obligate Reflexivierung und IO, deutlich die Verbhandlung; sein Auftreten liegt, wie jenes des dativus ethicus , im Ermessen des Sprechers, wie das folgende Beispiel zeigt: Akor has amenge pijaha amenge mat- 'Dann essen wir (uns), werden wir (uns) scharaha amenge t'akor te sol amenge trinken, werden wir uns betrinken, und dschaha. dann werden wir (uns) schlafen gehen.' Dativ als Kasus des Zwecks Als solcher steht der Dativ außerhalb des Konzepts des Benefaktivs: Ando vesch dschahahi le dschahahi le vargajenge. 'In den Wald sind wir gegangen um die Pilze.' Prikoda ar schpekularinde, kojaske 'Danach überlegten sie [eigtl. spekulierdschan, tschereschneng t schereschnenge. e. ten sie sich aus], um was gehen sie, um Kirschen.' Daß der Dativ generell auch Kasus des Zwecks ist, darauf weist die Präposition vasch 'wegen' hin, die im Unterschied zu den anderen Präpositionen Dativ fordert19; ferner stehen soske 'warum?, weshalb?' und odoleske 'deshalb, darum' lexikalisiert im Dativ. Dativ als Kasus der Funktion oder Kapazität In dieser Verwendung kommt der Dativ nur selten vor: e tu tra rakla mange dschuvlake des, 'Wenn du mir deine Tochter zur Frau akor ne al oj manca. gibst, dann möge sie mit mir kommen.' Ko hi tumen badariske adaj? 'Wen habt ihr hier als Arzt?' Dativ als Kasus der Fortbewegung Angaben zur Fortbewegung können auch mit Nomen im Dativ auftreten. Der Dativ bezeichnet dann ganz generell Ziel, Verlauf oder (selten) Ausgangspunkt einer zielgerichteten oder verlaufenden Handlung: Lakera dake gelo. 'Er ging zu ihrer Mutter.' Le kiraleskeri rakli le bokloske tel di- 'Die Königstochter sah zum Fenster klahi. hinunter.' La lenjake usinlahi jek veka tele. 'Den Bach schwamm ein Korb hinunter.' Dativus temporalis Hin und wieder wird der Dativ zur Angabe eines Zeitpunkts verwendet: 19
Hin und wieder findet sich auch vasch + Präpositional: vasch soste 'weswegen'; vasch schulate 'wegen der Schule'. Diese Daten zeigen ein semantisches Konzept (Dativ als Zweck-Kasus) mit einem morphologischen (Präpositionen immer mit Präpositional) im Konflikt.
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'Zu dieser Stunde schlief ich noch nicht.' Kesdintscha deschujek orenge te pe- 'Er begann um elf Uhr zur backen.' kel. In dieser Funktion tritt aber häufiger der Genitiv auf. Freier Instrumental Der Instrumental-Kasus erfüllt als Adverbial zwei semantische Funktionen: Zum einen drückt er die Rolle des Soziativ aus, zum anderen jene des Instrumental. Vor allem als Soziativ wird er syntaktisch gesehen attributiv gebraucht, das heißt, eher als mit dem Verb hängt er mit dem Subjekt (selten mit dem Objekt) zusammen; als Instrumental hat er stärkeren Bezug zum Verb. Instrumental als Soziativ Als solcher kodiert der Instrumental meist Ko-Agens- bzw. Ko-Subjekt-Argumente: Me kher ajom mre phraleha. 'Ich kam nach Hause mit meinem Bruder.' O Engl manca sina. 'Der Engel war mit mir.' Auch nicht belebte Entitäten werden als soziative Subjektattribute im Instrumental kodiert: Orde al asaj staklo moljaha. 'Er kommt daher mit so einer WeinflaW einflasche.' Instrumental im engeren Sinn Als solcher ist der Instrumental weniger attributivisch als vielmehr ein Adverbial im Wortsinn, da er die Verbhandlung näher spezifiziert: Oj o te hal anlahi le kerekoha. 'Sie brachte das Essen mit dem Fahrrad.' Ov le srasteha le kerlahi. 'Mit dem Eisen machte er es.' Freier Ablativ Wie in der Morphologie dargestellt, kann der Ablativ sowohl synthetisch als auch analytisch gebildet werden; Pronomen verlangen generell die synthetische Bildung. Ablativ der räumlichen, stofflichen und familiären Herkunft Cfuis adatar otscha dschalahi. 'Zu Fuß ging er/sie von hier dort hin.' Tschikestar oda kerdo sina. 'Aus Lehm war das gebaut.' Oda raschaj tschore nipostar heasch- 'Dieser Priester stammte von armen tauminlahi. Leuten her.' Verben wie tschorav 'stehlen', lav 'nehmen' etc. nehmen oft ein Ablativ-Argument. Wie schon beim Dativ verläuft auch hier die Grenze zum IO nicht ganz klar. Prolativ Es findet sich sowohl ein Prolativ der Berührung: Hat cili rat rikerlahi le gadsche mejatar, 'Naja, die ganze Nacht hielt sie den grofoskeri rakli. Gadscho am Hals, (die) Grafentochter.' [= sie lag mit ihm zusammen] Phikestar tut astarav. 'An der Schulter packe ich dich.' Adala orake meg na sutschom.
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als auch ein räumlicher Prolativ: Taj ando cilo gav kher kherestar kher kherestar 'Und im ganzen Dorf ging sie von Haus dschalahi te kudulinel. zu Haus um zu betteln.' Der räumliche Prolativ kommt nur in feststehenden Wendungen vor; der Prolativ der Berührung hingegen ist produktiv. Ablativ von Grund und Ursache Akan o raklo khandlahi le khulestar. 'Nun stank der Bursch von der Scheiße.' Na dschanav sostar sin fadschim mro 'Ich weiß nicht, weshalb [= wovon] mein anguschto. Finger erfroren war.' Als solcher ist der Ablativ weitaus gebräuchlicher als der Dativ, der – selten – auch als Kasus von Grund/Ursache verwendet wird. Ablativus partitivus Taj kitschi latar kitschi latar murdarde? murdarde?
'Und vieviele von ihr wurden ermordet?' [wieviele ihrer Leute] 'Ich kannte nur zwei Brüder von ihm.'
Me tschak duj phralen prindscharahi lestar.
Der Partitivus steht bei Personen synthetisch, bei Materialangaben (Teil/Ganzes) analytisch mit Präposition und Nomen im Nominativ oder, seltener, Lokativ: O stolo sina andar o phabuno kascht. 'Der Tisch war aus Apfelholz.' Kertscha peske schipojka andar o hu- 'Er machte sich eine Pfeife aus Holunleriste. der.' Sonstige Ablative Neben den angeführten gibt es einige anders charakterisierte freie AblativNominalgruppen; so wird der Bezug von Äußerungsverben oft im Ablativ kodiert: Sako di vakernahi lestar. vakernahi lestar. 'Jeden Tag sprachen sie von ihm'. Selten findet sich ein possessiver Ablativ: I T. i daj hi la tiknoratar 'Die T. ist die Mutter der Kleinen'. Temporal ist der Ablativ nur zu einem Adverb lexikalisiert zu finden: adistar 'von heute an' Temporaler Genitiv Neben seinen possessiven Funktionen hat der Genitiv auch eine temporale: Jek schukar di kiratiskero aun mart- 'Eines schönen Tages am Abend klopfscha. te er an.' Kurkeskero muschika sina adaj. 'Sonntags gab es da Musik.' Deschuduj orengero papal ali. 'Um zwölf Uhr kam sie wieder.' Hier bezeichnet der Genitiv einen Zeitpunkt. Die entsprechenden Nomen sind teilweise als lexikalisiert, und somit als Adverben, aufzufassen.
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Lokale, temporale, modale und kausale Adverbiale: A2
Die Adverbiale dieser Gruppe sind entweder Adverbgruppen, oder Präpositionsgruppen, die durch Adverben ersetzt werden können. Im Unterschied zu den Adverbialen der Klasse A1 sind jene von A2 vorrangig für die Handlungskontinuität und -spezifizierung zuständig. Lokale Adverbiale Diese können durch Adverben: Akor mro tschau odoj atschnahi . 'Damals hat mein Sohn dort gewohnt.' Präpositionsgruppen: Me andi kojnha pejom. 'Ich kam in die Küche.' oder »präpositionslose Präpositionsgruppen« kodiert sein: T'akor pejom Födboch. 'Und dann kam ich nach Feldbach'. Die lokalen Adverbiale sind vor allem mit den Verben der Bewegung eng verbunden. Herkunftsbezeichnungen sind meist mit Präposition + Abl. kodiert: Fa Poslinatar dschi Willersdorf . 'Von Bachselten bis Willersdorf.' Ansonsten wird die örtliche Referenz im Nominativ oder Präpositional kodiert, mit den Ausnahmen des erwähnten Richtungs-Dativs bzw. den seltenen Fällen im Lokativ: 20 Upre bartschijam Poslinate. 'Aufgewachsen sind wir in Bachselten.' Recht häufig sind die verschiedenen Kodierungsmöglichkeiten untereinander verbunden: Andi kabin le ande legede . 'In die Kabine brachten sie es hinein.' Jek hi avral hi avral Betschiste sohardi. 'Eine ist draußen in Wien verheiratet.' Palo kascht tel alo. tel alo. 'Vom Baum kam er runter.' wobei hier meist eine Nominalgruppe oder Präpositionsgruppe die Verbhandlung näher spezifiziert. Die entsprechende Information wird oft doppelt kodiert. Temporale Adverbiale Diese können ebenso wie lokale Adverbiale durch Adverben, Nominalgruppen I rat cam amen astarde. 'In der Nacht haben sie uns zusammengefangen.'
und Präpositionalgruppen Oda ando haburi sina. 'Das war im Krieg.' ausgedrückt sein. Lokale und temporale Adverbiale werden oft mit denselben Formen – Adverben (dur 'lang; weit') und Präpositionen (ando 'in, nach') – kodiert, Formen, die sowohl im einen als auch im anderen Sinn gebraucht werden können. 20 Bemerkenswert ist ist das Adverb kojate 'dorthin', welches sich wohl aus koja 'Sache, Ding' entwickelt hat. Koja wird recht häufig als Statthalter gebraucht, wenn dem Sprecher momentan die ins Auge gefaßte Bezeichnung für einen Gegenstand entfallen ist bzw. die Nennung dieses Gegenstands/Orts/etc. hochgradig redundant ist und der Sprecher nach vollzogener Satzplanung beschließt, die neuerliche Nennung des Gegenstands/Orts/etc. zu unterdrücken. Kojate heißt demzufolge eigentlich 'nach Dings, in Dings', ist aber meist bereits als Adverb zu sehen.
