Peter Mariotti, Fachkrankenpfleger für Innere Medizin und Intensivpflege
COPD und Beatmung Steckbrief Lunge: Gesamtlänge der Bronchien:
700 Meter
Anzahl der Lungenbläschen:
300 – 400 Millionen
Gesamtoberfläche der Lungenbläschen:
80 – 150 qm (je nach Größe und Geschlecht)
Pro Atemzug eingeatmete Luft:
350 – 500ml
Lungenvolumen:
ca. 6 Liter
Eingeatmete Luft pro Minute:
7 – 40 Liter (je nach Anstrengung)
Eingeatmete Luft pro Tag:
ca. 10.000 – 15.000 Liter (diese Menge wird zum Befüllen eines Heißluftballons benötigt)
Quelle: Deutsche Atemwegsliga e.V.
Definition / Pathophysiologie Chronic Obstructive Pulmonary Disease Chronisch: Obstruktiv: Bronchitis: Emphysem:
Dauerhafte Erkrankung Einengung der Atemwege Entzündung der Atemwege Überblähung mit Zerstörung der Lungenstruktur
eine durch strukturelle und funktionelle Faktoren bedingte exspiratorische Atemstrombehinderung („Ventilstenose“)
Seite 1 von 11 Erstellt: 25.06.2010
Peter Mariotti, Fachkrankenpfleger für Innere Medizin und Intensivpflege
Klinik Zunahme der bronchopulmonalen Resistance o Tonuserhöhung der Bronchialmuskulatur bis zum Bronchospasmus o Schleimhautödem und Dyskrinie o Hypertrophie und Hyperplasie der Schleimhaut
„Dynamische Atemwegskompression“ o Bis zum endexspiratorischen Kollaps der kleinen Atemwege (Verlust an elastischen Fasern beim Emphysem)
Ausbildung eines „intrinsischen PEEP“ o okkulter positiver endexspiratorischer Atemwegsdruck, infolge unvollständiger Entlüftung der Lunge (endexspirat. Restflow)
„Air trapping“ o konsekutive Überblähung der nachgeschalteten Lungenbezirke mit Zunahme der funktionellen Residualkapazität (FRC)
Kapillarkompression (Anstieg des pulmonalvaskulären Widerstandes)
Dyspnoe mit ausgeprägter Verlängerung des Exspiriums
Husten und Auswurf (bei chron. Bronchitis v.a. morgens)
auskultatorisch feuchte sowie trockene Rasselgeräusche bishin zur „stillen Lunge“ („Silent lung“) =>> Zeichen einer schweren Atemwegsobstruktion !
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Peter Mariotti, Fachkrankenpfleger für Innere Medizin und Intensivpflege
Asthma oder COPD? Merkmal
Asthma
COPD
Beginn
Kindheit / Jugend
> 40 Jahre
Rauchen
Nichtr. > Raucher
Raucher
Beschwerden
anfallsart. Atemnot
Belastungsdyspnoe
Allergie
häufig
selten
Verlauf
variabel
progredient1
Obstruktion
variabel
persistierend2
Reversibilität
> 20% (FEV1)
< 15% (FEV1)
Hyperreaktivität
regelhaft
gelegentlich
Ansprechen auf Cortison regelhaft
gelegentlich
1
Progredient bedeutet "fortschreitend". Eine progrediente Erkrankung zeigt einen zunehmend schweren Verlauf. 2
Persistierend bedeutet "fortbestehend"/ "andauernd". Erkrankung heilt nicht aus, klingt nicht
ab.
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Peter Mariotti, Fachkrankenpfleger für Innere Medizin und Intensivpflege
Auswirkungen auf zahlreiche Organsysteme ZNS: • Angst • Depression • Dyspnoe Lunge: • Obstruktion • Überblähung • Gasaustausch erniedrigt Herz / Kreislauf: • cardiovaskuläre Reserven erniedrigt Muskulatur: • Atemmuskelfunktion erniedrigt • Leistungsfähigkeit der peripheren Muskeln erniedrigt Skelettsystem: • Osteoporose Stoffwechsel: • Inflammation3 • Protein-Turnover4 erhöht
3
Eine Entzündung (lateinisch-medizinisch Inflammatio, eingedeutscht Inflammation)
4
Turnover = Umsatz
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Indikation zur maschinellen Atemhilfe Muss in erster Linie anhand klinischer Parameter (!) gestellt werden, weniger anhand der Blutgasparameter
Pulmonal: •
Atemfrequenz > 35/Min.