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Nominalgruppen als temporale Adverbiale stehen in der Regel im Nominativ: Odoj trin masek upro frujor somahi . 'Dort war ich drei Monate im Frühjahr.' im Dativ (selten), oder im Genitiv: Deschujek berschengero somahi. 'Elf Jahre war ich alt.' wobei letztere fast ausschließlich attributiv gebraucht werden, um Altersangaben auszudrücken. Modale Adverbiale Die modalen Adverbiale haben dieselben Kodierungsformen wie die lokalen und temporalen; sie können wie diese in satzinitialer und verbnaher Position stehen: Sik otar naschi gejom. 'Schnell haute ich von dort ab.' [initial] Ov le avrijal kerlahi. 'Er machte es anders.' [verbnah] Kausale Adverbiale Die lexikalische Besetzung dieses semantischen Feldes ist schwach: Zwei Adverben (vasche 'dafür, darum', miste 'dafür'), die hauptsächlich in festen Wendungen bzw. mit dem Verb gemeinsam lexikalisiert vorkommen Me naschtig vasche kerav . 'Ich kann nichts dafür.' und zwei zusammengesetzte Konjunktionaladverben, Konjunktionaladverben, die meist satzinitial sat zinitial stehen vaschoda 'deswegen, daher' mistoda 'deswegen' Dementsprechend werden kausale Adverbiale meist über Präpositionsgruppen T'odoj aun amen schtölintscham misto 'Und dort stellten wir uns an wegen te hal. dem Essen.' bzw. Adverbialsätze realisiert: Otscha gejam sako di, kaj latscho te 'Wir gingen jeden Tag hin, weil es dort hal sina odoj. gutes Essen gab.' Kausal gebrauchte Präpositionsgruppen stehen entweder satzinitial Vasch leske naschi schaj kerlahi. 'Wegen ihm konnte er/sie flüchten.' oder satzfinal nach dem Verb: Pharo hi mange vasch lenge. 'Es tut mir leid um sie.' ['Es ist mir schwer wegen ihnen'.] Partikeln: A3
Partikeln im hier beschriebenen Sinn sind entweder gar nicht, oder nur durch Sätze bzw. Umschreibungen zu ersetzen. Es gibt, von semantischen Kriterien abgesehen, zwei Arten von Partikeln: Solche, die satz- bzw. äußerungsmodifizierend sind, und solche, die einzelne Satzglieder modifizieren. modif izieren. Satzmodifizierende Partikeln (Modalpartikeln, die Interrogativpartikel pa , die Narrativpartikeln) haben ihren festen Platz am Satzbeginn; manche können jedoch, un58
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abhängig von einem anderen Satzglied, nahezu jede Position zwischen den Gliedern einnehmen. Satzgliedmodifizierende Partikeln (Negations-, Verbal-, Graduierungs- u. Intensivpartikeln) haben keinen festen Platz im Satz, sehr wohl aber festgelegte Positionen in Relation zu den Satzgliedern, die sie modifizieren, und können daher nur mit diesen gemeinsam verschoben werden. 4.3 SATZ 4.3.1 EINFACHER SATZ Verbsatz
Die folgende Darstellung richtet sich nach Art und Zahl der nominalen Argumente, die die einzelnen Verben fordern; Adverbiale bleiben dabei weitgehend ausgespart. Verben ohne Subjekt: Impersonalia und unpersönlicher Gebrauch Die Verben im Roman kongruieren mit einem Subjekt; Ausnahmen sind die Impersonalia. Zu ihnen sind zu rechnen: kerminel 'es donnert' vilamsinel 'es blitzt' handschol 'es juckt' dukal 'es schmerzt, es tut weh' Dukal steht neben dukavav 'jmdn. verletzen, jemdm. Schmerzen bereiten'; meist wird die personale Form verwendet: Mre atscha dukan taj thabol mange. 'Die Augen tun weh und es brennt mir.' Me iste asajom hajk kaj mange dukano. 'Ich mußte lachen obwohl es mir wehtat.' Ausschließlich impersonal gebraucht ist dukal nur in der Bedeutung von 'in den Wehen liegen': Akana la romna dukalahi, fest la duka- 'Jetzt tat es der Romni weh, sehr tat t at es lahi imar. ihr schon weh.' Pekal 'es braucht, es ist nötig' ist ein weiteres Impersonalium und bindet ein Benefaktiv- und ein Patiens-Argument: Odoj pekal tuke roste klinci. 'Dort brauchst du rostige Nägel.' [dort braucht (es) dir rostige Nägel] Vor allem jüngere Sprecher machen jedoch das Patiens-Argument zum Subjekt: Loj amenge pekan. 'Geld brauchen wir.' [Geld(er) sind uns nötig]' Subjektlos sind die übrigen Verben nur im unpersönlichen Gebrauch: phudel 'es bläst', tharel 'es brennt', khandel 'es stinkt', schudrisajilo 'es wurde kalt', etc., sowie das Verb del 'geben' in den Wettersätzen (brischind del 'es regnet'; dschiv del 'es schneit'). Die Verben som und dschav werden, zum Ausdruck von Befindlichkeiten und generellen Ansichten, ebenfalls häufig impersonal gebraucht: Latscho amenge dschalahi. 'Es ging uns gut.' Pharo hi mange vasch leske. 'Es ist mir schwer wegen ihm.'
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Verben mit Subjekt: Intransitive Verben Zu den intransitiven Verben nur einige Beispiele: Me tel dikahi. 'Ich blickte hinunter.' Oj ali. 'Sie kam.' Nasvajilo. 'Er erkrankte.'
Bei oj ali und nasvajilo kongruiert in der 3.Sg/Pl Perfekt das Verb das Genus des Bezugsnomens bzw. Subjekts. Dies ist bei einigen intransitiven Verben der Fall 21 und erleichtert die Aufgabe des korrekten Rezipierens der Topiklinien. Verben mit Subjekt und Objekt Nominalgruppen in nahezu allen morphologischen Kasus können als Objekte auftreten. Dabei sind Nominativ, Akkusativ und Dativ weitaus am häufigsten; manche Verben regieren jedoch auch andere Kasus, und wiederum andere satzartige Ob jekte. Transitive Verben Das prototypische transitive Verb verfügt über ein Agens-Subjekt und ein Patiensder-Veränderung-Objekt: O khera kerde. 'Sie machten [bauten] die Häuser.' On tharde len. 'Sie verbrannten sie.' Me amare Romen schaj sikava. 'Ich werde unsere Roma lehren können.' Während Pronomen als Objekte transitiver Verben22 meistens im Akkusativ stehen, ist dies bei Nomen weitaus seltener der Fall; als unbelebt angesehene Entitäten werden, wie dargestellt, nur in ihren Proformen (d.h., wenn sie bereits in den Diskurs eingeführt sind) mit Akkusativ (und damit als Objekte morphologisch) markiert. Verben mit nominalen Objekten in anderen Kasus a. Verben mit Dativ-Objekt. Es gibt Verben, die neben dem Subjekt ein DativObjekt erfordern, nämlich das erwähnte dukavav 'jmdm. Schmerzen bereiten' sowie tecinav 'gefallen' und pomoschinav 'helfen': O atscha mange dukan. 'Die Augen schmerzen mich.' [tun mir weh] I gili mange tecintscha. 'Das Lied gefiel mir.' Mro Del mange pomoschintscha. 'Mein Gott half mir.' b. Verben mit Instrumental-Objekt. Im Roman gehören zu solchen Verben nicht nur Interaktionsverben, sondern auch solche, die in offensiver Weise NichtInteraktion ausdrücken: 21 Neben alo 'er kam' auch suto 'er schlief', gelo 'er ging', mulo 'er starb', atschilo 'er blieb'; weiters die Verbableitungen mit -ojav (bartschilo 'er wurde groß, er wuchs auf') sowie mit -sajojav (kori- sajilo 'er erblindete'). Anders als in anderen Varianten (siehe Matras 1995) kann im Roman den entsprechenden flektierten Formen, die sich nur äußerst selten finden, keine eigene epistemische Konnotation zugeschrieben werden. 22 Viele transitive Verben können auch intransitiv gebraucht werden, wie z.B. in: i kham tharel 'die Sonne scheint'[tharav eigtl.'ich senge, brenne etwas an'] oder taha sohara 'morgen werde ich heiraten' [soharav eigtl.'ich heirate jmdn.']. Hier brauchen die Objekte wohl nicht genannt zu werden, weil sie ohnehin implizit vorhanden sind.
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'Sie redeten/sprachen mit euch.' 'Ich bin böse auf jemanden.' [mit jemandem] 'Er schied sich von ihr.' [mit ihr]
Tumenca vakerde. Ruschto som valakoha. Schajdintscha pe laha.
Verben mit sententiellem Objekt Stellvertretend für die Verben, welche satzartige Objekte nehmen können, sind hier Kognitionsverben und Modalverben angeführt; die Komplemente selbst werden im Abschnitt zum zusammengesetzten Satz beschrieben. Kognitionsverben sind transitiv oder (metaphorisch) bitransitiv (gondolinav 'ich denke, glaube', pat- schav 'ich glaube', dschanav 'ich weiß' etc.) und haben also zumindest ein Patiens-Objekt. Dieses kann nun entweder ein Komplementsatz Gondolintschom, te man oda kamla ... 'Ich dachte, wenn mich dieser liebt ...' oder, zumindest für die meisten, die direkte Rede selbst sein. Pronomen stehen also in diesem Fall oft für Äußerungen und ähnliches: Patscha le mange! 'Glaube es mir!' Modalverben (kama 'ich will', na pekamav 'ich muß nicht, brauche nicht', dschanav 'ich kann';23 kesdinav 'ich beginne', vigininav 'ich beende', pobisterav 'ich vergesse') treten mit Infinitiv auf: Kama te dschal. 'Ich will gehen.' Me meg dschanav Roman te vakerel. 'Ich kann noch Roman sprechen.' Diese Infinitive haben die Funktion eines Objekts; wie die Kognitionsverben sind die Modalverben alle transitiv. Verben mit Subjekt und zwei Objekten Die bitransitiven Verben wie dav 'ich gebe' oder ledschav 'ich bringe' haben neben einem Subjekt ein direktes Objekt und ein indirektes Objekt als Argumente. Wie für die Objekte transitiver Verben gilt auch hier, daß nominale und pronominale Objekte meist unterschiedlich kodiert werden: Te hal amen devatscha. 'Er ließ uns Essen geben.' Ov len amenge dija. 'Er gab sie uns.' O katscha sakone gadscheske vaj 'Er/sie gab die Scheren jedem Gadscho gadschake pal delahi. oder (jeder) Gadschi zurück.' Das IO wird nur dann dativisch markiert, wenn das DO im Akkusativ steht. Steht das DO im Nominativ, braucht das IO nur im Akkusativ kodiert zu werden. Zu den bitransitiven Verben gehören auch die Äußerungsverben ( phenav 'ich sage, spreche', phukavav 'ich erzähle', phutschav 'ich frage', vakerav 'ich erzähle'); Ausnahmen in der Kodierung des IO bilden hier phutschav und vakerav , denn das IO von phutschav kann sowohl im Akkusativ als auch im Ablativ, nicht aber im Dativ stehen: Akan phutschav tutar. 'Jetzt frage ich dich.' Na phutschnahi tut. 'Sie haben dich nicht gefragt.'
23 Das dschanav des Wissens und jenes des Vermögens ('können') unterscheiden sich nach der Art ihrer Komplemente: 'Können' erfordert den 'same-subject'-Infinitiv.
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Obwohl sich noch vereinzelt Lokativ-Objekte finden, haben Präpositionsgruppen die Funktion dieses Kasus weitgehend übernommen: Bitschatscha la upro baunhof . 'Er/sie schickte sie auf den Bahnhof.' Kopulasätze und 'haben', 'bekommen'
Die Verben 'sein' und 'werden' haben im Roman verschiedene Funktionen. Diese Funktionen unterscheiden sich nach der Art der in Beziehung gesetzten Elemente. Kopulasätze Kopulasätze haben die Struktur SV, wobei das Verb ein Kopulaverb sowie ein Prädikativ umfaßt. Ist das Prädikativ adverbial oder nominativisch-nominal, dann drückt der Kopulasatz Eigenschaftszuweisung, Klassenzugehörigkeit, Existenzaussage etc. aus: Sa latscho ovlahi. 'Alles wurde gut.' Mar phuro lo sina. 'Er war schon alt.' Ist das Prädikativ nominal, kongruiert es mit dem Bezugsnomen in Genus und Numerus. Ist das Prädikativ adverbial, dann funktioniert die Kopula wie die übrigen Verben: Odoj somahi genau ek bersch . 'Dort war ich genau ein Jahr.' Fa Warschau lo sina. 'Er war aus Warschau.' Wenn das Prädikativ ein PPP und somit eine infinite Verbform ist, dann wird der Kopulasatz mit Nominativ-Subjekt als Passivkonstruktion analysiert; die Kopula hat dann Auxiliarfunktion: O elektrischi ar hi scholtim. 'Der Strom ist ausgeschaltet.' Marde ule . 'Sie wurden geschlagen.' Von solchen Passiv-Prädikaten können Objekte abhängen: Me oda siklim oda siklim somahi . 'Ich war das gewöhnt.' oder Adverbiale: Le burtschuke aun burtschuke aun phandlo ulo . 'Er wurde am Kalb angebunden.' 'haben' und 'bekommen' Das Roman hat kein Verb für den Ausdruck von Besitz. Vielmehr dient das Verb 'sein' dazu, Besitzer und Besitz in Beziehung zu setzen; dabei steht der Besitz, das Patiens des Zustands, im Nominativ, und der Besitzer, der Benefaktiv, im Akkusativ: Man dschukela sina. 'Ich hatte Hunde.' [Mich Hunde waren.] Odole parne stochlini hi. 'Dieser hat weiße Stacheln.' Syntaktisch sind 'haben' und 'bekommen' folgendermaßen zu analysieren: Fatschuvkija la uli . 'Ein Kind bekam sie.' fatschuvkija S Nomen im Nominativ, Besitz, Patiens la O Nomen nicht im Nom., Besitzer, Benefaktiv uli V Kopula
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Das Objekt ist im Unterschied zu den Objekten transitiver Verben nicht subjektivierbar. Dasselbe gilt für ojav 'ich werde' in der Bedeutung von 'bekommen':24 Sako bersch la B. ovlahi jek tschavoro. 'Jedes Jahr bekam die B. ein Kind.' [Jedes Jahr wurde der B. ein Kind.] Schuvle pre le ule. 'Er bekam geschwollene Füße.' Vor allem in der 'haben'- Konstruktion kann das Objekt (der Besitzer) auch im Dativ stehen: I krebs leske sina. 'Er hatte Krebs.' Afka koja mange sina o anguschto fa- 'So ein Dings hatte ich, der Finger war dschim sina le schilestar. erfroren von der Kälte.' Der Dativ gelangt dann zur Anwendung, wenn ein innerer Zustand (oder eine Veränderung desselben) des (in diesem Fall notwendigerweise belebten) BenefaktivArguments ausgedrückt wird. Wird in dieser Konstruktion der Präpositional verwendet, handelt es sich dabei um den Ausdruck von unmittelbarer körperlicher Nähe von Besitzer und Besitz: Binklini amende sina. 'Wir hatten Binkeln bei uns.' Mindig leste sin tschurtscha. 'Immer hatte er Messer bei sich.' Für beide, Dativ- und Lokativobjekte in dieser Konstruktion, gilt, daß sie nur pronominal zu beobachten sind. 4.3.2 SATZGEFÜGE
Im Roman gibt es drei Arten von Komplementsätzen: Satzkomplemente, die bei Verben von bestimmter semantischer Charakteristik stehen, Adverbialsätze, die nicht von der Semantik des Verbs im übergeordneten Satz abhängen, und Relativsätze, die Nomen-Komplemente sind. Nebensätze in Subjekt- und Objektfunktion: Satzkomplemente
In solchen Satzgefügen sind die Komplemente abhängig von Bedingungen im Hauptsatz; dieser eröffnet ihnen einen Rahmen, der ausgefüllt werden muß. Die Komplemente in Subjekt- oder Objektfunktion stellen also zusammen mit dem übergordneten Satz eine Aussage, und nicht eine Verbindung zweier unabhängiger Aussagen dar. Objektsätze von Modalverben Verben wie kama 'ich will', dschanav 'ich kann', kesdinav 'ich beginne', probalinav 'ich versuche', etc. bedingen von ihren Objekt-Komplementsätzen, daß die in ihnen ausgedrückte Handlung relativ zur Hauptsatz-Handlung nachzeitig stattfindet. Die Kodierung der betreffenden Komplemente richtet sich weiters danach, ob sich das Verb im Komplementsatz auf dasselbe Subjekt bezieht wie das übergeordnete Verb ('same-subject'), oder nicht ('different-subject'). Es gibt dementsprechend zwei Kodierungen: Eine 'same-subject'-Konstruktion, die mit te + infinites Verb (3.SgPräs) gebildet wird, und eine 'different-subject'-Konstruktion mit hot/kaj/te + finites Verb. 24
Für 'bekommen' gibt es allerdings auch das Verb uschtidav , welches Benefaktiv-Subjekt und Patiens-Objekt kasusmäßig nach transitivem Vorbild behandelt.