•
Kurzatmigkeit
•
Progredient zunehmende Dyspnoe
•
„Schaukelatmung“ (= paradoxe abdominelle Atembewegung) mit inspiratorischer Einwärtsbewegung des Abdomens
•
inspiratorisch intercostale Einziehungen
•
Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (Mm. Pectorales, Mm. Scaleni, Mm. Sternocleidomastoidei)
Neurologisch: •
zunehmende Agitiertheit
•
Verwirrtheit
•
Einschränkung des Bewusstseins (Somnolenz) bishin zu
•
eingeschränkte Schutzreflexe
Cardiovaskulär: •
Tachycardie > 140/Min.
•
Arrhythmien
Richtwerte zur maschinellen Atemhilfe Blutgaswerte: •
paO2 < 45 mmHg (unter O2-Zufuhr) und ein
•
paCO2 > 65 mmHg bzw. Ansteigen des paCO2 > 10 mmHg/h
•
pH < 7,2
•
fehlendes Ansprechen auf initiale Therapie
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Technik und Anwendung der NIV NIV = Nicht-Invasive-Ventilation
A Adaptionsphase (= Beginn der NIV) Beginn in halbsitzender Position Patient mit der ans Gesicht geführten Maske vertraut machen Maske (Nasenmaske / Mund-Nasen-Maske / Full-Face-Maske) oder Beatmungshelm bei laufendem Beatmungsgerät mit dem Beatmungsschlauch verbinden Initial Maske mit der Hand halten / halten lassen Wichtiges ZIEL: Synchronisierung des Ventilators mit der Atemfrequenz des spontan atmenden Patienten Atemfrequenz < 35/Min. Atemzugvolumen > 3ml/kg/KG Kein Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
B Beatmungsparameter Ersteinstellung Pi5 = 15mbar / Pe6 = 5mbar kurze Druckanstiegszeit => 0,1 Sec. Flowtrigger ≤ 3 mbar Mindest-Atemfrequenz knapp unter der Eigenatmungsfrequenz (= assistierte Beatmung) zur Eingewöhnung O2-Gabe je nach O2-Sättigung => O2Sat > 90%
nach 5 – 10 Minuten Inspirationsdruck erhöhen in therapeutische Bereiche ( 20 – 25mbar) bei Abnahme der Tachypnoe Reduktion der eingestellten Mindestfrequenz knapp unter die Eigenatmungsfrequenz (also Beibehaltung assistierter Beatmung)
5 6
Pi = Inspirationsdruck Pe = Exspirationsdruck
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Assessment7 nach 15 Minuten Wenn keine Besserung der Oxygenierung erreichbar:
Steigerung des Pe auf 6 – 8 mbar
wenn keine Reduktion der Hyperkapnie erreichbar:
Steigerung des Pi auf maximal 30 mbar
weitere Assessments anfangs alle 30 Minuten bei Konsolidierung8 => alle 60 Minuten ggf. Anpassung der Beatmungsparameter
bei Stabilisierung des Patienten Beatmungspause von 10 bis 15 Min. für pflegerische Maßnahmen
C Sedierung Stark agitierte Patienten
Morphin ( 5 – 10mg) i.v.
Sufentanil Einleitungsdosis: 0,5 µg – 2,0 µg/kg/KG langsam i.v. über 2 – 10 Minuten Erhaltungsdosis: 0,15 µg – 0,7 µg/kg/KG i.v.
7
Assessment (deutsch: Einschätzung, Beurteilung, Abwägung)
8
Die Konsolidierung oder Konsolidation (von lat. consolidare, „zusammenfügen“, über lat. solidare, „festmachen“) bezeichnet die Sicherung oder Festigung von etwas Bestehendem.