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'same-subject': Infinitiv Das Nebensatzverb steht hier immer in der 3.Sg Präsens und kongruiert nicht mit seinem Subjekt im Hauptsatz: Adala terne na kamna pal ada te schu- 'Diese Jungen wollen davon nichts hönel. ren.' Ada bersch kesdintschom andi ischkola 'In diesem Jahr begann ich, in die te dschal. Schule zu gehen.' Ein Infinitivkomplement kann nicht nur bei Modalverben, sondern überall dort stehen, wo zwischen Verbhandlung und Komplement abhängige Zeitreferenz besteht: Sa upre mande los gele man te marel. 'Alle gingen auf mich los, mich zu schlagen.' Me mekav tut te dschil, te tu mange 'Ich lasse dich leben, wenn du mir beisikatschal upre hegeduja te cidel. bringst, auf der Geige zu spielen.' Der Infinitiv ist nicht immer objektwertiges Satzkomplement, sondern auch Adverbial. Man findet ihn ferner auch als Prädikativ; hier wirkt er oft nominalisiert: Latscho nana, ham te hal sina. hal sina. 'Gut war es nicht, aber Essen war es.' Afka nasvaijli, hot te merel li merel li sina. 'Sie wurde so krank, daß sie zum Sterben war.' Infinitiv steht auch als Nomen-Attribut: Ok, antschom valaso te hal. 'Da, ich habe etwas zu essen gebracht.' 'different-subject': Konjunktiv Wenn übergeordnetes Modalverb und Nebensatzverb sich auf verschiedene Sub jekte beziehen, werden die Komplementsätze mit hot/( seltener seltener kaj) 'daß' + te und finites Verb gebildet: Amen na kamaha, hot o Roma jeke 'Wir wollen nicht, daß die Roma sich kavre tel te posan. gegenseitig abstechen.' Me kama, hot mro mursch lo te ol. 'Ich will, daß er mein Mann wird.' Auch diese Konstruktion ist nicht auf Modalverben im engeren Sinn beschränkt: Phen tra dake, hot te mekel len mange 'Sag deiner Mutter, daß sie sie mich efkar te koschtalinel, i portscha. einmal kosten lassen soll, die Portscha.' Subjekt- und Objektsätze von Kognitions- und Äußerungsverben Kognitions- und Äußerungsverben schränken, anders als die Modalverben, die mögliche Zeitreferenz ihrer Komplementsätze nicht ein; die im übergeordneten Satz ausgedrückte Handlung bedingt keine Nachzeitigkeit der KomplementsatzHandlung. Kodiert werden die Komplementsätze mit unabhängiger Zeitreferenz mit hot/kaj + finites Verb: Ham na dschanlahi, hot romane fa- 'Aber er wußte nicht, daß wir Romatschuvtscha sam. Kinder sind.' Akor dikla lo, kaj flaißi sam. 'Da sah er, daß wir fleißig sind.' Selten tritt, statt hot/kaj , te in der Bedeutung 'daß' auf: Ovlahi o Del sau latscho, te le pale 'Wäre der Gott so gut, daß er ihn zuphudlahi. rückblasen würde.' 64
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Meistens ist te in solchen Sätzen mit 'ob' zu übersetzen: Imar dschanahi, te oj avlahi. 'Sie haben schon gewußt, ob sie kommen würde.' Ham akan valaso phutschav, te tu sal 'Aber jetzt frage ich dich etwas, ob du Rom, vaj gadscho sal. Rom bist, oder bist du Gadscho.' Nachdem übergeordneter Satz und Komplement hier in keiner zeitlichen oder ursächlichen Beziehung stehen, richten sich auch Tempus und Modus des Komplementsatzverbes nicht nach dem Hauptsatzverb. Adverbialsätze
Die Komplementsätze in Adverbialfunktion sind nicht an bestimmte Verben im übergeordneten Satz gebunden. Adverbialsätze setzen zwei unabhängige Aussagen zueinander in Beziehung; sie modifizieren das übergeordnete Verb oder den ganzen übergeordneten Satz. Es gibt im Roman zwei Gruppen von Adverbialsätzen: Die einen sind von Stellung und Skopus echte Adverbialsätze, die anderen sind eher Nomen-modifizierend und somit relativsatzähnlich. Adverbialsätze im engeren Sinn Sie sind – meistens – nicht objektwertig und beziehen sich direkt auf die Verbhandlung des übergeordneten Satzes oder auf diesen selbst. Finalsätze Die Handlung des Finalsatzes wird als Ziel oder beabsichtigte Wirkung der Handlung im Hauptsatz angegeben. Es herrscht eine angenommene Ursache-WirkungBeziehung zwischen den beiden Handlungen; angenommen deshalb, weil die Finalsatz-Handlung zwar beabsichtigt, (noch) nicht aber faktisch ist. Daher wird der Finalsatz auch nicht indikativisch, sondern konjunktivisch gebildet; die Kodierung ist somit kaj + te/schaj/naschtig/iste + finites Verb: Kama gomboci te kerel, kaj len te hal te 'Ich will Knödel machen, damit sie zu ol. essen bekommen.' O sottl mit kintscham, kaj le grasteha 'Den Sattel kauften wir mit, damit ich kher schaj prastavav. mit dem Pferd nach Hause reiten kann.' Kausalsätze Die Kodierung der Kausalsätze ist kaj + finites Verb. Je nach der Beziehung zwischen Nebensatz-Inhalt und Inhalt des Hauptsatzes gibt es zwei Arten von Kausalsätzen: a. Der Sachverhalt im Kausalsatz ist Ursache für den Sachverhalt oder die Handlung im übergeordneten Satz, bzw. der Sachverhalt im Kausalsatz beeinflußt den Sachverhalt oder die Handlung im Hauptsatz ursächlich: Ham tschidine le, kaj o dschuvla diline 'Den haben sie aber rausgeworfen, weil ando gav pal leste. die Frauen im Dorf verrückt waren nach ihm.' Ma rov, mri phirani, kaj tut si te 'Weine nicht, meine Geliebte, weil ich muklom. dich lassen mußte.' Hajk od. kajk/kek vor kaj drücken aus, daß der Nebensatz-Sachverhalt wider Erwarten nicht Ursache für die Handlung im Hauptsatz ist oder sein mußte, bzw., 65
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daß der Nebensatz-Sachverhalt die Hauptsatzhandlung wider Erwarten nicht beeinflußt: Ov meg buti kerel, kajk kaj lo mar hi 'Er arbeitet noch, obwohl er schon alt phurano. ist.' Ov pomoschintscha mange, hajk kaj 'Er half mit, obwohl ich ihn darum nicht me le na molintschom vasche. gebeten hatte.' Für kaj gibt es hier auch mert/mart sowie mint/ment ; die Bedeutung bleibt gleich, bis auf eine Konnotation von mert/mart , die sich bei kaj nicht findet: 'weil sonst, denn sonst, sonst'. b. Der Sachverhalt oder die Handlung im übergeordneten Satz ist Ursache für den Sachverhalt im untergeordneten. Hier erscheint auch hot : Atschi man martscha, kaj odoj mujo- 'Er schlug mich sosehr, daß ich dort mahi. gestorben wäre.' Ov atschi buti kertscha, hot leske o paj 'Er arbeitete soviel, daß ihm das Wastel fojinel. ser herunterrinnt.' [daß er schwitzt] Mert/mart 'denn/weil sonst, sonst' hat eine Eigenfunktion: Es leitet Kausalsätze ein, die eine Konsequenz aus der Handlung des Hauptsatzes ausdrücken, und die eine scheinbare 'Wahlmöglichkeit' vorgeben: Tschin, mart me tut tschinav! 'Schlag, sonst schlage ich dich!' Vaker, mert t'upro kija tscham tut dav 'Sprich ... sonst gebe ich dir auch auf jek! die andere Wange eine!' Konditionalsätze Der Konditionalsatz stellt eine notwendige Vorbedingung für die Handlung oder den Sachverhalt im Hauptsatz dar. Im Unterschied zu Temporalsätzen und Kausalsätzen drücken Konditionalsätze keine Tatsachen aus, also keine realen Handlungen und Sachverhalte, sondern nicht-faktische oder kontra-faktische Annahmen. Zur Kodierung von Konditionalsätzen stehen zwei Mittel zur Verfügung: Setzung oder Nichtsetzung von te und die Verbmarkierung. Nicht-faktische Konditionalsätze Nicht-faktisch sind Sätze, die sich im Moment ihrer Äußerung einer Wahrheitsbewertung entziehen, die aber prinzipiell nicht gegen das Wissen und die Erfahrung von Sprecher und Hörer verstoßen. a. Realis. Wenn der Sprecher das Eintreten eines Sachverhaltes oder einer Handlung von einer Bedingung abhängig macht, die nicht-faktisch gesetzt ist, nach Wissen, Erfahrung und/oder fester Absicht aber sehr wahrscheinlich oder sicher eintreten wird, dann äußert er diese Bedingung im Realis: Te me valakaj gejom, t'afka t' afka dschanes, 'Wenn ich irgendwo hingehe, weißt du man vidschik i mol den. wohl, dann geben sie mir überall den Wein.' Te sutscha, tschalava le, taj akor haha 'wenn er schläft, werde ich ihn erschlale. gen, und dann werden wir ihn essen.' Das Hauptsatzverb steht im Indikativ, also im zeitdeiktischen System des Diskurses. 66
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Hajk od. kajk/kek drückt aus, daß die angenommene Vorbedingung für die Hauptsatz-Handlung oder den Hauptsatz-Sachverhalt irrelevant ist: Kajk te o cug pinktli aun alo, amen 'Auch, wenn der Zug pünktlich antschpot peras. kommt, kommen wir zu spät.'
Die Kopula kann in Realis-Konditionalsätzen auch indikativisch stehen: Dschanes, so hi latscho, te valaso hi? 'Weißt du, was gut ist, wenn etwas passiert?' O beng man te ledschel, te nan 'Der Teufel soll mich holen, wenn das ad´akan tschatscho. nicht wahr ist.' Bei anderen Verben ist der Gebrauch des Indikativ in Realis-Konditionalsätzen 25 selten zu beobachten: So keres tu, te tre fatschuvtscha ha- 'Was machst du, wenn deine Kinder san? husten?' b. Potentialis. Wenn der Sprecher das Eintreten eines Sachverhaltes oder einer Handlung von einer Bedingung abhängig macht, die nicht-faktisch gesetzt ist, und die nach Wissen, Erfahrung oder Absicht des Sprechers nicht eintreten wird oder soll, obwohl ihr Eintreten möglich wäre, dann äußert er diese Bedingung im Potentialis: Te akan atschi hahi, merahi. 'Wenn ich jetzt soviel essen würde, ich würde sterben.' Te tu dschanehahi, so me mit 'Wenn du wüsstest, was ich mitgemacht kertschom … habe ...' Das Hauptsatzverb steht ebenfalls im Potentialis. c. Kontra-faktische Konditionalsätze. Wenn die im Nebensatz ausgedrückte Handlung kontra-faktisch ist, also Erfahrung und Wissen entgegenspricht, dann braucht der Sprecher dem Hörer nichts darüber zu signalisieren, wie er über ihre Verwirklichung denkt: Daher steht in solchen Konditionalsätzen meistens nicht te , und die Verben beider Sätze des Konditionalgefüges stehen im Irrealis I rrealis der Vergangenheit: Ajalahi, manglalahi, dijomahi tut. 'Wärst du gekommen, hättest du gebeten, hätte ich dir gegeben.' Phentschalahi o tschatschipe, schaj 'Hättest du die Wahrheit gesagt, dann hajalahi andar o scha. hättest du vom Kraut essen können.' Relativsatzähnliche Adverbialsätze Für sie gilt zwar dasselbe wie für die übrigen Adverbialsätze, doch kommen sie den Relativsätzen recht nahe; besonders gilt das für die Lokalsätze, die praktisch ausschließlich als Nominalkomplemente gebraucht werden. Modalsätze Modalsätze thematisieren die Art und Weise eines Sachverhaltes oder einer Handlung durch einen Vergleich oder durch eine Frage. Die Kodierung der Modalsätze ist sar 'wie, als' + finites Verb; wiederum gibt es, je nach Faktizität des Nebensatzes, solche mit te und solche ohne. 25
Auch in anderen Dialekten finden sich indikativische Realis-Konditionale (Boretzky 1993).
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a. Gleichsetzende und entgegensetzende Vergleiche werden mit sar kodiert: Oda si te sin, sar tu t u phenes. 'Das muß so gewesen sein, wie du sagst.' Adala nan buter, sar sin o Papai . 'Die sind nicht mehr so, wie der Papai war.' Diese Modalsätze können den Charakter von indirekten Fragesätzen haben: Me na dschanav, sar butschonahi. 'Ich weiß nicht, wie sie geheißen haben.' Me na dschanav, sar man o Del mukla 'Ich weiß nicht, wie mich der Gott so heafka tel. runtergelassen hat.' [im Stich gelassen] b. Wenn der Nebensatz nicht-faktisch oder kontra-faktisch gesetzt ist, sein Inhalt als Glied eines Vergleiches also nur angenommen ist, dann wird er mit sar + te + finites Verb kodiert: Afka sin, sar te man pischom dandert- 'Es war so, als ob mich ein Floh gebisschahi. sen hätte.' Ov merescht le auteriha ladija, sar te 'Er fuhr lieber mit dem Auto, als daß er cfuis gejahi. zu Fuß gegangen wäre.' Wie schon bei den Konditionalsätzen angemerkt, ist te in kontra-faktischen Sätzen nicht notwendig: Ma afka ker, sar tu Roman na dscha- 'Tu nicht so, als ob du Roman nicht neha. könntest.' Ov merescht ladija, hot cfuas gejahi. 'Er fuhr lieber, als daß er gegangen wäre.' Anders als bei den Konditionalsätzen ist aber die Setzung von te auch bei kontrafaktischen Modalsätzen die Regel. Temporalsätze Temporalsätze drücken ganz allgemein die zeitliche Beziehung zwischen zwei Sachverhalten oder Handlungen aus. a. Wenn der Nebensatz-Sachverhalt den Endpunkt des Hauptsatz-Sachverhalts anzeigt, dann wird der Temporalsatz mit dschimeg 'bis' eingeleitet: Odoj dur upre man likertschom, dschi- 'Dort hielt ich mich lange auf, bis ich meg deschuofto berscha somahi. achtzehn Jahre war.' Naschtig sojahi, dschimeg na molinahi. 'Ich konnte nicht schlafen, bis ich nicht gebetet hatte.' Im Hauptsatz kann, in Form von arinja 'solange' oder (dschi-)dokle 'solange', ein korrelierendes Adverb stehen: Arinja tut kerlahi, dschimeg mernahi. 'Solange haben sie dich traktiert, bis sie gestorben sind.' Dschimeg lakero mursch na avlahi, 'Bis ihr Mann nicht kam, solange stellte dschidokle oj le raschajeske sa upro sie dem Pfarrer alles auf den Tisch.' stolo tschilahi. b. Wenn die Sachverhalte oder Handlungen im Haupt- und im Nebensatz gleichzeitig bestehen, wird der Temporalsatz mit kada 'als, wenn' eingeleitet: Tranda bersch somahi akor, kada so- 'Dreißig Jahre war ich damals, als ich hartschom. geheiratet habe.' Na dschanav mre atscha te pral, kada 'Ich kann meine Augen nicht aufmathabon mange. chen, wenn sie mir brennen.' 68
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Der Temporalsatz kann dem Konditionalsatz nahekommen: Kada afka iste gondolinav, hot ... 'Wenn ich so denken muss, daß ...' Der Temporalsatz signalisiert Faktizität und stellt, anders als der Konditionalsatz, die Beziehung zwischen Haupt- und Nebensatzinhalt nicht in Frage; starke Behauptungen werden folglich auch in Temporalsätzen formuliert: Me menik te dikel na dschanav oda 'Ich kann nicht einmal schauen dieses fernsehn, kada vakerel. Fernsehen, wenn er spricht.' Wenn die Gleichzeitigkeit der beiden Sachverhalte betont wird, oder wenn zwei Handlungen unmittelbar aufeinander folgen, dann kann auch sar 'wie' den Temporalsatz einleiten: Me gejom andi dianst, sar kher ajom 'Ich ging in den Dienst, wie ich nach mindschart. Hause kam sofort.' Taj sar upre beschto, o gra ando 'Und wie er aufsaß, ging das Pferd in tschanga gelo. die Knie.' Die unmittelbare Aufeinanderfolge bzw. Gleichzeitigkeit von Handlungen wird auch von der Wortstellung reflektiert; solche Sätze zeigen oft rhematische Stellung: Schuntscham, sar phentscha o verwol- 'Wir hörten, wie der Verwalter sagte ...' teri ... Sar andi kojnha ande gelo, upre tscha- 'Wie er in die Küche hineinging, schlug latscha upro stolo. er auf den Tisch.' Lokalsätze Lokalsätze werden mit kaj 'wo, wohin' + finites Verb gebildet: Papal pal gejom upre oda than, kaj 'Ich ging wieder zurück auf den Platz, somahi ojs fatschu. wo ich als Kind gewesen war.' Kaj amen tschinahi, iste dschahahi. 'Wohin sie uns gesteckt haben, mußten wir gehen.' Wie bereits angedeutet, sind die Lokalsätze aus syntaktischen Überlegungen zu den Relativsätzen zu zählen; semantisch gesehen gehören sie aber zu den Adverbialsätzen.26 Relativsätze
Relativsätze sind Nominalkomplemente. Sie können objekt- oder subjektwertig stehen, wenn ihr Bezugsnomen im übergeordneten Satz nicht kodiert ist. Ihre weitere Einteilung richtet sich nach den Anschlußmitteln; temporale, lokale und modale relativsatzähnliche sind unter die Adverbialsätze gereiht. Der Relativsatz wird im Roman meistens mit so 'was' angeschlossen: Na patschan le, so me mit kertschom 'Sie glauben es nicht, was ich mitgeupr'oda them. macht habe auf dieser Welt.' Odotar bejg pejam, a poa dschenja, so 'Von dort kamen wir weg, ein paar afka pajtaschkiji samahi meg. Frauen, was wir so Freundinnen waren noch.' 26
Sie folgen darin dem Umstand, daß Ortsadverbiale viel eher nominal kodiert werden als andere Adverbiale.
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So kann, wie ersichtlich, Nominalgruppen aller Art modifizieren. Seltener steht sa- vo 'welcher': Dur fuat somahi mra tschaha, odolaha, 'Lange war ich fort mit meiner Tochter, savi muli. mit der, die gestorben ist' Jek pajtaschkija hi la, savaha mindig 'Eine Freundin hat sie, mit der sie imkhetan hi li. mer zusammen ist.' Savo nimmt meistens Bezug auf Personengruppen und erscheint nur dann mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn das Relativsatz-Verb vom Anschlußpronomen nicht Nominativ fordert. Obligatorisch ist savo als Subjekt in Relativsätzen mit 'haben'-Konstruktion: Pantsch dschene andi cili siedlung sina, 'Es gab fünf Personen in der ganzen saven khera sin upre pumengere thana. Siedlung, die Häuser hatten auf ihren eigenen Grundstücken.' F: Ko sin o kapo odoj? A: Haven bare F: 'Wer war der Kapo dort?' A: 'Diejenimuja sina. gen, die große Mäuler hatten.' Das Interrogativpronomen ko 'wer' kann unter denselben Bedingungen auftreten wie savo : taj odola romnija, kas ov lija 'und diese Frau, die er nahm' lakero erschti mursch, kastar o koja hi 'ihr erster Mann, von dem der Dings ist'
Meistens leitet ko aber auf Personen bezogene, generalisierende Relativsätze ein: Sako tschoro manusch schaj hal, taj 'Jeder arme Mann kann essen und schaj pil, so kamla, ko dschanel oda kann trinken, was er will, der dieses schlos te retinel. Schloß retten kann.' Ko lija lija, ko na, na. 'Wer nahm, nahm, wer nicht, der nicht.' 4.4 WORTSTELLUNG 4.4.0 TYPOLOGIE
Das Roman ist eine Sprache mit gemischter SOV/SVO-Wortstellung, die Präferenzen für SOV erkennen läßt. Darin unterscheidet es sich von anderen RomaniDialekten, mit denen es aber seine Flexibilität in der Wortstellung gemein hat. 27 4.4.1 EINFACHER DEKLARATIONSSATZ
Prinzipiell ist im Deklarationssatz jede Stellung der Satzglieder möglich. Allerdings lassen sich, nach ihrer Funktion, drei typische Stellungsmuster unterscheiden: a. Der maximal unterbrechende Typus: SOV. Er steht typischerweise an Abschnittsgrenzen, zeigt vor allem Brüche in Topikkontinuität (primäres und/oder sekundäres Topik), Handlungskontinuität und/oder thematischer Kontinuität an. b. Der Handlungskontinuität wahrende wahrende Typus: OV oder VO. Er steht bei nominanominalen Objekten typischerweise innerhalb von Absätzen und zeigt meist lediglich einen Bruch in der thematischen Kontinuität an, wobei das neu eingeführte 27
"Romanes wird in der Regel eine dominante SVO-Gliederung zugeschrieben (...), doch weist die Mehrzahl der Arbeiten auf Variationen und eine 'flexible' Wortstellung hin (...)." (Matras 1994: 115)