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D Therapiegewöhnung Maske „schonend“ anlegen (nicht sofort mit Halteband fixieren!) =>> Zeit und Professionalität vermitteln ggf. mit niedrigen Therapiedrücken beginnen Hat sich der Patient an die Maske gewöhnt, kann die Therapie / die Therapiedrücke langsam gesteigert werden E Erfolgskriterien NIV
Abnahme Dyspnoe Verbesserung der Vigilanz Verbesserung der Tachypnoe => Normalisierung der Atemfrequenz Verbesserung der Oxygenierung => O2Sat > 85% Normalisierung der Herzfrequenz
F Erhöhtes Risiko für NIV-Versagen
Niedrige ph-Werte vor NIV und nach 1-2 Std. NIV Hoher Schweregrad der Erkrankung (SAPS II9) Reduzierte Vigilanz Nachweis von gramnegativen Bakterien im Bronchialsekret Hohes Alter
G Misserfolgskriterien NIV
Zunehmende Bewusstseinseintrübung und/oder Unruhe Unfähigkeit zur Sekretlösung Patient akzeptiert keine Maske Hämodynamische Instabilität Verminderung der Oxygenierung Fortschreitende Hyperkapnie
Bei Beginn mit NIV müssen vorab klare Richtlinien vorhanden sein, wann / unter welchen Umständen die NIV abgebrochen werden muss !! Empfehlung: Bei NIV-Versagen muss intubiert werden
9
SAPS (Simplified Acute Physiology Score) ist ein Punktwert welcher in der Medizin den physiologischen „Zustand“ eines Patienten angibt
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H Monitoring bei NIV
Atemfrequenz Atemrhythmus / Atemform Thoraxbewegungen Bewusstsein / Verhalten des Patienten Hautfarbe und „Beschaffenheit“ Auskultation der Lunge
Beatmungsmaschine:
Tidalvolumen Atemminutenvolumen PEEP / Pi / Pe Leckage
Apparativ:
EKG HF (Herzfrequenz) Blutdruck (invasiv / nicht invasiv) O2Sat Temperatur Hämodynamik allgemein
Sonstige:
BGA Labordiagnostik Röntgenverlauf ( CT / MRT ) Mikrobiologie ggf. Spirometrie
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Peter Mariotti, Fachkrankenpfleger für Innere Medizin und Intensivpflege
Quellen und Literaturhinweise: [1] http://www.patientenligaatemwegserkrankungen.de/pdf/Hilfe_zur_Selbsthilfe.pdf [2]
www.copd-deutschland.de
[3]
http://www.lungenatlas.de/
[4] http://www.versorgungsleitlinien.de/patienten/pdf/nvl_copd_patienten.pdf [5] http://www.bbtrier.de/bb_koblenz/bereiche/Medizinische_Abteilungen/Anaesthesie_Inten sivmedizin/Medien/Intensivpflegetag_07_Intensivmedizinische-Therapieder-akut-exacerbierten-COPD.pdf [6] http://www.bbtrier.de/bb_koblenz/bereiche/Medizinische_Abteilungen/Anaesthesie_Inten sivmedizin/Medien/Intensivpflegetag_2009/4.-MittelrheinIntensivpflegetag----Kurt-Simon--.pdf [7] http://www.erkanarslan.de/Nichtinvasive%20Beatmung%20bei%20COPD.pdf [8] http://www.agintensivmedizin.de/data/docu/Beatmung03.2004.pdf [9] http://www.anfofo.de/downloads/akademische_lehre/pj_trainingstage/06 a-Beatmung-Kapnometrie-Spoehr.pdf
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Internet-Informationen: [1] http://www.goldcopd.com/ [2] http://www.atemwegsliga.de/ [3] http://www.pneumologie.de/ [4] http://www.copd.versorgungsleitlinie.de/ [5] http://www.emphysem-info.de/ [6] http://www.alpha-1-center.de/ [7] http://www.ginasthma.com/ [8] http://www.asthma.versorgungsleitlinie.de/
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