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Thema im nächsten Satz nicht mehr weiterverfolgt wird. Somit wird also auch die Topikkontinuität gewahrt. c. Der Themakontinuität wahrende Typus: ptO pronV oder VOpron. Er steht typischerweise innerhalb von Absätzen und markiert einen Bruch in der Handlungskontinuität; auch hier bleibt die Topikkontinuität unangetastet. Subjekt
Sätze mit selbständigem Subjekt markieren, wie erwähnt, einen Absatz- oder höheren Wechsel im Diskurs, typischerweise also einen Themen- oder Topikwechsel. Wenn eine Subjektgruppe vorhanden ist, dann steht sie an erster Stelle. In einer anderen als der präverbalen Position ist S nur als Rechts-Auslagerung zu finden: Na dschanlahi smirom te del, oda. 'Er konnte keine Ruhe geben, der.' Die übrigen Konstituenten, Objekte und Adverbiale, müssen fokussiert sein, um initial stehen zu können. Daher gilt die erste Position im Satz als Subjekts-Position und Position für fokussierte Elemente. Objekt
Pronominale Objekte verhalten sich anders als nominale. Pronominale Objekte können sowohl vor als auch nach V stehen; nominale stehen eher vor V. Pronominale Objekte stehen meistens enger am Verb als nominale Objekte. Sie können auch zwischen Verbalpartikel und Verb in die Verbgruppe treten. Pronominale Objekte Der Typus VOpron bzw. VOpronA kennzeichnet vor allem Erzählungen, in denen ein und dieselbe Person(engruppe) verschiedene, meist unmittelbar aufeinander folgende oder einander bedingende Handlungen durchführt. VO pron ist daher eine Fortsetzungs-Stellung, in der die (Verb)Handlung selbst das Thema ist. Im folgenden Beispiel faßt der Sprecher noch einmal die Erzählung zusammen, wie er seine Frau kennengelernt hat: Oj andi dianst peske geli odoj, taj me 'Sie ging (sich) in den Dienst dort, und uso silajkeri, t'akor kennenlernin- ich zum Zangenmacher, und dann lerntscham eke kavre. ten wir einander kennen.' Auch ptOV ist eine fortsetzende und verbfokussierende Stellung; die Betonung liegt dabei auf der Verbpartikel, die Nebenbetonung auf dem Verb: ... t'akor o raschaj predika tschilahi. Hat '... und dann predigte der Pfarrer. Na taj tel le mukle. und sie ließen ihn hinunter.' Verwandt ist AOpronV: Andi kojnha le tschitscham. 'In die Küche haben wir ihn gesteckt.' Nominale Objekte Gebräuchlichstes Muster ist OV bzw. Varianten AOV, OAV etc.: Le kerekoha pelo taj pri cili tschang tel 'Er fiel mit dem Fahrrad und sein gantschalatscha. zes Knie schlug er auf.' Kintscham le ham mentisch te o sottl 'Wir kauften es, aber den Sattel kauften mit kintscham. wir auch gleich mit.' 71
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Es dient vor allem der Einführung eines neuen, nicht prominenten Themas 28 sowie zur genaueren Bestimmung eines Sachverhalts. Das Subjekt ist in diesen Fällen meist nur zur Differenzierung gesetzt. Der Fokus liegt meist auf dem ganzen Satz; entsprechend werden isolierte Sätze überwiegend mit SOV realisiert. SOV bzw. SAOV ist charakteristisch für transitive Sätze mit nominalem Objekt: Mri daj i talitschka talit schka lelahi . 'Meine Mutter nahm die Scheibtruhe.' Ov mindig le grasten kinlahi. 'Er kaufte immer die Pferde.' VO und SVO stehen vor allem bei negierten Verben sowie als Fortsetzungstypen: Lija o kereko taj ladlahi peske. 'Er nahm das Fahrrad und fuhr.' Me na uschtidijom lil menik jefkar. 'Ich bekam nicht ein einziges Mal einen Brief.' Zwei Objekte Wenn kein S vorhanden ist, dann ist V-IO pron-DO der weitaus häufigste Fall: Dija la schel eseri . 'Sie gab ihr zehntausend.' Es handelt sich um einen Fortsetzungstyp. Deutlich ist hier oft die Hervorhebung des letzten Gliedes, des rhematischen Satzteiles, zu beobachten. Sind in bitransitiven Sätzen beide Objekte mit Pronomen kodiert, steht im Fortsetzungstyp immer DO vor IO: *dav la le : dav le lake *'ich gebe ihr es' : 'ich gebe es ihr' In diesem Fall liegt der Fokus auf dem indirekten Objekt oder dem Verb. Ein ebenfalls recht häufiges Muster ist DO-IOpron-V: Jausn amen dija. 'Eine Jause gab sie uns.' S-IO-V-DO steht meist dann, wenn das IO ein Pronomen und das DO komplexer kodiert ist, das heißt über Nomen oder mehrteilige Nominalgruppen: Oj man phukatscha schukar pamarisi. 'Sie erzählte mir eine schöne Geschichte.' oder über Infinitiv: Oda man dija jefkar te hal. 'Der gab mir einmal zu essen.' Hier zeigt sich auch, wie komplexere Strukturen nach rechts gelagert werden. S-IO-V-DO, S-IO-DO-V bzw. S-DO-IO-V finden sich, wenn beide Objekte pronominal kodiert sind: O gadsche lake sa denahi . 'Die Gadsche gaben ihr alles.' oder dann, wenn die Objekte einen geringen Umfang haben: O X auto tuke dija . 'Der X gab dir ein Auto.' Adverbiale
Für die Adverbiale vor allem der Gruppe A3 lassen sich zwei Positionen unterscheiden; satzinitial Akor me kher ajom . 'Dann bin ich nach Hause gekommen.' 28 Das heißt, eines Themas, welches nicht, oder höchstens für einen Absatz weiterverfolgt weiterverfolgt wird, das aber jedenfalls meist keine Person o.ä. bezeichnet und somit auch meist kein Topik ist.
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und verbnah: Me naschtig vasche kertschom. 'Ich konnte nichts dafür.' Die relative Ordung der verbnahen Adverbiale im Satz kann folgendermaßen angegeben werden: {(temporal)(lokal)} {(modal)(kausal)} – V Im Vergleich zu den Objekten gilt, daß pronominale Objekte näher am Verb stehen als Adverben, und nominale Objekte näher am Verb als beispielsweise Präpositionalgruppen. 4.4.2 NEBENSÄTZE
Die Wortfolge in Nebensätzen ist im wesentlichen dieselbe wie in Hauptsätzen, mit dem Unterschied, daß nominale Konstituenten im Nebensatz praktisch nie nach V stehen. Nur bei Kopulasätzen als Nebensätze ist Verbzweit- bzw. S-Nachstellung, wenngleich nicht typisch, so doch zu beobachten: Ah, dscha, adala nan buter sar sin o 'Ah, geh, die sind nicht mehr wie der Papaj. Papaj war.' Nebensatz-Konstituenten können angehoben bzw. links-ausgelagert werden: Akan, upri wiesn kada lo sina, fasuto. 'Nun, als er auf der Wiese W iese war, verschlief er.' [nun, auf der W Wiese iese als er war, verschlief er.] 4.4.3 FRAGESATZ
Die Stellung im Fragesatz weicht nicht von jener im Aussagesatz ab. Das Fragewort steht in Ergänzungsfragen initial, und die Abfolge weiterer Glieder richtet sich im oben skizzierten Rahmen nach dem Fokus der Äußerung, sodaß der Fragesatz sich meist nur über die Intonation vom Aussagesatz unterscheidet. Üblicherweise korreliert im Frage-Intonationsmuster die betonungsmäßige Hervorhebung mit der Stellung, wie in: Sar oda gelo? 'Wie ging das?' [Fokus am gesamten Sachverhalt] Sar gelo oda? 'Wie ging das?' [Fokus am Handlungshergang] Handlungshergang] Sar oda gelo? 'Wie ging das?' [Fokus am Endprodukt] Die im Fokus der Frage stehende Tatsache/Handlung/etc. erscheint meist satzinitial: Ajs manca mit? 'Kommst du mit mir?' Dschanes tu oda? 'Kennst du das/diesen?' Hier ist VS nicht ungewöhnlich, doch trägt S meistens eine Nebenbetonung bzw. ist mitfokussiert. Bei Entscheidungsfragen ist meist die Frageintonation allein ausschlaggebend: 4.4.4 AUFFORDERUNGSSATZ AUFFORDERUNGSSATZ
Wenn der Aufforderungssatz, wie das meist der Fall ist, mit einem Imperativ realisiert ist, dann steht das Verb bzw. in der Negation ma + Verb stets an erster Stelle des Satzes: 73
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'Geh nicht hin!' 'Weine nicht!' 'Erzähle mir!' 'Bleib dort stehen!' Ist der Aufforderungssatz mit andere Konstruktionen gebildet, folgt er den zum Aussagesatz formulierten Stellungsregeln. Ma dscha use! Ma rov! Phukav mange! Atsch terdo odoj!
4.4.5 WUNSCHSATZ
Der Wunschsatz kann entweder mit kama + Komplementsatz/Infinitiv oder mit Konditional gebildet werden. Die Komplementsatz/Infinitiv-Option gehört in die Domäne der Satzgefüge und ist dort beschrieben; die zweitere erscheint als verkürzter Konditional, d.h. der in Konditionalsätzen abhängige Satz steht als Wunschsatz selbständig und ist darüberhinaus intonatorisch/betonungsmäßig charakteristisch markiert: Te ov bojd avlahi! 'Wenn er [nur] bald käme! Te mujomahi! 'Wenn ich [nur] gestorben wäre!' 5 SOZIOLINGUISTISCHE SITUATION DES ROMAN 5.1 MEHRSPRACHIGKEIT UND SPRACHVERWENDUNG
Rekonstruiert man aus Erzählungen der älteren Mitglieder der Volksgruppe und den spärlichen schriftlichen Berichten die Sprachkompetenz und Sprachverwendung in der Zwischenkriegszeit, so läßt sich folgendes kollektive Repertoire abstrahieren: Repertoire in der Zwischenkriegszeit Zwischenkriegszeit Akrolekt DEUTSCH Ungarisch u/o Kroatisch Mesolekt Deutsch Ungarisch u/o Kroatisch Roman Basilekt Deutsch Ungarisch u/o Kroatisch ROMAN Basilekt:
Diatypen des sozialen Mikrokosmos, Mikrokosmos, die in privaten/ informellen Domänen innerhalb der Familie, im Kontakt mit engen Freunden etc. verwendet werden; Mesolekt: Diatypen des sozialen Makrokosmos, die in halböffentlichen/informellen halböffentlichen/informellen Domänen im Kontakt mit Bekannten, am Arbeitsplatz, etc. verwendet werden; Akrolekt: Diatypen der Öffentlichkeit, die in öffentlichen/formellen Domänen im Kontakt mit Behörden, in der Schule, etc. verwendet werden. Diatyp: funktional definierte sprachliche Variante KAPITÄLCHEN primärer Diatyp
Primäre Intimvariante war das Roman, daneben wurden abhängig von der jeweiligen anderssprachigen Dorfbevölkerung auch Deutsch, Ungarisch oder Kroatisch als basilektale Diatypen im sozialen Mikrokosmos verwendet. Die Zusammensetzung des Mesolekts, der Diatypen des sozialen Makrokosmos, war ebenfalls von der unmittelbaren Umgebung abhängig. In ungarischen Sprachinseln wurde neben Deutsch das Ungarische verwendet, in kroatischen Dörfern das Kroatische. Roman war Diatyp des Kontakts zwischen den Großfamilien in den einzelnen Landesteilen. Anzunehmen ist, daß ein Teil der Roma aufgrund ihrer in dieser Zeit noch ausgeübten mobilen Berufe über einen viersprachigen Mesolekt verfügte. Primärer akrolektaler Diatyp war natürlich das Deutsche. Ungarisch oder Kroatisch wurden wiederum abhängig von der umgebenden Mehrheitsbevölkerung in Schule, Kirche und im Kontakt mit den Behörden verwendet. 74
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Der Rückgang in der Roman-Verwendung in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts hat primär die – oben bereits erwähnten – sozio-historischen Ursachen: den Genozid, dem fast die gesamte damalige Großelterngeneration zum Opfer gefallen ist, und damit im Zusammenhang die »selbstverordnete Zwangsassimilation«, den Versuch, aus dem »Zigeuner-Sein« auszubrechen. auszubrechen. 29 Die heutige Großelterngeneration – die über 50-jährigen – verfügt über ein zweisprachiges, nur zu einem geringen Teil noch über ein dreisprachiges Repertoire. Roman ist basilektale Intimvariante und fungiert, wenn auch sehr selten, als mesolektaler Diatyp im Kontakt mit anderen Roma. In der Regel wird auch im sozialen Makrokosmos zwischen Roma, die einander nicht bzw. nicht gut kennen, fast ausschließlich Deutsch gesprochen. Abhängig von der unmittelbaren sprachlichen Umgebung – ungarisches oder kroatisches Dorf – werden auch kroatische bzw. ungarische Varianten gebraucht, eher aber als mesolektale Diatypen und weniger im sozialen Mikrokosmos. Der Rückgang in der Verwendung der andereren Minderheitensprachen hat einerseits mit den heute nicht mehr ausgeübten mobilen Nischenberufen zu tun, andererseits aber auch mit dem allgemeinen Rückgang in der Verwendung des Ungarischen und Kroatischen, was auch für deren formelle Funktionsdimensionen gilt, wodurch der Akrolekt im Repertoire der über 50-jährigen Roma einsprachig deutsch ist. Repertoire der heutigen Großelterngeneration Akrolekt DEUTSCH Mesolekt DEUTSCH (Ungarisch od. Kroatisch) [Roman] Basilekt DEUTSCH [Ungarisch od. Kroatisch] Roman ( ) geringe Verwendung; [ ] sehr geringe Verwendung
Roman ist für keine Altersgruppe primärer basilektaler Diatyp. In einigen wenigen Familien wird es in informellen Domänen gleichberechtigt neben dem Deutschen verwendet und auch die Jugendlichen haben noch aktive und passive Kompetenz: Häusliche Angelegenheiten werden auf Roman besprochen, wobei es auch zu 'conversational code switching' kommt. Für Themen aus der »Welt der Gadsche« wie Schule, Beruf etc. wird in der Regel das Deutsche verwendet. Der Großteil der heutigen Roma-Jugend verfügt jedoch über ein de facto einsprachiges Repertoire und hat zumeist nur noch passive Kompetenz der vor 60 Jahren primären Intimvariante innerhalb der Volksgruppe. Auch das Ungarische bzw. das Kroatische werden sehr selten verwendet, haben aufgrund der geänderten sozialen Bedingungen – nicht nur unter den Roma, sondern auch innerhalb der anderen Volksgruppen – ihre Bedeutung als mesolektale Diatypen ebenfalls fast zur Gänze verloren. Repertoire der heutigen Jugendlichen Akrolekt DEUTSCH Mesolekt DEUTSCH [Ungarisch od. Kroatisch] Basilekt DEUTSCH [Roman] 29 Natürlich hat auch der – nicht nur in Westeuropa – durch die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen gewachsene Assimilationsdruck auf Minderheiten im allgemeinen eine gewisse Rolle gespielt.
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5.2 SPRACHEINSTELLUNG SPRACHEINSTELLUNG
In einer im Sommer 1994 durchgeführten Befragung zu Sprachverwendung und Spracheinstellung (Halwachs/Ambrosch/Schicker 1996) haben von den 320 Befragten auf die Frage – »Welche Sprache würden sie als ihre Muttersprache be- zeichnen?« – 92% Roman angegeben, darunter Personen – in erster Linie, aber nicht nur Jugendliche –, die ihre Roman-Kompetenz als eher schlecht eingestuft haben. In den Fragestellungen die Wünsche bezüglich der Zukunft des Roman betreffend finden sich ebenfalls hauptsächlich positive Antworten: In der Regel um die 90% wollen, daß Roman mehr im internen Kontakt verwendet wird, daß es Zeitungen, Zeitschriften und Bücher gibt, daß Roman in Kindergärten gebraucht und Unterrichtsfach in der Schule wird, woraus sich wiederum die mittlerweile ebenso erfüllte Forderung nach Zeitungen, nach Wörterbuch, Grammatik und Lehrmaterialien ergibt. Nicht vorstellbar ist für die Befragten, daß Roman als Unterrichtssprache, auf Ämtern und vor Gericht verwendet wird. Auf diese Fragestellungen gab es negative oder – mehrheitlich – keine Antworten; ein Indiz für eine Art »Minderwertigkeitskomplex« in Bezug auf die eigene Sprache. Es ist für die Burgenland-Roma ganz einfach undenkbar, daß ihre Intimvariante wie die Sprachen der anderen österreichischen Volksgruppen auch im formellen bzw. z.T. ritualisierten Sprachgebrauch bei Gericht und auf Ämtern akzeptiert werden könnte. Manchmal äußern Volksgruppenangehörige auch die Meinung, das Roman sei eine »Mischsprache«, was nicht nur mit dem Wissen W issen um die Herkunft der jüngeren Entlehnungen zu tun haben dürfte, sondern vermutlich auch mit der Tatsache, daß die Burgenland-Roma von den Nazi als »Mischlinge« eingestuft wurden. Inwieweit die Meinung anderer Roma-Gruppen, die seßhaften Romungri – wie die Burgenland-Roma auch bezeichnet werden – seien (teil)assimiliert und deshalb keine »echten Roma«, eine Rolle spielt, ist offen. Tatsache ist, daß die Einstufung als »Mischlinge« zusammen mit dem Wissen um die Entlehnungen aus dem Deutschen, Ungarischen und Slawischen die Meinung, Roman sei eine Mischsprache, bewirkt. Die Mehrheit der Burgenland-Roma identifiziert sich jedoch trotz dieses Minderwertigkeitsgefühls mit der eigenen Sprache. Roman ist heute wichtiger Bestandteil des neu entstandenen Selbstbewußtseins und hat sich zumindest bei einem Teil der Volksgruppe zum primären Identitätsfaktor entwickelt. Daß dieser Prozeß von außen eingeleitet wurde und daß das heutige Sprachbewußtsein durch die Selbstorganisation und die damit verbundenen Außenkontakte gewachsen ist, läßt sich an einigen wenigen Ereignissen in den letzten let zten Jahren aufzeigen: • Bei der Gründungssitzung des Vereins Roma (1989) war Ceija Stojka, eine prominente Angehörige der österreichischen Lovara, eingeladen und hat bei dieser Gelegenheit Romani gesprochen, was auf die anwesenden BurgenlandRoma großen Eindruck gemacht hat. • Durch die Vereinsgründung kamen die Repräsentanten der Burgenland-Roma auch mit anderen Gruppen in Kontakt, bei denen – wie bei den in Wien lebenden Kalderaš – Romanes im gruppeninternen Kontakt dominiert. Aufgrund derartiger Erfahrungen entwickelte sich relativ rasch ein Bewußtsein für die eigene Sprache und deren geringe Verwendung wurde ab diesem Zeitpunkt als Verlust empfunden und als Gefährdung für den Weiterbestand der Volksgruppe angesehen. 76
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Verstärkt wurde dieses neue Sprachbewußtsein u.a. auch durch die Bitte des burgenländischen Landeshauptmanns, ihm ein Märchen auf Roman vorzutragen, das dann auch im Rundfunk gebracht und in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde. • Auch die Erfahrung, daß das Roman Kommunikationsmittel und damit verbindendes Element mit benachbarten Roma in Ungarn und Slowenien ist, hat dazu geführt, daß für die Burgenland-Roma – zumindest auf Vereinsebene – die Erhaltung der eigenen Sprache ein vordringliches Anliegen geworden ist. Diese Entwicklung war auch Basis für den Beginn des Projekt zur Kodifizierung und Didaktisierung des Roman . Dieses Projekt wurde 1993 vom heutigen Obmann des Vereins Roma Emmerich Gärtner Horvath in Zusammenarbeit mit Mozes F. Heinschink, einem der international angesehensten und auch von den Roma akzeptierten Experten zum Romani, initiiert. Primäres Ziel dieses Vorhabens war und ist es, für die Volksgruppe schnell in adäquate Sprachlehrprodukte umsetzbare sprachliche Beschreibungen zu erarbeiten und Volksgruppenangehörige in die Projektarbeiten so weit als möglich einzubeziehen. Schulunterricht war und ist dabei nur ein Aspekt der Zielvorstellungen. Der Aufbau und der Erhalt eines lebendigen sprachlichen Umfelds wurde und wird demgegenüber bei weitem wichtiger erachtet, denn eine Sprache, die nur in der Schule unterrichtet wird, ist eine tote Sprache. Demgemäß – wurde neben der lexikalischen Erfassung und grammatikalischen Beschreibung – jede Art von öffentlich-sprachlicher Aktivität unterstützt, was sich u. a. in einer vierteljährlich erscheinenden bilingualen Zeitschrift, Romani Patrin , und einem Romani-Kinder-Journal, Mri Tikni Mini Multi , äußert. Daneben wurden auch Unterrichtsaktivitäten gestartet: Roman wird heute sowohl in der Volksschule Oberwart als auch an der Volkshochschule von im Projekt zu Lehrern ausgebildeten Volksgruppenmitarbeitern unterrichtet. Inwieweit das neu entstandene Sprachbewußtsein dem kontinuierlichen Rückgang in der Sprachverwendung entgegenwirkt und ob Kodifizierung, Didaktisierung und Bemühungen um ein lebendiges sprachliches Umfeld mithelfen können, den Sprachverlust aufzuhalten und damit den Sprachtod verhindern, ist jedoch nach wie vor offen. Die eben skizzierte Entwicklung verringert nur die Wahrscheinlichkeit, daß das Roman in den nächsten Generationen ausstirbt. •
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Dieter W. Halwachs / Michael Wogg / et.al.
Literatur
Abgesehen von den zitierten Werken sind die wichtigsten im Rahmen des Projekts veröffentlichten Arbeiten in diese Liste aufgenommen. AMBROSCH, Gerd / GÄRTNER-HORVATH, Emmerich / HALWACHS, Dieter W. / W OGG, Michael / et al. (2000) Kaj pe sina, kaj pe nana. Amare pamaristscha. mit Illustrationen von Karl-Heinz Huber , Graz / Oberwart: Romani-Projekt / Verein Roma. BAKKER, Peter (1999) The Northern Branch of Romani: Mixed and Non-Mixed Varieties, in: Dieter W. HALWACHS / Florian MENZ (eds.) Die Sprache der Roma. Perspektiven der Romani- Forschung in Österreich im interdisziplinären und internationalen Kontext , Klagenfurt: Drava, S. 172–209. BORETZKY, Norbert (1993) Conditional sentences in Romani, Sprachtypologie und Universalienfor- schung 46/2 , S. 83-99. BORETZKY, Norbert / IGLA, Birgit (1994) Wörterbuch Romani-Deutsch-Englisch für den südosteuro- päischen Raum. Mit einer Grammatik der Dialektvarianten , Wiesbaden: Harrassowitz. DEMAN, Katharina / GLAESER, Ursula (1999) Roman Unterricht im Burgenland, in: Dieter W. Halwachs (ed.) Romani III , Graz: Institut für Sprachwissenschaften, S.11–30. GLAESER, Ursula (1997) Muttersprache und ethnische Identität am Beispiel der Burgenland-Roma , Graz: Diplomarbeit GLAESER, Ursula / MARTENS, Katharina / HALWACHS, Dieter W. / et al. (1998) Amen Roman Siklojas . mit Illustrationen von Franz Landl , Graz / Oberwart: Romani-Projekt / Verein Roma. HALWACHS, Dieter W. (1996) Die Verschriftlichung des Roman. Arbeitsbericht 2 des Projekts Kodi- fizierung und Didaktisierung des Roman, Graz / Oberwart: Romani-Projekt / Verein Roma. HALWACHS, Dieter W. (1998) Amaro vakeripe Roman hi – Unsere Sprache ist Roman. Texte, Glos- sar und Grammatik der burgenländischen Romani-Variante , Klagenfurt: Drava. HALWACHS, Dieter W. / AMBROSCH, Gerd / et al. (1999) Wörterbuch Roman - Deutsch. Arbeitsbericht 7a des Projekts Kodifizierung und Didaktisierung des Roman, Graz / Oberwart: RomaniProjekt / Verein Roma. HALWACHS, Dieter W. / AMBROSCH, Gerd / SCHICKER, Dieter (1996) Roman, seine Verwendung und sein Status innerhalb der Volksgruppe. Ergebnisse einer Befragung zu Sprachverwendung und Spracheinstellung der Burgenland-Roma. Arbeitsbericht 1 des Projekts Kodifizierung und Di- daktisierung des Roman , Graz / Oberwart: Romani-Projekt / Verein Roma. HALWACHS, Dieter W. / AMBROSCH, Gerd / W OGG, Michael / et al. (1999) M ÄRCHEN & E RZÄHLUNGEN DER BURGENLAND-ROMA. ARBEITSBERICHT 8A DES PROJEKTS KODIFIZIERUNG UND DIDAKTISIERUNG DES ROMAN, Graz / Oberwart: Romani-Projekt / Verein Roma. HALWACHS, Dieter W. / et al. (1998) Morphologie des Roman. Arbeitsbericht 3a des Projekts Kodifi- zierung und Didaktisierung des Roman, Graz / Oberwart: Romani-Projekt / Verein Roma. HALWACHS, Dieter W. / GÄRTNER-HORVATH, Emmerich / W OGG, Michael / et al. (2000) O rom taj o beng – Der Rom und der Teufel. Romane Pamaristscha phukajiptscha taj gila andar o Burgen- land , Klagenfurt: Drava. HALWACHS, Dieter W. / et. al.(1998) Phonologie des Roman. Arbeitsbericht 5 des Projekts Kodifizie- rung und Didaktisierung des Roman , Graz / Oberwart: Romani-Projekt / Verein Roma. HALWACHS, Dieter W. / G LAESER, Ursula / MARTENS, Katharina (1998) Lehrerkommentar zum Lehr- buch Amen Roman Siklojas. mit kinderphilosophischen Anmerkungen von Daniela Camhy. Ar- beitsbericht 4a des Projekts Kodifizierung und Didaktisierung des Roman , Graz / Oberwart: Romani-Projekt / Verein Roma. HALWACHS, Dieter W. / HORVATH, Erika / AMBROSCH, Gerd / SARKÖZI, René (1996) Amen Roman Pisinas – Wir schreiben Roman , Klagenfurt: Hermagoras. MARTENS, Katharina (1996 ) Verschriftlichungsprinzipien. Unter Berücksichtigung spontanverschrif- teter Roman-Texte , Graz: Diplomarbeit MATRAS, Yaron (1994) Untersuchungen zu Grammatik und Diskurs des Romanes. Dialekt der Kelderaša / Lovara , Wiesbaden: Harrassowitz. MATRAS, Yaron (1995) Verb Evidentials and Their Discourse Function in Vlach Romani Narratives , in: Matras (ed.) (1995) Romani in Contact , Amsterdam: Benjamins, pp. 95-123. Matras, Yaron (2002) Romani: A linguistic introduction, Cambridge: Cambridge University Press.
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BURGENLAND-ROMANI / ROMAN
Dieter W. Halwachs / Michael Wogg / et.al.
PURR, Cornelia (1996) Kroatisches und ungarisches Lehngut im Roman der Burgenland-Roma , Graz: Diplomarbeit ŠTRUKELJ, Paula (1980) Romi na Slovenskem , Ljubljana. VEKERDI Józef (1984) The Vend Gypsy Dialect in Hungary, in: Acta Linguistica Academiae Scienta- rum Hungaricae 34 , S. 65–68. WOGG, Michael / H ALWACHS, Dieter W. / et al. (1998) Syntax des Roman. Arbeitsbericht 6 des Pro- jekts Kodifizierung und Didaktisierung des Roman, Graz / Oberwart: Romani-Projekt / Verein Roma.
Abkürzungsverzeichnis A Adverbial Abl. Ablativ adj. Adjektiv adv. Adverb ai. Altindisch Akk. Akkusativ alv. alveolar arm. Armenisch asp. aspiriert attr. attributiv b. belebt C Konsonant Dat. Dativ ddial. deutsch-dialektal den. denominal dent. dental dentoalv dento-alveolar dento-alveolar dev. deverbal dial. dialektal DO direktes Objekt dtsch. Deutsch f. feminin f. fortis fem. feminin Fut. Futur Gen. Genitiv glot. glottal gr. Griechisch hi. Hindi Imp! Imperativ Imp. Imperfekt
imp. imperfektiv Ind. Indikativ Inst. Instrumental interj. Interjektion IO indirektes Objekt irr. irrealis jmnd. jemanden kard. Kardinalzahl Kond. Konditional(is) konj. Konjunktion Konj. Konjunktiv l. lenis lab. labial Lok. Lokativ. m. maskulin mask. maskulin N Nomen nom. nominal Nom. Nominativ nr. Nicht-Roma O Objekt Obl. Obliquus ord. Ordinalzahl P. Person pa. Pali pal. palatal part. Partikel pass. passiv Perf. Perfekt perf. perfektiv pers. Persisch
Zeichenerklärung [] // <> {/ /} {} '' ´ *
Allophon; phonetische Darstellung Phonem; phonologische Darstellung Graphem Allomorph Morphem Bedeutung Akzent, Betonung hypothetische, nicht belegte Form
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Pers. pk. Pl. Poss. pot. PP PPP präp. Präs Prät. pron.
Person Prakrit Plural Possessiv potentialis Partizip Präsens Partizip Perfekt Passiv Präposition Präsens Präteritum Pronomen pronominal r. Roma RELS Relativsatz S Subjekt s. Substantiv Sg. Singular sk. Sanskrit skr. Serbo-Kroatisch sslaw. Südslawisch sth. stimmhaft stl. stimmlos subst. substantivisch u./o. und/oder ub. unbelebt ung. Ungarisch V Verb V Vokal vel. velar Vok. Vokativ vp. Verbalpartikel
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